Themenfeld: Translationale Forschung Institut für Virologie Therapeutische Impfung verringert Sequenzvariabilität von HI-Viren Weltweit sind 40-50 Millionen Menschen mit dem Humanen ImmundefizienzVirus (HIV) infiziert – mit immer noch steigender Tendenz! Das Retrovirus, das die Immunschwäche-Krankheit AIDS verursacht, baut seine eigene Erbinformation in das Genom der Wirtszelle ein und wird damit zum integralen Bestandteil dieser Zelle und deren Nachfahren. Mit den derzeit vorhandenen therapeutischen Möglichkeiten ist eine „echte“ Heilung von dieser Infektion nicht möglich. Dazu müssten nämlich entweder alle infizierten Zellen des Patienten eliminiert oder die ins Genom integrierte virale Erbinformation – die provirale DNA – selektiv entfernt werden. Beide Szenarios sind – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – nicht realistisch. Institut für Virologie Immunmonitoring-Plattform D ie gängigen Therapien zielen nicht primär darauf ab, das Virus zu eliminieren, sondern den Schaden, den es im Körper anrichtet, möglichst gering zu halten. In den vergangenen Jahren wurden hier beachtliche Fortschritte erreicht, und so kommt heutzutage dank HAART (hochaktive anti-retrovirale Therapie) die Diagnose »HIV-positiv« nicht mehr zwangsläufig einem Todesurteil gleich. Das Ausmaß der Immundefizienz korreliert direkt mit der Stärke der Virus-Replikation. Aus diesem Grund versuchen moderne Behandlungsstrategien die virale Last der Patienten so klein wie möglich zu halten. Eine effiziente anti-retrovirale Therapie kann die Replikation der HI-Viren bis unter die Nachweisgrenze – das sind weniger als 50 RNA-Kopien pro Milliliter – reduzieren. Allerdings müssen solche Therapien lebenslang angewendet werden – und das bringt einige Probleme mit sich. Zum einen verursachen die Medikamente teilweise schwere Nebenwirkungen, wodurch oft die Compliance – die Therapietreue – leidet. Zum anderen begünstigen solche lebenslangen Behandlungen die Entstehung von therapieresistenten Viren, da HIV sehr hohe Mutationsraten (10-3 bis 10-4) besitzt. Daher wird weltweit intensiv nach alternativen Therapiekonzepten gesucht. Eine viel versprechende alternative Behandlungsform ist die so genannte therapeutische Vakzination. Mit ihr wird versucht, das Abwehrsystem des Infizierten durch Immunisierung selektiv gegen das HI-Virus zu stärken und so die virale Replikation zu kontrollieren. Nach Meinung der Wissenschaftler am Institut für Virologie ist für eine solche Immunisierung das Nef-Protein von HIV ein geeigneter Kandidat. Nef ist ein früh im Infektionszyklus gebildetes regulatorisches Protein, das eine ganze Reihe von funktionellen und morphologischen Veränderungen in der Wirtszelle auslöst und maßgeblich an der Persistenz der HIV-Infektion und der Entwicklung von AIDS beteiligt ist. In einer kürzlich durchgeführten klinischen Studie, in der HIV-Patienten mit einem rekombinanten Vektor-Impfstoff auf Basis von Vaccinia-Viren (MVA, Modifiziertes Vaccinia Ankara) mit eingeschleustem Nef immunisiert wurden, konnte gezeigt werden, dass sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunantwort gegen Nef bei den meisten Probanden deutlich gestärkt wurde. 52 Dr. Antonio Cosma Wissenschaftliche Highlights Telefon 0 89 / 41 40 74 47 [email protected] Literatur: Hoffmann, D., Seebach, J., Cosma, A., Goebel, F.D., Strimmer, K., Schätzl, H.M., Erfle, V.: Therapeutic vaccination reduces HIV sequence variability. FASEB J. 2008 Feb;22(2):437-44. Epub 2007 Oct 10. Themenfeld: Translationale Forschung In einer Folgestudie wurde nun untersucht, ob sich die durch die therapeutische Vakzination mit MVA-Nef induzierte Immunantwort auf die Zusammensetzung der viralen Genotypen in HIV-Patienten auswirkt. Dazu wurden die Nukleinsäure- und Protein-Sequenzen von Nef vor und ein Jahr nach der Immunisierung analysiert. Bei den meisten Probanden zeigte sich, dass nach der Immunisierung die sonst vorhandene Variabilität von Nef sowohl auf DNA- als auch auf Proteinebene deutlich verringert war. In anderen viralen Proteinen sowie bei nicht immunisierten Kontrollpatienten konnte eine solche Reduktion nicht festgestellt werden, das heißt, der Effekt ist spezifisch für die Immunisierung mit Nef. Schon in der vorausgegangenen klinischen Studie war beobachtet worden, dass die Vakzination mit Nef sowohl die CD4- als auch die CD8-T-Zell-Immunantwort verstärkt. CD8-T-Zellen wirken zytotoxisch und zerstören infizierte Wirtszellen, CD4-T-Zellen stellen Wachstums- und Signalfaktoren her, die für die Bildung und den Erhalt der CD8-Zellen wichtig sind. Die Wissenschaftler vermuten nun, dass die durch die Vakzination verstärkte T-Zell-Aktivität einen größeren immunologischen Druck auf Sequenzvarianten von Nef ausübt und so die Variabilität der Nef-Sequenz insgesamt abnimmt. Da durch die normalerweise hohe Sequenzvariabilität von Nef häufig Virusmutanten entstehen, die gegenüber HAART-Medikamenten resistent sind, ist der Befund, dass diese Variabilität durch therapeutische Vakzination verringert werden kann, von großem Interesse für die HIV-Therapie. Analyse der Sequenzvariabilität vor und nach Behandlung mit dem MVA-Nef-Impfstoff. Die linke Abbildung zeigt den paarweisen Vergleich der Sequenzvariabilität. Nach der Impfstoff-Behandlung ist eine deutliche Abnahme der Variabilität zu beobachten. Die Variabilitäten der Kontrollproteine Vif und p17/p24 ändern sich dagegen nicht. Die rechte Abbildung zeigt die phylogenetische Analyse des Nef-Proteins vor (A) und nach (B) der Behandlung mit dem Impfstoff. P < 0. 0001 Before vaccination Nef After vaccination and during TI Phylogenetic analysis of Nef protein sequence Vif A B p17/p24 Wissenschaftliche Highlights 53