Entwicklung und Bewertung einer langfristigen - ETH E

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Research Collection
Doctoral Thesis
Entwicklung und Bewertung einer langfristigen regionalen
Strategie zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur auf Basis der Modellverknüpfung eines Geografischen
Informationssystems und eines Energiesystemmodells
Author(s):
Seydel, Philipp
Publication Date:
2008
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-005703679
Rights / License:
In Copyright - Non-Commercial Use Permitted
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ETH Library
DISS ETH Nr. 17617
„Entwicklung und Bewertung einer langfristigen regionalen Strategie
zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur – auf Basis der Modellverknüpfung eines Geografischen Informationssystems und eines
Energiesystemmodells.“
ABHANDLUNG
zur Erlangung des Titels
DOKTOR DER WISSENSCHAFTEN
der
ETH ZÜRICH
vorgelegt von
Philipp Seydel
Dipl. Wirtsch. Ing., Universität Karlsruhe
geboren am 27.07.1977
in Deutschland
Angenommen auf Antrag von
Prof. Eberhard Jochem
Prof. Volker Hoffmann
Prof. Martin Wietschel
2008
Kurzfassung
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Kurzfassung
Die Abhängigkeit des Transportsektors von Ölimporten in den meisten Ländern der
Welt, der Klimawandel mit seiner Notwendigkeit, Treibhausgasemissionen global spätestens in der Dekade 2020 bis 2030 zur Stagnation zu führen und anschließend zu
senken sowie die durch den Verkehr verursachten lokalen Emissionen lassen Wasserstoff als Sekundär-Energieträger für den mobilen Bereich als eine interessante Option
erscheinen. Wasserstoff kann aus den verschiedensten regenerativen und erschöpflichen Energiequellen hergestellt werden und so die Versorgungssicherheit langfristig
maßgeblich erhöhen. Die Möglichkeit, Wasserstoff aus regenerativen Quellen oder aus
erdgas- oder kohlebasierten Erzeugungsanlagen mit CO2-Abscheidung und -Speicherung zu erzeugen bieten die Aussicht, Wasserstoff klimaneutral oder -schonend herzustellen. In Kombination mit der Brennstoffzelle wird Wasserstoff ein lokal emissionsfreier Kraftstoff. Er könnte somit zur Minderung lokaler Emissionen beitragen, besonders
in den Ballungszentren. Allerdings bedarf die Einführung von Wasserstoff einer neuen
Infrastruktur für dessen Produktion, Transport und Verteilung.
Die ökonomische und ökologische Bewertung von Wasserstoff für den Straßenverkehr
hängt wesentlich vom Aufbau dieser Infrastruktur ab. Während Ergebnisse zur allgemeinen energiewirtschaftlichen Rolle der Wasserstoffnutzung bereits umfangreich vorliegen, fehlt es an geschlossenen dynamischen Analysen für den Infrastrukturaufbau,
der u. a. abhängig ist von der regionalen Wasserstoffnachfrage, der regionalen Verfügbarkeit von Primär-Energieträgern sowie deren Emissionen und Preisen.
Deshalb liegt das Ziel dieser Arbeit darin, eine quantitative Projektions-Methode für
einen solchen Infrastrukturaufbau unter Einbezug regionaler Aspekte zu entwickeln.
Sie sollte abschließend für ein Industrieland wie die Bundesrepublik getestet werden.
Das in dieser Arbeit entwickelte Modellsystem besteht aus zwei Teilen.
• Zum einen aus fünf Teilmodellen auf Basis eines Geografischen Informationssystems (GIS) zur Simulation der regionalen Nachfrage und Tankstellenentwicklung,
zur Erfassung von regionalen Primär-Energieträgerpotenzialen und Produktionsstandorten sowie zur Bestimmung von Transportdistanzen für Pipeline und LKW.
• Zum anderen besteht das Modellsystem aus einem gemischtganzzahligen Optimierungsmodell zur Infrastrukturbestimmung in seiner zeitlichen Entwicklung unter
Verwendung der mit den anderen Teilmodellen ermittelten Ergebnissen zur Wasserstoff-Nachfrage und -Produktionsmöglichkeiten.
Ausgehend von den unterstellten Bestandszahlen für Wasserstofffahrzeuge können mit
dem entwickelten Modellsystem sowohl regionale Fahrzeugverteilungen als auch
Tankstellenentwicklungen auf Stadt- und Landkreisebene bis 2050 simuliert werden.
Im Zusammenspiel mit den erhobenen regionalen Daten für Produktionsstandorte und
Energieträgerpotenziale kann somit eine Optimierung der Infrastruktur-Entwicklung
unter Einbeziehung realer geografischer und topologischer Gegebenheiten erfolgen.
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Kurzfassung
Das Modellsystem ermöglicht durch ein eigens entwickeltes Szenario-ManagementSystem, Szenario-Varianten durch Kombination bereitgestellter Datensätze zu berechnen und zu verwalten. Auch ist es möglich, die durch ihre Regionalisierung rechenaufwendigen Szenario-Varianten auf Netzwerkrechnern parallel abzuarbeiten, um die benötigte Rechenzeit zu verkürzen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde damit ein Modellsystem entwickelt, das es Verantwortlichen aus Industrie und Politik gestattet, zur Strategieentwicklung regionale Szenarien für den Infrastrukturaufbau eines neuen Kraftstoffs
im Straßenverkehr detailliert zu untersuchen.
Die Analysen für die Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass eine regionale Einführungsstrategie in Ballungszentren unter Kostengesichtspunkten erfolgversprechend ist.
Allerdings ist für eine dynamische Bestandsentwicklung eine schnelle Ausbreitung der
Infrastruktur notwendig, um eine große Käuferbasis zu erreichen. Dabei kann sich die
Infrastruktur über die Zeit in den einzelnen Gebieten unterschiedlich entwickeln. Im
Einzelnen können folgende Ergebnisse festgehalten werden:
• Die Produktion und Versorgung der Infrastruktur sollte anfangs mittels Erdgasreformern direkt an der Tankstelle erfolgen.
• Die kostengünstigste, im Vergleich zu fossilen Energieträgern wettbewerbsfähige
heimische Biomasse kann in diesem Zusammenhang zwar eine wesentliche Quelle
für Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sein, allerdings ist ihr Potenzial aufgrund der Nutzungskonkurrenzen zur Strom- und Wärme-Erzeugung sowie stofflicher Verwendung begrenzt.
• Onsite-Anlagen auf Erdgasbasis können langfristig nur bedingt zur Versorgung beitragen, wenn von einem steigenden Erdgaspreis ausgegangen wird. Stattdessen
übernimmt die Kohlevergasung in zentralen Anlagen eine Hauptrolle in der Wasserstoffproduktion auf dem Hintergrund der im Vergleich zu den Erdgaspreisen relativ
moderaten Kohlepreisentwicklung. Jedoch ist diese Option langfristig unter klimapolitischen Gesichtspunkten nur mit CO2-Abscheidung denkbar.
• Flüssigwasserstoff kann eine wesentliche Rolle zur Versorgung weit verteilter Tankstellen in Gebieten mit geringerer Nachfragedichte einnehmen. Ebenso stellt Flüssigwasserstoff die Möglichkeit bereit, Nebenprodukt-Wasserstoff aus Industriestandorten wie auch Wasserstoff aus erneuerbaren Energien dort in das System
einzubinden, wo Produktionsstandorte und Nachfrage auseinander fallen.
• Flüssigwasserstoff übernimmt eine zeitliche Brückenfunktion zu einem sich langfristig entwickelnden Pipelinenetzwerk. Dieses beginnt sich jedoch erst gut 10 bis 15
Jahre nach der Initialisierung des Infrastrukturaufbaues zu entwickeln, wenn die
steigende Nachfrage dies erfordert (z. B. von der Nordsee-Region mit großen Offshore-Windparks zu den Nachfragezentren im Ruhrgebiet).
• In Ballungsgebieten kann sich schon frühzeitiger die Verteilung mittels Pipeline
durchsetzen, während in weniger dicht besiedelten Gebieten die Verteilung mittels
Flüssigwasserstoff noch lange eine wesentlich Rolle spielen kann.
Kurzfassung
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Soll das Gesamtsystem ab 2020 mindestens 50 % erneuerbare Energien enthalten,
liegen die Durchschnittskosten an der Tankstelle zwischen 12 bis 13 ct/kWh Wasserstoff; Wasserstoff wäre damit bei Erdölpreisen von 130 $/bbl konkurrenzfähig bei
Mehrkosten von rund 2.000 Euro für ein Brennstoffzellen-PKW. Der Produktionsmix
aus hauptsächlich Kohle (ohne CO2-Abscheidung) und Wind würde langfristig zu spezifischen Emissionen von rund 90 g CO2/km für ein Brennstoffzellenfahrzeug führen.
Unter Verwendung von CO2-Abscheidung und -Speicherung könnten die Durchschnittskosten auf rund 11 bis 12 ct/kWh gesenkt werden, bei gleichzeitiger Reduktion
der spezifischen Emissionen auf 15 g CO2/km.
Für einen entsprechenden Infrastrukturaufbau für rund 7 Mio. Personenkraftwagen und
0,6 Mio. leichter Nutzfahrzeuge müssten bis zum Jahr 2030 rund 21 Mrd. Euro investiert werden. Bei einer weiteren Steigerung der Nachfrage bis 2050 sind jedoch die
Potenziale zur Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (rund 40 GW
Wind-Offshore-Anlagen) und die abzuscheidende Menge CO2 (71 Mt CO2 pro Jahr)
wie auch der Mehrbedarf an Importkohle (rund 19 Mt pro Jahr) kritisch zu reflektieren.
Daher sollte langfristig auch die Importoption von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien intensiv geprüft werden.
Die Modellbetrachtungen konnten wegen der hohen regionalen Auflösung erstmals
Länderspezifika wie die Verteilung der Bevölkerung oder mögliche Produktionsstandorte abbilden. Eine integrierte Analyse zur Wasserstoffnutzung im europäischen
Straßenverkehr unter Berücksichtigung von länderspezifischen Merkmalen in einem
konsistenten Modellierungsrahmen sowohl für die regionale Nachfrageverteilung über
ganz Europa als auch der konsistente Infrastrukturaufbau könnten die gewonnenen
Erkenntnisse vervollständigen und zu einer langfristigen Infrastrukturstrategie beitragen. Das bestehende Modellsystem ließe sich an andere Kraftstoffe anpassen, sodass
es für Fragen anderer Kraftstoffstrategien wie z. B. für Ethanol oder BTL (Biomass to
liquid) nützliche Anwendungen finden könnte.
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Abstract
Abstract
The transport sector's dependency on oil imports in most countries in the world, climate
change with its need to halt global greenhouse gas emissions by 2020-2030 at the latest and then reduce them and local pollutant emissions from traffic all make hydrogen
an interesting option as a secondary energy source for the mobile sector. Hydrogen
can be produced from many different renewable and non-renewable energy sources
and is thus able to significantly increase the security of supply in the long term. The
possibility to produce hydrogen from renewable sources or from gas- or coal-based
production plants with CO2 capture and storage offers the prospect of generating hydrogen in a climate-neutral or climate-protective way. In combination with fuel cells,
hydrogen becomes a fuel with no local emissions. In this way it could contribute to reducing local emissions, especially in urban centres. However, the introduction of hydrogen requires the establishment of new infrastructure for production, transport and
distribution.
The economic and ecological evaluation of hydrogen for road transport depends mainly
on the construction of this infrastructure. While there are already results on the general
energy-economic role of hydrogen use available on a large-scale, there is a lack of
closed dynamic analyses for infrastructure build-up, which is dependent on the regional
demand for hydrogen, the regional availability of primary energy sources and their
emissions and prices among other factors.
The objective of this study, therefore, is to develop a quantitative projection method for
such infrastructure build-up, taking regional aspects into account. This should subsequently be tested for an industrial country like Germany. The developed modelling system consists of two parts:
• The first has five sub-models based on a Geographical Information System (GIS) to
simulate the regional demand and filling-station development, to capture regional
potentials for primary energy sources and production locations as well as to determine transport distances for pipelines and trucks.
• The second part is a mixed integer optimisation model to determine the chronological development of the infrastructure using the results obtained from the other submodels on hydrogen demand and production possibilities.
Based on the assumed figures for hydrogen vehicles, the developed modelling system
can be used to simulate both regional vehicle distribution and filling-station developments at rural and urban district level up to 2050. In combination with the regional data
obtained for production locations and potential energy sources, an optimisation of the
infrastructure development can then take place which incorporates real geographical
and topological conditions.
The modelling system makes it possible to calculate and manage scenario variants
using the specially developed scenario management system by combining the supplied
Abstract
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datasets. The scenario variants, which are complex to compute due to their regionalisation, can also be processed on network computers in parallel in order to shorten the
computing time required. A modelling system was thus developed within the scope of
this study which allows those responsible for strategy development in industry and policy-making to examine detailed regional scenarios on the infrastructure build-up of a
new fuel for road transport.
The analyses for Germany show that a regional introduction strategy in built-up areas
is promising from the viewpoint of costs. However, for dynamic stock development, a
rapid diffusion of the infrastructure is necessary in order to reach a large buyer base.
The infrastructure can develop differently in the individual regions over time. The following results can be listed:
• Natural gas reformers directly at the filling stations should be used to start with for
the production and supply of the infrastructure.
• The most cost-effective, competitive (compared with fossil energy sources), domestic biomass can indeed be a major source of hydrogen from renewable energies but
its potential is limited because of competing applications for electricity and heat
generation as well as material applications.
• Onsite installations based on natural gas can only contribute to the supply to a limited extent in the long term if rising gas prices are assumed. Against the background
of the relatively moderate coal price development (compared to gas), coal gasification plays a major role instead in hydrogen production in central plants. However,
from the perspective of climate policy, this option is only conceivable with CO2 capture in the long term.
• Liquid hydrogen can play a major role in supplying widely spread filling stations in
regions with low demand density. Liquid hydrogen also provides the possibility to integrate by-product hydrogen from industrial locations and hydrogen from renewable
energies into the system at points where production locations and demand diverge.
• Liquid hydrogen takes on a temporary bridging function to the pipeline network
which should be developed in the long term. However, this network will only begin to
be developed about 10 to 15 years after the start of infrastructure build-up if the
growing demand makes this necessary (e. g. from the North Sea region with large
offshore wind parks to the demand centres in the industrial Ruhr region).
• In built-up areas, distribution via pipeline may be able to be established much earlier, while in less densely populated regions distribution via liquid hydrogen may play
an important role for a long time.
If the total system should contain at least 50 % renewable energy sources from 2020,
the average costs at the filling station are between 12 to 13 ct/kWh hydrogen; at oil
prices of 130 $/bbl, hydrogen would then be competitive with additional costs of around
2 000 Euro for a fuel cell passenger car. The production mix of mainly coal (without
CO2 capture) and wind would lead to specific emissions of about 90 g CO2/km for a fuel
6
Abstract
cell vehicle in the long term. If carbon capture and storage is applied, the average costs
could be reduced to around 11 to 12 ct/kWh with simultaneous reduction of the specific
emissions to 15 g CO2/km.
About 21 billion Euro would have to be invested up to the year 2030 to develop the
corresponding infrastructure for around 7 million passenger vehicles and 0.6 million
light commercial vehicles. However, any further increase of the demand to 2050 would
mean carefully considering the potentials for producing hydrogen from renewable energies (about 40 GW wind-offshore installations), the amount of CO2 to be captured
(71 Mt CO2 per year) and the additional demand for imported coal (about 19 Mt per
year). That is why, in the long term, the import options for hydrogen from renewable
energies should be examined in detail.
For the first time, the modelling approach was able to illustrate country-specific features
such as the distribution of the population or possible production locations because of
the high regional resolution. The insights gained could be completed by an integrated
analysis of hydrogen use in European road transport, which takes country-specific
characteristics into account in a consistent modelling framework both for regional demand distribution over the whole of Europe as well as for consistent infrastructure development. Such an analysis could also contribute to a long-term infrastructure strategy. The existing modelling system could be adapted for other fuels so that it could
also be usefully applied to questions of other fuel strategies such as, e. g. ethanol or
BTL (biomass to liquid).
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