© Chiropraktik Campus CHIROPRAKTIK Den Ursachen auf der Spur Chiropraktischer Blick auf eine ganzheitliche Diagnostik Aus chiropraktischer Sicht ist das Nervensystem der zentrale Ansatzpunkt für eine umfassende, ganzheitliche Diagnostik. So erhält der Chiropraktiker nicht nur Hinweise auf strukturelle Probleme, sondern auch auf Stoffwechselleiden, gestörte Organfunktionen, psychologische Probleme und vieles mehr. Warum wir in der Amerikanischen Chiropraktik das Nervensystem als Dreh- und Angelpunkt für Gesundheit betrachten, lässt sich leicht begründen: Unser Nervensystem ist das wichtigste Steuerungselement in unserem Körper. Schauen wir uns die Funktionalität des Nervensystems an, erschließt sich dessen Bedeutung schnell: Es steuert und koordiniert sämtliche Prozesse im menschlichen Körper und ist dadurch mit entscheidend dafür verantwortlich, ob ein Mensch gesund ist. Denn nur ein einwandfrei funktionierendes Nervensystem kann die alltäglichen Stressoren gesund kompensieren. Neben den häufigsten Stressfaktoren – zu wenig oder falscher Bewegung und ungesunder Ernährung – gehören dazu genauso schädliche Umwelteinflüsse oder psychische Belastungen. Sie lösen im Körper eine Stressreaktion aus; der Sympathikus wird aktiviert, der Parasympathikus gehemmt. In der Folge spielen bspw. Regeneration und Verdauung nur noch eine untergeordnete Rolle, während stressaktive Hormone für eine erhöhte Mus- 32 kelspannung und Aufmerksamkeit sorgen. Stehen wir zu lange unter Stress, werden diese evolutionär eigentlich nur für Notfälle gedachten Stressmuster zur Gewohnheit und können sich negativ auf alle Funktionen unseres Körpers auswirken. Häufig manifestieren sich solche Muster an dem Bewegungsapparat und der Wirbelsäule, da Stress auch einen veränderten Muskeltonus mit sich bringt. Dann reicht mitun- ter das falsche Anheben einer Getränkekiste, zu langes Sitzen oder ein stressiges Telefonat und das Gehirn verliert die nervale Kontrolle über ein Segment, sodass sich ein oder mehrere Wirbelkörper verschieben können. In der Chiropraktik sprechen wir hier von einer Subluxation. Unser Ziel ist es, diese zu lösen und damit die Basis für ganzheitliche Gesundheit – ein einwandfrei arbeitendes Nervensystem – zu erreichen (►Infokasten unten). Um herauszufinden, Nervensystem – zentrales Steuerungselement und Schlüssel für eine ganzheitliche Betrachtung von Gesundheit Unser Nervensystem umfasst Milliarden von Nervenzellen. Allein im Gehirn befinden sich rund 100 Milliarden Neuronen. Diese setzen sich aus einem Körper (Soma) und verschiedenartigen Fortsätzen zusammen. Die feineren, plasmatischen Fortsätze (Dendriten) stellen über Synapsen den Kontakt zu anderen Nervenzellen her, um ihre Signale zu empfangen. Für das Weiterleiten von Information ist ein als Axon bezeichneter Fortsatz zuständig, der eine Länge von bis zu einem Meter erreichen kann. Unsere Nervenbahnen werden dem zentralen oder dem peripheren Nervensystem zugeordnet. Eingebettet in Schädel und Wirbelsäule verlaufen die Bahnen des zen- tralen Nervensystems. Sie treten paarweise an der Wirbelsäule aus. Ihre Verästelungen, die den gesamten Körper durchziehen, werden als peripheres Nervensystem bezeichnet. Unabhängig von der Lage wird zwischen willkürlichem und unwillkürlichem Nervensystem unterschieden. Ersteres, das somatische Nervensystem, steuert alle dem Willen unterliegenden Vorgänge. Dazu zählen gezielte Bewegungen wie z. B. das Greifen nach einem Stift. Vorgänge, die der Mensch nicht beeinflussen kann, wie z. B. die Regulation von Herzschlag oder Verdauung, steuert das unwillkürliche, vegetative Nervensystem. September I 2017 Naturheilkunde Journal Abb. 2: Waagen wo und ob ein Patient Subluxationen aufweist, setzen wir in der Amerikanischen Chiropraktik auf ein umfassendes DiagnoseSetting mit umfangreichem Wissens-Background – schließlich gilt auch hier: „Du findest nur die Fehler, die du kennst.“ des Körpers mittels senkrechter (Lotlinie) und drei waagerechten Linien (Becken-, Schulter- und Mastoidlinie). Der Patient stellt sich an eine festgelegte Markierung, sodass wir entlang dieser Linien z. B. einen Beckenschiefstand oder Schulterhochstand feststellen können (►Abb. 4). Ganzheitlich betrachtet – die chiropraktische Herangehensweise Vor allem ihr umfassender Ansatz macht die chiropraktische Diagnose so besonders. MRT- oder Röntgenbilder spielen hier ebenso eine Rolle wie umfangreiche Beweglichkeitstests, verschiedene Messungen z. B. der Nerven- und Muskelaktivität, Untersuchungen u. a. hinsichtlich der Körperstatik und selbstverständlich ein differenziertes Patientengespräch. Damit erhalten wir ein genaues Bild von der Funktionalität des Nervensystems eines Patienten – und somit von seinem Gesundheitszustand. Dazu ein Beispiel: Während bestimmte Nerven für die Versorgung der Leber zuständig sind, haben andere z. B. Einfluss auf die Nieren. Kommt es speziell an diesen Nervenbahnen zu Subluxationen (diese finden sich häufig dort, wo die Nerven aus der Wirbelsäule austreten), wirkt sich dies auf den Informationsfluss zwischen dem Organ bzw. dem Körperareal und dem Gehirn aus. Bezogen auf die beiden genannten Beispiele ist die mögliche Folge z. B. eine Beeinträchtigung der Leber- oder Nierenfunktion. Hieran wird deutlich, wie sich ein eingeschränkt funktionierendes Nervensystem auf den Gesundheitszustand auswirken kann. Mit folgenden Untersuchungsmethoden erhalten wir ein umfassendes Bild vom Zustand des Nervensystems: Spinalyzer: Mit dem Spinalyzer vermessen wir die Statik Naturheilkunde Journal September I 2017 Waagen: Zudem nutzen wir spezielle Waagen, um eine mögliche Ungleichverteilung des Gewichtes feststellen zu können. Dazu positioniert sich der Patient mit je einem Fuß auf den beiden Waagen. Daran lässt sich erkennen, welche Körperseite stärker belastet wird (►Abb. 2). CHIROPRAKTIK Abb. 1: Range of Motion nach der Neutral-Null-Methode Abb. 3: Oberflächen-Elektro-Myelogramm Abb. 4: Spinalyzer ©Chiropraktik Campus Thermografie: Dieses Verfahren misst seitenvergleichend die Temperatur neben der Wirbelsäule. Abweichungen liefern dem Chiropraktiker Hinweise auf mögliche entzündete oder unterversorgte Areale im Körper des Patienten. Entlang dieser Ergebnisse lassen sich Aussagen über das autonome Nervensystem treffen. Oberflächen-Elektro-Myelogramm (engl. kurz S-EMG): Über das S-EMG werden Verspannungsmuster abgebildet. Es zeigt Abweichungen der Muskelaktivität links und rechts der Wirbelsäule und gibt so Auskunft über den Grad möglicher Muskeldysbalancen. Bei starken einseitigen Verspannungen erhalten wir einen Hinweis auf eine mögliche Subluxation (►Abb. 3). Herzratenvariabilität: Wir messen mit der Herzratenvariabilität die allgemeine Anpassungsfähigkeit des Organismus. Mögliche Schwankungen der Herzrate lassen beispielsweise Rückschlüsse auf die Belastbarkeit sowie Regenerationsfähigkeit des zentralen Nervensystems zu. Auch der individuelle Stresspegel eines Patienten lässt sich daran ablesen. 33 CHIROPRAKTIK Der Autor: Abb. 5: Spezifische chiropraktische Justierung an der Wirbelsäule (Diversified Technik, FSST) Range of Motion: Hiermit analysieren wir die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Abweichungen zwischen der linken und rechten Körperseite geben Hinweise für die chiropraktische Justierung, um die Beweglichkeit der Wirbelsäule bestmöglich wiederherzustellen (►Abb. 1). Diese Untersuchungen zeigen einen kleinen Ausschnitt des chiropraktischen DiagnoseSettings. Darüber hinaus kommen u. a. diverse Tests, wie z. B. der Leg-Check oder der Arm-Fossa-Test zum Einsatz. Auf dieser Basis erhalten wir ein umfassendes Bild un- © ThomasGrossmann serer Patienten, wodurch wir nicht nur Symptome, sondern den Menschen in seiner Gesamtheit erfassen können. Ein Patient mag zwar wegen Kopf- oder Rückenschmerzen zu uns gekommen sein. Unser oberstes Ziel aber ist es, die Ursache seiner Beschwerden zu finden, zu beheben und damit den Körper wieder in die Lage zu versetzen, sich selbst zu regulieren. Vom Symptom zum Menschen Als ganzheitliches Regulationssystem ist Amerikanische Chiropraktik weit mehr als Chiropraktische Vielfalt – Justieren statt Manipulieren In der Amerikanischen Chiropraktik verfügen wir neben einem umfangreichen Diagnose-Setting auch über viele verschiedene Techniken für die Behandlung. Mit Manipulation hat das Ganze allerdings nichts zu tun. Wir setzen einen Impuls, der zwar in den paraphysiologischen Raum hineingeht, jedoch nicht den natürlichen Bewegungsradius überschreitet. Einige unserer Techniken im Überblick: Chiropraktik-Instrument Technik (CIT): Aufgrund ihrer sanften Justierungsimpulse durch den Aktivator eignet sich die CIT prinzipiell für jeden Patienten, d. h. es gibt im Grunde keine Kontraindikationen. Weitere Vorteile: Für jeden Wirbel gibt es einen Test auf Subluxationen, außerdem eignet sich die CIT hervorragend für Anfänger, da keine manuelle Technik erlernt werden muss. Thompson-Terminal-Point Technik (TTPT): Zu den Vorteilen der TTPT zählen neben dem deutlich geringeren Zeitaufwand für 34 eine Justierung auch die Minimierung des Kraftaufwands beim Setzen des Impulses um bis zu 70 Prozent sowie die einfache Handhabbarkeit der Technik – dafür sorgen spezielle Behandlungstische mit integrierten Drops. Full-Spine-Specific Technik (FSST): Ziel der Full-Spine-Specific Technik ist es, jedes Segment (Wirbel) und jedes Gelenk manuell justieren zu können. Zur Lösung von Subluxationen setzt FSST dabei sowohl auf Low-Force- als auch auf gezielte Impulstechniken (►Abb. 5). Sacro-Occipitale Technik (SOT): Die SOT gilt als Bindeglied zwischen Chiropraktik und Osteopathie. Sie bietet übergeordnetes Wissen u. a. zu visceralen und craniosacralen Zusammenhängen. Mit ihrer Hilfe können wir den roten Faden der verschiedenen Symptome erkennen und den Patienten chronologisch einer Kategorie zuordnen. Jaan-Peer Landmann arbeitet seit 1994 als Chiropraktiker, seit 1996 in eigener Praxis. Nachdem er zahlreiche nationale und internationale chiropraktische Aus- und Weiterbildungen absolviert hat, ging Jaan-Peer Landmann selbst unter die Dozenten. Gemeinsam mit Cyrus Marco Djahanbaz und Thomas Grossmann gründete er den Chiropraktik Campus, der neben einer ZertifikatsAusbildung sowie chiropraktischen Einzelseminaren seit 2014 auch ein Hochschulstudium mit dem Abschluss Master of Science in Chiropraktik (MSc) anbietet. eine Methode, die beim Gesundwerden unterstützen möchte. Wir verstehen Chiropraktik vor allem als Möglichkeit, Gesundheit zu erhalten. Dank der fortschreitenden Akademisierung – Chiropraktiker können inzwischen den Master of Science in Chiropraktik absolvieren – gibt es zunehmend wissenschaftliche Untersuchungen und Belege, die nachvollziehbar machen, was z. B. Justierungen im Körper bewegen können oder wie sich Stress ganz konkret auf unser Nervensystem und unsere Gesundheit auswirkt. Vor diesem Hintergrund sind wir in der Lage, auch unsere Diagnostik beständig zu optimieren und dynamisch entlang der aktuellsten Erkenntnisse weiterzuentwickeln – aus unserer Sicht die beste Voraussetzung dafür, um den Gesundheitszustand eines Patienten genau zu erfassen und ihn damit auf dem Weg in ein gesünderes Leben zu begleiten. Jaan-Peer Landmann, MSc, Chiropraktor Chiropraktik Campus Ehestorfer Str. 3 21224 Rosengarten bei Hamburg [email protected] www.chiropraktik-campus.de September I 2017 Naturheilkunde Journal