Aus der Praxis für die Praxis Published online: November 10, 2016 Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:328–332 DOI: 10.1159/000452646 Chrischta Ganz Naturheilkundliche Therapiekonzepte bei Ohrenerkrankungen Die Ohren Beim Hörorgan unterscheidet man das Innenohr, das Mittelohr und das äussere Ohr. Das Innenohr wird als Schallempfindungsapparat und das Mittelohr sowie das äussere Ohr werden als Schallleitungsapparat bezeichnet. Schallwellen werden zuerst vom äusseren Ohr aufgefangen und über den äusseren Gehörgang an das Trommelfell, das die Grenze zum Mittelohr bildet, weitergeleitet. Durch Schallwellen wird es in Schwingung versetzt, die dann im Mittelohr über die Gehörknöchelchenkette von Hammer, Amboss und Steigbügel auf das ovale Fenster, das die Grenze zum Innenohr (wo sich auch das Gleichgewichtsorgan befindet) bildet, übertragen wird. Gerät das ovale Fenster in Schwingung, wirkt diese auf die Flüssigkeitssäule in der Schnecke und damit auf die Sinneszellen des Hörorgans (Corti-Organ). Das Corti-Organ übersetzt die Schwingungen in elektrische Impulse und leitet sie weiter. Abb. 1. Ohrenkerzen, ein volksheilkundliches Ohrenheilmittel. Das Mittelohr ist mit dem Rachenraum verbunden und sorgt damit für einen Druckausgleich zwischen Paukenhöhle und Aussenluft. Nur so kann das Trommelfell beweglich bleiben, was für die Fähigkeit zu hören essenziell ist. Schluckt der Mensch, öffnet sich die Tuba auditiva (Ohrtrompete) [1–3]. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird das Ohr dem Funktionskreis Niere-Blase zugeordnet. In der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde (TEN) wird im Falle eines Tinnitus ein hoher Ton der Leber und ein tiefer Ton der Niere zugeordnet [4]. Joachim-Ernst Berendt (1922– 2000) bezeichnet das Ohr als empfangendes, weibliches Organ – im Gegensatz zu den Augen, die er als männliches Sinnesorgan beschreibt [5]. Zum Thema Ohren ist auch die Lärmbelastung, der wir heute ausgesetzt sind, zu nennen. Herbert von Karajan soll einmal gesagt haben: «Lärm ist der hörbare Müll unserer Zivilisation» [5]. Gerade in Bezug auf die salutogenetischen Kräfte des Menschen während Heilungs-, Rekonvaleszenz- © 2016 S. Karger GmbH, Freiburg Fax +49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/szg und Regenerationsphasen wie auch bei Zivilisationserkrankungen (insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen) ist die Lärmbelastung längst auch ein medizinisches Problem geworden [6]. Stetig einwirkender Lärm von 85 Dezibel A verursacht Gehörschäden; ab 120 dBA können schon bei kurzer Einwirkung Schäden am Gehör entstehen. Zum Vergleich: Eine Spielzeugpistole am Ohr abgefeuert verursacht 180 dBA und eine Trillerpfeife mit 1 m Entfernung 120 dBA, die Dauerbeschallung an Hauptstrassen beträgt 70 dBA, und ab 65 dBA dauernder Einwirkung besteht ein erhöhtes Risiko für HerzKreislauf-Erkrankungen [4, 6, 7]. Was tut dem Ohr gut? [4, 7, 8] – Bei Lärmexposition Ohrenschutz tragen (Maschinen, Industrie, Schiessen, Konzerte usw.). – Ohr vor Kälte, Nässe und Zugluft schützen. – Ohren nicht mit Wattestäbchen putzen. – Ohrkerzen. Chrischta Ganz Praxis für Naturheilkunde Friedhofstrasse 15, 8636 Wald ZH, Schweiz naturheilpraxis @ chrischtaganz.ch www.chrischtaganz.ch Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/30/2017 8:27:54 PM Das Ohr ist als eines der fünf klassischen Sinnesorgane des Menschen nicht nur in seiner physiologischen Funktion, sondern auch umgangssprachlich im Alltag des Menschen tief verwurzelt. So kennen wir beispielsweise die Redewendungen: – Wer nicht hören will, muss fühlen. – Für etwas taub sein. – Auf dem Ohr hört der nichts. – Auf jemanden hören. – Auf die innere Stimme hören. Erkrankungen der Ohren Die Strukturen des Innenohrs sind äusserst empfindlich. Darum muss die Behandlung von Ohrenerkrankungen wie Mittelohrentzündungen (Otitis media), Innenohrentzündung, Tubenkatarrh, Mastoiditis, Morbus Menière, Trommelfellentzündung oder -verletzung, Tinnitus, Hörsturz oder Hörverlust anderer Ursache sehr schnell und effektiv erfolgen. Verlorenes Terrain lässt sich nur schwer zurückgewinnen [1, 3]. An dieser Stelle werden naturheilkundliche Therapiekonzepte bei den beiden häufigen Ohrenerkrankungen Otitis media und Tinnitus vorgestellt. Aus der Praxis für die Praxis Tab. 1. Behandlungsmöglichkeiten bei Mittelohrentzündung Weleda Levisticum Globuli und Oleum Zusammensetzung Dosierung Globuli (Erwachsene) Dosierung Oleum 10% Kontraindikation kontraindiziert bei perforiertem Trommelfell Wala Aconit comp. Globuli Zusammensetzung Aconitum nappelus e tubere ferm. 33c dil. D29 Atropa belladonna e radice ferm 33b dil. D29 Toxicodendron quercifolium e foliis ferm 33b dil. D29 Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren: 1–3 × täglich 5–10 Globuli Dosierung Wala Aconit comp. Ohrentropfen Zusammensetzung Dosierung Kontraindiktion Levisticum officinale W.D.J.Koch, Radix sicca 1–3 × täglich 2 Globuli, im Akutfall alle 1–2 h als Ohrentropfen 3 × täglich 3 Tropfen leicht erwärmt in den Gehörgang geben; schon bei Kleinkindern einsetzbar Aconitum napellus e tubere ferm 33c dil. D9 D-Campher Lavandulae aetheroleum Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren: als Ohrentropfen 3 × täglich 2 Tropfen leicht erwärmt in den Gehörgang geben kontraindiziert bei perforiertem Trommelfell Otitis media Infektionen des Nasenrachenraums können sich zu Tubenkatarrh und Otitis media weiterentwickeln. Die klassischen Symptome sind heftige und pulsierende Schmerzen sowie Schwerhörigkeit. Die Patienten fühlen sich krank und haben häufig Fieber und Kopfschmerzen. Bei Säuglingen und Kleinkindern können zusätzlich unspezifische Symptome wie Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen auftreten. Falls es zu einer SpontanPerforation des Trommelfells und zum Austritt von Flüssigkeit kommt, sind die Schmerzen oft schlagartig verschwunden. Patienten mit chronischer Otitis media klagen über ständiges Ohrlaufen (Otorrhö) und Schwerhörigkeit aufgrund von Schallleitungsproblemen [3, 4, 10]. Eine Mittelohrentzündung kann durch rechtzeitiges Handeln sehr häufig naturheilkundlich behandelt werden. Tritt jedoch bei einer akuten Mittelohrentzündung innerhalb einiger Stunden keine Besserung ein, wird wegen Gefahr von Mastoiditis, Fazialislähmung, Meningitis usw. schulmedizinisch (antibiotische Therapie) behandelt [4, 10]. Therapie: – Levisticum officinale (Liebstöckel, Maggikraut) [11–16]: Levisticum wird in der Anthroposophischen Medizin bei Entzündungen im Sinnesbereich (z.B. Otitis media und deren Folgezustände) eingesetzt. In der TEN gilt Levisticum als wärmende Heilpflanze, die zähe und übermässige Feuchtigkeit zerteilt und vermindert, was humoralmedizinisch begründet ein auslösender bzw. verstärkender Faktor bei Mittelohrentzündungen ist. Als mögliches Präparat sei an dieser Stelle Weleda Levisticum Globuli und Oleum genannt (Tab. 1). – Aconit, Aconitum napellus (Blauer Eisenhut, Echter Sturmhut) [12– 17]: Aconit wird in der Homöopathie als Anfangsmittel bei akut entzündlichen, fieberhaften Krankheiten sowie bei Schmerzen eingesetzt. Die Anthroposophische Medizin verwendet Aconit bei Nervenentzündungen und Schmerzen durch verstärktes Eingreifen der Empfindungsorganisation in das NervenSinnes-System. Aconit regt den Wärmeorganismus und die Integration von Stoffwechselprozessen Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:328–332 329 Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/30/2017 8:27:54 PM Ohrkerzen (Abb. 1) sind ein traditionelles Ohrenpflegemittel, bei dem ein ca. 20–30 cm langer Kegel aus Bienenwachs, Baumwollgaze, ätherischen Ölen und Pflanzenpulver in das Ohr gesetzt und angezündet wird. Es entsteht ein leichter Unterdruck, da die erwärmte Luft innerhalb des Kegels aufsteigt, was einen Druckausgleich im Mittelohr und in den Nasennebenhöhlen mit sich bringt. Zusätzlich wird die natürliche Abwehrkraft des Ohrs unterstützt und der übermässigen Bildung von Ohrenschmalz entgegengewirkt. Bereits im Ohr bestehender Ohrenschmalz kann allerdings mit Ohrenkerzen nicht aus dem Ohr «gesogen» werden. Ohrenkerzen werden mit Erfolg bei rezidivierenden Ohrenerkrankungen in den gesunden bzw. subakuten Phasen eingesetzt [9]. Kontraindiziert ist die Anwendung bei akuten Ohrenerkrankungen. Ohrenkerzen werden oft auch Hopi-Kerzen genannt, da sie als altes Heilmittel der Hopi-Indianer gelten (was allerdings auch immer wieder dementiert wird). Abb. 2. Knospe von Ribes nigrum, dem bekanntesten Gemmomazerat. bei schmerzenden Entzündungen, die vom Nerven-Sinnes-System ausgehen, an. Ein bewährtes Mittel bei Mittelohrentzündung ist Wala Aconit comp. (Tab. 1). – Allium cepa (Zwiebel) [9–12, 15, 17, 18]: Zwiebelanwendungen bei Ohrenerkrankungen haben eine lange Tradition. Meistens wird empfohlen, eine gehackte Zwiebel oder eine gequetschte Zwiebelschicht einer halbierten Zwiebel in einem leichten Baumwollstoff auf das Ohr aufzulegen. Da die Zwiebelpäckchen im Liegen jedoch oft verrutschen und den Zwiebelgeruch im ganzen Bett verbreiten, ist die Verwendung von Zwiebelsaft einfacher in der Anwendung (insbesondere bei Kindern). Dazu wird mithilfe einer Knoblauchpresse etwas Zwiebelsaft auf einen Teelöffel gepresst, dieser leicht erwärmt und dann in den Gehörgang geträufelt und mit etwas Watte verschlossen (eventuell mit leichter Wärmezufuhr mit Bettflasche oder Kirschensteinsack). Der Zwiebelsaft hat eine schmerzstillende Wirkung auf das Trommelfell und wirkt schleimlösend im Mittelohr wie auch im Verbindungsgang zur Nase. In der TEN wird die Zwiebel bei Kälteund Feuchtigkeitspathologien eingesetzt. Kontraindiziert ist Zwiebelsaft bei perforiertem Trommelfell. – Gemmomazerat Ribes nigrum (Schwarze Johannisbeere), Cassis [19]: 330 Verdacht auf akuten Tinnitus Ohrgeräusche kommen mindestens einmal pro Woche unter 1 h während 3 Monaten nach dem ersten Auftreten vor. Ein akuter Tinnitus bildet sich oft von alleine wieder zurück. Subakuter Tinnitus Ohrgeräusche kommen mindestens einmal pro Woche mehr als 1 h während 6 Monaten nach dem ersten Auftreten vor. Chronischer Tinnitus Die Ohrgeräusche kommen während 6–12 Monaten nach dem ersten Auftreten ständig vor. Das Knospenmazerat aus der Schwarzen Johannisbeere (Abb. 2) wirkt stark entzündungshemmend und abschwellend auf die Schleimhäute, stärkt das Immunsystem und wirkt adaptogen. Es wird mit Erfolg als adjuvantes Mittel bei Mittelohrentzündung eingesetzt (orale Gabe). Dosierung: 5–6 × täglich 2 Sprühstösse (Kinder unter 6 Jahren 3 × 1 Sprühstoss) direkt in den Mund. – Bei chronischer Mittelohrentzündungen ist eine Darmsanierung und die Modulation des Immunsystems angezeigt [14]. Ohrenentzündungen bei Kindern Gerade bei Kleinkindern tauchen Ohrenschmerzen oft im Krankheitsverlauf bei Erkältungen auf. Durch die Schwellung der Schleimhaut der Eustachi-Röhre in Kombination mit zähem Schleim (Tubenkatarrh) wird der Druckausgleich im Mittelohr verhindert. Der Druckunterschied führt zusammen mit den Schleimansammlungen im Mittelohr (Paukenerguss/Mukotympanon) zu schmerzhaften Entzündungen und momentanem Hörverlust/Schwerhörigkeit. Aus dem Tubenkatarrh wird schnell eine Otitis media – die Übergänge zwischen den beiden Erkrankungen sind fliessend. Die nachfolgend vorgestellten Mittel wirken sowohl bei Tubenkatarrh als auch bei Otitis media [4, 10]. Therapie: – Aconitum D6 [4, 10, 15]: Wenn das Kind plötzlich einsetzendes hohes Fieber hat, besonders nach Zugluft und kaltem, trockenen Wind. Das Kind schwitzt nicht, hat eine trocke- Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:328–332 – – – – – ne Haut und ist ängstlich, schwach und berührungsempfindlich. Die Schmerzen im Ohr sind heftig, pulsierend und klopfend. Dosierung: Jede halbe Stunde 3 Globuli. Belladonna D6 [4, 10, 15]: Wenn das Kind ebenfalls plötzlich einsetzendes Fieber hat, das Gesicht jedoch stark gerötet oder bläulich-rot ist. Das Kind ist unruhig und verwirrt (Fieberphantasien), kann Zuckungen und Krämpfe haben und entwickelt eine feuchte Hitze (verschwitzte und feuchte Haut). Die Schmerzen im Ohr sind auch bei Belladonna heftig, pulsierend und klopfend. Dosierung: Jede halbe Stunde 3 Globuli. In der Kinderheilkunde ist bekannt, dass akut fieberhafte Erkrankungen oft zuerst das trockene Stadium (Aconit) und dann recht häufig das feuchte Stadium (Belladonna) durchlaufen. Dann ist anfangs die Gabe von Aconit und bei Wechsel der Symptomatik die Gabe von Belladonna angezeigt [10, 15]. Pulsatilla D6 [4, 10, 15]: Bei Ohrenschmerzen ohne Schnupfen oder bei dünnflüssigem Fliessschnupfen. Dosierung: Alle 2–3 h 5 Globuli. Kalium chloratum D6 [4, 10, 15]: Bei Ohrenschmerzen mit Stockschnupfen wird ein schleimverflüssigendes Mittel wie Kalium chloratum gegeben. Dosierung: Alle 1–2 h 5 Globuli. Ebenso werden bei Kindern die Ohrkompresse mit Zwiebel (ab 2 Jahren) sowie das Gemmomazerat R. nigrum (ab 6 Monaten) erfolgreich eingesetzt. Aus der Praxis für die Praxis Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/30/2017 8:27:54 PM Tab. 2. Die drei Phasen bei Tinnitus Tinnitus Aus der Praxis für die Praxis Abb. 3. Ginkgo biloba mit seinen typischen, parallelnervigen Blättern. als Auslöser. Frauen erkranken häufiger als Männer. Heute geht man davon aus, dass ein Tinnitus im Gehirn entsteht. Diese These stützt sich auf Patientenfälle, bei denen der Hörnerv durchtrennt wurde – mit dem Resultat, dass die Tinnitus-Patienten nichts mehr hörten ausser dem Tinnitus [3, 4, 7, 8]. Therapie: Kein Tinnitus ist wie der andere – es gibt deshalb keine Tinnitus-Standardtherapie. Trotzdem werden an dieser Stelle einige bedeutsame Therapievarianten vorgestellt. – Ginkgo biloba (Ginkgo/Tempelbaum) [4, 10–12, 15, 16]: Ginkgo (Abb. 3) gilt als der Methusalem unter den Bäumen. Seine Entstehung wird auf die Zeit des Mesozoikums, d.h. vor etwa 280– 225 Millionen Jahren, geschätzt. Der zweihäusige Ginkgobaum ist vor ca. 2,5 Millionen Jahren aus Europa verschwunden und kommt heute in seiner Wildform nur noch in einem kleinen Gebiet in Südostchina (Provinzen Anhui, Guizhong, Zheijang) vor. Gerne wurden und werden die männlichen Bäume jedoch weltweit als Park- oder Alleebaum kultiviert. Die weiblichen Bäume werden wegen dem stark nach Buttersäure riechenden Geruch ihrer Früchte, den man in Europa als unangenehm empfindet, selten angepflanzt. Lange wur- de die positive Wirkung von Ginkgo bei Tinnitus mit der Mehrdurchblutung des Ohres begründet. Ob die These der verstärkten Ohrund Hirndurchblutung doch korrekt ist oder ob die Wirkung von Ginkgo eher auf sein antioxidatives Potenzial zurückzuführen ist, kann im Moment nicht mit Sicherheit bestimmt werden [4, 12]. Weiter verbessert Ginkgo die Blutfliesseigenschaften, die Hirnleistung, das Lernvermögen sowie das Gedächtnis und wirkt adaptogen, neuroprotektiv und memranstabilisierend auf die Sinnesepithele von Augen, Ohren und Nase. Ginkgo wird in der TEN bei trockenheitsinduzierten Pathologien eingesetzt, da er die Beflutung der Gewebe verbessert und auf diese Weise die Ernährung und Regeneration der Körpergewebe steigert. Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind 5–7% Terpenlaktone, 22–27% Flavonglykoside, 4–10% Proanthocyanidine, Biflavone, 2,5–3,2% Bilobalid und 1–2% Ginkgolsäure. Dosierung: Darreichung nur als Fertigpräparat; Dosierung vom jeweiligen Präparat abhängig. Kontraindikationen: Hypertonie. Interaktionen: Bei Blutverdünnern diskutiert. – Auch Padma 28, das bekannte Kräuter-Heilmittel aus der Tibetischen Medizin, wird bei Tinnitus Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:328–332 331 Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/30/2017 8:27:54 PM Der Begriff «Tinnitus» leitet sich vom lateinischen «tinnere» (dt. klingeln) ab. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine akustische Wahrnehmung des Betroffenen, die nicht durch eine äussere Schallquelle erfasst wird. Es wird der häufige subjektive Tinnitus, bei dem nur die Betroffenen die Geräusche hören, vom selteneren objektiven Tinnitus, bei dem die Geräusche messbar sind, unterschieden. Die Hörgeräusche des subjektiven Tinnitus werden als Brummen, Klingeln, Pfeifen, Zischen, Rauschen oder Knacken beschrieben [3, 4, 7, 8]. Tinnitus wird meist in drei Phasen wahrgenommen [6]. Diese basieren nicht auf einer wissenschaftlichen Grundlage, sondern richten sich nach Erfahrungswerten (Tab. 2). Oft treten die Geräusche nur in einem Ohr auf. Sie können den Tinnitus-Patienten einfach nur stören oder auch so laut sein, dass das Hörvermögen, die Konzentration und damit einhergehend die Lebensqualität stark beeinträchtigt sind. Wenn das Ohrensausen zusammen mit einem Hörverlust auftritt, handelt es sich meistens um einen Hörsturz [4, 8]. Tinnitus stellt die Medizin immer wieder vor grosse Fragezeichen. Die früher übliche Erklärung, wonach eine Mangeldurchblutung des Innenohrs Ohrensausen und Hörsturz verursachen, scheint heute überholt zu sein. Manchmal liegt der Erkrankung eine nervöse Überreizung zugrunde, und möglicherweise liegen die Ursachen teilweise auch im Hörzentrum im Gehirn. Häufig diskutiert werden als Ursachen auch Hörbeeinträchtigungen, Lärmschäden, Viruserkrankungen, Morbus Menière, andere organische Erkrankungen, Probleme mit der Halswirbelsäule oder Erkrankungen im Zahn-Kiefer-Bereich. Fachleute sprechen darum auch nicht von einer Krankheit, sondern mehrheitlich von einem Symptom bzw. Syndrom. Die Hälfte der Betroffenen (in der Schweiz rund 550 000) nennt Lärm und Stress aufgrund der Durchblutungsverbesserung sowie seiner entzündungshemmenden Eigenschaften erfolgreich eingesetzt. Dosierung: 3 × täglich 2 Kapseln bis zur Besserung, danach Erhaltungsdosis 1–2 Kapseln pro Tag [20]. – In der TEN hat sich die Reiztherapie hinter dem Ohr bewährt. Dabei wird entweder ein Blutegel hinter dem Ohr angesetzt oder die Haut hinter dem Ohr wird mehrmals in Folge (1–3 × pro Woche, mehrere Wochen lang) mit dem Baun- scheidt-Gerät (Lebenswecker) aufgeritzt und mit Baunscheidt-Öl behandelt [4, 15]. – In der TCM wird Tinnitus meist mit Akupunktur behandelt [4]. – In der orthomolekularen Medizin werden Schwermetallbelastungen überprüft und gegebenenfalls ausgeleitet. Dies betrifft insbesondere Aluminium, Blei, Quecksilber und Cadmium. Kontrolliert und falls nötig auch gesenkt werden ausserdem die Homocysteinwerte, denn sklerotische Prozesse verursachen bzw. verstärken Mikrozirkulationsstörungen [4, 12, 21]. – Bei Tinnitus muss Acetylsalicylsäure gemieden werden, da sie im Verdacht steht, Tinnitus auszulösen und zu verstärken [4, 7, 8]. – Als weitere Therapieanweisungen werden Ruhe und Entspannung, Meiden von starken akustischen Belastungen, das Hören von leiser, rhythmischer Musik und eine Reduktion von Kaffee, Nikotin und Alkohol genannt [4, 7, 8]. 9 Bachmann S, Längler A: Hausmittel der modernen Medizin. München, Urban & Fischer, 2005. 10 Garvelmann F, Alber-Jansohn S: Naturheilkunde für Kinder. Aarau, AT, 2009. 11 Madaus G: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Hildesheim, Georg Olms, 1979. 12 Bühring U: Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde. Stuttgart, Haug, 2014. 13 Weleda: Heilmittelbasisinformation für die ärztliche Praxis, 3. überarbeitete Auflage. Arlesheim, Weleda, 2002. 14 Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte Deutschland und Medizinische Sektion der freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Dornach: Vademecum anthroposophischer Heilmittel. Dornach, Merkurstab, 2008. 15 Garvelmann F, Raimann C: Humoralmedizinische Praxis. Schiedlberg, Bacopa, 2016. 16 Schramm H: Heilmittel der anthroposophischen Medizin. München, Urban & Fischer, 2009. 17 Wala Arzneimittelverzeichnis, 33. Auflage. Bern, Wala Schweiz, 2012. 18 Thüler M: Wohltuende Wickel. Bern, Maya Tühler, 2003. 19 Ganz C, Hutter L: Gemmotherapie – Knospen in der Naturheilkunde. Aarau, AT, 2015. 20 www.padma.ch. 21 Burgerstein L: Burgersteins Handbuch Nährstoffe. Heidelberg, Haug, 2002. 1 Menche N: Biologie, Anatomie, Physiologie. München, Urban & Fischer, 2012. 2 Sobotta-Redaktion (Hrsg): Bildatlas des menschlichen Körpers. München, Elsevier, 2009. 3 Geisler L: Innere Medizin. Stuttgart, W. Kohlhammer, 2002. 4 Bierbach E: Naturheilpraxis heute. München, Urban & Fischer, 2009. 5 Berendt J-E: Das dritte Ohr. Hamburg, Rowohlt, 1988. 6 Schoppmeyer M-A: Gesundheits- und Krankheitslehre. München, Urban & Fischer, 2011. 7 www.tinnitus-zentrum.ch. 8 www.tinnitus-liga.ch. 332 Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:328–332 Aus der Praxis für die Praxis Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/30/2017 8:27:54 PM Literatur