Schülermagazin Ausgabe 2017/2018 Politik Berufswelt Soziale Gerechtigkeit und Sicherung Arbeitswelt im Wandel Inklusion Sicherheit Gesellschaft für alle Schutz in allen Lebenslagen www.sozialpolitik.com Inhalt Ein Wort vorab Sozialstaat, warum? Sozialpolitik, für wen? Politik Soziale Sicherung Meilensteine der Sozialpolitik Soziale Gerechtigkeit Soziale Marktwirtschaft Sozialversicherung im Überblick Sicherheit im Sozialstaat Soziale Leistungen Förder- und Fürsorgeleistungen Armut und Reichtum Chancen für alle schaffen Berufswelt Berufsorientierung Fachkräfte gesucht Arbeitswelt im Wandel Arbeiten 4.0 Berufswahl Auf dem Weg ins Berufsleben Berufseinstieg Von Anfang an versichert Arbeitsrecht 1 Arbeitnehmer haben Rechte Arbeitsrecht 2 Gute Arbeit – guter Lohn Inklusion Gesellschaft für alle 1 Auf dem Weg zur inklusiven Schule Gesellschaft für alle 2 Arbeiten mit Behinderung Sicherheit Krankenversicherung Hauptsache gesund Unfallversicherung Für den Fall der Unfälle Rentenversicherung 1 Ein Vertrag zwischen den Generationen Rentenversicherung 2 Mehr Rentner, weniger Kinder Arbeitslosenversicherung Arbeitslos, aber nicht mittellos Pflegeversicherung Hilfe und Pflege nicht nur für Senioren Diskussion Von Schülern für Schüler Mitbestimmung in der Ausbildung 2 www.sozialpolitik.com 3 4 6 8 10 12 Vertiefende Informationen, ein Lexikon, eine Materialdatenbank mit aktuellen Arbeitsblättern und Schaubildern, geschichtliche Daten zur sozialen Sicherung, Wissensquiz, Umfragen, Kommentarfunktion sowie weiterführende Links und Adressen 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 „Sozialpolitik“ ohne Barrieren Zum Unterrichtsmedienpaket „Sozialpolitik“ gehören auch ein Arbeitsheft und Arbeitsblätter in Leichter Sprache für den inklusiven Unterricht. Die PDF-Dateien und Internetseiten unter www.sozialpolitik.com können von Sprachausgaben am Computer vorgelesen werden. In einem Lexikon werden wichtige Begriffe zur Berufswelt und zur sozialen Sicherheit in Alltagssprache und Leichter Sprache erklärt. Zur Internetseite gibt es Leitfäden in Leichter Sprache und Gebärdensprache. Die ergänzenden Angebote werden ständig weiter ausgebaut. Zur leichteren Lesbarkeit wurde meist auf zusätzliche Bezeichnungen in weiblicher Form verzichtet und nur die männliche Form verwendet. Angesprochen sind natürlich immer Leserinnen und Leser! Ein Wort vorab Sozialstaat, warum? Sozialpolitik, für wen? Einmal angenommen, wir wären immer kerngesund und hätten alles, was wir brauchen: Essen, Kleidung, Wohnung, Smartphone, Verkehrsmittel, Bildungsmöglichkeiten, Arbeit und natürlich auch ausreichend Geld. Dann könnte sich jeder mehr um sich selbst kümmern und müsste sich weniger Sorgen um seine Mitmenschen machen. So ist es aber nicht. Mal sind wir stark, dann wieder schwach, meistens sind wir gesund, manchmal aber auch krank. Es gibt immer wieder Phasen im Leben, in denen es nicht so gut läuft. Unsere ersten Ansprechpartner in diesen Momenten sind Familie und Freunde. In vielen Situationen springt aber auch die Gesellschaft ein und sorgt dafür, dass unser Existenzminimum gesichert ist. Als es noch keine Sozialversicherungen gab, waren Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter für viele Menschen gleichbedeutend mit Armut und Not. Heute leben wir in Deutschland in einem Sozialstaat, der von der Solidarität zwischen Menschen getragen wird. Das bedeutet, die Gesunden helfen den Kranken, die Jungen unterstützen die Alten, die Arbeitenden leisten Beiträge für die Arbeitslosen. So helfen die Stärkeren den Schwächeren und sorgen damit zugleich auch für sich selbst vor. In einem Sozialstaat sollen sich die Menschen auf die Solidarität der Gesellschaft verlassen können: Sie haben das Recht auf Hilfe, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können oder in eine Notlage geraten. Daraus ergeben sich aber auch moralische Verpflichtungen für den Einzelnen, die für die Gesellschaft ebenfalls wichtig sind: Bildungschancen wahrzunehmen, arbeiten zu gehen, wählen zu gehen und sich einzubringen, sei es politisch oder sozial, in der Nachbarschaft, in Vereinen oder in der Gemeinde. Der Sozialstaat funktioniert nicht von allein, sondern steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Auch seine Finanzierung muss stets im Blick behalten werden. Dabei lauten die Grundfragen: Wie viele Menschen zahlen auf der einen Seite Sozialversicherungsbeiträge ein, und wie viele Menschen sind auf der anderen Seite berechtigt, Sozialleistungen zu empfangen? Wer soll Leistungen beziehen und in welcher Höhe? Zudem steigen in einer Gesellschaft, die immer älter wird, die Kosten für Gesundheit und Altersvorsorge. Da in Deutschland aus sozialpolitischer Sicht zu wenige Kinder geboren werden, zahlen immer weniger Erwerbstätige Beiträge für immer mehr Bezieher von Sozialleistungen. Ziel muss es daher sein, dass möglichst viele erwerbsfähige Menschen arbeiten können. Die vielen Menschen, die seit 2015 auf der Flucht vor Krieg und Terror zu uns gekommen sind, können ebenfalls mit ihren Sozialabgaben und Steuern zum Erhalt der Sozialsysteme beitragen, wenn sie gut integriert werden, Arbeit finden und dauerhaft in Deutschland bleiben. Globalisierungsängste in der Bevölkerung haben in jüngster Zeit dazu geführt, dass rechtspopulistische Parteien in Europa und weltweit an Zuspruch gewinnen. Globale Herausforderungen können jedoch nicht von Nationalstaaten allein bewältigt werden. In einer globalisierten Welt ist Zusammenarbeit und auch Solidarität mit anderen Ländern dringend notwendig. Solidarität betrifft uns alle und erfordert Einsatz von jedem Einzelnen: lokal, national und global. Impressum Herausgeber: Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Vertretungsberechtigte: Dr. Alexander Jehn (Präsident), Michael Jäger (Geschäftsführer) Vereinsregister: Amtsgericht Charlottenburg, VR 24612 B Fachliche und pädagogische Beratung: Berit Heintz (Deutscher Industrie- und Handelskammertag), Roland Henke (Ministerialrat, Niedersächsisches Kultusministerium), Edmund Kammerer (Leitender Ministerialrat a. D., Unternehmenssprecher), Prof. Dr. Helmut Keim (Europäische Fachhochschule Brühl), Siegmut Keller (Ministerialrat, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg), Jeanette Klauza (Deutscher Gewerkschaftsbund), Wolfgang Oppel (Berufsbildungsexperte) Verlag: Eduversum GmbH, Wiesbaden Redaktion: Frauke Hagemann, Katja Rieger Redaktionsschluss: Juli 2017 Texte: Christian Becker, Hildesheim Fotos: Adobe Stock/Giorgio Magini (Titel), Adidas AG (Seite 6), AKGImages (Seite 4), Bayer Schering Pharma AG (Seite 6), Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Seite 4), Fotolia (Seite 6, 7), Otto Bock HealthCare (Seite 7), picture-alliance/dpa (Seite 5), privat (Seite 3, 42), Sabine Voigt/ toonpool.com (Seite 15), Shutterstock (Seite 2, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40), Thomas Plaßmann (Seite 11, 36), Ullstein (Seite 4) Gestaltung: Brigitte Bössler, epiphan visual solutions, Wiesbaden Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn Barrierefreie PDF-Datei: Verlagsgesellschaft Weinmann, Filderstadt Alle Rechte vorbehalten. Schulen können Exemplare in begrenztem Umfang beim Verlag kostenlos anfordern. nnen Von Schülern für Schüler: Drei Berufsschüleri schreiben über das Thema Mitbestimmung Internet und E-Mail: www.sozialpolitik.com [email protected] tnehmer Unterstützung Wo bekommen Auszubildende und junge Arbei Auszubildendenverbei Problemen im Betrieb? Ist eine Jugend- und JAV? Ann-Kathrin tretung (JAV) sinnvoll? Welche Aufgaben hat die der Schulzevon Bardt ra Sand und ann Güngerich, Lara Pochm er. Sie haben itglied JAV-M t selbs sind aden Delitzsch-Schule in Wiesb hört und auf den Seiten sich bei ihren Kolleginnen und Kollegen umge mengestellt. 42 und 43 Antworten auf diese Fragen zusam 3 Soziale Sicherung Meilensteine der Sozialpolitik Im 19. Jahrhundert, der Anfangsphase der Industrialisierung in Deutschland, mussten viele Menschen unter sehr harten Bedingungen leben und arbeiten. Ihr Verdienst reichte oft nicht aus, um ihre Existenz zu sichern. Wenn sie ihre Arbeit verloren, krank oder zu alt wurden, waren sie auf die Hilfe ihrer Familien angewiesen oder mussten betteln gehen. Sozialen Schutz gab es nicht. Doch dann begannen die Arbeiter, sich gegen ihre elende Situation zu wehren und sich zu organisieren. 1863 Erster Arbeiterverein Während der Industriellen Revolution veränderten sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa rapide. Viele Menschen mussten täglich bis zu 13 Stunden oder noch länger in dunklen, überfüllten, lauten Fabrikhallen und ungesicherten Bergwerken arbeiten. Familien mussten für sich selbst sorgen, egal, in welcher Lebenslage sie sich befanden. Kinderarbeit war für sie überlebensnotwendig. Es gab keinen Kündigungs- oder Arbeitsschutz, keine Hygienevorschriften, keine soziale Absicherung. Die Löhne reichten kaum für das tägliche Brot. Um gemeinsam gegen die miserablen Arbeitsbedingungen zu kämpfen, schlossen sich die Arbeiter in Vereinen zusammen. Daraus entwickelten sich Ende des 19. Jahrhunderts soziale Vereine, Gewerkschaften und Parteien. Der Sozialist Ferdinand Lassalle (1825 bis 1864) gründete im Jahr 1863 den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. 1878 Sozialistengesetz Unter dem damals herrschenden Kaiser Wilhelm I. war eine Demokratie nach heutigen Maßstäben unvorstellbar. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck (1815 bis 1898) sah in der neu entstandenen Arbeiterbewegung eine Bedrohung für den Staat. Das von Bismarck im Jahr 1878 vorgeschlagene Sozialistengesetz verbot „Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsord nung bezwecken“. 1881 Erstes Sozialversicherungssystem 4 Reichskanzler Bismarck setzte aber nicht nur auf Verbote. Er erkannte auch, dass die sozialen Probleme auf Dauer nur durch staatliche Regelungen gelöst werden konnten. Daher forderte er am 17. November 1881 mit der „Kaiserlichen Botschaft“ den deutschen Reichstag auf, Gesetze zum Schutz der Arbeiter bei Krankheit, Unfall, Invalidität und zur Versorgung im Alter zu beschließen, genannt Bismarcksche Sozialgesetze. Dieser Tag gilt als Geburtsstunde der deutschen Sozialversicherung. 1919 Weimarer Reichsverfassung Am 19. Januar 1919 wurde zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine verfassunggebende Nationalversammlung in freier, gleicher, geheimer und direkter Wahl gewählt. Neben den klassischen Menschen- und Freiheitsrechten wurden auch soziale Grundrechte in die Verfassung aufgenommen. Auf einen vorübergehenden Wirtschaftsaufschwung folgte im Jahr 1929 die Weltwirtschaftskrise. Firmenzusammenbrüche, Zwangsversteigerungen, Inflation, Massenarbeitslosigkeit und rapide sinkende Löhne waren die Folgen. Am 27. März 1930 zerbrach die Große Koalition unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Hermann Müller, weil sie sich nicht über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung einigen konnte. Angst, Hoffnungslosigkeit und radikale Versprechungen trieben eine große Zahl von Wählern in die Arme der Nationalsozialisten. 1933 Gleichschaltung im Nationalsozialismus Die Nationalsozialisten lösten nach ihrer Machtübernahme im Jahr 1933 Gewerkschaften, Parteien und zahlreiche gesellschaftliche Organisationen auf. Mit ihrer menschenverachtenden Weltanschauung unterwarfen sie den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft vollständig ihren Kriegszielen. Arbeitsplätze wurden vor allem in der Rüstungsindustrie zur Vorbereitung des Krieges geschaffen. Im Zuge der sogenannten Gleichschaltung bauten sie den gesamten Staatsapparat um und schafften die Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen ab. 1949 Getrennte Wege Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Sozialversicherungen in beiden Staaten des geteilten Deutschlands wieder aufgebaut. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) wurde das dezentral gegliederte, aus verschiedenen Sozialversicherungen bestehende System erneuert. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurden die Sozialversicherungen in eine zentral gelenkte Einheitsversicherung umgewandelt. 1990 Wiedervereinigung Die friedliche Revolution der ostdeutschen Bürger im November 1989 führte zum Ende der DDR. Am 1. Juli 1990 trat der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft. Am 3. Oktober war Deutschland wieder vereint. Das ostdeutsche Sozialsystem wurde durch das westdeutsche ersetzt. Die Wiedervereinigung wurde über allgemeine Steuereinnahmen (speziell den Solidaritätszuschlag), Staatsschulden und Mittel aus der Sozialversicherung finanziert. Durch den demografischen Wandel und eine wirtschaftliche Krise geriet die Sozialversicherung unter Druck: Auf immer weniger Beitragszahler kamen immer mehr Leistungsempfänger. Darauf reagierte die Bundesregierung mit einem Bündel von Gesetzen: der „Agenda 2010“. Sie umfasste eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes sowie Veränderungen bei der Kranken- und Rentenversicherung – hin zu mehr Eigenleistungen und privater Vorsorge. 2007 Finanz- und Wirtschaftskrise Im Jahr 2007 erfasste eine Finanz- und Wirtschaftskrise erst die Vereinigten Staaten von Amerika und dann Europa. Die Eurokrise ab 2009, in deren Folge mehrere europäische Länder aufgrund ihrer Verschuldung nahezu zahlungsunfähig wurden, überstand Deutschland vergleichsweise gut. Die Bundesregierung stützte die Banken und gab privaten Anlegern Garantien für ihre Guthaben. Mit staatlich geförderten Kurzarbeitsprogrammen konnte die Beschäftigtenzahl weitgehend stabil gehalten werden. Durch Entlastungen für Steuerzahler und Konjunkturprogramme, zum Beispiel Zuschüsse für Sanierungen und Straßenbau, wurde die Wirtschaft wieder angekurbelt. 2017 Im Zeichen der Globalisierung Globalisierung ist heute Alltag. Wir merken es, wenn wir Produkte aus aller Welt kaufen, reisen oder im Internet surfen. Neue Verkehrs- und Informationstechnologien haben die Länder der Welt zusammenrücken lassen und die Wirtschaft weltweit vernetzt. Von dieser Entwicklung haben viele Menschen profitiert, aber manchen macht sie auch Angst. Derzeit erhalten vermehrt Politiker und Parteien Zulauf, die der Bevölkerung versprechen, sich zuerst um die Belange ihrer Nation zu kümmern. Durch nationale Alleingänge können globale Probleme jedoch nicht gelöst werden. Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass die Wiedereinführung von Handelsschranken die Wirtschaft der Nationalstaaten langfristig mehr schwächt als stärkt und damit den Wohlstand der Menschen insgesamt beeinträchtigt. Deshalb engagieren sich die meisten europäischen Staats- und Regierungschefs und mittlerweile auch immer mehr Bürger für den Erhalt der kriselnden Europäischen Union und für internationale Zusammenarbeit. Geklickt Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte mit einem interaktiven „ZeitenKlicker“ www.in-die-zukunft-gedacht.de Meilensteine der Sozialgeschichte umfassend dargestellt – mit zusätzlichen Fragebögen www.sozialpolitik.com/ sozialgeschichte Arbeitsheft „Grundwissen soziale Globalisierung“ www.sozialpolitik.com/artikel/ arbeitsheft-grundwissensoziale-globalisierung Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Soziale Sicherung • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Sozialpolitik im Wandel • Arbeitsblatt: Sozialpolitik im Jahr 2017 • Arbeitsblatt und Schaubild: Solidarität – alle für einen, einer für alle • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Demografischer Wandel ///////////////////////////// Gefragt Formulieren Sie für jeden Meilenstein zu jeder Überschrift einen aussagekräftigen Satz, der den zentralen Inhalt des Textes wiedergibt. Wählen Sie zwei Meilensteine aus, und versetzen Sie sich in die Rolle eines Betroffenen (zum Beispiel Fabrikarbeiter 1863, Gewerkschaftsmitglied 1878). Beschreiben Sie die Entwicklung aus dessen Sicht, und stellen Sie sich Ihre Beschreibungen gegenseitig vor. ///////////////////////////// 5 19 61 53 19 97 18 Aspirin von Felix Hoffmann Schraubstollenschuh von Adolf „Adi” Dassler Antibabypille von der Bayer Schering Pharma AG „Made in Germany“ hat nicht nur Deutschland verändert, sondern die Welt! Soziale Gerechtigkeit Soziale Marktwirtschaft „Zu dem, was mir Mut für unser Deutschland macht, gehört auch unsere soziale Marktwirtschaft. Sie lässt uns Krisen und Veränderungsprozesse besser meistern als jedes andere Wirtschaftssystem auf der Welt. […] Unser wirtschaftlicher Erfolg gibt uns die Möglichkeit, unser Sozialsystem zu stärken und all denen zu helfen, die Hilfe brauchen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel, Neujahrsansprache, 1. Januar 2017, www.bundesregierung.de Made in Germany Die Idee der sozialen Marktwirtschaft wurde von dem deutschen Ökonomen Alfred Müller-Armack entwickelt. Ludwig Erhard, Bundeswirtschaftsminister von 1949 bis 1963, setzte sie politisch um. Sein großes politisches Ziel lautete „Wohlstand für alle“. In einer sozialen Marktwirtschaft soll jeder Einzelne nicht nur auf seine individuelle Leistungsfähigkeit angewiesen sein, sondern in Notsituationen auch mit der Unterstützung der Allgemeinheit rechnen können. Soziale Marktwirtschaft heißt also: Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen soll mit den sozialen Bedürfnissen der Allgemeinheit in Einklang gebracht werden. Freie Marktwirtschaft versus soziale Marktwirtschaft Das Modell einer freien Marktwirtschaft funktioniert durch einen freien Wettbewerb, freie Preisbildung über Angebot und Nachfrage und den Privatbesitz von Produktionsmitteln (Maschinen, Fabriken). Produzenten treffen freie Entscheidungen, was sie wie und in welcher Menge produzieren. Konsu- 6 menten treffen freie Entscheidungen, welche Produkte sie kaufen. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften handeln Arbeitsbedingungen und Löhne aus (Tarifautonomie). Ziel ist es, optimale wirtschaftliche Ergebnisse zu erreichen. Leistungsschwächere Marktteilnehmer (zum Beispiel ältere oder kranke Arbeitnehmer oder Alleinerziehende, die wenig flexibel sind) werden jedoch durch den harten Wettbewerb abgehängt. Um dies zu verhindern und die Interessen der Allgemeinheit zu schützen, greift der Staat ein und schafft einen gesetzlichen Rahmen für das wirtschaftliche Handeln. So entsteht eine soziale Marktwirtschaft. Ziele der sozialen Marktwirtschaft Soziale Gerechtigkeit: Alle Menschen sollen die gleichen Bildungschancen haben (siehe Seite 12, 19 und 26 bis 29). Daher werden Bildungseinrichtungen wie Kitas, Schulen und Hochschulen vom Staat finanziert. Die Einkommens- und Vermögensunterschiede in der Gesellschaft sollen nicht zu groß werden. Dafür sorgen die Steuergesetze und die sozialen Leistungen des Staates (siehe Seite 10 und 1 1). Soziale Sicherheit: Die Sozialversicherungen sichern gegen die größten Lebensrisiken ab (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall, Alter, siehe Seite 8 und 9). Der Wettbewerbsschutz sichert die Konkurrenz in einer Marktwirtschaft. Er verhindert, dass zu mächtige Marktteilnehmer den Markt beherrschen und der Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher eingeschränkt ist. Schutz von Arbeitnehmern: Kündigungsschutz, Arbeitsschutz, Mindestlohn und Mitbestimmung geben Arbeitnehmern Sicherheit. Niemand darf willkürlich entlassen werden (siehe Seite 23). Die Arbeitsbedingungen dürfen die Gesundheit nicht gefährden (siehe Seite 33). Arbeitnehmer sollen von ihrer Arbeit leben können (siehe Seite 25) und haben ein Recht auf Mitbestimmung im Betrieb (siehe Seite 22). Der Verbraucherschutz schützt die Konsumenten (Information, Rechte). Der Umweltschutz veranlasst Unternehmen und Konsumenten, Umweltstandards zu beachten. 15 19 20 97 87 19 MP3-Format vom Fraunhofer Institut C-Leg von der Otto Bock HealthCare GmbH Die soziale Marktwirtschaft in der Diskussion Als Wirtschaftssystem ist die soziale Marktwirtschaft in Deutschland unumstritten. Über ihre konkrete Ausgestaltung wird jedoch immer wieder verhandelt und diskutiert: Sind wir in der sozialen Marktwirtschaft in unseren Entscheidungen noch frei? Wie weit soll der Staat eingreifen? Ist es sinnvoll, dass er zum Beispiel Not leidende Branchen wie den Braunkohleabbau subventioniert, um dort die Arbeitsplätze zu erhalten? Wo soll der Staat investieren? Soll er zum Beispiel eher mit Prämien für den Kauf von Elektroautos Umwelt und Wirtschaft unterstützen oder Windkraft-Weltmeister Offshore (engl. vor der Küste), „Vater der modernen Windkraft“ war Ulrich Hütter 1950. lieber Schulen mit Laptops ausstatten und in die Bildung investieren? Ist die soziale Marktwirtschaft noch gerecht? Werden die Einkommensunterschiede größer? Verlieren wir durch mehr sozialen Schutz unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit? Werden durch Umweltschutzauflagen und Mindestlohn deutsche Produkte zu teuer? Gefährdet mehr Marktfreiheit den sozialen Frieden? Grenzen niedrige Löhne Menschen aus der Gesellschaft aus? Finden alle Menschen bezahlbaren Wohnraum? Inwiefern kann eine gesetzliche Mietpreisbremse dazu beitragen? Wie begegnen wir dem Klimawandel und knapper werdenden Ressourcen? Wie gelangen wir zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft? Soziale Marktwirtschaft Wirtschaftliche Freiheit Sozialer Ausgleich Menschenbild Der Mensch als souveränes Individuum Der Mensch als soziales Wesen Grundprinzip Selbstverantwortung des Einzelnen, Nichteinmischung des Staates Eingreifen des Staates zum Schutz der wirtschaftlich Schwachen Persönliche Freiheitsrechte Soziale Gerechtigkeit • • • • • • Bildungschancen • Steuergerechtigkeit Merkmale Recht auf Privateigentum Gewerbefreiheit Produktions- und Handelsfreiheit freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl Konsumfreiheit Freiheit des Wettbewerbs Freiheit der Preisbildung (Angebot und Nachfrage) Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie Ziele Soziale Sicherung • • • • • • Arbeitslosenversicherung Rentenversicherung Kranken- und Pflegeversicherung Unfallversicherung Sozialhilfe, Wohngeld Mietpreisbremse Schutzgesetze • Bildung von Gewerkschaften, Streikrecht • Bildung von Arbeitgeberverbänden • Schutz von Arbeitnehmern • Verbraucherschutz • Umweltschutz Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, Wohlstand Sicherung der sozialen Teilhabe und des sozialen Friedens Geklickt Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung mit zahlreichen Publikationen zur sozialen Marktwirtschaft www.bpb.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Soziale Markt- wirtschaft (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Soziale Gerechtigkeit • Arbeitsblatt und Schaubild: Marktwirtschaft: frei oder sozial? • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformation: Soziale Leistungen • Arbeitsblatt: Mobilität und soziale Sicherheit in Europa • Schaubild: Soziale Sicherheit in Europa: Beispiel Alterssicherung ///////////////////////////// Gefragt Erläutern Sie anhand des Schaubilds in eigenen Worten die beiden unterschiedlichen Ziele der sozialen Marktwirtschaft: wirtschaftliche Freiheit und sozialer Ausgleich. Wählen Sie eine Frage aus der Liste „Die soziale Marktwirtschaft in der Diskussion“ aus, und recherchieren Sie die aktuellen Antworten und Positionen zu dieser Frage (Partnerarbeit). Präsentieren Sie die Zusammenfassung Ihrer Ergebnisse in der Lerngruppe. ///////////////////////////// Quelle: eigene Darstellung 7 Sozialversicherung im Überblick Sicherheit im Sozialstaat „Der Sozialstaat hat Millionen von Menschen aus den Zwängen ihrer Herkunft befreit, vor Härten des Marktes geschützt und ihnen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben eröffnet. […] Der Sozialstaat ist die organisierte Solidarität zwischen den Starken und den Schwachen, den Jungen und den Alten, den Gesunden und den Kranken, den Arbeitenden und den Arbeitslosen, den Nichtbehinderten und den Behinderten.“ Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion, www.spdfraktion.de/themen/soziales, Stand: Juli 2017 Einer für alle, alle für einen Wer erwachsen und gesund ist und eine Vollzeitarbeitsstelle hat, ist in der Regel nicht auf staatliche oder sonstige Unterstützung angewiesen. Doch durch eine längere oder gar chronische Krankheit, einen Unfall oder Arbeitslosigkeit kann sich das schnell ändern. Jeder kann in eine Notlage geraten. Schon ein Krankenhausaufenthalt mit Operation würde die finanziellen Möglichkeiten der meisten Bürger übersteigen. Ein längerer Arbeitsausfall oder gar dauerhafte Pflegebedürftigkeit würden bei vielen die Existenz gefähr- den, wenn sie keine Unterstützung bekämen. Deutschland ist ein Sozialstaat, das bedeutet: Ziel der Politik und Gesetzgebung ist es, für eine Absicherung gegen die größten Lebensrisiken zu sorgen. Das heißt, die Bürger erhalten Unterstützung, damit ihr Einkommen gesichert ist. Dieses soziale Sicherungssystem wird solidarisch finanziert, also von allen Versicherten gemeinsam. Es besteht aus der Kranken-, Unfall-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. In diese Sozialversicherungen zahlen die Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmäßig Beiträge ein. Die meisten Arbeitnehmer sind pflichtversichert (siehe nächste Seite). Sie erhalten Leistungen, sobald sie Bedarf oder Anspruch haben. Nicht erwerbstätige Ehepartner und Kinder sind eingeschlossen. Auch einige Gruppen von Selbstständigen sind pflichtversichert, zum Beispiel Handwerker. Künstler und Publizisten sind über die Künstlersozialkasse versichert. Andere Selbstständige müssen sich hingegen selbst um ihre Absicherung kümmern. Berufssoldaten, Richter und Beamte sind per Gesetz über ihren öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (Bund, Länder, Gemeinden) versichert. Sie erhalten Leistungen ohne eigene Beitragszahlungen, die aus Steuermitteln finanziert werden. System der Sozialversicherung Krankenversicherung Unfallversicherung Rentenversicherung** Arbeitslosenversicherung Pflegeversicherung Träger: gesetzliche Krankenkassen Träger: Berufsgenossenschaften, Unfallkassen Träger: Deutsche Rentenversicherung Träger: Bundesagentur für Arbeit Träger: Pflegekassen der Krankenkassen Leistungen: Gesundheitsvorsorge, notwendige medizinische Hilfe, Krankengeld Leistungen: Unfallverhütung, Unterstützung und Entschädigung bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten Leistungen: Altersrente, Rente bei Erwerbsminderung, Hinterbliebenenrente, Rehabilitation Leistungen: Unterstützung bei Integration in den Arbeitsmarkt, Arbeitslosengeld Leistungen: Pflegegeld, Sachleistungen, Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung Beiträge 2017: im Durchschnitt 15,7 Prozent des Bruttolohns, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 7,3 plus 1,1 ArbeitnehmerZusatzbeitrag* Beiträge 2017: unterschiedlich je nach Träger, werden vom Arbeitgeber allein finanziert Beiträge 2017: 18,7 Prozent des Bruttolohns, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 9,35 Beiträge 2017: 3,0 Prozent des Bruttolohns, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 1,5 Beiträge 2017: 2,55 Prozent des Bruttolohns, Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 1,275***, 0,24 Prozent Zuschlag für kinderlose Arbeitnehmer ab 23 Jahren mehr Infos Seite 30 und 31 mehr Infos Seite 32 und 33 mehr Infos Seite 34 bis 37 mehr Infos Seite 38 und 39 mehr Infos Seite 40 und 41 seit 1883 seit 1884 seit 1889 seit 1927 * durchschnittlicher Zusatzbeitrag laut Prognose des Bundes für 2017 ** ursprünglich: Invaliditäts- und Altersversicherung *** in Sachsen: Arbeitgeber 0,775 Prozent, Arbeitnehmer 1,775 Prozent. Die Sonderregelung gilt, weil Sachsen als einziges Bundesland am Feiertag Buß- und Bettag festgehalten hat, als dieser bei Einführung der Pflegeversicherung landesweit abgeschafft wurde. 8 seit 1995 Quelle: eigene Darstellung Recht auf soziale Sicherheit „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“ Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20 und 28 „Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zu- Prinzipien der Sozialversicherung Prinzip der Versicherungspflicht: Per Gesetz wird bestimmt, wer versicherungspflichtig ist und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung steht. Wer in einem Arbeitsverhältnis steht oder eine Ausbildung macht, ist in der Regel automatisch Mitglied der Sozialversicherung. Daher sind in Deutschland etwa 90 Prozent der Bevölkerung sozialversichert. Prinzip der Beitragsfinanzierung: Die Sozialversicherungen werden überwiegend durch Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Die Höhe der Beiträge orientiert sich am Bruttogehalt des Arbeitnehmers. Die Beitragssätze sind gesetzlich festgelegt. Prinzip der Solidarität: Unabhängig von der Höhe der eingezahlten Beiträge ist jeder durch die Sozialversicherungen abgesichert. Mit diesem solidarischen Ansatz wird ein Ausgleich geschaffen zwischen Gesunden und Kranken, Erwerbstätigen und Arbeitslosen, Jungen und Alten, Singles und Familien. Prinzip der Äquivalenz: Äquivalenz bedeutet Gleichwertigkeit. Das heißt, die Höhe der Leistungen richtet sich nach der Höhe und Dauer der Einzahlungen. Dieses Prinzip greift bei der Rente, dem Arbeitslosengeld, der Unfallversicherung und bei Lohnersatzleistungen wie Krankengeld. sammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“ „Jeder hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein die freie und volle Entwicklung seiner Persönlichkeit möglich ist.“ Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, Artikel 22 und 29, Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen Einnahmen und Ausgaben Wie und in welchem Ausmaß die sozialen Sicherungssysteme funktionieren, hängt entscheidend davon ab, wie viele Menschen Beiträge in die Sozialversicherungen einzahlen und welche Leistungen für wie viele Empfänger bezahlt werden müssen. Sinkt die Zahl der Beitragszahler und steigt die Zahl der Empfänger aufgrund des demografischen Wandels oder infolge von wirtschaftlichen Krisen, hat der Gesetzgeber (Bundestag, Bundesrat) folgende Möglichkeiten: 1. 2. 3. Er kann die Beiträge für diejenigen erhöhen, die in die Sozialversicherungen einzahlen müssen. Er kann die Leistungen für die Empfänger kürzen. Sie müssen dann einige Leistungen selbst zahlen oder sich zusätzlich privat absichern. Er kann die Sozialversicherungen durch Steuereinnahmen bezuschussen. Umgekehrt gilt: Wenn die Einnahmen höher sind als die Ausgaben, können die Beiträge gesenkt, Steuermittel gekürzt oder die Leistungen erhöht werden. Sozialstaatliche Umverteilung Verteilung der Haushaltseinkommen* in Prozent**, Vergleich der Jahre 1993 und 2013 Geklickt Internetseite der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung www.dsv-europa.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Sicherheit im Sozialstaat (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Sozialversicherung im Überblick • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Sozialpolitik im Wandel • Arbeitsblatt und Hintergrundinformationen: Sozialpolitik im Jahr 2017 • Schaubild: Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Demografischer Wandel ///////////////////////////// Gefragt Interpretieren Sie das Schaubild. Arbeiten Sie dabei für das Jahr 1993 heraus, ob und wenn ja in welchem Umfang die sozialstaatliche Umverteilung die Ungleichheit der Einkommen begrenzt. Vergleichen Sie die Situation von 1993 mit der von 2013. Welche Schicht wurde in den 20 Jahren dazwischen am meisten entlastet? Nehmen Sie begründet Stellung. ///////////////////////////// Prinzip der Selbstverwaltung: Die Sozialversicherungen werden unter Aufsicht des Staates von Trägern verwaltet, zum Beispiel die Krankenversicherung von den Krankenkassen. Die Träger sind organisatorisch selbstständig. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind unmittelbar daran beteiligt. Prinzip der Freizügigkeit: Jeder Bürger der Europäischen Union kann in einem Mitgliedsstaat seiner Wahl leben und arbeiten. Die sozialen Mindeststandards – dazu gehört auch eine soziale Grundsicherung – sind in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbindlich niedergelegt. * Pro-Kopf-Haushaltseinkommen (Äquivalenzeinkommen): Zur Ermittlung dieser volkswirtschaftlichen Kennzahl wird die Summe aller Einkommen der Einwohner eines Landes nach einer Äquivalenzskala gewichtet, die sich nach Alter und Anzahl der Personen im Haushalt richtet. ** Prozentzahlen gerundet, Abweichungen von der Gesamtsumme 100 Prozent sind rundungsbedingt. Quelle: IAQ-Forschung 1/2015, Datenbasis: SOEP, www.sozialpolitik-aktuell.de 9 Soziale Leistungen Förder- und Fürsorgeleistungen „Keine Demokratie hat das Ziel, allen Menschen gleiche Vermögen, Einkommen und Beschäftigung – also den gleichen Output – zu garantieren. Aber jede Demokratie will Chancengleichheit bieten. Ungleichheit wird dann zum sozialen Problem, wenn sie Chancen und soziale Teilhabe einschränkt.“ Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: Wohlstand für wenige, Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.faz.net, 19. März 2016 Unterstützung für wirtschaftlich Schwache Laut Grundgesetz hat der Staat die Aufgabe, für eine gerechte gesellschaftliche Ordnung und sozialen Ausgleich zu sorgen. Dazu wurde in Deutschland das System der Sozialversicherungen geschaffen, das die Versicherten bei den großen Lebensrisiken Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter, Unfall und Pflegebedürftigkeit schützt (siehe Seite 8 und 9). Die Sozialversicherungen werden durch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert (Ausnahme: Die Unfallversicherung wird allein vom Arbeitgeber finanziert). Nur wer Beiträge eingezahlt hat, kann auch Leistungen aus den Sozialversicherungen bekommen. Was ist jedoch mit Jugendlichen, die Probleme haben, eine Ausbildung zu finanzieren, mit älteren Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können, oder mit einem alleinerziehenden Vater, der nicht voll arbeiten kann und kaum Geld übrig hat, um die Wohnung zu bezahlen? Hier hilft der Staat mit Förder- und Fürsorgeleistungen. Dazu gehören vor allem Kinder- und Elterngeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kinder- und Jugendhilfe, Erziehungsgeld und Förderung der Aus- und Weiterbildung. Diese Leistungen werden – im Unterschied zu den vorher genannten Sozialversicherun- 10 gen – aus den Steuern aller Bürger finanziert. Jeder Bedürftige hat einen Rechtsanspruch darauf, wenn er die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt. Allerdings wird vor allem bei der Grundsicherung und bei der Sozialhilfe genau geprüft, ob keine andere Hilfe aus eigenem Vermögen oder durch die Familie möglich ist. Der Sozialbericht Jedes Jahr veröffentlicht die Bundesregierung einen Bericht über die Sozialausgaben. Laut „Sozialbericht 2017“ wurden in Deutschland im Jahr 2016 rund 554 Milliarden Euro für soziale Leistungen im Rahmen der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen ausgegeben. Der zweitgrößte Ausgabenposten, rund 176 Milliarden Euro, entfiel auf steuerfinanzierte Förder- und Fürsorgeleistungen. Förderung und Fürsorge Kindergeld soll einen Teil der zusätzlichen Kosten abdecken, die Eltern für ihre Kinder aufbringen müssen. Eltern erhalten für ein Kind 192 Euro monatlich (Stand 2017), der Betrag steigt ab dem dritten und erneut ab dem vierten Kind. Elterngeld erhalten Arbeitnehmer, die ihr Kind in den ersten drei Lebensjahren selbst betreuen wollen. Damit wird ein Teil ihres wegfallenden Einkommens ausgeglichen. Kinder- und Jugendhilfe soll die Entwicklung junger Menschen fördern, Benachteiligungen abbauen und die Eltern bei der Erziehung beraten. Kinder und Jugendliche, Kitas und Jugendzentren werden finanziell unterstützt. Kinder und Jugendliche bekommen in Krisensituationen Hilfe, Betreuung und Beratung. Arbeits- und Ausbildungsförderung helfen Jugendlichen beim Übergang in Ausbildung und Beschäftigung durch Bildungsmaßnahmen und finanzielle Unterstützung. Arbeitsuchende erhalten Beratung und Vermittlungsangebote. Auch Fortbildungen (Meister-BAföG) werden gefördert. Grundsicherung für Arbeitsuchende, auch Arbeitslosengeld II oder „Hartz IV“ (benannt nach dem Leiter einer Expertengruppe für Arbeitsmarktreformen im Jahr 2002). Die Grundsicherung erhalten erwerbsfähige Menschen, die trotz vieler Bemühungen keinen Arbeitsplatz finden oder von ihrem Einkommen nicht leben können. Wohngeld erhalten Menschen, die in bestimmten Lebenssituationen ihre Wohnung vorübergehend nicht allein bezahlen können. Sozialhilfe erhalten Menschen, die ihre Existenz zum Beispiel aufgrund von Erwerbsunfähigkeit nicht aus eigener Kraft sichern können. Fallbeispiel Förderleistung „Marvins Vater ist alleinerziehend. Seit einem halben Jahr fühlt er sich immer hilfloser. Die Konflikte im Haus werden zunehmend heftiger, die Anrufe der Lehrerin häufen sich. […] Der Vater wendet sich ans Jugendamt. Der Sozialarbeiter führt Gespräche mit beiden und kann sie dafür gewinnen, zunächst einmal in eine Beratung bei der Erziehungsberatungsstelle zu gehen. […] Nach einem halben Jahr ist klar: Marvin erhält Frau Weber als Erziehungsbeistand an die Seite, […] zu der er Vertrauen hat und mit deren Hilfe er sich auch zutraut, die Probleme in der Schule in den Griff zu kriegen.” Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2014, Seite 39/40 Sozialleistungen nach Bereichen Das System der Sozialleistungen in Milliarden Euro* 2016 Sozialversicherungen (gesetzliche Kranken-, Unfall-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) Förderung und Fürsorge (zum Beispiel Kindergeld, BAföG, Wohngeld, Grundsicherung) Arbeitgebersysteme (zum Beispiel Lohnfortzahlung bei Krankheit, betriebliche Rente) Öffentlicher Dienst (zum Beispiel Pensionen, Beihilfen) Sondersysteme (zum Beispiel private Krankenversicherung) Entschädigungssysteme (zum Beispiel für Verfolgte des Nationalsozialismus) 554 176 84 74 Herausforderungen im 21. Jahrhundert Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass alle Menschen gleiche Chancen erhalten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bildung ist eine wichtige Voraussetzung, um soziale Ausgrenzung und Armut zu verhindern. Arbeit, die ein ausreichendes eigenes Einkommen ermöglicht, ist die Basis, um persönliche Ziele verwirklichen und unabhängig leben zu können. Zur Chancengleichheit gehört auch, dass Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an gemeinsam lernen, arbeiten und leben können. Aufgabe des Sozialstaates ist es, in der Schule, am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld die Voraussetzungen dafür zu schaffen und Barrieren abzubauen (siehe Seite 26 bis 29). Eine große Herausforderung für unsere sozialen Sicherungssysteme stellt der demografische Wandel dar. Je weniger Menschen geboren werden und im Erwachsenenalter arbeiten, desto weniger Beitrags- und Steuerzahler gibt es, die diese Systeme finanzieren. Gleichzeitig wächst die Zahl der Leistungsempfänger, da geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen und die Menschen immer älter werden. Die Reformen der sozialen Sicherungssysteme in den vergangenen beiden Jahrzehnten waren deshalb häufig mit Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen verbunden, um einen grundlegenden Schutz für alle zu erhalten. Jeder Einzelne ist aufgerufen, zusätzlich auch privat vorzusorgen (siehe Kapitel Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung, Seite 31, 36 und 40). Eine Chance bietet die Zuwanderung von qualifizierten Menschen aus anderen Ländern. Sie kann die Folgen des demografischen Wandels mindern. Wichtig ist, dass die Zuwanderer unterstützt werden, damit sie sich in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integrieren können. Der Staat hilft ihnen dabei, auf eigenen Füßen zu stehen. Als Arbeitnehmer und Steuerzahler können sie zur Sicherung der Sozialsysteme beitragen. 34 3 *geschätzte Zahlen, Datenstand Mai 2017 Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Sozialbericht 2017, Tabelle I–2 Geklickt Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema „Sozialpolitik“ (327/2015), Online-Version unter dem Titel „Sozialpolitik und soziale Sicherung“ unter www.bpb.de/izpb/214343/ sozialpolitik-und-sozialesicherung Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Soziale Leistungen • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Soziale Gerechtigkeit • Arbeitsblatt und Hintergrundinformationen: Sozialpolitik im Jahr 2017 • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Demografischer Wandel • Schaubild: Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt ///////////////////////////// Gefragt Erläutern Sie den Unterschied zwischen dem System der Sozialversicherungen und dem System der Förder- und Fürsorgeleistungen des Staates. Verständigen Sie sich in der Gruppe über eine eigene Definition von „sozialem Ausgleich“. Diskutieren Sie, ob und inwiefern die staatlichen sozialen Leistungen diesen Ausgleich herstellen können. Beziehen Sie die Karikatur und den Text zum Mindestlohn auf Seite 25 mit ein, und bewerten Sie die Aussage des Zeichners. ///////////////////////////// Zeichnung: Thomas Plaßmann, 2014 11 Armut und Reichtum Chancen für alle schaffen „Kinder in Armut können ihre Lebenssituation nicht selbst ändern. Deshalb hat der Staat hier eine besondere Verantwortung. Kinderarmut in Deutschland darf sich nicht weiter verfestigen. Darum muss sich die Existenzsicherung daran orientieren, was Kinder für gutes Aufwachsen und Teilhabe brauchen.“ Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, bei der Vorstellung der Studie „Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche“, www.bertelsmann-stiftung.de, 12. September 2016 Ziel der Sozialpolitik: Teilhabe für alle Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten rund 16,7 Prozent der Menschen in Deutschland im Jahr 2015 weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung. Sie gelten als armutsgefährdet. In Deutschland liegt die Armutsgefährdungsgrenze für Alleinlebende bei 1.033 Euro Nettoeinkommen (nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben) im Monat, für Familien mit zwei Kindern bei 2.170 Euro im Monat. Besonders gefährdet sind arbeitslose, alleinerziehende und allein lebende Menschen. Auch Migranten und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Mit wachsender Kinderzahl steigt das Armutsrisiko. Armut soll sich nicht vererben Alle Menschen sollen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilhaben können. Das soziale Netz soll Menschen in Notlagen auffangen. Zu diesem sozialen Netz gehören 12 zum Beispiel das Arbeitslosengeld II, auch „Hartz IV“ genannt, oder die Grundsicherung im Alter und die Unterstützung armer Familien. Armut soll sich nicht vererben. Der Weg zur Armutsvermeidung führt über mehr Bildung und Beschäftigung. Daher ist es ein vorrangiges Ziel der Bundesregierung, Erwerbslose wieder in Arbeit zu bringen. Kinderarmut – ein Startplatz in der hinteren Reihe Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien haben ein erhöhtes Risiko, körperlich oder seelisch krank zu werden. Sie erreichen häufiger gar keine oder niedrigere Schulabschlüsse als Kinder aus finanziell besser gestellten Familien und müssen als Erwachsene häufiger mit Arbeitslosigkeit rechnen – ein Teufelskreis. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lebten im Dezember 2016 rund 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Haushalten, die Arbeitslosengeld II in Anspruch nehmen mussten. Schlimmer als der Mangel an Geld wirken sich die sozialen Folgen der Armut aus: das Gefühl, mit den anderen nicht mit- halten zu können, und der Frust über die geringeren Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Mit dem sogenannten Bildungspaket unterstützt die Bundesregierung seit dem Jahr 2011 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe erhalten oder deren Eltern einen Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen. Ziel ist es, ihnen über Zuschüsse und Kostenerstattungen bessere Lebens-, Bildungsund Entwicklungschancen zu bieten. Armut in Deutschland und weltweit Nach Angaben des fünften Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung über die Hälfte der Vermögen in Deutschland, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung lediglich über gut ein Prozent verfügt. Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedingungen für soziale Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen und dafür zu sorgen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet. Armutsgefährdung nach Art der Beschäftigung 2016 Angaben in Prozent Geklickt Lebenslagen in Deutschland. Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2017 www.armuts-undreichtumsbericht.de Aktuelles zum Thema Armut von der Bundeszentrale für politische Bildung und den Landeszentralen für politische Bildung www.politische-bildung.de/ armut_in_deutschland.html * atypische Beschäftigung: Teilzeitbeschäftigung mit 20 oder weniger Stunden, Befristung, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, freie Mitarbeit Quelle: Lebenslagen in Deutschland. Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Berlin 2017, Seite 96 Im weltweiten Vergleich zählt Deutschland dennoch zu den reichen Ländern. Die Einkommensunterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sind groß. Die absolute Armut ist zwar weltweit leicht gesunken, und es gibt in vielen Regionen soziale Fortschritte wie steigende Lebenserwartung, sinkende Kindersterblichkeit und höhere Einschulungsquoten. Einkommen und Vermögen sind in den Entwicklungsländern jedoch immer noch sehr ungleich verteilt. Aus den daraus resultierenden Konflikten können Bürgerkriege entstehen. Die Folge sind oft große Wanderungsbewegungen aus den ärmeren Ländern in die reicheren Länder. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen waren Ende des Jahres 2016 weltweit rund 66 Millionen Menschen auf der Flucht vor Armut, Krieg und Verfolgung. Das war der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945). Die Fluchtbewegungen halten – wenn auch vermindert – an. Deutschland ist als wohlhabendes und sicheres Land ein begehrtes Ziel. Seitdem die Bundesregierung 2015 die Grenzen für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien geöffnet hat, sind mehr als eine Million Menschen nach Deutschland gekommen. Allein 2016 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 745.545 Anträge auf Asyl gestellt. Um den Menschen in ihren Herkunftsländern bessere Lebensbedingungen und Sicherheit zu ermöglichen, müssen vor allem der Zugang zu Bildung und Arbeit sowie die Infrastruktur (zum Beispiel Gesundheitsversorgung, Straßenbau) verbessert und die gewaltsamen Konflikte gelöst werden. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklungspolitik ist es deshalb, die Entwicklungsländer politisch zu stabilisieren und wirtschaftlich zu fördern. Nur so werden die Menschen in ärmeren Ländern in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen und sich aus eigener Kraft ein besseres Leben aufzubauen. Relative Armut: In Industrieländern wird Armut zumeist als relative Armut definiert. In relativer Armut leben Menschen, die ein deutlich geringeres Einkommen als der Durchschnitt der Bevölkerung • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Armut und Reichtum • Arbeitsblatt und Schaubild: Kluft zwischen Arm und Reich • Arbeitsblatt und Schaubild: Kinder- und Jugendarmut in Deutschland • Arbeitsblatt und Schaubild: Maßnahmen der Jugendhilfe • Arbeitsblatt und Schaubild: Bürgerschaftliches Engagement Gewählt Bürgertelefon zum Bildungspaket (030) 2 21 91 10 09 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr ///////////////////////////// Definitionen von Armut und Einkommen Absolute Armut bezeichnet ein Leben am Rande des Existenzminimums (existenzielle Armut). Menschen in absoluter Armut haben kaum Zugang zu lebenswichtigen Gütern wie Nahrung und Trinkwasser. Absolute Armut betrifft in erster Linie Entwicklungsländer und ist in Deutschland nahezu ausgeschlossen. Nach einer Definition der Weltbank liegt absolute Armut vor, wenn Menschen von weniger als 1,90 Dollar pro Tag leben müssen, das entspricht rund 1,60 Euro. Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien haben (Einkommensarmut). Diese Menschen können nur eingeschränkt an Bildung, Gesundheit und dem gesellschaftlichen Leben teilhaben. Das Durchschnittseinkommen ist ein rechnerisch ermittelter Wert. Dabei wird die Summe aller Einkommen durch die Anzahl der Einkommensbezieher geteilt. Mittleres Einkommen, Medianeinkommen bedeutet, es liegt genau in der Mitte: Die Zahl der höheren Einkommen ist genauso groß wie die Zahl der niedrigeren. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, gilt in Deutschland als armutsgefährdet. Gefragt Erläutern Sie mithilfe des Schaubilds den Zusammenhang von Armutsgefährdung und Beschäftigungsverhältnis. Erklären Sie in eigenen Worten den Unterschied zwischen Durchschnittseinkommen und mittlerem Einkommen. Welcher Wert liegt voraussichtlich höher? Begründen Sie Ihre Ansicht. ///////////////////////////// 13 Berufsorientierung Fachkräfte gesucht Die moderne Arbeitswelt verlangt von den Arbeitnehmern heute eine gute Ausbildung, Flexibilität und die Bereitschaft zum lebensbegleitenden Lernen. Aber auch die Anforderungen an die Arbeitgeber sind gestiegen: Sie müssen im Wettbewerb um die begehrten Fachkräfte umdenken und ihren Mitarbeitern neben einer guten Bezahlung auch passende Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten. Berufsbiografie früher und heute Vor rund 50 Jahren war der Berufsweg oftmals vorgegeben. Wer in einem Betrieb Fuß gefasst hatte, konnte sich seines Arbeitsplatzes in der Regel sicher sein und wechselte ihn nur aus privaten oder Karrieregründen. Heutige Lebensläufe sind viel häufiger von Brüchen und Unsicherheiten geprägt: Praktika, Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Selbstständigkeit, befristete Beschäftigungsverhältnisse, Elternzeiten, Teilzeit, Arbeitsplatzwechsel, Umorientierung und erneutes Durchstarten kennzeichnen das Berufsleben. Das bedeutet Risiko und Chance zugleich. Viele Menschen – vor allem junge – wollen verschiedene Berufe und Branchen kennenlernen, bevor sie sich festlegen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein erfolgreicher Schuloder Ausbildungsabschluss. 14 Die Wahl eines Berufs gehört zu den wichtigsten Entscheidungen eines jungen Menschen. Da die Arbeitswelt immer komplexer wird und es unzählige Ausbildungs- und Einstiegsangebote gibt, kann man leicht den Durchblick verlieren. Umso wichtiger ist es, sich möglichst früh zu informieren und bei der Arbeitsagentur beraten zu lassen. Auszubildende gesucht! Grundsätzlich haben sich die Startbedingungen für Schulabgänger in den vergangenen Jahren verbessert. Das Verhältnis zwischen angebotenen Ausbildungsplätzen und Bewerbern ist ausgeglichener geworden. Dennoch gibt es Probleme: Nach wie vor können viele Jugendliche, vor allem mit niedrigem Schulabschluss oder aus strukturschwachen Gegenden, kaum eine passende Ausbildungsstelle in ihrer Region finden. Gleichzeitig werden viele Ausbildungsplätze nicht besetzt, weil Unternehmen keine qualifizierten Bewerber finden oder weil die Ausbildungsberufe für die Jugendlichen nicht attraktiv erscheinen (siehe Schaubild auf Seite 18). Bis zum Jahr 2030 wird es laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung etwa 3,6 Millionen weniger Erwerbstätige in Deutschland geben. Gesucht werden vor allem Fachkräfte, also Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem gleichwertigen Abschluss. Wirtschaftsexperten warnen vor einem Fachkräftemangel in Deutschland, der sich bereits heute in einigen Branchen bemerkbar macht. Die Bundesregierung hat daher verschiedene Maßnahmen beschlossen, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen. Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, sich kontinuierlich weiterzubilden. Die Gesundheit älterer Arbeitnehmer soll gefördert werden, damit sie länger arbeiten und ihre Erfahrungen und Fähigkeiten einbringen können. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll wei- Arbeitswelt nach Wirtschaftsbereichen Erwerbstätige in Prozent* Geklickt Portal zur Gewinnung von Fachkräften für den Arbeitsmarkt www.fachkraefte-offensive.de Index Gute Arbeit, Report des Deutschen Gewerkschaftsbundes http://index-gute-arbeit.dgb.de Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2016, Fachserie 18 Reihe 1.5, Stand: Mai 2017 * Prozentzahlen gerundet, Abweichungen von der Gesamtsumme 100 Prozent sind rundungsbedingt. ter verbessert werden, damit Eltern arbeiten können. Bildungsangebote für Kinder im Vorschulalter sollen ausgebaut werden, und die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss soll sinken. Außerdem sollen qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland besser integriert und deren Bildungsabschlüsse und Zeugnisse leichter anerkannt werden. Praktikum Ein Praktikum ist eine gute Möglichkeit, Berufsfelder kennenzulernen und erste Erfahrungen in der Arbeitswelt zu sammeln. In manchen Fällen gelingt es auch, Kontakte für einen späteren Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu knüpfen. Freiwilliges Engagement Beim Jugendfreiwilligendienst (Freiwilliges Soziales Jahr oder Freiwilliges Ökologisches Jahr) können sich junge Menschen ehrenamtlich einsetzen. Der Bundesfreiwilligendienst (früher: Zivildienst) steht allen – auch älteren – Menschen offen. Die Freiwilligendienste dauern sechs Monate bis maximal zwei Jahre. Die Sozialversicherungsbeiträge übernimmt die jeweilige Einsatzstelle. Für die Freiwilligen gibt es ein Taschengeld von maximal 381 Euro, und sie bekommen zum Abschluss ein qualifiziertes Zeugnis. • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Berufsorientierung • Arbeitsblatt und Schaubild: Abi und dann – Ausbildung oder Studium? • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeitswelt im Wandel • Arbeitsblatt: Lernen und Arbeiten in Europa • Arbeitsblatt: Frauenerwerbstätigenquote • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Gleichberechtigung ///////////////////////////// Gefragt Stellen Sie gegenüber, welche Anforderungen der Wandel in der Arbeitswelt an Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellt. Erläutern Sie Ihre Punkte anhand von Beispielen. Praktika, die während der Schulzeit absolviert werden, dauern etwa zwei Wochen. Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, oder Arbeitslose können sechs bis zwölf Wochen lang in einem Betrieb ein Praktikum zur Erprobung machen. Auch viele Hochschulabsolventen beginnen ihr Berufsleben mit einem Praktikum, Volontariat oder Ähnlichem. Pflichtpraktika werden meist nicht vergütet, weil sie Teil der Ausbildung sind. Bei einem freiwilligen Praktikum kann man individuell über eine Bezahlung verhandeln. Ein Praktikum ist kein Arbeitsverhältnis. Der Ausbildungszweck steht beim Praktikum im Vordergrund. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Praktikant Gelegenheit bekommt, möglichst viele Bereiche des Betriebes kennenzulernen und verschiedene, für das Berufsfeld wichtige Tätigkeiten auszuprobieren. Wer nur am Kopierer steht, Kaffee kocht oder andere unqualifizierte Hilfsarbeiten ausführt, macht kein Praktikum, sondern erledigt einen Aushilfsjob, der dann auch entsprechend vergütet werden sollte. Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien Interpretieren Sie die Karikatur vor dem Hintergrund des ersten Textes „Berufsbiografie früher und heute“. Erstellen Sie als Gegenentwurf eine Zeichnung, die den Bildungsweg ihrer Eltern oder Großeltern charakterisiert. ///////////////////////////// Zeichnung: Sabine Voigt/toonpool.com, 2014 15 Arbeitswelt im Wandel Arbeiten 4.0 „Die Arbeitswelt der Zukunft wird anders als heute sein. Wird sie auch besser sein? Werden wir selbstbestimmter und gesünder arbeiten? Werden wir mit 50 Jahren noch einmal studieren oder einen neuen Beruf lernen? Nehmen uns die Maschinen die Arbeit weg, oder machen sie Innovationen und Produktivitätsgewinne möglich, die neue Arbeitsplätze schaffen?“ Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Weißbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2017, Seite 4 Digitalisierung und Vernetzung der Arbeitswelt Wir sind auf dem Weg in die Wissensgesellschaft und in eine digitale Ökonomie. Die digitale Vernetzung wirkt sich auf alle öffentlichen und privaten Lebensbereiche aus und damit auch auf die Arbeitswelt. Der Begriff Arbeiten 4.0 ist an die aktuell diskutierte vierte industrielle Revolution, die sogenannte Industrie 4.0, angelehnt. Industrie 4.0 bezeichnet die internetgestützte hoch automatisierte und vernetzte Produktionsweise. Arbeiten 4.0 umfasst alle Bereiche der Arbeitswelt. Es geht um die Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung hat und wie dieser Strukturwandel gestaltet werden kann. Veränderungen sind zum Beispiel: Weniger qualifizierte Tätigkeiten fallen durch den Einsatz von Computern weg, sodass Qualifizierung und Weiterbildung noch wichtiger werden. Mobile Arbeitsgeräte (Notebook, Tablet, Smartphone), digitale Vernetzung und die universelle Zugänglichkeit von Informationen, zum Beispiel über eine Cloud, machen das Arbeiten von jedem Ort aus und zu jeder Zeit möglich. Arbeitnehmer arbeiten häufiger vernetzt in oder mit internationalen Unternehmen. 16 Über vernetzte Computer können Verhalten und Leistungen der Arbeitnehmer theoretisch ständig kontrolliert werden, weshalb der Beschäftigtendatenschutz und die Mitbestimmung von Betriebsräten beim Einsatz neuer Software an Bedeutung gewinnen. Je mehr die Leistungsfähigkeit der digitalen Technik steigt, desto mehr Leistung wird auch von den Arbeitnehmern erwartet. Die Arbeit „verdichtet sich“, es wird in Schichten rund um die Uhr gearbeitet. „Zukunft der Arbeit bedeutet für mich, mobiler und flexibler, aber auch ersetzbarer zu sein. Globalisierung und Technologisierung ermöglichen es, von überall in derselben Qualität zu arbeiten.“ Ängste und Hoffnungen Um Trends der zukünftigen Arbeitswelt zu analysieren, hatte die Bundesregierung in den Jahren 2015 und 2016 zu einem öffentlichen Dialog Arbeiten 4.0 eingeladen. Daran haben sich mehr als 200 Experten und 12.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Die Ergebnisse und Lösungsansätze sind im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ dokumentiert. Bis November 2016 wurden über das Internet mehr als 5.000 Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Arbeitswelt eingereicht. Hier eine Auswahl: „Ich würde mir wünschen, dass ich mehr Zeit für meine Kinder in Zukunft haben werde und mir meine Arbeitszeiten flexibel einteilen kann. Hier ein passendes Konzept zu entwickeln, wäre toll!“ „Arbeiten 4.0 bedeutet vor allem, auf den Demografie- und Strukturwandel einzugehen. Wir werden alle arbeitenden Hände benötigen, ob angestellt oder selbstständig. Wir brauchen flexible Regelungen!“ „Digitalisierung heißt bei uns: Automatisierung, Standardisierung, mehr Monotonie, mehr Ergebniskontrolle, vor allem aber: Vernichtung ‚alter‘ Arbeitsplätze, wenige neue für weniger Geld. Ist das o. k.?“ „Man müsste noch mehr Roboter „Arbeiten in der Zukunft heißt für ‚beschäftigen‘, damit die Menmich, Arbeit und Privates nicht zu schen qualifiziertere Arbeit matrennen, sondern zu verbinden chen und vor allem bei körperlich und davon zu profitieren, zum Beianstrengender Arbeit (zum Beispiel spiel Ideen finden beim Biken.“ in der Pflege) besser unterstützt „Die Flexibilisierung der Arbeitswerden können.“ „Noch zu wenige Menschen zeit ist wünschenswert, aber der wissen mit den Möglichkeiten der Schutz vor Selbstausbeutung darf aktuellen Technik richtig umzudabei nicht außer Acht gelassen gehen. Ich wünsche mir für die werden.“ Zukunft, dass sich das ändert und auch ‚ältere Semester‘ das Potenzial nutzen können.“ Auswirkungen des digitalen Wandels Der digitale Wandel vollzieht sich auf drei miteinander verbundenen Ebenen: 1. Neue, immer leistungsfähigere Technologien: Das Arbeiten wird zunehmend vernetzt. Der Informationsaustausch kann prinzipiell von überall und zu jeder Uhrzeit erfolgen, auch über Ländergrenzen hinweg. Die Arbeitsprozesse werden von IT-Systemen unterstützt, kontrolliert und teilweise sogar gesteuert. Bestimmte Arbeitsschritte werden dadurch entbehrlich, andere kommen neu hinzu. 2. Neue Dienstleistungen, Produkte und Geschäftsmodelle: Es entstehen neue Berufsbilder, zum Beispiel Mediengestalter Digital und Print, und digital erzeugte Produkte, zum Beispiel durch 3-D-Drucker. Online-Plattformen schaffen mit ihren Geschäftsmodellen neue zentrale Marktplätze nicht nur für Informationen und Waren, sondern auch für Arbeit und Dienstleistungen, die vorher dezentral angeboten wurden. 3. Neue Kommunikations-, Konsum- und Arbeitskultur: Die Menschen kommunizieren auf neuen Wegen miteinander, zum Beispiel über soziale Netzwerke, und haben veränderte Konsumvorlieben. Die Digitalisierung erlaubt flexiblere Arbeitsmodelle, zum Beispiel mobiles Arbeiten. Einerseits lassen sich dadurch Familie und Beruf besser vereinbaren, andererseits wird es durch die ständige Erreichbarkeit schwieriger, Arbeit und Freizeit zu trennen. Die sozialen Sicherungssysteme sind für Vollzeitarbeitsverhältnisse konzipiert. Arbeitnehmer in sogenannten atypischen Arbeitsverhältnissen, etwa Soloselbstständigkeit, Zeitarbeit oder Leiharbeit, sind schlechter abgesichert. Bildung und Qualifizierung sollten an die neue Arbeitswelt angepasst werden, aber auch Geringqualifizierte müssen teilhaben können. Prognose 2030: Veränderung der Beschäftigtenzahl in ausgewählten Branchen 2014 bis 2030, Angaben in Tausend Geklickt Portal des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Dialog Arbeiten 4.0 www.arbeitenviernull.de Internetangebot der Bundeszentrale für politische Bildung mit Artikeln zum Thema Industrie 4.0, Digitalisierung der Arbeitswelt und einem Glossar „Zukunft der Arbeit“ www.bpb.de Arbeitsheft „Grundwissen soziale Globalisierung“ www.sozialpolitik.com/artikel/ arbeitsheft-grundwissensoziale-globalisierung Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Arbeitswelt im Wandel • Arbeitsblatt und Schaubild: Digitaler Wandel der Arbeitswelt • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeitsmarkttrends ///////////////////////////// Gefragt Benennen Sie „Gewinnerbranchen“ und „Verliererbranchen“ der in der Grafik dargestellten Arbeitsmarktprognose 2030. Erläutern Sie mithilfe der Texte mögliche Ursachen. Listen Sie in einer Tabelle Ängste und Hoffnungen auf, die mit dem Wandel der Arbeitswelt verbunden werden. Erläutern Sie, welche Rolle dabei verschiedene Lebenssituationen, zum Beispiel Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familienzeit und Alter, spielen. * Das Basisszenario geht von einer stetigen Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie den gegenwärtigen Entwicklungen des Arbeitsmarktes aus. ///////////////////////////// ** Das Szenario beschleunigte Digitalisierung erfordert eine gezielte Förderung und Beschleunigung des technologischen Wandels durch Wirtschaft und Politik. Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Weißbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2017, Seite 52 17 Berufswahl Auf dem Weg ins Berufsleben „Bei der Berufswahl stehen drei Fragen im Vordergrund: Was kann ich? – Begabungen und Fähigkeiten entdecken Was will ich? – Wünsche und Erwartungen an den Beruf überlegen Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es? Die Antworten auf diese Fragen dienen Ihnen als Grundlage zur richtigen Entscheidung.“ Azubis.de – Das Ausbildungsportal, www.azubis.de > Ratgeber > Berufsleben im Blick > Berufsorientierung, Stand: Juli 2017 Nachwuchskräfte gesucht Der Arbeitsmarkt bietet für alle jungen Menschen vielfältige Tätigkeiten. Ein Schulabschluss ist eine wichtige Voraussetzung, aber auch Kompetenzen wie Verlässlichkeit, Zielorientierung, Teamfähigkeit und Flexibilität sind wichtig. Wer sich auf die gewünschte Ausbildung gut vorbereitet und außerdem bereit ist, dafür in eine andere Stadt zu ziehen, erhöht seine Chancen. Wenn es trotzdem nicht auf Anhieb klappt, kann man immer noch seinen Berufswunsch überdenken und einen Ausbildungsplatz in einer anderen, ähnlichen Branche suchen. Dazu gehört, dass man sich je nach Interesse auch mal nach eher geschlechtsuntypischen Berufen erkundigt: also Mädchen nach technischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Berufen und Jungen nach sozialen und pflegerischen Berufen. Generell gilt: Als Erstes sollte man selbst aktiv werden und spätestens ein Jahr vor Schulabschluss in Stellenbörsen nach einem Ausbildungsplatz suchen. Eine zweite Möglichkeit ist, direkt bei vorherigen Praktikumsbetrieben und anderen Arbeitgebern anzu- 18 fragen. Eine solche Initiativbewerbung kann sich lohnen. Die nächste Anlaufstelle bei der Ausbildungsplatzsuche ist die kostenlose Berufsberatung der örtlichen Arbeitsagentur. Die Berufsberater wissen, wo es vor Ort offene Stellen gibt, und haben einen Überblick über den bundesweiten Ausbildungsmarkt. Sie informieren außerdem über die jeweiligen Anforderungen und Bewerbungsfristen. Auf Antrag gewährt die Arbeitsagentur finanzielle Unterstützung, zum Beispiel mit Zuschüssen zu Reise-, Bewerbungs- und Umzugskosten oder der einkommensabhängigen Berufsausbildungsbeihilfe. Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt Mehr Stellen als Bewerber: Mehr Bewerber als Stellen: Berufe mit Besetzungsproblemen, Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze Berufe mit Versorgungsproblemen, Anteil der erfolglosen Bewerber Restaurantfachmann/-frau: Fleischer/-in: 34,2 Prozent 33,3 Prozent Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk: 32,7 Prozent Fachmann/-frau für Systemgastronomie: 28,7 Prozent Klempner/-in: 25,9 Prozent 24,0 Prozent Bäcker/-in: Beton- und Stahlbetonbauer/-in: 23,2 Prozent Gerüstbauer/-in: 23,1 Prozent 22,1 Prozent 21,8 Prozent Hotelkaufmann/-frau: Gebäudereiniger/-in: Tierpfleger/-in: Gestalter/-in für visuelles Marketing: Mediengestalter/-in Bild und Ton: Sport- und Fitnesskaufmann/-frau: 47,3 Prozent 4 7, 1 Prozent 46,3 Prozent 34,3 Prozent Informations- und Telekommu nikationssystem-Elektroniker/-in: 29,3 Prozent Mediengestalter/-in Digital und Print: 29, 1 Prozent Biologielaborant/-in: 25,8 Prozent 25,5 Prozent 24,9 Prozent 24,9 Prozent Fotograf/-in: Buchhändler/-in: Chemielaborant/-in: Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2017, Bonn 2017, Seite 25 Das duale System der Berufsausbildung in Deutschland Geklickt Voraussetzungen Je nach Ausbildungsberuf erwarten die Arbeitgeber bestimmte Schulabschlüsse von den Bewerbern. Gesetzlich vorgeschrieben sind sie jedoch nicht. Lediglich für Gesundheits- und Sozialberufe und für Berufe im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung gibt es besondere Zugangsbestimmungen. Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit www.berufenet.arbeitsagentur. de/berufe www.planet-beruf.de Bewerbung direkt bei den Betrieben. Die Berufsberatung der Arbeitsagentur hilft durch Ausbildungsstellenvermittlung. Ausbildungsreport 2016 der DGB-Jugend www.jugend.dgb.de/ausbildung duale Ausbildung 1. Ausbildung im Betrieb 2. Ausbildung in der Berufsschule zwei bis dreieinhalb Jahre, je nach Beruf durch Ausbilder und Meister nach bundeseinheitlichen Ausbildungsordnungen (in der Regel drei bis vier Tage wöchentlich) fachtheoretischer, fachpraktischer und allgemeinbildender Unterricht durch Fachlehrer nach Lehr- oder Bildungsplänen, die mit den betrieb lichen Ausbildungsordnungen ab gestimmt sind (ein bis zwei Tage wöchentlich, zum Teil auch als Blockunterricht) Ausbildungsvergütung je nach Beruf und Bundesland, im Durchschnitt 854 Euro monatlich (Stand 2016) Abschluss nach erfolgreicher Abschlussprüfung vor dem Prüfungsausschuss der zuständigen Stelle für Berufsbildung (zum Beispiel Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer) Quelle: eigene Darstellung nach JAV Uni Halle: www.jav.uni-halle.de, Bundesinstitut für Berufsbildung: www.bibb.de Viele Wege führen zum Ziel Früher waren die Bildungswege klar getrennt: Wer Abitur hatte, der studierte in der Regel auch. Heute entscheiden sich immer mehr Abiturienten für eine Ausbildung. Etwa jeder vierte Auszubildende hat mittlerweile die allgemeine Hochschulreife. Ein Studium ist nicht automatisch ein Garant für ein gutes Einkommen. Wer vor allem gut verdienen will, muss nicht unbedingt studieren, sondern sich die Branchen genau anschauen. Für die Lebenszufriedenheit sind jedoch persönliche Vorlieben und Fähigkeiten in der Regel wichtiger als die Höhe des Gehalts. Die Einstiegsqualifizierung für Jugendliche ist ein ausbildungsvorbereitendes Praktikum in einem Ausbildungsbetrieb, das bis zu einem Jahr dauert und als Brücke in die Berufsausbildung dienen soll. Es endet mit einem anerkannten Zertifikat und kann auf eine spätere Berufsausbildung angerechnet werden. Im Rahmen einer Assistierten Ausbildung werden benachteiligte junge Menschen während der betrieblichen Ausbildung, beim Lernen und bei Bewerbungen gezielt gefördert. Auch die Betriebe werden unterstützt und beraten. Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Berufswahl • Arbeitsblatt und Schaubild: Abi und dann – Ausbildung oder Studium? • Arbeitsblatt und Schaubild: Berufschancen von Mädchen und Jungen • Arbeitsblatt: Berufswahl: Wo werden Auszubildende gesucht? • Schaubild: Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt • Arbeitsblatt und Schaubild: Jobben in den Ferien Gewählt Bürgertelefon zur Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsförderung (030) 2 21 91 10 03 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr ///////////////////////////// Ausbildung ohne Betrieb Gefragt Mit der Berufseinstiegsbegleitung bietet die Bundesagentur für Arbeit noch vor dem Schulabschluss über einen längeren Zeitraum individuelle Unterstützung, damit der Übergang von der Schule in die Ausbildung besser gelingt. Dieses Bildungsangebot richtet sich vor allem an förderungsbedürftige Jugendliche an allgemeinbildenden Schulen. Wenn es überhaupt nicht mit dem Ausbildungsplatz klappen will, ist eine Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung eine Alternative. Dabei arbeiten die Auszubildenden nicht in einem richtigen Betrieb, sondern in Einrichtungen von Bildungsträgern. Sie lernen praktische Tätigkeiten, die für den Beruf wichtig sind, und wenden diese in mehrwöchigen Betriebspraktika an. Beantworten Sie stichwortartig die drei im Einstiegskasten genannten Fragen bei der Berufswahl für sich selbst. Nutzen Sie hierfür auch das Informationsangebot unter www.planet-beruf.de. Besprechen Sie Ihre Einschätzungen und Möglichkeiten in der Lerngruppe. Wer den Schulabschluss nicht oder nur mit einem schlechten Durchschnitt geschafft hat, kann seine Chancen durch ein Berufsvorbereitungsjahr verbessern. Oft entwickeln die Teilnehmer erst im Laufe der einjährigen Schulzeit einen konkreten Berufswunsch, denn im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahrs werden praktische und theoretische Grundqualifikationen vermittelt. Auch der Besuch einer Berufsfachschule kann sich lohnen. Die einjährige Grundausbildung kann auf eine entsprechende betriebliche Ausbildung angerechnet werden. Zweijährige Schulausbildungen bieten die Möglichkeit, einen höheren Schulabschluss nachzuholen. Darüber hinaus gibt es Berufsfachschulausbildungen, die zu einem Berufsabschluss führen, etwa im Bereich der Hauswirtschaft oder der Erziehung. Wählen Sie einen möglichen Ausbildungsberuf. Informieren Sie sich im Internet über Anforderungen, Inhalte und Entwicklungsmöglichkeiten. Fassen Sie Ihre Ergebnisse zusammen, indem Sie eine Stellensuchanzeige für Ihre Regionalzeitung formulieren. Hilfen für den Berufseinstieg ///////////////////////////// 19 Berufseinstieg Von Anfang an versichert Von der Schule in die Ausbildung: Für Jugendliche ist das ein großer Schritt mit vielen Veränderungen. Während der Schulzeit war man noch bei den Eltern mitversichert. In der Ausbildung ist man nun automatisch Mitglied in der Sozialversicherung und erlebt zum ersten Mal, was das konkret bedeutet. Geteilte Kosten Eine sinnvolle Pflicht Vom ersten Tag der Ausbildung an besteht Sozialversicherungsschutz. Der ist zwar nicht kostenlos, aber die Arbeitnehmer müssen ihre Beiträge für die Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nicht allein finanzieren. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Sozialversicherung ist aus mehreren Gründen eine sinnvolle Pflicht: Man beteiligt sich mit Beiträgen, die sich am eigenen Leistungsvermögen orientieren, am Solidarprinzip („Einer für alle, alle für einen“, siehe Seite 8). Dadurch ist man automatisch auch selbst gegen die Folgen von Krankheiten, Unfällen, Pflegebedürftigkeit, Alter und Arbeitslosigkeit abgesichert. So erwirbt man mit den Beiträgen zur Rentenversicherung beispielsweise den Anspruch auf eine spätere Rente. Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Beiträge jeweils zur Hälfte. Eventuelle Zusatzbeiträge der Krankenkasse muss der versicherte Arbeitnehmer selbst tragen. Die Beiträge für die Unfallversicherung übernimmt allein der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmeranteile werden direkt vom Lohn abgezogen. Der Arbeitgeber überweist das Geld zusammen mit seinem Anteil an die Sozialversicherungsträger. Wenn man nicht mehr als 325 Euro brutto im Monat verdient, zahlt der Arbeitgeber die Sozialabgaben sogar allein (Geringverdienergrenze). Wer den Ausbildungsplatz verliert, etwa weil die Firma schließt, oder wer später einmal arbeitslos wird, ist weiterhin versichert. In diesem Fall übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Beiträge. 20 Anders als bei privaten Versicherungen wird in der Sozialversicherung kein Vertrag geschlossen, bei dem Leistungen und Beitragshöhe individuell ausgehandelt werden. Sie beruht auf einem öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsverhältnis, das gesetzlich festgelegt ist. Wer in einem Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis steht, ist in der Regel automatisch sozialversichert. Nicht erwerbstätige Ehepartner und Kinder sind eingeschlossen. Ergänzend zu der gesetzlichen Sozialversicherung können auch noch weitere Risiken individuell durch private Versicherungen abgesichert werden. Private Versicherungsgesellschaften werben mit zahlreichen Produkten um junge Kunden. Verbraucherschützer halten jedoch für Berufseinsteiger nur drei private Vorsorgeformen für sinnvoll: eine Haftpflichtversicherung, eine Berufsunfähigkeitsversicherung und eine private Altersvorsorge (siehe Seite 34 und 36). Im Ausbildungsvertrag müssen stehen: Name und Anschrift der Vertragspartner Art der Ausbildung Beginn und Dauer der Ausbildung Ziel der Ausbildung Pflichten des Ausbildenden Pflichten des Auszubildenden Arbeitszeit Höhe der Ausbildungsvergütung Dauer des Jahresurlaubs Voraussetzungen für Kündigung Hinweis auf geltende Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Datum und Unterschrift der Vertragspartner Musterverträge zum Herunterladen gibt es bei www.dihk.de > Themenfelder > Aus- und Weiterbildung > Ausbildung > Ausbildungspolitik > Service. Ausbildungsstart Darum muss man sich selbst kümmern: Darum kümmert sich der Arbeitgeber: dem Arbeitgeber die persönliche Identifikationsnummer, abgekürzt Steuer-ID, Geburtsdatum und Religionszugehörigkeit mitteilen zur Sozialversicherung anmelden: Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer und Auszubildenden zur Sozialversicherung anmelden. Die Beiträge für die Sozialversicherung werden automatisch vom Gehalt abgezogen. eine Bescheinigung vom Arzt einholen, sofern man nicht volljährig ist (Berechtigungsschein bei der Gemeinde- oder Stadtverwaltung beantragen) eine Kranken-/Pflegekasse aussuchen, Angebote vergleichen ein Gehaltsgirokonto bei einer Bank oder Sparkasse einrichten die Rechte und Pflichten von Auszubildenden kennen (siehe Seite 23) sich über staatliche Fördermöglichkeiten informieren und gegebenenfalls einen Antrag stellen, zum Beispiel für Wohngeld oder Umzugskosten den Arbeitgeber nach vermögenswirksamen Leistungen und betrieblicher Altersvorsorge fragen (siehe Seite 37) Anmeldeformulare der Berufsschule ausfüllen und Unterlagen zusammenstellen Arbeitgeber über Berufsschulzeiten informieren Sozialversicherungsausweis beantragen: Jeder Arbeitnehmer erhält eine persönliche Sozialversicherungsnummer, abgekürzt SV-Nummer, die er das ganze Leben lang behält. Der Sozialversicherungsausweis wird ihm per Post zugeschickt. Steuern abführen: Wenn Lohnsteuer anfällt, zahlt der Ausbildungsbetrieb diese an das Finanzamt, ebenso den Solidaritätszuschlag und eventuell die Kirchensteuer. Ausbilder stellen, Ausbildungsinhalte festlegen und überprüfen Ansprechpartner benennen, zum Beispiel Jugend- und Auszubildendenvertretung, Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragte, Behindertenbeauftragte in die Sicherheitsvorschriften des Betriebs einweisen Auszubildende bei der Berufsschule anmelden Beispiel-Gehaltsabrechnung eines Auszubildenden Von brutto zu netto, Stand 2017 Bruttoverdienst: Grundgehalt ohne Abzüge wie Steuern oder Krankenversicherung Steuerbrutto: Grundlage zur Berechnung der steuerlichen Abzüge Kranken- / Pflegeversiche rung und Renten- / Arbeitslosenversicherung (KV / PV- und RV / AV-Brutto): jeweils Grundlage zur Berechnung der Beiträge für den entsprechenden Versicherungszweig Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag fallen in der Ausbildung in der Regel noch nicht an, erst bei einem höheren Bruttogehalt. Steuerrechtliche Abzüge: Summe der zu zahlenden Steuern Krankenversicherung im Durchschnitt 15,7 Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer 7,3 Prozent plus durchschnittlich 1,1 Prozent Arbeitnehmer-Zusatzbeitrag (Prognose des Bundes für 2017, genauer Zusatzbeitrag abhängig von Krankenkasse) Pflegeversicherung 2,55 Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1,275 Prozent (in Sachsen: Arbeitgeber 0,775 Prozent, Arbeitnehmer 1,775 Prozent). Kinderlose Arbeitnehmer ab 23 Jahren: 1,525 Prozent (in Sachsen: 2,025 Prozent) Rentenversicherung 18,7 Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer 9,35 Prozent Arbeitslosenversicherung 3,0 Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1,5 Prozent Sozialversicherungsrechtliche Abzüge: Summe der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge Geklickt Übersicht des Bundesinstituts für Berufliche Bildung mit Informationsquellen für Jugendliche zum Thema Aus- und Weiterbildung www.bibb.de Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Von Anfang an versichert (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Berufseinstieg • Arbeitsblatt und Schaubild: Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Sozialversicherung im Überblick • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Soziale Leistungen ///////////////////////////// Gefragt Berechnen Sie ausgehend von einem Bruttogehalt von 937 Euro, der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung im dritten Ausbildungsjahr im Jahr 2016, die Höhe der Sozialabgaben und den monatlichen Nettoverdienst. Stellen Sie diesem Nettoverdienst in einer Tabelle Ihre festen monatlichen Ausgaben, zum Beispiel für Kleidung, Smartphone oder Freizeitgestaltung, gegenüber. Überprüfen Sie, ob Sie Geld übrig hätten, um zum Beispiel die Miete für eine eigene Wohnung bezahlen zu können. ///////////////////////////// Quelle: eigene Darstellung 21 Arbeitsrecht 1 Arbeitnehmer haben Rechte Die Jugend- und Auszubildendenvertretung Auszubildende sind keine billigen Hilfskräfte, sondern haben das Recht auf eine Ausbildung unter genau festgelegten Bedingungen. Bei Schwierigkeiten sollten sie zunächst mit dem Ausbilder oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, abgekürzt JAV, im Betrieb sprechen. Die JAV achtet darauf, dass die für Jugendliche und Auszubildende relevanten Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen im Unternehmen eingehalten werden. Sie informiert auch darüber, was im Betrieb geschieht, welche Projekte anstehen oder wie sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens entwickelt. In die JAV dürfen sich Auszubildende und Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wählen lassen (siehe auch Kapitel „Von Schülern für Schüler“ zum Thema Mitbestimmung auf Seite 42/43). Die JAV arbeitet eng mit dem Betriebsrat zusammen, der Interessenvertretung der Arbeitnehmer. In öffentlichen Dienststellen und Verwaltungen heißt diese Interessenvertretung Personalrat. Wenn es keine JAV und keinen Betriebs- oder Personalrat gibt, können Auszubildende sich auch an die für ihren Beruf zuständige Gewerkschaft oder die verantwortliche Kammer wenden, zum Beispiel die Handwerkskammer oder die Industrie- und Handelskammer. Dort gibt es Ausbildungsberater und einen Schlichtungsausschuss. 22 „Ich rate allen, die sich gerne engagieren und nicht scheuen, auch mal unbequeme Themen anzusprechen, sich zu überlegen, ob die Kandidatur als Jugend- und Auszubildendenvertreter/-in nicht interessant sein könnte. Wenn man gewählt wird, hat man viele Möglichkeiten, die Ausbildungsqualität zu verbessern, sich für eine gute Perspektive nach dem Studium oder der Ausbildung einzusetzen, aber auch, sich persönlich auf vielen verschiedenen Ebenen weiterzuentwickeln.“ Cheyenne Todaro, 23, JAV-Vorsitzende im Mercedes-Benz-Werk Mannheim, in: Soli aktuell 10/2016, www.jugend.dgb.de Betriebsräte: Arbeitnehmer bestimmen mit Wenn in einem Unternehmen mindestens fünf Arbeitnehmer ständig beschäftigt sind, können sie einen Betriebsrat wählen. Gesetzlich vorgeschrieben ist er nicht. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat informieren und anhören. Der Betriebsrat kann bei bestimmten Entscheidungen des Arbeitgebers beraten, mitwirken und mitbestimmen. Bei größeren Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern vertritt ein Europäischer Betriebsrat, abgekürzt EBR, die Interessen der Arbeitnehmer. In größeren Aktiengesellschaften und Organisationen sind die Arbeitnehmer zusätzlich im Aufsichtsrat vertreten, der den Vorstand kontrolliert. Betriebsräte in Deutschland haben im europäischen Vergleich sehr viele Mitbestimmungsrechte. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechte des Betriebsrats: In sozialen Angelegenheiten hat er ein Mitbestimmungsrecht, zum Beispiel bei betriebsspezifischen Arbeitszeit- oder Urlaubsregelungen oder in Fragen des Arbeitsschutzes. Der Arbeitgeber kann hierüber nur mit Zustimmung des Betriebsrats entscheiden. Bei personellen Angelegenheiten hat er ein Mitwirkungsrecht, zum Beispiel bei Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen oder der Erstellung eines Sozialplans. Das heißt, der Betriebsrat kann den Entscheidungen des Arbeitgebers widersprechen. In wirtschaftlichen Angelegenheiten hat er lediglich ein Informationsrecht, zum Beispiel bei Betriebsänderungen oder Investitionsentscheidungen. Das heißt, er muss informiert werden. Rechte und Pflichten von Auszubildenden Rechte Auszubildende erhalten eine angemessene Ausbildungsvergütung, auch während des Berufsschulunterrichts. erlernen alle für das Ausbildungsziel erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse. bekommen vor allem Aufgaben übertragen, die dem Ausbildungszweck dienen. erhalten kostenlose Ausbildungsmittel, Werkzeuge und Werkstoffe. haben ein Recht auf mindestens 24 Tage Urlaub, wenn sie älter als 18 sind, und 25 bis 30 Tage, wenn sie jünger sind. haben ein Recht auf feststehende Pausen und Ausgleich von Überstunden. haben eine Arbeitszeit von höchstens acht Stunden täglich und 40 Stunden in der Woche, wenn sie jünger als 18 sind. werden über Arbeitsschutzmaßnahmen informiert. werden freigestellt, wenn Berufsschulunterricht, Prüfungen oder andere Ausbildungsmaßnahmen anstehen. erhalten ein Zeugnis vom Ausbildungsbetrieb mit Angabe der Art, Dauer und dem Ziel der Ausbildung sowie über die erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse, auf Verlangen des Auszubildenden auch über Verhalten und Leistung. Pflichten Auszubildende sind verpflichtet, am Berufsschulunterricht teilzunehmen. sollen alles erlernen, was wichtig für den Beruf ist. müssen den Anweisungen des Ausbilders folgen und die Betriebsordnung einhalten. sollen alle Aufgaben sorgfältig ausführen. sind verpflichtet, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schweigen. müssen Werkzeuge, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich behandeln. sind verpflichtet, den Arbeitsschutz einzuhalten. sind verpflichtet, bei Krankheit ein ärztliches Attest vorzulegen. müssen ihre Ausbildungsinhalte dokumentieren. Quelle: eigene Darstellung nach Bundesagentur für Arbeit, DGB-Jugend Kündigungsschutz: mehr Sicherheit Der Kündigungsschutz bewahrt Arbeitnehmer vor willkürlichen und sozial ungerechten Entlassungen. Arbeitgebern bietet er ebenfalls Sicherheit, denn auch die Mitarbeiter müssen sich an die gesetzlich geregelten Fristen und Formalitäten halten. Fristlose Kündigungen können nur bei groben Verstößen wie Arbeitsverweigerung, Beleidigungen, sexueller Belästigung oder unpünktlichen Gehaltszahlungen ausgesprochen werden. Gegen eine Kündigung kann vor dem Arbeitsgericht geklagt werden. Für Auszubildende besteht ein besonderer Kündigungsschutz, ebenso für Schwangere und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung, schwerbehinderte Menschen, freiwillig Wehrdienstleistende und Arbeitnehmer in Eltern- oder Pflegezeit. Ausbildungsvergütung mit und ohne Tarifbindung Ausbildungsvergütungen sollen nach dem Berufsbildungsgesetz „angemessen“ sein und einen fühlbaren Beitrag zum Lebensunterhalt leisten. Sie sollen mit fortschreitender Berufsausbildung ansteigen und das Alter der Auszubildenden berücksichtigen. Für viele Ausbildungsberufe gelten Tarifverträge, die zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlossen wurden (siehe nächstes Kapitel). In diesen Verträgen wird auch die Höhe der Ausbildungsvergütung geregelt. Die tariflichen Regelungen fallen je nach Region, Branche und Ausbildungsjahr unterschiedlich aus. Ausbildungsbetriebe, die nicht tarifgebunden sind, sollen sich an diesen Regelungen orientieren. Sie können jederzeit mehr bezahlen, dürfen den Tarif jedoch nicht weit unterschreiten. Es gibt eine gesetzliche Untergrenze von 80 Prozent der tariflichen Vergütung in der betreffenden Branche und Region. Auszubildende können sich bei den Gewerkschaften über die tariflichen Regelungen informieren und mit dem Arbeitgeber verhandeln. Arbeitsrecht Das Individualarbeitsrecht regelt das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Hier finden sich Gesetze zu Arbeitsbedingungen, beispielsweise zur Arbeitszeit, zur Kündigung, zum Entgelt oder zum Urlaub. Das kollektive Arbeitsrecht umfasst Gesetze, welche die Arbeitnehmer als Gruppe angehen, zum Beispiel Fragen zur Mitbestimmung, zu Betriebsvereinbarungen oder zu Lohnvereinbarungen auf Basis des Tarifvertrags. Geklickt Informationen der Hans-Böckler-Stiftung rund um das Thema Arbeitsrecht www.boeckler.de Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Arbeitnehmer haben Rechte (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Arbeitsrecht • Arbeitsblatt und Hintergrundinformationen: Betriebliche Mitbestimmung • Schaubild: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Gewählt Bürgertelefon zum Arbeitsrecht (030) 2 21 91 10 04 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr ///////////////////////////// Gefragt Befragen Sie Auszubildende nach ihren Erfahrungen. Fassen Sie interessante Informationen und Erlebnisse stichpunktartig unter zwei Überschriften zusammen: Was ist gut in der Ausbildung? Was läuft nicht so gut? Vergleichen Sie die Erfahrungsberichte in der Lerngruppe. Nennen Sie Möglichkeiten für Auszubildende, wie sie mit den Dingen, die nicht so gut laufen, umgehen können. ///////////////////////////// 23 Arbeitsrecht 2 Gute Arbeit – guter Lohn „Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften regeln gemeinsam die Arbeitsbedingungen, ohne dass der Staat darauf unmittelbar Einfluss nimmt. […] Das Prinzip der Sozialpartnerschaft – der Wille zu einvernehmlichen Lösungen – ermöglicht Stabilität und sozialen Frieden, gestaltet soziale Gerechtigkeit und trägt maßgeblich zu Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand bei.“ Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_Soziale_Marktwirtschaft, Stand: Juli 2017 Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft Arbeitnehmer können ihre Interessen gemeinsam in einer Gewerkschaft vertreten. Gleiches gilt für Arbeitgeber, die einem Arbeitgeberverband beitreten können. Diese sogenannte Koalitionsfreiheit wird vom Grundgesetz Artikel 9 Absatz 3 geschützt: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.“ In Deutschland gibt es eine lange Tradition, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Konflikte partnerschaftlich lösen. Man spricht daher auch von Sozialpartnerschaft. Die Sozialpartner verhandeln autonom, also eigenständig. Der Staat darf ihnen dabei nicht hineinreden. Dabei geht es um Tarifverträge, in denen die Arbeitsbedingungen und Löhne beziehungsweise Ausbildungsvergütungen geregelt werden (Gehaltstarifverträge). Es geht aber auch um Arbeitszeiten, Urlaub, Schicht- und Erschwerniszulagen (Manteltarifverträge). Um ihre Forderungen durchzusetzen, haben die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer das Recht zu streiken. Sie erhalten in dieser Zeit für den wegfallenden Lohn ein Streikgeld von ihrer 24 Gewerkschaft. Die Arbeitgeber können darauf mit Aussperrung reagieren, indem sie den Arbeitnehmern für diese Zeit ihren Lohn und den Zutritt zur Arbeitsstelle verweigern. Ziel des Arbeitskampfes ist es, zu einer Vereinbarung zu gelangen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Während der Gültigkeitsdauer des neuen Tarifvertrags darf dann nicht mehr gestreikt werden. Tarifautonomie im Wandel Tarifverträge sind nicht automatisch für jeden Betrieb in der betreffenden Branche gültig. Der Arbeitgeber muss sich nur dann an den Tarifvertrag halten, wenn er entweder Mitglied im Arbeitgeberverband ist oder selbst einen entsprechenden Firmentarifvertrag vereinbart hat. Außerdem hat der Arbeitnehmer nur als Mitglied einer Gewerkschaft Anspruch auf die tariflichen Rechte. Davon gibt es zwei Ausnahmen. Erstens: Der Arbeitgeber erweitert die Geltung des Tarifvertrags auf alle Beschäftigten. Zweitens: Die zuständigen Bundes- oder Landesministerien erklären einen Tarifvertrag als allgemein verbindlich. Um zu verhindern, dass in einem Unternehmen zwei Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften gleichzeitig gelten, hat die Bundesregierung 2015 ein Tarifeinheitsgesetz beschlossen. Es besagt: Wenn sich die Gewerkschaften nicht auf einen Tarifvertrag einigen können, gilt der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft, die mehr Mitglieder im Betrieb hat. Das System der Tarifverträge ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten löchriger geworden, da weniger Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden organisiert sind. Im Jahr 2016 arbeiteten rund 48 Prozent der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Betrieb. Das Ausmaß der Tarifbindung variiert dabei stark nach Wirtschaftszweigen. Während in der öffentlichen Verwaltung die Tarifbindung bei 87 Prozent liegt, sind in der Informations- und Kommunikationsbranche lediglich 17 Prozent an Tarifverträge gebunden. Durch Minijobs, Leiharbeit oder befristete Arbeitsverträge werden Betriebsratsgründungen erschwert. Je weniger Beschäftigte im Unternehmen sind, desto seltener ist eine Mitarbeitervertretung vorhanden. Dies betrifft vor allem den Dienstleistungsbereich. Vom Arbeitskampf zum Tarifvertrag – Beispiel Quelle: eigene Darstellung nach Ver.di Jugend: Jugend macht Tarif, www.jugend-macht-tarif.info Geklickt Mindestlohn Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland erstmals ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn für alle Branchen und Beschäftigten. Dies betrifft auch sogenannte Minijobber. Davon ausgenommen sind lediglich Auszubildende, ehrenamtlich Tätige und unter bestimmten Umständen Praktikanten. Wer einen Langzeitarbeitslosen einstellt, muss ihm in den ersten sechs Monaten noch keinen Mindestlohn zahlen. Damit soll die Beschäftigungsquote von Langzeitarbeitslosen erhöht werden. Für einzelne Branchen gibt es Übergangsregelungen. Eine unabhängige Kommission mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern berät alle zwei Jahre über die Anpassung des Mindestlohns. Außerdem werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt regelmäßig beobachtet. Zum 1. Januar 2017 ist der gesetzliche Mindestlohn um 34 Cent auf 8,84 Euro pro Stunde angehoben worden. Weitere Informationen zum Mindestlohn gibt es unter www.der-mindestlohn-wirkt.de. Ziel des gesetzlichen Mindestlohns ist es, das Einkommen von Geringverdienern zu verbessern und sie in die Lage zu versetzen, mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Gleichzeitig soll der Mindestlohn das Sozialversicherungssystem stärken, da bei höheren Löhnen auch höhere Sozialbeiträge in die Sozialversicherungen eingezahlt werden. Kritiker des Mindestlohns sehen in dem Gesetz einen Eingriff in die Tarifautonomie. Viele Arbeitgeber befürchten, aufgrund der höheren Löhne nicht mehr wirtschaftlich arbeiten zu können und somit Beschäftigte entlassen zu müssen. Leiharbeit Etwa eine Million Menschen sind in Deutschland gegenwärtig in Leih- und Zeitarbeit beschäftigt. Ihre Rechte wurden zum 1. April 2017 per Gesetz verbessert: Spätestens nach 18 Monaten muss ein Betrieb nun einen Leiharbeiter fest anstellen, wenn er ihn weiterhin beschäftigen möchte. Eine längere Überlassung von Leiharbeitern kann nur durch entsprechende Tarifverträge vereinbart werden. Zudem müssen Leiharbeiter spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn erhalten wie vergleichbare Festangestellte. Internetseiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände www.dgb.de www.arbeitgeber.de Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen. Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen. Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen. Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen. Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein, wir wollen freie Wirtschaftler sein! Fort die Gruppen – sei unser Panier! Na, ihr nicht. Aber wir. Ihr braucht keine Heime für eure Lungen, keine Renten und keine Versicherungen. Ihr solltet euch allesamt was schämen, von dem armen Staat noch Geld zu nehmen! Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn – wollt ihr wohl auseinandergehn! Keine Kartelle in unserm Revier! Ihr nicht. Aber wir. Wir bilden bis in die weiteste Ferne Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne. Wir stehen neben den Hochofenflammen in Interessengemeinschaften fest zusammen. Wir diktieren die Preise und die Verträge – kein Schutzgesetz sei uns im Wege. Gut organisiert sitzen wir hier – Ihr nicht. Aber wir. Auszug aus Kurt Tucholskys Gedicht „Die freie Wirtschaft“, 1930 • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Arbeitsrecht • Arbeitsblatt: Tarifpolitik • Schaubild: So entsteht ein Tarifvertrag • Arbeitsblatt und Schaubild: Gesetz zur Tarifeinheit • Arbeitsblatt und Schaubild: Streik • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Der gesetzliche Mindestlohn • Arbeitsblatt und Schaubild: Zeitarbeit ///////////////////////////// Gefragt Prüfen Sie, welche Aussagen in Tucholskys Gedicht „Freie Wirtschaft“ heute noch Gültigkeit haben und was sich geändert hat. Entwerfen Sie eine neue Strophe aus der sozialpolitischen Sicht von heute. Suchen Sie in der Nachrichtenberichterstattung nach einem Beispiel für einen Arbeitskampf. Notieren Sie die Forderungen der Gewerkschaften sowie die Angebote der Arbeitgeber, und halten Sie den Ablauf der Auseinandersetzung in einem eigenen Schema fest. ///////////////////////////// 25 Gesellschaft für alle 1 Auf dem Weg zur inklusiven Schule „An der Saaleschule für (H)alle lernen Schüler der fünften bis dreizehnten Klasse gemeinsam unter dem Motto: ,Nicht alle tun immer zur selben Zeit das Gleiche, sondern jeder macht das, was er gerade individuell braucht‘. […] Insgesamt werden 440 Schüler an der Saaleschule unterrichtet, davon rund 12 Prozent mit ausgewiesenem sonderpädagogischen Förderbedarf […]. Ab der zehnten Klasse wird für Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung eine dreijährige Berufsschulstufe angeboten. Während sich ihre Mitschüler auf das Abitur vorbereiten, lernen die Schüler mit einer geistigen Behinderung durch zahlreiche Praktika die Berufswelt kennen. Um diese Praktika zu ermöglichen, hat die Schule ein umfangreiches Netzwerk mit den örtlichen Betrieben und der Universität HalleWittenberg aufgebaut.“ Quelle: Jakob-Muth-Preis für inklusive Schule, Preisträger 2016, www.jakobmuthpreis.de, Stand: Juli 2017 Die Idee der Inklusion Inklusion bedeutet die gemeinsame und vor allem gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben. Dazu zählen Arbeitswelt und Freizeit, aber auch Erziehung und Bildung in Kindergarten, Schule, Universität und Betrieb. Vielfalt und Unterschiedlichkeit 26 der Menschen werden in der Inklusion als Chance begriffen, voneinander zu lernen und zu profitieren, unabhängig von den Voraussetzungen, die ein Mensch mitbringt. Inklusion ist aber nicht nur eine Idee. Vielmehr ist sie mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations, abgekürzt UN) über die Rechte von Menschen mit Behinderung vom Dezember 2006 zu einer verbindlichen Richtlinie der Politik geworden. UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung Im März 2009 ist in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat sich zu deren Einhaltung und Umsetzung verpflichtet. Menschen mit Behinderung sollen in allen gesellschaftlichen Bereichen genauso am öffentlichen Leben teilhaben können wie Menschen ohne Behinderung. Arbeit und Bildung sind dabei zentrale Bereiche, welche die Bundesregierung mit dem Nationalen Aktionsplan 2.0 und dem Bundesteilhabegesetz fördert (siehe Seite 28). Übergreifendes Ziel ist es, für das Potenzial und die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren und sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Weitere Informationen gibt es unter www.bmas.de. Umfrage: Wie Lehrkräfte Inklusion sehen Was spricht für eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung (in Prozent)? soziales Lernen (gemeinsam/voneinander lernen) (bessere) Integration von Kindern mit Behinderung Förderung von Toleranz Förderung sozialer Kompetenzen bessere Chancen und Förderung von Kindern mit Behinderung 31 27 18 16 10 Abbau von Berührungsängsten und Vorurteilen 7 Recht auf Gleichbehandlung (Menschenrecht) 7 6 6 5 5 4 Nutzen abhängig von Art der Behinderung nichts, weiß nicht Nutzen abhängig von der Mittelausstattung (Räumlichkeiten, Personal) allgemeine negative Äußerungen über Inklusion Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Quelle: Forsa Politik- und Sozialforschung: Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer – Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen. Ergebnisse einer repräsentativen Lehrerbefragung in Nordrhein-Westfalen, April 2016, www.vbe-nrw.de Was spricht gegen die gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung (in Prozent)? fehlendes (Fach-)Personal an Regelschulen ungenügende materielle Ausstattung (Größe der Klassenräume, Aufzüge) Regelschule kann erhöhten Förderbedarf behinderter Kinder nicht leisten 19 15 Überforderung/Frustration der behinderten Kinder in der Regelschule 14 mangelnde finanzielle Ausstattung für Inklusion 14 Benachteiligung nicht behinderter Schüler durch Inklusion (Lernbehinderungen) 12 10 9 8 mangelnde Ausbildung der Lehrer für Inklusion abhängig von Art der Behinderung Größe der Schulklassen individuelle Förderung beider Gruppen nicht möglich allgemeine Voraussetzungen/Rahmenbedingungen für Inklusion nicht gegeben nichts, weiß nicht Überforderung der Lehrkräfte Heterogenität der Leistungsfähigkeit zusätzlicher Zeitaufwand Ausgrenzung/Diskriminierung behinderter Kinder Inklusiver Unterricht Noch besuchen in Deutschland fast zwei von drei Schülern mit Förderbedarf spezielle Förderschulen. Dabei handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der Regelschulen (allgemeinbildenden Schulen) ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können. Ziel und zugleich Forderung der UN-Konvention ist es jedoch, möglichst viele Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung oder Förderbedarf gemeinsam an Regelschulen zu unterrichten. Dazu müssen an den Regelschulen entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden: Lehrkräfte müssen mit Blick auf die Anforderungen des inklusiven Unterrichts aus- und weitergebildet werden, Gebäude müssen barrierefrei gestaltet sein. Inklusion als Prozess Seit die Bundesregierung die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterzeichnet hat, ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit 23 20 abhängig von der Schwere der Behinderung 8 6 5 5 5 3 3 Förderbedarf an den Regelschulen von rund 18 auf über 30 Prozent gestiegen. Da jedoch immer häufiger ein Förderbedarf attestiert wird, ist die absolute Zahl der Schüler, die an Förderschulen unterrichtet werden, im gleichen Zeitraum kaum zurückgegangen. Kritiker bemängeln, dass die gestiegene Förderquote zum Erhalt der Förderschulen beiträgt und den Ausbau der Regelschulen behindert. Ihrer Meinung nach sollten das Personal und die finanziellen Mittel der Förderschulen besser im inklusiven Unterricht an Regelschulen eingesetzt werden. Der hohe Anteil von Schülern an Förderschulen verweist darauf, dass die Ausstattung der Regelschulen noch nicht ausreicht, um den Inklusionsgedanken umzusetzen. Er zeigt auch, dass viele Eltern ihre Kinder mit Förderbedarf immer noch lieber auf Förderschulen schicken und sie dort besser aufgehoben sehen. Inklusion findet bisher vor allem in Kitas und Grundschulen statt. An den weiterführenden Schulen bleibt sie nach wie vor eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Geklickt Projekt des Bundesverbandes der evangelischen Behindertenhilfe zur Umsetzung des Inklusionsgedankens an Schulen www.vielfalt-in-bildung.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Gesellschaft für alle • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Inklusion an Schulen • Arbeitsblatt und Schaubild: Berufsausbildung für Jugendliche mit Behinderung • Arbeitsblatt und Schaubild: Teilhabe von Menschen mit Behinderung • Arbeitsblatt: Inklusion – Politik für Menschen mit Behinderung • Schaubild: Inklusion: Behinderung in Zahlen ///////////////////////////// Gefragt Erörtern Sie, ob und wie Kinder mit und ohne Behinderung beziehungsweise Förderbedarf vom inklusiven Schulunterricht profitieren können. Arbeiten Sie anhand der Umfrageergebnisse heraus, wo aus Sicht der Lehrkräfte Stärken und Schwächen der bisherigen inklusiven Unterrichtspraxis liegen. Entwickeln Sie Ideen für mögliche bildungspolitische Maßnahmen, um den Bedenken zu begegnen. ///////////////////////////// 27 Gesellschaft für alle 2 Arbeiten mit Behinderung „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Dieser Satz wurde im Jahr 1994 in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen. Er hat für Menschen mit Behinderung in Deutschland viel bewegt. Seitdem müssen ihre Belange in Gesetzen ausdrücklich berücksichtigt werden. Gleiche Chancen Mit einem speziellen Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sollen Diskriminierungen beseitigt und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. So müssen zum Beispiel neue öffentliche Gebäude behindertengerecht geplant werden. Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Wer diese Quote nicht erfüllt, muss eine Abgabe zahlen. Mit dem Geld werden schwerbehinderte Menschen dabei unterstützt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, abgekürzt SGB IX, hat die Förderung der aktiven, selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zum Ziel. 28 Die Bundesregierung hat zudem zum 1. Januar 2017 das Bundesteilhabegesetz verabschiedet. Dieses Gesetz soll Menschen mit (drohender) Behinderung und Schwerbehinderten ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland ermöglichen. Sie erhalten nun staatliche Leistungen aus einer Hand und müssen nicht mehr mehrere Anträge bei verschiedenen Stellen einreichen. Außerdem orientieren sich diese Leistungen am tatsächlichen Bedarf und sind nicht länger dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zugeordnet. Die Leistungen und Unterstützungen dienen vor allem der besseren Eingliederung in Kindergarten, Schule, Ausbildung und Beruf sowie der verbesserten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Von der Beeinträchtigung zur Behinderung Der Teilhabebericht der Bundesregierung unterscheidet zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Beeinträchtigungen haben aufgrund von geistigen oder körperlichen Störungen zum Beispiel beim Sehen, Hören oder Gehen eine verminderte Leistungsfähigkeit. Aber erst wenn ihre Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsleben durch diese Störung und aufgrund ungünstiger Umweltfaktoren dauerhaft eingeschränkt ist, spricht der Teilhabebericht von einer Behinderung. Dieser Definition liegt die Sichtweise zugrunde, dass es normal ist, verschieden zu sein, und dass Beeinträchtigungen Teil der menschlichen Vielfalt sind. Erst die Benachteiligung macht aus einer Beeinträchtigung eine Behinderung. Diese Sichtweise ermöglicht es, die individuelle Lebenssituation zu berücksichtigen und diejenigen Faktoren genauer in den Blick zu nehmen, die vom „Beeinträchtigt-Sein“ zum „Behindert-Werden“ führen. Berufsausbildung mit Behinderung Nach dem Berufsbildungsgesetz haben junge Menschen mit Behinderung grundsätzlich Anspruch auf eine reguläre Berufsausbildung. Wenn sie zusammen mit Jugendlichen ohne Behinderung ausgebildet werden, haben sie bessere Chancen, vom Betrieb übernommen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt zu werden. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung bewertet etwa die Hälfte der Betriebe, die Jugendliche mit Behinderung ausbilden, ihre Erfahrungen als positiv. Bei der Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf werden die besonderen Verhältnisse von Menschen mit Behinderung berücksichtigt. Dies gilt vor allem für den Zeitraum und die Gestaltung der Ausbildung, die Dauer der Prüfungszeiten, die Zulassung von Hilfsmitteln und Hilfeleistungen wie Gebärdensprachdolmetschern. Wenn eine Regelausbildung wegen einer Behinderung nicht möglich ist, kann ein sogenannter Fachpraktiker- oder Werkerberuf erlernt werden. Dafür gibt es besondere Ausbildungsregelungen. Für Jugendliche mit Lernschwierigkeiten werden zum Beispiel praktische Ausbildungs- und Prüfungsinhalte stärker betont als theoretische. Umgekehrt können bei körperlichen Behinderungen bestimmte praktische Anteile weggelassen werden. Wenn der Leistungsstand und die Behinderung es während der Ausbildung erlauben, kann eine Ausbildung in einem Fachpraktiker- oder Werkerberuf mit einer Anschlussförderung auch nach der regulären Ausbildungsordnung fortgesetzt werden. Unterstützte Beschäftigung Unterstützte Beschäftigung ist ein Angebot für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keine reguläre Berufsausbildung oder Berufsvorbereitungsmaßnahme absolvieren können, aber auch keine speziellen Angebote in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung brauchen. Die Berufseinsteiger werden durch Beratung unterstützt und bis zu zwei Jahre lang in einem Betrieb qualifiziert. Diese Beschäftigung wird als Rehabilitationsmaßnahme in der Regel von der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Persönliches Budget Mit dem sogenannten Persönlichen Budget können Menschen mit Behinderung selbstbestimmt soziale Leistungen einkaufen und bezahlen, beispielsweise Fahrdienste oder Haushaltshilfen. Jüngere Menschen mit Behinderung, die volljährig werden, können das Persönliche Budget auch nutzen, um beispielsweise zu Hause auszuziehen und in einer betreuten Wohngemeinschaft zu leben. Die Antragstellung und die Wahl der Leistungsform sind freiwillig: Als Experte in eigener Sache kann jeder selbst entscheiden, welche Maßnahmen für ihn persönlich hilfreich sind. Diese Wahlfreiheit fördert die Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Arbeitslosenquote von Menschen mit und ohne Behinderung Angaben in Prozent Geklickt Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Teilhabe und zum Persönlichen Budget www.budget.bmas.de www.einfach-teilhaben.de www.gemeinsam-einfachmachen.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Gesellschaft für alle • Arbeitsblatt und Schaubild: Teilhabe von Menschen mit Behinderung • Arbeitsblatt und Schaubild: Berufsausbildung für Jugendliche mit Behinderung • Arbeitsblatt: Inklusion – Politik für Menschen mit Behinderung • Schaubild: Inklusion: Behinderung in Zahlen Gewählt Bürgertelefon zum Thema Behinderung (030) 2 21 91 10 06 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr Gebärdentelefon Zieladresse: [email protected]. buergerservice-bund.de Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr ///////////////////////////// Gefragt Erläutern Sie, welche Sichtweise mit den Begriffen „Beeinträchtigt-Sein“ und „Behindert-Werden“ verbunden ist. Verfassen Sie einen Zeitungskommentar zum Bundesteilhabegesetz und zu den weiteren Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Berücksichtigen Sie dabei auch das Schaubild. ///////////////////////////// Quelle: Bundesagentur für Arbeit, in: Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Berlin 2016, Seite 190, www.bmas.de 29 Krankenversicherung Hauptsache gesund Auszubildende sind vom ersten Tag an in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Damit sind sie Teil einer Gemeinschaft, die inklusive der mitversicherten Angehörigen mehr als 71 Millionen Mitglieder umfasst. Hier gilt das Motto: Die Starken unterstützen die Schwachen. Alle für einen: gesetzliche Krankenversicherung Als erste Sozialversicherung wurde in Deutschland unter Reichskanzler Bismarck im Jahr 1883 die Krankenversicherung eingeführt (siehe Schaubild auf Seite 8). Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt medizinische Leistungen und Kosten zur Gesundheitsvorsorge. Sie wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam finanziert. Beide zahlen jeweils 7,3 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers. Die Krankenkassen können jedoch von den Arbeitnehmern einen Zusatzbeitrag erheben, derzeit liegt er bei durchschnittlich 1,1 Prozent (Stand 2017, siehe Gehaltsabrechnung auf Seite 21). Arbeitnehmer mit einem Einkommen unterhalb der sogenannten Versicherungspflichtgrenze von 57.600 Euro im Jahr 2017 sind in der Krankenversicherung pflichtversichert. Gleiches gilt für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner, landwirtschaftliche Unternehmer, Heimarbeiter, Studierende, bestimmte Berufsgruppen bei Selbstständigen sowie Bundesfreiwilligendienstleistende. 30 Die gesetzliche Krankenversicherung beruht auf dem Solidarprinzip. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen höhere Beiträge zahlen, Arbeitnehmer mit einem niedrigeren Einkommen entsprechend niedrigere. Ehepartner, die nicht berufstätig sind, und Kinder sind kostenfrei mitversichert. Unabhängig davon, wie hoch der finanzielle Beitrag des Einzelnen ist, erhalten alle Mitglieder die erforderlichen medizinischen Leistungen. Jeder nach dem persönlichen Risiko: private Krankenversicherung Wer so viel verdient, dass das Einkommen die Versicherungspflichtgrenze übersteigt, kann nach einem Jahr wählen, ob er sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern möchte. Auch Selbstständige und Beamte können sich privat krankenversichern. 2016 waren rund 8,8 Millionen Menschen Mitglied in einer privaten Krankenversicherung. Sie finanziert sich über die Prämien, also Beiträge der Versicherten. Die Höhe der Prämie richtet sich nicht nach dem Ein- kommen, sondern ist vom individuellen Krankheitsrisiko, Alter und Geschlecht sowie vom gewählten Umfang des Versicherungsschutzes abhängig. Privatversicherte, die den vollen Leistungskatalog finanzieren können, erhalten jede von ihnen gewünschte Gesundheitsleistung. Bei der privaten Krankenversicherung findet also kein sozialer Ausgleich statt. Jeder zahlt für sich selbst nach persönlichem Risiko und Bedürfnissen. Das nennt man Äquivalenzprinzip. Je jünger und gesünder man bei Versicherungsabschluss ist, desto niedriger fallen die Prämien aus. Das ist vor allem für jüngere und gesunde Menschen attraktiv. Es gibt jedoch auch Nachteile: Familienmitglieder sind nicht automatisch mitversichert. Arzt- und Krankenkosten müssen zunächst vom Patienten selbst beglichen und von der Kasse zurückgefordert werden. Die Leistungen sind vertraglich fest vereinbart, dies gilt jedoch nicht für die zu zahlenden Prämien. Wenn die Kosten steigen, reagieren die Versicherer darauf mit Beitragserhöhungen. Das bietet die gesetzliche Krankenversicherung Gesundheitliche Prävention: Um die Kosten für Krankheitsfälle möglichst gering zu halten, bieten die gesetzlichen Krankenkassen gesundheitliche Vorsorge an: Sportkurse, Kurse zum Thema gesunde Ernährung, kostenfreie Untersuchungen im Kindes- und Jugendalter und Früherkennungsuntersuchungen auf Krebserkrankungen. Darüber hinaus unterstützen die Krankenkassen Unternehmen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. Dadurch werden gesunde Arbeitsbedingungen geschaffen, von denen die Beschäftigten und letztlich auch die Unternehmer profitieren. Finanzielle Absicherung: Bei langwierigen Krankheiten bekommt der Arbeitnehmer in der Regel sechs Wochen lang seinen Lohn weitergezahlt. Danach überweisen die Krankenkassen Krankengeld. Es beträgt 70 Prozent des Bruttoarbeitslohns. Sozialversichert bei Krankheit: Auch wenn man Krankengeld erhält, endet der soziale Schutz nicht. Wie der Arbeitnehmer zahlt auch der Krankengeldbezieher seinen Anteil an den Beiträgen zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Die gesetzliche Krankenversicherung stabilisieren Aufgrund der alternden Gesellschaft und des technischen Fortschritts in der Medizin steigen die Gesundheitskosten stetig. Die Bundesregierung hat deshalb in den vergangenen Jahren mehrere Reformen auf den Weg gebracht, um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Einzelne Leistungen wurden gekürzt oder gestrichen. Brillen und Sehhilfen müssen heute überwiegend aus eigener Tasche bezahlt werden, für Zahnersatz zahlen die Kassen lediglich Zuschüsse. Seit dem Jahr 2009 gibt es außerdem einen Gesundheitsfonds, in den die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber fließen. Der Bei- tragssatz ist einheitlich, egal welche Krankenkasse der Versicherte gewählt hat. Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die Kassen für jeden Versicherten einen pauschalen Betrag sowie ergänzende Zu- und Abschläge, die sich jeweils nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen der Versicherten richten. Zum 1. Januar 2015 wurde der allgemeine Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent gesenkt (Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils 7,3 Prozent). Wenn die Kassen mit dem Geld nicht auskommen, dürfen sie allerdings Zusatzbeiträge erheben. Die Zusatzbeiträge liegen im Jahr 2017 bei durchschnittlich 1,1 Prozent. Der Arbeitgeberanteil bleibt dabei unangetastet. Kostensteigerungen müssen also die Arbeitnehmer tragen. Geklickt Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit mit vielen Informationen zur gesetzlichen Krankenversicherung www.bmg.bund.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Hauptsache gesund (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Krankenversicherung • Arbeitsblatt: Gesundheitsprävention in der Schule • Schaubild: Stress in der Schule • Arbeitsblatt und Schaubild: Gesundheit und Selbstbestimmung • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeit und Gesundheit Gewählt Bürgertelefon zur Krankenversicherung (030) 3 40 60 66 01 Montag bis Donnerstag 8 bis 18 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr Stellungnahmen zur Gesundheitsreform 2015 ///////////////////////////// Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit, CDU, 23. Oktober 2015: „Angesichts unserer älter werdenden Gesellschaft und des medizinischen Fortschritts müssen wir mit steigenden Gesundheitskosten rechnen und zugleich die Beitragsentwicklung in Schach halten. Deshalb werden wir die Zusatzbeiträge […] weiter im Auge behalten. Eine gute Versorgung gibt es aber nicht zum Nulltarif. Bei all unseren Gesetzesvorhaben geht es daher immer darum, Patientinnen und Patienten auch in Zukunft Spitzenmedizin und gute Pflege zur Verfügung zu stellen.“ Annelie Buntenbach, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 2. November 2015: „Die Arbeitnehmer-Zusatzbeiträge sind inzwischen das einzige Ventil für die Krankenkassen, um den Kostendruck auszugleichen. Die angekündigte Anhebung der Zusatzbeiträge wird also nicht die letzte sein. […] Das darf nicht allein den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgeladen werden. Spätestens jetzt ist es Zeit, einen großen politischen Fehler zu korrigieren: Die Parität muss wiederhergestellt werden, die Arbeitgeber müssen sich wieder angemessen an den Gesundheitskosten beteiligen.“ Positionspapier der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), 22. Juli 2016: „Die weitere Festschreibung des Arbeitgeberanteils am Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung bei 7,3 Prozent ist notwendig, damit überproportional steigende Gesundheitsausgaben sich nicht negativ auf Beschäftigung und Wachstum auswirken. […] Die Arbeitgeber beteiligen sich im Rahmen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bereits überproportional an den Krankheitskosten.“ Gefragt Erklären Sie am Beispiel der Krankenversicherungen das Solidarprinzip und das Äquivalenzprinzip. Bewerten Sie Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Systeme. Diskutieren Sie, inwiefern das Solidarprinzip in der Krankenversicherung verletzt wird, wenn die Zusatzbeiträge für die gesetzlichen Krankenkassen allein von den Arbeitnehmern getragen werden müssen. ///////////////////////////// Florian Lanz, Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), 23. Februar 2017: „Die Rekordbeschäftigung in Verbindung mit dem einmaligen Sonderzuschuss in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an die Krankenkassen macht es möglich, dass der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in diesem Jahr trotz weiter steigender Ausgaben nicht steigen musste. Den entscheidenden Stabilitätsbeitrag leisten die Beitragszahler allerdings selbst, denn die zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro, die in diesem Jahr aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen ausgeschüttet werden, wurden vorher aus Beitragsgeldern eingezahlt. Wichtiger für den Blick in die nahe Zukunft ist jedoch die überaus gute Konjunktur […].“ 31 Unfallversicherung Für den Fall der Unfälle „Philipp, acht Jahre, stürzt Ende Januar auf dem Schulweg mit dem Fahrrad. ‚Der schöne Schneidezahn – kaputt!‘, erinnert sich seine Mutter, Annette Baum. Dennoch hatte der Junge Glück im Unglück. ‚Die Zahnärztin hat die abgebrochene Ecke wieder angeklebt, den Zahn für die Unfallanzeige fotografiert und alles genau dokumentiert‘, erzählt die Berlinerin. Und weil das Missgeschick auf dem Weg zur Schule passierte, kommt die Unfallkasse Berlin für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Verletzung auf.“ Stiftung Warentest: Unfälle von Kindern – Was die gesetzliche Unfallversicherung zahlt, www.test.de, 13. April 2015 Wegeunfälle sind Unfälle, die auf dem direkten Weg zur Arbeit oder zurück nach Hause passieren. Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt alle notwendigen Kosten für die medizinische Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen und spätere Berufshilfen. Vorrangiges Ziel ist es, den Arbeitnehmer wieder in das Berufsleben einzugliedern. Wenn es nötig ist, wird dem Unfallopfer auch eine Umschulung oder Rente gezahlt. Träger der Unfallversicherung sind Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, arbeitsbedingte Unfälle, Krankheiten oder Gesundheitsgefahren zu verhindern (Prävention). Sie erlassen Unfallverhütungsvorschriften und fördern außerdem die Erste Hilfe. Rehabilitation vor Rente Die gesetzliche Unfallversicherung ist die einzige gesetzliche Sozialversicherung, die ausschließlich vom Arbeitgeber finanziert wird (siehe Schaubild auf Seite 8). Sie sichert Beschäftigte gegen die Folgen von Berufskrankheiten, Arbeitsunfällen und Wegeunfällen ab. Gleichzeitig schützt sie den Arbeitgeber vor im Einzelfall hohen Entschädigungsansprüchen eines Beschäftigten bei einem Arbeits- oder Wegeunfall. 32 Für Arbeitnehmer kostenlos Anders als bei den übrigen Zweigen der Sozialversicherung brauchen die Arbeitnehmer zur gesetzlichen Unfallversicherung keinen Cent beizusteuern. Sie wird aus den Beiträgen der Unternehmen in der jeweiligen Branche finanziert. Das heißt, der Arbeitgeber zahlt seinen Beitrag an die zuständige Berufsgenossenschaft oder an die Unfallkasse. Diese übernimmt bei einem Unfall die Kosten für den Versicherten. Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind bei den öffentlichen Unfallkassen, den Landesunfallkassen oder den Gemeindeunfallversicherungsverbänden versichert. Schutz in Kita, Schule und Universität Kinder in Kindertagesstätten, Schüler und Studierende sind in der Schülerunfallversicherung abgesichert. Im Jahr 2015 waren das nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung rund 17,2 Millionen Menschen. Neben dem Unterricht und dem Schulweg stehen auch Ausflüge, Sport und andere schulische Veranstaltungen unter Versicherungsschutz. Auch die Schülerunfallversicherung kostet die Versicherten nichts. Die Beiträge für öffentliche Schulen übernimmt der Schulträger, für private Schulen das zuständige Bundesland. Die Leistungen nach einem Unfall reichen wie bei der Unfallversicherung für Arbeitnehmer von Heilbehandlungen über Rehabilitation bis hin zur lebenslangen Rente. Gemeldete Schulunfälle 2015 Anzahl der Schüler Unfallort 490.667 329.745 2 93.91 1 110.200 beim Sport Geklickt im Unterricht oder in der Kita Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien in der Pause auf dem Schulweg Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Statistik Schülerunfallgeschehen 2015 Schutz bei der Arbeit Jugendarbeitsschutz Unfallverhütungsvorschriften legen genaue Sicherheitsregeln für den Betrieb fest. Sie sind für Betriebe ebenso verbindlich wie gesetzliche Vorschriften. Sie bestimmen, wie man sich am Arbeitsplatz richtig verhält, wie ein Arbeitsplatz und die Maschinen ausgestattet sein müssen, welche Schutzausrüstung getragen werden muss, zum Beispiel Helm, Gehörschutz und Sicherheitsschuhe, wie oft ärztliche Kontrolluntersuchungen wahrgenommen werden müssen. Das Jugendarbeitsschutzgesetz unterscheidet zwischen Kindern unter 15 Jahren und Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren. Es bewahrt Kinder und Jugendliche vor Arbeit, die für sie zu gefährlich oder ungeeignet ist. So bestimmt es zum Beispiel die maximale Dauer der täglichen Arbeitszeit, die Anzahl der Wochenstunden und den Urlaubsanspruch. Unfallverhütungsvorschriften werden von den Trägern der Unfallversicherung, zum Beispiel den Berufsgenossenschaften, erlassen. Kinder und Jugendliche unterliegen der Schulpflicht, deshalb hat die Schule Vorrang. Auszubildende müssen für ihren Berufsschulunterricht freigestellt werden. Ob das Jugendarbeitsschutzgesetz eingehalten wird, überwachen zum Beispiel die Gewerbeaufsichtsämter beziehungsweise die Ämter für Arbeitsschutz. Regelungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz • Arbeitsblatt: Für den Fall der Unfälle (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Unfallversicherung • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Gesundheitsprävention in der Schule • Arbeitsblatt und Schaubild: Unfallversicherung in Ehrenamt und Pflege • Arbeitsblatt und Schaubild: Schul- und Arbeitsunfälle • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeit und Gesundheit • Arbeitsblatt: Belastungen am Arbeitsplatz • Schaubild: Berufskrankheiten Gewählt Bürgertelefon zu Unfallversicherung und Ehrenamt (030) 2 21 91 10 02 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr Servicerufnummer der gesetzlichen Unfallversicherung (0800) 6 05 04 04, kostenfrei Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr Arbeitszeit: höchstens 8 Stunden pro Tag bei einer Fünftagewoche und maximal 40 Stunden pro Woche, Ausnahmen in einzelnen Branchen möglich Pause: spätestens nach 4 ½ Stunden eine Pause von mindestens 15 Minuten, mindestens 60 Minuten Pause bei mehr als 6 Stunden Arbeitszeit ///////////////////////////// Gefragt Urlaub: je nach Alter zwischen 25 und 30 Tage im Jahr für unter 18-Jährige Arbeitsbeginn: frühestens ab 6 Uhr, Ausnahmen in einzelnen Branchen möglich Quelle: eigene Darstellung nach Jugendarbeitsschutzgesetz Plattform der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung mit ausführlichen Informationen zum Arbeitsschutz www.dguv.de Arbeitsende: spätestens um 20 Uhr für unter 18-Jährige, Ausnahmen in einzelnen Branchen möglich Erklären Sie das Prinzip „Rehabilitation vor Rente“, und entwickeln Sie mögliche Beispiele dafür, wie dieses Prinzip umgesetzt werden kann. Lena, 15, Claudia, 16, und Lukas, 17, arbeiten als Azubis im gleichen Betrieb. Lukas ist der Meinung, dass sie deshalb auch alle gleich viel Urlaub haben. Recherchieren Sie unter www.gesetze-im-internet.de/ jarbschg, und prüfen Sie, ob das stimmt. ///////////////////////////// 33 Rentenversicherung 1 Ein Vertrag zwischen den Generationen In Deutschland finanzieren die Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit ihren Beiträgen, die sie in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, die Leistungen für die Rentner von heute. Man spricht daher auch vom Generationenvertrag. Er ist nirgendwo schriftlich festgehalten, sondern vielmehr ein unausgesprochenes gesellschaftliches Abkommen zwischen Jung und Alt. Soziale Sicherheit – nicht nur im Alter vorliegen und je höher die Arbeitsverdienste waren, desto höher ist die individuelle Rente. Die gesetzliche Rentenversicherung ist das größte soziale Sicherungssystem der Sozialversicherung. Sie bietet nicht nur soziale Sicherheit im Alter, sondern auch schon während der Erwerbsphase – in Form von Rehabilitationsleistungen oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Außerdem werden Hinterbliebene durch Witwen-/ Witwerrenten und Waisenrenten unterstützt (siehe Schaubild auf Seite 8). Die Rentenversicherung wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam getragen. Beide zahlen jeweils 9,35 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers (Stand 2017, siehe Gehaltsabrechnung auf Seite 21). Außerdem zahlt der Staat jedes Jahr einen Bundeszuschuss. Voraussetzungen und Leistungen Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der Arbeitsverdienste, die während des Berufslebens durch Beitragsjahre versichert wurden. Je mehr Beitragsjahre 34 Frauen und Männer zahlen gleiche Beiträge. Der Rentenversicherungsschutz besteht auch in Zeiten von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen. Wer aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, wird von der gesetzlichen Rentenversicherung unterstützt, um seine Erwerbsfähigkeit zu verbessern oder wieder zu erreichen. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden Altersrenten, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Hinterbliebenenrenten gezahlt. Rentner erhalten einen Zuschuss zum Beitrag für die Krankenversicherung. Berufsunfähigkeit zusätzlich absichern Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt bei teilweiser oder voller Erwerbsminderung eine Erwerbsminderungsrente. Wer in jungen Jahren vermindert erwerbsfähig wird, hat aber in der Regel erst geringe Rentenanwartschaften aufbauen können. Daher ist es für Berufsanfänger sinnvoll, eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Vor Abschluss der Versicherung müssen Fragen zur Gesundheit beantwortet werden. Je jünger und gesünder der Versicherte ist, desto niedriger sind die Beiträge. Auch deshalb ist es vorteilhaft, die Versicherung so früh wie möglich abzuschließen, am besten gleich zu Beginn der Berufsausbildung. Vor dem Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sollte man sich bei einer Verbraucherzentrale beraten lassen. Wer ist in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert? Arbeitnehmer: Dazu gehören auch Auszubildende, Entwicklungshelfer, Menschen mit Behinderung, die in anerkannten Behindertenwerkstätten arbeiten, freiwillig Wehrdienstleistende und Bundesfreiwilligendienstleistende. Wer einige Zeit lang Arbeitslosengeld oder Krankengeld bezieht, ist trotzdem weiterhin versichert. Pflegende: Menschen, die mindestens zehn Stunden pro Woche, verteilt auf wenigstens zwei Tage, einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen und nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich arbeiten, sind ohne eigene Beitragszahlung pflichtversichert. Ihre Beiträge werden von den Pflegekassen übernommen. Erziehende: Auch Mütter und Väter sind in Zeiten, in denen sie Kinder erziehen, pflichtversichert. Bis zu drei Jahre werden bei der Rente berücksichtigt. In dieser Zeit müssen sie keine Beiträge zahlen, das übernimmt der Staat für sie. Selbstständige: Nur bestimmte Berufsgruppen wie selbstständige Handwerker, Künstler und Hebammen sind laut Sozialgesetzgebung pflichtversichert. Alle anderen Selbstständigen können sich freiwillig versichern oder auf Antrag pflichtversichern und erwerben dann ebenfalls Rentenansprüche. Selbstständige zahlen ihre Beiträge bis auf einige Ausnahmen selbst. Der Mindestbeitrag beträgt derzeit monatlich 84,15 Euro (Stand 2017). Drei Säulen der Alterssicherung Gesetzliche Rentenversicherung Betriebliche Altersvorsorge Private Altersvorsorge Pflichtversicherung, die Beiträge teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte. Betriebsrente, die Beiträge können vom Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer gezahlt werden. Die steuerliche Förderung können nutzen: Individuelles Schutzpaket, die Beiträge zahlt der Arbeitnehmer selbst. Es gibt verschiedene, zum Teil staatlich geförderte Anlageformen: • abhängig Beschäftigte • bestimmte Selbstständige • besondere Personengruppen, zum Beispiel Pflegepersonen und Bezieher von Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosen-/Krankengeld • Arbeitnehmer/-innen in der Privatwirtschaft • Angestellte im öffentlichen Dienst, wenn der Tarifvertrag dies erlaubt • geringfügig Beschäftigte • • • • Finanzierung: Umlageverfahren Finanzierung: Kapitaldeckungsverfahren Finanzierung: Kapitaldeckungsverfahren private Rentenversicherungen Fondssparpläne Banksparpläne selbst genutztes Wohneigentum Geklickt Informationen der Deutschen Rentenversicherung zum Thema Rente und Altersvorsorge www.deutscherentenversicherung.de www.rentenblicker.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Ein Vertrag zwischen den Generationen (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Rentenversicherung • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Rentenversicherung – nicht nur fürs Alter • Arbeitsblatt und Schaubild: Modelle der gesetzlichen Altersvorsorge • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Demografischer Wandel • Arbeitsblatt und Schaubild: Berufsunfähig – was nun? Gewählt Bürgertelefon zur Rente (030) 2 21 91 10 01 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr Quelle: eigene Darstellung ///////////////////////////// Das Umlageverfahren Das Kapitaldeckungsverfahren Die gesetzliche Rentenversicherung wird seit dem Jahr 1957 über das sogenannte Umlageverfahren finanziert. Das bedeutet, dass das Geld der Beitragszahler direkt für die Zahlung der Renten des nächsten Monats verwendet wird. Ein Rentner erhält seine Rentenleistungen also aus den Beiträgen, welche die derzeitigen Erwerbstätigen und Arbeitgeber je zur Hälfte gezahlt haben. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft (siehe nächstes Kapitel) werden die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung allein künftig nicht mehr ausreichen, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Dafür müssen die heutigen Arbeitnehmer zusätzlich vorsorgen und in eine der beiden Säulen der Alterssicherung einzahlen: die betriebliche oder die private Altersvorsorge. Da die Beitragseinnahmen nicht zur Finanzierung aller Rentenleistungen ausreichen, beteiligt sich der Staat mit Steuergeldern in Form eines Bundeszuschusses an der gesetzlichen Rentenversicherung. Laut Bundesversicherungsamt belief sich der Bundeszuschuss im Jahr 2016 auf fast 70 Milliarden Euro. Diese beruhen auf dem sogenannten Kapitaldeckungsverfahren, das heißt, jeder spart für seine eigene Rente. Die Höhe der Rente hängt vom angesparten Kapital und dessen Anlageertrag ab. Der Anlageertrag ist wiederum abhängig vom Zinsniveau. Der Staat unterstützt die betriebliche und private Altersvorsorge durch Zulagen und Steuervorteile. Gefragt Befragen Sie Großeltern, Eltern, junge Berufstätige, Freunde zum Generationenvertrag zwischen Jung und Alt. Finden sie ihn angemessen? Funktioniert er gut? Notieren Sie die Argumente, und tragen Sie diese in der Lerngruppe in einer Tabelle zusammen. Erklären Sie in eigenen Worten den Unterschied zwischen dem Umlageverfahren und dem Kapitaldeckungsverfahren. Tauschen Sie Pro- und Kontra-Argumente für die beiden Finanzierungsmodelle aus. ///////////////////////////// 35 Rentenversicherung 2 Mehr Rentner, weniger Kinder Unsere Gesellschaft verändert sich durch den demografischen Wandel sehr stark. Wir leben länger und beziehen immer länger Rente. Gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren. Im Jahr 2045 werden 55 Personen im Rentenalter 100 Personen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen. Das wirkt sich langfristig auf das Rentenniveau aus. Damit künftige Generationen finanziell nicht überfordert werden, können die Renten nicht mehr so stark steigen wie in früheren Jahren. Außerdem müssen die Menschen länger arbeiten. Wichtige Reformen der Rente 2001 bis 2005 Absenkung Rentenniveau, Nachhaltigkeitsfaktor Die Rentenleistungen sind an die Entwicklung der Bruttolöhne der Arbeitnehmer gekoppelt. Das wird auch dynamische Rente genannt. Mit der Rentenreform 2001 wurde der Rentenanstieg deutlich verringert und damit das Rentenniveau abgesenkt, um das System finanzierbar zu halten. Außerdem wurde ein sogenannter Nachhaltigkeitsfaktor bei der Rentenberechnung eingebaut: Werden die Beitragszahler weniger, fallen die jährlichen Rentenerhöhungen geringer aus als der Anstieg der Bruttoeinkommen. 2007 Rente mit 67 Rentengarantie Das Renteneintrittsalter für die Regelaltersrente wird schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Wer 1964 und später geboren wurde, kann in der Regel erst mit 67 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen. In der Gesellschaft wird darüber diskutiert, ob das Renteneintrittsalter noch weiter angehoben werden sollte (siehe Seite 37 oben). Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde die im Jahr 2004 eingeführte Rentenschutzklausel zur sogenannten Rentengarantie erweitert. Diese stellt sicher, dass die Renten bei sinkenden Löhnen nicht zurückgehen. Private Altersvorsorge: Riester-Rente Der Staat fördert seit 2002 mit finanziellen Zulagen und Steuervergünstigungen den Aufbau einer privaten Altersvorsorge. Sie wird nach dem damaligen Arbeitsminister „Riester-Rente“ genannt. Vor allem Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung, Beamte, Richter und Soldaten, die mindes- 36 2009 tens vier Prozent des Brutto-Vorjahreseinkommens für die Altersvorsorge aufwenden, erhalten die volle Förderung. Bei Verheirateten muss nur einer von beiden die Voraussetzungen erfüllen, dann erhält auch der andere die Förderung. Geringverdiener zahlen nur einen Mindestbeitrag. Familien und Geringverdiener profitieren am meisten von der Riester-Rente. Gefördert werden privates Wohneigentum, Banksparpläne, Rentenversicherungen und Fondssparpläne, die zertifiziert sind und bestimmte Vorgaben erfüllen. In den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, dass die Auszahlungen der Riester-Renten wegen der niedrigen Zinsen geringer ausfallen als erwartet. Zudem wird die Riester-Rente von Geringverdienern nicht so angenommen wie erhofft. Zeichnung: Thomas Plaßmann, 2016 2014 Verbesserungen für besonders langjährig erwerbstätige Menschen und für Mütter Erwerbstätige, die 45 Jahre oder länger Beiträge in die Rentenversicherung gezahlt haben, können zwei Jahre früher in Rente gehen, ohne dass die Rentenzahlungen gekürzt werden. Mütter oder Väter, deren Kinder vor dem Jahr 1992 geboren sind, erhalten für jedes Kind Rentenzuschläge, durch die ihre Erziehungsleistung nachträglich stärker anerkannt wird. Heidi, 68, Hausfrau: „Ich kann das Wort ‚Lebensleistungsrente‘ nicht mehr hören. Ich habe Kinder großgezogen. Meine Rente beträgt 372 Euro. Meine Altersvorsorge schrumpft (keine Zinsen). So kann ich nicht in Würde alt werden.“ Rente mit 70? Ralf, 45, Arbeiter: „Wer möchte von einem Zahnarzt behandelt werden, dem beim Bohren die Hände zittern? Was macht ein Dachdecker, der nicht mehr auf das Dach kommt, oder ein Maurer, der die Steine nicht mehr tragen kann?“ Sibylle, 38, Angestellte: „Ein Problem ist auch das immer spätere Arbeitseintrittsalter der Jungen: spätere Einschulung, Orientierungsjahr nach dem Schulabschluss, Lehre mit 20, Studienabschluss mit 30. Die Lebensarbeitszeit des Einzelnen ist gesunken.“ Peter, 57, Angestellter: „Ich war 30 Jahre lang in einem großen Chemie-Unternehmen tätig. Im Alter von 55 Jahren wurde mir nahegelegt, das Unternehmen mit einer Abfindung zu verlassen. Hier müsste die Politik mal eingreifen.“ Betriebliche Altersvorsorge Seit dem Jahr 2002 kann jeder Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass ein Teil seines Lohns in eine betriebliche Altersvorsorge fließt. Dies wird Entgeltumwandlung genannt. In Tarifverträgen ist diese Anlageform oft festgeschrieben. Die Beiträge können vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer allein oder von beiden gemeinsam finanziert werden. Auch hier unterstützt der Staat den Aufbau der Altersvorsorge, indem die Beiträge für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer bis zu einer bestimmten Grenze steuer- und abgabenfrei sind. Für die Renten müssen jedoch später Steuern gezahlt werden. 2017 Flexirente Ziel des Flexirentengesetzes ist es, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler gestalten zu können. Teilrente und Hinzuverdienst werden flexibler miteinander kombinierbar. Außerdem kann man mit Weiterarbeit neben der Rente den Rentenanspruch erhöhen. Wer früher in Rente gehen will und dafür Abschläge in Kauf nehmen müsste, kann diese nun früher und flexibler als bisher durch zusätzliche Beitragszahlungen in die Rentenversicherung ausgleichen. Die Zukunft der Rente Die Finanzierung der Rentenversicherung bleibt angesichts der demografischen Entwicklung eine große Herausforderung. Nur nach langer Erwerbstätigkeit und privater Vorsorge kann der gewohnte Lebensstandard im Alter aufrechterhalten werden. Frauen, Alleinerziehende, Geringverdiener, Minijobber und Menschen, die aufgrund einer Erwerbsminderung nicht voll arbeiten können, sind am stärksten von Altersarmut bedroht. Um die Sozialversicherung zu stabilisieren, werden verschiedene Vorschläge diskutiert: Die betriebliche Altersvorsorge (Betriebsrente) soll ausgebaut werden. Für die betriebliche Altersvorsorge besteht besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigung mit niedrigem Einkommen noch erhebliches Verbreitungspotenzial. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft treten soll, setzt hier mit wesentlichen Neuregelungen an. Ein anderer Vorschlag ist, alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Einkommensstarke Bevölkerungsgruppen, vor allem Selbstständige und Beamte, würden dann die gesetzliche Rentenversicherung mitfinanzieren. Durch die bereits bestehenden, historisch gewachsenen Strukturen der Alterssicherungssysteme würde eine Umsetzung des Vorhabens allerdings zu erheblichen Problemen führen. Mit Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und zur Integration von Zuwanderern (siehe Seite 14/15) soll die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse erhöht und die Sozialversicherung gestützt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Ende 2016 ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorgelegt. Das Konzept sieht ein garantiertes Rentenniveau von mindestens 46 Prozent bei einem maximalen Beitragssatz von 25 Prozent bis 2045 vor. Selbstständige sollen durch die Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung besser abgesichert werden. Zugleich soll die zusätzliche Altersvorsorge ausgebaut werden, indem die betriebliche Altersvorsorge ausgeweitet und die Riester-Rente vereinfacht wird. Geklickt Internetseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit Informationen zu den aktuellen Rentenreformen www.bmas.de Internetauftritt der Deutschen Rentenversicherung für Schüler, Auszubildende, Studierende und Berufsanfänger zum Thema Altersvorsorge www.rentenblicker.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformation: Rentenversicherung • Arbeitsblatt: Diskussion: Rente mit 63 und Mütterrente • Schaubild: Das Rentenpaket 2014 • Arbeitsblatt und Schaubild: Modelle der gesetzlichen Altersvorsorge • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Demografischer Wandel • Arbeitsblatt und Schaubild: Jugend und Altersvorsorge (1) • Arbeitsblatt und Schaubild: Jugend und Altersvorsorge (2): Riester-Rente • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Rente mit 67 ///////////////////////////// Gefragt Formulieren Sie mithilfe der Texte Argumente, die für eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters sprechen. Beschreiben Sie die Karikatur und erklären Sie, welcher Konflikt angesprochen wird. Beziehen Sie begründet Stellung zu diesem Konflikt. ///////////////////////////// 37 Arbeitslosenversicherung Arbeitslos, aber nicht mittellos Arbeitsmarktpolitik Eine hohe Arbeitslosigkeit führt nicht nur zu steigenden Sozialausgaben, sondern erhöht auch das Risiko der sozialen Ausgrenzung von Menschen aus der Gesellschaft. Eine hohe Zahl offener Stellen hingegen führt zu Einbußen bei Produktion und Wirtschaftswachstum, weil die Wirtschaft ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht decken kann. Ziel der Arbeitsmarktpolitik ist es deshalb, Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen und Arbeitsuchende möglichst schnell in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Das Arbeitslosengeld „Als der Chef uns mitteilte, dass er unseren Betrieb schließen muss, war das ein ziemlicher Schock. Zum Glück wusste mein Kollege, dass man sich schon vor Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsagentur Hilfe holen kann. Ein Großteil meiner Bewerbungs- und Fahrtkosten zu den Vorstellungsgesprächen wurde übernommen. Beim fünften Vorstellungsgespräch hat es geklappt, sodass ich insgesamt nur sechs Wochen arbeitslos war.“ Stefan, 32, Kfz-Mechatroniker aus Eschwege beitslose Mensch ist und wie lange er vorher Beiträge gezahlt hat. Die Bezugsdauer reicht von sechs bis zu zwölf Monaten. Nach längerer Versicherungsdauer und bei Versicherten im Alter von über 50 Jahren kann sie verlängert werden, höchstens jedoch auf 24 Monate. Auch Selbstständige, die auf freiwilliger Basis vorher Beiträge entrichtet haben, können Arbeitslosengeld erhalten. Arbeitnehmer erhalten Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung, wenn sie ihren Job verlieren, und werden bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle unterstützt (siehe Schaubild auf Seite 8). Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam getragen. Beide zahlen jeweils 1,5 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers (Stand 2016, siehe Gehaltsabrechnung auf Seite 21). Bei (drohendem) Arbeitsplatzverlust sollte man sich spätestens am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit, frühestens drei Monate im Vorfeld, persönlich bei der örtlichen Arbeitsagentur melden. Wer die Frist versäumt, muss mit einer Sperrzeit von einer Woche rechnen und erhält in dieser Zeit kein Arbeitslosengeld. Wer arbeitslos wird und keine Kinder hat, erhält 60 Prozent des vorherigen Nettolohns als Arbeitslosengeld, mit Kindern sind es 67 Prozent. Wie lange Arbeitslosengeld gezahlt wird, hängt davon ab, wie alt der ar- Wer länger arbeitslos ist, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld II, häufig auch „Hartz IV“ genannt (siehe Seite 10). Diese Grundsicherung wird im Unterschied zum Arbeitslosengeld nicht aus Beiträgen, sondern aus 38 Das Arbeitslosengeld II Steuermitteln finanziert. Deshalb können es auch Menschen beziehen, die vorher nicht versicherungspflichtig beschäftigt waren. Bevor es in Anspruch genommen werden kann, muss Gespartes ab einem Freibetrag von 3.100 Euro bis maximal 10.050 Euro (abhängig vom Alter) aufgebraucht werden. Geldanlagen, die ausschließlich der Altersvorsorge dienen, sind geschützt. Für sie gilt ein erhöhter Freibetrag von maximal 50.250 Euro. Weitere Freibeträge gibt es für Kinder. Im Jahr 2017 beträgt das Arbeitslosengeld II 409 Euro für Alleinstehende. Ehe- oder Lebenspartner erhalten jeweils 368 Euro. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche betragen je nach Alter 237 bis 311 Euro im Monat. Angemessene Kosten für Miete und Heizung sowie die Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung werden übernommen. Für Alleinerziehende und Schwangere gibt es zusätzliche Leistungen für den Mehrbedarf. Asylbewerber und Geduldete haben ebenfalls einen Anspruch auf Grundsicherung, der zum 1. Januar 2017 auf maximal 332 Euro pro Monat festgelegt wurde. Mitteilungs- und Mitwirkungspflicht Arbeitslose müssen der Arbeitsagentur oder dem zuständigen Jobcenter umgehend mitteilen, wenn sich ihr persönlicher Status ändert und sie zum Beispiel eine Nebentätigkeit aufnehmen, umziehen, arbeitsunfähig werden oder Ähnliches. Außerdem müssen sie regelmäßig zu Terminen mit dem Berufsberater erscheinen, an Trainingsmaßnahmen teilnehmen oder zu Vorstellungsgesprächen gehen. Zumutbare Arbeit (siehe unten) dürfen sie nicht ablehnen. Sonst droht eine Sperrzeit oder eine Kürzung des Arbeitslosengeldes. Reformen auf dem Arbeitsmarkt Um die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll zu bekämpfen und Arbeitsuchende schneller wieder in Beschäftigung zu bringen, sind zwischen 2003 und 2005 mehrere Gesetze in Kraft getreten. Sie stehen unter dem Motto „Fördern und Fordern“ und beinhalten unter anderem folgende Regelungen: Zumutbare Arbeit: Wer als Bezieher von Arbeitslosengeld II eine zumutbare Arbeit ohne wichtigen Grund ablehnt, muss Kürzungen bei den Geldleistungen in Kauf nehmen. Als zumutbar gilt zum Beispiel für Alleinstehende ein Umzug in eine andere Stadt oder eine Stelle, bei der die Bezahlung bis zu 30 Prozent unter dem Tariflohn liegt. Minijobs: Geringfügige Beschäftigungen mit einer Lohnobergrenze von 450 Euro werden Minijobs genannt. Minijobber sind in der Arbeitslosen-, Krankenund Pflegeversicherung versicherungsfrei. Nur in der Rentenversicherung müssen sie Beiträge zahlen: bei gewerblichen Minijobs 3,7 Prozent, in Privathaushalten 13,7 Prozent des Bruttolohns. Die Arbeitgeber zahlen für gewerbliche Minijobs pauschal 30 Prozent für Sozialversicherungen und Steuern plus den Beitrag zur Unfallversicherung, in Privathaushalten 12 Prozent zuzüglich Unfallversicherung. Gewerkschaften kritisieren, dass durch Minijobs viele Vollzeitarbeitsplätze und damit auch Beiträge für die Sozialversicherung verloren gingen. Die Wirtschaft betont dagegen, Unternehmen könnten so flexibler auf die Wirtschaftslage reagieren und mehr – wenn auch geringer bezahlte – Arbeitsplätze schaffen. Ein-Euro-Jobs: Zusatzverdienst möglich Ein-Euro-Jobs heißen offiziell Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Die Arbeit muss im öffentlichen Interesse liegen und darf keinem örtlichen privaten Unternehmen Aufträge entziehen. Bezieher von Arbeitslosengeld II können auf diese Weise zusätzlich Geld verdienen. Wenn sie sich weigern, einen solchen Job anzunehmen, kann die Arbeitsagentur ihnen die Zahlungen kürzen. Ein-Euro-Jobs sollen vor allem schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen helfen, sich wieder an einen normalen Arbeitstag zu gewöhnen. Kritiker befürchten, dass sie reguläre Arbeitsplätze vernichten. Untersuchungen bestätigen, dass in einigen Fällen Arbeiten der regulären Belegschaft auf Ein-Euro-Jobber übertragen werden. Zudem gibt es Hinweise, dass jedes zweite Unternehmen zumindest einen Teil der beschäftigten Ein-Euro-Jobber nicht im Sinn des Gesetzgebers einsetzt. Da die Ein-Euro-Jobber in der Arbeitslosenstatistik nicht auftauchen, spricht man hier von versteckter Arbeitslosigkeit. Vermittlungsbudget Das persönliche Vermittlungsbudget ist ein Bestandteil des Fördersystems der Arbeitslosenversicherung, das auf die individuelle Situation des Arbeitsuchenden ausgerichtet wird. Dazu zählen etwa die Übernahme von Bewerbungskosten oder finanzielle Umzugsbeihilfen. Auch wer Arbeit sucht und keinen Schulabschluss hat, kann ihn mithilfe des persönlichen Vermittlungsbudgets nachholen. Geklickt Informationen der Bundesagentur für Arbeit zu allen finanziellen Hilfen bei Arbeitslosigkeit www.arbeitsagentur.de Job-Lexikon mit Begriffserläuterungen rund um das Thema Berufswelt www.sozialpolitik.com/lexikon Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Arbeitslos, aber nicht mittellos (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Arbeitslosenversicherung • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeitslos – was nun? • Schaubild: Langzeitarbeitslosigkeit • Arbeitsblatt und Schaubild: Jugendarbeitslosigkeit in Europa • Arbeitsblatt und Schaubild: Arbeitsmarkttrends • Arbeitsblatt und Schaubild: Minijobs • Arbeitsblatt und Schaubild: Zehn Jahre Arbeitslosengeld II • Arbeitsblatt: Hartz-IV-Reform Gewählt Bürgertelefon zur Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsförderung (030) 2 21 91 10 03 Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr ///////////////////////////// Arbeitslosenquoten ausgewählter Personengruppen in Prozent aller Erwerbstätigen im Jahr 2016 Gefragt Erläutern Sie das Prinzip „Fördern und Fordern“ anhand der Regelungen für Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II. Analysieren Sie das Schaubild, und formulieren Sie eine arbeitsmarktpolitische Aufgabe, die sich aus Ihrer Sicht aus den Zahlen ergibt. ///////////////////////////// Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslose nach Rechtskreisen (Jahreszahlen), Deutschland nach Ländern 2016, https://statistik.arbeitsagentur.de 39 Pflegeversicherung Hilfe und Pflege nicht nur für Senioren „Ich pflege, weil es mein Traumberuf ist. […] Ich bin inzwischen 27 Jahre im Beruf. Ich kämpfe dafür, dass unser Beruf besser anerkannt wird.“ Das sagt Sabine Knüppel-Trstena, Krankenschwester aus München und zugleich Pflegebotschafterin des Bundesministeriums für Gesundheit. Ihre Aufgabe wird immer wichtiger, denn in Deutschland werden die Menschen immer älter und damit häufiger pflegebedürftig. Laut Prognose des Statistischen Bundesamts werden von 2012 bis 2014 geborene Männer durchschnittlich etwa 78 Jahre, Frauen etwa 83 Jahre alt. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland voraussichtlich auf 4,5 Millionen steigen. Der fünfte Zweig der Sozialversicherung Die Pflegeversicherung wurde als fünfter und letzter Zweig des Sozialversicherungssystems im Jahr 1995 eingeführt (siehe Schaubild auf Seite 8). Die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt Kosten für die Pflege im Alter oder bei Krankheit und wird aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam getragen. Beide zahlen jeweils 1,275 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers, Kinderlose zahlen zusätzlich 0,25 Prozent (Stand 2017, siehe Gehaltsabrechnung auf Seite 21). Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit erhielten im Jahr 2016 2,75 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung, Tendenz steigend. Mehr als zwei Drittel von ihnen wurden zu Hause versorgt. Wer sich zu Hause pflegen lassen will, kann zwischen Geld- und Sachleistungen oder 40 einer Kombination von beidem wählen. Die Betreuung durch ambulante Pflegedienste oder eine Sozialstation gehört zu den Sachleistungen. Pflegebedürftige können anstelle einer häuslichen Pflegehilfe auch Pflegegeld beantragen. Wenn jedoch weder eine häusliche noch eine teilstationäre Pflege infrage kommt, hilft nur noch die Aufnahme in ein Pflegeheim. Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff: Pflegegrade statt Pflegestufen In den Jahren 2015 bis 2017 sind drei Pflegestärkungsgesetze in Kraft getreten. Seit 2017 stehen jährlich fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege zur Verfügung. Außerdem wurde der Begriff der Pflegebedürftigkeit neu definiert. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Pflegebedürftigen mit kognitiven und psychischen Einschränkungen ist weggefallen. Um den Grad der Pflegebedürftigkeit zu bestimmen, sind nun ausschließlich die Fähigkeiten und die Selbstständigkeit entscheidend. Diese werden in den folgenden sechs Lebensbereichen eingeschätzt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. Mobilität (zum Beispiel selbstständiger Positionswechsel im Bett) kognitive und kommunikative Fähigkeiten (zum Beispiel Verstehen und Reden, räumliche und zeitliche Orientierung) Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (zum Beispiel Aggressionen in der Nacht) Selbstversorgung (zum Beispiel selbstständiges Waschen, eigenständiges Essen und Trinken) Bewältigung von krankheitsbedingten Anforderungen und Belastungen (zum Beispiel selbstständige Medikamenteneinnahme, Blutzuckermessen) Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (zum Beispiel Anpassung an Veränderungen, Kontaktpflege) Ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erfasst die individuellen Beeinträchtigungen und das Ausmaß, in dem der pflegebedürftige Mensch sich noch selbst ohne fremde Hilfe versorgen kann, in einem Gutachten. Die Pflegekasse entscheidet dann auf dieser Grundlage über den Pflegegrad. Das Ergebnis ist die Einstufung in einen von fünf Pflegegra- den, welche die vorherigen drei Pflegestufen (und die sogenannte Pflegestufe 0) ersetzen. Die Einstufung reicht von geringer Beeinträchtigung (Pflegegrad 1) bis zur schwersten Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (Pflegegrad 5). Eine Zeiterfassung des Pflegeaufwands spielt in der neuen Begutachtung keine Rolle mehr. Gesundheit und Pflege als Jobmotor Im deutschen Gesundheitswesen waren im Jahr 2015 rund 5,3 Millionen Menschen beschäftigt, darunter in Krankenhäusern 1.113.000 der stationären und teilstationären Pflege 679.000 Arztpraxen 678.000 Praxen sonstiger medizinischer Berufe 489.000 Zahnarztpraxen 346.000 der ambulanten Pflege 344.000 Apotheken 224.000 221.000 der Verwaltung Quelle: Statistisches Bundesamt, Gesundheitspersonal 2015, Fachserie 12 Reihe 7.3.2, Tabelle 5.1, Stand: Januar 2017 Unterstützung für pflegende Angehörige Mehr Leistungen für Menschen mit Demenz Wer einen Familienangehörigen pflegt, muss oft die Berufstätigkeit einschränken. Um die Pflegenden zu unterstützen, zahlt die Pflegekasse für sie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Voraussetzung dafür ist, dass die Pflegenden nebenher nicht mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten. Seit dem Sommer 2008 haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um für nahe Angehörige Pflege zu organisieren. Durch die steigende Lebenserwartung haben sich die Anforderungen an die Pflegeversicherung verändert. Um auf die steigende Zahl von Demenzkranken, also altersverwirrten Menschen, zu reagieren, wurde im Juni 2012 ein Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz beschlossen und der Leistungskatalog für Demenzkranke erweitert. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz wurde 2016 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Seit dem Jahr 2017 wird in fünf neue Pflegegrade eingestuft (siehe oben). Seit 2015 steht ihnen als Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt außerdem ein Pflegeunterstützungsgeld zu. In Zeiten, in denen die Pflegeperson verhindert ist, kann für bis zu sechs Wochen eine Ersatzpflege in Anspruch genommen werden. In stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sollen bis zu 45.000 zusätzliche Betreuungskräfte eingestellt werden. Seit 2017 ist die Pflegeberatung in den Kommunen neu geregelt. Unterschiedliche Beratungsangebote vor Ort werden gebündelt, damit Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Beratung aus einer Hand erhalten. Um die zusätzlichen Leistungen zu finanzieren, wurde der Beitragssatz für die Pflegeversicherung ab Januar 2017 um 0,2 Prozent erhöht. Die freiwillige private Vorsorge wird vom Staat mit einem Zuschuss von 60 Euro im Jahr gefördert. So sollen die Bürger ähnlich wie bei der Rentenversicherung (siehe Seite 36) ermutigt werden, zusätzlich privat vorzusorgen und Geld für bessere Pflegeleistungen im Alter zu sparen. Geklickt Internetseiten des Bundesministeriums für Gesundheit mit Informationen zur Pflegeversicherung und zu Pflegeberufen www.bmg.bund.de www.ich-pflege-weil.de Arbeitsmaterialien in der Sozialpolitik-Materialdatenbank www.sozialpolitik.com/ materialien • Arbeitsblatt: Hilfe und Pflege nicht nur für Senioren (Fragebogen zur Ergebnissicherung) • Arbeitsblatt, Schaubild und Hintergrundinformationen: Pflegeversicherung • Arbeitsblatt und Schaubild: Unfallversicherung im Ehrenamt und in der Pflege • Arbeitsblatt: Sozialpolitik im Jahr 2017 • Arbeitsblatt: Pflegeberufe haben Zukunft • Schaubild: Pflegesektor: Fachkräfte gesucht Gewählt Bürgertelefon zur Pflegeversicherung (030) 3 40 60 66 02 Montag bis Donnerstag 8 bis 18 Uhr, Freitag 8 bis 12 Uhr ///////////////////////////// Gefragt Erklären Sie in Ihren eigenen Worten, wonach sich der Grad der Pflegebedürftigkeit seit dem Jahr 2017 bemisst. Geben Sie mögliche Beispiele für Pflegebedürftigkeit. Ein wichtiges Ziel ist die Stärkung der häuslichen Pflege durch Angehörige. Zeigen Sie, bei welchen Maßnahmen dies deutlich wird. Erörtern Sie Gründe, die aus Ihrer Sicht für und gegen die häusliche Pflege durch Angehörige sprechen. ///////////////////////////// Der Pflegebereich wächst Während in vielen anderen Branchen Arbeitsplätze wegfallen, steigt die Zahl der Beschäftigten im Pflegebereich kontinuierlich an. Doch es fehlt immer noch an Nachwuchs. Um die Attraktivität der Pflegeberufe weiter zu steigern, gibt es seit August 2010 einen gesetzlichen Mindestlohn für Pflegekräfte, der seitdem kontinuierlich angehoben wurde. Ab Januar 2018 steigt er auf 10,55 Euro pro Stunde im Westen und 10,05 Euro im Osten. Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals erhöht. Um die Qualität und Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern, hat die Bundesregierung eine Reform der Ausbildung verabschiedet. Die Trennung nach Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege soll aufgehoben werden und das Schulgeld entfallen. Diese Regelungen sollen erstmals für den Ausbildungsjahrgang 2018 greifen. 41 Von Schülern für Schüler Sandra Bardt 25 Jahre Mitbestimmung in der Ausbildung Wo bekommen Auszubildende und junge Arbeitnehmer Unterstützung bei Problemen im Betrieb? Ist eine Jugendund Auszubildendenvertretung (JAV) sinnvoll? Welche Aufgaben hat die JAV? Ann-Kathrin, Lara und Sandra von der Schulze-DelitzschBerufsschule in Wiesbaden machen eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement und sind selbst JAV-Mitglieder. Sie haben sich bei ihren Kolleginnen und Kollegen umgehört und Antworten auf diese Fragen zusammengestellt. Nicht aufregen – ändern! „Ich habe das Gefühl, dass mein Ausbilder mich nicht mag, immer hat er etwas auszusetzen.“ „Die anderen schließen mich aus, wenn wir gemeinsam Pause machen, außerdem lassen sie mich immer schlecht vor anderen dastehen.“ „Andere Azubis bekommen Unterstützung in Form von innerbetrieblichem Unterricht, wir dagegen müssen zusehen, wie wir klarkommen.“ Konflikte kann es immer geben – in der (Berufs-)Schule mit Mitschülern und Lehrern, aber auch während der Ausbildung mit anderen Azubis oder Ausbildern. Dann muss man Mut aufbringen, sich mit den Kollegen oder Vorgesetzten zusammensetzen und die Probleme ansprechen. Wenn das nicht hilft, gibt es Berater 42 Lara Pochmann 21 Jahre bei der zuständigen Kammer oder Gewerkschaft (siehe Kapitel „Arbeitnehmer haben Rechte“, Seite 22/23). Noch besser ist es aber, wenn es im Betrieb eine JAV gibt, mit der man Probleme besprechen kann. Die JAV ist die Interessenvertretung aller jugendlichen Arbeitnehmer unter 18 Jahren und aller Azubis, Praktikanten und Werksstudenten unter 25 Jahren. Sie setzt sich für eine qualifizierte und moderne Ausbildung und die Übernahme der Auszubildenden ein. Außerdem achtet sie darauf, dass Gesetze und Tarifverträge eingehalten werden. Dabei kann es auch mal passieren, dass die JAV-Mitglieder mit dem Arbeitgeber oder der Ausbildungsleitung aneinandergeraten. Damit die JAV-Mitglieder in ihren Entscheidungen frei sind und keine Angst vor negativen Konsequenzen haben müssen, stehen sie unter Kündigungsschutz. Sie dürfen an Betriebs-/ Personalratssitzungen teilnehmen und bei Angelegenheiten, die Azubis oder jugendliche Arbeitnehmer betreffen, mitbestimmen. Dabei haben sie jedoch eine Verschwiegenheitspflicht und müssen alles, was in den Sitzungen besprochen wird oder was Azubis ihnen anvertrauen, geheim halten. Ann-Kathrin Güngerich 24 Jahre Interview Warum wolltest du JAV-Mitglied werden? Bianka: Weil ich mich nicht immer nur aufregen, sondern auch etwas ändern wollte. Yannik: Man hat mich gefragt, und ich konnte mir das schon vorstellen, weil ich das im Verein schon mal gemacht habe. Isabell: Mir war es wichtig, die Interessen der Auszubildenden zu unterstützen, auch weil ich selbst noch dazugehöre. Marcel: Ich habe mich in meiner Ausbildung zu Tode gelangweilt und nach einer Möglichkeit gesucht, die Zeit zu füllen. Außerdem engagiere ich mich gern für andere, daher hat sich das ganz attraktiv angehört. Malte: Die Aufgabe und die Verantwortung, die das Ehrenamt mit sich bringt, fand ich sehr spannend. Ich wollte meine Wünsche und Vorstellungen einbringen und umsetzen. Die JAV bietet die Möglichkeit, das Ausbildungssystem mitzugestalten. Es war eine tolle Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann! JAV-Arbeit: nur ein Ehrenamt oder auch eine Hilfe für die persönliche Karriere? Bianka: Je nachdem, wie man es für sich selbst wahrnimmt: Man kann auch viel daraus machen. Insbesondere mit der Hil- fe von Gewerkschaften und den „älteren Hasen“ aus den Betriebs- oder Personalräten lässt sich auch hier schon der Weg für eine Karriere ebnen. Isabell: In erster Linie ist es ein Ehrenamt, ich bin mir nicht sicher, inwieweit die Arbeit meiner Karriere helfen wird. Auf jeden Fall sammelt man dabei viele Erfahrungen. Marcel: Es ist definitiv ein Sprungbrett zum unbefristeten Vertrag, was leider oft ausgenutzt wird. Malte: Die JAV-Arbeit stellt ganz klar ein Ehrenamt dar, für das es keine Entschädigung oder einen finanziellen Ausgleich gibt. Die Mitglieder einer JAV stehen unter einer Doppelbelastung. Zum einen müssen Sie die Ausbildung oder das Arbeitsleben meistern, zum anderen den Aufgaben eines solchen Ehrenamtes nachkommen. Sie eignen sich dabei aber auch Soft Skills wie Engagement, Durchsetzungsvermögen, Teamarbeit und Kommunikationsfähigkeit an, die für eine persönliche Karriere von Vorteil sein können. Dazu gehört auch die Verantwortung, die die Mitglieder für sich und für andere tragen. Fühlst du dich von der JAV gut vertreten? Yannik: Ja, die JAV trägt Probleme beim Betriebs- oder Personalrat oder der Ausund Fortbildung vor. Marcel: In meiner eigenen Ausbildungszeit eher weniger. Ich war selbst JAV-Mitglied, aber habe mich bei persönlichen Problemen stets an den Personalrat gewandt. Malte: In der Ausbildung habe ich mich mit persönlichen Anliegen an die JAV gewandt. Ich hatte den Eindruck, dass die Ratschläge gut durchdacht waren und die Informationen auf einem großen Erfahrungsschatz basierten. Die Forderungen hätten meiner Meinung nach aber noch stärker gegenüber der Verwaltung vertreten werden können. Hat die JAV deiner Meinung nach eine Chance, ihre Anliegen durchzusetzen? Bianka: Ja! Die Betriebs-/Personalräte sind in der Regel sehr interessiert an Themen, die die Auszubildenden betreffen, und offen für neue Ideen. Yannik: Die JAV soll bei den Betriebs-/ Personalratssitzungen immer anwesend sein und hat auch einen eigenen Tagesordnungspunkt. Dabei stellt sie Aktuelles vor. Isabell: Ja, die JAV erhält in der Regel die volle Unterstützung des Betriebs-/Personalrats. Marcel: Auf jeden Fall … theoretisch. Bei Personalratssitzungen sind oft JAV-Mitglieder anwesend, denen wird auch Gehör geschenkt. Problematisch ist es, wenn die JAV-Mitglieder nur als „stille Zuhörer“ dabeisitzen. Malte: Ja, die JAV hat eine Chance, ein Anliegen durchzusetzen Hierbei ist es wichtig, Argumente, die für die Forderung sprechen, herauszuarbeiten. Ist die JAV neutral? Bianka: Sicherlich gibt es Themen, bei denen sich die einen mehr einsetzen als die anderen. An sich ist die JAV aber – vor allem als neues und junges Gremium – neutral. Yannik: Die JAV muss neutral sein, weil sie alle vertritt. Isabell: In der Arbeit bisher auf jeden Fall! Marcel: Auf dem Papier ja. Offiziell steht sie hinter den Auszubildenden, inoffiziell habe ich auch mitbekommen, wie man sich über Probleme lustig machte. Glaubst du, dass die JAV gut genug geschult ist, um die Interessen und Anliegen der Auszubildenden zu vertreten? Bianka: Diese Frage ist schwierig zu beantworten – es kommt darauf an, wie viele Seminare vom jeweiligen schon besucht wurden. Isabell: Die JAV-Schulungen bieten auf jeden Fall eine gute Grundlage für die Arbeit der JAV. Ergänzend dazu bietet uns der Personalrat immer Unterstützung an. Malte: Für Mitglieder der JAV besteht die Möglichkeit, Grundlagenseminare zu besuchen. Auf diesen Seminaren lernen die JAVler ihre Rechte und Pflichten sowie die damit verbundenen Aufgaben kennen. Ein Austausch mit anderen JAVen ist in solchen Kursen möglich. Es ist ebenfalls empfehlenswert, einen Erfahrungsaustausch mit den ehemaligen Mitgliedern zu organisieren. Der Betriebs- oder Personalrat steht auch als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Interviews führten Sarah Bardt, Lara Pochmann und Ann-Kathrin Güngerich. Diskussion Ist eine betriebliche Mitbestimmung von Jugendlichen in Form einer JAV sinnvoll? A: Ja, das ist definitiv sinnvoll, und es sollte in jedem Betrieb, der ausbildet oder jugendliche Beschäftigte hat, eine Interessenvertretung für diese Personengruppe geben. B: Aber es müssten sich ja auch erst mal Personen finden, die sich freiwillig dafür melden. Die Azubis, die in der JAV sind, machen es oft nur, da sie Aussichten auf einen unbefristeten Vertrag haben oder sich andere Vorteile erhoffen. C: Das stimmt schon, deshalb sollten die jugendlichen Arbeitnehmer oder Azubis genauestens über die betriebliche Mitbestimmung informiert werden. A: Das ist ein Thema, das die Leute interessieren sollte, immerhin geht es ja um ihre Interessen. Mit einer JAV haben sie die Möglichkeit, ihre Belange und Wünsche leichter durchzusetzen. B: So einfach, wie sich das jetzt anhört, ist es aber auch nicht. Immerhin müssen alle Anträge erst mal durch den Betriebs- oder Personalrat abgesegnet werden. Ich denke, dass es dort oft wichtigere Themen als die Wünsche der JAV gibt. C: So kann man das jetzt aber auch nicht sagen. Es kommt immer darauf an, welche Beziehungen man zum Betriebsoder Personalrat hat. B: Oft wird man erst im dritten Lehrjahr JAV-Mitglied. Nach der Ausbildung ist oft nicht mehr so viel Zeit für die Aufgaben der JAV. C: Wenn man wirklich Interesse daran hat, anderen zu helfen, dann findet man auch auf der Arbeit Zeit dafür, daher sollte wirklich eine JAV gewählt werden, die bei allen möglichen Problemen, die am Arbeitsplatz auftreten können, helfen kann. A: Und mit der JAV hat man als Azubi oder jugendlicher Beschäftigter immer einen Ansprechpartner in den eigenen Reihen. 43 Über dieses Heft „Sozialpolitik“ ist ein kostenloses Medienpaket für den Unterricht in den Klassen 9 bis 12/13 an allgemeinbildenden Schulen sowie an berufsbildenden Schulen und für das Selbststudium. Die Materialien führen in die Themen soziale Sicherung, Sozialstaat und Berufswelt in Deutschland und Europa ein und geben einen Überblick über die wichtigsten Bereiche der Sozialpolitik. Das Medienpaket umfasst das vorliegende Schülermagazin, drei Arbeitshefte (davon eins zusätzlich in Leichter Sprache für den inklusiven Unterricht), einen Foliensatz und eine Lehrerinformation. Schulen können die Schüler- und Arbeitshefte in Klassensätzen kostenlos beziehen. Im Internet Die Internetplattform www.sozialpolitik.com bietet zusätzliche Materialien und interaktive Module (Wissensquiz, Umfragen, Kommentare). Jeden Monat werden aktuelle sozialpolitische Themen für den Unterricht aufbereitet und Arbeitsblätter als barrierefreie PDF-Dateien zum Herunterladen angeboten. Die Materialdatenbank umfasst mehr als 300 Unterrichtsmedien, die kostenlos heruntergeladen werden können. Einige Arbeitsblätter sind in Leichter Sprache. Außerdem gibt es jeweils ein Lexikon in Alltagssprache und Leichter Sprache, in dem wichtige Begriffe zur Berufswelt und zur sozialen Sicherheit erklärt werden. Bestelladresse Bestellservice Jugend und Bildung 65341 Eltville Fax: (0 61 23) 9 23 82 44 E-Mail: [email protected] www.sozialpolitik.com www.jubi-shop.de Bestell-Nr. A999 Ausstellung „In die Zukunft gedacht“ Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte Die Ausstellung bietet eine Zeitreise durch die Sozialgeschichte in Deutschland – besonders geeignet für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse in den Fächern Geschichte, Politik und Deutsch. Ort: Foyersaal des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Wilhelmstraße 49, 10117 Berlin Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 16 Uhr bei freiem Eintritt Führungen: kostenlose Gruppenführungen, organisiert vom Ministerium, auch für gehörlose und hörgeschädigte Menschen Anmeldung zur Führung per E-Mail: [email protected], bitte mindestens zwei Wochen vor dem gewünschten Führungstermin Anmeldung zur Führung per Telefon: (0160) 90 97 46 85, bitte mindestens vier Wochen vor dem gewünschten Führungstermin Kostenlose Arbeitshefte zur Ausstellung: Heft 1: Vom späten Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg (Bestellnummer A204) Heft 2: Von 1945 bis heute (Bestellnummer A205) Bestellung unter: www.bmas.de, Rubrik „Publikationen“ Informationen: www.ausstellung.bmas.de und www.in-die-zukunft-gedacht.de