Mainzer naturwiss. Archiv 50 S. 23–47 8 Abb. Mainz 2013 Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Kurzfassung „Die natürlichen Gegebenheiten eines Standortes haben Einfluss auf die Bildung von Inhaltsstoffen und prägen somit auch die Weinqualität“ (Hoppmann 2010). Dies charakterisiert das hoch aktuelle, auf Wahrnehmungen im sensorischen Bereich referierende Terroir-Konzept. Die ganzheitliche Kombination der vier Terroir-Komponenten Klima, Boden, Geologie und Topographie prägen in ihrem komplexen Zusammenwirken den individuellen Charakter einer einzelnen Weinbergslage, aber auch einer ganzen Region. Modifiziert wird diese Ausprägung auch durch das Einwirken des Menschen. Was passiert aber, wenn sich eine Komponente ungewöhnlich schnell verändert? Worin bestehen Spielräume zur Intervention? Können die Winzer die Möglichkeiten des Eingreifens adäquat nutzen? Solche und noch viele andere Fragen stellen sich im Hinblick auf die aktuellen klimageographischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf den Weinbau. Rheinhessen, mit 26.000 ha Rebfläche das größte Weinanbaugebiet Deutschlands, ist von dieser Problematik direkt betroffen. Die beiden Schwerpunkte der Untersuchung liegen auf der theoretischen Analyse der bereits eingetretenen und zukünftig auf der Basis von Klimasimulationsmodellen noch zu erwartenden klimatischen Veränderungen sowie der Auswertung von Wahrnehmungen und Einschätzungen zu den weinbaulichen Auswirkungen des Klimawandels auf der Grundlage von Leitfadeninterviews. Abstract Global climate change and its potential impact on viniculture in Rheinhessen “The natural conditions of a location have an influence on the formation of ingredients and shape the quality of wine” (Hoppmann 2010). This characterizes the highly topical concept of terroir, based on apperceptions in the sensory sphere. The holistic combination of the four components of terroir, namely climate, soil, geology, and topography, influence the individual character of one vineyard, but also of a whole region through their complex concurrence. This peculiarity is also modified by the impact of humans. But what happens if one component changes unusually fast? Where is room to intervene? What possibilities are there for the winemakers to react? The study deals with such kinds of questions and many more, especially with regard to the current climate-geographic developments and their influence on the viniculture. Rheinhessen, with 26.000 ha acreage the biggest wine-producing area in Germany, is directly confronted with these difficulties. The two main points of this study are the theoretic analysis of those climate changes which have already taken and those which are to be expected on the base of future climate simulation as well as the evaluation of the perceptions and the assessments of vinicultural impacts of the climate change which are analyzed based on semi-structured interviews. Key words Adaptation strategy, expert interviews, climate change, Rheinhessen, stakeholder, viniculture 23 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes 1. Hintergrund und Zielsetzung 16 °C am Heiligen Abend 2012, über 25 °C am 2. April 2011 oder fast 40 °C während der Hitzewelle im August 2003 und viele weitere Hitzerekorde zu allen Jahreszeiten verdeutlichen eine zunehmende Erwärmung, die von vielen Forschern im Zusammenhang mit dem Klimawandel gesehen wird. Dies gilt nicht nur für Mitteleuropa, sondern zeigt sich weltweit. Aufgrund der vielfältigen Rückkopplungseffekte der verschiedenen klimasensitiven Sphären (Atmosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre, Lithosphäre und Biosphäre), die die Komplexität des Klimasystems bedingen, ist das reale Ausmaß der Folgen noch schwer überschaubar und abschätzbar. Das Abschmelzen der Fest- und Inlandeismassen, die lange anhaltende Wärmespeicherkapazität der Ozeane oder das Auftauen des Permafrostbodens beispielsweise könnten für die Zukunft klimabestimmend werden. Die natürliche Klimadynamik hat in der Vergangenheit bereits zu relativ raschen und auch starken Erwärmungen und Abkühlungen der Erde geführt. Es ist eine deutlich ausgeprägte Variabilität in Zeit und Raum zu verzeichnen. Neben den natürlichen Ursachen des Klimawandels, wie beispielsweise den Milanković-Zyklen (periodische Veränderungen der Erdbahnparameter), Sonnenfleckenzyklen, Kontinentaldrift, Vulkanausbrüche sowie die Eis-Albedo-Rückkopplung, existieren laut Schönwiese (2003) anthropogene Ursachen, u. a. der Anstieg des Kohlenstoffdioxidgehalts in der Atmosphäre seit 1980 um 60 %. Langlebige Treibhausgase, wie Kohlenstoffdioxid, Methan und Distickstoffmonoxid, sind durch die Verwendung fossiler Brennstoffe und durch die landwirtschaftliche Produktion in die Atmosphäre gelangt. Aber auch das troposphärische Ozon und der stratosphärische Wasserdampf tragen nach Schellnhuber & Rahmstorf (2007) zu einem veränderten Strahlungshaushalt bei. Neben den globalen gibt es auch sehr markante regionale Dimensionen und Auswirkungen des Klimawandels, die am Beispiel des Weinbaus in Rheinhessen näher betrachtet werden sollen. Nach Vorstellung der regionalgeographischen Kennzeichen und den 24 theoretischen Grundlagen des Weinbaus wird auf mögliche zukünftige Veränderungen der für den Weinbau wichtigsten Klimaparameter an der Station Alzey auf der Grundlage von Klimasimulationen eingegangen. Vor dem Hintergrund theoretischer und modellbasierter Berechnungen dürfen jedoch auch die Meinungen der Praktiker nicht vernachlässigt werden, da die komplexen Zusammenhänge und Ausprägungen der Natur nur unzureichend anhand von Computerkalkulationen dargestellt werden können. Die theoretischen Analysen werden daher durch die praktischen Wahrnehmungen und Einschätzungen von 16 Experten in Form von Interviewauswertungen ergänzt. Neben den klimatischen Veränderungen und den weinbaulichen Auswirkungen als solche soll außerdem der Aspekt der Wahrnehmung untersucht werden. Es ist interessant zu analysieren, wie die Winzer am Beispiel der sehr klimaabhängigen Rebe die klimatischen und folglich auch weinbaulichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte beurteilen, mit ihnen umgehen und sie bewerten, wie sie die Zukunft einschätzen und welche Anpassungsstrategien sie für sinnvoll erachten. 2. Analyse der Standortansprüche der Rebe und Einfluss des Klimawandels 2.1. Das Untersuchungsgebiet Rheinhessen Rheinhessen, die größte der insgesamt sechs rheinland-pfälzischen Weinregionen, ist aufgrund der mächtigen eiszeitlichen Lössdecke ein sehr altes und bereits seit der Römerzeit intensiv landwirtschaftlich und weinbaulich genutztes Kulturland. Das Gebiet befindet sich im Rheinknie zwischen den Städten Mainz, Bingen, Alzey und Worms. Die Beckenlage im nördlichen Teil des Oberrheingrabens zwischen Hunsrück und Taunus im Norden und Westen sowie dem Nordpfälzer Bergland im Südwesten führt zu einer klimageographisch markanten Leelage, bezogen auf die Regen bringenden atlantischen Luftmassen aus überwiegend westlichen Richtungen. Rheinhessen wird dadurch zur viertgröß- Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen ten Trockeninsel Deutschlands mit Jahresniederschlagssummen von durchschnittlich 500-600 mm, wobei diese in manchen Jahren noch geringer sind. An der Station Alzey des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurden im Zeitraum zwischen 1971 und 2000 eine durchschnittliche Julitemperatur von knapp 19 °C und eine Wintertemperatur von mindestens +1 °C ermittelt. Im Hinblick auf die regionale Niederschlagsverteilung ist in Rheinhessen eine deutliche Zunahme von West nach Ost zu verzeichnen. Dies wird nur durch die Gebiete unterbrochen, die sich aufgrund einer nach Osten exponierten Hanglage im Bereich der Plateauränder in einer sogenannten „doppelten Leelage“ befinden. Hier ist insbesondere das Untere Nahetal zu nennen. Dass das Mainzer Becken orographisch bedingt ein Winterminimum des Niederschlags aufweist, begründet sich in der Leelage, wodurch winterlich advektiv ausgeprägte Luftmassentransporte zumeist nur den umliegenden Höhenlagen Niederschlag bescheren. Im Sommer stellt sich die Situation aufgrund der Konvektionstätigkeit, vor allem hinsichtlich Gewitterniederschlägen, umgekehrt dar. Insgesamt ergibt sich daraus nach Kandler (1977) eine, vor allem für die Landwirtschaft vorteilhafte Klimagunst mit warmen Sommern, milden Wintern, zwar vergleichsweise geringen aber jahreszeitlich gut verteilten Niederschlägen sowie einem geringen Bewölkungsgrad bei beachtlichen 1605 Sonnenscheinstunden pro Jahr. Neben der klimageographischen Ausstattung sind für den Weinbau das Relief und der Boden von Relevanz. Im Zuge der tertiären Oberrheingrabenbildung kam es auf der Randscholle zu mächtigen Mergel- und Kalkablagerungen, welche später gehoben wurden und den geomorphologischen Namen Rheinhessisches Tafel- und Hügelland begründen. Das Relief wurde nach Brüning (1976) während des Pleistozäns weiter ausgeformt. In dieser Zeit entstanden unter anderem Trockentäler, asymmetrische Täler und Zeugenberge. Periglaziale Wanderschuttdecken, Löss und Flugsande wurden abgelagert und durch die Folge des wiederholten Wechsels von Aufschotterungsphasen bildeten sich Terrassen aus. Basierend auf der vorhandenen Lössdecke sind es, wie Ludwig (1977) darlegt, in erster Linie Steppenböden, vorzugsweise der so genannte „Rheintaltschernosem“, die das Gebiet prägen. Im Bereich der Hänge sind vermehrt Pararendzinen oder Parabraunerden anzutreffen, während in den Flussbereichen Auenböden dominieren. Insgesamt jedoch gibt es in Rheinhessen ein Mosaik von verschiedenen Bodentypen, wie die Reliktböden Terra rossa und Terra fusca, Ranker und Ferrallit, die für die verschiedenartigsten Weine sehr prägend sind. 2.2 Rebsorten und Betriebsstrukturen Das Potenzial der physisch-geographischen Gunstfaktoren machen sich die rheinhessischen Winzer zunutze. Dies wird daran deutlich, dass der Weinbau in Rheinhessen auf 25 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (im Vergleich Rheinland-Pfalz: 9 %) als Bewirtschaftungsform vorkommt. Lange Zeit wurde das Land der „1000 Hügel“ (Dohm 2004), welches, nach Currle (1981) im Mittelalter noch als die „Weinkelter Europas“ galt, aufgrund der vielen Neuzüchtungen als Gebiet der Allerweltssorten bezeichnet. Weinanbau sollte dem Gebiet nach dem Krieg zu Wohlstand verhelfen, weshalb, laut Dohm (2004), der Rentabilitätsgedanke dominierte. In den letzten Jahrzehnten fanden jedoch zahlreiche Entwicklungen sowohl im Hinblick auf das Rebgut als auch auf die Betriebsstruktur statt. Bezüglich der Rebsorten, vor allem im Weißweinsektor, wurde eine Rückbesinnung auf qualitativ hochwertige klassische Sorten, wie Riesling, sichtbar. Im Rotweinbereich nehmen mittlerweile auch mediterrane Sorten eine für das Sortenspektrum bedeutsame Position ein, wobei Neuzüchtungen, wie unter anderem der Dornfelder, in diesem Segment ebenfalls vergleichsweise wichtig sind. Relativ betrachtet nimmt außerdem der Anteil an Rotwein im Vergleich zum Weißwein immer mehr zu. Eine weitere Entwicklung ist im Hinblick auf die Betriebsstruktur festzustellen, welche im Zuge der Interviews häufig von den Winzern als äußerst proble25 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes matisch gesehen wurde. Die Anzahl vor allem kleiner Betriebe ist rückläufig, während große Betriebe mit mehr als 10 ha Rebfläche zunahmen. Diesbezüglich sind Haupt- und Nebenerwerbswinzer in Rheinhessen gleichermaßen betroffen. Seine Stellung halten und ausbauen konnte der ökologische Weinbau, der dem verstärkt gewünschten Verbrauchertrend zu biologisch-ökologisch angebauten Lebensmitteln entspricht und im Zuge des Klimawandels möglicherweise einige Vorteile besitzt. Wenig geändert hat sich die Vermarktungsstrategie, die in Rheinhessen nach wie vor vom Fassweinverkauf dominiert wird und, was die Einkommensperspektive anbelangt, von Boomgaarden et al. (2010) als „verhalten“ bezeichnet wird. Daher werden diesbezüglich strukturelle Neuerungen empfohlen. 2.3 Klimatische Ansprüche der Rebe Bevor auf die konkreten klimatischen Gegebenheiten und mögliche zukünftig eintretende Veränderungen an der Station Alzey eingegangen wird, sollen die für den Weinbau notwendigen Klimabedingungen beleuchtet werden. Makroklimatisch ist nach Vogt & Götz (1987) zunächst festzuhalten, dass die Rebe ihre günstigsten Lebensbedingungen eigentlich in der warm-gemäßigten Zone, beispielsweise im Mittelmeergebiet, vorfindet. Daher können, wie Hoppmann (2010) ausführt, in Deutschland Weinstöcke nur in klimatisch bevorzugten Gebieten erfolgreich angebaut werden. Dies ist eine Folge des warmen, unser Makroklima maßgeblich beeinflussenden, Golfstromes, der den Weinbau in unseren Breiten erst möglich macht. Obgleich man keine genauen Grenzwerte festlegen kann, reagiert die phänologische Entwicklung hauptsächlich und die vegetative Entwicklung ausschließlich auf die Temperatur, wobei für erstere der Schwellenwert der Tagesdurchschnittstemperatur, ab der die Entwicklung beginnt, bei 13 °C, für letztere bei 10 °C liegt. Das Wachstum setzt ab einer durchschnittlichen Temperatur von 10 °C ein, welche von Hoppmann (2010) auch als „biologisch effektive Temperatursumme“ bezeichnet wird und 26 die insgesamt als Gradtage aufsummiert und ausgewiesen wird. In der Spanne bis etwa 20 °C erreicht das Wachstum seine maximalen Raten, welche spätestens ab einer Durchschnittstemperatur von 30 °C wieder rückläufig sind. Während der Beerenreife liegen die Optimaltemperaturen deutlich niedriger als noch zuvor, da diese in Bezug zur Zuckereinlagerung, zum Säureabbau und zur Bildung von Inhaltsstoffen in den Beeren steht, weshalb in dieser Zeit Temperaturen von etwa 15 °C optimal wären. Anhand des Jahres 2003 ist sichtbar, dass die Temperatursummen zwar enorm und damit auch die Mostgewichte des Weins extrem hoch waren; problematisch war aber, dass durch den verstärkten Säureabbau und den hohen Alkoholanteil kein Spitzenwein deutschen Anspruches ausgebaut werden konnte. Insgesamt kann aber die Temperatursumme (noch) als primär begrenzender Anbaufaktor gelten. Neben der Temperatur ist auch die Sonneneinstrahlung von großer Bedeutung, denn auch diese regelt die Photosyntheseleistung und daher das vegetative Wachstum der Trauben. Die Temperatursummen, die Sonnenscheindauer und die Globalstrahlung sind die dominierenden Qualitätseinflüsse. Ebenso wie bei den vorherigen beiden Parametern gibt es auch bezüglich der Wasserversorgung keine eindeutigen Grenzwerte. In Abhängigkeit vom phänologischen Entwicklungsstadium sollte die richtige Dosierung erfolgen, wobei erwähnt werden muss, dass die Unterschiede in der Wasserbilanz zwischen den Regionen wesentlich deutlicher ausfallen, als die Temperaturdifferenzen. Doch selbst wenn die klimatische Wasserbilanz, also die Differenz von Niederschlag und potenzieller Verdunstung, negativ ist, ist dies nicht dramatisch für die Rebe, da diese die Photosyntheseleistung einschränken kann. Nach Hoppmann (2010) kann sich „Luxuskonsum“ sogar nachteilig auf die Qualität auswirken. Problematisch wird erst ein zu extremes Wasserdefizit, wovon, vor allem bei Weißweinsorten, neben der erwähnten Störung des vegetativen und generativen Wachstums und der Assimilationsleistung, auch eine Beeinflussung der Geschmackskomponenten aufgrund fehlender Nährstoffe ausgeht. Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen 2.4 Standort und Erziehungssysteme der Rebe Obgleich das Klima bestimmt, in welchen Gebieten Deutschlands Weinanbau sinnvoll und rentabel ist, können die Winzer durch mesound mikroklimatische Entscheidungen die Standortbedingungen maßgeblich modifizieren. Die große Bedeutung des Mesoklimas bezieht sich laut Hoppmann (2010) sowohl auf die Temperatur und die damit in Verbindung stehenden Kaltluftmassen als auch auf die Sonneneinstrahlung und die Windverhältnisse. Entsprechend den Gesetzen des Hangwindsystems, das Temperaturdifferenzen zwischen Tal und Hang von 5-10 °C erklärt, hat der Winzer die Möglichkeit zu entscheiden, ob die Reben in der Talregion stehen sollen, mit dem Vorteil des verlangsamten Säureabbaus und den Nachteilen des Frostrisikos und des erhöhten Befalls durch Schadpilze, oder eher am Hang, wobei hier auch eine geschickte Bepflanzung von Nöten ist. Abgesehen von der Lage im Hang ist die Hangneigung nach dem Lambert‘schen Strahlungsgesetz besonders in der Reifezeit ab September, wenn die Sonne nicht mehr so hoch über dem Horizont steht, relevant, da zu dieser Zeit Hänge mit einer stärkeren Neigung bezüglich des Strahlungsgenusses begünstigt sind. Dieser positive Strahlungseffekt gilt vor allem für nach Südwesten und Südosten exponierte Hänge. Die unterschiedlichen Strahlungseffekte wirken sich auf die Qualitätsbildung im Weinbau aus, denn die Entwicklung des Mostgewichtes und des Säuregehaltes, beziehungsweise dessen Abbau, korreliert stark mit der vorhandenen Strahlungsintensität und der Temperatur. In strahlungsintensiven Jahren gleichen sich die thermischen Differenzen zwischen den Höhenlagen durch eine starke Einstrahlung aus. In Jahren mit einem hohen Anteil an diffuser Streuung sind die Mostgewichte bei Reben im Talbereich aufgrund der Höhendifferenz wesentlich höher, als im Hangbereich. Da das Geländeklima auch im Hinblick auf den Wind relevant wird, hat der Winzer Spielraum zu entscheiden, ob er parallel zur Hauptwindrichtung Südwest seine Rebfläche kauft oder bebaut, um von dem positiven Effekt der raschen Abtrocknung der Bestände zur Vermeidung von Pilzkrankheiten Gebrauch zu machen oder sich für eine andere Hangausrichtung oder einen konkaven Hang entscheidet, um Schäden durch Windbruch und ein gehemmtes Wachstum der Trauben durch die windbedingte Reduktion der Bestandstemperaturen zu umgehen. Sonneneinstrahlung, Kaltluft- und Windgefährdung, inklusive der Temperaturen am Tag und in der Nacht, sind wesentliche geländeklimatische Einflussgrößen hinsichtlich der Traubenqualität, die der Winzer berücksichtigen muss und die im Zuge des Klimawandels mit Blick auf mesoklimatische Entscheidungen relevant werden könnten. Dies wird manifestiert durch den Ausdruck, ein leistungsfähiger Weinbau basiere zunächst auf der optimalen Kombination von Standort, Ertragssorte und Unterlagssorte, den auch Hoppmann (2010) prägte. Was die Sortenwahl anbelangt, müssen einige Wechselwirkungen beachtet werden. Die verschiedenen Sorten sollten zum jeweiligen Standort passen. Hierbei sind Ertragsfähigkeit, Qualität, Bodenansprüche, Anfälligkeit gegen Krankheiten und Pilze, Frostfestigkeit und Wuchskraft der Rebsorten zu berücksichtigen. Sorten und Lage müssen, um mit Müller et al. (2000) zu sprechen, gut zusammenpassen. Was für die Rebsorte gilt, gilt auch für die Unterlage in Bezug auf die vorherrschenden Klima- und Bodenbedingungen, was Bauer (2008) näher ausführt. Eine wichtige, zum Positiven reichende Eigenschaft der Unterlagen ist die Anpassung der aufgepfropften Rebe an die vorherrschenden Klima- und Bodenbedingungen. Zusätzlich können die Trockenresistenz und die Wüchsigkeit, je nach Klimabedingungen, durch die Verwendung bestimmter Unterlagen verbessert werden. Neben der reblausfesten Riparia-Unterlagssorte sind es vor allem die amerikanische Wildrebe Berlandieri und die mediterrane Rupestris, beziehungsweise Kreuzungen der drei Sorten, die das Spektrum der Unterlagssorten bilden. Von großer Bedeutung für die Rebstöcke ist auch das Mikroklima. Bei zu hohen Temperaturen kann, im Hinblick auf die Inhaltsstoffe, besonders die Äpfelsäure zum Teil 27 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes stark abnehmen und somit die Weincharakteristik verändern. Außerdem können starke Veratmungsraten bei der Photosynthese zu schnellem Zuckerverlust führen und so die Bildung von Farb- und Geschmacksstoffen negativ beeinflussen. Auch der Feuchtigkeitsparameter, vor allem in Bezug auf die im Bestand vorhandene Temperatur und das damit verbundene Abtrocknen der angelagerten Nässe in Abhängigkeit zur Dichte der Laubwand, zur Stärke des Windes und zur Globalstrahlung, ist, nach Hoppmann (2010), im Hinblick auf sich entwickelnde Pilzkrankheiten von Bedeutung. Die Pilze der Gattungen Oidium, Botrytis und Peronospora – Auslöser der drei häufigsten Pilzinfektionen im Weinbau – bevorzugen feucht-warme Witterung im Frühjahr, weshalb die Winzer der Nässe in der Rebe vorbeugen müssen. Weitere wichtige Krankheiten der Rebe gehen auf verschiedene Zikadenarten zurück, die als saugende Insekten Verstopfungen in den Stoffleitungsbahnen auslösen sowie auf Traubenwickler (Tortricidae), welche ihre Eier in den Gescheinen der Trauben ablegen. Die Anzahl der sich entwickelnden Populationen und deren Größe hängen, laut Bauer (2008) und Vogt & Götz (1987), bei beiden Insektengruppen stark von der Temperatur ab. Außerdem schädigen, neben dem Sonnenbrand, auch neue Krankheiten, wie Esca und flavescence dorée (Goldgelbe Vergilbung), die Blätter beziehungsweise den Stamm der Rebe maßgeblich. Einigen dieser Krankheiten kann man mit Hilfe gezielter Eingriffe flexibel und angemessen entgegenwirken. Durch Maßnahmen, wie der Wahl des Erziehungssystems, der Entblätterung und des Begrünungsmanagements, können die Winzer den Grad der Sonneneinstrahlung lenken und somit die kleinräumigen Temperaturen ansteigen und absinken lassen. Dieser Gratwanderung zwischen zu starker Besonnung mit ihren negativen Auswirkungen auf die Beeren und Sonnenbrand sowie zu schwacher Besonnung mit der Folge der Pilzanfälligkeit begegnet der Winzer durch die bewusste Wahl des Erziehungssystems. Die am häufigsten verbreitete Spaliererziehung in Form von Flach- und Halbbogenerziehung eignet sich 28 aufgrund der geringen Anzahl von Trieben und der guten Beschattung des Bodens nach Müller et al. (2000) vor allem auf trockenen und wuchsschwachen Standorten, wobei die Frostgefährdung und die Reife verfrühende Wirkung aufgrund der relativen Bodennähe eher negativ zu bewerten sind. Diese Nachteile erweisen sich bei der hohen Umkehrerziehung als Vorteile, wobei vor allem die später entstehende Laubglocke den Pilzbefall fördert und die Sonneneinstrahlung hemmt, was in Bezug auf die Ertragsbeeinflussung negativ zu bewerten ist und intensiven Laubschnitt nötig macht. Das aktuell am häufigsten diskutierte Erziehungssystem, der Minimalschnitt, weist eine mächtige Laubwand mit vielen eher kleinen Blättern auf, welche bereits im Frühjahr eine hohe Photosyntheseleistung garantiert. Es entwickeln sich kleine, lockerbeerige und daher wenig pilzanfällige Trauben intensiven Geschmacks. Aufgrund der großen Gesamtblattfläche und des buschigen Wuchses sind Reben im Minimalschnitt anfälliger für Trockenstress und die Lichtinterzeption wird beeinflusst. Aber laut Müller et al. (2000) „könnte er den Weinbau revolutionieren.“ Die Wahl eines sinnvollen Erziehungssystems wird, wie Müller et al. (2000) darlegen, unterstützt durch die verschiedenen Laubarbeiten. Hierbei ist es vor allem die Entblätterung, durch die der Winzer auf längerfristige klimatische Veränderungen und kurzfristige Zustandsänderungen eingehen kann, da sich diese flexibel gestaltet. Dennoch wird aufgrund der unvorhersehbaren Witterung im Jahresverlauf empfohlen, nach dem Grundsatz von Müller et al. (2000) „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ zu entblättern. Positive Effekte sind der reduzierte Pilzbefall aufgrund besserer Belüftung, höhere Beerentemperaturen, die das Mostgewicht fördern und den Abbau der ungewünschten Äpfelsäure vorantreiben sowie eine reduzierte Sonnenbrandgefahr, da sich die Traubenhaut frühzeitig an die Sonne gewöhnen kann. Trotzdem kann vermehrter Sonnenbrand auch eine Folge zu starker Entblätterung sein, einhergehend mit einem zu starken Abbau von Säure, was sich ebenso negativ auf die Sensorik auswirken kann, wie die, aufgrund eines zu Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen geringen Blatt-Frucht-Verhältnisses, reduzierte Photosyntheseleistung mit der Folge einer negativen Assimilatproduktion. Bei der Bodenbearbeitung ist es vor allem die Begrünung, durch welche der Winzer flexibel auf die jeweils vorherrschende mikroklimatische Situation eingehen kann. Die Möglichkeiten des optimalen Erosionsschutzes, der Wasserhaltekraft, der Förderung der Bodenfruchtbarkeit, des Bodenlebens und dessen Artenvielfalt sowie einer reduzierten Bodenauswaschung müssen mit dem Nachteil einer adäquaten Wasserversorgung vereinbart werden. Nach Müller et al. (2000) kann der Winzer hierzu, je nach Standort, zwischen verschiedenen Formen der Begrünung wählen, nämlich zwischen dauerhafter und temporärer, teilflächiger und ganzflächiger sowie angesäter und spontaner Begrünung und der Sonderform der Bodenabdeckung mit Stroh, Gras- und Rindenmulch. Problematisch sind die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zwischen Begrünung und Reben, welche in Extremfällen bis hin zur Entstehung von wenig qualitätsfördernden untypischen Alterungstonen im Wein und eine eventuell nachlassende Wuchsleistung der Reben bei Unterversorgung führen kann, was sich auch auf die Ertragsmenge und –qualität auswirkt. Bei steileren Südlagen, welche per se eine höhere Wasserverdunstungsrate aufweisen, und bei Niederschlagsmengen unter 530 mm pro Jahr sollten die Winzer daher von einer Dauerbegrünung zugunsten der Wasserverfügbarkeit Abstand nehmen. 2.5 Mögliche Klimaveränderungen bis 2100 Im Folgenden soll auf bereits eingetretene und mögliche zukünftige Veränderungen der für den Weinbau wichtigsten Klimaparameter an der Klimastation Alzey des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf der Grundlage von Klimasimulationen eingegangen werden. Diese Simulationen wurden durch das IPCC, das Intergovernmental Panel on Climate Change, initiiert und stützen sich auf Klimamodelle. Für den Bericht des Jahres 2007 wurden, laut Paeth (2009), mit 21 Kli- mamodellen rund 150 Einzelsimulationen durchgeführt, die auf den SRES-Szenarien (Special Report on Emissions Scenarios) und somit auf der Emission von Treibhausgasen basieren. Hierbei wird, wie Latif (2009) darstellt, zwischen einer ökologisch oder ökonomisch beziehungsweise einer nationalstaatlich oder global orientierten Gesellschaft unterschieden, was mit einem unterschiedlichen Ausstoß von Treibhausgasen verbunden ist. Mit Hilfe von Downscaling-Methoden wird eine Regionalisierung dieser globalen Modelle erreicht, wobei zwischen dynamischen und statistischen Modellen gewählt werden kann. Aufgrund der geringen Abweichungen zwischen den Kontrollläufen der Modelle und den gemessenen Werten der Station Alzey zwischen 1971 und 2000, wurde für die folgende Untersuchung das dynamische Modell WETTREG2006 mit den als am wahrscheinlichsten geltenden Läufen A1B-normal, A1B-trocken, A2-normal und A2-trocken als Grundlage herangezogen. Im Hinblick auf den Wärmehaushalt ist die Entwicklung der Jahresdurchschnittstemperatur von Bedeutung. Bereits die Messdaten zwischen 1971 und 2000 zeigen einen Trend an, der sich laut WETTREG2006 bis 2100 fortsetzen könnte: Dem recht schnellen Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur um fast 1 °C von 9,2 auf 10,1 °C könnte ein weiterer folgen, der an der Station Alzey bis 2100 zu Temperaturen zwischen 11,2 und 11,8 °C führen könnte. Wird WETTREG2010 als regionales Klimamodell zu Rate gezogen, ist sogar ein noch stärkerer Anstieg auf bis zu 13 °C möglich. Gemäß dem Lauf A1B-trocken von WETTREG2006 würde Rheinhessen weiterhin, auch in der fernen Zukunft zwischen 2071 und 2100, mit mindestens 11,8 °C im Vergleich zum rheinland-pfälzischen Durchschnitt von 11,3 °C eine der höchsten Jahresdurchschnittstemperaturen im gesamten Bundesland aufweisen. Dies verdeutlicht auch Abbildung 1 zur potenziellen Jahresmitteltemperatur in Rheinland-Pfalz zwischen 2071 und 2100. Vor allem die Temperaturen während der Vegetationsperiode sind für den Weinbau sehr wichtig. Diese haben sich in den gemessenen 29 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Abb. 1: Projektion der Jahresmitteltemperatur in Rheinland-Pfalz im Zeitraum 2071-2100, regionales Klimamodell WETTREG2006, Szenario A1B trocken (Quelle: IDP, Datenquelle: Meteo-Research / CEC Potsdam GmbH i.A. des Umweltbundesamtes 2006). 30 Jahren bereits konstant um etwas mehr als 1 °C von 13,6 auf 14,7 °C erhöht. Bis zum Jahr 2100 könnte die Temperatur während der Vegetationsphase nach WETTREG2006 auf einen Wert von bis zu 16 °C steigen, was einem weiteren Temperaturanstieg von 1,0 bis 1,5°C bis 2100 entspräche. Etwas anders könnten sich die Temperaturen des meteorologischen Winters von Dezember bis einschließlich Februar gestalten. Obwohl man anhand der Messdaten noch keinen genauen Trend erkennen kann, könnte sich die mögliche zukünftige Entwicklung dennoch als sehr extrem herausstellen. Laut WETTREG2006 ist es möglich, dass sich die Wintertemperaturen im Simulationszeitraum von 2001 bis 2100 um 2,5 bis 4 °C erhöhen – ein deutlich stärkerer Effekt im Vergleich zur Vegetations30 phase und dem gesamten Jahr. Bei WETTREG2010, dessen Kontrollläufe die Wintertemperaturen besser abbildeten, beträgt die simulierte winterliche Durchschnittserwärmung im Mittel sogar knapp 5 °C innerhalb der betrachteten 100 Simulationsjahre. Da sich der Klimawandel nicht nur in Form langfristiger Trends zeigt, sondern nach Schönwiese (2008) auch anhand von Veränderungen in der Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen zur Geltung kommt, ist es wichtig, neben den durchschnittlichen Werten für die Vegetations- und für die Winterperiode auch die Kenntage miteinzubeziehen, anhand derer die Extreme der beiden Jahresabschnitte dargestellt werden können. Hierzu werden die Sommertage mit Maximaltemperaturen von 25 °C und mehr, die Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen heißen Tage mit Maximalwerten ab 30 °C sowie die Frosttage mit Minimumtemperaturen von unter 0 °C betrachtet. Bereits in der Referenzperiode zwischen 1971 und 2000 ist die Zahl der Sommertage um 13 Tage pro Jahr angestiegen. Die heißen Tage folgten keinem eindeutigen Trend. Dass sich der Anstieg der Kenntage aufgrund des durchschnittlichen Anstiegs der Sommertemperaturen weiter fortsetzt, ist aber zu erwarten und wird durch die Klimamodelle manifestiert. Die Anzahl der Sommertage könnte, nach der Simulation von WETTREG2006, bis 2100 auf jährlich 60 bis 70 ansteigen und auch die Zahl der heißen Tage könnte sich laut diesem Modell auf etwa 14 bis 16 erhöhen, was einer Steigerung von etwa fünf Tagen im Vergleich zur letzten gemessenen Dekade entspricht. Laut WETTREG 2010 ist es sogar denkbar, dass sich die Zahl der Sommertage von 45 auf etwa 93 mehr als verdoppelt und sich die Zahl der heißen Tage sogar auf rund 40 verdreifacht. Je nach Modell können die Projektionen bei gleicher Tendenz also sehr unterschiedlich sein. Die Anzahl der Frosttage hat sich bereits innerhalb des 30-jährigen Messzeitraumes um 12 Tage verringert. Laut WETTREG2006 ist eine weitere Abnahme um etwa 20 Tage möglich, was bei einem Ausgangswert von rund 60 Tagen einer Abnahme von einem Drittel entspricht. Um Unsicherheiten und Ungenauigkeiten vorzubeugen, werden nun wiederum die Ergebnisse des Modells WETTREG2010 in die Betrachtung mit einbezogen, welches die Wintertemperaturen unter allen Modellen für die Vergangenheit am besten wiedergibt. Hierbei wird bis 2100 eine mögliche Reduktion der Frosttage um rund 35 Tage simuliert, was mehr als der Hälfte aller Frosttage entspräche. Dennoch bleibt das Ausmaß aufgrund der unterschiedlichen Modellaussagen vage. Für den Weinbau von größerer Relevanz ist jedoch nicht die Zahl der Frosttage an sich, sondern der ungefähre Termin des ersten und letzten Frostereignisses. Nach WETTREG2006 ist an der Station Alzey mit einer zu vernachlässigenden Verspätung des ersten und einer zu vernachlässigenden Verfrühung des letzten Frosttages zu rechnen, während WETTREG2010 ein um rund einen Monat verspätetes Eintreten des ersten Frosttages und ein um rund vier Wochen früheres Eintreten des letzten Frosttags verzeichnet. Vor allem für die Landwirtschaft sehr relevant ist auch die Sonnenscheindauer. Obgleich an der Station Alzey kein eindeutiger Trend zu einer erhöhten oder verminderten Anzahl von Sonnenstunden zwischen 1971 und 2000 zu verzeichnen war, wird von WETTREG2006 ein relativ starker Anstieg simuliert. Lag die Anzahl in der letzten gemessenen Dekade noch bei 1642 Sonnenstunden, könnte sie sich, laut allen vier Läufen des Modells, bis zum Jahr 2100 auf 1800-1900 Stunden erhöhen. WETTREG2010, welches die Temperaturen verglichen mit WETTREG2006 eher etwas zu hoch ansetzt, rechnet sogar mit einer Erhöhung der jährlichen Sonnenscheinstunden auf 2000 bis zum Ende des Jahrhunderts. Im Hinblick auf den Niederschlag kann man zunächst festhalten, dass sich während der Referenzperiode keine nennenswerten Veränderungen in der Jahressumme eingestellt haben. Auch bis 2100 könnte an der Klimastation Alzey, basierend auf den Simulationen von WETTREG2006, in etwa mit der momentanen jährlichen Niederschlagssumme von rund 500 bis 600 mm gerechnet werden. Rheinhessen bliebe von daher eine der Trockeninseln von Rheinland-Pfalz. Die Aussagen bezüglich der Jahresniederschlagssumme müssen jedoch differenzierter betrachtet werden, und werden daher für die Vegetationsphase und den meteorologischen Winter anhand der Abbildungen 2 und 3 zur bisherigen und möglichen zukünftigen Entwicklung des Niederschlags während der Vegetationsperiode und während des Winters noch einmal separat dargestellt. Im Hinblick auf die Sommerniederschläge ist laut der Simulation von WETTREG2006 bis 2100 bei allen vier Modellläufen eine kontinuierlich verlaufende, rückläufige Tendenz von 50-80 mm möglich. Weniger eindeutig scheinen die Größenordnungen der Simulationen der zukünftigen winterlichen Gesamtniederschläge bei dem Modell WETTREG2006 zu sein. Die vier Läufe weisen dau31 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Abb. 2: Bisherige und mögliche zukünftige Entwicklung des Niederschlags während der Vegetationsperiode in Abhängigkeit von unterschiedlichen Emissionsszenarien, regionales Klimamodell WETTREG2006 (eigene Darstellung, Datenquelle: Meteo-Research / CEC Potsdam GmbH i.A. des Umweltbundesamtes 2006). erhaft große Differenzen, häufig von rund 50 mm und mehr, auf, was davon zeugt, dass sogar innerhalb eines Modells eine mögliche zukünftige Richtung schwer zu bestimmen ist. Diese Tatsache legitimiert das Aufstellen eines Korridors, da bei der Betrachtung von nur einer Realisation die mögliche Bandbreite an Zukunftsaussagen nicht abgebildet würde. Laut dem Modell WETTREG2006 könnten die Winterniederschläge bis 2060 abnehmen, gleich bleiben oder sich erhöhen. Innerhalb der letzten 40 Jahre bis 2100 zeigt sich ein deutlicher Sprung und die Niederschlagssumme könnte um 50-100 mm ansteigen. Auch das Hinzuziehen der Ergebnisse aus WETTREG2010 bringt keine eindeutige Tendenz. Dieses Modell simuliert nämlich eine deutliche Reduktion der Gesamtniederschläge, die aus einer Niederschlagsabnahme über das ganze Jahr hinweg resultiert, weshalb die Prognosen beider Modelle zu den Winterniederschlägen noch nicht einmal in der Grobrichtung übereinstimmen. Die großen Differenzen bei der Gesamtniederschlagssumme Abb. 3: Bisherige und mögliche zukünftige Entwicklung des Niederschlags während des Winters in Abhängigkeit von unterschiedlichen Emissionsszenarien, regionales Klimamodell WETTREG2006 (eigene Darstellung, Datenquelle: Meteo-Research / CEC Potsdam GmbH i.A. des Umweltbundesamtes 2006). 32 Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen und auch beim Winterniederschlag, zeigen die Unsicherheitsspanne zukünftiger Niederschlagsereignisse und –verteilungen. Ebenfalls von großer Bedeutung für die Landwirtschaft ist die Zahl der Trockentage, aber auch der Starkniederschläge, wobei dies vor allem während der Vegetationsphase, von April bis September, von großem Interesse ist. Obwohl die Modelle Extremereignisse nicht immer angemessen simulieren können, soll die Entwicklung dieser beiden Parameter angesprochen werden. Starkniederschläge sind als Niederschläge mit einer Menge von mehr als 10 mm pro Tag definiert. Die Zahl der Tage mit Starkniederschlägen hat bereits im 30-jährigen Referenzzeitraum von 9,6 auf 8,1 leicht um 1,5 Tage abgenommen. Laut den Simulationen von WETTREG2006 setzt sich der Rückgang in geringem Maße fort, sodass bis 2100 der Starkniederschlag an weiteren ein bis zwei Tagen während der Vegetationsperiode ausbleiben würde. Diesen Trend bestätigen auch Gerstengarbe & Werner (2009), die sich anhand des Modells Star2 mit zukünftigen Klimaextremen für die Zeit bis 2050 beschäftigten. Sehr eindeutig ist die zukünftige Entwicklung der Trockentage während der Vegetationsperiode. Die Trockentage, welche vom PotsdamInstitut für Klimafolgenforschung (PIK) als die Summe der Tage definiert werden, die über eine Dauer von mindestens zwei Tagen eine Niederschlagshöhe von 0 mm aufweisen, haben in der Referenzperiode bereits um knapp 20 %, von 82 auf 97 Tage, zugenommen. Bis 2100 könnte sich deren Zahl, gemäß der Simulation des Modells WETTREG2006, auf etwa 105-110 Tage erhöhen. Innerhalb des 100-jährigen Zeitraumes ist der mögliche Anstieg der Zahl der Trockentage um 7 bis 11 bei WETTREG2006 jedoch nicht so groß, wie die bereits eingetretenen messbaren Veränderungen zwischen 1971-2000 mit 15 Tagen. Für den Wind zeigen die 30 Referenzjahre, dass sich die durchschnittliche Windgeschwindigkeit um rund 30 % erhöhte und womöglich in diesem Zusammenhang auch Starkwindereignisse in diesem Zeitraum zugenommen haben könnten. Aber sowohl WETTREG2006 als auch WETTREG2010 geben teilweise Ent- warnung, da man von einer künftigen Abnahme der Starkwinde und von einer Zunahme der Schwachwinde ausgeht. 2.6 Zwischenergebnis der theoretischen Erkenntnisse: Weinanbau und Klimawandel Bevor im Folgenden die Ergebnisse der durchgeführten Experteninterviews, also die praktischen Erfahrungen und Wahrnehmungen, dargestellt und bewertet werden, kann man anhand der theoretischen Analyse eindeutig festhalten: Der Klimawandel ist auch in Rheinland-Pfalz spürbar. Dies konnte anhand der bereits eingetretenen Veränderungen an der Station Alzey des DWD im südlichen Rheinhessen nachgewiesen werden. Für einzelne Parameter und Kenntage zeigt sich bis zum Jahr 2100 ein recht eindeutiger Trend. Die klimatischen Veränderungen waren für den Weinbau in Rheinhessen bislang eher positiv. Es waren zumeist betriebswirtschaftliche Aspekte, die negative Veränderungen mit sich brachten. Der Weinbau am 50. Breitengrad stellt, wie Hoppmann (2010) und Vogt & Götz (1987) ausführen, vor allem an die Temperatur hohe Anforderungen. Die Vegetationsperiode muss mindestens 180 Tage lang sein, erst ab bestimmten Schwellenwerten beginnt die phänologische und vegetative Entwicklung der Beeren und eine positive Photosyntheserate ist bei höheren Temperaturen ebenfalls eher gegeben. Da diese und andere Faktoren, die mit dem Rebwachstum und der –entwicklung einhergehen, in Deutschland nicht immer gegeben sind, findet die Rebe ihre günstigsten Lebensbedingungen in der warm-gemäßigten Zone, wie am Mittelmeer oder in Kalifornien. Einzig dem Golfstrom verdanken wir es, dass der Weinbau in Deutschland in klimatisch begünstigten Regionen überhaupt möglich ist. In nördlichen Weinbaugebieten können außerdem spezielle witterungsbedingte Ereignisse, wie Fröste oder Hagel, dem Weinbau stark zusetzen und Singularitäten, wie die „Eisheiligen“, sind gefürchtet. Aus all diesen klimabezogenen Gründen versuchen die Winzer in unseren Breiten der Rebe ein optimales Meso- und 33 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Mikroklima zu bieten. Frostlagen werden vermieden, die Hangrichtung und –neigung wird so gewählt, dass die Sonne den Reben einen möglichst großen Strahlungs- und Wärmegenuss bietet; Lagen ab einer bestimmten Höhe über dem Meeresspiegel eignen sich aufgrund ihrer zunehmenden Kühle prinzipiell weniger. Die Wasserverfügbarkeit ist für den Weinbau in den höheren Breiten eher nebensächlich, da die Rebe sehr lange Wurzeln hat und sich aus großen Tiefen Wasser beschaffen kann. Außerdem wirkt sich Trockenstress zum Teil sogar positiv auf die Beeren aus. Entsprechend den wichtigsten klimatischen Faktoren und Zusammenhängen kann man die Weinberge nach Müller et al. (2000) anhand ihrer Hangrichtung und –neigung, der Höhe über dem Meeresspiegel und der Bodenart mit einfachsten Messungen klassifizieren und bewerten. Was die Hangrichtung und –neigung anbelangt, sind vor allem Südlagen mit 58° Neigung aufgrund des Sonnengenusses klimatisch am besten zu beurteilen. Außerdem sind Westlagen im Gegensatz zu Ostlagen bevorzugt, da die Wärmeentwicklung in den Nachmittagsstunden besser ist als vormittags. Bei der Höhe über dem Meeresspiegel werden die Bewertungen mit zunehmender Höhe schlechter, weil, wie bereits erwähnt, die Temperaturen sinken. Bezüglich der Böden sind vor allem die Wasserverfügbarkeit und die Erwärmbarkeit, das so genannte Absorptionsvermögen, von großer Bedeutung, weshalb die Böden jeweils nach diesen beiden Kriterien bewertet werden. Anhand der drei Kriterien Hanglage, Höhe über Normalnull und Wasserverfügbarkeit beziehungsweise Erwärmung der Böden, lassen sich nach Müller et al. (2000) gute, mittlere und kleine Lagen unterscheiden. Der Weinbau in Deutschland und speziell auch in Rheinhessen hat gute Voraussetzungen. Probleme wie eine ungenügende Reife und ein geringes Mostgewicht scheinen der Vergangenheit anzugehören. Dass es so einfach dennoch nicht ist, machte das Jahr 2003 mehr als deutlich. Aus den enormen Temperatursummen resultierten zwar sehr hohe Mostgewichte, bei jedoch gleichzeitig 34 auftretender Qualitätsminderung. Der Säureabbau war so extrem, dass die entstandenen alkoholreichen Weine kaum mehr vermarktbar waren. Des Weiteren verändern vor allem Weißweine ihre Geschmackskomponenten zum negativen, wenn das vegetative und generative Wachstum durch zu hohe Temperaturen eingeschränkt wird. Es entstehen außerdem untypische Alterungstone, so genannte UTAs, die die Haltbarkeit des Weines stark einschränken. Sollten sich zukünftig Extremjahre, wie 2003, aufgrund des Klimawandels mehren, hätte dies negative Auswirkungen auf den deutschen cool-climate-Weinbau, für den das Land bekannt ist und geschätzt wird. Ebenfalls mit einer höheren Sommer- und Wintertemperatur verbunden sind virulent auftretende Schädlinge und Pilzkrankheiten sowie direkte witterungsbedingte Sonnenbrandprobleme. Der Klimawandel wird für den Weinbau in Rheinland-Pfalz große Veränderungen mit sich bringen. Ob diese sich insgesamt eher positiv oder negativ auswirken, kann anhand der theoretischen Darstellung nicht abschließend festgehalten werden. Die durchgeführte sozialempirische Analyse soll Erkenntnisse aus handlungspraktischer Sicht liefern und die theoretischen Ausführungen zugunsten der Ganzheitlichkeit ergänzen. 3. Empirische Analyse: Weinanbau und Klimawandel 3.1 Interviewpartner und Struktur des Fragebogens Anhand von Leitfadeninterviews, die sich auf einen teilstrukturierten Fragebogen stützen, wurden die Meinungen und Ansichten von elf Winzern, einem Kellermeister, drei Weinbauwissenschaftlern und einem Vertreter einer Behörde eingeholt. Als Vertreter der Agrarbehörde zum Thema Weinbau im Klimawandel wurde ein Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz befragt, bei den Experten handelte es sich um einen Wissenschaftler des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinhessen- Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen Nahe-Hunsrück, um einen Wissenschaftler des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz und um einen Vertreter der weinbaulichen Forschungsanstalt Geisenheim. Bei der Auswahl der elf befragten Winzer und des Kellermeisters wurde darauf geachtet, das gesamte Anbaugebiet Rheinhessens abzudecken, weshalb Weinbauern aus Ingelheim, Stadecken-Elsheim, Hahnheim, Nierstein, Albig, Bermersheim von der Höhe, Mauchenheim, Flörsheim-Dalsheim und Mörstadt als Interviewpartner gewählt wurden. Des Weiteren erfolgte die Wahl unter Berücksichtigung der Betriebsstruktur, sodass sowohl acht konventionelle, als auch drei biologisch orientierte Winzer Rede und Antwort standen. Mit zwei Nebenerwerbswinzern und einem Kellermeister konnten auch Vertreter der genossenschaftlichen und nebenerwerblichen Vertriebsweise ihre Meinungen äußern. Hierbei muss betont werden, dass mit der Auswahl der Interviewpartner zwar versucht wurde, ein räumlich und betriebswirtschaftlich großes Spektrum abzudecken, was jedoch aufgrund der kleinen Anzahl an Winzer nur eine begrenzte Aussagekraft besitzt. Die Ergebnisse liefern somit keinen repräsentativen Gesamtüberblick für Rheinhessen, zeigen aber markante Tendenzen bezüglich der potenziellen Chancen und Probleme im Weinbau durch den Klimawandel auf. Entsprechend der bei Przyborski & Wohlrab-Sahr (2008) ausgeführten Intention von Leitfadeninterviews von offenen, den Redefluss anregenden, Fragestellungen zu geschlossenen und konkreten Betrachtungen zu leiten, lautete die erste grundsätzliche Frage: Gibt es überhaupt einen Klimawandel? Während von den zwölf Praktikern fünf einen vorhandenen Klimawandel, mit Verweis auf periodische Schwankungen und die kalten Winter der letzten Jahre, abstritten, waren sich erwartungsgemäß die vier Experten und sieben der zwölf Winzer einig, dass es daran nichts zu leugnen gibt. Vor allem die Verschiebung der phänologischen Phasen und die Temperaturerhöhung während der Vegetationsperiode wurden als Indikatoren genannt. Da die Weinrebe eine sehr klimasensitive Pflanze ist und man diesbezüglich feinfühlig und vorausschauend agieren muss, wirkt es überraschend, dass fast die Hälfte der Praktiker die klimatischen Veränderungen nicht auf einen Klimawandel bezieht. Obgleich auch die Experten und die vom Klimawandel überzeugten Winzer die Klimasimulationen nicht in allen Belangen für absolut eindeutig und aussagekräftig halten, wurden die möglichen Veränderungen in der Zukunft von Skeptikern vielfach durch Aussagen, wie „Kaffeesatzleserei“ des Hahnheimer Winzers, „Schreibtischtaten“ des Mörstadter Winzers und „unrealistische Horrorszenarien“ eines Albiger Winzers, verurteilt. Diese Verdrängungsstrategie ist umso unverständlicher vor dem Hintergrund, dass die nächste Frage zur Relevanz der klimatischen Veränderungen auf den Weinbau von allen Winzern erkannt und für wichtig befunden wurde. Beobachtet wurden nämlich, mit Ausnahme von zwei Winzern, von fast allen gleichermaßen eine Temperaturzunahme während der Vegetationsperiode sowie eine Verschärfung der Wetterextreme im Hinblick auf Stürme, Starkniederschläge, Hagel, Trockenheit und die Diskrepanz zwischen starker Hitze und extremer Kälte. Die Experten beurteilten die bisherigen Veränderungen als positiv. Der Weinbau ist, laut dem Experten des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz, der klare Nettoprofiteur des Klimawandels. Der zukünftigen Entwicklung jedoch wird von einigen Befragten eher kritisch entgegen gesehen. 3.2 Fragenkomplex: Klimatische und weinbauliche Veränderungen in Bezug auf den Wärmehaushalt in der Vegetationszeit Wie bereits erwähnt, wurde die Temperaturerhöhung während der Vegetationsperiode von fast allen Praktikern erkannt, weshalb die meisten auch die nach vorne gerichtete Verschiebung der phänologischen Phasen bemerkten. Deren Bewertung fiel hingegen von positiv über skeptisch bis hin zu negativ sehr ambivalent aus. Als förderlich wurde die durch die Verfrühung verlängerte Reifezeit und die daraus folgende höhere Qualität des Weins genannt, wobei vor allem das erhöhte 35 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Abb. 4: Bisherige und mögliche zukünftige Entwicklung des zeitlichen Ablaufes der phänologischen Phasen an der Klimastation Alzey bis Ende des 21. Jahrhunderts (in Anlehnung an Stock et al. 2007), regionales Klimamodell WETTREG2006, Szenario A1B trocken (eigene Darstellung, Datenquelle: Meteo-Research / CEC Potsdam GmbH i.A. des Umweltbundesamtes 2006). Fäulnisrisiko durch verfrühungsbedingt höhere Temperaturen und vermehrte Niederschläge kurz vor der Lese, zunehmende Probleme mit Insekten und die verstärkte Kühlung des Mostes problematisiert wurden. Die Experten nannten dieselben positiven und negativen Aspekte, bewerteten diesbezüglich die Zukunft jedoch positiver als die Winzer und der Kellermeister. Es ist somit, wie Abbildung 4 zur Entwicklung des zeitlichen Ablaufs der phänologischen Phasen in Alzey (WETTREG2006 A1B trocken) zeigt, mit einer weiteren Verfrühung zu rechnen, was auch Folgen mit sich bringt. Was die Mostgewichtserhöhung anbelangt, die von fast allen Befragten erkannt wurde, waren sich Experten, Winzer und Kellermeister weitestgehend einig: Dieser von den Temperaturen während der Vegetationsperiode abhängige Faktor erhöhte sich in den letzten Jahren erkennbar und wurde als nahezu perfekt beschrieben. Klimawandelskeptiker führten die Erhöhung zum Teil auf neue Klone und Züchtungen oder auf periodische Klimaschwankungen zurück. Wurde das Mostgewicht, trotz verschiedener Aussagen zu den Gründen der Erhöhung, von allen Befragten 36 als positiv wahrgenommen, brachte der nächste mikrobiologische Aspekt, das AlkoholSäure-Verhältnis, konträre Ansichten zutage. Deutlich wurde vor allem, dass die Hälfte der Praktiker die Veränderungen im Alkohol-Säure-Verhältnis nicht wahrgenommen hat und auch keine Verbindung zwischen diesem Aspekt und den erhöhten Temperaturen ziehen konnte. Sollten aber Jahre wie 2003 zur Regel werden, könnten die Weißweine ihre Spritzigkeit und ihre besondere Aromatik verlieren, die ihnen ihren einzigartigen Charakter verleiht und es könnte dann bald, mit den Worten des Experten des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, „Gute Nacht Müller Thurgau“ heißen. Auch die Aromaausprägung, die eng mit dem Säure-Zucker-Verhältnis gekoppelt ist, rief einige Fragezeichen bei den Winzern hervor. Die Hälfte der befragten Weinbauer sowie der Kellermeister empfanden die aromatischen Veränderungen sowohl bei Weiß- als auch bei Rotweinen als positiv, während ein Drittel der Winzer bereits nachteilige Auswirkungen auf das Aroma der Weißweine bemerkt haben will. Die beiden genossenschaftlichen Winzer konnten, wie bereits zuvor, diesbezüglich als einzige keine Aussage tätigen. Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen In Bezug auf Krankheiten, die in hohem Maße witterungsabhängig sind, gehen die Meinungen insbesondere bei den tierischen Schädlingen weit auseinander. Es wurden vor allem neue Insekten, wie Rebzikaden, verschiedene Milbenarten und der Asiatische Marienkäfer, wahrgenommen. Aber auch ein häufigeres Auftreten einheimischer Schädlinge wurde verzeichnet, welche, speziell im Hinblick auf die dritte Traubenwicklergeneration, in stärkerer Intensität vorkommen, wobei die Pheromonfallen die Situation bezüglich des zuletzt genannten Schädlings beherrschbar machen. Außerdem gab es einige Winzer, die Probleme mit vormaligen Nützlingen, wie dem Ohrwurm, benannten, die sich mittlerweile aufgrund der großen Populationszahlen zu Schädlingen entwickelten. Andere Befragte nahmen indes keine Veränderungen im Hinblick auf tierische Schädlinge wahr. Die Experten warnten vor allem vor zukünftig neuen und virulenter auftretenden einheimischen Schädlingen. Und dennoch sind es eher die Pilz- und Fäulniskrankheiten, die, laut Experten, drastische Auswirkungen auf die Gesundheit der Reben haben könnten. Neue Arten, wie Esca, die Schwarzholzkrankheit und Mauke, wurden von den Befragten vermehrt wahrgenommen, aber auch einhei- mische Pilz- und Fäulniskrankheiten, die bereits jetzt schneller eintreten und unberechenbarer sind, werden die Gesunderhaltung der Reben auch in Zukunft verstärkt beeinträchtigen. Außerdem wurde der Sonnenbrand als immer größeres Problem von acht Winzern angesprochen und der Zusammenhang zwischen Entblätterung wegen Fäulnis und dem daraus möglicherweise resultierenden Sonnenbrand wurden benannt. Auch die Experten beobachten das Problem in der letzten Zeit verstärkt. 3.3 Fragenkomplex: Klimatische und weinbauliche Veränderungen in Bezug auf den Wärmehaushalt im Winter Im Gegensatz zu den Themen, die die Vegetationszeit betreffen, stellen sich weinbauliche Aspekte im Winter, möglicherweise aufgrund der geringeren Bedeutung für den Weinbau, generell wesentlich uneinheitlicher dar. Bezüglich der Temperaturentwicklung war die Übereinstimmung zwischen den tatsächlich eingetretenen Veränderungen und den Einschätzungen der Winzer und des Kellermeisters nur bei knapp der Hälfte korrekt, die andere Hälfte empfand keine Veränderung Abb. 5: Bisherige und zukünftige mögliche Entwicklung der Häufigkeit des Auftretens von Spätfrösten an der Klimastation Alzey bis Ende des 21. Jahrhunderts (in Anlehnung an Stock et al. 2007), regionales Klimamodell WETTREG2006, Szenario A1B trocken (eigene Darstellung, Datenquelle: Meteo-Research / CEC Potsdam GmbH i.A. des Umweltbundesamtes 2006). 37 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes in den Temperaturen. Im Hinblick auf die Entwicklung der Fröste gibt es ein geteiltes Meinungsbild, nämlich zum einen die Verfechter der reduzierten Frosthäufigkeit, zum anderen jene, die keine Veränderungen wahrgenommen haben. Das Spätfrostrisiko wird von einem Drittel der Winzer aufgrund der verschobenen Phänologie höher eingeschätzt, während die Hälfte der Praktiker, dabei vor allem ein Winzer der agrargeographischen Region der so genannten Rheinfront, es ganz vehement eher für gesunken hält. Die Experten weisen, wie die Simulationen des PotsdamInstituts für Klimafolgenforschung in Abbildung 5 zur Entwicklung der Häufigkeit von Spätfrösten zeigt, aufgrund der phänologischen Verschiebung auf eine gleich bleibende oder sogar erhöhte Zahl von Spätfrösten hin. Entsprechend den beiden vorherigen Aspekten gestaltete sich auch die Einschätzung zur Eisweinentwicklung, wobei diejenigen, die das Auftreten der Fröste als gleichbleibend vermuteten, auch dem Eiswein zukünftig eine Chance einräumten und umgekehrt. Die Experten mutmaßten, dass es zukünftig in jedem Jahr möglich sein wird, Eiswein herzustellen, wobei eine Temperatur von -7 °C vonnöten ist. Da dies aber eventuell immer später im Jahr möglich sein wird, könnte Fäulnis das Ernteergebnis und die Qualität des Eisweins verstärkt negativ beeinflussen. Auch hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den Wintertemperaturen und der Entwicklung der Schädlinge sind die Aussagen kontrovers. Die Mehrheit der Praktiker, sowie zwei Wissenschaftler vermuteten eine Reduktion der Zahl an Schädlingen, wie Mäusen und Unkraut, bei sehr kalten Wintertemperaturen, während nur ein Viertel der befragten Praktiker und zwei Experten mit Verweis auf die Anpassungsmechanismen der Schädlinge von Populationszahlen ausgingen, die sich unabhängig von den Temperaturen im Winter entwickeln. Trotz der kontroversen Antworten der Befragten hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den Wintertemperaturen und weinbaulichen Parametern sind sich die Interviewpartner im Hinblick auf die generelle Bedeutung der Winterfröste in der Zukunft dennoch relativ einig (Abb. 6). 3.4 Fragenkomplex: Klimatische und weinbauliche Veränderungen in Bezug auf den Wasserhaushalt Auch hinsichtlich des Wasserhaushalts wurde anhand der Antworten der Befragten erkennbar, dass in den letzten Jahren zwei große Tendenzen zu verzeichnen sind. Trotz verschiedenster Aussagen zur momentanen Situation der Wasserverfügbarkeit wurde von der Mehrheit der Praktiker eine zunehmende Reduktion der Niederschläge während der Vegetationsperiode festgestellt, weshalb zeitweise Trockenstress die Folge war. Dennoch herrschte diesbezüglich bei den Befragten Gelassenheit. Sie vertrauten auf die Anpassungsfähigkeit der Rebe und führten ein flexibles Begrünungsmanagement als Strategie an, um die Situation in den Griff zu bekommen. Auf Abb. 6: Statementlistenfrage: Zukünftige Rolle der Winterfröste im rheinhessischen Weinbau (eigene Darstellung). 38 Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen Rotwein habe Trockenstress sogar eher positive Folgen hinsichtlich des Aromas und der Farbe. Einzig für die Rheinfront mit ihren Steillagen und den sandigen Böden könnte das Thema ein echtes Problem werden. Für die Zukunft rechnen drei der vier Experten mit einem möglicherweise verstärkten Auftreten von Trockenphasen, wobei auch sie den Trockenstress generell als unproblematisch ansehen. Dennoch wurde das Thema „Bewässerung“ trotz aller finanziellen, ökologischen und technischen Schwierigkeiten zumindest für einzelne Parzellen von dem Großteil der Winzer, dem Kellermeister und den Experten als zukünftig sinnvoll erachtet (Abb. 7). Viel eher macht den Befragten jedoch die Tendenz zu einem stärkeren Auftreten von Extremereignissen Sorgen. Von sieben Winzern wurde die Diskrepanz zwischen Phasen mit ungewöhnlich starken Niederschlägen und extremer Trockenheit genannt, während drei Weinbauern vor allem gegen Ende des Sommers, in der Lesezeit, lang anhaltende Niederschläge verzeichneten, was mit einem bereits angesprochenen verstärkten Fäulnis- und Pilzbefall einhergeht. Auch die Experten sahen diese Tendenz und rechneten, im Gegensatz zu den simulierten Veränderungen der Klimamodelle, mit einem Anstieg der Starkniederschläge. Dies zeigt die theoretische Komplexität, aber auch die praxisbezogene Unberechenbarkeit des Themas Wasserhaushalt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Niederschläge wurde von allen Befragten gleichermaßen die außerordentliche Bedeutung des Bodens konkretisiert, vor allem hinsichtlich der Wasser- und Nährstoffspeicherung, dem Nährstofftransport, dem Humusgehalt, der Sortenwahl, des Weinaromas und der -qualität. Was die zukünftige Entwicklung des Wasserhaushalts anbelangt, befanden sich die Experten jedoch in dem Dilemma nicht zu wissen, welche Böden bevorzugt bebaut werden sollten: Tonige Böden begünstigen bei Starkniederschlägen die Ausbildung von Chlorose (Mangelerscheinungen), und Trockenstress wird auf sandigen Böden verschärft. Das Problem der Erosion ist für Rheinhessen, laut Meinung der Praktiker und einiger Experten, momentan nicht besonders relevant, da es wenige Steillagen gibt und durch ein zielführendes Bodenmanagement der Erosion vorgebeugt werden kann. Der Experte des Dienstleistungszentrums Rheinhessen-NaheHunsrück betonte jedoch, dass Erosion auch in Flachlagen vorkommen kann und es daher ein gesamtrheinhessisches Problem ist, zumal die Intensität einer Begrünung in Konflikt mit der verstärkten Trockenheit steht. 3.5 Fragenkomplex: Klimatische und weinbauliche Veränderungen in Bezug auf Hagel und Sonnenscheindauer Ein weiteres Thema von hoher weinbaulicher Relevanz bei gleichzeitig schlechter Vorhersagbarkeit ist der Hagel. Sah die eine Hälfte der befragten Winzer und der Kellermeister das Auftreten dieser lokalen Ereignisse als gleichgeblieben, will die andere Hälfte in Abb. 7: Statementlistenfrage: Tröpfchenbewässerung im rheinhessischen Weinbau im Rahmen des Klimawandels (eigene Darstellung). 39 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Abb. 8: Statementlistenfrage: Zukünftige Rolle des Hagels in Rheinhessen (eigene Darstellung). den letzten Jahren einen Anstieg erkannt haben. Diese Diskrepanz zeigt, dass sich auch das Auftreten von Hagelereignissen als sehr schwer mess- und wahrnehmbar gestaltet, was sich ebenfalls aus den ambivalenten Antworten der befragten Experten entnehmen lässt. Trotz der Annahme, dass die Bedeutung von Hagelschäden in Rheinhessen in Zukunft zunehmen wird (vgl. Abb. 8), haben weniger als die Hälfte der Winzer ihre Parzellen gegen solche Schäden versichert. Die im theoretischen Teil bereits angesprochene erhöhte Sonnenscheindauer und –intensität wurde, abgesehen von einem Genossenschaftswinzer, von allen Befragten gleichermaßen wahrgenommen. Doch die Frage, ob man diese Entwicklung als positiv oder negativ beurteilt, teilt die Meinungen der Interviewpartner wieder, auch innerhalb der Expertenschaft. Der Möglichkeit einer besseren Reife, einer höheren Qualität und dem Anbau neuer Sorten stehen das vermehrte Auftreten von Sonnenbrand und eine verstärkte Trockenheit entgegen. 3.6 Möglichkeiten und Bereitschaft für zukünftige Anpassungsstrategien im Weinanbau Welche Möglichkeiten der Anpassung an den Klimawandel gibt es? Zunächst stellte sich heraus, dass alle Befragten, außer die beiden genossenschaftlich organisierten Winzer, einen konkreten Anpassungsbedarf sehen, wobei vor allem das flexible Reagieren auf sich 40 kurzfristig ändernde Wetterbedingungen als wichtig erachtet wird. Die Experten fordern, neben konkreten Maßnahmen, auch ein vorausschauendes Denken und keine Entscheidungen für den Moment. Dementsprechend kann man die zur Verfügung stehenden Anpassungsstrategien in langfristige und kurzfristige unterteilen, wobei bei der folgenden Betrachtung auf das Rebsortenspektrum, die Lagenwahl, das Erziehungssystem und die Pflanzdichte als Schwerpunkte für langfristige und auf die Laubwandhöhe, die Entblätterung, die Begrünung der Rebzeilen und die Bewässerung als Schwerpunkte für kurzfristige Maßnahmen Bezug genommen wird. Modifikationen bei der Unterlagswahl und Zeilenausrichtung sind aufgrund politischer und topographischer beziehungsweise arbeitstechnischer Einschränkungen als Maßnahmen größtenteils nicht umsetzbar. Aufgrund potenzieller Anpassungsmöglichkeiten ist in Fachzeitschriften, aber auch im Gespräch mit Betroffenen, die Wahl der Rebsorte ein häufig diskutiertes Thema. Immer wieder stellt sich die Frage, ob man an dem einheimischen Sortenspektrum festhalten oder eine Umstellung auf mittlerweile immer besser mögliche südländische Sorten vollziehen sollte, welche unter Klimawandelbedingungen zukünftig in Deutschland günstigere Bedingungen finden könnten. Ein Großteil der Befragten, nämlich 14 von 16, favorisieren auch zukünftig den Anbau einheimischer Sorten. Das vorhandene Rebsortenspektrum der Befragten verdeutlicht dies eindrücklich. Vor allem traditionelle Sorten, wie Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner, Dornfelder und Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen Portugieser, prägen deren Anbauflächen. Vereinzelt wurden auch pilzresistente Sorten, Neuzüchtungen und sehr alte Sorten, wie die Faberrebe, aber auch, vor allem in den letzten Jahren, kleinere Zugaben mediterraner Sorten, insbesondere Rotweine, genannt. Abgesehen von der fassweinorientierten Vermarktungsstruktur, welche traditionelle Sorten fordert, ist die sortenbedingte Einzigartigkeit der deutschen Weinbaugebiete ausschlaggebend, wobei die traditionellen Sorten den cool-climateCharakter der deutschen Weinregionen repräsentieren, die dafür geschätzt werden. Laut dem Experten des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz wäre es nicht ratsam, diese Nische aufzugeben, selbst wenn es klimatisch möglich wäre. Eine flächenhafte Umstellung der Rebsorten erweist sich somit als nicht sinnvoll und daher wenig zukunftsträchtig. Ob sich im Hinblick auf die Erhaltung der traditionellen Rebsorten die im theoretischen Zwischenfazit genannte beste Weinlage, eine Südlage mit 58 Grad Neigung, in Zukunft immer noch als die günstigste herausstellt oder ob ein Lagenwechsel denkbar wäre, schließt sich als nächste logische Frage an die der Rebsorte an. Die Hälfte der befragten Winzer und der Kellermeister zeigten sich nicht bereit, bisherige Ungunstlagen zu bewirtschaften, während sich die andere Hälfte, je nach Sorte und Boden, einen Lagenwechsel vorstellen könnte. Dass die Experten, die ebenfalls einen Lagenwechsel als möglichen Anpassungsmechanismus nicht ausschließen, mit solchen Winzerantworten rechneten, zeigt sich deutlich darin, dass sie Bedenken gegenüber den festgefahrenen Strukturen äußern und Ansichten hinsichtlich vermeintlicher Toplagen bemängeln. Bezüglich der Wahl der Lage besteht somit Anpassungspotenzial, welches vielen Winzern aufgrund ihres Festhaltens an alten Strukturen noch verwehrt bleibt. Im Hinblick auf das Erziehungssystem kann man festhalten, dass die Winzer sich auch diesbezüglich traditionell verhalten. Zehn von elf Winzern und der Kellermeister bevorzugen das Bewirtschaften in Spaliererziehung, größtenteils mit Flach-, teilweise auch mit Halbbögen, ein Winzer setzt auf die Um- kehrerziehung. Das mögliche Potenzial des Minimalschnitts wurde von den wenigsten Weinbauern bislang wahrgenommen. Sieben Winzer lehnten den buschigen Rebenwuchs mit der Begründung eines zu hohen Wasserverbrauchs, einer geringen Qualität und persönlicher Aversionen kategorisch ab. Vier andere Winzer und der Kellermeister könnten sich, trotz der gleichen Bedenken, das neue Erziehungssystem in bestimmten Lagen vorstellen, verwiesen aber darauf, mit reduziertem Arbeitsaufwand die Ansprüche des Fassweinmarktes zu erfüllen. Nur zwei der zwölf Praktiker wussten von den theoretischen Möglichkeiten, mit diesem Erziehungssystem jede mögliche Qualitätsstufe erreichen zu können und zusätzlich eine gute Durchlüftung zu realisieren, kleine, lockere und aromatische Beeren zu erhalten und die Gefahr des Sonnenbrandes zu reduzieren. Dennoch waren auch sie bislang nicht bereit, dieses System anzuwenden. Abgesehen von den Winzern sind auch die Experten nicht vom Potenzial des Minimalschnitts überzeugt. Jeweils zwei halten ihn für sinnlos beziehungsweise für eine interessante Alternative in Bezug auf klimatische Veränderungen, wobei letztere davon ausgehen, dass ein umfangreiches Wissen über die Physiologie der Weinpflanzen eine wichtige Voraussetzung ist. Hinsichtlich der Pflanzdichte, welche bei engem Stand die Reben dazu zwingt, tiefer zu wurzeln und Wasser aus tieferen Bodenschichten zu nutzen, waren den Winzern die Zusammenhänge klar. Beispiele von Spitzenwinzern mit einem Rebabstand von 0,5 Metern oder sogar Doppelreben wurden genannt. Dennoch wirtschaften die befragten Winzer, aufgrund von EU-Zuschüssen, mit einem Abstand von 2 Metern, weshalb der für die Reben beschriebene Effekt bei den Interviewpartnern nicht greift. Dass die Maßnahme bei der prognostizierten unklaren Niederschlagssituation Potenzial bietet, bestätigte die Aussage des Experten vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück. Sowohl bei extremem Regen als auch extremer Trockenheit eignet sich eine erhöhte Pflanzdichte, da Böden in der Tiefe weniger von kurzfristigen Ereignissen beeinflusst werden. 41 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Die erste kurzfristige Maßnahme, die Möglichkeiten zur Anpassung an den Klimawandel bietet, ist die Höhe der Laubwand. Die Winzer, der Kellermeister und die Experten sind sich zum momentanen Zeitpunkt einig: Die Laubwand soll zugunsten einer guten Assimilation, welche auf einem optimalen Blatt-Frucht-Verhältnis basiert, bei gleichzeitiger Entblätterung der Traubenzone, hoch gehalten werden. Da nur zwei Winzer und zwei Experten eine reduzierte Laubwandhöhe aufgrund der kleineren Verdunstungsfläche und des dadurch sinkenden Wasserverbrauchs, sowie wegen einer Reifeverzögerung aufgrund verringerter Zuckereinlagerung als eine mögliche Strategie gegenüber erhöhter Trockenheit sehen, scheint das Thema generell keine große Beachtung zu finden. Die gute Assimilation hat offenbar Vorrang. Im Gegensatz dazu wird die Entblätterung von allen Weinbauern in teilweise unterschiedlich starkem Maße eingesetzt. Hierbei waren auch fast allen Winzern und dem Kellermeister die Zusammenhänge zwischen Entblätterung und Fäulnisbekämpfung, Mostgewichtsentwicklung, Sonnenbrand und Säureabbau bekannt, weshalb sie ein flexibles Vorgehen bescheinigten. Dass die Entblätterung eine aus dem Klimawandel resultierende Maßnahme ist, zeigt sich daran, dass die meisten Winzer sie erst seit rund fünf Jahren praktizieren. Trotz der Kürze ihres Einsatzes stellt sie sich als eine gut verstandene und sinnvoll genutzte Maßnahme heraus. Dennoch bremsen die Experten die Entblätterungseuphorie, indem sie die Winzer auffordern Risiken zu streuen, weil bei starker Hitze direkt nach der Entblätterung Sonnenbrandschäden möglich sind. Die Begrünung der Rebzeilen als eine dritte kurzfristige Strategie stellt zwar nicht unbedingt eine aus dem Klimawandel heraus geborene Maßnahme dar, dennoch wird sie in letzter Zeit immer wichtiger und wirkungsvoller. Wie bereits erläutert, besteht diesbezüglich einer der größten Unterschiede zwischen dem konventionellen und dem ökologischen Weinbau. Während der erstere nur bei Steillagen zumeist jede Zeile bewachsen lässt und bei flacheren Gassen jede zweite Zeile niedrig 42 begrünt oder Stroh als Ersatzmaterial nutzt, lassen die ökologischen Winzer in jeder Zeile die Pflanzen, hierbei nicht nur Gras, wachsen. Bei trockenem Wetter findet lediglich ein Umwalzen der Pflanzen statt, um eine verdunstungshemmende Bodenabdeckung zu erhalten, während die Pflanzen bei starken Niederschlägen stehen bleiben, um Chlorosen vorzubeugen. Von den Experten wird die schonende Bodenbearbeitung als wichtiges Element gesehen, um mit dem Klimawandel umzugehen. Dass auch die konventionellen Winzer dies erkannt haben, zeigt sich daran, dass einige diesbezüglich bereits Strategien der ökologischen Winzer übernommen haben und darin Potenzial sehen. Das Thema „Bewässerung“ wurde, trotz aller finanziellen, ökologischen und technischen Schwierigkeiten, zumindest für einzelne Parzellen, von einem Großteil der Winzer, dem Kellermeister und der Experten als zukünftige Maßnahme für sinnvoll erachtet. Als problematisch wurde von einem Winzer der Eingriff in den Selbstversorgungsmechanismus der Rebe gesehen, wobei die Experten eher die Wasserverfügbarkeit kritisch bewerten, weshalb die Maßnahme vielleicht teilweise zu Entlastung führt, sich aber im Zuge des Klimawandels nicht zu einer ausschließlichen und flächenübergreifenden Maßnahme entwickeln kann. Hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels für die Arbeit im Keller waren die Einschätzungen sehr konträr. Der Kellermeister und die Hälfte der Befragten gaben an, dass die Arbeiten im Keller, aufgrund einer der erhöhten Fäulnis geschuldeten veränderten mikrobiellen Aktivität, eines gestiegenen Alkoholanteils und des Arbeitens mit Extremen, einen wichtigen Beitrag zur Weinqualität im Zuge des Klimawandels liefert, während die andere Hälfte der Befragten hauptsächlich die Trauben als solche und damit gleichzeitig die Maßnahmen im Wingert betonte. Die Experten schlossen sich der Meinung der ersten Gruppe von Praktikern an. Da eine Flasche Traubensaft zwei Euro, eine Flasche Wein zwischen zwei und 200 Euro koste, müsse die Kellerwirtschaft das Qualitätspotenzial entfalten und zur Blüte bringen, so die Meinung Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen des Experten vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz. Um dies auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen neuartige klimawandelbedingte Aufgaben gemeistert werden. Da die Weißweinernte wegen der phänologischen Verfrühung immer weiter in die warme Jahreszeit fällt, stellen insbesondere auch erhöhte Energiekosten durch eine temperaturgesteuerte Gärung eine Herausforderung dar, weshalb vermehrt Nachternten eingeführt wurden. Nachdem die Zusammenhänge und Problemfelder erläutert wurden, hatten die Befragten die Gelegenheit, ihre Meinung zum Thema Forschung und Information kundzutun. Obgleich bei einigen Weinbauern klimatische und weinbauliche Zusammenhänge, vor allem hinsichtlich des Klimawandels und der Mikrobiologie, fehlten, mangelte es scheinbar, mit Ausnahme einer generellen sowie einer Esca-bezogenen Gesundhaltung der Reben, wenigen Winzern an Information. Die vielfältige Kommunikation zwischen Forschung und Praktikern wurde als gut und die Bereitschaft der Winzer sich zu informieren als hoch angesehen. Dem gegenüber stehen die Aussagen einiger Weinbauern, welche klare Verhältnisse verlangten, wie die Aussage „weniger Spekulationen, mehr Tatsachen“ des Mörstadter Winzers bestätigt, wobei sie sich, wie der Niersteiner Winzer, über „zwei Anrufe, drei Meinungen“ ärgerten. Auch die Experten erlebten nach eigenen Angaben die vielfältigsten Reaktionen auf ihr Informationsangebot, was zum Teil auf fehlendem Know-how basiere und somit gelegentlich problematisch sein würde. 3.7 Auswertung verschiedener Fragenkomplexe auf der Metaebene Bei einem Vergleich der Expertenantworten konnte man feststellen, dass bei eindeutig belegbaren Aspekten, wie beispielsweise den erhöhten Temperaturen, der längeren und intensiveren Sonnenscheindauer, dem Mostgewicht und dem Alkohol-Säure-Verhältnis, volle Übereinstimmung vorlag. Hinsichtlich nicht aufgezeichneter oder nicht eindeutig aufzeichenbarer Themen, wie Hagel, Aromaveränderungen und Schädlingsentwicklung bei niedrigen Temperaturen, sowie Aussagen zu Frösten und der Zukunft des Eisweins, gab es aber auch Abweichungen in den Äußerungen. Dass der Klimawandel teilweise auch unvorhersehbare Veränderungen mit sich bringt, beweist das Thema „Wasserhaushalt“. Hinsichtlich der Starkniederschläge herrschte unter den Experten Einigkeit, nicht jedoch zu dem Aspekt der Trockenphasen. Auch die Erosion als altes und die Vegetationszeit betreffendes Thema für Rheinhessen wurde als ungleich problematisch dargestellt. Zwischen dem Vertreter der Behörde und den wissenschaftlichen Experten herrschten große Diskrepanzen hinsichtlich der Ansichten zu den Anpassungsstrategien vor. Ersterer ging davon aus, dass sich die Winzer gerne auf neue, mediterrane Rebsorten umstellen wollen, was von den Wissenschaftlern und den Praktikern verneint wird. Auch seine Aussage, dass sich die Winzer in Zukunft gerne in Ungunstlagen einkaufen werden, wurde von den Experten angezweifelt, was von den Weinbauern bestätigt wurde. Daher wird diesbezüglich deutlich: Es herrscht ein anderer Ausgangspunkt des Verständnisses zwischen Theorie und Praxis vor, was eventuell erkennen lässt, dass die politisch motivierten Gesetze und Verordnungen zu den Rebunterlagen und der Gassenbreite die praktische Sicht des Weinbaus womöglich vernachlässigt. Dass die Anpassungsstrategien auch für die Experten nicht eindeutig zu bewerten sind, zeigt das Thema Minimalschnitt, welcher sehr kontrovers betrachtet wird. Auch der Gegensatz zwischen rein genossenschaftlich ausgerichteten, häufig Nebenerwerbswinzern zu Haupterwerbswinzern, welche auch selbst kleine Anteile ihrer Trauben keltern, war eindrücklich. Beide nebenerwerblichen Genossenschaftswinzer erkannten die Temperaturerhöhung während der Vegetationsperiode nicht und einer der beiden nahm außerdem die verstärkte Sonneneinstrahlung nicht wahr. Auch hinsichtlich der weinbaulichen Auswirkungen, wie der phänologischen Veränderung und der Entwicklung des Alkohol-Säure-Verhältnisses, konnten bei43 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes de nur begrenzt Antwort geben, neue Schädlinge konnten nicht benannt werden und der Sonnenbrand wurde von einem Winzer als Folge der „neuen Mode“ des Entblätterns ausgelegt, wobei beide selbst entblättern. Beide Weinbauern sahen noch keine Notwendigkeit zur Anpassung, was im Widerspruch zu der durchgeführten Entblätterung und teilweisen Begrünung steht. Als Begründung für die angebaute Rebsorte führten die Winzer ausschließlich an, dass sie das anbauen, was die Genossenschaft vorgibt, was kein überzeugendes Argument darstellt. Dieser und weitere bereits erwähnte Aspekte, wie die Zeilenausrichtung und der Minimalschnitt bescheinigen eventuelle Defizite im praktischen Weinbau, welche sich unter Klimawandelbedingungen noch verschärfen könnten, was auch der Kellermeister für die Nebenerwerbswinzer der Genossenschaft prognostizierte. Vergleicht man außerdem den ökologischen und den konventionellen Weinbau miteinander, müssen zunächst die großen Vorurteile, die bei einigen Befragten hinsichtlich der Traubengesundheit im ökologischen Weinbau vorlagen, relativiert werden. Wie bereits erläutert, sind, abgesehen von den unterschiedlichen Spritz- und Düngegewohnheiten, vor allem das optimal angepasste Bodenmanagement und eine geringere und schonendere maschinelle Bearbeitung die Hauptunterscheidungskriterien. Der große Vorteil der ökologischen Winzer besteht aber darin, dass sie, aufgrund der Restriktionen beim Einsatz chemischer Mittel, die Natur intensiver beobachten müssen, um angemessen eingreifen und unterstützen zu können. Dieses sensible und bewusstere Vorgehen könnte auch in Bezug auf die klimatischen Anforderungen der Zukunft eine gute Strategie sein. Will man eine räumliche Gesamtdarstellung zur Entwicklung Rheinhessens während des Klimawandels geben, muss man das Gebiet in die Bereiche Rheinfront und Hinterland untergliedern, denn die Rheinfront wird, wie bereits deutlich wurde, in Zukunft der benachteiligte Bereich Rheinhessens werden. Sandige Böden mit einer geringen Wasserspeicherkapazität, die erhöhte Erosion bei den Steillagen, verstärkt durch eine intensivere 44 Sonneneinstrahlung und vermehrte Starkniederschläge lassen die Relation zwischen Kosten und Mühen als nicht lohnend erscheinen. Selbst wenn von den Befragten kein Identitätsverlust vermutet wird, ist die Rheinfront aufgrund ihres hohen Wiedererkennungswertes für Rheinhessen ein wichtiges weinbauliches Vorzeigebeispiel. Dementsprechend fällt die Beurteilung der Weinregion Rheinhessen im Vergleich zu anderen Weinbaugebieten positiv aus: Vor allem Winzer und Kellermeister im Hügelland sowie die Experten sehen große Vorteile in ihrem Standort hinsichtlich eines persistenten Sortenspektrums, den vielfältigen Böden, den unterschiedlichsten Weinbergslagen und den optimalen Klimabedingungen. Und die Rheinfront soll anhand geeigneter Maßnahmen erhalten werden. 4. Zusammenfassung Das Fazit, das zu „Klimawandel und Weinbau“ gezogen werden kann, lautet letztlich „Ambivalenz“! Dies zeigte sich von vorneherein darin, dass schon das Phänomen Klimawandel und die damit einhergehenden Konsequenzen nur von der Hälfte der Winzer überhaupt adäquat wahrgenommen werden. Was die bisherigen klimatischen Veränderungen anbelangt, entsprechen die Aussagen der Interviewpartner in Bezug auf die Temperaturentwicklung und die Sonnenscheindauer während der Vegetationsperiode tendenziell den Messdaten des Deutschen Wetterdienstes. Die Einschätzungen zur Entwicklung der Wintertemperaturen und der Fröste stellten sich, vor allem bei den Winzern, als sehr uneinheitlich heraus. Hinsichtlich des Wasserhaushalts war es vor allem die unregelmäßige Niederschlagsentwicklung, die den Befragten mit dem Verweis auf die Selbstregulierung der Rebe bislang noch recht wenig Sorgen bereitet. Dennoch wurde in großer Übereinstimmung, auch mit den Simulationsmodellen, eine zukünftig angemessene Wasserverfügbarkeit als nicht gesichert angesehen und viele der Befragten verwiesen auf die mögliche Notwendigkeit einer Bewässerung. Die Wasserverfügbarkeit scheint, vor dem Hintergrund Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen der Zunahme der Extreme, einer der begrenzenden Faktoren der weinbaulichen Zukunft darzustellen. Letztlich kann man insgesamt festhalten, dass der Großteil der Befragten, Winzer und Experten, für die Zukunft große klimatische Veränderungen voraussehen, die nicht unproblematisch erscheinen. Im Zuge der klimatischen Veränderungen hat der Weinbau diverse neuartige Herausforderungen zu bewältigen. Hierbei kann zunächst gesagt werden, dass sichtbare Veränderungen, wie die Verfrühung der Phänologie und die Krankheiten, recht eindeutig von allen Befragten erkannt wurden. Was jedoch die chemischen Zusammenhänge innerhalb der Traube anbelangt, wie beispielsweise das Mostgewicht, das Alkohol-Säure-Verhältnis und die Aromatik, war es für einige Winzer und zum Teil auch für die Experten schwieriger, eine Aussage zu treffen. Die Verfrühung der Phänologie wurde aufgrund der längeren Reife von den meisten der Befragten bislang trotz des erhöhten Energiebedarfs bei der Kühlung und des höheren Fäulnisrisikos als eher positiv bewertet. Entgegen den Annahmen aus dem theoretischen Zwischenfazit scheinen, was Krankheiten generell anbelangt, noch nicht die tierischen Schädlinge, sondern vor allem Fäulnis und Sonnenbrand große Probleme darzustellen, welche sich nach Angaben aller Befragten auch noch verschärfen könnten. Während das Mostgewicht von allen Beteiligten sehr positiv beurteilt wurde und in diesem kein zukünftiges Risiko gesehen wurde, war es vor allem das AlkoholSäure-Verhältnis, welches zum Teil als problematisch angesehen wurde. Die Weine, hierbei in erster Linie die Weißweine, könnten im Zuge einer weiteren Zunahme von Temperatur und Sonnenschein nämlich ihren typischen fruchtig-spritzigen Charakter verlieren, wenn der Säureabbau voranschreitet und der Alkoholanteil zu hoch wird. Auch das Aroma des Weins würde, beispielsweise durch entstehende Petrolnoten oder untypische Alterungstone, die sich auch auf die Haltbarkeit auswirken, aufgrund der Klimaveränderungen negativ beeinträchtigt werden. Die teils nicht eindeutigen klimatischen und weinbaulichen Zukunftsprognosen führen letztlich zu der Frage, wie die Winzer mit den Gegebenheiten umgehen und wie sie sich anpassen sollen. Sicher scheint zu sein, dass sie unbedingt das einheimische Rebsortenspektrum und damit ihre Nischenposition erhalten wollen. Dennoch sind einige Weinbauern (noch) nicht bereit, zukünftig auch Ungunstlagen zu bewirtschaften, wie es die Experten vorschlagen und einige Winzer auch schon praktizieren. Das Spektrum der Unterlagssorten ist, aufgrund der deutschen Gesetze, noch beschränkt und eine veränderte Zeilenrichtung ist topographisch selten machbar. Ob ein neues Erziehungssystem, wie der Minimalschnitt, klimawandeltauglich ist, scheint indes noch nicht geklärt und Vorbehalte sowohl von Seiten der Winzer als auch der Experten sind bislang noch groß. Die kurzfristigen Maßnahmen, wie Entblätterung, Begrünung der Rebzeilen und Laubwandhöhenanpassung, werden teilweise, gemäß den Aussagen der Experten, aber bereits erfolgreich von den meisten Winzern eingesetzt. Vor allem die Begrünung scheint im Klimawandel eine nicht mehr wegzudenkende Strategie zu sein, die eine angemessene Wasserversorgung der Rebe unterstützt und dem möglicherweise durch Starkregen erhöhten Erosionsrisiko vorbeugt. Anhand der häufig kontroversen Aussagen kann man sehen, dass die klimatische Übergangsphase, in der wir uns heute befinden, die Bewertung der Ereignisse erschwert, die Anpassungsstrategien immer wieder relativiert und diese jährlich neu ausgelotet werden müssen. Letztlich wird vor allem die agrargeographische Region der so genannten Rheinfront mit großen Problemen zu kämpfen haben, die sich auf die dort vorhandenen Böden und deren geringe nutzbare Feldkapazität, sowie auf das erhöhte Erosionsproblem aufgrund der Steillagen beziehen. Da das restliche Gebiet Rheinhessens von diesen Problemen weniger betroffen sein wird, gilt es vor allem die Rheinfront zu erhalten. Insgesamt gesehen ist Rheinhessen, im Vergleich zu den anderen deutschen Weinbaugebieten, aufgrund der Böden, des geringen Anteils an Steillagenweinbau und der Lagenvielfalt dennoch begünstigt. 45 Lisa Eisenbach, Hans-Joachim Fuchs & Ulrich Matthes Schlussendlich kann man sagen, dass der Klimawandel den Weinbau revolutioniert. Lehrbücher müssten umgeschrieben werden, alte Prämissen und Strategien, wie im theoretischen Zwischenfazit beschrieben, werden in Frage gestellt und neue Maßnahmen sind von Nöten, wenn der deutsche Weinbau seinen cool-climate-Charakter nicht verlieren will. Lassen sich die Winzer auf die Gegebenheiten ein und überdenken sie ihre traditionelle Bewirtschaftungsweise, können ihnen die mit dem Klimawandel einhergehenden positiven Aspekte, wie eine bessere Reife und eine höhere Qualität, auch weiterhin, vor allem in Rheinhessen, zuträglich werden. Vor dem Hintergrund, dass bereits in den Oslofjorden Norwegens Weißweinanbau betrieben wird, scheint in Deutschland die Zeit für ein Umdenken und für Veränderungen im Weinbau definitiv reif zu sein. 5. Danksagung Die Autoren bedanken sich ganz herzlich bei den Interviewpartnern: Elf Winzern und einem Kellermeister aus Rheinhessen, drei Weinbauwissenschaftlern und einem Vertreter einer Behörde, die sich sehr viel Zeit genommen haben, die komplexe Fragestellung zu beleuchten. Somit konnten ihre wertvollen praktischen Erfahrungen und Langzeit-Wahrnehmungen in die Auswertung einfließen. Dies stellt neben den statistischen Datenauswertungen und Projektionen einen sehr wichtigen Teil des vorliegenden Aufsatzes dar. 6. Literaturverzeichnis Bauer, K. (Hrsg.) (2008): Weinbau. 432 S., Österreichischer Agrarverlag. Wien. Boomgaarden, K., Charissé, H. & Müller, M. (2010): Weinwirtschaftsstruktur – Erzeugung und Vermarktung: 39-80. – In: Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (Hrsg.): Weinwirtschaftsbericht, Rheinland-Pfalz, Deutschland und die Welt. 183 S., Mainz. Brüning, H. (Hrsg.) (1976): Vom Eiszeitalter im Mainzer Becken. Rheinhessisches Tafel- und Hügelland. – Museumsführer 5: 58 S., Eigenverlag Naturhistorisches Museum Mainz. Mainz. 46 Currle, O. & Bauer, O. (Hrsg.) (1981): Rheinhessen. 335 S., Seewald-Verlag. Stuttgart. Dohm, H. (Hrsg.) (2004): Rheinhessen. Weine & Winzer. 136 S., Leinpfad-Verlag. Ingelheim. Gerstengarbe, F.-W. & Werner, P. C. 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(2007): Perspektiven der Klimaänderung bis 2050 für den Weinbau in Deutschland (Klima 2050). – PIK Report No. 106: 138 pp., Potsdam. Internet: http://www.pikpotsdam.de/research/publications/pikreports/.files/ pr106.pdf (eingesehen am 06.02.2013). Vogt, E. & Götz, B. (Hrsg.) (1987): Weinbau. 366 S., Ulmer. Stuttgart. Der Klimawandel und mögliche Auswirkungen auf den Weinbau in Rheinhessen Anschriften der Verfasser: Lisa Eisenbach Wiesenstraße 20 D-67305 Ramsen Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs Geographisches Institut Johannes Gutenberg-Universität Mainz D-55099 Mainz E-Mail: [email protected] Homepage: www.staff.uni-mainz.de/hjfuchs Dr. Ulrich Matthes Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen bei der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirschaft Hauptstraße 16 D-67705 Trippstadt E-mail: [email protected] Homepage: www.klimawandel-rlp.de Manuskript eingegangen: 13.02.2013 47