Hasskommentatoren verzichten im Netz häufig auf ihre Anonymität

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Psychologie aktuell: Hasskommentatoren verzichten im Netz häufig auf ihre Anonymität
24-08-16
Hasskommentatoren verzichten im Netz häufig auf ihre Anonymität
Hasskommentare in sozialen Medien können innert Kürze die Reputation einer Person oder eines
Unternehmens beschädigen oder gar zerstören. Der Grund für solche Posts sei, so die gängige
Meinung, dass die Verfasser im Internet meist anonym aufträten. Eine Forschungsarbeit der
Universität Zürich zeigt nun aber, dass Hasskommentatoren zunehmend mit vollem Namen agieren.
Ein Anonymitätsverbot dürfte die gefürchteten «Shitstorms» somit nicht verhindern, sondern
möglicherweise sogar anheizen.
© Andrea Danti - Fotolia.com
Politiker und Prominente, Unternehmen und Organisationen sowie Menschen bestimmter Nationalitäten und
sozial Benachteiligte die Liste der Betroffenen von Hassstürmen in sozialen Medien ist lang. Beleidigende,
bedrohende oder abwertende Kommentare gehören heute zum digitalen Alltag. Mögliche Folgen dieser
virtuellen Hexenjagden sind, ob gerechtfertigt oder nicht, Reputationsverlust, Rücktritt, Kündigung, soziale
Ausgrenzung oder sinkende Aktienkurse. Die vermeintliche Anonymität in Netz lasse, so die gängige
Meinung, die Hemmschwelle beim Posten von Hasskommentaren sinken.
Nicht anonyme Hasskommentatoren werden zunehmend salonfähig
Eine Studie von Forschenden der Universität Zürich kommt nun aber zu einem ganz anderen Ergebnis: Das
Team unter der Leitung von Katja Rost vom Soziologischen Institut konnte zeigen, dass nicht anonym
auftretende Online-Hasser zunehmend die Regel statt die Ausnahme sind. Die Auswertung von mehr als
500'000 sozialpolitischen Kommentaren aus rund 1'600 Online-Petitionen der deutschen Plattform
www.openpetition.de zwischen 2010 und 2013 ergab, dass die Verfasser von Hasskommentaren, die unter
ihrem vollen Namen posten, sogar häufiger sind als anonyme Hasskommentatoren.
Viele Online-Newsportale oder Social-Media-Plattformen sind bestrebt, der Verrohung der Sprache in
Kommentarspalten oder in sozialen Netzwerken Einhalt zu gebieten. «Als Mittel für eine zivilisierte digitale
Diskussionskultur ertönt häufig der Ruf, die Anonymität im Internet abzuschaffen», erklärt
Soziologie-Doktorandin Lea Stahel. «Gemäss der gängigen Meinung enthemme Anonymität die Menschen
bei offensichtlich unrechten Taten, weil sie ihre Selbstverantwortung abstreifen könnten und sie vor
unmittelbaren Konsequenzen schütze.» Wieso verzichten viele Hasskommentatoren im Netz trotzdem darauf,
anonym aufzutreten?
Wer seine Anonymität preisgibt, ist glaubwürdiger und beliebter
Erstens halten es viele Online-Hasser schlicht nicht für nötig, anonym zu sein. Anstatt rein persönliche
Racheakte sind Hasskommentare oft Reaktionen auf Verletzungen einer sozialen Norm wie die Einhaltung
von Umwelt- oder Plagiatsstandards oder Verstösse gegen sozial erwünschtes Verhalten wie politische
Korrektheit. Wieso sollten sich Verfasser von Hassposts, die ihren Protest als moralische Pflicht rechtfertigen
und sich für eine gerechte Sache einsetzen, verstecken? Zudem kann ein Online-Hasser davon ausgehen,
dass sein aggressives Verhalten kaum je geahndet wird. Es wird als sehr unwahrscheinlich erachtet, dass ein
viel beschäftigter Politiker oder ein angeschlagenes Unternehmen gerade ihn verklagen würde, wenn eine
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ganze Flut von Beleidigungen die Betroffenen überschwemmt habe, so Stahel.
Verbot von Anonymität verhindert Hassstürme nicht
Zweitens können Hasskommentatoren die Mitmenschen in ihren sozialen Netzwerken leichter überzeugen
und mobilisieren, wenn sie mit ihrem richtigen Namen auftreten. Dadurch signalisieren sie Risikobereitschaft,
um ihre Meinungen öffentlich kundzutun, und erarbeiten sich so einen Vertrauensbonus. Im Idealfall kann
dies ihren sozialen Status erhöhen, da sie sich in digitalen Netzwerken wie Facebook in «Freundeskreisen»
bewegen, in denen ihre Äusserungen dank «Shares» und «Likes» widerhallen. «Die Abschaffung der
Anonymität führt daher nicht automatisch zum Verschwinden von Hass-Stürmen, sondern möglicherweise gar
zu deren Zunahme», gibt Lea Stahel zu bedenken.
Literatur:
Katja Rost, Lea Stahel, and Bruno S. Frey. Digital Social Norm Enforcement: Online Firestorms in Social Media. PLoS ONE. June 17, 2016. DOI:
10.1371/journal.pone.0155923
www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2016/Hasskommentatoren-verzichten-auf-Anonymit%C3%A4t.html
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