Europäische Zeitschrift zum Anti

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Juli 2010
# 10
Europäische
Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht
In dieser Ausgabe:
■ Zugang
zu
Dienstleistungen nach
EU-Recht
■ Quellen des Gleichstellungsrechts der USA
Eine Initiative der EU
■ Aktueller
Stand
der Politik und der
Rechtsetzung auf
EU-Ebene
■ Neueste
Rechtsprechung des
EuGH/EGMR
Das Europäische Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung
■ Nationale
Entwicklungen im Antidiskriminierungsrecht
Europäische Zeitschrift zum
Antidiskriminierungsrecht
Nr. 10 - 2010
Maria | 1941
Die Zeitschrift wurde vom Netz unabhängiger Sachverständiger im
Bereich der Nichtdiskriminierung (aus Gründen der Rasse oder
ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer
Behinderung, des Alters und der sexuellen Ausrichtung) verfasst.
Der Inhalt der vorliegenden Veröffentlichung wurde vom Europäischen Netz unabhängiger
Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung verfasst und spiegelt nicht unbedingt
die Meinung oder die Haltung der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der
Europäischen Kommission wider.
Diese Veröffentlichung wird im Rahmen des Gemeinschaftsprogramms - PROGRESS für Beschäftigung und soziale Solidarität (20072013) unterstützt, das von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission verwaltet
wird. Dieses Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den Bereichen Beschäftigung
und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der
Strategie von Lissabon in diesen Bereichen beizutragen.
Das auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in der EU-27, den EFTA-/EWR-Ländern und den
Beitritts- und Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im
Bereich Beschäftigung und Soziales leisten können.
Mit PROGRESS wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem Engagement und ihren Bemühungen um mehr und bessere Arbeitsplätze und größeren Zusammenhalt in der Gesellschaft auszubauen. Zu diesem Zweck trägt
das Programm PROGRESS dazu bei,
• Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms PROGRESS bereitzustellen;
• die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und der Strategien der Gemeinschaft in den Politikbereichen des Programms PROGRESS
zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten;
• den Austausch von Strategien, das wechselseitige Lernen und die gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten in
Bezug auf die Ziele und Prioritäten der Union zu fördern und
• die Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt zu kanalisieren.
Weitere Informationen finden Sie unter: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=327
Die Webseite des Europäischen Netzes unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung:
www.non-discrimination.net.
Redaktionsausschuss:
Isabelle Chopin (Chefredakteurin)
Eirini-Maria Gounari (Leitende Redakteurin)
Die Redakteurinnen können per E-mail kontaktiert werden unter: [email protected]
Herstellung:
Human European Consultancy
Maliestraat 7
3581 SH Utrecht
Niederlande
www.humanconsultancy.com
Migration Policy Group
Rue Belliard 205, box 1
1040 Brüssel
Belgien
www.migpolgroup.org
Eine kostenlose Ausgabe kann auf folgender Webseite bestellt werden: www.non-discrimination.net/order.htm
© Fotografien und Layout: Ruben Timman / www.nowords.nl
Übersetzung aus dem Englischen: Katrin Romberg ([email protected])
Stand der im folgenden gegebenen Informationen ist weitestgehend der 1. Januar 2010.
ISBN 2-930399-58-9
Die in der vorliegenden Ausgabe gelieferten Länder-Informationen kommen von:
Dieter Schindlauer (Österreich), Emmanuelle Bribosia (Belgien), Margarita Ilieva (Bulgarien), Corina Demetriou (Zypern), Pavla
Boucková (Tschechische Republik), Christoffer Badse (Dänemark), Vadim Poleshchuk (Estland), Juhani Kortteinen (Finnland), Sophie
Latraverse (Frankreich), Matthias Mahlmann (Deutschland), Yannis Ktistakis und Athanassios Theodoridis (Griechenland), András
Kádár (Ungarn), Orlagh O’Farrell (Irland), Alessandro Simoni (Italien), Edita Ziobiene (Litauen), Gita Feldhune (Lettland), François
Moyse (Luxemburg), Tonio Ellul (Malta), Rikki Holtmaat (Niederlande), Lukasz Bojarski (Polen), Manuel Malheiros (Portugal), Romanita
Iordache (Rumänien), Zuzana Dlugosova und Janka Debreceniov (Slowakei), Neza Kogovsek (Slowenien), Lorenzo Cachón Rodríguez
(Spanien), Per Norberg (Schweden), Colm O’Cinneide und Aileen McColgan (Vereinigtes Königreich).
Inhaltsverzeichnis
7
Einleitung
11
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft beim
Zugang zu Dienstleistungen im Rahmen des EU-Rechts
Julie Ringelheim
21
Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten: Eine Gesamtbetrachtung
David B. Oppenheimer
37
Aktueller Stand der Politik und der Rechtsetzung auf EU-Ebene
39
Neuester Stand beim Europäischen Gerichtshof
45
Neuester Stand beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
51
Neueste Entwicklungen in den EU-Mitgliedstaaten
52
Belgien
53
Bulgarien
54
Zypern
56
Tschechische Republik
57
Dänemark
59
Frankreich
61
Deutschland
62
Griechenland
63
Ungarn
64
Irland
67
Italien
68
Litauen
69
Luxemburg
70
Niederlande
72
Portugal
73
Rumänien
77
Slowenien
78
Spanien
79
Schweden
80
Vereinigtes Königreich
Naom | 1996
Ausgabe Nr. 10 | 2010
6
Einleitung
Das Europäische Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung wird seit
2004 von Human European Consultancy und der Migration Policy Group (MPG) geleitet. Das Netz besteht
aus einem nationalen Sachverständigen pro EU-Mitgliedstaat, Akademikern und Koordinatoren der
Diskriminierungsmerkmale. Seit Dezember 2009 beteiligen sich außer den EU-Mitgliedstaaten auch
die Kandidatenländer Türkei, Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien an dem
Netz. Das Netz soll die Umsetzung und die Durchführung der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien1
auf nationaler Ebene überwachen, die Europäische Kommission beraten und sie mit unabhängigen Informationen versorgen. Es veröffentlicht auch die Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht
und verschiedene themenbezogene Berichte, die auf Deutsch, Englisch und Französisch erscheinen.
Ausführliche Informationen über das Netz, seine Berichte, Veröffentlichungen und Aktivitäten befinden
sich auf seiner Webseite: www.non-discrimination.net.
Dies ist die zehnte Ausgabe der Europäischen Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, die vom Europäischen Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung erstellt wurde. Darin wird
ein Überblick über die jüngsten Entwicklungen des europäischen Antidiskriminierungsrechts und der
Politik in diesem Bereich gegeben (Stand der im folgenden gegebenen Informationen ist weitestgehend
der 1. Januar 2010). Darüber hinaus enthält sie einen Artikel über die Quellen des Gleichstellungsrechts
der Vereinigten Staaten von David B. Oppenheimer, Jura-Professor an der Berkeley School of Law der University of California, und einen Artikel von Julie Ringelheim, Wissenschaftlerin beim belgischen Nationalfonds für wissenschaftliche Forschung (FNRS) und beim Zentrum für Rechtsphilosophie der Universität
Löwen (Belgien), über das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse und der ethnischen Herkunft
beim Zugang zu Dienstleistungen im Rahmen des EU-Rechts. Anschließend wird über den neuesten
Stand der rechtlichen und politischen Entwicklungen auf europäischer Ebene und der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte berichtet. Im
letzten Kapitel wird über den aktuellen Stand des Antidiskriminierungsrechts auf nationaler Ebene der
EU-Mitgliedstaaten berichtet. Diese vier Kapitel wurden von der Migration Policy Group (Isabelle Chopin
und Eirini-Maria Gounari) anhand der von den nationalen Sachverständigen gelieferten Informationen
und mittels eigener Recherchen in den europäischen Bereichen erstellt.
Im Dezember 2009 wurden zwei themenbezogene Berichte veröffentlicht. Der erste – Das Antidiskriminierungsrecht in der Europäischen Union bezüglich des Merkmals Behinderung – wurde von Lisa Waddington und Anna Lawson verfasst. In dem zweiten, von Olivier de Schutter erstellten Bericht wurden Die
Zusammenhänge zwischen Migration und Diskriminierung analysiert. Ein dritter themenbezogener Bericht
über die Gewichtung des Gleichstellungsrechts im Bezug auf andere Grundrechte, verfasst von Emmanuelle
Bribosia und Isabelle Rorive, und die vierte Ausgabe der vergleichenden Analyse (Entwicklung des Antidiskriminierungsrechts in Europa, ein Vergleich der 27 Mitgliedstaaten) sollen noch vor dem Herbst 2010
veröffentlicht werden.
Im November 2010 wird das Netz zusammen mit dem Europäischen Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Geschlechtergleichstellung ein juristisches Seminar für Vertreter der Mitgliedstaaten,
Gleichbehandlungsstellen und seine eigenen Mitglieder organisieren. Bei diesem Seminar werden die
sechs Diskriminierungsmerkmale behandelt, und es werden ungefähr 200 Teilnehmer erwartet.
Isabelle Chopin
Piet Leunis
1
Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG.
7
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Lernen Sie in der Zeitschrift einfache Bürger
kennen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind
Ausgabe Nr. 10 | 2010
8
Mitglieder des Europäischen Netzes unabhängiger Sachverständiger im Bereich
der Nichtdiskriminierung
Projektleiter:
Piet Leunis, Human European Consultancy [email protected]
Stellvertr. Projektleiterin, Content Management &
Chefredakteurin: Isabelle Chopin, Migration Policy Group
[email protected]
Support:
Andrea Trotter, Human European Consultancy [email protected]
Leitende Redakteurin: Eirini-Maria Gounari, Migration Policy Group [email protected]
Wissenschaftliche Berater
Christopher McCrudden, Universität Oxford
Jan Niessen, Migration Policy Group
Olivier de Schutter, Universität Löwen
Christa Tobler, Universität Leiden/Universität Basel
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Koordinatoren der Diskriminierungsmerkmale
Mark Bell, Universität Leicester (sexuelle Ausrichtung)
[email protected]
Lilla Farkas, Migration Policy Group (Rasse und ethnische Herkunft) [email protected]
Mark Freedland, Universität Oxford (Alter)
[email protected]
Isabelle Rorive, Freie Universität Brüssel (Religion und Weltanschauung)[email protected]
Lisa Waddington, Universität Maastricht (Behinderung)
[email protected]
Sachverständige für die einzelnen Länder:
Österreich
Dieter Schindlauer
Belgien
Emmanuelle Bribosia
Bulgarien
Margarita Ilieva
Zypern
Corina Demetriou
Tschechien
Pavla Boucková
Dänemark
Christoffer Badse
Estland
Vadim Poleshchuk
Finnland
Juhani Kortteinen
Frankreich
Sophie Latraverse
Deutschland
Matthias Mahlmann
Griechenland
Athanassios Theodoridis
Ungarn
András Kádár
Irland
Orlagh O’Farrell
Italien
Alessandro Simoni
Lettland
Gita Feldhune
Litauen
Gediminas Andriukaitis
Luxemburg
François Moyse
Malta
Tonio Ellul
Niederlande
Rikki Holtmaat
Polen
Lukasz Bojarski
Portugal
Manuel Malheiros
Rumänien
Romanita Iordache
Slowakei
Janka Debreceniov
Slowenien
Neza Kogovsek
Spanien
Lorenzo Cachón Rodríguez
Schweden
Per Norberg
Vereinigtes Königreich
Aileen McColgan
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
9
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Marijke | 1960
Ton | 1947
Sidney | 1987
Hanke | 1957
Ausgabe Nr. 10 | 2010
10
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der
Rasse oder der ethnischen Herkunft beim
Zugang zu Dienstleistungen im Rahmen des
EU-Rechts
Julie Ringelheim2
Einleitung
Schon seit den Römischen Verträgen sind bestimmte Formen der Diskriminierung beim Zugang zu
Dienstleistungen nach dem EU-Recht verboten. Bis zum Jahr 2000 war dieses Verbot im EU-Recht allerdings nur im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs festgeschrieben und folglich auf Fälle von
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats und auf Situationen mit grenzübergreifenden Aspekten beschränkt. Die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 („Richtlinie
zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse“)3 war somit der erste Rechtsakt der EU, durch den
jedwede aus einem der in Artikel 19 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) (ehemals Artikel 13
EG-Vertrag) genannten Gründe erfolgende Diskriminierung beim Zugang zu Dienstleistungen verboten
wurde. Dieses Verbot scheint sich zudem auf rein landesinterne Situationen zu erstrecken.4 Konkret
untersagt diese Richtlinie jedwede Diskriminierung durch öffentliche Stellen oder Privatpersonen aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft beim Zugang zu und bei der „Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“ sowie in
den Bereichen Beschäftigung, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen und Bildung.5 Seither wurde durch
die Richtlinie 2004/113/EG des Rates6 zudem der Schutz vor Diskriminierung wegen des Geschlechts auf
die Versorgung mit Dienstleistungen ausgedehnt, und im Juli 2008 hat die Kommission einen Vorschlag
für eine Richtlinie des Rates7 angenommen, der auf die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes abstellt und den Zugang zu und die Versorgung mit
Dienstleistungen einschließt.
Nachfolgend soll die Frage des Schutzes vor Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen
Herkunft beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Dienstleistungen im Rahmen des EU-Rechts
näher beleuchtet werden. Dabei werden zwei zentrale Fragen behandelt: 1.) Was ist in der Richtlinie zur
Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse unter dem Begriff „Dienstleistungen“ zu verstehen? 2.)
Worauf genau erstreckt sich dieser Schutz im Vergleich zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der
2
Julie Ringelheim ist Wissenschaftlerin beim belgischen Nationalfonds für wissenschaftliche Forschung (FNRS) und beim Zentrum für Rechtsphilosophie der Universität Löwen (Belgien). Außerdem ist sie (gemeinsam mit Olivier De Schutter) Autorin von
Ethnic Monitoring – The Processing of Racial and Ethnic Data in Anti-Discrimination Policies: Reconciling the Promotion of Equality
with Privacy Rights (Bruylant, 2010). Die Verfasserin möchte E. Bribosia, V. Moreno Lax, I. Rorive, V. van der Plancke und S. Van
Drooghenbroeck für ihre Diskussionsanregungen zu dem Thema dieses Artikels danken.
3
Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse
oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7. 2000, S. 22).
M. Bell, Anti-Discrimination Law and the European Union (Oxford University Press, 2002), S. 137.
Artikel 3 Absatz 1.
4
5
6
Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004,
S. 37). Diese Richtlinie gilt ausdrücklich nicht für den Inhalt von Medien und Werbung.
7
KOM (2008) 426.
11
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Rasse oder der ethnischen Herkunft im Beschäftigungsbereich einerseits und im Vergleich zum Schutz
vor Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Versorgung mit Dienstleistungen andererseits?
„Dienstleistungen“ im Sinne der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse
Dienstleistungen
Der Dienstleistungsbegriff ist einmal als amorph bezeichnet worden, weil man ihn zwar allgemein umschreiben kann, aber Dienstleistungen durchweg als etwas Immaterielles wahrgenommen werden, das
sich nicht (auf )bewahren lässt.8 In der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse wird der
Begriff „Dienstleistungen“ nicht definiert. Es wird lediglich gesagt, dass die Richtlinie für Dienstleistungen
gilt, „die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ (siehe unten). In der Richtlinie 2004/113/EG hingegen
wird in den Erwägungsgründen darauf hingewiesen, dass unter dem Begriff„Dienstleistungen“ Dienstleistungen im Sinne des Ex-Artikels 50 EG-Vertrag (Artikel 57 AEUV) verstanden werden.9 Obschon zu diesem
Punkt in der Richtlinie 2000/43/EG nichts gesagt wird, darf davon ausgegangen werden, dass der Begriff
„Dienstleistungen“ in dieser Richtlinie im Lichte derselben Vertragsbestimmung zu verstehen ist. Artikel
57 AEUV - im Abschnitt über den freien Dienstleistungsverkehr - besagt: „Dienstleistungen im Sinne der
Verträge sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“. Ebenso wird „Dienstleistung“
in der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt („Dienstleistungsrichtlinie“)10 als
„jede [...] selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“ definiert. Diese Definition
deckt eine breite Palette von Tätigkeiten ab, die von Friseur-, Banken- und Versicherungsdienstleistungen
über Transport- und Reisedienste bis hin zu Kino-, Hotel- und Restaurantdienstleistungen reichen.
Gleichwohl sind dem Dienstleistungsbegriff im Sinne der Verträge durch die Entgelt-Bedingung Grenzen
gesetzt. Laut dem EuGH besteht das Wesensmerkmal des Entgelts darin, „dass es die wirtschaftliche
Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt, wobei die Gegenleistung in der Regel zwischen
dem Erbringer und dem Empfänger der Leistung vereinbart wird“.11 Dieser Begriff ist vom EuGH weit
ausgelegt worden.12 Entgeltliche Dienstleistungen verlieren ihren gewerblichen Charakter weder, wenn
es sich bei dem Erbringer um ein Unternehmen ohne Gewinnstreben handelt,13 noch wenn es sich um
der Erholung oder der sportlichen Betätigung dienende Tätigkeiten handelt.14 Ferner fallen unter den
EG-Vertrag selbst einzelne Dienstleistungen, die nicht von denen bezahlt werden, denen sie zugute
kommen.15 So bietet beispielsweise der Veranstalter eines internationalen Wettkampfs „dem Sportler die
Gelegenheit, seine sportliche Tätigkeit auszuüben und sich dabei mit anderen Wettkämpfern zu messen,
während gleichzeitig die Sportler durch ihre Teilnahme am Wettkampf dem Veranstalter ermöglichen,
ein Sportereignis zu veranstalten, an dem das Publikum teilnehmen kann, das Fernsehsender übertragen
können und das für Werbetreibende und Sponsoren von Interesse sein kann“.16
L. Woods, Free Movement of Goods and Services within the European Community (Ashgate, 2004), S. 159.
Erwägungsgrund 11.
8
9
10
Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über
Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 12.12.2006, S. 36).
Rs. C-263/86, Belgischer Staat gegen René Humbel und Marie-Thérèse Edel [1988] Slg. 5365, Rdnr. 17.
P. Craig und G. De Búrca, EU Law – Text, Cases, and Materials (Oxford University Press, 2008), S. 818-823.
Rs. C-70/95 Sodemare SA, Anni Azzurri Holding SpA und Anni Azzurri Rezzato Srl gegen Regione Lombardia [1997] Slg. I-3395.
11
12
13
14
Siehe beispielsweise die Rs. C-415/93 Union royale belge des sociétés de football association ASBL gegen Jean-Marc Bosman
[1995] Slg. I-4921.
15
Rechtssachen C-51/96 und 191/97 Deliège gegen Ligue Francophone de Judo et Disciplines Associées ASBL [2000] Slg. I-2549,
Rdnr. 56.
16
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Ibid., Rdnr. 57.
12
Der EuGH hat zudem entschieden, dass die medizinische und pflegerische Versorgung auch dann eine
Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrags darstellen kann, wenn sie im Rahmen eines Systems der sozialen
Sicherheit erbracht wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine ärztliche Dienstleistung von einem
Patienten bezahlt wird, und dieser dafür anschließend bei seiner nationalen Gesundheitsversicherung
eine Kostenerstattung beantragen kann,17 oder wenn eine medizinische Krankenhausbehandlung auf
der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen und im Voraus festgesetzter Sätze unmittelbar von der
Krankenkasse finanziert wird, sofern die geleisteten Zahlungen für das Krankenhaus, das diese erhält,
Entgeltcharakter besitzen.18
Gleichwohl gibt es bestimmte öffentliche Tätigkeiten, die laut der Rechtsprechung des EuGH nicht unter
die Definition des Dienstleistungsbegriffs fallen, weil sie unentgeltlich sind. So hat der EuGH beispielsweise in der Rechtssache Humbel entschieden, dass der im Rahmen des nationalen Bildungssystems erteilte Unterricht keine Dienstleistung im Sinne des Vertrags darstellt, da das Wesensmerkmal des Entgelts
dabei fehlt: „Zum einen will der Staat durch die Errichtung und Erhaltung eines solchen Systems keine
gewinnbringende Tätigkeit aufnehmen; vielmehr erfüllt er dadurch auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet seine Aufgaben gegenüber seinen Bürgern. Zum anderen wird dieses System
in der Regel aus dem Staatshaushalt und nicht von den Schülern oder ihren Eltern finanziert“.19 Dagegen
stellt Unterricht, der an Hochschulen erteilt wird, die im wesentlichen aus privaten Mitteln, insbesondere
aus den von den Studenten oder deren Eltern geforderten Entgelten finanziert werden, und die einen
Gewinn zu erzielen suchen, eine „Dienstleistung“ dar.20
Die Anwendung der sich auf den freien Dienstleistungsverkehr beziehenden Bestimmungen des Vertrags
hängt davon ab, ob eine grenzübergreifende Dimension besteht: Entweder begibt sich der Dienstleistungserbringer in einen anderen Mitgliedstaat, oder der Dienstleistungsempfänger begibt sich in einen
anderen Mitgliedstaat, oder aber die Dienstleistung selbst wechselt in einen anderen Mitgliedstaat über
(beispielsweise bei Rundfunk- oder Telekommunikationsdiensten).21 Allerdings legt die Formulierung der
Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse auch den Schluss nahe, dass sie auf ein Verbot der Diskriminierung in rein landesinternen Situationen abstellt, beispielsweise also auf den Fall, dass
ein Schwede einen anderen Schweden aufgrund seiner Herkunft beim Zugang zu einer schwedischen
Diskothek diskriminiert. In den Erwägungsgründen22 wird betont, dass es wichtig ist, „alle natürlichen
Personen gegen Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu schützen“.
Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass die Richtlinie laut Artikel 3 Absatz 1 nur „im Rahmen der auf
die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“ gilt. Dies bedeutet, dass die in der Richtlinie genannten Bereiche nur dann abgedeckt sind, wenn der betreffende Gegenstand in den Zuständigkeitsbereich
der Gemeinschaft (d.h. seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in die Zuständigkeit der EU)
fällt. Innerhalb dieser Grenzen ist der Rat nach Artikel 19 Absatz 1 AEUV befugt, gegen Diskriminierung
unter anderem aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorzugehen. Dabei stellt sich mithin
die Frage, ob der Rat befugt ist, ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen
Herkunft beim Zugang zu Dienstleistungen unabhängig vom Vorliegen etwaiger grenzüberschreitender
Komponenten zu erlassen. Für eine solche Auslegung lässt sich das Argument anführen, dass das Fehlen
eines einheitlichen Schutzes vor einer derartigen Diskriminierung in den Mitgliedstaaten wahrscheinlich
Dienstleistungsanbieter an grenzübergreifenden Tätigkeiten hindert und Einzelpersonen davon abschreckt, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Auch wäre für die Mitgliedstaaten ein
17
18
Rs. C-158/96, Raymond Kohll gegen Union des caisses de maladie [1998] Slg. I-1931, Rdnr. 21.
Rs. C-157/99, B.S.M. Geraets-Smits gegen Stichting Ziekenfonds VGZ und H.T.M. Peerbooms gegen Stichting CZ Groep Zorgverzekeringen, [2001] Slg. I-5473, Rdnr. 56-58.
Rs. 263/86, Humbel, Rdnr. 18.
Rs. C-109/92, Stephan Max Wirth gegen Landeshauptstadt Hannover [1993] Slg. I-6447, Rdnr. 17.
L. Woods, op. cit. 163-164.
Erwägungsgrund 16, Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt.
19
20
21
22
13
Ausgabe Nr. 10 | 2010
auf grenzübergreifende Situationen begrenzter Schutz in der Praxis nur schwer umzusetzen, da, was die
Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft anbelangt, in vielen Fällen ein enger
Zusammenhang zwischen rein landesinternen und grenzübergreifenden Situationen besteht. Nicht zuletzt wäre eine solche Begrenzung auch nur schwer mit den nationalen Menschenrechtsverpflichtungen
der einzelnen Mitgliedstaaten vereinbar.
Selbst unter der Prämisse, dass das in der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse
festgeschriebene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft beim
Zugang zu Dienstleistungen auch rein inländische Situationen abdeckt und dass der Begriff „Dienstleistungen“ in diesem Kontext absolut bedeutungsgleich mit dem von Artikel 57 AEUV ist, bleibt gleichwohl
die Tatsache bestehen, dass der Zugang zu bestimmten Tätigkeiten, „die der Öffentlichkeit zur Verfügung
stehen“, nicht von der Richtlinie erfasst wird. Was die öffentlichen Schulen und Universitäten sowie die
medizinischen Dienstleistungen anbelangt, so ist natürlich darauf hinzuweisen, dass die Bildung und
die Gesundheitsdienste ausdrücklich als Gebiete aufgeführt werden, die in den Anwendungsbereich
der Richtlinie fallen.23 Der AEUV überträgt der EU spezifische Befugnisse im Bildungsbereich (Artikel 165,
Ex-Artikel 149 EGV) und im Gesundheitswesen (Artikel 168, Ex-Artikel 152 EGV), wenngleich diese Befugnisse begrenzt sind. Wie verhält es sich jedoch mit anderen Dienstleistungen, die nicht wirtschaftlicher
Art sind, aber der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (beispielsweise der unentgeltliche Zugang zu
öffentlichen Museen und Büchereien, zu kulturellen Veranstaltungen oder zu Amateursportvereinen)?
Fallen diese Tätigkeiten aus dem sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne
Unterschied der Rasse heraus?
Richtlinien sind generell im Lichte der Verträge auszulegen. Außerdem bezieht sich, wie bereits erwähnt,
die Richtlinie 2004/113/EG, die ja auch das Thema Gleichbehandlung betrifft und nach der Richtlinie
zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse erlassen wurde, ausdrücklich auf Dienstleistungen
im Sinne von Artikel 57 AEUV. Nichtsdestoweniger lassen sich mehrere Argumente vorbringen, die den
Standpunkt untermauern, dass der Dienstleistungsbegriff in der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne
Unterschied der Rasse breiter definiert ist als in den Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr.
Laut dem EuGH sind bei der Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts „nicht nur deren
Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie sich befindet, und die Ziele der Regelung zu
berücksichtigen, zu der sie gehört“.24 Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr sind auf das
Marktgeschehen ausgerichtet und sollen zur Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes beitragen.
Diesem Ziel entsprechend sind sie auf gewerbliche Tätigkeiten begrenzt. Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse hingegen stellt auf den Schutz der Menschenrechte ab, der als
einer der der Union zugrunde liegenden Werte25 anerkannt ist, und bezweckt insbesondere die Wahrung
der Gleichbehandlung, die ebenfalls ein allgemeiner Grundsatz des EU-Rechts26 ist. Ihr vorrangiges Ziel
ist es, das Recht von Einzelpersonen sicherzustellen, nicht aufgrund ihrer Rasse oder ihrer ethnischen
Herkunft diskriminiert zu werden und „die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften
zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft –
eine Teilhabe ermöglichen“.27 Die „Teilhabe“ an der Gesellschaft dürfte wiederum auch die Möglichkeit
einschließen, sowohl an wirtschaftlichen Tätigkeiten als auch an sozialen und kulturellen Tätigkeiten
teilzunehmen – und zwar unabhängig davon, ob diese eine gewerbliche Dimension aufweisen. Bezeichnenderweise werden in den Erwägungsgründen verschiedene Menschenrechtsabkommen (darunter die
23
24
Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben e und g.
Siehe beispielsweise die Rechtssache C-1/96, The Queen gegen Minister of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Compassion
in World Farming Ltd [1998], Slg. I-1251, Rdnr. 49.
25
Artikel 2 EUV; zur Bedeutung dieses Umstands für die Auslegung der Richtlinie siehe E. Dubout, L’article 13 du Traité CE – La
clause communautaire de lutte contre les discriminations (Bruylant, 2006), S.116-120.
Siehe beispielsweise die Rechtssache C-144/04, Mangold gegen Helm [2005] Slg. I-9981 Rdnr. 75.
Erwägungsgrund 12 der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse.
26
27
Ausgabe Nr. 10 | 2010
14
Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, das Internationale
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, der Internationale Pakt der VN
über bürgerliche und politische Rechte sowie der Internationale Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte) genannt, die alle eine Nichtdiskriminierungsklausel enthalten, deren Geltungsbereich in keiner Weise auf Tätigkeiten wirtschaftlicher Art begrenzt ist.
Eine breite Auslegung des Dienstleistungsbegriffs müsste gleichwohl mit dem Umstand vereinbar sein,
dass die Richtlinie nur innerhalb der Grenzen der der EU übertragenen Befugnisse gilt. Um zu ermitteln,
ob die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse dahin gehend ausgelegt werden
darf, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, jedwede Diskriminierung beim Zugang zu unentgeltlich
ausgeübten Tätigkeiten zu verbieten, müsste zunächst geklärt werden, ob dieses Thema überhaupt in
den Zuständigkeitsbereich der EU fällt. Bezüglich des Zugangs zu Museen hat der EuGH bereits in einem
Fall28 entschieden, dass der Besuch von Museen einer der maßgeblichen Gründe dafür ist, dass Touristen
als Dienstleistungsempfänger einen Mitgliedstaat besuchen. Mithin kann der Zugang zu Museen sowohl
im Rahmen der Freizügigkeit als auch im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs an bestimmte Bedingungen geknüpft werden.29 Allgemein hat der EuGH in Bezug auf kulturelle oder sportliche Tätigkeiten entschieden, dass einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der von seiner Freiheit nach dem
Gemeinschaftsrecht Gebrauch macht, in einen anderen Mitgliedstaat zu ziehen, um dort einer Tätigkeit
als Arbeitnehmer oder einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, infolge dieser Freizügigkeit das Recht
auf Zugang zu den in diesem Staat gebotenen Freizeitbeschäftigungen hat.30 Ebenso ließe sich prüfen,
ob die (begrenzten) Befugnisse, über die die EU nach den Verträgen in den Bereichen Kultur (Artikel 167
AEUV, Ex-Artikel 151 EGV) und Sport (Artikel 165 AEUV, Ex-Artikel 149 EGV) verfügt, als Rechtsgrundlage
für Maßnahmen zur Diskriminierungsbekämpfung in diesen Bereichen herangezogen werden könnten.
Insgesamt besteht also Diskussionsraum in der Frage, ob der Dienstleistungsbegriff aus der Richtlinie
zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse als auf entgeltliche Dienstleistungen begrenzt zu
verstehen ist. Aber unabhängig davon, ob der Dienstleistungsbegriff aus der Richtlinie 2000/43/EG auf
Dienstleistungen im Sinne von Artikel 57 AEUV begrenzt ist, steht es allen Mitgliedstaaten offen, über
die Richtlinie hinaus zu gehen und jedwede Diskriminierung beim Zugang zu nicht wirtschaftlichen
Tätigkeiten zu verbieten. Tatsächlich haben bereits einige Mitgliedstaaten den Zugang zu der Öffentlichkeit entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stehenden Orten oder Tätigkeiten ausdrücklich in den
sachlichen Geltungsbereich ihrer nationalen Vorschriften zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der
Rasse oder der ethnischen Herkunft einbezogen. So deckt das in Belgien zur Umsetzung der Richtlinie
2000/43/EG erlassene Bundesgesetz nicht nur die Erbringung von Dienstleistungen ab, sondern auch den
Zugang zu, die Teilnahme an und die Ausübung von der Öffentlichkeit offen stehenden wirtschaftlichen,
sozialen, kulturellen oder politischen Tätigkeiten.31 Ebenso interessant ist die Formulierung des britischen
Race Relations Act von 1976, demzufolge es jeder Person, die mit der (entgeltlichen oder unentgeltlichen)
Bereitstellung von Waren, Einrichtungen oder Dienstleistungen für die Öffentlichkeit oder einen Teil
der Öffentlichkeit befasst ist, verboten, eine andere Person, die von diesen Waren, Einrichtungen oder
Dienstleistungen Gebrauch machen möchte, zu diskriminieren.32
Rs. C-45/93, Kommission gegen Spanien [1994] Slg. I-911, Rdnr. 6.
Ibid., Rdnr. 10.
Siehe beispielsweise die Rechtssache C-62/96, Kommission gegen Griechenland [1997] Slg. I-6725, Rdnr. 19.
Loi tendant à lutter contre certaines formes de discrimination/Wet ter bestrijding van bepaalde vormen van discriminatie
28
29
30
31
(10.5.2007), Mon./Belgisch Staatsblad (30.5.2007), Artikel 5 Absatz 1 Ziff. 8.
32
Abschnitt 20 Absatz 1, Hervorhebung durch die Verfasserin.
15
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Der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Dienstleistungen
Die Richtlinie 2000/43/EG deckt Dienstleistungen ab, „die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“.
Diese Definition ist in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen zu sehen, in denen betont wird, dass
im Zusammenhang mit der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre
und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleiben muss.33
Ebenso bezieht sich der Geltungsbereich der Richtlinie 2004/113/EG auf die Bereitstellung von Gütern
und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die „außerhalb des Bereichs des
Privat- und Familienlebens und der in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen angeboten werden“
(Artikel 3 Absatz 1).
Der EuGH hat 1983 entschieden, dass es den Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem ebenfalls grundlegenden Prinzip der Achtung des Privatlebens in Einklang zu bringen gilt.34 Die Formulierung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung legt zudem den
Schluss nahe, dass sich das Diskriminierungsverbot nicht auf „rein private“ Angelegenheiten erstreckt.
Seine Definition von Diskriminierung bezieht sich ausdrücklich auf jede Unterscheidung, Ausschließung,
Beschränkung oder Bevorzugung, die die Ausübung von Menschenrechten und Grundfreiheiten im
„politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens“
vereitelt.35 Anhaltspunkte bezüglich der Umschreibung dessen, was unter „rein privaten“ Beziehungen
zwischen Personen zu verstehen ist, liefert der erläuternde Bericht zum Protokoll Nr. 12 der EMRK. Darin
heißt es, dass das im Protokoll festgeschriebene Diskriminierungsverbot zwar eine Reihe positiver Pflichten der Staaten auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Privatpersonen mit sich bringt, sich aber
zumeist auf die – in der Regel gesetzlich geregelten – Beziehungen im öffentlichen Bereich bezieht, für
die der Staat eine gewisse Verantwortung besitzt (Beispiele: willkürliche Verwehrung des Zugangs zur
Beschäftigung, zu Restaurants oder zu von Privatpersonen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten
Dienstleistungen wie die medizinische Pflege oder die Wasser- und Stromversorgung usw.). „Rein private
Angelegenheiten” hingegen seien nicht von dem Protokoll betroffen. Weiterhin heißt es in dem Bericht,
dass eine Regulierung derartiger Sachverhalte wahrscheinlich einen Eingriff in das in Artikel 8 des Übereinkommens verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens36 bedeuten würde.
Eine klare Abgrenzung zwischen Dienstleistungen für das Privat- und Familienleben und Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit mag gleichwohl nicht immer einfach sein. So wird in der Begründung
des im Jahr 2008 angenommenen Richtlinienvorschlags zur Gleichbehandlung außerhalb von Beschäftigung und Beruf als Beispiel für eine nicht unter die vorgeschlagene Richtlinie fallende Transaktion
zwischen Privatpersonen eine „rein private“ Transaktion in Form der Vermietung eines Zimmers in einem
Privathaus genannt, die laut der Begründung nicht auf die gleiche Weise behandelt werden muss wie
die Vermietung von Hotelzimmern.37 Hier könnten sich jedoch einige schwierige Fälle ergeben: Was gilt
beispielsweise für vier Einzelpersonen, die vier Zimmer ihres Privathauses vermieten und eine „Übernachtung mit Frühstück“ anbieten? Oder für eine Vereinigung, die eine private Party veranstaltet, dafür jedoch
weiträumig Werbung betreibt und Eintrittsgeld erhebt? Hier ist zu vermuten, dass nationale Gerichte und
der EuGH mit der Frage befasst werden, ob diese Tätigkeiten unter die Definition von „der Öffentlichkeit
zur Verfügung stehende Dienstleistungen“ fallen. Gleichwohl haben nicht alle Mitgliedstaaten in ihren
einzelstaatlichen Antidiskriminierungsvorschriften diese Unterscheidung zwischen der Öffentlichkeit zur
33
34
Erwägungsgrund 4.
Rs. C-165/82, Kommission gegen Vereinigtes Königreich [1983] Slg. 3431. Bei dieser Rechtssache ging es um die Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Zugang zur Beschäftigung.
Artikel 1 Absatz 1, Hervorhebung durch die Verfasserin.
Siehe Ziff. 28 des erläuternden Berichts zum Protokoll Nr. 12.
35
36
37
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder
der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (KOM (2008) 426, S. 8).
17
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Verfügung gestellten Dienstleistungen und rein privaten Dienstleistungen übernommen. So wird beispielsweise in den nationalen Rechtsvorschriften, die Zypern, Frankreich, Italien und Spanien zum Verbot
der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft erlassen haben, nicht ausdrücklich
gesagt, dass diese sich nur auf den Zugang zu der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Dienstleistungen
beziehen.38 In wie weit wird das Diskriminierungsverbot in diesen Ländern durch das Recht auf Achtung
des Privat- und Familienlebens begrenzt? Vermutlich dürfte auch diese Frage Interpretationssache der
Gerichte werden.
Die Reichweite des Schutzes
Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse untersagt die direkte und indirekte
Diskriminierung, die Belästigung und die Anstiftung zur Diskriminierung beim Zugang zu und bei der
Versorgung mit Dienstleistungen wie in den anderen von der Richtlinie abgedeckten Bereichen. Interessanterweise ist das Verbot der direkten Diskriminierung bei Dienstleistungen strikter als in Bezug auf den
Beschäftigungsbereich. Die Richtlinie lässt eine Ausnahme von dem Verbot der direkten Diskriminierung
in Fällen zu, in denen aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung ein mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft zusammenhängenden Merkmal
eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt.39 Die Formulierung „wesentliche
berufliche Anforderung“ bezeichnet eindeutig die berufliche Qualifikation eines Beschäftigten. Sie
betrifft folglich ausschließlich den Beschäftigungsbereich und kann nicht auf den Nutzer einer Dienstleistung angewendet werden. Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse enthält
keine Ausnahmebestimmung zum Verbot der direkten Diskriminierung wie sie die Richtlinie 2004/113/
EG vorsieht, welche (in Artikel 4 Absatz 5) eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter nicht ausschließt, wenn es durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, Güter und Dienstleistungen ausschließlich
oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen, und die Mittel zur Erreichung
dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mithin scheint beispielsweise eine Geschlechtertrennung
zulässig zu sein, wenn es darum geht, die Teilnahme an gesellschaftlich relevanten Aktivitäten wie der
Mitwirkung in Fitnessclubs und Sportvereinen oder auch die Saunanutzung zu fördern, indem denen,
die ansonsten aufgrund ihrer kulturellen oder religiösen Überzeugung, aus Verlegenheit oder aus Angst
vor sexueller Belästigung auf eine Teilnahme verzichten würden, eben diese Teilnahme ermöglicht wird.40
Hingegen ist jedwede aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft erfolgende Ungleichbehandlung der Geschlechter bei der Versorgung mit Dienstleistungen (also beispielsweise der Fall, dass ein
Frisör nur Schwarze bedient oder eine Partnervermittlung nur Mitglieder einer bestimmten ethnischen
Gemeinschaft als Kunden akzeptiert) nach der Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der
Rasse verboten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Dienstleister nicht unter bestimmten Umständen
ihre Kunden nach Kriterien auswählen dürfen, die in der Praxis auf eine Bevorzugung von Personen einer
bestimmten Rasse oder ethnischen Gruppe hinauslaufen (beispielsweise im Fall eines Frisörs, der sich
auf Afro-Frisuren spezialisiert). Mehr noch als eine direkte Diskriminierung könnte dies allerdings eine
indirekte Diskriminierung darstellen, wenn – und nur wenn – die angewandten Kriterien nicht durch ein
legitimes Ziel gerechtfertigt oder die zur Erreichung dieses Ziels verwendeten Mittel nicht angemessen
und erforderlich sind.
Interessanterweise ist es den Mitgliedstaaten nach (Artikel 5 Absatz 2) der Richtlinie 2004/113/EG auch
erlaubt, proportionale Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei der Berechnung von Prämien
und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens und verwandter Finanzdienstleistungen zuzulassen,
38
Siehe die Berichte des Netzes unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung über das nationale Antidiskriminierungsrecht: http://www.non-discrimination.net/en/countries/Spain?jsEnabled=1 (Stand: 19.2.2010).
39
40
Artikel 4.
Europäisches Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Geschlechtergleichstellung, Sex-segregated Services (S.
Burri und A. McColgan) (Europäische Kommission, 2008), S. 12.
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„wenn die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist“. In der
Richtlinie 2000/43/EG hingegen ist keine derartige Ausnahme vorgesehen.
Die einzige mögliche Ausnahme vom Verbot der direkten Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der
ethnischen Herkunft beim Zugang zu Dienstleistungen besteht in positiven Maßnahmen. Ein Beispiel
für eine solche positive Maßnahme sind die insbesondere in den Vereinigten Staaten, in Kanada und
in Südafrika durchgeführten „set-aside programs“. Deren Zielgruppe sind allerdings nicht die Nutzer,
sondern die Anbieter von Dienstleistungen. Im Rahmen dieser Programme wird ein bestimmter prozentualer Anteil der von staatlicher Seite vergebenen Verträge Unternehmen bestimmter benachteiligter
rassischer oder ethnischer Minderheiten vorbehalten, um die wirtschaftliche Lage dieser Minderheiten
zu verbessern.41 Auf EU-Ebene müssten derartige Maßnahmen selbstredend den Bedingungen genügen,
die das EU-Recht für positive Maßnahmen vorsieht.
Die Belästigung und die Anstiftung zur Diskriminierung werden in den Gleichstellungsrichtlinien als
Formen der Diskriminierung behandelt. Als Beispiele für eine Anstiftung zur Diskriminierung auf dem
Gebiet der Dienstleistungen sind u.a. der Fall eines Barbesitzers zu nennen, der seine Angestellten
anweist, Menschen einer bestimmten Rasse oder ethnischen Herkunft nicht zu bedienen, oder der Fall
eines Hausbesitzers, der sein Haus über einen Makler vermieten möchte und diesen anweist, Angehörige bestimmter ethnischer Gemeinschaften von vornherein als potenzielle Mieter auszuschließen.
Ein in dieser Hinsicht aufschlussreiches Urteil wurde im Jahr 1983 von einem britischen Gericht erlassen, welches in einem Fall zu entscheiden hatte, in dem eine Angestellte gegen die Kündigung ihrer
Anstellung in einem Freizeitpark klagte, welche ihr Arbeitgeber ausgesprochen hatte, weil sie seinen
Anweisungen, Schwarzen den Eintritt in den Freizeitpark zu verwehren, nicht nachgekommen war. Das
Gericht entschied, dass die „weniger günstige“ Behandlung, die der Klägerin aufgrund ihrer Weigerung,
eine Diskriminierung zu begehen, entgegengebracht wurde, eine direkte Diskriminierung im Sinne des
Race Relations Act von 1976 darstellte, da sie ja „aus Gründen der Rasse“ erfolgt sei.42 Ein Beispiel für eine
vermeintliche Belästigung im Zusammenhang mit dem Zugang zu Dienstleistungen findet sich im Fallrecht des obersten Gerichtshofes der Tschechischen Republik. Der von den Roma abstammende Kläger
hatte einen Restaurantbesitzer verklagt, der in seinem Restaurant eine Statue aufgestellt hatte, welche
einen Baseballschläger in der Hand hielt, der deutlich sichtbar die Inschrift „Schnappt euch die Zigeuner!“
trug. Der Kläger argumentierte, dadurch werde eine für Roma „einschüchternde, feindliche, erniedrigende, entwürdigende oder beleidigende“ Atmosphäre geschaffen. Der oberste Gerichtshof folgte seiner
Argumentation. In seinem Urteil stellte er fest, dass das beklagte Verhalten angesichts der Tatsache, dass
es im tschechischen Recht keine expliziten Bestimmungen über den Tatbestand der Belästigung bei der
Versorgung mit Dienstleistungen gibt, unter die im tschechischen Zivilrecht verankerten Bestimmungen
über den Schutz der Persönlichkeit fallen.43
Fazit
Das im EU-Recht festgelegte Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft
beim Zugang zu Dienstleistungen weist mehrere diskussionswürdige Aspekte auf. Dies gilt insbesondere
für den Definitionsumfang des Dienstleistungsbegriffs im Sinne der Richtlinie zur Gleichbehandlung
ohne Unterschied der Rasse. Zwar scheint die Definition des Begriffs „Dienstleistungen“ in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick identisch mit der aus den Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien
41
42
Ch. McCrudden, Buying Social Justice (Oxford University Press, 2007), S. 8-9.
Showboat Entertainment Centre Ltd gegen Owens [1984] IRLR 7, zitiert in D. Schiek, L. Waddington und M. Bell (Hrsg.), Cases,
Materials and Text on National, Supranational and International Non-Discrimination Law (Hart Publishing, 2007), S. 579.
43
Oberstes Gericht der Tschechischen Republik, Urteil Nr. 30 Cdo 1630/2004-156, Entscheidung vom 30. Juni 2005, berichtet in
Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht (EZADR), Ausgabe 3, S. 66.
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Dienstleistungsverkehr und folglich auf entgeltliche Tätigkeiten begrenzt zu sein, doch lässt sich mit Blick
auf das Ziel der Richtlinie argumentieren, dass der Dienstleistungsbegriff weiter ausgelegt werden sollte.
Eine solch weite Auslegung müsste allerdings mit dem Grundsatz vereinbar sein, dass die Richtlinie nur
innerhalb der Grenzen der der Union übertragenen Befugnisse gilt. Auch könnte die Unterscheidung
zwischen Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und Dienstleistungen, die nur
auf privater Ebene verfügbar sind und nicht von der Richtlinie abgedeckt werden, in bestimmten Fällen
zu Schwierigkeiten führen.
Was die Reichweite des Schutzes anbelangt, ist das Verbot der direkten Diskriminierung aufgrund der
Rasse oder der ethnischen Herkunft beim Zugang zu Dienstleistungen besonders strikt: Eine Berufung
auf die wenigen Ausnahmen, die nach dem EU-Recht im Fall der direkten Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts zulässig sind, ist in Fällen, in denen es um die Rasse oder die ethnische Herkunft geht, nicht
möglich. Ebenso gilt die bei einer „wesentlichen beruflichen Anforderung“ bestehende Ausnahmemöglichkeit nur für Diskriminierungen aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft, die im Beschäftigungsbereich erfolgen, eine entsprechende Bestimmung für den Dienstleistungsbereich gibt es nicht.
Ausgabe Nr. 10 | 2010
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Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten: eine Gesamtbetrachtung
David B. Oppenheimer44
Das Gleichstellungsrecht der Vereinigten Staaten in den Jahren 1776-1865
Bekanntermaßen ist es laut der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 „klar an sich und
keines Beweises bedürfend“, dass „alle Menschen gleich geboren“45 sind, doch die Erklärung gilt nur als
eine Absichtserklärung ohne unmittelbare rechtliche Wirkung. In der 1789 ratifizierten amerikanischen
Verfassung wurde zwar der Begriff „Sklaverei“ vermieden, aber deren Rechtmäßigkeit bekräftigt und
aufrecht erhalten.46 Die im Jahr 1857 vom Supreme Court in der Rechtssache Dred Scott47 getroffene
Entscheidung, dass Sklaven selbst nach ihrer Verbringung in die „freien“ Nordstaaten keine Personen,
sondern Eigentum darstellten, trug maßgeblich zum Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs bei.
Das Gleichstellungsrecht der Vereinigten Staaten in der Wiedereingliederungsphase nach dem
Amerikanischen Bürgerkrieg
Das Gleichstellungsrecht der Vereinigten Staaten hat seinen Ursprung in den drei Verfassungszusätzen
aus den Jahren 1865-70, die im Anschluss an den Sieg des für die Abschaffung der Sklaverei eintretenden
Nordens im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) angenommen wurden. Mit dem ersten Verfassungszusatz, dem Zusatzartikel XIII aus dem Jahr 1865, wurde die Sklaverei verboten.48 Mit dem Zusatzartikel XIV
von 1870 wurden ehemaligen Sklaven die Bürgerrechte zuerkannt und die Bundesstaaten verpflichtet,
44
Jura-Professor und Direktor für berufliche Fertigkeiten an der University of California, Berkeley School of Law (Boalt Hall).
Dieser Beitrag war ursprünglich ein Redebeitrag zum Brüsseler Rechtsseminar über die Umsetzung der Gleichstellungs- und
Antidiskriminierungsvorschriften der EU vom 6. Oktober 2009. Der Verfasser möchte Julia Parish und Sarah Williams für ihre
wertvolle Unterstützung bei der Recherche danken.
Absatz 2 der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1776).
Artikel 1 Abschnitt 1 der amerikanischen Verfassung lautet wie folgt: „Die Abgeordnetenmandate und die direkten Steuern
45
46
werden auf die einzelnen Staaten, die diesem Bund angeschlossen sind, im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl verteilt; diese
wird ermittelt, indem zur Gesamtzahl der freien Personen, einschließlich der in einem befristeten Dienstverhältnis stehenden,
jedoch ausschließlich der nicht besteuerten Indianer, drei Fünftel der Gesamtzahl aller übrigen Personen hinzugezählt werden“, und Artikel 1 Abschnitt 9 besagt: „Die Einwanderung oder Hereinholung solcher Personen, deren Zulassung einer der
derzeit bestehenden Staaten für angebracht hält, darf vom Kongreß vor dem Jahre 1808 nicht verboten werden, doch kann
eine solche Hereinholung mit Steuer oder Zoll von nicht mehr als zehn Dollar für jede Person belegt werden“.
Dred Scott gegen Sandford, 60 US 393 (1857).
Abschnitt 1 von Zusatzartikel XIII der amerikanischen Verfassung besagt: „Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf,
47
48
außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden
worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen.“
21
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Sylvia | 1962
Olivia | 1999
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David | 1993
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jedermann den „gleichen Schutz“ zu gewähren.49 Mit dem Zusatzartikel XV von 1870 wurde das allgemeine Wahlrecht für erwachsene männliche Bürger eingeführt.50
Während dieser als „Reconstruction“ bezeichneten Nachkriegsphase von 1865 bis 1877 verabschiedete der Kongress eine Reihe wichtiger Bürgerrechtsgesetze, durch die die private (1866, 1871) und die
öffentliche (1875) Diskriminierung aufgrund der Rasse verboten wurde.51 Doch diese Wiedereingliederungsphase endete schon kurz nach Kriegsende, und mit ihr endeten auch alle ernst gemeinten Anstrengungen zur Durchsetzung des Grundsatzes eines gleichen Schutzes für alle. So begrenzte der Supreme
Court bereits 1883 bei der Behandlung der Civil Rights Cases52 den Gleichheitsgrundsatz auf staatliche
Maßnahmen und erklärte den Civil Rights Act von 1875 für verfassungswidrig, und in der Rechtssache
Plessy gegen Ferguson (1896)53 entschied er, dass eine staatlich angeordnete öffentliche Rassentrennung
zulässig war, sofern die bereitgestellten getrennten Einrichtungen „gleich“ waren. Dass diese nie gleich
waren, erübrigt sich zu sagen, aber in der gängigen Rechtsprechung der Gerichte wurden selbst eklatant
ungleiche Einrichtungen und Dienstleistungen regelmäßig als rechtmäßig beurteilt.
Die Gleichstellungsvorschriften der amerikanischen Verfassung
In den 1940er Jahren entwickelte die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP)
unter der Führung von Thurgood Marshall und Charles Hamilton Houston eine Strategie zur Anfechtung
des Plessy-Urteils auf gerichtlichem Wege. Nach einer Reihe von Erfolgen in Rechtssachen, in denen die
Gerichte Einrichtungen als ungleich und somit als selbst nach dem Plessy-Urteil54 unzulässig befanden,
errangen sie 1954 einen endgültigen Erfolg, als das zuständige Gericht in der Rechtssache Brown gegen
Board of Education55 urteilte, dass getrennte Einrichtungen schon ihrem Wesen nach ungleich sind – und
somit das Plessy-Urteil außer Kraft setzte. Hieran schlossen sich schon bald weitere Gerichtsverfahren
an, in denen von den Gerichten Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Schutzes bei der Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern, Büchereien, Parks und anderen öffentlichen
Einrichtungen festgestellt wurden.56
Der Verfassungszusatz über den „gleichen Schutz“ war somit der Anfang vom Ende einer lange Phase des
Missbrauchs und stellt mithin die wichtigste Quelle des in der amerikanischen Verfassung verankerten
49
Abschnitt 1 von Zusatzartikel XIV der amerikanischen Verfassung besagt: „Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten
geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Einzelstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte
oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgend jemandem ohne ordentliches
Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen oder irgend jemandem innerhalb seines
Hoheitsbereiches den gleichen Schutz durch das Gesetz versagen“.
50
Abschnitt 1 von Zusatzartikel XV der amerikanischen Verfassung besagt: „Das Wahlrecht der Bürger der Vereinigten Staaten
darf von den Vereinigten Staaten oder einem Einzelstaat nicht auf Grund der Rassenzugehörigkeit, der Hautfarbe oder des
vormaligen Dienstbarkeitsverhältnisses versagt oder beschränkt werden“.
51
Civil Rights Act von 1866, 42 USC. §§ 1981 (1866); Civil Rights Act von 1871, 42 USC. §§ 1983, 1985(3), 1988 (1871); Civil Rights
Act von 1875, 18 Stat. 335 (1875).
Civil Rights Cases, 109 US 3 (1883).
Plessy gegen Ferguson, 163 US 537 (1896).
R. Kluger, Simple justice: The History of Brown v. Board of Education and Black America’s Struggle for Equality (1975).
Brown gegen Board of Ed. of Topeka, Shawnee County, Kan., 347 US 483, 495 (1954).
52
53
54
55
56
Siehe Boynton gegen Virginia, 364 US 454 (1960) (Ungültigkeit der Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln); Cypress
gegen Newport News General and Nonsectarian Hospital Ass’n, 375 F.2d 648 (4th Cir. 1967) (Erklärung der Rassentrennung in
Krankenhäusern für verfassungswidrig); Dawson gegen Mayor of the City of Baltimore, 220 F.2d 386 (4th Cir. 1955) (Verbot der
Rassentrennung an öffentlichen Stränden und in Badeanstalten); Watson gegen City of Memphis, 373 US 526 (1963) (Verbot
der Rassentrennung in Parks und in Freizeiteinrichtungen); Shuttlesworth gegen City of Birmingham, Ala., 394 US 147 (1969)
(Entscheidung, dass die Festnahme friedvoller Demonstranten gegen das öffentliche Versammlungsrecht verstößt).
23
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Gleichstellungsrechts dar. Er sieht die von der Verfassung vorgegebene und bestimmten, nachfolgend
erörterten Einschränkungen unterworfene Pflicht vor, dass die amerikanischen Bundesstaaten, ihre
Behörden und ihre Bediensteten weder Einzelpersonen noch Personengruppen ohne guten Grund unterschiedlich behandeln dürfen. Der Supreme Court hat eine Prüfskala entwickelt, die sich danach richtet,
in welchem Umfang sich die betreffende Ungleichstellung gegen eine kleine und vereinzelte Minderheit
richtet (oder, so in jüngerer Zeit, ob sich die betreffenden staatlichen Maßnahmen auf eine Klassifizierung
gründen, die wahrscheinlich nicht rechtmäßig ist).57 Wenn die Ungleichstellung auf ein ausdrückliches
Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer der „verdächtigen“ Klassen (oder, wie in jüngerer Zeit, auf
eine „verdächtige Klassifizierung“ aufgrund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder ethnischen Herkunft)
zurückgeht, wird die betreffende staatliche Maßnahme jeweils einer „strengen Prüfung“ unterzogen, um
zu ermitteln, ob die Ungleichstellung 1.) aufgrund eines „zwingend erforderlichen staatlichen Zwecks“
gerechtfertigt und 2.) „eng auf diesen Zweck zugeschnitten“ ist.58 Nach Maßgabe dieser Prüfung sind
zwar die meisten verdächtigen Klassifizierungen verboten worden, aber es gibt eine Reihe eng gefasster,
positiver Maßnahmen, die für zulässig befunden wurden.59
Im Jahr 1972 wurde ein Vorschlag zur Aufnahme einer Klausel über die Gleichstellung der Geschlechter in
die Verfassung (Equal Rights Amendment) von beiden Kongresskammern angenommen, aber dann nicht
bis zum Ablauf der erforderlichen Frist (1979) von mindestens drei Viertel aller Bundesstaaten ratifiziert,
so dass er nicht in Kraft treten konnte.60 In Fällen einer Ungleichstellung aufgrund des Geschlechts erfolgt
daher jeweils eine „Zwischenprüfung“: Falls der Staat ein „wichtiges staatliches Interesse“ nachweisen
kann und die unterschiedliche Behandlung „wesentlich“ mit diesem Interesse verbunden ist, gilt die
Unterscheidung als zulässig.61 In Fällen jedoch, in denen die Unterscheidung weder einer „strengen
Prüfung“ noch einer „Zwischenprüfung“ unterliegt, braucht der Staat lediglich nachweisen, dass die
Unterscheidung „rational mit einem legitimen Regierungsinteresse verbunden“ ist.62
Der Grundsatz des gleichen Schutzes weist drei wesentliche Beschränkungen auf. Erstens gilt er nur für die
Diskriminierung durch den Staat, seine Behörden und seine Bediensteten (Anforderung des „staatlichen
Vorgehens“).63 Zweitens ist er auf vorsätzliche Diskriminierungen beschränkt (Prüfung des „Vorsatzes“).64
Drittens hat der Supreme Court diesen Grundsatz in jüngster Vergangenheit dahingehend ausgelegt, dass
dieser fast ebenso für die Bevorzugung von Minderheitengruppen wie für deren Benachteiligung gilt
(„Farbenblindheitsdoktrin“) und dadurch die Möglichkeiten der Staaten (und auch des US-Kongresses)
für positive Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit benachteiligter Minderheiten erheblich
eingeengt.65 Aufgrund dieser Beschränkungen handelt es sich bei den Quellen des amerikanischen
Nichtdiskriminierungsrechts zumeist um Bundesgesetze und Durchführungsverordnungen; diese werden nachfolgend näher erörtert.
57
Siehe Grutter gegen Bollinger, 539 US 306 (2003); Adarand Constructors, Inc. gegen Pena, 515 US 200 (1995); City of Richmond
gegen J.A. Croson Co., 488 US 469 (1989); siehe allgemein J. Rubenfeld, The Anti-Antidiscrimination Agenda, 111 Yale L.J. 1141
(2002).
Siehe Grutter gegen Bollinger; Adarand Constructors, Inc. gegen Pena, 515 US 200 (1995).
Siehe Grutter gegen Bollinger; Shaw gegen Hunt, 517 US 899 (1996).
Equal Rights Amendment, H.J.R. Res. 208, 92nd Cong. (1971).
Siehe Craig gegen Boren, 429 US 190 (1976).
Siehe Lawerence gegen Texas, 539 US 558 (2003); Pennell gegen City of San Jose, 485 US 1 (1988).
Siehe Bivens gegen Six Unknown Named Agents of Federal Bureau of Narcotics, 403 US 388 (1971).
Siehe Personnel Administrator of Massachusetts gegen Feeney, 442 US 256 (1979); Washington gegen Davis, 426 US 229 (1976).
58
59
60
61
62
63
64
65
Siehe Ricci gegen DeStefano, 129 S. Ct. 2658 (2009); Parents Involved in Cmty Sch. gegen Seattle Sch. Dist. No. 1, 551 US 701
(2007); Gratz gegen Bollinger, 539 US 244 (2003).
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Das gesetzte Gleichstellungsrecht der Vereinigten Staaten – Bundesrecht
In den 1960er Jahren verabschiedete der US-Kongress drei wichtige Bürgerrechtsgesetze, die im Verbund
mit ihren Durchführungsvorschriften und einer Durchführungsverordnung des US-Präsidenten nach wie
vor die Hauptquellen des gesetzten Gleichstellungsrechts auf US-Bundesebene sind. Jedes dieser Gesetze spiegelt den jeweils erreichten Stand der Bürgerrechtsbewegung und der angespannten, aber sehr
wichtigen Arbeitsbeziehungen zwischen Martin Luther King Jr. und Präsident Lyndon B. Johnson wider.
Das erste dieser Gesetze war der Civil Rights Act von 1964, dessen Vorlage bereits in der Amtszeit von
Präsident Kennedy (als Folge der „Birmingham-Krisen“) erfolgt war; seine Annahme erfolgte gleichwohl
erst auf Drängen von Kennedys Nachfolger, Präsident Johnson, nach dem längsten Senatsfilibuster der
amerikanischen Geschichte.66 Durch das Gesetz wurde jedwede Diskriminierung aufgrund der Rasse, der
Hautfarbe, der Religion oder der ethnischen Herkunft durch öffentliche oder private Einrichtungen beim
Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (wie Hotels, Restaurants oder Theater)67 für ebenso illegal erklärt
wie die Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Religion, der ethnischen Herkunft oder
des Geschlechts68 durch private Unternehmen mit mindestens 15 Beschäftigten.69 Außerdem untersagt
das Gesetz jedwede Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft
durch mit Bundesmitteln finanzierte öffentliche Bildungseinrichtungen.70 Im Jahr 1972 wurde das Gesetz
um das Verbot der Diskriminierung durch öffentliche oder private Unternehmen beim Zugang zur Beschäftigung erweitert.71
Das Verbot der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung (Titel VII) wurde anfangs vom Supreme
Court und den Bundesberufungsgerichten breit ausgelegt, da diese der Auffassung waren, dass das Gesetz
auf alle augenscheinlich „neutralen“ Politikbereiche anwendbar ist, die sich (in Abhängigkeit von Gegenvorbringen wegen geschäftlicher oder arbeitsplatzbezogener Erfordernisse) unterschiedlich auswirken;72
die Beweislast lässt sich relativ einfach auf den Arbeitgeber umwälzen;73 Belästigung (einschließlich
sexuelle Belästigung ohne wirtschaftliche Folgen) fällt ebenfalls unter das Diskriminierungsverbot,74 und
Gruppenklagen werden erleichtert.75 Durch nachfolgende Gerichtsentscheide wurden diese Grundsätze
jedoch immer enger ausgelegt und rechtliche Hürden eingeführt, was langwierige Meinungsverschiedenheiten mit dem Kongress nach sich zog, der den sich auf den Zugang zur Beschäftigung beziehenden
Teil des Gesetz seither mehrfach geändert hat, um einschlägige Urteile des Supreme Court aufzuheben.
Diese werden nachfolgend näher erörtert.
Im Jahr 1965 verabschiedete der Kongress in der Folge zu den „Selma-Krisen“ das Wahlrechtsgesetz
(Voting Rights Act), durch das die Wahlrechtausübung in den Bundesstaaten und Gemeinden, in denen
Minderheiten in der Vergangenheit an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert worden waren, unter
B. und C. Whalen, The Longest Debate: A Legislative History of the 1964 Civil Rights Act 1-2 (Seven Locks Press 1985), S. 200.
42 USC. § 2000a(a)-(b) (2006).
42 USC. § 2000e-2 (2006).
42 USC. § 2000e(b) (2006).
42 USC. § 2000d (2006).
92 P.L. 261 (öffentliche Bedienstete).
Griggs gegen Duke Power Co., 401 US 424 (1971).
Green gegen McDonnell Douglas Corp., 463 F.2d 337, 344 (8th Cir. 1972).
Meritor Savings Bank, FSB gegen Vinson, 477 US 57, 64 (1986).
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75
Siehe beispielsweise Oatis gegen Crown Zellerbach Corp., 398 F2d 496, 499 (5th Cir. 1968), Bowe gegen Collgate-Palmolive Co.,
416 F2d 711, 719 (7th Cir. 1969).
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Bundesaufsicht gestellt wurde.76 Zu diesem Gesetz wurden 1970, 1975, 1982 und 2006 Änderungen
erlassen.77
Ebenfalls im Jahr 1965 erließ Präsident Johnson die Durchführungsverordnung Nr. 11246, die privaten
Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen für Bundesbehörden bereitstellen, jedwede Diskriminierung aufgrund der Rasse untersagt und diese verpflichtet, Programme und Strategien für „positive
Maßnahmen“ zu entwickeln, um die Zahl der aus Minderheiten stammenden Beschäftigten und Unterauftragnehmer zu erhöhen.78 Hierbei handelte es sich um eine Ausweitung einer bereits von Präsident
Kennedy erlassenen Durchführungsverordnung, die als Startpunkt der US-Politik für positive Maßnahmen gilt.79
Im Jahr 1967 verabschiedete der Kongress das Gesetz gegen die Diskriminierung Älterer am Arbeitsplatz
(Age Discrimination in Employment Act), durch das Arbeitnehmer über 40 gegen Altersdiskriminierung
geschützt werden.80
Unmittelbar nach der Ermordung von Martin Luther King verabschiedete der Kongress im Jahr 1968 das
Fair Housing Act, durch das die meisten Formen der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe,
der Religion oder der ethnischen Herkunft beim Zugang zu Wohnraum verboten wurden.81 Noch im selben Jahr entschied der Supreme Court, dass die Bürgerrechtsgesetze von 1866 und 1867, die die Diskriminierung aufgrund der Rasse im privaten Bereich verboten und seit dem Ende der „Reconstruction“-Jahre
ignoriert worden waren, nach wie vor Geltung besaßen.82
Seit 1968 hat der Kongress mehrere Gesetze zur Ausweitung der Bürgerrechte auf Bundesebene erlassen,
durch die entweder die Zahl der erfassten Gruppen erhöht wurde oder aber Entscheidungen des Supreme
Court aufgehoben wurden. Im Jahr 1972 weiterte der Kongress das Verbot der Diskriminierung durch
Bildungseinrichtungen auf die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Titel IX) aus.83 Im Jahr 1973
verabschiedete der Kongress das Rehabilitation Act, das jedwede Diskriminierung aufgrund von Behinderung in Arbeitsverhältnissen der Bundesregierung und von Vertragspartnern der Regierung verbietet.84 Im
Jahr 1975 nahm der Kongress das Education for All Handicapped Children Act an, das später in Individuals
with Disabilities Education Act umbenannt wurde und die allgemeinen Schulen verpflichtet, Schülern mit
Behinderungen einen gleichen Zugang zu ermöglichen.85 Im Jahr 1978 verabschiedete der Kongress das
Gesetz gegen die Diskriminierung von Schwangeren (Pregnancy Discrimination Act) und hob damit die
vom Supreme Court erlassene Entscheidung auf, dass Schwangerschaftsdiskriminierung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des Bürgerrechtsgesetzes von 1964 darstellte.86 Im Jahr 1990
76
77
42 USC. §§ 1973-1973aa-5 (2006).
Voting Rights Act Amendments von 1970, Pub. L. No. 91-285, 84 Stat. 314; Pub. L. No. 94-73, 89 Stat. 400 (1975); Voting Rights
Act Amendments von 1982 Pub. L. No. 97-205, 96 Stat. 131, F. L. Hamer, R. Parks, und C. Scott King Voting Rights Act Reauthorization and Amendments Act von 2006 Pub. L. No.109-246, 120 Stat. 577.
Durchführungsverordnung Nr. 11246 (1965).
Durchführungsverordnung Nr. 10925 (1961).
29 §§ USC. 621-634 (2006).
42 § USC. 3604 (2006).
Jones gegen Alfred H. Mayer Co., 392 US 409 (1968).
78
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83
Patsy Takemoto Mink Equal Opportunity in Education Act Pub. L. No. 92-318, 86 Stat. 235 (kodifiziert wie geändert in 20 USC.
§ 1681 (2006)).
84
Employment Opportunities For Individuals With Disabilities Act of 1973 Pub. L. No. 93-112, 87 Stat. 355 (kodifiziert wie geändert in §§ 29 USC. 791-793 (2006)).
85
Education For All Handicapped Children Act of 1975 Pub. L. No. 94-142, 89 Stat. 773 (kodifiziert wie geändert in 20 USC. §
1400 (2006)).
86
Pub. L. No. 95-555, 92 Stat. 2076 (kodifiziert wie geändert in 42 USC. § 2000e(k) (2006)), Urteil in der Rechtssache General
Electric Co. gegen Gilbert, 429 US 125 (1976).
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verabschiedete der Kongress das Behindertengleichstellungsgesetz (Americans with Disabilities Act), durch
das die Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung verboten wurde und das Verbot der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen auf den Bereich öffentlicher Einrichtungen ausgedehnt wurde.87
Das Gesetz wurde im Jahr 2008 geändert, um mehrere Entscheidungen des Supreme Court, durch die
seine Wirkung begrenzt worden war, aufzuheben.88 Zu dem selben Zweck verabschiedete der Kongress
1990 den Civil Rights Restoration Act, doch gegen dessen Annahme legte Präsident George H. W. Bush sein
Veto ein.89 Im Jahr 1991 wurde das Gesetz jedoch in leicht veränderter Fassung erneut angenommen und
auch vom Präsidenten unterzeichnet.90 Im Jahr 1994 nahm der Kongress das Gesetz zur Bekämpfung der
Gewalt gegen Frauen (Violence Against Women Act) an.91 Im Jahr 2009 verabschiedete der Kongress das
Lilly Ledbetter Fair Pay Act, durch das die vom Supreme Court erlassene Entscheidung, dass Beschäftigte
nur sechs Monate Zeit haben, um gegen geringeren Lohn wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder
Hautfarbe zu klagen, aufgehoben wurde (dies war das erste Gesetz, das von Präsident Obama unterzeichnet wurde).92 Der Kongress prüft zurzeit eine Gesetzesvorlage, durch die die Diskriminierung aufgrund der
sexuellen Ausrichtung beim Zugang zur Beschäftigung verboten werden soll.93
Seit Anfang der 1980er Jahre sind die vom Kongress unternommenen Anstrengungen zur Ausweitung
der Gleichstellungsrechte immer mehr von einem zunehmend konservativen Supreme Court ausgebremst worden. So entschied der Supreme Court zwar im Jahr 1971, dass gemäß Titel VII nicht nur
jedwede vorsätzliche Diskriminierung verboten ist, sondern auch jedwede unabsichtliche Diskriminierung („Diskriminierung mit negativen Auswirkungen“, vergleichbar mit dem EU-Begriff der „indirekten
Diskriminierung“), begrenzte diese Auslegung jedoch im Jahr 1989.94 Durch das 1991 vom Kongress
angenommene Bürgerrechtsgesetz wurde diese Einschränkung dann allerdings wieder aufgehoben.95
Ebenso entschied der Supreme Court 1973 in der Rechtssache McDonnell Douglas,96 in der es um
einen Fall von Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung ging, dass die Beweislast nicht beim
Kläger, sondern beim Beklagten lag, schränkte diese Entscheidung ab Beginn der 1980er Jahre durch
mehrere Urteile in ähnlichen Fällen wieder ein.97 Auch hat der Supreme Court in mehreren Fällen vom
Kongress angenommene Regelungen für positive Maßnahmen, durch die Vertragspartner der Regierung verpflichtet wurden, bei der Wahl ihrer Unterauftragnehmer nach Möglichkeit auf im Besitz von
Minderheiten oder Frauen befindliche Firmen zurückzugreifen, mit der Begründung zurückgewiesen,
dass diese Regelungen gegen die Gleichstellungsrechte weißer Männer verstießen.98 Der EuGH hatte im
Jahr 1986 die gängige Auslegung des Geltungsbereichs des Verbots der Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts zunächst ausgeweitet, als er urteilte, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz auch dann
den Tatbestand der unrechtmäßigen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfüllt, wenn sie keine
spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen hat. Im Jahr 1998 gestand er jedoch Arbeitgebern bestimmte
Verteidigungsgründe zu, durch die die Wirksamkeit von Klagen wegen sexueller Belästigung geschmälert
87
88
42 USC. §§ 12101-12213.
ADA Amendments Act of 2008 Pub. L. No. 110-325, 122 Stat. 3553 (mit Aufhebung u.a. der Entscheidung in der Rechtssache
Toyota Motor Mfg., Kentucky, Inc. gegen Williams, 534 US 184 (2002)).
136 Cong. Rec. 31,868-69 (10/22/1990).
Civil Rights Act of 1991 Pub. L. No. 102-166, 105 Stat. 1071 (kodifiziert wie geändert in 42 USC. § 1981 (2006)).
Violence Against Women Act of 1994 Pub. L. No. 103-322, 108 Stat. 1796.
89
90
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92
Pub. L. No. 111-2, 123 Stat. 5 (2009) zur Änderung von 42 USC. § 2000e-5(e); Aufhebung von Ledbetter v. Goodyear Tire & Rubber Co., 550 US 618 (2007); Sheyl Gay Stolberg, Obama Signs Equal-Pay Legislation (N.Y. Times, 29.1.2009), siehe http://www.
nytimes.com/2009/01/30/us/politics/30ledbetter-web.html.
H.R. 3017, 111th Cong. (2009).
Wards Cove Packing Co. gegen Atonio, 490 US 642 (1989).
Civil Rights Act Of 1991 Pub. L. No. 102-166, 105 Stat. 1071, kodifiziert als 42 USC. § 2000e-2 (2006).
Green gegen McDonnell Douglas Corp., 463 F.2d 337 (8th Cir. 1972).
Siehe beispielsweise St. Mary’s Honor Center gegen Hicks, 509 US 502 (1993).
Adarand Constructors Inc., gegen Pena, 515 US 200 (1995); City of Richmond gegen J.A. Croson Co., 488 US 469 (1989).
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worden ist.99 Außerdem hat der Supreme Court unlängst entschieden, dass von Bezirksschulbehörden
ergriffene Maßnahmen zur Vermeidung einer Rassentrennung in Schulen durch eine nach Maßgabe der
Rasse erfolgende Schülerzuteilung gegen den Grundsatz der „Farbenblindheit“ verstoßen.100 Der oberste
Richter John Roberts schrieb diesbezüglich, um die Diskriminierung aufgrund der Rasse zu stoppen,
gelte es das Diskriminieren aufgrund der Rasse zu stoppen.101
Ebenso hat der Supreme Court in einigen Fällen entschieden, dass bestimmte auf Bundesebene erlassene
Gleichstellungsrechte die verfassungsrechtlichen Befugnisse des Kongresses überschritten und diese
Rechte dadurch eingeschränkt. So entschied er beispielsweise, dass die vom Kongress vorgenommene
Ausweitung des durch das Age Discrimination in Employment Act und das Americans with Disabilities Act
gewährleisteten Schutzes auf Regierungsbedienstete unzulässig war.102 Außerdem urteilte er, dass der
Kongress seine Befugnisse überschritt, als er im Rahmen des Violence Against Women Act für Frauen, die
Opfer sexueller Gewalt wurden, die Möglichkeit einer Zivilklage vor einem Bundesgericht einführte.103
In einer Rechtssache, die vermutlich weit reichende Auswirkungen auf künftige Fälle von Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung haben wird, legte der Supreme Court die verfahrensrechtlichen
Anforderungen für eine Klage vor einem Bundesgericht unlängst neu aus und hob damit ein seit langem
geltendes Präzedenzurteil auf.104 Die neue Auslegung sieht vor, dass der Kläger zahlreiche zusätzliche
Sachverhalte nachweisen muss, um eine Klageabweisung zu vermeiden; dies ist besonders schwierig,
wenn sich wichtige Informationen überwiegend im Besitz des Arbeitgebers bzw. Beklagten befinden.
Im Kongress ist bereits eine Gesetzesvorlage eingebracht worden, die darauf abstellt, dass die Gerichte
wieder zu den alten Anforderungen zurückkehren.105
Trotz dieser Einschränkungen sehen die auf Bundesebene geltenden Bürgerrechtsvorschriften einige verfahrensrechtliche Möglichkeiten vor, die sie für potenzielle Kläger sehr interessant machen. So schreiben
die Bürgerrechtsvorschriften zum einen vor, dass die Bundesagenturen Diskriminierungsanzeigen nachgehen müssen, ohne dass dem Kläger Kosten entstehen.106 Im Jahr 2008 gingen bei der Equal Employment
Opportunity Commission (EEOC) 95 402 Beschwerden ein: 33 937 wegen angeblicher Diskriminierung
aufgrund der Rasse, 28 372 wegen angeblicher Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, 24 582 wegen
angeblicher Diskriminierung aufgrund des Alters, 19 453 wegen angeblicher Diskriminierung aufgrund
einer Behinderung, 10 601 wegen angeblicher Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und
3 273 wegen angeblicher Diskriminierung aufgrund der Religion.107 Durch Vergleiche und Schlichtungsverfahren erwirkte die Agentur im Jahr 2009 Zahlungen in Höhe von 338 Mio. US-Dollar und erstritt über
Gerichtsklagen weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 80 Mio. US-Dollar.108 Im Jahr 2008 ging das
US-Ministerium für Wohnungsbau und städtische Entwicklung (Department of Housing and Urban Development, HUD) insgesamt 10 552 Beschwerden wegen angeblicher Ungleichbehandlung beim Zugang
zu Wohnraum nach. In etwa einem Drittel aller Fälle bewirkte die Agentur einen Vergleich oder reichte
Burlington Industries, Inc. gegen Ellerth, 524 US 742 (1998); Faragher gegen City of Boca Raton, 524 US 775 (1998).
99
Parents Involved in Cmty Sch. gegen Seattle Sch. Dist. No. 1, 551 US 701 (2007).
100
Ibid., S. 748.
101
Bd. of Trs. of the Univ. of Ala. gegen Garrett, 531 US 356 (2001); Kimel gegen Florida Bd. of Regents, 528 US 62 (2000).
102
United States gegen Morrison, 529 US 598 (2000).
103
Ashcroft gegen Iqbal, 129 S. Ct. 1937 (2009).
104
S. 1504, 111th Cong. (2009).
105
Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) http://www.eeoc.gov/youth/filingfaq.html#Q1 (Stand: 2.2.2010),
106
Department of Housing and Urban Development (HUD) http://www.hud.gov/offices/fheo/complaint-process.cfm (Stand:
2.2.2010).
EEOC, http://www.eeoc.gov/eeoc/statistics/enforcement/charges.cfm (Stand: 2.2.2010).
107
EEOC, http://www.eeoc.gov/eeoc/enforcement/index.cfm (Stand: 2.2.2010), EEOC http://www.eeoc.gov/eeoc/litigation/in-
108
dex.cfm (Stand: 2.2.2010).
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Klage ein.109 Außerdem bearbeitete die für Bürgerrechte zuständige Stelle des US-Bildungsministeriums
insgesamt 6 194 Beschwerden wegen angeblicher Diskriminierung durch Bildungseinrichtungen.110
Wenn derartige Fälle nicht auf Verwaltungsebene beigelegt werden können, steht es den Beschwerdeführern frei, Zivilklage bei einem Bezirksgericht einzureichen. Im Jahr 2006 wurden bei derartigen
Bundesgerichten insgesamt 32 865 Bürgerrechtsklagen eingereicht.111 Im Gegensatz zu Zivilprozessen,
bei denen in der Regel jede Streitpartei ihre eigenen Anwaltskosten trägt, gilt für nach dem Bundesrecht
verhandelte Bürgerrechtsfälle, dass jeder siegreiche Kläger berechtigt ist, sich seine Anwaltskosten vom
Beklagten bezahlen zu lassen.112
Spezialisierte Bundesagenturen als Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten
Die Gründungsverordnungen und/oder die Verwaltungsvorschriften zahlreicher Bundesagenturen (beispielsweise in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Nahrungsmittel- und Drogengesetze, Verkehr und
militärische Angelegenheiten) enthalten Antidiskriminierungsbestimmungen.113 Einige dieser Agenturen
haben sogar interne Verfahren für etwaige Beschwerden ihrer Beschäftigten oder Vertragspartner wegen
vermeintlicher Diskriminierung. Allerdings ist in den meisten Fällen nicht zwingend vorgeschrieben, dass
ausschließlich diese Verfahren zu befolgen bzw. als obligatorischer erster (aber nicht einziger) Schritt einzuleiten sind: Vorgeschrieben ist lediglich, dass diese verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel ausgeschöpft
sein müssen, bevor andere Rechtsmittel eingelegt werden können.114
Einzelne Bundesstaaten, Städte und Kommunen als Quellen von Gleichstellungsvorschriften
Mehrere Bundesstaaten (beginnend mit New York115 im Jahr 1945 und einschließlich New Jersey, Massachusetts, Illinois und Kalifornien) hatten bereits vor dem auf Bundesebene erlassenen Bürgerrechtsgesetz von 1964 Antidiskriminierungsvorschriften erlassen.116 Im Bundesrecht wurde anerkannt, dass diese
Vorschriften einzelner Bundesstaaten eine unabhängige Grundlage für Rechtsbehelfe darstellen. Dies
ist von großer Bedeutung, da die Bundesgerichte die Bundesgesetze im Laufe der Jahre zunehmend
eingeschränkt haben.
Beispielsweise besagt ein 1982 vom obersten Gerichtshof Kaliforniens erlassenes Urteil, dass dem Kläger in von der Jury festzusetzender Höhe Schmerzensgeld für die erlittene seelische Belastung sowie
The State of Fair Housing FY 2008 at 30. http://www.hud.gov/content/releases/fy2008annual-rpt.pdf (Stand: 2.2.2010).
109
Department of Education, Office of Civil Rights Fiscal Year 2010 Budget Request at 20. http://www2.ed.gov/about/overview/
110
budget/budget10/justifications/cc-ocr.pdf (Stand: 2.2.2010).
Bureau of Justice Statistics Special Report: Civil Rights Complaints in US District Courts, 1990-2006. http://bjs.ojp.usdoj.gov/
111
content/pub/pdf/crcusdc06.pdf.
Siehe Alyeska Pipeline Serv. Co. gegen Wilderness Soc’y, 421 US 240 (1975), aber auch Civil Rights Attorney’s Fees Awards Act of
112
1976, 42 USC. § 1988(b) (2006).
Siehe Securities Exchange Act of 1934, 15 USC. § 78a et seq. (2009); Food, Drug and Cosmetic Act, 21 USC. § 301 et seq. (2005);
113
Department of Transportation Act, 49 USC. § 306 (2003); siehe auch Notification and Federal Employee Antidiscrimination
and Retaliation Act of 2002, Pub. L. No. 107-174, 116 Stat. 566 (Verantwortlichkeit der Bundesagenturen für Verstöße gegen
Antidiskriminierungsgesetze und Gesetze zum Schutz von Hinweisgebern).
Siehe beispielsweise die Mitteilung des Commissioner of Food and Drugs an alle FDA-Beschäftigten vom 10. Februar 2009,
114
http://www.fda.gov/AboutFDA/WorkingatFDA/EqualEmploymentatFDA/UCM062199.htm (Stand: 2.2.2010). Siehe auch HUD
Alternative Dispute Resolution, http://www.hud.gov/offices/odeeo/resolution .cfm (Stand: 2.2.2010), HUD Equal Employment
Opportunity http://www.hud.gov/offices/odeeo/eeo.cfm (Stand: 2.2.2010).
Law Against Discrimination, N.Y. Executive Law, § 296 (1945).
115
The New Jersey Law Against Discrimination, N.J.S.A. 10:5-1 (1945); Massachusetts Fair Employment and Practice Act, Mass.
116
General Law 151B (1946); Illinois Fair Employment Practices Commission, Record Group 418.000 (1961); California Fair Employment Practices Act, Cal. Gov. Code §§12900-12996 (1959).
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Schadensersatz zugesprochen werden können.117 Im Bundesrecht hingegen wurde die Zuerkennung
von Schmerzensgeld und Schadensersatz erst durch das Civil Rights Restoration Act von 1991 für zulässig
erklärt und außerdem eine Obergrenze von 250 000 US-Dollar festgelegt.118 Dies hat dazu geführt, dass,
wie eine Studie (des Verfassers) über in Kalifornien ergangene Gerichtsurteile in Fällen von Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung zeigt, fast alle derartigen Prozesse nicht vor Bundesgerichten,
sondern vor Gerichten der einzelnen Bundesstaaten verhandelt werden, obgleich beide Gerichtsebenen
in gleichem Umfang für derartige Diskriminierungsfälle zuständig sind.119
Ferner kommt es vor, dass das Recht einzelner Bundesstaaten bestimmte Diskriminierungsformen erfasst,
gegen die nach Bundesrecht kein Schutz besteht. Beispielsweise ist in nahezu der Hälfte aller Bundesstaaten jedwede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung beim Zugang zur Beschäftigung
verboten (und in vielen Bundesstaaten besteht zudem ein ebensolcher Schutz gegen Diskriminierung
beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und/oder zu Wohnraum), was im Rahmen des Bundesrechts nicht der Fall ist.120 In einigen Staaten besteht zudem Schutz gegen Diskriminierung aufgrund
der politischen Weltanschauung oder Äußerung, was im Rahmen des Bundesrechts nur für öffentliche
Bedienstete vorgesehen ist.121 Und während die im Bundesrecht verankerten Bestimmungen gegen die
Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung nur auf Unternehmen mit mindestens 15 Beschäftigten
anwendbar sind, gibt es in einigen Staaten Bestimmungen, die auch kleinere Betriebe erfassen (in Kalifornien beispielsweise Unternehmen mit mindestens fünf Beschäftigten).122
Zwar sind alle öffentlichen Stellen des Bundes, die bei Beschwerden wegen vermeintlicher Diskriminierung behilflich sind, verpflichtet, unparteiisch und politisch neutral vorzugehen, doch viele Bürgerrechtsvertreter sind der Überzeugung, dass in Zeiten, in denen die Exekutive des Bundes von Konservativen
kontrolliert wird, die entsprechenden Stellen mancher Bundesstaaten den Beschwerdeführern möglicherweise besser helfen können.123
Auch können örtliche Verwaltungen Antidiskriminierungsbestimmungen erlassen, die Vorschriften des
Bundes oder einzelner Staaten erweitern (jedoch nicht einengen) dürfen. Zahlreiche Großstädte wie New
Siehe Commodore Home Systems, Inc. gegen Superior Court, 32 Cal. 3d 211 (1982).
117
Civil Rights Restoration Act of 1991, Pub. L. No. 102-166, 105 Stat. 1071.
118
D. B. Oppenheimer, Verdicts Matter: An Empirical Study of California Employment Discrimination and Wrongful Discharge Jury
119
Verdicts Reveals Low Success Rates for Women and Minorities, (37 U.C. Davis L. Rev. 511 (2003)).
Siehe beispielsweise Cal. Gov. Code §§ 12920, 12940, 12926, 12949; Colo. Rev. Stat. § 24-34-401, Conn. Gen. Stat. §§ 46a-81c,
120
46a-81ac; Del. Code Ann. tit. 19 § 711; D.C. Code §§ 2-1402.11, 2-1402.11; Haw. Rev. Stat. §§ 368-1, 378-2; 775 Ill. Comp. Stat.
5/1-103, 5/1-102; Iowa Code §§ 216.2, 216.6; Me. Rev. Stat. Ann. tit. 5 §§ 4571- 76; Md. Code Ann. Art. 49B §§ 14, 16; Mass. Gen.
Laws ch. 151B, §§ 3(6), 4; Minn. Stat.Ann. §§ 363A.02, 363.03; Nev. Rev. Stat. §§ 610.185, 613.340, 613.405, 613.330; N.H. Rev.
Stat. Ann. §§ 354-A:6, 21-I:42, 52, 58, N.J. Stat. Ann. § 10:5-4; N.M. Stat. § 28-1-7; N.Y. Exec. Law § 296; Or. Rev. Stat. 659A.003; R.I.
Gen. Laws §§ 28-5-5, 28-5-7, 28-5-5, 28-5-7; Vt. Stat. Ann. tit. 21 § 495; Wash. Rev. Code §§ 49.60.010, 49.60.030 (1), 49.60.040
(15); Wis. Stat. §§ 106.50, 106.52, 111.31, 224.77, 230.18.
Siehe District of Columbia Human Rights Act of 1977, District of Columbia Code § 2-1402.11 (2007); New York Labor Law §
121
201-d (geändert im Jahr 1993).
California Fair Employment and Housing Act, Government Code §12900-12996, § 12926(d) (2009).
122
Siehe beispielsweise E.Cose, The GOP’s Civil Rights Problem, (Newsweek, 10.12.2009). http://www.newsweek.com/id/226382;
123
N. A. Lewis, Justice Dept. Reshapes Its Civil Rights Mission, (N.Y. Times, 14.06.2007). http://www.nytimes.com/2007/06/14/
washington/14discrim.html.
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York, Chicago, Los Angeles und San Francisco haben eigene Antidiskriminierungsvorschriften erlassen,
die von Verwaltungsstellen durchgesetzt werden.124
Bestimmungen der Verfassungen einzelner Bundesstaaten als Quelle des Gleichstellungsrechts
der Vereinigten Staaten
In einigen Bundesstaaten sieht die bundesstaatliche Verfassung weiter gehende Gleichstellungsgarantien vor als die Verfassung der Vereinigten Staaten. Beispielsweise können nach der Verfassung Kaliforniens Diskriminierungsklagen gegen private Parteien angestrengt werden125 (da die Anforderung des
„staatlichen Handelns“ nicht vorgesehen ist), und jedermann hat das Recht, einer Beschäftigung nachzugehen, ohne dabei aufgrund seines Geschlechts diskriminiert zu werden.126 Den Gerichten zufolge gilt
dies für Situationen, in denen die einschlägigen Bestimmungen des Bundes und der Bundesstaaten aus
verschiedenen Gründen nicht anwendbar sind.127
Das Fall- und das Richterrecht als Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten
Als Quelle des bundesstaatlichen Rechts in den Vereinigten Staaten kommt neben dem gesetzten Recht
(siehe oben) und der bundesstaatlichen Verfassung das Fall- und das Richterrecht (Common Law) in Frage. So sind in vielen Bundesstaaten das allgemeine Deliktrecht und das Vertragsrecht zusätzliche Quellen
von Gleichstellungsvorschriften.128 In manchen Fällen berufen sich Kläger vorzugsweise auf diese Quellen,
da sie längere Verjährungsfristen vorsehen, da nicht erst sämtliche verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel
ausgeschöpft werden müssen (wie in manchen Antidiskriminierungsvorschriften vorgeschrieben) oder
da sie auch auf Arbeitgeber mit nur wenigen Beschäftigten anwendbar sind, die von den Antidiskriminierungsbestimmungen ansonsten nicht erfasst werden.129
Nach dem allgemeinen Deliktrecht können Kläger in bestimmten Diskriminierungsfällen Diffamierung,
einfache oder gewaltsame Körperverletzung, Vernachlässigung von Miet- oder Aufsichtspflichten, widerrechtliche Entlastung unter Verstoß gegen die öffentliche Politik und unzählige ähnliche Verstöße geltend machen.130 Bevor sexuelle Belästigung als eine Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
durch die Antidiskriminierungsvorschriften verboten wurde, entwickelte sich das einschlägige Recht
Siehe New York City Commission on Human Rights, N.Y. City, N.Y., Admin. Code tit. 8 §§ 1-7 (1991). http://www.nyc.gov/html/
124
cchr/html/hrlaw.html; Chicago Human Rights Ordinance, Chic., Ill., Ordinance 2-160-010 through 2-160-120. http://egov.cityofchicago.org/city/webportal/home.do; Los Angeles County Commission on Human Relations, Los Angeles, Ca., Admin. Code
ch. 2.78. http://search.municode.com/HTML/16274/_DATA/TITLE02/index.html; San Francisco Human Rights Commission, San
Francisco, Ca., Admin. Code ch. 12A, http://library.municode.com/index.aspx?clientId=14131&stateId=5&stateName=Californ
ia.
Artikel 1 Absatz 7 der kalfornischen Verfassung.
125
Artikel 1 Absatz 8 der kalifornischen Verfassung.
126
Rojo gegen Kliger, 52 Cal. 3d. 65 (1990).
127
Stevenson gegen Superior Court, 16 Cal. 4th 880 (1997).
128
Cal. Civ. Proc. §§ 335.1, 337, 338 (Festlegung von Verjährungsfristen zwischen einem und vier Jahren für bestimmte Klagen
129
nach dem allgemeinen Deliktrecht), Stevenson gegen Superior Court, 16 Cal. 4th 880 (1997) (Entscheidung, dass die bundesstaatlichen Bestimmungen auf Arbeitgeber mit mindestens 5 Beschäftigten anwendbar sind), Rojo gegen Kliger, 52 Cal 3d.
65 (1990) (Entscheidung, dass Kläger nicht sämtliche verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel ausschöpfen müssen, um eine
eigenständige Gerichtsklage im Rahmen einer nicht gesetzten Rechtsvorschrift anstrengen zu können).
Brown gegen Superior Ct., 37 Cal. 3d 477 (1984) (Entscheidung, dass die Bestimmungen des Common Law auch dann auf
130
Diskriminierungsfälle anwendbar sind, wenn sie sich nicht unmittelbar auf Diskriminierung beziehen); siehe auch Destefano
gegen Grabrian, 763 P.2d 275, 287-288 (Colo. 1988); Rogers gegen Loews L’Enfant Plaza Hotel, 526 F. Supp. 523 (1981); Hawaiian
Airlines gegen Norris, 512 US 246 (1994); Rojo gegen Kliger, 52 Cal 3rd 65 (1990).
Ausgabe Nr. 10 | 2010
32
der Vereinigten Staaten zunächst im Rahmen des allgemeinen Deliktrechts.131 In einigen Bundesstaaten
können gegen die beklagte Partei nach Maßgabe des Deliktrechts in bestimmten Fällen sogar höhere
Schmerzensgeld- und/oder Schadensersatzbeträge verhängt werden als nach den Antidiskriminierungsvorschriften.132
Bisweilen wird Diskriminierung auch als Verstoß gegen den Arbeitsvertrag interpretiert bzw. als Verstoß
gegen die Pflicht zum Handeln in gutem Glauben und zu einer fairen Behandlung ausgelegt, die allgemein
und stillschweigend als Bestandteil von US-amerikanischen Verträgen angesehen wird.133 In den meisten
Bundesstaaten jedoch ist eine Klagebasierung auf dem Arbeitsvertrag für den potenziellen Kläger nur
die letzte Wahl, da auf diesem Weg bestenfalls Ersatz für einen wirtschaftlichen Schaden erlangt werden
kann, eine Umwälzung der Anwaltskosten jedoch eher nicht.134
Privatrechtliche Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten
Manche Arbeitgeber gewähren auf privatrechtlicher Ebene Antidiskriminierungsrechte, die sich von
denen des gesetzten Rechts und des Common Law unterscheiden und bisweilen sogar über diese hinausgehen. Oftmals sind diese Rechte Bestandteil eines „Pakets“, in dessen Rahmen sich der Arbeitgeber und
seine Beschäftigten auf eine Alternative zur Zivilgerichtsbarkeit verständigen, beispielsweise die private
Schiedsgerichtbarkeit (siehe unten). Arbeitgeber, die Tarifverträge mit Gewerkschaften abgeschlossen
haben, können in diesem Rahmen zur Einhaltung bestimmter im Tarifvertrag festgelegter Antidiskriminierungsbestimmungen verpflichtet sein, welche den gesetzten Antidiskriminierungsvorschriften zwar
ähnlich sein können, sich aber keineswegs mit diesen decken müssen.135 Der Supreme Court hat entschieden, dass derartige Vereinbarungen allerdings für die Regierung nicht bindend sind.136 Dies bedeutet,
dass die Equal Employment Opportunity Commission oder eine andere Regierungsstelle auch dann noch
eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Klage einreichen kann, wenn die betreffenden Beschäftigten auf
die ihnen durch gesetztes Recht verliehenen Rechte verzichtet haben. Der Supreme Court hat allerdings
unlängst entschieden, dass eine Gewerkschaft im Namen eines Beschäftigten auf dessen Verfahrensrechte verzichten kann,137 was vermutlich dahingehend ausgelegt werden kann, dass nach Auffassung
des Supreme Court eine Gewerkschaft ebenso im Namen eines Beschäftigten auf dessen wesentliche
Bürgerrechte verzichten kann. Falls dies tatsächlich die Auffassung des Supreme Court ist, wird es in dieser
Frage wohl zu einem weiterem Machtkampf zwischen dem Supreme Court und dem Kongress kommen.
Siehe Barnes gegen Costle, 561 F.2d 983 (1977) (dazu merkt J. Mackinnon übereinstimmend an: „Eine sexuelle Belästigung
131
stellt einen Verstoss gegen das allgemeine Deliktrecht dar. Mit dieser Frage haben sich noch vier weitere US-Bezirksgerichte
befasst; jedes von ihnen ist dabei zunächst von einem Verstoss gegen das allgemeine Deliktrecht ausgegangen.“ (Tomkins
gegen Public Service Electric & Gas Co., 13 F.E.P.C. 1574 (D.N.J. 1976); Williams gegen Saxbe, 12 F.E.P.C. 1093 (D.D.C. 1976); Miller
gegen Bank of America, 418 F. Supp. 233 (N.D. Cal. 1976); Corne gegen Bausch & Lomb, 390 F. Supp. 161 (D. Ariz. 1975)).
Siehe Dyna-Med, Inc. gegen Fair Employment & Housing Com., 43 Cal. 3d 1379 (1987); Farmer gegen United Brotherhood of
132
Carpenters & Joiners, 430 US 290 (1977), Rogers gegen Loews L’Enfant Plaza Hotel, 526 F. Supp. 523 (1981).
Siehe Foley gegen Interactive Data Corp., 47 Cal.3d 654 (Entscheidung, dass Arbeitsverträge implizit zum Handeln in gutem
133
Glauben und zu einer fairen Behandlung verpflichten).
Siehe Foley gegen Interactive Data Corp., 47 Cal.3d 654 (1988) (Entscheidung, dass bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen
134
die Pflicht zu gutgläubigem Handeln und zu einer fairen Behandlung kein strafweiser Schadensersatz verhängt werden kann,
mit Erörterung der Frage der Nichtverfügbarkeit von Anwaltskosten bei Klagen wegen Vertragsbruch).
Siehe United Steelworkers of America, AFL-CIO-CLC gegen Rawson, 495 US 362 (1990).
135
Siehe EEOC gegen Waffle House, Inc., 534 US 279 (2002).
136
Siehe 14 Penn Plaza LLC gegen Pyett, 129 S. Ct. 1456 (2009); siehe aber auch Alexander gegen Gardner-Denver Co., 415 US 36
137
(1974).
33
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Kristine | 1993
Ausgabe Nr. 10 | 2010
34
Privatrechtliche Durchsetzung des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten
In den Vereinigten Staaten verlangen immer mehr Arbeitgeber von ihren potenziellen Beschäftigten als
Einstellungsvoraussetzung, dass diese auf ihr Recht verzichten, eine zivilrechtliche Klage wegen Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung anstrengen zu können. In der Regel schreibt der Arbeitgeber
den etwaigen Rückgriff auf eine private Schiedsgerichtbarkeit vor. Der Supreme Court hat entschieden,
dass ein solcher Verzicht in Fällen, in denen die betreffende private Schiedsgerichtsbarkeit „ausgewogen“
ist, zulässig ist.138 Gegenwärtig liegt dem Kongress eine Gesetzesvorlage vor, die darauf abstellt, einen
solchen Zwangsverzicht zu verbieten.139
Völkerrechtliche Quellen des Gleichstellungsrechts der Vereinigten Staaten
Die Vereinigten Staaten haben verschiedene Völkerrechtsverträge unterzeichnet, die Diskriminierung
verbieten, darunter das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW,
unterzeichnet, aber nicht ratifiziert) und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD, unterzeichnet, aber nicht ratifiziert).140 Gleichwohl kommt es nur selten vor, dass
US-Gerichte diesen Verträgen unmittelbare Wirkung verleihen oder diese gar als zusätzliche Quelle von
Gleichstellungsvorschriften heranziehen.141 Jedes Mal, wenn Mitglieder des Supreme Court zur Untermauerung weit verbreiteter Grundsätze auf Rechtsvorschriften anderer Länder verwiesen haben, waren diese
Verweise höchst umstritten.142 Einige Rechtsgelehrte und Aktivisten in den Vereinigten Staaten haben
gefordert, dass die US-Gerichte diesen Verträgen und den gleichstellungsrechtlichen Entscheidungen
anderer Gerichte wie dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte größere Beachtung schenken sollten.143
Gilmer gegen Interstate/Johnson Lane Corp., 500 US 20, 33 (1991).
138
Arbitration Fairness Act of 2009, H.R. 1020, 111th Cong. (2009).
139
ICERD, 660 U.N.T.S.195 (1966) (ratifiziert am 21.10.1994); CEDAW, 1249 U.N.T.S. 13 (1979) (17.7.1980); CRPD 46 I.L.M. 443 (2006)
140
(30.7.2009).
Siehe beispielsweise Medellin gegen Texas, 552 US 491 (2008) (Entscheidung, dass das Wiener Übereinkommen und das
141
Fakultativprotokoll trotz eines anders lautenden Vermerks des Präsidenten und eines gegenteiligen Urteils des Internationalen Gerichtshofs durchsetzbares inländisches Recht darstellen); siehe zudem die Erklärungen und Vorbehalte der Vereinigten
Staaten zum Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, in denen die Vereinigten Staaten unterstreichen, dass sie dem Abkommen keine unmittelbare Wirkung beimessen http://treaties.un.org/Pages/
ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-2&chapter=4&lang=en#EndDec.
Siehe diesbezüglich beispielsweise J.O. McGinnis, Foreign to Our Constitution, 100 Nw. U. L. Rev. 303, 306 (2006); darin heißt es
142
u.a., dass die Entscheidungen ausländischer Gerichte dazu mißbraucht werden, die Ergebnisse des demokratischen Prozesses
auf der Grundlage sich angeblich weiterentwickelnder Standards zunichte zu machen, wobei verwiesen wird auf Lawerence
gegen Texas, 539 US 558 (2003), Atkins gegen Virginia, 536 US 304 (2002), Roper gegen Simmons, 125 S. Ct. 1183, 1200 (2005));
S. G. Calabresi, Lawrence, the Fourteenth Amendment, and the Supreme Court’s Reliance on Foreign Constitutional Law: An Originalist Reappraisal, 65 OHIO ST. L.J. 1097, 1130 (2004) (darin heißt es u.a., ausländisches Recht dürfe nicht als relevant für die
verfassungsgerichtliche Urteilsfindung angesehen werden).
Siehe beispielsweise Sarah H. Cleveland, Our International Constitution, 31 Yale J. Int’l L. 1, 125 (2006) (darin schreibt die
143
Verfasserin u.a., dass das Völkerrecht von Beginn an Bestandteil der verfassungsrechtlichen Auslegung in den USA war und
der grundsätzliche Rückgriff auf völkerrechtliche Bestimmungen ebenfalls ein fester Bestandteil der amerikanischen Tradition
ist); M. Tushnet, When Is Knowing Less Better Than Knowing More? Unpacking the Controversy over Supreme Court Reference to
Non-US Law, 90 Minn. L. Rev. 1275, 1277 (2006) („Ziel dieser Abhandlung ist die nähere Erläuterung der Kritik am Rückgriff auf
nicht amerikanische Rechtsvorschriften bei der verfassungsrechtlichen Auslegung, um zu ermitteln, welche - letztendlich nur
wenigen - Kritikpunkte sachlich richtig sind“).
35
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Fazit
Wer heute in den Vereinigten Staaten eine Klage wegen Diskriminierung in Erwägung zieht, sollte
zunächst gründlich prüfen, welche verfassungsrechtlichen Vorschriften des Bundes und einzelner Bundesstaaten, welche Vorschriften des gesetzten Rechts auf Bundes-, bundesstaatlicher und lokaler Ebene,
welche verwaltungsrechtlichen Vorschriften des Bundes und einzelner Bundesstaaten, welche Vorschriften des Fall- und des Richterrechts der einzelnen Bundesstaaten (Common Law), welche privatrechtlichen
Vorschriften und (vielleicht) welche völkerrechtlichen Vorschriften er dafür heranziehen kann. Es ist
ratsam, bei der Suche nach geeigneten Rechtsbehelfen ein möglichst weites Netz zu spannen und sich
nicht ausschließlich auf die Bürgerrechtsvorschriften des Bundes zu verlassen, denn ebenso schnell wie
der Kongress diese Rechte ausweitet, schränkt der Kongress sie wieder ein.
Ausgabe Nr. 10 | 2010
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Aktueller Stand der Politik und der Rechtsetzung auf EU-Ebene
Europäische Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich und Finnland ein
Die Europäische Kommission beschloss am 8. Oktober 2009 die Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich und Finnland einzustellen, nachdem diese die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz korrekt und vollständig in nationales Recht umgesetzt hatten. Beide Verfahren
waren eingeleitet worden, weil die nationalen Rechtsvorschriften beider Länder nicht mit den Vorgaben
aus der Beschäftigungsrichtlinie 2000/78/EG übereinstimmten.
Die Kommission hatte in einer an Finnland gesendeten begründeten Stellungnahme darauf hingewiesen,
dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung nicht vollständig und die von
der Richtlinie zugelassene Ausnahme für eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
ohne die in der Richtlinie vorgesehenen Garantien in innerstaatliches Recht umgesetzt wurden. Finnland
verabschiedete 2007 und 2008 neue Rechtsvorschriften.
In dem an Österreich gesandten formellen Anschreiben wies die Kommission darauf hin, dass die nationalen Rechtsvorschriften bezüglich der Definition unerwünschter Verhaltensweisen, aufgrund des Fehlens
angemessener Sanktionen im Falle diskriminierender Entlassungen und wegen fehlender Umsetzung
der Bestimmungen über Viktimisierung nicht mit der Richtlinie im Einklang stehen. Österreich änderte
2008 seine Rechtsvorschriften auf Bundesebene entsprechend den Ausführungen der Kommission.
Im Internet:
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1467&format=HTML&aged=0&langua
ge=DE&guiLanguage=de
Europäische Kommission sendet eine begründete Stellungnahme an das Vereinigte Königreich
und stellt die Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei und Malta ein
Am 20. November 2009 schickte die Europäische Kommission eine begründete Stellungnahme an das
Vereinigte Königreich, weil dieses die Beschäftigungsrichtlinie nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt hat. Die Kommission beschloss des weiteren die Vertragsverletzungsverfahren wegen der gleichen
Richtlinie gegen die Slowakei und Malta einzustellen, da deren nationale Rechtsvorschriften gemäß der
Anforderungen aus der Richtlinie geändert worden waren.
In ihrer begründeten Stellungnahme an das Vereinigte Königreich wies die Kommission darauf hin,
dass es im innerstaatlichen Recht kein klares Verbot für die ‘Anweisung zur Diskriminierung’ sowie keine
klaren Berufungsverfahren für Menschen mit Behinderung gibt; darüber hinaus sind die Ausnahmen
vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung für Kirchen und andere
Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, weiter gefasst
als die von der Richtlinie vorgegebenen.
In dem formellen Anschreiben an die Slowakei hatte die Kommission argumentiert, dass die nationalen
Rechtsvorschriften in folgenden Fällen gegen EU-Recht verstoßen: Begriffsbestimmung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung und der unerwünschten Verhaltensweisen; Ausschluss der Staatsangehörigen
von Drittländern von der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch im innerstaatlichen
Recht begründete Unterschiede in der Behandlung; angemessene Vorkehrungen für Arbeitnehmer mit
einer Behinderung; Begründung von Unterschieden in der Behandlung aufgrund des Alters. Die Slowakei
37
Ausgabe Nr. 10 | 2010
hat inzwischen eine Reihe neuer Bestimmungen verabschiedet, um den Forderungen der Kommission
Rechnung zu tragen, womit das innerstaatliche Recht nun der Richtlinie folgt.
Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta wurde ebenfalls eingestellt. In der Malta zugesandten
begründeten Stellungnahme hatte die Kommission Bedenken geäußert, weil in Malta Beamte nicht
gegen Diskriminierung geschützt seien und weil Selbständige im Zugang zum Recht gesetzlich benachteiligt seien, da sie nicht vor einem Arbeitsgericht klagen können. Malta hat nunmehr seine nationalen
Antidiskriminierungsvorschriften geändert, um sie in Einklang mit der Richtlinie zu bringen.
Im Internet:
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1778&format=HTML&aged=0&langua
ge=DE&guiLanguage=de
Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien, die Slowakei und Malta ein,
nachdem diese Rechtsvorschriften gegen rassistische Diskriminierung erließen
Die Europäische Kommission beschloss am 20. November 2009 die Vertragsverletzungsverfahren gegen
Spanien, die Slowakei und Malta einzustellen, nachdem diese die EU-Vorschriften zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierungen erfolgreich in nationales Recht umgesetzt hatten. Die Vertragsverletzungsverfahren waren eingeleitet worden, weil die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in diesen Ländern nicht
mit der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG im Einklang standen.
Gegenüber Spanien hatte die Kommission kritisiert, dass der verlangte Schutz vor Viktimisierung im
spanischen Recht nicht vollständig und die mit den Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2003 geschaffene Stelle für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse in der Praxis noch nicht eingesetzt
sei. Den ersten Punkt konnte Spanien klarstellen, vor allem im Hinblick auf die geltende verfassungsrechtliche Rechtsprechung über den Rechtsschutz in Menschenrechtsfragen. Dem zweiten Punkt kam
Spanien mit einer Durchführungsverordnung nach, und die Gleichbehandlungsstelle hat inzwischen ihre
Tätigkeit aufgenommen.
Die Kommission hatte die Slowakei darauf hingewiesen, dass das innerstaatliche Recht in folgenden
Punkten nicht mit der Richtlinie im Einklang steht: Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes,
Begriffsbestimmung der unerwünschten Verhaltensweisen, Konzept der sozialen Vergünstigungen,
Rechtfertigung ungleicher Behandlung sowie die Tatsache, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht
für andere EU-Bürger gilt. Die Slowakei hat ihre Rechtsvorschriften nunmehr so geändert, dass sie im
Einklang mit der Richtlinie stehen.
Gegenüber Malta hatte die Kommission Bedenken hinsichtlich einer Ausnahme im innerstaatlichen
Recht für Banken und Finanzinstitute geäußert, die von Malta jedoch zufriedenstellend ausgeräumt werden konnten. Darüber hinaus wurde die Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstelle im Gesetz über
die Gleichstellung von Männern und Frauen nicht erwähnt, und der Begriff ‘entscheidend’ fehlte in der
maltesischen Rechtsvorschrift in bezug auf die Ausnahme für ‘wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderungen’. Malta hat nun seine Rechtsvorschriften gemäß der Anforderungen aus der Richtlinie
geändert.
Im Internet:
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/1783&format=HTML&aged=0&langua
ge=DE&guiLanguage=de
Ausgabe Nr. 10 | 2010
38
Neuester Stand beim Europäischen
Gerichtshof
Ersuchen um Vorabentscheidung – Schlussanträge der Generalanwälte
Rechtssache C-341/08 Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot in der Rechtssache Dr. Domnica Petersen
gegen Berufungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Westfalen-Lippe, gestellt am 3. September 2009144
Am 24. Juli 2008 wurde beim Europäischen Gerichtshof vom Dortmunder Sozialgericht (Deutschland)
ein Ersuchen um Vorabentscheidung eingereicht, in dem es um die Auslegung der Rechtfertigung von
Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters und insbesondere hinsichtlich einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift geht, die zulässt, dass die Zulassung als Vertragszahnarzt mit Ablauf des Kalendervierteljahres
endet, in dem der Vertragszahnarzt das 68. Lebensjahr vollendet. Dr. Petersen erhielt am 1. April 1974 die
Zulassung als Vertragszahnärztin und vollendete 2007 das 68. Lebensjahr.
Mit Entscheidung vom 25. April 2007 stellte der zuständige Zulassungsausschuss145 fest, dass ihre Zulassung als Vertragszahnärztin am 30. Juni 2007 erlischt. Dr. Petersen reichte mit der Begründung, dass diese
gegen Richtlinie 2000/78/EG und das deutsche Antidiskriminierungsgesetz verstößt, gegen die Entscheidung Klage ein. Als ihre Klage abgewiesen wurde, reichte Frau Petersen bei der Berufungsinstanz, dem
Dortmunder Sozialgericht, Klage ein.
Die Berufungsinstanz übernahm die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in einer Rechtssache
aus dem Jahr 2007, wonach die Altersgrenze gerechtfertigt ist, da gesetzlich krankenversicherte Patienten vor der Gefahr geschützt werden müssen, die ältere Vertragszahnärzte darstellen, deren Leistung ab
einem gewissen Alter nachlassen könnte. Die Berufungsinstanz war sich allerdings unsicher, ob diese
Analyse auch hinsichtlich der Richtlinie gelte und betrachtete die im Hauptverfahren in Rede stehende
Altersgrenze nicht als Maßnahme im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 der Richtlinie, da der Gesundheitsschutz,
wie vom Gesetzgeber selbst betrachtet, nicht der Grund für die Annahme der betreffenden Bestimmung
war. Diese Altersgrenze stelle auch unter Berücksichtigung der festgelegten Ausnahmen keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie dar. Schließlich
bezweifelte das Gericht, dass diese Bestimmung im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie steht.
Aus diesen Gründen fragte das Dortmunder Sozialgericht den EuGH, ob die Richtlinie 2000/78 dahin
auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Zulassung zur Ausübung
der Tätigkeit eines Vertragszahnarztes mit Ablauf des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragszahnarzt das 68. Lebensjahr vollendet. Das vorlegende Gericht fragte sich auch, wie das Ziel zu bestimmen ist, nach dem sich die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters beurteilt, und
fragte, ob ein legitimes Ziel im Sinne des Artikel 6 der Richtlinie vorliegen kann, auch wenn dieses Ziel
für den nationalen Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums
selbst überhaupt keine Rolle gespielt hat. Abschließend fragte das Gericht, falls die Fragen zu den obigen
Fragen zu verneinen sind, ob ein vor Erlass der Richtlinie ergangenes Gesetz, das mit dieser Richtlinie
unvereinbar ist, kraft Vorrangs des europäischen Rechts auch dann nicht angewandt werden darf, wenn
das die Richtlinie umsetzende nationale Recht eine solche Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes gegen
das Diskriminierungsverbot nicht vorsieht.
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 34.
144
Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Westfalen-Lippe.
145
39
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Abigael | 2009
Ausgabe Nr. 10 | 2010
40
In seinen Schlussanträgen merkte Generalanwalt Yves Bot an, dass die im Ausgangsverfahren in Rede
stehende nationale Regelung nicht ausdrücklich zeigt, dass die Altersgrenze mit der Annahme, dass ab
dem vollendeten 68. Lebensjahr die Qualität der durch Vertragszahnärzte geleisteten Versorgung abnimmt, begründet, eingeführt und beibehalten wurde. Der Generalanwalt verwies darauf, dass der entscheidende Faktor für die Altersgrenze in dem deutschen Gesetz die Aufrechterhaltung des finanziellen
Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht die Verringerung des Qualitätsniveaus
der zahnärztlichen Versorgung betrifft, wenn diese von Vertragszahnärzten nach Vollendung des 68.
Lebensjahrs erbracht wird. Andererseits würden diese Vertragszahnärzte ihre Tätigkeit nicht fortsetzen,
wenn in einem Gebiet eine medizinische Unterversorgung besteht, wenn sie als Vertretung tätig werden
oder wenn sie weniger als zwanzig Jahre als Vertragszahnarzt tätig gewesen sind.
Im Weiteren wiederholte der Generalanwalt unter Bezugnahme auf andere Urteile des Gerichts, dass die
Ziele, die als „rechtmäßig“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie und damit als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters
zu rechtfertigen, sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt
oder berufliche Bildung sind. Das Ziel des Gesundheitsschutzes kann seines Erachtens kaum mit einem
sozialpolitischen Ziel gleichgesetzt werden, weshalb es seiner Meinung nach im Rahmen des Art. 2 Abs. 5
der Richtlinie 2000/78 zu prüfen ist, der ausdrücklich den Gesundheitsschutz anführt.
Er hielt es auch für möglich, dass ein Mitgliedstaat im Rahmen seiner Befugnis, die zahnärztliche Versorgung zu organisieren, zur Erreichung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit der Bevölkerung
eine Regulierungsmaßnahme erlassen darf, durch die eine Altersgrenze von 68 Jahren für die Ausübung
vertragszahnärztlicher Tätigkeit festgelegt wird. Er stellte fest, dass eine solche Maßnahme geeignet
ist, das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen, und war auch der Auffassung,
dass im Hinblick auf das in den Mitgliedstaaten durchschnittlich geltende allgemeine Rentenalter die
Festsetzung einer Altersgrenze von 68 Jahren für die Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit nicht
unverhältnismäßig ist.
Daher stellte er fest, dass die Altersgrenze von 68 als zum Schutz der Gesundheit notwendig im Sinne von
Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 angesehen werden kann, ebenso das Ziel, den neuen Generationen die
Möglichkeit zu sichern, als Vertragszahnarzt tätig zu sein, und allgemeiner gesagt stelle die Förderung des
Generationswechsels bei den Vertragszahnärzten ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik dar. Der Generalanwalt kam somit zu dem Schluss, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters
durch das Ziel, den neuen Generationen die Möglichkeit zu sichern, als Vertragszahnarzt tätig zu sein,
objektiv und angemessen gerechtfertigt ist, und dass es nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung
des Ziels, angemessen und erforderlich ist. Er schlug daher vor, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und 5 sowie 6 Abs. 1
der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, wonach die Zulassung
zur Ausübung der Tätigkeit eines Vertragszahnarztes mit Ablauf des Kalendervierteljahres endet, in dem
der Vertragszahnarzt das 68. Lebensjahr vollendet, nicht entgegenstehen.
Im Internet:
http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de (Suchbegriff: Rechtssache C-341/08)
Letzte Aktualisierung!
Rechtssache C-341/08 Dr. Domnica Petersen gegen Berufungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk
Westfalen-Lippe,146 Urteil der Großen Kammer vom 12. Januar 2010
ABl. C 260 vom 11.10.2008, S.8
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 34 und Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminie-
146
rungsrecht, Ausgabe 10, S. 39 bezüglich der Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot.
41
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Mit dem Urteil der Großen Kammer folgt das Gericht den oben erörterten Schlussanträgen des Generalanwalts. Es verweist dabei auf vorangegangene Urteile und stellt fest, dass es in dem Fall, da in den
fraglichen nationalen Rechtsvorschriften nicht das angestrebte Ziel aufgeführt wird, wichtig ist, dass andere Elemente aus dem allgemeinen Rahmen der betreffenden Maßnahmen das ihnen innewohnende
Ziel erkennen lassen, damit Gerichte bei deren Überprüfung feststellen können, ob es rechtmäßig ist
und die Mittel zu seiner Erreichung auch angemessen und erforderlich sind.147 Das Gericht untersuchte
das Ziel des Gesundheitsschutzes durch Gewährleistung der Befähigung der praktizierenden Ärzte und
Zahnärzte sowie das Ziel der Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie. Es akzeptierte außerdem in diesem Kontext,
dass ein Mitgliedstaat es für erforderlich erachten mag, für die Ausübung eines Arztberufes zum Schutze
der Gesundheit der Patienten eine Altersgrenze einzuführen. Diese Erwägung kommt zur Anwendung
ungeachtet der Tatsache, ob das Ziel des Gesundheitsschutzes hinsichtlich der Befähigung der Zahnärzte
oder des finanziellen Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenversicherung betrachtet wird.
Bei der Prüfung des Sachverhalts ergab sich aus den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, dass die
Altersgrenze nur im Vertragszahnarztsystem praktizierende Zahnärzte betrifft, wodurch die Zahnärzte
außerhalb dieses Systems ihren Beruf unabhängig von ihrem Alter ausüben können, und dementsprechend die Patienten sich von Zahnärzten versorgen lassen können, die älter sind als 68 Jahre. Das Gericht
stellte fest, dass wenn die diese Altersgrenze enthaltende Maßnahme darauf abzielt, ernste Gefahren
für das finanzielle Gleichgewicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu vermeiden, um ein hohes
Niveau des Gesundheitsschutzes zu erreichen, was festzustellen Sache des nationalen Gerichts ist, kann
die Maßnahme als im Einklang mit Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie betrachtet werden.
Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen ist,
dass er einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, mit der für die Ausübung
des Berufs eines Vertragszahnarztes eine Höchstaltersgrenze festgelegt wird, entgegensteht, wenn diese
Maßnahme nur das Ziel hat, die Gesundheit der Patienten vor dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit
von Vertragszahnärzten, die dieses Alter überschritten haben, zu schützen, da diese Altersgrenze nicht
für Zahnärzte außerhalb des Vertragszahnarztsystems gilt. Darüber hinaus ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
2000/78 dahin auszulegen, dass er einer solchen Maßnahme nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte
zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur
Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Das Gericht kam somit zu dem Schluss, dass es
Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, welches Ziel mit der Maßnahme zur Festlegung dieser
Altersgrenze verfolgt wird, indem es den Grund für ihre Aufrechterhaltung ermittelt. Schließlich urteilte
das Gericht, dass wenn eine nationale Regelung gegen die Richtlinie verstößt, das nationale Gericht,
bei dem ein Rechtsstreit zwischen einer Einzelperson und einem Verwaltungsorgan anhängig ist, diese
Regelung selbst dann unangewendet lassen muss, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie erlassen
wurde, und das nationale Recht die Nichtanwendung einer solchen Regelung nicht vorsieht.
Rechtssache C-555/07 Seda Kücükdeveci gegen Swedex GmbH & Co. KG), Urteil vom 19. Januar 2010148
ABl. C 79 vom 29.03.2008, S.12
Am 13. Dezember wurde dem Europäischen Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung in bezug
auf Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters, wie von Richtlinie 2000/78/EG zugelassen, vorgelegt.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf fragte den EuGH, ob eine nationale Gesetzesregelung, nach der sich
Rechtssache Palacios de la Villa, Randnr. 57, und Rechtssache Age Concern England, Randnr. 45.
147
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 6/7, S. 65-66 und Europäische Zeitschrift zum Antidiskrimi-
148
nierungsrecht, Ausgabe 9, S. 37-39.
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die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen mit zunehmender Dauer der Beschäftigung stufenweise verlängern, jedoch hierbei vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten
des Arbeitnehmers unberücksichtigt bleiben, gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstößt. Das vorlegende
Gericht wünschte des Weiteren auch Klärung der Frage, ob ein Rechtfertigungsgrund dafür, dass der
Arbeitgeber bei der Kündigung von jüngeren Arbeitnehmern nur eine Grundkündigungsfrist einzuhalten hat, darin gesehen werden kann, dass dem Arbeitgeber ein betriebliches Interesse an personalwirtschaftlicher Flexibilität zugestanden wird und jüngeren Arbeitnehmern nicht der älteren Arbeitnehmern
vermittelte Bestands- und Dispositionsschutz zugestanden wird, weil davon ausgegangen wird, dass
jüngere Arbeitnehmer über eine größere berufliche und persönliche Flexibilität und Mobilität verfügen.
Der EuGH stellte fest, dass die fragliche Bestimmung die Bedingungen der Entlassung von Arbeitnehmern berührt, und dass sie eine weniger günstige Behandlung für Arbeitnehmer vorsieht, die ihre
Beschäftigung bei dem Arbeitgeber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs aufgenommen haben. Diese
nationale Regelung behandelt somit Personen, die die gleiche Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen,
unterschiedlich, je nachdem, in welchem Alter sie in den Betrieb eingetreten sind, und es sollte daher
geprüft werden, ob dies eine in der Richtlinie verbotene Ungleichbehandlung darstellt. Das vorlegende
Gericht führte aus, dass das Ziel der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung darin besteht,
dem Arbeitgeber eine größere personalwirtschaftliche Flexibilität zu verschaffen, indem seine Belastung
im Zusammenhang mit der Entlassung jüngerer Arbeitnehmer verringert wird, denen eine größere
berufliche und persönliche Mobilität zugemutet werden kann.
Das Gericht verwies darauf, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl
der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen, berührt
jedoch junge Arbeitnehmer ungleich, weil sie diejenigen jungen Menschen trifft, die ohne oder nach
nur kurzer Berufsausbildung früh eine Arbeitstätigkeit aufnehmen, nicht aber die, die nach langer Ausbildung später in den Beruf eintreten. Daher kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Richtlinie 2000/78
dahin auszulegen ist, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht,
nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der
Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden. Es obliegt darüber hinaus dem nationalen
Gericht, die Beachtung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters sicherzustellen, indem es
erforderlichenfalls entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt.
Im Internet:
http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de (Suchbegriff: Rechtssache C-555/07)
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Johas | 1985
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Neuester Stand beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte
Urteile
Féret gegen Belgien (Nr.15615/07), Urteil der Kammer vom 16. Juli 2009
Der Kläger, Herr Féret, ist belgischer Staatsbürger, wurde 1944 geboren und lebt in Brüssel. Als Vorsitzender der politischen Partei Front National-Nationaal Front ist er Chefredakteur der Partei-Veröffentlichungen und verantwortlich
für deren Webseite. Zur fraglichen Zeit war er Mitglied des belgischen Repräsentantenhauses. Zwischen Juli 1999 und
Oktober 2001 führte die Verteilung von Flugblättern und Postern durch seine Partei im Rahmen der Wahlkampagne
der Front National dazu, dass Einzelpersonen und Verbände gemäß eines Gesetzes vom 30. Juli 1981, das bestimmte
rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Handlungen verbietet, Klagen wegen Aufstachelung zum Rassenhass, zu
Diskriminierung und Gewalt einreichten.
Im Februar 2002 wurde Herr Féret von der Polizei zu diesen Klagen vernommen. Die parlamentarische Immunität des
Klägers wurde auf Antrag des Oberstaatsanwaltes beim Brüsseler Berufungsgericht aufgehoben. Im November 2002
wurde ein Strafverfahren gegen ihn als Autor und Chefredakteur der beleidigenden Flugblätter und Verantwortlicher der
Webseite eingeleitet. Im Juni 2003 nahm das Brüsseler Strafgericht das Verfahren wieder auf, um über die Zulässigkeit zu
urteilen. Herr Féret hatte gegen das Urteil in erster Instanz Berufung eingelegt, die im Juni 2003 aber für unzulässig erklärt
wurde. Im März 2004 wies das Kassationsgericht seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Berufungsgerichts ab.
Im Juni 2004 wurde der Kläger in den Regionalrat Brüssel-Hauptstadt und in das Parlament der französischen Gemeinschaft gewählt, wodurch ihm erneut parlamentarische Immunität gewährt wurde. Der Staatsanwalt eröffnete das
Verfahren im gleichen Monat erneut und am 18. April 2006 verurteilte das Brüsseler Berufungsgericht Herrn Féret zu 250
Stunden gemeinnützlicher Arbeit im Bereich der Integration von Migranten und einer 10-monatigen Bewährungsstrafe.
Es entzog ihm für 10 Jahre sein passives Wahlrecht und verhängte die Zahlung einer symbolischen Entschädigung in
Höhe eines Euros an jede der auf Schadenersatz klagenden Parteien.
Das Brüsseler Berufungsgericht stellte fest, dass das beleidigende Verhalten von Herrn Féret nicht in den Bereich seiner
parlamentarischen Aktivitäten fällt, und dass die Flugblätter Passagen enthalten, die eindeutig und absichtlich wegen
der Rasse, der Hautfarbe oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu Diskriminierung, Segregation, Hass und sogar
Gewalt aufrufen. Eine Rechtsbeschwerde von Herrn Féret wurde am 4. Oktober 2006 abgewiesen.
Mit Verweis auf Artikel 10 (Meinungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention behauptete der Kläger, dass
seine Verurteilung wegen der Inhalte der Flugblätter seiner politischen Partei eine übermäßige Einschränkung seines
Rechts auf freie Meinungsäußerung darstellt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass der Eingriff auf das Recht auf Meinungsfreiheit von
Herrn Féret durch das Gesetz vorgeschrieben wurde (Gesetz vom 30. Juli 1981 zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit)
mit dem rechtmäßigen Ziel der Verhinderung von Störungen und dem Schutz der Rechte anderer. Er führte des Weiteren
aus, dass in den Flugblättern die fraglichen Gemeinden als kriminell und erpicht darauf, die Unterstützungsleistungen,
die ihnen durch ihr Leben in Belgien zustehen, auszunutzen, darstellte. Außerdem wurden mit ihnen die betreffenden
Migranten verspottet, was insbesondere unter weniger klugen Mitgliedern der Öffentlichkeit zwangsläufig zu Misstrauen, Ablehnung oder sogar Hass gegenüber Ausländern führen kann.
Laut Urteil ist die Meinungsfreiheit zwar für jeden und insbesondere für einen gewählten Volksvertreter, der einen Wahlkreis vertritt und dessen Interessen verteidigt, wichtig. Doch verwies der Gerichtshof darauf, dass es für Politiker, die sich
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in der Öffentlichkeit äußern, unerlässlich ist, Kommentare, die Intoleranz fördern könnten, zu vermeiden.
Er stellte außerdem fest, dass rassistische und fremdenfeindliche Reden während des Wahlkampfs, wobei
Argumente naturgemäß noch eindringlicher werden, stärkere Auswirkungen haben. Setzt man sich bei
der Lösung von mit Migration zusammenhängenden Problemen für rassistische Diskriminierung ein, führt
dies unweigerlich zu sozialen Spannungen und untergräbt das Vertrauen in demokratische Institutionen.
Im vorliegenden Fall entstand zwingend die gesellschaftliche Notwendigkeit, die Rechte der MigrantenGemeinschaft zu schützen, wie es die belgischen Gerichte taten.
In bezug auf die gegen Herrn Féret verhängte Strafe fügte der Gerichtshof hinzu, dass die Behörden im
Einklang mit dem Grundsatz des Gerichts, sich in Strafverfahren zurückzuhalten, einen 10-jährigen Entzug
der passiven Wahlrechte einer anderen Strafe vorzogen. Das Gericht stellte daher keine Verletzung von
Artikel 10 (Meinungsfreiheit) fest und fügte hinzu, dass die restlichen Punkte der Klage nicht zulässig sind.
Muñoz Díaz gegen Spanien (Nr. 49151/07), Urteil der dritten Sektion vom 8. Dezember 2009
Die Klägerin, ML Muñoz Diaz, eine Roma mit spanischer Staatsbürgerschaft, reichte Klage ein, weil ihr
nach dem Tod von MD, der ebenfalls Roma mit spanischer Staatsangehörigkeit war, allein aufgrund der
Tatsache, dass sie gemäß des spanischen Rechts nicht verheiratet waren, eine Hinterbliebenenrente
verweigert wurde. Sie machte geltend, dass hiermit gegen Artikel 14 der Konvention zusammen mit
Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention und gegen Artikel 12 der Konvention verstoßen wurde.
Die Klägerin und MD, beide Mitglieder der Roma-Gemeinschaft, heirateten im November 1971 entsprechend der ihrer Gemeinschaft eigenen Riten. Die Hochzeit wurde gemäß der Bräuche und kulturellen
Traditionen der Roma gefeiert und von der Gemeinschaft anerkannt. Für die Roma-Gemeinschaft hat
eine nach ihren Sitten abgehaltene Hochzeit die üblichen sozialen Folgen, bewirkt eine öffentliche Anerkennung, die Verpflichtung zusammenzuleben und alle anderen Rechte und Pflichten, die der Institution
Ehe innewohnen.
Die Klägerin hatte sechs Kinder, die in dem Familienbuch eingetragen wurden, das dem Paar vom spanischen Einwohnermeldeamt im August 1983 ausgestellt wurde. Im Oktober 1986 bekamen die Klägerin
und ihre Familie den Status einer ‘Großfamilie erster Kategorie’ zuerkannt.
Im Dezember 2000 verstarb der Ehemann der Klägerin. Bis dahin hatte er 19 Jahre lang gearbeitet und
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und damit seine Frau (die als solche eingetragen war) und seine
sechs unterhaltsberechtigten Kinder ernährt.
Die Klägerin beantragte eine Hinterbliebenenrente. Das nationale Sozialversicherungsamt (INSS) verweigerte diese aufgrund der Tatsache, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Ehefrau des Verstorbenen gewesen
ist, was vom bürgerlichen Gesetzbuch und dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz als Bedingung
verlangt wird.
Die Klägerin reichte beim Arbeitsgericht Madrid Klage ein. Mit Urteil vom Mai 2002 wurde ihr das Recht
auf Hinterbliebenenrente zuerkannt, wodurch die Roma-Eheschließung zivilrechtlich anerkannt wurde.
In dem Urteil wurde unter anderem erwähnt, dass die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft auf den fraglichen
Fall anzuwenden ist, da sich die verweigerte Vergünstigung aus dem Beschäftigungsverhältnis der versicherten Person ableitet, die noch während ihrer Berufstätigkeit eines natürlichen Todes starb.
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Das INSS legte gegen dieses Urteil Revision ein. Mit Urteil vom November 2002 hob das Madrider Gericht zweiter Instanz das erste Urteil auf. Die Klägerin legte hiergegen beim Verfassungsgericht149 einen
Amparo-Einspruch ein und berief sich auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Rasse
und der sozialen Bedingungen, doch mit Urteil vom April 2007 wurde dieser vom Verfassungsgericht
abgewiesen.
Die Klägerin brachte vor, dass die Weigerung ihr eine Hinterbliebenenrente aufgrund dessen, dass ihre
Heirat nach den Bräuchen der Minderheit der Roma, denen sie angehört, zivilrechtlich nicht anerkannt
wird, gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Artikel 14 der Konvention zusammen mit Artikel 1 des Zusatzprotokolls verstoße.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass der spanische Staat unverhältnismäßig
handelte, nachdem er der Klägerin und ihrer Roma-Familie ein Familienbuch ausgestellt und einen Sonderstatus der Großfamilie zuerkannt, ihr und ihren sechs Kindern Gesundheitsfürsorge gewährt und von
ihrem Roma-Ehemann über 19 Jahre lang Sozialversicherungsabgaben erhoben hatte, und nun, da es
um die Hinterbliebenenrente ging, die Eheschließung der Roma zivilrechtlich nicht anerkannte.
Der Gerichtshof akzeptierte das Argument der spanischen Regierung nicht, die Klägerin hätte lediglich
eine zivilrechtliche Ehe einzugehen, um die geforderte Rente zu erhalten. Wie im Urteil ausgeführt hat
das in Artikel 14 der Konvention verankerte Verbot der Diskriminierung nur eine Bedeutung, wenn in
jedem Einzelfall jeweils die persönliche Lage des Klägers in bezug auf die in dieser Bestimmung aufgeführten Kriterien genau berücksichtigt wird. Ginge man anders vor und lehne die Ansprüche des Opfers
mit der Begründung ab, es hätte die Diskriminierung vermeiden können, indem es eine der fraglichen
Faktoren – zum Beispiel mittels einer zivilrechtlichen Eheschließung – geändert hätte, würde Artikel 14
vollständig aushöhlen. Daher urteilte der Gerichtshof, dass ein Verstoß gegen Artikel 14 der Konvention
zusammen mit Artikel 1 des Zusatzprotokolls vorliegt.
Entscheidung über die Zulässigkeit
Aktas, Bayrakand und andere gegen Frankreich (Nr. 43563/08, 14308/08, 18527/08, 29134/08,
25463/08,27561/08), Entscheidung vom 30. Juni 2009
Die Beschwerdeführer waren für das Schuljahr 2004-2005, dem ersten Schuljahr nach Erlass des Gesetzes,
nach dem das Tragen religiöser Symbole verboten ist (Gesetz vom 15. März 2004 Nr. 2004-228),150 an
einer staatlichen Schule eingeschrieben. Am ersten Schultag trugen sie (vier muslimische Mädchen und
zwei der Sikh-Gemeinschaft zugehörige Jungen) ein islamisches Kopftuch bzw. einen keski, ein dunkler,
kleinerer Turban als der traditionelle Sikh-Turban.
Die Schuldirektoren forderten die Schüler auf, diese Kleidungsstücke abzulegen, da sie ihrer Meinung
nach gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen, laut derer das Tragen von Symbolen oder
Kleidungsstücken, die die Religionszugehörigkeit der Schüler deutlich zum Ausdruck bringen, auf dem
Schulgelände verboten ist. Drei der vier muslimischen Mädchen erklärten sich damit einverstanden,
eine Mütze zu tragen. Nach Ablauf einer Periode der Mediation leiteten die Disziplinarräte der Schulen
Disziplinarverfahren ein und verwiesen alle sechs Schüler von den betroffenen Schulen, unabhängig von
der Tatsache, ob sie ihre Kleidung änderten oder nicht, da sie sich geweigert hatten Artikel L141-5-1 des
Bildungsgesetzes zum Verbot des Tragens religiöser Symbole oder Kleidungsstücke einzuhalten. Gegen
Jeder Bürger kann beim Verfassungsgericht einen Amparo-Einspruch einreichen, wenn er der Meinung ist, dass eine Behörde
149
gegen seine Grundrechte verstoßen hat.
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 1, S. 55-56.
150
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die Entscheidungen wurden bei Verwaltungsgerichten Klagen eingereicht, die jedoch sowohl in erster
als auch in zweiter Instanz abgewiesen wurden.151
Anschließend reichten die Beschwerdeführer beim obersten Verwaltungsgericht, dem Conseil d’Etat,
Berufung ein, der diese mit der Begründung abwies, dass das Verbot religiöser Symbole an staatlichen
Schulen die Anforderungen aus Artikel 9 der Europäischen Konvention zu Menschenrechten erfülle,
und dass ein keski und eine Mütze zwar diskreter sind, aber nach wie vor ein vom Gesetz verbotenes,
erkennbares religiöses Symbol darstellen.
Die Beschwerdeführer reichten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zwischen März und
September 2008 Anträge ein. Sie beriefen sich dabei auf Artikel 6 Absatz 1 und behaupteten, dass die
Disziplinarverfahren nicht unparteiisch waren, dass ihre Privatsphäre nicht geachtet wurde (Verstoß gegen Artikel 8 der Konvention), gegen ihre Religionsfreiheit (gemäß Artikel 9 der Konvention) und gegen
ihr Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10 der Konvention) verstoßen und ihnen der Zugang zur
Bildung (Artikel 2 des Zusatzprotokolls zur Konvention) verweigert wurde. Der Europäische Gerichtshof
verwies auf frühere Urteile, nach denen das Tragen eines Kopftuches als ‘eine durch eine Religion oder
einen Glauben motivierte oder inspirierte Handlung’ betrachtet werden kann. Er stellte fest, dass das
Disziplinarverfahren von einem kompetenten Gericht, im vorliegenden Fall einem Verwaltungsgericht
untersucht wurde, und daher die Rechte der Beschwerdeführer auf unparteiische Anhörung gebührend
beachtet wurden. Der Gerichtshof hielt fest, dass es in einer demokratischen Gesellschaft mit vielen
Religionen erforderlich sein kann, die Religionsfreiheit in angemessener Weise einzuschränken, um die
verschiedenen Interessen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu schützen und die Achtung aller Religion zu gewährleisten. Er wiederholte, dass der Staat die Religionsfreiheit (beispielsweise
das Tragen eines islamischen Kopftuches) einschränken kann, wenn die Ausübung dieses Rechts den
Schutz der Rechte und Grundfreiheiten Anderer sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unterminiert. Der Gerichtshof war außerdem der Meinung, dass das Verbot aller sichtbaren religiösen Symbole
in staatlichen Schulen lediglich aus der Notwendigkeit den in der Verfassung garantierten Grundsatz
der Säkularität zu schützen entstanden war, und dies sowohl mit den in der Konvention enthaltenen
Grundsätzen als auch mit einschlägigen Urteilen hierzu übereinstimmt.
Der Gerichtshof beurteilte die Strafen, die dauerhafte Verweisung vom Schulgelände, als nicht unverhältnismäßig, sondern stellte vielmehr fest, dass die Beschwerdeführer die Wahl hatten ihre Ausbildung im
Fernstudium, in einer privaten Einrichtung oder zuhause fortzusetzen, wie die Disziplinarräte der Schulen
erläuterten. Die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer wurde gegen die Notwendigkeit die Rechte und
die Grundfreiheiten Anderer und die öffentliche Ordnung zu schützen, abgewogen. Der Gerichtshof
kam zu dem Schluss, dass die gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich die Beschwerdeführer stützten,
Aktas gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Mulhouse 25. Juli 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Straßburg 25.
151
Mai 2006, Conseil d’Etat 7. März 2008, unveröffentlicht;
Bayrak gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Caen 7. Juni 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Nantes 8. Juni 2006,
Conseil d’Etat 27. September 2008, unveröffentlicht;
Gamaleddyn gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Lyon 25. Juni 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Lyon 3. Juni
2006, Conseil d’Etat 27. September 2008, unveröffentlicht;
Ghazal gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Nancy 30. August 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Nancy 27. Mai
2006, Conseil d’Etat 5. Dezember 2008, unveröffentlicht;
J. Singh gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Melun 19. April 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Paris 19. Juli
2005, Conseil d’Etat 5. Dezember 2008, Nr. 285395, veröffentlicht: http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriAdmin.do?oldAction
=rechJuriAdmin&idTexte=CETATEXT000018007889&fastReqId=76475577&fastPos=9;
R. Singh gegen Frankreich: Verwaltungsgericht Melun 19. April 2005, Berufungsgericht für Verwaltungssachen Paris, 19. Juli
2005, Conseil d’Etat 5. Dezember 2008, Nr. 285396, veröffentlicht: http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriAdmin.do?oldAction
=rechJuriAdmin&idTexte=CETATEXT000018007890&fastReqId=76475577&fastPos=10.
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eigentlich bestehen, um den neutralen und säkularen Charakter von Bildungseinrichtungen zu gewährleisten und für jedes sichtbare religiöse Symbol gelten. Er betonte die Rolle des Staats als neutraler und
unparteiischer Schiedsrichter, der für die öffentliche Ordnung und die Achtung und den Schutz aller
Religionen verantwortlich ist, und folgerte, dass das Ziel, die Verfassungsgrundsätze der Säkularität zu
schützen, mit den in der Europäischen Konvention der Menschenrechte enthaltenen Grundsätzen im
Einklang steht, weshalb er die Anträge als unzulässig abwies.
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Ausgabe Nr. 10 | 2010
Joy | 1996
Frank | 1944
Tanja | 1959
Joost | 1964
Maria | 1973
Debora | 1990
Jacomien | 1967
Victor | 1975
Olga | 1967
Ausgabe Nr. 10 | 2010
50
Neueste Entwicklungen in
den EU-Mitgliedstaaten
Weitere Informationen befinden sich auf unserer Webseite: http://www.nondiscrimination.net
51
Ausgabe Nr. 10 | 2010
be
Belgien
Rechtsprechung
Klagen auf Annullierung des flämischen Dekrets vom 10. Juli 2008152 und die Verordnung für die
Region Brüssel-Hauptstadt vom 4. September 2008153
Eine Gewerkschaft,154 die bei Gericht eine Klage auf Annullierung des föderalen Antidiskriminierungsgesetzes vom 10. Mai 2007155 einreichte, tat dies aus ähnlichen Gründen, um die Annullierung verschiedener regionaler Rechtsvorschriften zu erreichen. Das Verfassungsgericht fällte das gleiche Urteil wie im
vorangegangenen Fall156 und verwies auch ausdrücklich auf dieses.
Die Kläger argumentierten, dass eine erschöpfende Liste von Diskriminierungsmerkmalen alle Opfer von
Diskriminierungen, die auf anderen als den im flämischen Dekret und der Verordnung für die Region
Brüssel-Hauptstadt aufgelisteten Merkmalen gründen, diskriminiert. Das Gericht urteilte,157 das der Gesetzgeber in der Lage war, zu beurteilen, welche Merkmale in einer Rechtsvorschrift aufgelistet und unter
einen besonderen Schutz gestellt werden sollten. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass die Opfer von
Diskriminierungen aufgrund von Merkmalen, die nicht in dem Dekret und der Verordnung aufgeführt
sind, auf andere belgische Rechtsvorschriften zurückgreifen können.
Bezüglich des Ausschlusses der gewerkschaftlichen Überzeugung von der erschöpfenden Liste von
Diskriminierungsmerkmalen in dem Dekret und der Verordnung158 verwies das Gericht auf sein Urteil
Nr. 64/2009 und erklärte dies als diskriminierend. Folglich annullierte das Gericht Artikel 4, 2° und 3° der
Verordnung für die Region Brüssel-Hauptstadt vom 4. September 2008 und Artikel 16, § 3 des flämischen
Dekrets vom 10 Juli 2008, in denen eine Liste von Diskriminierungsmerkmalen enthalten sind, jedoch nur
in bezug darauf, dass die gewerkschaftliche Überzeugung nicht erwähnt wird. Das Gericht wiederholte
seine Entscheidung im Urteil Nr. 64/2009: Angesichts der Tatsache, dass die Annullierung präzise und
umfassend ist, muss ein Richter eines Zivilgerichts, der über eine Diskriminierung aufgrund der gewerkschaftlichen Überzeugung zu entscheiden hat, bis zur Änderung der Rechtsvorschriften die teilweise annullierten Bestimmungen in Übereinstimmung mit Artikel 10 und 11 der Verfassung (die den Grundsatz
der Gleichstellung und der Nichtdiskriminierung bestätigen) anwenden. Folglich sollte ein Zivilrichter so
vorgehen, als ob das Merkmal der gewerkschaftlichen Überzeugung von Beginn an in der erschöpfenden
Liste der Diskriminierungsmerkmale verankert worden wäre. Im Gegenzug betonte das Gericht in bezug
auf die strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes, dass der Grundsatz der Rechtmäßigkeit es nicht
zulässt, dass ein Richter eines Strafgerichts Gesetzeslücken auf diese Weise füllt.
Bezüglich der Nichtigkeit von Vertragsklauseln, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen,
stellte das Gericht fest, dass die Auflage sowohl für schriftliche als auch für mündliche Vertragsklauseln
Flämisches Dekret vom 10. Juli 2008 zur Schaffung eines Rahmendekrets für die flämische Politik der Chancengleichheit und
152
Gleichbehandlung (Decreet houdende een kader voor het Vlaamse gelijkekansen en gelijkebehandelingsbeleid).
Verordnung für die Region Brüssel-Hauptstadt vom 4. September 2008 für die Bekämpfung von Diskriminierungen und für
153
die Gleichbehandlung im Beschäftigungsbereich (Ordonnance relative à la lutte contre la discrimination et à l’égalité de traitement en matière d’emploi).
Landelijke Bediendecentrale – Nationaal Verbond voor Kaderpersoneel or Centrale nationale des employés.
154
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 9, S. 52.
155
Ibid.
156
Urteile des Verfassungsgerichts Nr. 122/16.07.2009 & 123/16.07.2009.
157
Diese Rechtsvorschriften gelten für die gleichen Diskriminierungsmerkmale wie die drei föderalen Antidiskriminierungsge-
158
setze vom Mai 2007, außerdem auch für das Diskriminierungsmerkmal Sprache.
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gilt. Die Kläger argumentierten auch, dass das Dekret und die Verordnung, die bestimmen, dass eine
Vertragsklausel, die gegen deren Bestimmungen verstößt, nichtig ist, nicht mit dem Grundsatz der
Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Verfassung übereinstimmt, da sie lediglich auf Klauseln
verweisen, die vor dem diskriminierenden Verhalten stattfanden und nicht auf Klauseln, die gleichzeitig
oder nach dem Auftreten der Diskriminierung geschrieben wurden. Laut Gericht gibt es keine Rechtfertigung für eine derartige Begrenzung, da die Nichtigkeit der diskriminierenden Bestimmungen eine
Regel der öffentlichen Ordnung (ordre public) darstellt. Um jeden Zweifel auszuräumen, strich das Gericht
folgich die Begriffe ‘vorab’ in Artikel 27, § 1 des flämischen Dekrets und in Artikel 21 der Verordnung für
die Region Brüssel-Hauptstadt.
Im Internet:
http://www.arbitrage.be
Der Staatsrat setzt die Entlassung einer islamischen Religionslehrerin aufgrund der Weigerung
ihr Kopftuch abzulegen außer Kraft
Eine islamische Religionslehrerin wurde von zwei öffentlichen Grundschulen in Brüssel wegen schwerwiegendem Fehlverhalten (motif grave) entlassen, da sie sich geweigert hatte, ihr Kopftuch beim Verlassen ihres
Klassenzimmers und auf dem Schulgelände abzulegen. Unter Anwendung des in der Neutralitätserklärung
für die Bildung der flämischen Gemeinschaft verankerten Grundsatzes der Neutralität staatlicher Bildung
verbieten die Schulregeln das Tragen religiöser Symbole auf dem Schulgelände, ausgenommen sind hiervon
lediglich Religionslehrer in ihren Klassenzimmern. Die betroffene Lehrerin klagte in einem Eilverfahren vor
dem Staatsrat auf Aufhebung ihrer Entlassung. Am 18. Oktober 2007 gab der Staatsrat der Aufhebungsklage
statt, weil die Rechtsvorschriften über den Grundsatz der Neutralität im flämischen Teil Belgiens nicht präzise
genug waren, um daraus ein allgemeines Verbot religiöser Symbole in einer Schule abzuleiten.
Der Staatsrat (Flämische Kammer der Verwaltungssektion) bestätigte die vorläufige Entscheidung vom
18. Oktober 2007. Er hob die Entlassung der muslimischen Lehrerin anhand eines gut begründeten
Urteils auf.159 Er stellte fest, dass die Schulen nicht dazu befähigt sind, das Tragen religiöser Symbole in
ihren Schulregeln zu verbieten, da das flämische Dekret über die Bildung von 1998 ausdrücklich den
flämischen Zentralrat für die Bildung mit dem Verfassen der Erklärung der Neutralität in der Bildung
beauftragt. Entgegen der Schulvorlagen war es nicht möglich, aus der Erklärung der Neutralität in der
Bildung direkt ein Verbot des Tragens religiöser Symbole abzuleiten. Da des Weiteren die Schule keinen
Bekehrungseifer nachweisen konnte, könnte die muslimische Lehrerin die Neutralitätserklärung insofern
korrekt ausgelegt haben, als sie nicht per se das Tragen ihres Kopftuches verbietet.
Im Internet:
www.raadvst-consetat.be
bg
Bulgarien
Gesetzgebung
Lokalregierung verbietet öffentliche Bekundung der sexuellen Ausrichtung
Der Gemeinderat von Pazardzik erließ lokale Regeln für die öffentliche Ordnung, die ‘das öffentliche
Zeigen und Bekunden der sexuellen Ausrichtung auf öffentlichen Plätzen’ verbieten. Sprachlich ist der
Text zwar neutral gehalten, inhaltlich wird aber eindeutig auf die Einschränkung der homosexuellen
Staatsrat (Verwaltungsrechtliche Sektion), Urteil Nr. 195.044 vom 2. Juli 2009, X gegen Vlaamse Gemeenschap en het Geme-
159
enschapsonderwijs.
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Bekundung in der Öffentlichkeit abgezielt. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass eine derartige
Rechtsvorschrift zum ersten Mal in Bulgarien verabschiedet wurde.
Rechtsprechung
Oberstes Gericht verurteilt Bürgermeister wegen Volksverhetzung gegen Roma
Das Oberste Verwaltungsgericht bestätigte ein Urteil eines Gerichts der niedrigeren Instanz mit dem
eine Entscheidung der Gleichbehandlungsstelle bestätigt wurde, dass ein Bezirksbürgermeister von
Sofia sich für Volksverhetzung gegen Roma zu verantworten hat. Das Gericht hielt es für erwiesen,160 dass
die extrem rassistischen Äußerungen im nationalen Radio eine Belästigung aller Roma darstellten. Das
Gericht der niedrigeren Instanz und die Gleichbehandlungsstelle waren ausdrücklich der Auffassung,
dass die Absicht des Beamten für den Sachverhalt der Belästigung nicht von Bedeutung war, da aus
diesen Äußerungen die Beleidigung der Roma und ein ihnen aggressiv gegenüber eingestelltes Umfeld
resultierten. Die Gleichbehandlungsstelle verhängte eine Geldbuße von 500 Euro und verlangte vom
Bürgermeister, dass er sich über den gleichen Radiosender entschuldigt, das Urteil auf seine Kosten in
einer der beiden auflagenstärksten Tageszeitungen veröffentlicht und ähnliche Aussagen zukünftig nicht
wiederholt. Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts ist endgültig und der Bürgermeister kam den
Anordnungen nach. Zum ersten Mal hat ein Oberstes Gericht öffentliche Hassreden als für eine gesamte
ethnische Gemeinschaft verletzend verurteilt.
cy
Zypern
Gesetzgebung
Änderung des Gesetzes über die Gleichbehandlung
Das Gesetz über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Nr. 58(I)/2004, mit dem die beschäftigungsrelevanten Bestimmungen der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht
umgesetzt wurden, wurde durch das Gesetz Nr. 86(I)/2009 geändert, damit sämtliche Streitfälle, für die
dieses Gesetz gilt (Zugang zur Beschäftigung, Selbständigkeit, Ausbildung oder Mitgliedschaft in einer
Gewerkschaft), als arbeitsrechtliche Streitfälle eingestuft werden, damit sie eindeutig unter das Mandat
des Arbeitsgerichts fallen. Diese Änderung erfolgte aufgrund eines Urteils des Arbeitsgerichts im Jahr
2008, in dem das Arbeitsgericht feststellte, dass es keine Befugnis hat, über eine Klage einer Stellenbewerberin zu urteilen, deren Bewerbung aufgrund ihres Alters abgewiesen worden war.161 Das Arbeitsgericht berief sich in der Rechtssache auf das Gesetz Nr. 8/67, in dem sein Mandat definiert wird, und
wonach das Arbeitsgericht nur über arbeitsrechtliche Streitigkeiten urteilen kann, die in dem Gesetz als
Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer definiert werden. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts
hat es sich aber zu keiner Zeit um ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis gehandelt, da die Klägerin
nicht eingestellt wurde. Obwohl das Gesetz über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Nr.
58(I)/2004 ausdrücklich vorsieht, dass das für Streitigkeiten gemäß dieses Gesetzes zuständige Gericht
das Arbeitsgericht ist, hat besagtes Gerichtsurteil Klägern das Recht auf Schadenersatz faktisch verweigert, wenn die Klage eine Diskriminierung betraf, bei der kein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis
bestand. Die Gesetzesänderung leistet vor allem diesem Problem Abhilfe.
Oberstes Verwaltungsgericht, Urteil Nr. 14472, Rechtssache Nr. 11158/2009.
160
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 48, Rechtssache Avgoustina Hajiavraam gegen The
161
Cooperative Credit Company of Morphou, 30.07.2008.
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Erlass eines Gesetzes zur Einführung positiver Maßnahmen für Menschen mit Behinderung
Ein im Herbst 2009 erstellter Gesetzentwurf wurde vom Abgeordnetenhaus am 23. Dezember 2009 trotz
der von KYSOA, dem Verband der Organisationen für Personen mit Behinderung, vorgebrachten Einwände verabschiedet. Mit dem neuen Gesetz werden Quoten für die Beschäftigung von Menschen mit
Behinderung im öffentlichen Sektor eingeführt. Zehn Prozent der neu zu besetzenden Stellen müssen
jederzeit mit einer Person mit Behinderung besetzt werden, wobei aber sieben Prozent der Gesamtzahl
der Beschäftigten einer Abteilung nicht überschritten werden darf. Das Gesetz definiert eine ‘Person
mit Behinderung’ als eine Person, die gemäß der Bewertung durch einen multidisziplinären Ausschuss
an einer dauerhaften oder unbefristeten Unzulänglichkeit oder Benachteiligung leidet, wodurch physische, intellektuelle oder mentale Einschränkungen für das Finden oder Beibehalten einer geeigneten
Beschäftigung entstehen. Die Quote gilt für Ersteinstellungen (d.h. nicht für Beförderungen) auf dem unteren Hierarchieniveau und wurde insbesondere verfasst, um Bereiche auszuschließen, für die es bereits
besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung gibt (wie die Quote für blinde Telefonisten),
und Bereiche des öffentlichen Dienstes, wo ‘zwangsläufig keine Personen beschäftigt sein dürfen, die
physische, mentale oder intellektuelle Einschränkungen haben’,162 wozu die Streitkräfte, die Polizei, die
Feuerwehr und die Strafvollzugsanstalten zählen.
Der Verband der Organisationen für Personen mit Behinderung KYSOA brachte Einwände gegen die
weit gefasste Definition des Begriffs ‘Behinderung’ vor, wozu auch chronische Erkrankungen zählen, und
kritisierte, dass die Quote nicht für hochrangige Stellen oder die Beförderung gilt, die verbindlichen Zulassungsprüfungen sowie den Ausschluss des KYSOA vom multidisziplinären Ausschuss, der beurteilt, ob
ein Bewerber der vom Gesetz festgelegten Definition einer ‘Person mit Behinderung’ entspricht. Darüber
hinaus kann das Gesetz als nicht verfassungskonform angefochten werden, wie es in der Vergangenheit
mit anderen Gesetzen geschah, die Quoten163 einführten, weil diese gegen den in Artikel 28 der Verfassung aufgestellten Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.164 In Zypern bleibt dies weiterhin umstritten,
obwohl im Juli 2006 eine Verfassungsänderung eingeführt wurde, die dem EU-Recht Vorrang einräumt.
Rechtsprechung
Die Gleichbehandlungsstelle hält ein Gesetz, mit dem Blinden bei der Beschäftigung als
Telefonist Vorrang eingeräumt wird, für diskriminierend gegenüber Personen mit einer anderen
Behinderung
Die Gleichbehandlungsstelle untersuchte die Beschwerde einer Person mit einer schweren Mobilitätsbehinderung, die behauptete, dass das Gesetz über die Einstellung von geschulten, blinden Telefonisten im
öffentlichen und im Bildungssektor sowie in öffentlichen Einrichtungen (Besondere Bestimmungen) Nr.
17/1988 (im Folgenden das Gesetz) gegenüber anderen Personen mit einer anderen Art der Behinderung
diskriminierend ist. Der Beschwerdeführer führte an, dass seine Bewerbung um eine Stelle als Telefonist
in einem öffentlichen Krankenhaus in Folge des Gesetzes abgelehnt worden war, was gegen das Gesetz
zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG verstößt. Laut des Ministeriums für öffentliche Verwaltung
Artikel 2 des Gesetzes zur Einführung besonderer Bestimmungen für die Einstellung von Personen mit Behinderung im
162
öffentlichen Sektor 146(I)/2009.
Siehe beispielsweise Rechtssache Charalambos Kittis et al gegen die Republik Zypern vom 8.12.2006, Berufung Nr. 56/06, in der
163
das Gesetz, das kriegsversehrten Personen Vorrang in der Beschäftigung einräumt, als nicht verfassungskonform erklärt wird,
da es gegen den Gleichstellungsgrundsatz verstößt.
In seiner Erklärung vom 15.10.2009 äußerte KYSOA die Ansicht, dass die beste Lösung für das Problem, dass das Quotensys-
164
tem nicht als gegen die Verfassung verstoßend erklärt wird, darin besteht, Artikel 28 der zyprischen Verfassung zu ändern,
weil ansonsten jedes Gesetz, mit dem eine Quote eingeführt wird, zu jeder Zeit durch die Gerichte als nicht verfassungskonform erklärt werden kann.
55
Ausgabe Nr. 10 | 2010
und Personalfragen ist die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung nicht das Ergebnis einer
mathematischen Gleichung und kann dies auch nicht sein. Positive Maßnahmen müssen nach Erwägung
der realen Faktoren angenommen werden. Jede andere Behandlung würde in eine Gleichbehandlung
in ungleichen Situationen hinauslaufen, was als ungleiche Behandlung inakzeptabel ist. Artikel 3 des
Gesetzes bestimmt, dass in dem Fall, dass eine freie Stelle eines Telefonisten nicht mit einer blinden
Person besetzt werden kann, diese Stelle anderen Personen mit einer anderen Behinderung angeboten
wird. In der gleichen Bestimmung wird jedoch von allen Kandidaten verlangt, eine ‘adäquate Schulung’
zum Telefonisten abgeschlossen zu haben, und eine derartige Schulung wird nur von einer besonderen
Schule und lediglich für Blinde angeboten.
The Gleichbehandlungsstelle stellte fest,165 dass die Richtlinie 2000/78/EG eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz nur für die Realisierung grundlegender Gleichstellung und unter der Bedingung zulässt, dass diese objektiv und angemessen gerechtfertigt ist. Sie fügte hinzu, dass wenn eine
Begünstigung vom Gesetz zuerkannt wird, die Versäumnis, die gleiche Begünstigung unter der gleichen
Bedingung zuzuerkennen, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Der Bericht schließt mit
der Feststellung, dass Blinde und Personen mit einer schwerwiegenden Mobilitätsbehinderung unter
dem gleichen schmerzvollen Ausschluss aus der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt leiden und daher
als gleich zu betrachten sind. Die Beschwerde wurde daher als begründet eingestuft und festgehalten,
dass das betreffende Gesetz gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Daher wurde das Gesetz
zur Überprüfung gemäß Artikel 39 Absatz 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von rassistischen und anderen
Formen von Diskriminierung an den Justizminister (Bevollmächtigten) überwiesen.
cz
Tschechische Republik
Politische Entwicklungen
Dekret der Regierung zu gesetzwidrigen Sterilisierungen von Frauen
Die Regierung gab bekannt, dass der Minister für Menschenrechte ihr einen Bericht166 über die gesetzwidrigen Sterilisierungen von Roma-Frauen in der Tschechischen Republik zugeleitet hat, äußerte ihr
Bedauern über die einzelnen, gesetzwidrig entgegen der Richtlinie des Gesundheitsministers vorgenommenen Sterilisierungen und wies den Gesundheitsminister an: 1.) der Regierung bis zum 31. Dezember
2009 Informationen über die Maßnahmen, die hinsichtlich gesetzwidriger Sterilisierungen ergriffen
wurden, vorzulegen, 2.) die Frage der Sterilisierungen in das Programm zur Entwicklung von Normen für
die Patientenfürsorge aufzunehmen und 3.) nachzuprüfen, ob bei der Durchführung von Sterilisierungen
die Rechtsvorschriften beachtet werden.
Laut Bericht des Ministers für Menschenrechte wurden nicht immer vor der Sterilisierung Einverständniserklärungen von den Frauen eingeholt. Dies betraf Frauen ohne Unterscheidung der ethnischen
Zugehörigkeit. Laut Bericht wurde das Einverständnis der Frauen manchmal direkt vor der Sterilisierung
mündlich eingefordert, ohne den Frauen jedoch korrekte Informationen zu geben. Es müssten daher
dringend neue medizinische Standards für Sterilisierungen erstellt werden.
Im Internet:
http://www.vlada.cz/assets/ppov/rlp/aktuality/USNESENI-VLADY.pdf
Entscheidung der Gleichbehandlungsstelle 2/2009 vom 19.11.2009.
165
Dekret der Regierung Nr. 1424 vom 23.11.2009.
166
Ausgabe Nr. 10 | 2010
56
Rechtsprechung
Oberster Gerichtshof urteilt über die Leistung von Schadenersatz bei rassistischer
Diskriminierung
Eine Gruppe von Roma und eine Gruppe tschechischer Personen führte Situationstests in Restaurants
durch, um mögliche Diskriminierungsmuster herauszufinden. Während die Gruppe der tschechischen
Testpersonen in einem speziellen Restaurant ordnungsgemäß bedient wurde, wurde dies den Roma
verweigert und ihnen mitgeteilt, dass das Restaurant ein privater Club ist. Das Regionalgericht Ostrava
stellte 2005 in seinem Urteil fest, dass die Behandlung der Kläger auf rassistischen Gründen basierte und
sprach jedem der Kläger einen Schadenersatz von 50.000 tschechische Kronen (ungefähr 2.000 Euro) zu.
Die Beschuldigten reichten beim Landgericht Olomouc Berufung ein, das zu dem Schluss kam, dass die
Kläger sich freiwillig einer diskriminierenden Behandlung ausgesetzt hatten und ruhig und ohne Aufsehen abgewiesen worden waren, weshalb es den Schadenersatz auf 5.000 tschechische Kronen (ungefähr
200 Euro) pro Person senkte. Anschließend reichten die Kläger gegen die Höhe des Schadenersatzes im
Urteil des Landgerichts beim Obersten Gerichtshof Berufung ein.
Der Oberste Gerichtshof167 hob das Urteil des Landgerichts Olomouc auf und verwies die Rechtssache an
dieses zurück, damit es ein neues Urteil in Übereinstimmung mit den rechtlich bindenden Auslegungen
des Obersten Gerichtshofs fällt.
Insbesondere verwarf der Oberste Gerichtshof die Rechtfertigung, die das Landgericht für die Verminderung
des Schadensersatzes gegeben hatte. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes war die Tatsache, dass die
Kläger Situationstests durchführten, ihre persönliche Motivation sowie die Tatsache, dass der Vorfall ruhig
endete und von den anderen Gästen im Restaurant nicht bemerkt wurde, für die Höhe des Schadensersatzes
nicht von Bedeutung. Diese Tatsachen mindern in keiner Weise das Ausmaß des Rechts der Kläger auf persönlichen Schutz. Abschließend fügte der Gerichtshof hinzu, dass das Ausmaß der Verletzung der persönlichen Rechte der Kläger nicht durch die Tatsache gemindert wurde, dass bei dem Vorfall kein Lärm verursacht
wurde und die Bediensteten des Restaurants die Kläger nicht besonders unfreundlich behandelten.
Im Internet:
http://www.nsoud.cz/rozhod.php?action=read&id=52631&searchstr=30+Cdo+4431%2F2007
Dk
Dänemark
Rechtsprechung
Gründer und Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für die Freie Presse kann für abfällige
Bemerkungen über Muslims strafrechtlich belangt werden
Der Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für die Freie Presse,168 Lars Hedegaard, erklärte in einem
Interview auf einer Muslims gegenüber kritisch eingestellten Webseite,169 dass Muslims ihre eigenen
Oberster Gerichtshof, Urteil Nr. 30 Cdo 4431/2007 vom 07.10.2009.
167
Die Internationale Gesellschaft für die Freie Presse (Trykkefrihedsselskabet) wurde am 01.01.2009 gegründet, ist dem Islam
168
gegenüber und der laut den Mitgliedern der Gesellschaft durch den Islam auferlegten Beschränkung der Redefreiheit besonders kritisch eingestellt.
http://snaphanen.dk/, Interview veröffentlicht am 21.12.2009.
169
57
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Gloryvan | 2002
Ausgabe Nr. 10 | 2010
58
Kinder vergewaltigen, gewissenlos lügen und im Allgemeinen unmoralische Wesen sind, die Frauen
erniedrigen.
Einige Mitglieder des beratenden Ausschusses der Internationalen Gesellschaft für die Freie Presse, darunter auch ein liberaler (Venstre) und ein konservativer (De Konservative) Parlamentsabgeordneter, traten
aus. Die Kommentare von Lars Hedegaard wurden von Yilmaz Evcil vom Integrationsausschuss der Stadt
Aarhus bei der Polizei als Verstoß gegen das Verbot der Volksverhetzung angezeigt. Der Staatsanwalt hat
noch nicht entschieden, ob er gegen Lars Hedegaard ein Strafverfolgungsverfahren einleitet. Nach seinem Interview verteilte Lars Hedegaard eine Pressemitteilung, in der er mitteilte, dass er die Kommentare
nicht bedauert, dass er jedoch nicht über alle Muslims gesprochen hatte, sondern über den Islam und die
dort festgelegten, grundlegenden Ansichten über Frauen.
Im Internet:
http://www.trykkefrihed.dk/free-press-society.htm and
http://snaphanen.dk/2009/12/17/lars-hedegaard-islam-is-an-army/
fr
Frankreich
Rechtsprechung
Einstellung abhängig von einer diskriminierenden Bedingung
Aufgrund einer von SOS Racisme eingereichten Klage, die sich auf einen Bericht eines Arbeitsinspektors
gründete, leitete der Staatsanwalt ein Strafverfahren wegen der Verweigerung der Beschäftigung
aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft ein. Eine Werbeagentur (Districom), die von einem
Hersteller (Garnier) mit einer Werbekampagne beauftragt worden war, hatte einer Personalagentur
(Adecco) ein Schreiben zugesandt, in dem sie darum bat, für die Werbekampagne lediglich junge Frauen
zwischen 18 und 22 Jahren mit maximaler Kleidergröße 40 und ‘BBR’ einzustellen.170 Es konnte außerdem
nachgewiesen werden, dass die Personalagentur (Adecco) sich an diese Vorgaben hielt und über eine
lange Zeit hin für diesen Vertrag nach weißen, europäischen Frauen suchte, wodurch sie der Forderung
von Districom entsprach.
Das erstinstanzliche Gericht wies den Fall sowie den Antrag von SOS Racisme, dem Verfahren als Schadenersatz fordernde Partei beizutreten, mit der Begründung ab, dass weder eine Verweigerung einer
Einstellung, noch ein Opfer nachgewiesen werden konnten. Das Berufungsgericht Paris entschied am
6. Juli 2007, dass Adecco, Districom und Garnier ein Angebot zur Einstellung unterbreitet hätten, das
von einer diskriminierenden Bedingung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft abhängig
gemacht wurde. Daher verhängte es eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro und gewährte SOS Racisme
Schadenersatz. Die drei Firmen legten hiergegen Berufung ein. Das Kassationsgericht171 bestätigte den
Standpunkt der Beklagten, kippte jedoch die Weigerung, SOS Racisme beim Verfahren als Partei zuzulassen, und verwies den Fall zurück an das Berufungsgericht, damit dieses die Zivilklage von SOS Racisme
(d.h. die Zulässigkeit deren Antrags und deren Klage auf Schadenersatz) neu bewertet.
Im Internet:
http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rechJuriJudi&idTexte=JURITEXT0000208751
14&fastReqId=398917158&fastPos=1
Der Kode BBR (bleu blanc rouge, d.h. blau weiß rot) wird häufig benutzt, um auf eine weiße Person europäischer Herkunft zu
170
verweisen.
Adecco, Districom und Garnier, Kassationsgericht, Nr. 07-85109 vom 23.06 2009.
171
59
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Vergleichsbeweis zur Schaffung eines Anscheinsbeweises für eine Diskriminierung
Während der ersten sieben Jahre ihrer Beschäftigung hatte die Klägerin einen deutlichen Anstieg auf
der Karriereleiter gemacht, denn sie hatte 14 Stufen auf der Beschäftigungsskala durchlaufen, bis sie an
einem legalen Streik teilnahm. In den darauffolgenden 18 Jahren stieg sie nur um zwei Stufen nach oben.
Sie schloss daraus, dass sie aufgrund ihrer Gewerkschaftstätigkeit unerwünschtem Verhalten ausgesetzt
war, und ihr weiterer Aufstieg unterbrochen wurde. Sie stellte fest, dass ihre Aufgaben schrittweise geändert wurden, so dass sie letztendlich unbedeutend wurden. Sie musste aus ihrem Büro in einen kleinen
Raum ziehen, so dass sie bei der Arbeit von ihren Vorgesetzten isoliert war.
Ihre Diskriminierungsklage wurde vom Appelationsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass sie
keinen vergleichenden Beweis über die Situation ihrer Kollegen zur Unterstützung ihrer Klage vorgelegt
hatte. Das Gericht urteilte gegen den Arbeitgeber aufgrund einer anderen Vorlage, die nicht mit der
Beschuldigung der Diskriminierung zusammenhing, hinsichtlich der Pflichtverletzung des Arbeitgebers
auf Erfüllung des Arbeitsvertrags in gutem Glauben.
Das Kassationsgericht urteilte,172 dass das Appelationsgericht unrecht hatte, als es einen Vergleichsbeweis verlangte und nicht alle von der Klägerin beigebrachten Beweise berücksichtigte. Nach Ansicht des
Gerichts gründet Diskriminierung nicht notwendigerweise auf einem Vergleich mit der Situation anderer
Beschäftigter. Die ungünstige Veränderung der Aufgaben der Beschäftigten, die Weigerung ihr Aufgaben
gemäß ihrer Einstufung zuzuteilen sowie die ungünstigen Arbeitsbedingungen reichen aus, um auf eine
Diskriminierung schließen zu können. Das Kassationsgericht kam zu dem Schluss, dass das Gericht der
niedrigeren Instanz die Entwicklung der Karriere der Klägerin unter Berücksichtigung des Nachweises
ihrer Aufgaben und ihrer Situation hätte bewerten und feststellen müssen, ob ihre Karriereprobleme
Umstände darstellen, die für eine Klage auf Diskriminierung erheblich sind.
Im Internet:
http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rechJuriJudi&idTexte=JURITEXT0000212705
48&fastReqId=197431819&fastPos=1
Das Recht auf Privat- und Familienleben von Roma gegenüber einer Räumungsanordnung durch
den Staat
Neunzehn rumänische Roma und ihre Kinder hatten auf einem öffentlichen Grundstück in Lyon zwischen
den Bahngleisen und den Gleisen der städtischen Straßenbahn unrechtmäßig ihr Lager aufgeschlagen.
Der Präfekt des Départements und dessen Hauptortes (Lyon) reichte einen Antrag auf eine einstweilige
Unterlassungsverfügung ein, in der er behauptete, dass die Besetzung des Grundstücks unrechtmäßig ist
und die öffentliche Ordnung stört. Außerdem müsse das Grundstück dringend geräumt werden, da die
anwesenden Familien den Bau des künftigen Archivs des Départements behinderten.
Die Begeklagten behaupteten, dass die öffentliche Ordnung nicht gestört wird und forderten eine Frist
von fünf Monaten zur Räumung des Grundstücks. Sie machten außerdem geltend, dass sie rumänische
Roma sind, von anderen Lagern um Lyon verwiesen worden waren und dass manche von ihnen arbeiteten, aber keine adäquate Unterkunft hatten. Dieses Lager stelle ihre Familienunterkunft dar, und daher
argumentierten sie, dass es keine dringenden Umstände für die unmittelbare Räumung gibt, da das
Grundstück weder besetzt noch zum Verkauf stand. Des Weiteren machten sie geltend, dass sie Opfer
von Diskriminierungen in ihrem Herkunftsland waren und wegen der wiederholten Räumungen in ihrem
eigenen Land und in Frankreich ihr Recht auf ein normales Familienleben und das Recht auf Privatleben
sowie das Recht ihrer Kinder auf Fürsorge und Bildung es rechtfertigen, dass ihre heikle Situation besonders
Cour de Cassation, Soziale Kammer, Nr. 07-42849 vom 10.11.2009.
172
Ausgabe Nr. 10 | 2010
60
berücksichtigt werde. Sie waren daher der Ansicht, dass die Verletzung ihres Rechts auf Privatleben, die
aus ihrer Räumung resultieren würde, auf besonders wichtige Erwägungen des öffentlichen Interesses,
die bei dieser Situation nicht gegeben waren, begrenzt werden müsse. Schließlich machten sie geltend,
dass das Recht auf Würde und Familienleben dem Recht auf Privateigentum übergeordnet sei.
Nach Ansicht des Gerichts173 konnte der Präfekt nicht zeigen, dass die Lebensbedingungen in dem Romalager dergestalt waren, dass sie eine besondere Gefahr und Risiken bürgten, die anders sind als jene, die
über einige Jahre hinweg permanent in den verschiedenen Lagern in Lyon herrschten. Das Gericht stellte
fest, dass selbst wenn die Beklagten ein öffentliches Grundstück unrechtmäßig besetzten, das Lager unstreitig als ihre Unterkunft zu betrachten und als solche gemäß Artikel 8 EMRK zu schützen ist. Es schloss
daraufhin, dass das Recht auf Eigentum des Staates durch die Besetzung nicht gefährdet ist, und da der
Präfekt nicht die unmittelbare Notwendigkeit der Benutzung des Grundstücks nachweisen konnte, die
Räumung der Familien wegen fehlender Beeinträchtigung oder Störung der öffentlichen Ordnung als
nicht angemessen erscheint, weshalb es die Klage abwies.
de
Deutschland
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht weist Einspruch gegen ‘Stiefkind-Adoption’ zurück
Eine Frau wollte das dreijährige Kind ihrer Partnerin adoptieren, mit der sie in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft lebt. Nachdem die Mutter und der (biologische) Vater des Kindes
damit einverstanden waren, empfahl das zuständige Jugendamt mit Blick auf das Kindeswohl die Adoption. Das zuständige Amtsgericht Schweinfurt jedoch setzte das Adoptionsverfahren aus und verwies
den Fall an das Bundesverfassungsgericht, weil es der Ansicht war, dass der maßgebliche Paragraf 9 Abs.
7 Satz 2 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft,174 das unter Umständen die Adoption
des Kindes eines eingetragenen Lebenspartners gestattet, gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen
Artikel 6 Abs. 2 Satz 1, verstößt, der besagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht
der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte,175 dass die Eingabe des Amtsgerichts nicht nur wegen formeller
Mängel, sondern auch wegen des Fehlens einer adäquaten materiellen Rechtfertigung unzulässig ist. Das
Bundesverfassungsgericht machte deutlich, dass gemäß seiner früheren Rechtsprechung zu Art. 6 Abs.
2 Grundgesetz die biologische Elternschaft nicht über der rechtlichen und sozial-familiären Elternschaft
steht. Es wies außerdem darauf hin, dass das Amtsgericht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts falsch ausgelegt hatte: Entgegen der Auslegung durch das Amtsgericht hat das Verfassungsgericht nicht festgestellt, dass nur die Mutter und der Vater des Kindes als seine Eltern angesehen werden
können, tatsächlich hat es die Frage des Geschlechts der Elternteile in seinen Urteilen überhaupt nicht
angesprochen.
Im Internet:
http://www.bverfg.de/entscheidungen/lk20090810_1bvl001509.html
Tribunal de Grande Instance (Regionalgericht) Lyon, SALA, COVACI et al. Nr. 2009/02850, 16.11.2009.
173
Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft.
174
Bundesverfassungsgericht, BVerfG 1 BvL 15/09, 10.08.2009.
175
61
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Ungleiche Behandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft in bezug auf Hinterbliebenenrente
Nach Paragraf 38 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS)176 haben
Ehepartner von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes Recht auf eine Hinterbliebenenrente. Diese
Bestimmung gilt jedoch nicht für eingetragene Lebenspartnerschaften. Der Kläger, der im öffentlichen
Dienst arbeitet und in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft lebt, klagte
wegen Verletzung seines in der Verfassung gewährten Grundrechts durch die Entscheidungen der Zivilgerichte (einschließlich des letztinstanzlichen Urteils durch den Bundesgerichtshof, bei dem er vorher
ohne Erfolg Berufung eingelegt hatte), die die Gültigkeit der fraglichen Bestimmung bestätigt hatten.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte,177 dass die Gerichtsurteile gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen. Nach Ansicht des Gerichts ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz
(„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) ein strenger Maßstab für die Prüfung der Rechtfertigung
geboten, wenn die Unterscheidung die sexuelle Ausrichtung betrifft. Obwohl die Vorzugsbehandlung
der Ehe durch das Gesetz grundsätzlich aufgrund Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (der für den ‘besonderen
Schutz’ von Ehe und Familie durch den Staat sorgt), verfassungskonform ist, reicht die bloße Verweisung
auf diese Bestimmung ohne sachliche Gründe nicht aus, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Insbesondere kann die Erwägung, dass verheiratete Paare typischerweise andere Versorgungsrechte
als eingetragene Lebenspartner wegen Lücken in der Erwerbsbiografie aufgrund von Kindererziehung
haben, nicht als Grund für die Unterscheidung herangezogen werden: Einerseits haben nicht alle verheirateten Paare Kinder und auf der anderen Seite gibt es eine erhebliche Anzahl von Kindern, die mit eingetragenen Lebenspartnern zusammenleben. Darüber hinaus könnte ein individuelleres Rentensystem
ungeachtet des Familienstandes einen Ausgleich für Kindererziehungszeiten geben. Das Gericht kam
daher zu dem Schluss, dass Paragraf 38 VBLS nicht unwirksam ist, sondern mit Wirkung ab dem 1. Januar
2005 durch ergänzende Auslegung auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet.
Dieses Urteil gibt eine grundlegende Klärung über die verfassungsmäßig gewährten Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Es steht in engem Zusammenhang mit den Fragen, die in der Rechtssache
Maruko (C-267/06) vom Europäischen Gerichtshof in dessen Urteil vom 1. April 2008 erörtert wurden.
Im Internet:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-121.html
el
Griechenland
Rechtsprechung
Entfernung religiöser Symbole aus griechischen Schulen
In Griechenland hingen seit Jahrzehnten Ikonen in den Schulen, und orthodoxe Christen stellen die
Mehrheit der Bevölkerung. Ende 2009 erlaubten vier Elternpaare (drei griechische und ein ausländisches),
die der Ansicht waren, dass der Aushang religiöser Symbole in den Klassenräumen und die übliche Praxis
der Morgengebete in staatlichen Schule sowie der Besuch einer Messe in der Kirche während der Unterrichtszeit einen Verstoß gegen ihre Religionsfreiheit darstellten, der griechischen Helsinki-Überwachung,
einer Menschenrechts-NRO, sie in jedem einschlägigen Rechtsverfahren zu vertreten.
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – VBL.
176
Bundesverfassungsgericht, BVerfG, 1 BvR 1164/07, 07.07.2009.
177
Ausgabe Nr. 10 | 2010
62
Die Kläger beschlossen, ihre Klage nicht gegen die Schuldirektoren einzureichen, da letztere verpflichtet
waren, sämtliche Rundschreiben des Bildungsministeriums zu erfüllen und daher nicht dazu berechtigt
waren, diese Praktiken auf eigene Initiative hin zu ändern. Deshalb reichten sie mittels der griechischen
Helsinki-Überwachung beim griechischen Antidiskriminierungsbeauftragten Beschwerden178 ein, in
denen sie dessen Einschreiten zur Entfernung religiöser Symbole aus den Klassenräumen ihrer Kinder
forderten. Nach Ansicht der Kläger verstößt die Zurschaustellung religiöser Symbole in staatlichen Schulen und die übliche Praxis der Morgengebete in der Schule sowie der Besuch einer Messe in der Kirche
während der Unterrichtszeit gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschrechte, im
Besonderen Artikel 9 der Konvention zusammen mit Artikel 2 des Zusatzprotokolls. Sie machten geltend,
dass an besonderen Orten, an denen die einzelne Person sich in einer Abhängigkeit vom Staat befinde,
die Regierung davon absehen soll, die vorherrschende Religion aufzuzwingen, denn das Vorhandensein
einer Ikone mit Christus könne als offizielle Bildungspolitik verstanden werden, mit der die christliche
Religion der nicht-christlichen Religionen bevorzugt wird. Es wurden noch keine Entscheidungen gefällt.
Im Internet:
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=192&cid=3569
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=192&cid=3539
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=192&cid=3546
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=194&cid=3547
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=194&cid=3550
http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?sec=192&cid=3572
hu
Ungarn
Rechtsprechung
Gleichbehandlungsbehörde stellt unerwünschtes Verhalten des Bürgermeisters wegen Volksverhetzung fest
Auf einer Sitzung des Gemeinderats von Edelény erklärte der Bürgermeister der Stadt, dass in den benachbarten Siedlungen, wo mehrheitlich Roma leben, beispielsweise in Lak oder in Szendrőlád, schwangere
Frauen Medikamente nehmen, damit sie demente Kinder und somit eine Berechtigung auf höhere Familienzuschüsse bekommen. Während ihrer Schwangerschaft würden diese Frauen ihre Bäuche mit Gummihammern schlagen, damit die Kinder mit Behinderung geboren würden. Die Äußerung wurde in den
nationalen Medien weit verbreitet, weshalb die Gleichbehandlungsbehörde ein ex officio-Verfahren gegen
den Bürgermeister einleitete. Die Behörde hörte den Vorsitzenden Edelény, der der Behörde eine von 83
Roma-Frauen unterzeichnete Petition vorlegte, die gegen die Äußerung des Bürgermeisters protestierte. Der
stellvertretende Vorsitzende der Selbstverwaltung der Roma-Minderheit von Szendrőlád wurde ebenfalls
gehört und reichte eine gemeinsame, von 359 Roma-Frauen aus der Region unterzeichnete Beschwerde ein.
Der Bürgermeister versuchte seine Äußerung mit einigen Argumenten zu verteidigen, die von der
Behörde jedoch nicht akzeptiert wurden. In ihrer Entscheidung Nr. 1475/2009 urteilte die Gleichbehandlungsbehörde, dass die Äußerung des Bürgermeisters ein feindliches, entwürdigendes, erniedrigendes
und beleidigendes Umfeld für die in den zwei genannten Städten und deren Umgebung lebenden
schwangeren Roma-Frauen schaffen und einen negativen Einfluss auf die Identität, die Persönlichkeit
und das künftige Leben dieser Frauen haben könnte, indem sie zu deren schlechten Ruf beitragen und
die Vorurteile, mit denen sie konfrontiert sind, vermehren. Deshalb stellte die Behörde fest, dass die
Beschwerden Nummer 23001/26-11-09, 23263/30-11-09, 23356/30-11-09 und 122869/7-1-10.
178
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Ausgabe Nr. 10 | 2010
Äußerung des Bürgermeisters ein unerwünschtes Verhalten gemäß Artikel 10 des Gleichbehandlungsgesetzes darstellt und ordnete die Veröffentlichung ihrer Entscheidung auf ihrer Webseite für die Dauer
von 90 Tagen an. Der Bürgermeister reichte einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung durch die
Gerichte ein, über den noch nicht entschieden wurde.
Im Internet:
http://www.egyenlobanasmod.hu/zanza/1475-2009.pdf
Situationstests stellen Beweise für diskriminierende Praktiken in einer actio popularis-Klage gegen eine Bar dar, die regelmäßig Schwarzen den Zutritt verwehrt
Menedék, die ungarische Migratenvereinigung, reichte eine actio popularis-Klage gegen eine bekannte
Budapester Bar ein, da diese regelmäßig Schwarzen den Zutritt verweigerte oder diesen erst nach erniedrigenden Prozeduren gestattete. Nachdem sie Situationstests durchgeführt hatte, bestätigte die
Vereinigung, dass den weißen Testpersonen der Zutritt problemlos gestattet wurde, wohingegen die
schwarzen Testpersonen mit der Begründung, sie hätten keine Mitgliedskarte, weggeschickt wurden.
In ihrer Entscheidung vom 3. Dezember 2009 verhängte die Gleichbehandlungsbehörde gegen die Bar
eine Geldstrafe In Höhe von 5.000.000 ungarischen Forint (ungefähr 18.5000 Euro). Bei der Bemessung
der Geldstrafe zog die Behörde in Betrachtung, dass sie bereits 2007 festgestellt hatte, dass die Bar gegen
die Anforderung der Gleichbehandlung (vis-à-vis Roma-Gästen) verstoßen hatte. Zu der Zeit hatte sie
eine Geldstrafe verhängt in der Hoffnung, dass das Management künftig den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten würde. Da diese diskriminierenden Praktiken noch immer angewandt wurden,
beschloss die Behörde eine Geldstrafe in Rekordhöhe zu erlassen.
Im Internet:
http://www.neki.hu/index.php?option=com_content&view=article&id=416:oetmillio-forint-birsagotkell-fizetnie-a-rio-cafenak&catid=1:friss-hk&Itemid=64
iE
Irland
Politische Entwicklungen
Beschwerde bei der Europäischen Kommission wegen der nationalen Gleichbehandlungsstelle
Das Bündnis für Gleichstellung und Rechte (Equality & Rights Alliance / ERA), ein Zusammenschluss von 80
Organisationen für den Schutz und die Stärkung der Gleichstellung und der Menschenrechte reichte im
September 2009 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein, in der sie geltend machte, dass
Irland gegen europäisches Recht und die Pflicht der Mitgliedstaaten verstößt, eine wirksame nationale
Gleichbehandlungsstelle gemäß der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien beizubehalten. Der Haushalt der
Gleichbehandlungsbehörde, der spezialisierten Gleichbehandlungsstelle, wurde im Oktober 2008 um 43
% gekürzt, während gleichzeitig andere ministerielle Einrichtungen nur 2 – 5 % Einsparungen hinnehmen mussten.179 In der Folge wurde die Anzahl der Stellen von 38 auf 15 reduziert und die Anzahl der
von der Stelle behandelten Fälle sank von 488 im Jahr 2008 auf 200 im Jahr 2009. Laut der Beschwerde
ist die Haushaltskürzung so massiv, dass es die Unabhängigkeit und die Wirksamkeit der Gleichstellungsbehörde unterhöhlt. ERA hat auch eine Petition an das Europäische Parlament gesandt, die von allen
irischen Abgeordneten der Oppositionsparteien im Europäischen Parlament und dem Generalsekretär
des irischen Gewerkschaftskongresses unterstützt wird.
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 58.
179
Ausgabe Nr. 10 | 2010
64
Am 5. November 2009 hielt der Parteien übergreifende, gemeinsame parlamentarische (Oireachtas)
Ausschuss für europäische Angelegenheiten eine Anhörung zu der Klage von ERA ab.
Im Internet:
http://www.eracampaign.org/
http://debates.oireachtas.ie/DDebate.aspx?F=EUJ20091105.xml&Node=H2 - H2
Gesetzgebung
Gesetzentwurf über die zivile Partnerschaft eingereicht
Die Einführung des Gesetzes über die zivile Partnerschaft ins Dáil Éireann (Repräsentantenhaus) wurde
von der Gleichstellungsbehörde begrüßt, die diesen Schritt als einen wichtigen Fortschritt für die Bürgerrechte in Irland bezeichnete. Mit dem vorgeschlagenen Gesetz werden gleichgeschlechtliche Paare
das Recht erhalten, ihre Beziehung formal vom Staat anerkennen zu lassen und die gleichen sozialen
Vergünstigungen wie heterosexuelle Paare zu genießen.
Die Gleichstellungsbehörde unterstützt die vollständige Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe der Regierung zu häuslichen Partnerschaften, die eine auf Gleichstellung gründende Reform für
heterosexuelle, homosexuelle und nicht eheliche Partnerschaften stärken. In dieser Hinsicht brachte die
Gleichstellungsbehörde einige Bedenken gegen die vorgeschlagene Rechtsvorschrift vor, hauptsächlich
wegen des Fehlens eines Verweises auf Kinder und die Adoptionsmöglichkeiten gleichgeschlechtlicher
Paare. Die Arbeitsgruppe empfahl, dass gleichgeschlechtliche Paare berechtigt sein sollten, als Adoptiveltern in Erwägung gezogen zu werden.
Im Internet:
http://www.oireachtas.ie/documents/bills28/bills/2009/4409/b4409d.pdf
Rechtsprechung
HIV-positiven Person wird Gesundheitsdienstleistung verweigert
Die Gleichstellungsbehörde vertrat beim Gleichstellungsgericht eine Person, der eine Gesundheitsdienstleistung aufgrund ihrer HIV-Infektion verweigert worden war. Der Kläger hatte eine Karte für Fußpflege
erhalten, die ihm der Leiter des Gesundheitsdienstes ausgestellt hatte und die ihm Anspruch auf vier
Besuche bei einem Fußspezialist pro Jahr gab. Der Kläger suchte den Fußpflegebetrieb des Beklagten auf
und zeigte ihm seine Fußpflege-Karte. Der Beklagte fragte, warum er als junger Mann Anspruch auf eine
Fußpflege-Karte habe, und der Kläger teilte ihm mit, dass er HIV-positiv ist. Der Beklagte unterrichtete ihn
davon, dass es Probleme oder Komplikationen mit Schnitten, Kreuzinfektion, Sterilisierung usw. geben
würde, und dass er von einem auf die Behandlung der Füße von HIV-Positiven spezialisierten Kollegen
behandelt werden muss, weshalb er dem Kläger den Namen eines anderen Fußspezialisten gab. Der
Kläger sagte aus, dass er über diese Behandlung wütend, aber auch ernsthaft wegen des Zustands seines
Fußes besorgt war und so den Beklagten bat, diesen zu untersuchen. Der Beklagte sah sich die Füße des
Klägers kurz an und erklärte sie für befundlos. Später wurde der Kläger von einem anderen Fußspezialisten
untersucht, der feststellte, dass er eine Infektion hatte, die eine Behandlung mit Antibiotika erforderte.
Die Gleichstellungsbeauftragte wies darauf hin, dass der Kläger nicht wegen seiner HIV-Infektion behandelt werden wollte und war der Ansicht, dass der Grund, weshalb der Beklagte sich weigerte, den Kläger
zu behandeln, darin lag, dass er vom Kläger erfahren hatte, dass dieser HIV-positiv ist und beschloss,
dass er mit der HIV-Infektion des Klägers nicht umgehen kann. Gemäß der Entscheidung der Gleichstellungsbeauftragten gibt es bewährte Verfahren und allgemeine Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz jeder
Person ungeachtet ihres Status’ und um jedem die besten Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen zu
65
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Marten | 1961
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gewährleisten. Sie sind nicht dazu da, um Dienstleistern eine Ausnahme vom in den Gesetzen definierten
Gebot der Nichtdiskriminierung zu gewähren.
Die Gleichstellungsbeauftragte stellte fest, dass der Kläger einen Anscheinsbeweis für eine weniger
günstige Behandlung aufgrund seiner Behinderung erbracht hatte und sprach ihm Schadenersatz in
Höhe von 6.000 Euro zu. In ihrer Entscheidung teilte die Gleichstellungsbeauftragte mit, dass der Betrag
die Schwere der vom Kläger erlittenen Diskriminierung widerspiegeln und die Wichtigkeit des Rechts
einer Person betonen solle, medizinische Versorgung auf nichtdiskriminierende Weise zu erhalten.
Im Internet:
http://www.equalitytribunal.ie/index.asp?locID=165&docID=2167
it
Italien
Rechtsprechung
Gericht erklärt einige der im Rahmen des vermeintlichen ‘Notstands’ angenommenen Initiativen
wegen der Nomadenlager für unrechtmäßig
Nachdem im Mai 2008 als Reaktion auf eine vermeintliche Krisensituation in den als ‘Nomadenlager’
(campi nomadi)180 bekannten Siedlungen mit einem Dekret in drei Regionen (Lombardei, Lazio und Kampanien) der ‘Notstand’ ausgerufen wurde und ein Jahr später das Dekret erneuert und auf zwei weitere
Regionen (Piedmont und Venetien) ausgeweitet wurde, reichten einige Roma-Personen, unterstützt von
NRO, bei ordentlichen und Verwaltungsgerichten Klage wegen Diskriminierung ein. Bisher war unter
diesen Klagen die beim Verwaltungsgericht Rom mit Unterstützung des Europäischen Zentrums der
Roma-Rechte eingereichte Klage die erfolgreichste.
Im ersten Urteil des Verwaltungsgerichts für die Region Lazio (Tribunale amministrativo regionale per la
regione Lazio, prima sezione)181 wurden einige der Initiativen, die zur Einführung einer strengeren Kontrolle über die Anwesenheit der Roma-Gruppen in Italien angenommen worden waren, für unrechtmäßig
erklärt. Das Gericht hielt es nicht für erwiesen, dass die Verordnungen zur Erklärung des Notstands, und
denen zufolge eine Reihe von Maßnahmen ergriffen wurden, per se Personen, die der Ethnie der Roma
angehören, diskriminieren. Nichtsdestotrotz erklärte das Gericht, dass die Bestimmungen der Verordnungen, die die Identifizierung und Zählung der Personen, selbst von Minderjährigen, sowohl in genehmigten als auch in illegalen Siedlungen einschließlich durch Fingerabdrücke vorschreiben, als Verstöße
gegen die ‘allgemeinen Grundsätze im Bereich der persönlichen Freiheit, der Regeln zum Schutz von
Minderjährigen’ und der Rechtsvorschriften zum Datenschutz anzusehen sind. Die Frage wurde jedoch
als in der Praxis überholt betrachtet, da das Innenministerium im Juli 2008 Leitlinien veröffentlichte, die
strengere Standards für die Durchführung von Identifizierungsverfahren vorschreiben.
Die Kläger fochten auch die Rechtmäßigkeit der internen Vorschriften der genehmigten Siedlungen in
Rom und Mailand an. Das Verwaltungsgericht erklärte einige Bestimmungen dieser Vorschriften, die
das Leben in den Siedlungen regeln, für unrechtmäßige Verstöße gegen die Bewegungsfreiheit und das
Recht auf Privat- und Familienleben.
Die Vollstreckung des Urteils wurde suspendiert bis zur abschließenden Urteilsfindung des Obersten
Verwaltungsgerichts (Consiglio di Stato) über die Berufung, wobei im August 2009 ein Interimsurteil
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 61.
180
Urteil (sentenza) des Verwaltungsgerichts der Region Lazio (erste Abteilung) vom 24.06.2009, eingetragen am 01.07.2009.
181
67
Ausgabe Nr. 10 | 2010
erging.182 In der Rechtfertigung der Suspendierung war ein Hinweis auf die ‘komplexen und heiklen Fragen hinsichtlich der Achtung der Grundrechte, der Würde der Person und des Verbots [...] der rassistischen
oder ethnisch motivierten Diskriminierung’ enthalten, wobei jedoch nicht genau erklärt wurde, warum
das Interesse der Verwaltung bis zur Urteilsverkündung im Revisionsverfahren überwiegen sollte.
Im Internet:
http://www.asgi.it
LT
Litauen
Gesetzgebung
Gesetzentwurf zum Verbot der Werbung für Homosexualität und homosexuelle Beziehungen
Am 9. Juli 2009 wurde dem Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem das Strafgesetzbuch und
das Gesetzbuch der Verwaltungsstraftaten ergänzt wird. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen eine
verwaltungsrechtliche Haftbarkeit für das Werben für homosexuelle Beziehungen und für die Finanzierung öffentlicher Werbung für Homosexualität schaffen und die öffentliche Förderung homosexueller
Beziehungen unter Strafe stellen.
Laut Gesetzentwurf sollen derartige Handlungen mit gemeinnütziger Arbeit, einem Bußgeld oder sogar
einer Haftstrafe bestraft werden. Juristische Personen haften ebenfalls für derartige Handlungen. Das
Parlament genehmigte eine weiter gehende Erörterung des Gesetzentwurfs durch die Ausschüsse in der
kommenden Sitzungsperiode im Herbst, bevor er zur Abstimmung zurück an das Plenum geht.
Die Genehmigung zur weiteren Erörterung dieses Gesetzentwurfs ließ ernste Bedenken aufkommen und
wurde von örtlichen NRO kritisiert, die sich für Menschenrechte und die Rechte von Lesben, Schwulen,
Bisexuellen und Transsexuellen einsetzen. Der Gesetzentwurf ist nicht präzise formuliert. Der Begriff
‘Werbung’ ist im Strafgesetzbuch nicht definiert, so dass nicht klar ist, wie er in der Praxis ausgelegt wird
und welche öffentlichen Tätigkeiten als unrechtmäßig betrachtet werden. Obwohl die Initiatoren den
diskriminierenden Charakter dieses Gesetzentwurfs leugneten, zeigen die Diskussionen im Parlament
unzweideutig, dass mit dem Gesetzentwurf jede öffentliche Veranstaltung, die das Thema Homosexualität anspricht, verhindert werden soll. Dies stünde möglicherweise im Widerspruch gegen das verfassungsmäßige Recht auf Information und freie Meinungsäußerung und würde gegen die internationalen
Verpflichtungen Litauens verstoßen.
Im Internet:
http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_l?p_id=346176&p_query=&p_tr2=
http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_l?p_id=346178&p_query=&p_tr2=
Änderung des Gesetzes zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher
Informationen nimmt Klausel zur Homosexualität aus
Das Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (Nr. XI333), das vom Parlament am 14. Juli 2009 verabschiedet wurde, wurde am 22. Dezember 2009 geändert,
um eine Klausel zur Homosexualität auszuschließen. Das Gesetz, das am 1. März 2010 in Kraft tritt, definiert öffentliche Informationen, die schädliche Folgen auf Minderjährige haben könnten, und legt Regeln
für die Versorgung der Öffentlichkeit mit Informationen fest.
Interimsentscheidung (ordinanza) des Obersten Verwaltungsgerichts (vierte Abteilung) vom 25.08.2009, eingetragen am
182
26.08.2009.
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68
Die erste Fassung des Gesetzes enthielt unter anderen Klauseln eine Bestimmung, die besagt, dass ‘das
Werben für homosexuelle, bisexuelle oder polygame Beziehungen’ sowie ‘Informationen, die Familienbeziehungen und deren Werte entstellen’, als schädlich für Minderjährige betrachtet werden. Das Gesetz
wurde von örtlichen NRO, der Präsidentin, der internationalen Gemeinschaft sowie dem Europäischen
Parlament wegen seiner vagen Formulierungen und dem Fehlen klarer Begriffsbestimmungen weithin
kritisiert.183
Die Präsidentin der Republik Litauen bildete eine Arbeitsgruppe von Sachverständigen, die am 5. November 2009 Änderungen zu dem Gesetz vorlegten.184 Nach langen Debatten, die sich größtenteils auf
die Klauseln zur Homosexualität konzentrierten, wurde die neue Fassung des Gesetzes am 22. Dezember
2009 verabschiedet. Obwohl die letzte Fassung des Gesetzes immer noch wegen der vagen Formulierungen und der fehlenden Genauigkeit kritisiert wurde, wird dort nicht explizit erwähnt, dass Informationen
zur Homosexualität als Ursache für schädliche Folgen auf Minderjährige gilt. In Artikel 4 wird immer
noch die Sexualität und Familienbeziehungen behandelt und festgehalten, dass folgende Informationen
schädlich für Minderjährige sind:
‘15) Informationen, die sexuelle Beziehungen fördern;
16) Informationen, die eine Verachtung für Familienwerte zum Ausdruck bringen, fördern
das Konzept der Ehe und Bildung einer Familie anders als in der Verfassung der Republik
Litauen und dem Zivilrecht der Republik Litauen festgehalten’.185
Die langwierige Debatte über die Verabschiedung des Gesetzes und die Argumente seiner Initiatoren
waren unzweideutig auf die Möglichkeit des Verbots der Werbung für Homosexualität in Schulen und
dem öffentlichen Leben fokussiert.
Im Internet:
http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_l?p_id=363137
lu
Luxemburg
Rechtsprechung
Möglicherweise diskriminierendes Steuersystem bei Betriebsrenten
Das Verwaltungsgericht186 urteilte im Berufungsverfahren bezüglich der Revision eines Urteils über den
Direktor der Einkommenssteuerverwaltung. Es wies die von einer Witwe eingereichte Klage gegen einen
Steuerbescheid zurück. Sie sollte ungefähr 17 % Steuern auf eine Summe zahlen, die sie aufgrund eines
betrieblichen Rentensystems von dem früheren Arbeitgeber (eine Bank) ihres verstorbenen Ehemannes
erhalten hatte.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2009 zu dem litauischen Gesetz zum Schutz von Minder-
183
jährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen, zu finden unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.
do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2009-0019+0+DOC+XML+V0//DE.
Die Mitschriften des tagenden Parlaments in Litauen können eingesehen werden: http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.
184
showdoc_l?p_id=357210&p_query=Nepilname%E8i%F8%20apsaugos%20nuo%20neigiamo%20vie%F0osios%20informacijos%20poveikio%20&p_tr2=2.
Artikel 38 der Verfassung der Republik Litauen lautet: ‘Die Ehe wird im gegenseitigen Einverständnis zwischen einem Mann
185
und einer Frau geschlossen.’
Urteil des Verwaltungsgerichts Nr. 23836 vom 13.07.2009.
186
69
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Ihr Ehemann war von seinem Arbeitgeber zu der betrieblichen Rentenversicherung zugelassen worden,
bevor das Gesetz vom 8. Juni 1999 verabschiedet wurde, nach dem Zahlungen im Rahmen einer Betriebsrente von jeglicher Steuer befreit sind, und eine reduzierte Steuer auf die Zahlungen, die in das
System geleistet wurden, erhoben wird.
Im betreffenden Fall hatte sich die Versicherung des Ehemanns geweigert, diesen wegen seines schlechten
Gesundheitszustands zu versichern. Die Bank beschloss aber ihrem Angestellten eine Betriebsrente einzuräumen und zahlte bei seinem Tod eine Summe aus ihrem eigenem Vermögen. Die Einkommenssteuerverwaltung entschied, dass für eine derartige Zahlung das Gesetz vom 8. Juni 1999187 nicht gilt, und daher für
die Zahlung der Bank an die Witwe nicht der spezielle (verminderte) Steuersatz Anwendung findet.
Das Verwaltungsgericht legte dem Verfassungsgericht ein Ersuchen um Vorabentscheidung vor, in dem
es fragte, ob Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 8. Juni 1999 mit den in der Verfassung garantierten
Grundsätzen der Gleichheit vor dem Gesetz und der Gleichheit in Steuerangelegenheiten vereinbar ist.
Die zugrunde liegende Frage betrifft die Verpflichtung eines Arbeitgebers, für das Risiko der Arbeitsunfähigkeit oder des Todes eine Versicherung abzuschließen, um von einer niedrigeren Steuerminderung
profitieren zu können.
Das Verwaltungsgericht fragte, ob dieses System zu einer diskriminierenden Behandlung von Personen
aufgrund deren Gesundheitszustands führt. Das Verwaltungsgericht weigerte sich zu erörtern, ob ein
anderes Versicherungsunternehmen bereit gewesen wäre, gegen Zahlung einer höheren Prämie die
Gesundheitsrisiken der verstorbenen Person abzudecken, weil es der Ansicht war, dass ein derartiges Argument zu einer Diskriminierung aufgrund des Alters oder der Gesundheit im Einstellungsverfahren führen
könnte. Dieses Argument entkräftigte somit nicht die Vermutung, dass das gegenwärtige System nicht den
Anscheinsbeweis für eine Diskriminierung birgt. Das Urteil des Verfassungsgerichts steht noch aus.
Im Internet:
http://www.ja.etat.lu (23836 auswählen)
nl
Niederlande
Gesetzgebung
Änderung am Arbeitsgesetz verpflichtet Arbeitgeber zur Prävention von Diskriminierungen
Am 30. Juni 2009 trat eine Änderung am Gesetz über die Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz
(Arbowet) in Kraft.188 Nach dem neuen Gesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, in ihrem Unternehmen bzw.
ihrer Organisation Diskriminierungen zu verhindern und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. ‘Diskriminierung’ wurde der Liste der möglichen Ursachen für ‘psycho-sozialen Druck’ am Arbeitsplatz hinzugefügt, die bei der in Art. 1 Abs. 3 Buchst. e des Arbowet gegebenen Begriffsbestimmung aufgeführt ist.
Gemäß Art. 3 Abs. 2 sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Angestellten so weit wie möglich vor diesen Arten
des psycho-sozialen Drucks zu schützen. Hinsichtlich dieser Verpflichtung zwingt Artikel 5 des Arbowet
Arbeitgeber dazu, eine ‘Risikobewertung’ für die Gefahr von psycho-sozialem Druck (dazu zählt auch Diskriminierung, Mobbing und sexuelle Belästigung) durchzuführen. Darüber hinaus müssen Arbeitgeber
einen Aktionsplan zur Bekämpfung der festgestellten Gefahren ergreifen.
Mémorial 74, 17.06.1999, S. 1644.
187
Kamerstukken Tweede Kamer 2008-2009, 31 811 Nr. A.
188
Ausgabe Nr. 10 | 2010
70
Die niederländische Arbeitsaufsicht (Arbeidsinspectie) ist für die Durchsetzung dieser Verpflichtung
zuständig und ist dazu befugt, gegen Arbeitgeber, die diese Pflicht nicht erfüllen, eine Geldstrafe zu verhängen. Darüber hinaus kann die Arbeitsaufsicht, wenn die Verpflichtung wiederholt vom Arbeitgeber
vernachlässigt wird, ein Unternehmen zur Schließung zwingen.
Im Internet:
http://www.eerstekamer.nl/behandeling/20090421/gewijzigd_voorstel_van_wet_2/f=/vi4l9ox5qv6s.
pdf (Änderung des Arbowet befindet sich in Artikel V, S. 8)
http://home.szw.nl/index.cfm?menu_item_id=14762&hoofdmenu_item_id=13826&rubriek_
item=391844&rubriek_id=391818&link_id=171933
Rechtsprechung
Kündigung muslimischer Krankenschwester wegen Nichtbefolgung der Kleiderordnung
Eine Krankenschwester wurde vom Krankenhaus, in dem sie seit 2001 arbeitete, entlassen, weil sie sich
weigerte, die Kleiderordnung der Dialyseabteilung, der sie im November 2007 zugeteilt worden war, zu
befolgen. Sie war der Auffassung, dass sie als Muslimin ihre Unterarme bedecken muss. Die KrankenhausKleiderordnung sowie spezielle Regeln für die Dialyse-Abteilung verlangen kurzärmelige Kleidung zur
Vermeidung von Infektionen. Zunächst wurde die Krankenschwester im April 2008 zu einer anderen
Stelle abgestellt, während das Krankenhaus eine Untersuchung durchführte. Als sie sich weigerte, eine
andere Arbeit zu akzeptieren, wurde sie schließlich entlassen.
Die Krankenschwester behauptete, dass sie eine indirekte Diskriminierung aufgrund ihrer Religion
erlitten hat und wies nach, dass die Kleiderordnung des Krankenhauses in anderen Abteilungen des
gleichen Krankenhauses nicht durchweg beachtet wurden. Außerdem fügte sie hinzu, dass ihr Vorschlag,
Dreiviertelärmel zu tragen, vom Krankenhaus abgelehnt worden war.
Das Krankenhaus beteuerte, dass es im Interesse der Patienten ist, Infektionen zu verhindern. Kurzärmelige Kleidung zu tragen war von einem Ausschuss nationaler Sachverständiger empfohlen und von der
niederländischen Gesundheitsaufsicht als professionelle Norm angenommen worden. Darüber hinaus
wurde vorgebracht, dass das Infektionsrisiko in einer Dialyse-Abteilung besonders hoch ist.
Das Landgericht (Vredegerecht) ‘s Hertogenbosch189 beurteilte die Kündigung der Krankenschwester als
rechtens. Da die Anforderung, kurzärmelige Kleidung zu tragen, von wissenschaftlichen Experten zur
Vermeidung von Infektionen der Patienten empfohlen worden war, könne die Einhaltung beruflicher
Normen dem Krankenhaus nicht vorgeworfen werden. Das Krankenhaus müsse nicht wissenschaftlich
nachweisen, in welchem Ausmaß die Alternative der Dreiviertelärmel ein größeres Infektionsrisiko als
kurze Ärmel berge. Die Hauptsorge des Krankenhauses war, ‘das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich
zu halten’. Darüber hinaus akzeptierte das Gericht das Argument, dass die Dialyse-Abteilung ein höheres
Infektionsrisiko hat als andere Abteilungen. Daher könne die strikte Beachtung der Kleiderordnung in
dieser Abteilung als erforderlich und angemessen betrachtet werden.
Im Internet:
http://zoeken.rechtspraak.nl/resultpage.aspx?snelzoeken=true&searchtype=ljn&ljn=BJ2840
Straßenbahnschaffner darf mit seiner Uniform kein Kreuz tragen
Die Kleiderordnung des (privatisierten) Amsterdamer Nahverkehrs untersagte das Tragen von Halsketten
im Allgemeinen (ungeachtet ihrer religiösen Bedeutung), nicht nur, um die professionelle Erscheinung
Landgericht ‘s Hertogenbosch, Urteil vom 13.07.2009.
189
71
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des Personals beizubehalten, sondern auch aus Sicherheitserwägungen (da eine Halskette dazu benutzt
werden kann, jemanden zu erwürgen). Als im Dezember 2008 neue Uniformen eingeführt wurden, beschloss das Transportunternehmen, die Anforderungen bezüglich der Halsketten direkt durchzusetzen.
Ein niederländischer, christlicher Straßenbahnschaffner wurde angewiesen, seine Halskette abzulegen
oder unter seiner Uniform zu tragen. Nach zwei Verwarnungen und einigen Diskussionen, bei denen
versucht wurde, eine Lösung zu finden, wurde er schließlich entlassen.
Der Straßenbahnschaffner, bei dem es sich um einen koptischen Christen handelte, behauptete, dass das
sichtbare Tragen eines Kreuzes für seinen Glauben wichtig ist. Sein Arbeitgeber hatte das Tragen seiner
Halskette mit einem Kreuz nicht kritisiert, als er seine Arbeit für das Unternehmen 1998 aufnahm. Er
behauptete, dass er aufgrund seiner Religion bzw. Weltanschauung diskriminiert worden ist, um so mehr,
als die neuen Uniformen das Tragen von Kopftüchern für muslimische Frauen zuließen.
Das Gericht Amsterdam wies die Klage des Straßenbahnschaffners in einem Kurzverfahren (Kort Geding)
ab.190 Laut Gericht war die Kleiderordnung des Transportunternehmens nicht unbegründet, da ein von
einer muslimischen Frau getragenes Kopftuch nicht mit einer Halskette verglichen werden kann, da das
Kopftuch nicht auf versteckte Weise getragen werden kann. Es wurde jedoch für erforderlich erachtet,
dass das Kreuz sichtbar an einem Ring oder Armreifen getragen werden kann, wofür das Unternehmen
bereit war, die Kosten zu übernehmen.
Im Internet:
http://zoeken.rechtspraak.nl/resultpage.aspx?snelzoeken=true&searchtype=ljn&ljn=BK6378
pt
Portugal
Rechtsprechung
Gerichtsurteil zu homophoben Angriffen und Raubüberfällen
Eine Gruppe von sieben jungen Männern (unter 21 Jahren) wurde wegen brutalen Angriffs und Raubüberfalls auf ein homosexuelles Paar angeklagt. Mit dem Überfall wurde Körperverletzung verursacht, da
die Gruppe Messer, Säbel, Messer mit kurzen Klingen sowie Springmesser benutzte.
Das erstinstanzliche Gericht Coimbra hielt191 es für erwiesen, dass die Jugendlichen den Überfall aufgrund ihres Hasses auf Homosexuelle verübten und dabei sehr brutal vorgingen. Drei der Angeklagten
wurden zu Haftstrafen von fünf bis sieben Jahren verurteilt. Die anderen Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen von vier bis fünf Jahren. Das Gericht erinnerte die Angeklagten, die während des Verfahrens
keinerlei Reue zeigten, daran, dass diese Strafen, obwohl sie suspendiert waren, jederzeit widerrufen
werden könnten.
Urteil des Gerichts Amsterdam vom 14.12.2009.
190
Rechtssache 2354/08.1PBCBR vom 12.01.2010.
191
Ausgabe Nr. 10 | 2010
72
ro
Rumänien
Gesetzgebung
Neues Bildungsgesetz enthält Bestimmungen zum Verbot der Diskriminierung
Die Regierung beschloss im September 2009 ein von der Verfassung vorgesehenes Verfahren der
Übernahme der Verantwortung192 gegenüber dem Parlament einzuleiten, um den Gesetzentwurf für ein
neues Bildungsgesetz ohne weitere Erörterung im Parlament zu verabschieden. Das Verfahren wurde
im gleichen Monat abgeschlossen, und am 23. September 2009 reichten Oppositionsparteien beim Verfassungsgericht Beschwerde über das Verfahren zur Verabschiedung des neuen Gesetzes sowie dessen
Inhalt ein.
In dem neuen Bildungsgesetz sind unter anderem Bestimmungen über die Grundsätze der nationalen
Bildung, die Struktur des Bildungssystems, den Unterricht in den Sprachen der nationalen Minderheiten,
privaten und konfessionsgebundenen Unterricht, besonderen Förderunterricht sowie den Status des
Bildungspersonals enthalten. In Artikel 9 des Bildungsgesetzes wird außerdem bestimmt, dass die Bürger
Rumäniens, der EU und Südosteuropas das gleiche Recht auf Zugang zur Bildung und beruflicher Weiterbildung im nationalen Bildungssystem haben ungeachtet ‘der Rasse, der Nationalität, der ethnischen
Herkunft, der Sprache, der Religion, einer sozialen Kategorie, der Weltanschauung, des Geschlechts, der
sexuellen Ausrichtung, des Alters, einer Behinderung, einer nichtübertragbaren, chronischen Krankheit,
des HIV-Status’, der Zugehörigkeit zu einer verletzbaren Gruppe sowie irgend eines anderen Kriteriums’.
Drittstaatenangehörigen sowie Staatenlosen wird der Zugang zum nationalen Bildungssystem garantiert.
Zu den wesentlichen, im Bildungsgesetz erwähnten Prinzipien zählen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit sowie der gesamtheitlichen Bildung, die Achtung der kulturellen Vielfalt, die Achtung der kulturellen Identität nationaler Minderheiten und deren Gleichbehandlung. In dem
Gesetz wird jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung eines Schüler bzw. Studenten aufgrund
der Rasse, der Nationalität, der ethnischen Herkunft, der Sprache, der Religion, einer sozialen Kategorie,
der Weltanschauung, des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, des Alters, einer Behinderung, einer
nichtübertragbaren, chronischen Krankheit, des HIV-Status’, der Zugehörigkeit zu einer verletzbaren
Gruppe sowie irgend eines anderen Kriteriums verboten.
Im Bildungsgesetz wird Segregation als ‘eine schwerwiegende Art der Diskriminierung’ definiert, und
festgehalten, dass ‘die Organisation, die Arbeitsweise und der Inhalt der Bildung nicht aus Gründen der
Ideologie, der Politik, der Religion oder der ethnischen Herkunft auf exklusivistischen, segregierenden
und diskriminierenden Kriterien strukturiert sein können.’ Dort wird die Segregation ausdrücklich verboten, jedoch ohne Angabe einer spezifischen Sanktion.
In der Primar- und Sekundarbildung ist der Religionsunterricht als Unterrichtsfach enthalten, und im
Bildungsgesetz wird im Artikel 18 das gegenwärtige Verfahren, nach dem ein Schüler die Religion und
die Konfession wählen kann, beschrieben. Eltern bzw. Erziehungsberechtigte können einen schriftlichen
Antrag auf Befreiung des Schülers vom Religionsunterricht oder gegebenenfalls auf Einrichtung einer
Das Verfahren der Übernahme der Verantwortung durch die Regierung ist in Artikel 114 der rumänischen Verfassung
192
vorgesehen. Nach verfassungsrechtlicher Theorie und Rechtsprechung soll dies eine verfassungsmäßige Ausnahmemaßnahme zur Verabschiedung von zur Umsetzung des Regierungsprogramms erforderlichen Rechtsvorschriften sein. Mit dieser
Bestimmung kann das Gesetzgebungsverfahren durch die Regierung beschleunigt werden, es sei denn, die Regierung muss
aufgrund eines Misstrauensantrags zurücktreten.
73
Ausgabe Nr. 10 | 2010
Indra | 1959
Ausgabe Nr. 10 | 2010
74
Klasse für eine bestimmte Glaubensgemeinschaft einreichen. Lediglich die 18 vom Staat anerkannten
Religionsgemeinschaften können eine Partnerschaft mit dem Bildungsministerium eingehen, damit der
Religionsunterricht wie von den Schülern beantragt stattfindet.
Bildung in der Muttersprache ist auf jedem Niveau und in allen Bildungsformen zugelassen. Rumänisch
ist als Amtssprache Pflichtfach für alle Schüler. Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten haben das Recht,
die Unterrichtssprache sowie die Art, das Niveau und die Form der Bildung zu wählen. Schließlich bleiben
im Gesetz die gegenwärtig gültigen Bestimmungen für Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen in
den Artikeln 29 und 40 beibehalten.
Das verabschiedete Bildungsgesetz muss noch vom rumänischen Präsidenten verkündet werden, was
automatisch zwanzig Tage nach Eingang eines Gesetzentwurfs geschieht, es sei denn, der Präsident
sendet ihn wieder zurück an das Parlament zur erneuten Erörterung der Verfassungskonformität.
Im Internet:
http://www.gov.ro/proiectele-de-lege-pe-care-guvernul-isi-va-asuma-raspunderea-in-fata-parlamentului__l1a106509.html
http://www.gov.ro/upload/articles/106509/legea-educatiei-nationale.pdf
Rechtsprechung
Durch Rechtsvorschriften verursachte Diskriminierung kann nicht von der nationalen Gleichbehandlungsstelle geahndet werden
Der Nationale Rat zur Bekämpfung von Diskriminierung (NRBD) stellte 2006 fest, dass ein Kläger vom
Innenministerium, das rechtlich für die Aktivitäten des Generalinspektors der Grenzpolizei haftet, diskriminiert wurde. Im Besonderen wurde die Tochter des Klägers, die nach der elterlichen Scheidung in
der Obhut ihrer Mutter lebte, auf Dauer außer Landes genommen, obwohl der Kläger den Behörden
mitgeteilt hatte, dass er nicht damit einverstanden ist, dass seine Tochter das Land verlässt. Der Kläger
behauptete, dass das Gesetz über die Bewegungsfreiheit rumänischer Bürger zwischen Eltern mit und Eltern ohne Sorgerecht unterscheidet und dadurch deren Recht auf familiäre Bindungen mit ihren Kindern
beeinträchtige.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des NRBD, indem es feststellte, dass in dem Urteil korrekt
auf die Verpflichtungen Rumäniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Haager
Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung sowie auf die
Rechtsvorschriften zu den Kinderrechten verwiesen wurde.
Das Hohe Kassationsgericht akzeptierte die Berufung des Innenministeriums und stellte fest, dass ‘die
Rechtsansprüche des Klägers nicht von einer Behörde, sondern von einem Gesetz verletzt wurden, das
dem anderen Elternteil kein Recht zugesteht, dem Elternteil, dem das Sorgerecht für das Kind zugesprochen wurde, Bedingungen, Einschränkungen oder gar ein Verbot aufzuerlegen, das minderjährige Kind
außer Landes zu nehmen‘. Dem Gericht nach befolgte die Grenzpolizei lediglich das Gesetz. Das Gericht
stellte fest, dass der NRBD und das Berufungsgericht das Antidiskriminierungsgesetz falsch angewendet
hatten, da sie nicht feststellten, dass ‘die angefochtenen Rechtsbestimmungen, die diskriminierende
Auswirkungen auf geschiedene Eltern haben, die kein Sorgerecht für ihre Kinder haben und somit
nicht verhindern können, dass ihre Kinder außer Landes genommen werden, nicht Gegenstand einer
Petition gemäß des Antidiskriminierungsgesetzes, sondern nur Gegenstand einer Klage hinsichtlich der
Verfassungsmäßigkeit der Rechtsbestimmung vor dem Verfassungsgericht sein können (...)’. Das Hohe
Gericht kam zu dem Schluss, dass der NRBD über seine Kompetenzen hinaus gehandelt hatte, als er
feststellte, dass Artikel 30 des Gesetzes 248/2005 verfassungskonform sei, und die Übereinstimmung
75
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dieser Rechtsvorschrift mit dem allgemeinen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Eltern und
Kindern und Elternrechten analysierte.
Im Internet:
http://www.iccj.ro/cautare.php?id=45431
Verfassungsgericht bestätigt das Gesetz über die einheitlichen Grundsätze zur Errechnung der
Löhne von Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Die Regierung beschloss im September 2009, ein von der Verfassung vorgesehenes Verfahren der Übernahme der Verantwortung gegenüber dem Parlament einzuleiten,193 um das Gesetz über die Grundsätze
zur Errechnung der lohnbezogenen Rechte im öffentlichen Dienst ohne Parlamentsdebatte voranzubringen. Das Verfahren wurde im gleichen Monat abgeschlossen, und am 17. September reichten die
Oppositionsparteien einen Misstrauensantrag ein. Da weniger als 236 Abgeordnete für diesen stimmten,
galt das Gesetz als angenommen.194
Die Oppositionsparteien fochten das Gesetz 330/2009 vor dem Verfassungsgericht an. Sie behaupteten
unter anderem, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstößt, weil es Unterschiede zwischen verschiedenen Kategorien von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und dem Personal verschiedener, staatlich
finanzierter Einrichtungen schafft (Art. 2 Abs. 2), dass das Gesetz bestimme, dass lediglich bestimmte
Kategorien von Beschäftigten Lohnerhöhungen aufgrund besonderer Gesetze bekommen und dass nur
bestimmte Kategorien von Beschäftigten mehrere Posten gleichzeitig besetzen können (Art. 7 Abs. 1).
Die Kläger waren auch der Ansicht, dass mit Artikel 21, nach dem blinden Personen ein Bonus von 15
% des Bruttolohns, Beschäftigten im Allgemeinen aber ein Bonus von maximal 30 % des Bruttolohnes
zusteht, gegen Artikel 16 und 50 der Verfassung verstößt (die Kläger waren der Auffassung, dass die
Formulierung des Gesetzes 330/2009 dazu führen wird, dass blinde Beschäftigte die 15 %, zu denen
sie aufgrund ihrer Behinderung berechtigt sind, und weitere 15 % erhielten, um auf einen Bonus von
maximal 30 % zu kommen, während andere, nicht blinde Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einen
Bonus von 30 % erhalten können).
Das Verfassungsgericht wies alle Klagen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ab, einschließlich
der Bestimmungen über die Berechnung der Löhne und mit den Löhnen zusammenhängenden Rechten
aller Kategorien von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.195 Das Gericht war der Ansicht, dass die
in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes gewährte Ausnahme für einige öffentliche Einrichtungen,196 für die
die Löhne eher ausgehandelt, als nach dem Gesetz festgelegt werden, ‘ein Ausdruck der Souveränität
des Gesetzgebers ist, derartige Ausnahmen zu gewähren und bestimmten Kategorien von Beschäftigten
aufgrund ihres Tätigkeitsbereichs ein günstigeres Lohnsystem einzuräumen’. Was die Ausnahmen von
Verboten und die Möglichkeit bestimmter Kategorien von Beschäftigten aufgrund spezieller Gesetze
Lohnerhöhungen zu erhalten oder mehrere Posten innezuhaben angeht, so verwies das Gericht lediglich
auf die Verfassungsbestimmungen, nach denen die Besetzung mehrerer Posten für den Ombudsman,
Staatsanwälte, Richter usw. zulässig ist.
In bezug auf Artikel 21, bei dem es um den Bonus für blinde Beschäftigte geht, betonte das Gericht die
verfassungsmäßige Verpflichtung, Menschen mit Behinderung zu schützen, und entschied sich, eine andere Auslegung der Rechtsvorschrift vorzunehmen. Nach Auffassung des Gerichts wird aus dem Gesetz
Siehe vorherige Fußnote.
193
Romania/ Legea-cadru 330/2009 privind salarizarea unitara a personalului platit din fonduri publice, (9.11.2009).
194
Romania/ Curtea Constitutionala, Decizia 1415, dosar 7490/2009, 4.11.2009.
195
Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt, dass die lohnbezogenen Rechte der Nationalbank, des Ausschusses zur Aufsicht über
196
das Versicherungswesen und des Ausschusses für die Aufsicht über die privaten Renten von diesen Vorschriften ausgenommen sind.
Ausgabe Nr. 10 | 2010
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nicht klar, ob der allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zustehende Höchstbonus von 30 % den
zusätzlichen Bonus von 15 %, der Blinden aufgrund ihrer Behinderung gezahlt wird, beinhaltet. Um einen
Verstoß gegen Artikel 50 der Verfassung (Schutz von Personen mit einer Behinderung) zu vermeiden, sei
es offensichtlich, dass dieser Bonus von 15 % zu dem Bonus von 30 % dazugerechnet werden muss.
Im Internet:
Suchmaschine des RCC: http://www.ccr.ro/cauta/Default.aspx
http://media.hotnews.ro/media_server1/document-2009-09-7-6117252-0-proiect-legea-salarizariiunitare.pdf
si
Slowenien
Gesetzgebung
Neues Familiengesetz enthält gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare
Im September 2009 stellten das Justizministerium und das Ministerium für Arbeit, Familie und Soziales
der Öffentlichkeit einen Gesetzentwurf für ein neues Familiengesetz vor, das – wenn es denn verabschiedet wird – das Ehe- und Familiengesetz aus dem Jahr 1976 und das Gesetz über die eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft ersetzt. Mit dem Gesetzentwurf wird die Definition von Ehe, gegenwärtig
als ‘eine gesetzlich geregelte Partnerschaft zwischen einem Mann und einer Frau’ festgelegt, in ‘eine Ehe
ist eine lebenslange Gemeinschaft von zwei Personen’ geändert. Mit dem Gesetzentwurf wird die zivile
Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare auf die gleiche Weise wie bereits die zivile Partnerschaft heterosexueller Paare anerkannt, einschließlich der gleichen sozialen Vergünstigungen, da die vorgeschlagene Definition lautet: ‘Eine zivile Partnerschaft ist eine lebenslange Gemeinschaft von zwei Personen’.
Der Gesetzentwurf wurde 30 Tage lang in der Öffentlichkeit diskutiert, und am 12. Oktober 2009 fand in
der Nationalversammlung eine öffentliche Anhörung statt.
Im Internet:
http://www.mddsz.gov.si/fileadmin/mddsz.gov.si/pageuploads/dokumenti__pdf/DZak__22.12.2009_.
pdf
Rechtsprechung
Gericht hält Gesetz über die gleichgeschlechtliche Partnerschaft hinsichtlich der Erbrechte für
diskriminierend
Bei den Klägern handelte es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar, das seine Beziehung im Oktober
2006 gemäß des Gesetzes über die eingetragene, gleichgeschlechtliche Partnerschaft eintragen ließ.
Nach der Eintragung und der darauffolgenden Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes über ihre
Beziehung reichten die Kläger einen Antrag beim Verfassungsgericht auf die Überprüfung von Artikel
22 des Gesetzes ein. Sie behaupteten, dass diese Bestimmung, die beim Versterben eines Partners auf
sie Anwendung finden würde, diskriminierend ist, da dort die Erbrechte anders geregelt sind als im Erbgesetz, das für Ehegatten und heterosexuelle, zivile Partner gilt. Ihrer Ansicht nach war Artikel 22 auch
77
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diskriminierend, da es dort unterschiedliche Erbsysteme für ‘allgemeines’ und ‘besonderes’ Vermögen197
gibt (während im Erbgesetz lediglich ein System für das gesamte Vermögen des Verstorbenen angeführt
wird): Der überlebende Partner ist vom Erbe des besonderen Vermögens ausgeschlossen. Darüber hinaus
sieht das Gesetz keinen Pflichtanteil für den überlebenden Partner vor, falls der Verstorbene ihn in seinem
Testament vom Erbe ausgeschlossen hat.
Das Verfassungsgericht stellte fest,198 dass Artikel 22 des Gesetzes über die eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft gegen die Verfassung verstößt. Das Urteil erläuterte, dass die Nationalversammlung
die festgestellten Unstimmigkeiten innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Urteils im
Amtsblatt der Republik Slowenien entfernen soll. Bis dahin gelten die gleichen erbrechtlichen Regeln für
eingetragene gleichgeschlechtliche Paare wie für heterosexuelle Ehegatten gemäß des Erbgesetzes. Das
Gericht bestätigte, dass die Situation von Partnern einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in bezug
auf das Recht auf den Besitz eines verstorbenen Partners in ihren grundlegenden eigentlichen and rechtlichen Elementen mit der Situation von Ehepartnern vergleichbar ist. Der Unterschied in der Regelung
des Erbes zwischen Ehepartnern und Partnern einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gründe nicht
auf objektiven Kriterien, sondern auf der sexuellen Ausrichtung. Das Gericht stellte außerdem fest, dass
die sexuelle Ausrichtung einen der persönlichen Umstände darstellt, die in Artikel 14 Absatz 1 der Verfassung199 aufgezählt werden, für die Diskriminierung verboten ist, und da es keinen von der Verfassung
gerechtfertigten Grund für eine Unterscheidung gebe, verstoße eine derartige Regelung gegen Artikel
14 Absatz 1 der Verfassung.
Im Internet:
http://odlocitve.us-rs.si/usrs/us-odl.nsf/o/5EC66748A09C70A4C12575EF002111D8
es
Spanien
Politische Entwicklungen
Gründung der nationalen Gleichbehandlungsstelle
Der ‘Rat für die Förderung der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund der
Rasse oder der ethnischen Herkunft’200 wurde am 28. Oktober 2009 eingerichtet und nahm unmittelbar
seine Tätigkeit auf. Er wurde durch das Gesetz 62/2003 (Artikel 33) vom 30. Dezember zur Umsetzung der
Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG geschaffen. Der Rat besteht aus 29 von ihren jeweiligen Organisationen ernannten Mitgliedern, darunter Vertreter der Zentralregierung, der Regionalregierungen, der
Lokalregierungen, von Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften und Organisationen im Bereich der
Nichtdiskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft.
Nach slowenischem Recht gehört zum allgemeinen Vermögen alles, was die Partner durch ihre Arbeit während der Ehe/
197
zivilen Gemeinschaft/eingetragenen Partnerschaft erworben haben, sowie das Einkommen, das sie durch ihr gemeinsames
Vermögen erworben haben. Das allgemeine Vermögen gehört beiden Partnern und ihr jeweiliger Anteil ist nicht festgelegt.
Besonderes Vermögen eines jeden Partners ist das Vermögen, das vor Eintritt in die Ehe/zivile Gemeinschaft/eingetragene
Partnerschaft durch Erbschaft oder Schenkung erworben wurde, sowie das durch das besondere Vermögen gewonnene
Einkommen.
Urteil des Verfassungsgerichts vom 02.07.2009, Referenznr. U-I-425/06, Veröffentlichung Uradni list RS, št. 55/2009.
198
Artikel 14 Absatz 1 der slowenischen Verfassung erwähnt nicht ausdrücklich sexuelle Ausrichtung als Merkmal einer verbote-
199
nen Diskriminierung, enthält aber eine allgemeine Klausel ‘oder jeder andere persönliche Umstand’.
‘Consejo para la promoción de la igualdad de trato y no discriminación de las personas por el origen racial o étnico’.
200
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se
Schweden
Gesetzgebung
Studie über die Ausweitung des Verbots der Altersdiskriminierung
Die schwedische Regierung beschloss am 13. August 2009 einen besonderen Untersuchenden zu ernennen, der prüfen soll, ob einige Bestimmungen des Antidiskriminierungsgesetzes (2008:567) insbesondere
hinsichtlich der Altersdiskriminierung geändert werden müssen.201 Zweck der Studie ist die Vorlage eines
neuen Gesetzes zur Einführung eines Verbots der Diskriminierung aufgrund des Alters in den folgenden
Bereichen: Versorgung mit Gütern, Dienstleistungen und Wohnraum, einschließlich offenen Sitzungen202
und öffentlichen Veranstaltungen,203 Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen,204 Sozialversicherung,
einschließlich der Arbeitslosenversicherung und Ausbildungszuschüssen,205 sowie der Beschäftigung im
öffentlichen Dienst.206
Die empfohlenen Änderungen am Antidiskriminierungsgesetz werden der Annahme der vorgeschlagenen Richtlinie207 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung außerhalb
des Arbeitsmarktes zuvorkommen und die vorgeschlagene Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Die
Ergebnisse der Untersuchung werden der Regierung am 27. August 2010 vorgelegt.
Gutachten zur Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe anhand von Situationstests
Am 15. Oktober 2009 beschloss die schwedische Regierung beim Gleichstellungsbeauftragten ein Gutachten zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt in Auftrag zu geben und dafür die Summe von 1,1
Mio. schwedische Kronen (ungefähr 110.000 Euro) bereitzustellen. In dem Gutachten sollen die wichtigsten Formen der Wohnverhältnisse, wie Hausbesitz,208 Miet-Besitz,209 und Mietverhältnisse210 untersucht
und u.a. die Unterschiede zwischen den Regionen, den Wohnverhältnissen und zwischen privaten und
kommunalen Vermietern analysiert werden.
Der Gleichstellungsbeauftragte wird Situationstests als eine Methode zur Untersuchung des Ausmaßes
von Diskriminierungen in Erwägung ziehen.211 Die Regierung plant beispielsweise, fiktive Bewerbungen
an Vermieter oder fiktive Angebote an Verkäufer zu schicken und dabei Dokumente oder Informationen
Dir 2009:72.
201
Das schwedische Wort sammankomst meint eine Versammlung einer geringen Anzahl von Menschen. Wenn beispielsweise
202
eine Gruppe eine Diskussion zu einem Thema organisiert und die Öffentlichkeit einlädt, gilt das Verbot auch, obwohl die
Anzahl der Teilnehmer klein ist.
Kapitel 2 Paragraph 12 Antidiskriminierungsgesetz.
203
Kapitel 2 Paragraph 13 Antidiskriminierungsgesetz.
204
Kapitel 2 Paragraph 14 Antidiskriminierungsgesetz.
205
Kapitel 2 Paragraph 17 Antidiskriminierungsgesetz.
206
KOM (2008) 426 endg.
207
Ungefähr 38 % der schwedischen Häuser befinden sich in direktem Besitz. Dies gilt vor allem für Einfamilienhäuser.
208
Ungefähr 18 % der schwedischen Wohnungen sind im ‘Miet-Besitz’. Hierbei handelt es sich um eine Form der Kooperative, bei
209
der der Mieter ein großes Maß an Eigentumsrechten hat, einschließlich der Freiheit, die Wohnung an den Meistbietenden zu
verkaufen, und Änderungen vorzunehmen, wie beispielsweise die Wände in einer Wohnung zu versetzen.
Ungefähr 44 % der schwedischen Wohnungen sind Mietwohnungen, für die alle Arten der Vorabzahlung außer der monatli-
210
chen Miete verboten sind.
Hat der Gleichstellungsbeauftragte Situationstests in Erwägung gezogen, kann er auch eine andere Methode verwenden.
211
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zu verwenden, die die Bewerber oder Käufer mit verschiedenen Diskriminierungsmerkmalen in Verbindung bringen.
uk
Vereinigtes Königreich
Politische Entwicklungen
Die britische Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte droht der rechts-extremen
British National Party (BNP) mit Gerichtsverfahren
Die Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte (Equality and Human Rights Commission) sandte
der BNP ein Schreiben, in dem sie auf mögliche Verstöße gegen das Antidiskriminierungsgesetz hinwies.
Die Kommission forderte die BNP auf, mögliche Verstöße gegen das Race Relations Act 1976 (Gesetz über
die Gleichbehandlung ungeachtet der Rasse) bezüglich ihrer Satzung und Mitgliedschaftskriterien,
Beschäftigungspraktiken und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und die Wahlkreise zu beheben. Die
Kommission äußerte die Ansicht, dass die BNP nichtbritische Personen mit ihren Regeln zur Aufnahme in
die Partei und der Art und Weise, wie die gewählten Vertreter die Bedürfnisse ihrer Wählerschaft in den
lokalen Bereichen behandeln, diskriminiert.
In dem an den BNP-Vorsitzenden und Abgeordneten des Europaparlaments, Nick Griffin, gerichteten
Schreiben erläutert die Kommission ihre Bedenken hinsichtlich der Befolgung des Race Relations Act und
fordert die BNP auf, bis zum 20. Juli 2009 schriftlich zuzusichern, dass sie die von der Kommission für
Gleichstellung und Menschenrechte geforderten Änderungen vornimmt. Versäumt sie dies, könnte die
Kommission bei einem Kreisgericht einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der
Diskriminierung von nichtbritischen ethnischen Gruppen seitens der BNP stellen. Die BNP beantragte
eine Fristverlängerung, um auf die Forderungen der Kommission zu antworten.
Im Internet:
http://www.equalityhumanrights.com/uploaded_files/letter_before_claim.pdf
Gesetzgebung
Fortschritte bei der Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes 2009
Mit dem Gleichstellungsgesetz 2009212 sollen die bestehenden Antidiskriminierungsbestimmungen zu
allen geschützten Merkmalen zusammengefasst, modernisiert und verdeutlicht, und der Schutz vor Diskriminierungen auf die Diskriminierung aufgrund von zwei zusammenhängenden Gründen ausgeweitet
werden. Es hat das Abgeordnetenhaus (House of Commons) im Dezember 2009 durchlaufen und liegt
jetzt in der zweiten Kammer (House of Lords). Von Kommentatoren wurden einige Bedenken vorgebracht,
insbesondere in bezug auf die Komplexität des Gesetzes, bezüglich der Tatsache, dass die Bestimmungen über die Mehrfachdiskriminierung nur für zwei zusammenhängende Merkmale gilt, und dass die
grundlegende positive Pflicht von Behörden zur Förderung der Gleichstellung und zur Bekämpfung von
Diskriminierungen abgeschwächt wird. Kirchliche Würdenträger im House of Lords sind gegen das Gesetz,
da es wie bestehende Rechtsvorschriften die Freiheit einschränkt, dass jemand aufgrund der eigenen
religiösen Überzeugungen jemanden anderen wegen dessen sexueller Ausrichtung diskriminiert.
Im Internet:
http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200910/ldbills/020/en/2010020en.pdf
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 9, S. 84-85.
212
Ausgabe Nr. 10 | 2010
80
Letzte Aktualisierung!
Am 8. April 2010 verabschiedete das Parlament des Vereinigten Königreichs das Gleichstellungsgesetz
(Equality Act 2010). In der folgenden Ausgabe wird ausführlich über dieses Gesetz berichtet. Der endgültige Text kann im Internet eingesehen werden:
http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200910/ldbills/039/2010039.pdf
Rechtsprechung
Standesbeamtin darf gezwungen werden, zivile Partnerschaften entgegen ihrer Religion einzutragen
Der Klägerin, die als Standesbeamtin beim Londoner Bezirk Islington arbeitete,213 drohten Disziplinarmaßnahmen durch ihren Arbeitgeber, weil sie sich geweigert hatte, die Registrierung ziviler Partnerschaften
von gleichgeschlechtlichen Paaren durchzuführen. Diese wurden 2004 per Gesetz (Civil Partnerships Act)
zugelassen und gehörten zu den Pflichten eines Standesbeamten. Das Arbeitsberufungsgericht (Employment Appeals Tribunal) urteilte im Dezember 2008 im Berufungsverfahren über ein Urteil des Arbeitsgerichts (Employment Tribunal) und stellte fest, dass die Klägerin nicht, wie von ihr behauptet, unmittelbar
oder mittelbar diskriminiert wurde oder Opfer von Belästigungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit
war. Das Arbeitsberufungsgericht verweigerte der Klägerin das Recht, gegen sein Urteil Berufung einzulegen, die Klägerin wandte sich daher an das Berufungsgericht um eine derartige Genehmigung zu
erhalten, die ihr dann auch gewährt wurde.
Das Berufungsgericht musste untersuchen, ob das Gericht der niedrigeren Instanz berechtigt ist, zu
urteilen, dass die gegen eine Beschäftigte, die sich geweigert hatte, ihre Pflichten in bezug auf zivile
Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare zu erfüllen, ergriffene Maßnahme durch die Pflichten des
Arbeitgebers, Menschen, die ihren Dienst in Anspruch nehmen, nicht aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren, gerechtfertigt ist, auch wenn dadurch die Klägerin als Christin unverhältnismäßig
benachteiligt wird.
Das Berufungsgericht urteilte,214 dass es dem Arbeitgeber und der Klägerin als Amtsinhaber per Gesetz
verboten ist, aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren und dass daher die mittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion, die sich aus dem Insistieren auf der Pflichterfüllung seitens der Klägerin
in bezug auf zivile Partnerschaften ergab, im erforderlichen Maße gerechtfertigt ist. Das Gericht kam
zu dem Schluss, dass die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert wurde, noch einem
unerwünschtem Verhalten ausgesetzt war, als sie als Standesbeamtin für die Eintragung von zivilen
Partnerschaften ernannt wurde, noch als von ihr verlangt wurde, die dafür erforderlichen Zeremonien
durchzuführen oder durch einen anderen Aspekt der Behandlung seitens ihres Arbeitgebers.
Im Internet:
http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2009/1357.html
Verweigerung der Zulassung zu einer jüdischen Schule ist rassistische Diskriminierung
Eine sehr bekannte Schule, die eine sehr viel größere Anzahl von Bewerbungen erhält, als sie Plätze
vergeben kann, regelte die Platzvergabe dadurch, dass sie Schülern, die vom Großrabbiner der United
Hebrew Congregation of the Commonwealth als Jude anerkannt werden, also eine jüdische Mutter hatten
oder eine Mutter, die nach orthodoxen Normen zum Judentum konvertiert war, bevorzugt.
Siehe Europäische Zeitschrift zum Antidiskriminierungsrecht, Ausgabe 8, S. 78-79.
213
Berufungsgericht (Zivilabteilung) zur Revision des Urteils vom Arbeitsberufungsgericht vom 15.12.2009, Ladele gegen London
214
Borough of Islington [2009] EWCA Civ 1357.
81
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Ein Vater, dessen Sohn die Zulassung zu der Schule verweigert wurde, weil er nicht vom Großrabbiner als
Jude anerkannt war, legte beim Obersten Gerichtshof mit der Begründung, dass diese Regelung gegen
das Antirassismusgesetz (Race Relations Act 1976) verstößt, Berufung ein. Es sollte erwähnt werden,
dass der Vater als Jude anerkannt war, was aber vom Oberrabbiner als nicht relevant eingestuft wurde,
da für ihn der wichtige Faktor darin besteht, ob die Mutter des Kindes zur Zeit seiner Geburt Jüdin ist.
Die Mutter war keine Jüdin, hatte aber vor der Geburt des Sohnes einen Kurs zur Konvertierung zum
Judentum absolviert. Dieser Kurs fand unter dem Patronat einer nichtorthodoxen Synagoge und nicht in
Übereinstimmung mit den Anforderungen der orthodoxen Juden statt. Daher wird ihre Konvertierung
von Masorti, Reform- und progressiven Juden anerkannt, nicht jedoch vom Oberrabbiner.
Der Oberste Gerichtshof musste untersuchen, ob die Schulpolitik, die Zulassung auf diejenigen zu
beschränken, die vom Oberrabbiner als ‘jüdisch’ anerkannt werden, auf eine unmittelbare, rassistische
Diskriminierung hinausläuft, die von der Schule gemäß Race Relations Act nicht gerechtfertigt werden
kann, oder ob es sich hierbei lediglich um eine unmittelbare, religiös motivierte Diskriminierung handelt,
für die eine spezielle Rechtfertigung in Frage käme.
Der Oberste Gerichtshof urteilte,215 dass die Schulpolitik zwar nicht rassistisch motiviert ist, diese aber
nichtsdestotrotz eine gesetzwidrige unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse darstellt. So wurde
der Kläger aufgrund der Tatsache, dass er vom Oberrabbiner nicht als Jude anerkannt ist, weniger günstig
behandelt, und das Gericht kam zu dem Schluss, dass sich der von der Schule verwendete Test auf der
ethnischen Herkunft gründete und daher gegen das Antirassismusgesetz von 1976 verstößt. Daher kann
die Schule keine Rechtfertigung vorbringen.
Im Internet:
http://www.supremecourt.gov.uk/docs/uksc_2009_0105_judgmentV2.pdf
Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 16.12.2009, [2009] UKSC 15 über die Revision von [2009] EWCA Civ 626.
215
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Ausgabe Nr. 10 | 2010
ISBN 2-930399-56-2
Das Europäische Netz unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Nichtdiskriminierung
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