tionssinterverhaltens schwindungsfreier Zirkoniumsilikat

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Untersuchung und Optimierung des Reaktionssinterverhaltens schwindungsfreier
Zirkoniumsilikat-Keramiken
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades
der Fakultät für Angewandte Wissenschaften der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
vorgelegt von
Kirsten Honnef
Freiburg im Breisgau
Januar 2002
Dekan:
Prof. Dr. Gerald Urban
1. Gutachter:
Prof. Dr. Jürgen Haußelt
2. Gutachter:
Prof. Dr. Wolfgang Menz
Tag der Promotion:
8. März 2002
Der Mensch muss im Glauben verharren,
dass das Unbegreifliche begreiflich sei;
er würde sonst nicht forschen.
J. W. von Goethe
ZUSAMMENFASSUNG
Im Rahmen dieser Arbeit wurde zum einen das Reaktionssinterverfahren zur Herstellung
schwindungsfreier, oxidkeramischer Mikroformteile im System Zr-Si-O detailliert untersucht.
Zum anderen wurde das untersuchte System um eine neue Komponente, eine Li-haltige
Phase, erweitert.
Die zugrundeliegende schwindungsfreie ZrSiO 4-Keramik besitzt gute Materialeigenschaften
und sintert bei Temperaturen von ca. 1650°C. Für die industrielle Anwendung (z.B. im Dentalbereich) stellt sich jedoch das Problem, dass die Prozesszeiten bei bis zu 120 Stunden
liegen. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Reaktionssinterprozess experimentell in seine Einzelschritte (Zersetzung des Binders, Oxidation von ZrSi2, Bildung der ZrSiO 4-Phase
und Sintern) zerlegt. Dabei gelang es, ein formalkinetisches Modell für die Zersetzung des
Binders PMSS aufzustellen und damit eine Vorhersage für den Verlauf dieser Zersetzung
bei gegebenem Temperaturprogramm zu treffen. Die Oxidation von ZrSi2 wurde bis 800°C
an Sauerstofftiefenprofilen an massiven Proben modelliert und auf diesem Weg wurden Diffusionskoeffizienten und Aktivierungsenergien für diesen Prozess berechnet. Die so gewonnenen Ergebnisse ließen sich anhand von Modellierungen an Umsatzkurven von ZrSi2Pulvern bestätigen und bis zu einer Temperatur von 1100°C erweitern. An den massiven
Proben wurden des weiteren Röntgendiffraktometrie- und Raman-Messungen vorgenommen, mit deren Hilfe der Aufbau der entstehenden Oxidschicht geklärt werden konnte. Die
Phasenbildung und der Sinterprozess wurden mit Hilfe von XRD- und DilatometerMessungen und Gefügebildern dokumentiert, so dass sowohl die Phasenentwicklung ohne
reaktive Komponente als auch der Zusammenhang zwischen Dichte und Längenänderung
beschrieben werden konnte.
Da es in der Arbeit nicht nur um das Verständnis des Reaktionssinterprozesses ging, sondern auch darum, diesen im Hinblick auf eine industrielle Anwendung zu optimieren, wurde
am Beispiel Lithium-haltiger Verbindungen der Einfluss von Zusätzen auf die Kinetik des
Oxidationsprozesses untersucht. Der Einsatz von Li2ZrO3 zeigte dabei gute Ergebnisse, so
dass es mit diesem neuen System gelungen ist, eine Keramik herzustellen, die bereits bei
1300°C sintert und eine hohe Dichte von 95 %TD und eine offene Porosität kleiner 1Vol-%
hat. Die Keramik weist zudem mit einer Biegebruchfestigkeit von 291 MPa, einem WeibullModul von 12 und einer Härte von 927 ± 17 HV vergleichbar gute mechanische Eigenschaften wie die herkömmliche schwindungsfreie ZrSiO 4-Keramik auf.
ABSTRACT
This work examined in detail the reaction-bonding process to produce shrinkage-free, oxideceramic microparts in the system Zr-Si-O was examined in detail. Additionally, the examined
system was extended by a new component, e.g. a Li-containing phase.
The original shrinkage-free ceramic ZrSiO 4 possesses favourable material characteristics
and sinters at temperatures of about 1650°C. The process time, however, lasts up to 120
hours, thus presenting a problem for industrial applications, e.g. dentistry. In the present
work, each single step of the reaction-bonding process was analyzed by experimental approach (decomposition of the binder, oxidation of ZrSi2, formation of the ZrSiO 4-phase and
sintering). In this way a formal kinetic model for the decomposition of the binder PMSS
could be obtained allowing the prediction of the decomposition process using a defined temperature program. Based on oxide depth profiles of bulk specimens the oxidation of ZrSi2
was modelled up to a temperature of 800°C; in this way diffusion coefficients and activation
energies of the process were calculated. The results obtained thereby could be confirmed
and extended to temperatures up to 1100°C by modeling conversion curves of ZrSi2 powders. Furthermore, bulk specimens were examined by X-ray diffractometry and Raman
measurements thereby clarifying the composition of the emerging oxide layer. The phase
formation and the sintering process was documented by X-ray diffractometry and dilatometry measurements and the microstructure characterization. In this way it was possible to
describe the phase development without reactive component as well as the relationship between density and length modifications.
As the objective of the work was not only the understanding of the reaction-bonding process
but also its optimization with regard to its industrial application, the influence of additions on
the kinetics of oxidation processes was examined exemplary use of compositions containing
lithium. The results of the utilization of Li2ZrO3 were such that with this new system a new
ceramic could be successfully produced which sinters at a temperature of 1300°C and has a
high density of 95 %TD and an open porosity of less than 1vol-%. Moreover, having a bending strength of 291 MPa, a Weibull modulus of 12 and a hardness of 927±17 VH it shows
good mechanical characteristics which are comparable to that of the conventional shrinkagefree ZrSiO 4 ceramic.
DANKE
Ich danke recht herzlich
Herrn Prof. Dr. Haußelt für die Betreuung der Arbeit, die Ratschläge zum Verfassen
der Dissertation sowie die vielfältige Diskussion, durch die ich immer wieder gezwungen war, die Richtigkeit meiner Überlegungen zu überprüfen.
Herrn Prof. Dr. Menz für die Übernahme des Korreferats.
Herrn Dr. Ritzhaupt für seine Diskussionsbereitschaft und das Überarbeiten des ersten Entwurfes der Arbeit.
Herrn Dr. Binder für die, trotz räumlicher Distanz, sehr gute Betreuung der Arbeit und
die ständige Bereitschaft zur Diskussion sowie für das äußerst kritische Korrekturlesen des ersten Entwurfs der Dissertation.
Herrn Nold für die Durchführung der Auger-Elektronen-Messungen und seine wertvollen Tipps beim Auswerten der Ergebnisse.
Herrn Dr. Steiner und Herrn Schanz für die Diskussion der kinetischen Fragestellungen sowie ihre hilfreichen Tipps zur Modellierung.
Herrn Dr. Ade für die Durchführung der XRD-Messungen sowie seine Diskussionsbereitschaft.
Herrn Dr. Rotter für die Durchführung der Raman-Messungen.
Herrn Dr. Opfermann für die Hilfestellungen beim Arbeiten mit der Kinetik-Software.
Frau Offermann für die Hg-Porositätsmessungen und die Bestimmungen der HeDichte.
Frau Wagner für die Unterstützung bei den keramographischen Untersuchungen.
meiner Kollegin und meinen Kollegen sowie meinem Hiwi vom Lehrstuhl für Werkstoffprozesstechnik, die das Zustandekommen der Arbeit in vielfältiger Form unterstützt haben.
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG .......................................................................................................................... 1
1 Einführung in das Themengebiet...........................................................................................2
2 Aufgabenstellung und Zielsetzung.........................................................................................7
GRUNDLAGEN.......................................................................................................................9
3 Grundlegende Betrachtungen................................................................................................10
3.1 Mathematische Beschreibung des Sinterprozesses .............................................10
3.2 Diffusion ..................................................................................................................12
3.3 Die Kinetik-Software ...............................................................................................14
4 Phasendiagramme und Oxidationsverhalten ........................................................................16
4.1 Das System Zr-Si-O ...............................................................................................16
4.1.1 Phasendiagramme...................................................................................16
4.1.2 Oxidationsverhalten..................................................................................19
4.2 Das System Zr-Si-Li-O ...........................................................................................20
EXPERIMENTELLER T EIL ..................................................................................................23
5 Verwendete Charakterisierungsmethoden und Edukte.........................................................24
5.1 Übersicht der verwendeten Charakterisierungsmethoden.....................................24
5.1.1 Physikalisch-Chemische Methoden ........................................................24
5.1.2 Mechanische Charakterisierung..............................................................28
5.2 Verwendete Edukte.................................................................................................30
6 Untersuchungen zur Kinetik im System Zr-Si-O...................................................................31
6.1 Thermische Zersetzung von PMSS........................................................................31
6.2 Oxidationsverhalten von ZrSi2 .................................................................................31
6.2.1 Pulver .......................................................................................................31
6.2.2 Massive Formkörper ................................................................................31
6.3 Sinterverhalten von Keramiken ohne reaktive Komponente...................................32
7 Untersuchungen im System Zr-Si-Li-O.................................................................................33
7.1 Thermische Zersetzung von PMSS + Li-Phase.....................................................33
7.2 Oxidationsverhalten von ZrSi2 + Li-Phase..............................................................33
7.3 Herstellung einer Keramik mit Li-Phase.................................................................34
7.3.1 Pulveraufbereitung und Herstellung der Granulate ..................................34
7.3.2 Formgebung.............................................................................................34
7.3.3 Reaktionssinterverfahren .........................................................................35
ERGEBNISSE & DISKUSSION............................................................................................37
8 Kinetische Betrachtungen zum Reaktionssinterprozess im System Zr-Si-O ......................38
8.1 Umsatz von PMSS..................................................................................................38
8.2 Oxidation von ZrSi2.................................................................................................43
INHALTSVERZEICHNIS
8.2.1 Modellierung der Oxidation von ZrSi2 an massiven Proben.....................43
8.2.2 Modellierung der Oxidation von ZrSi2 an Pulvern .....................................52
8.2.3 Vergleich der beiden Modellierungen .......................................................57
8.2.4 Aufbau der entstandenen Oxidschicht.....................................................59
8.3 Der Sinterprozess von Keramiken ohne reaktive Komponente .............................63
8.3.1 Phasenbildung..........................................................................................63
8.3.2 Sinterprozess...........................................................................................66
9 Materialoptimierung im System Zr-Si-Li-O ............................................................................69
9.1 Grundlegende Untersuchungen..............................................................................69
9.1.1 PMSS + Li-haltige Phase.........................................................................69
9.1.2 ZrSi2 + Li-haltige Phase............................................................................72
9.2 Herstellung der Keramik .........................................................................................73
9.2.1 Charakterisierung des Granulates ...........................................................73
9.2.2 Einfluss der Formgebung.........................................................................75
9.2.3 Der Reaktionssinterprozess ....................................................................77
9.3 Eigenschaften der Keramik ....................................................................................80
9.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften .........................................80
9.3.2 Mechanische Eigenschaften....................................................................83
SCHLUSSFOLGERUNG .......................................................................................................85
ANHANG .................................................................................................................................A1
A Literatur..................................................................................................................................A2
B Verwendete Abkürzungen und Symbole...............................................................................A7
C Herleitung der Berechnung der Oxiddicke............................................................................A9
D Modellierung der Oxidation von ZrSi2 ................................................................................. A12
E Ergänzende Abbildungen ................................................................................................... A20
EINLEITUNG
EINLEITUNG
1 Einführung in das Themengebiet
Keramiken zählen mit zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit und finden auch in der
Gegenwart zahlreiche Anwendungen. In der Mikrosystemtechnik ist dieses Material jedoch
aufgrund seiner bisher meist aufwendigen Prozesstechnik bis vor kurzem nicht häufig zum
Einsatz gekommen. Erst n
i jüngster Zeit gewinnen moderne Hochleistungskeramiken zunehmend auch in der Mikrotechnik an Bedeutung, da die Eigenschaften der speziellen keramischen Werkstoffe oft denen anderer Werkstoffklassen überlegen sind. Zu diesen Eigenschaften zählen die besonderen elektrischen oder magnetischen Eigenschaften der Funktionskeramiken sowie die hohe Härte, die Abrasionsfestigkeit und die Einsatzfähigkeit bei hohen Temperaturen und in aggressiven Medien der Strukturkeramiken. Dabei kommt gerade
in der Mikrosystemtechnik dem Korrosionsverhalten aufgrund des hohen Verhältnisses von
Oberfläche zu Volumen besondere Bedeutung zu. Beim Einsatz als Wärmetauscher oder
Mikroreaktoren bieten keramische Bauteile entscheidende Vorteile, wenn eine Erhöhung der
Einsatztemperatur notwendig ist oder eine aggressive Atmosphäre nicht ausgeschlossen
werden kann [KNITTER96]. Auch die hohe mechanische Belastbarkeit keramischer Werkstoffe führt dazu, dass diese in Bereichen eingesetzt werden, für die Metalle oder Polymere nicht
oder nur unzureichend geeignet sind [MENZ97].
Ein weiteres Anwendungsfeld neben der Mikrosystemtechnik stellt die Medizin- bzw. Dentaltechnik dar. Hier finden Implantate bzw. Brücken oder Kronen aus keramischen Materialien
immer häufiger ihren Einsatz. Auch hierbei sind insbesondere die hohe Härte und die chemische Beständigkeit von Bedeutung. Ein weiterer Pluspunkt von Keramiken in diesen Bereichen ist die Biokompatibilität dieses Werkstoffes.
Den materialspezifischen Vorteilen der Keramik stehen jedoch die größeren Schwierigkeiten
bei der Verarbeitung und Formgebung gegenüber; dies wird insbesondere bei der Mikrostrukturierung deutlich. Konventionelle keramische Formgebungsmethoden werden diesen
Anforderungen meistens nicht gerecht. In der Vergangenheit wurden hierfür innovative Prozesse entwickelt, wobei sich die Formgebungsmethoden in der Designfreiheit, dem Aspektverhältnis und dem resultierenden Fertigungsaufwand unterscheiden und den jeweiligen Anforderungen angepasst werden müssen. Mittels Zentrifugalabformung bzw. Folienprägen
können zum Beispiel PZT (Blei-Zirkonat-Titanat)-Arrays mit säulenförmigen Strukturen gefertigt werden, deren laterale Abmessung bei Aspektverhältnissen von ca. 5 bis im 30µmBereich liegen können. Hieraus werden u.a. 1-3 Composites gefertigt, deren Piezoeigenschaften die von unstrukturierten Elementen zum Teil übertreffen [RITZHAUPT-KLEISSL98].
Bei den meisten Verfahren zur Herstellung von Keramiken werden die Bauteile über die Zwischenstufe eines porösen Formkörpers (dem so genannten Grünkörper) mit geringen Festigkeiten hergestellt. Hierfür wird ein keramisches Ausgangspulver mit organischen Additiven,
z.B. den Bindern, versetzt und über unterschiedliche Verfahren (z.B. Prägen, Pressen,
2
EINLEITUNG
Spritzgießen) zum Formkörper verdichtet. Der Binder hat hierbei zwei Funktionen, er trägt
zum einen zur Stabilisierung des Grünkörpers bei, zum anderen erleichtert er die Herstellung
des Formkörpers, da er das Fließverhalten des Pulvers bei der Verarbeitung gewährleistet.
Der so erhaltene Grünkörper wird nach dem Ausbrand des Binders zu einem dichten und
festen Körper gesintert. Hierbei tritt bei herkömmlichen Verfahren eine Schwindung des
Formkörpers auf, die sowohl von der Porosität des Grün- und Sinterkörpers als auch vom
Anteil des Binders abhängt und in der Größenordnung von 15 – 20% lineare Schrumpfung
liegt. Um nach dem Sintern die gewünschte Bauteilgröße zu erhalten, muss der Grünkörper
entsprechend größer dimensioniert werden, sofern dies überhaupt möglich ist. Handelt es
sich beispielsweise um Formteile mit sehr individuellen Abmessungen, wie Dental-Kronen,
dann ist es nur schwer möglich, den auftretenden Sinterschrumpf in das Formwerkzeug einzuberechnen. Zur Einhaltung enger Maßtoleranzen muss nach dem Sintern meist ein aufwendiger und kostenintensiver Schleifprozess nachgeschaltet werden, der sich für Mikrobauteile praktisch verbietet. Aus diesem Grund sind gerade solche Verfahren von Vorteil, bei
denen der Sinterschrumpf minimiert oder gar vermieden werden kann. Durch Minimierung
bzw. Ausschaltung der linearen Schwindung kann nach [GREIL 99] die Reproduzierbarkeit der
Maßhaltigkeit deutlich verbessert werden, da es, wie Abbildung 1-1 veranschaulicht, einen
Zusammenhang zwischen der Schrumpftoleranz ∆ε , der Schrumpfung ε und der Maßhaltigkeit ai sowie der Länge des Grünkörpers lgrün gibt:
ai = 2 ε ∆ε lgrün
Maßhaltigkeit in µm
1000
100
Sc
hru
mp
fun
g1
0%
1%
10
1
Sintern
0,1
%
100
Abb. 1-1:
10
1
0,1
Bauteilgröße in mm
Zusammenhang zwischen Schrumpftoleranz und Maßhaltigkeit nach [GREIL99]
3
EINLEITUNG
Der Sinterschrumpf kann u.a. durch Zugabe einer oder mehrerer Komponenten, die während
des Reaktionssinterprozesses ihr Volumen vergrößern, minimiert oder kompensiert werden
(Abb. 1-2). In der Literatur sind hierzu verschiedene Systeme und Verfahren beschrieben.
Ausgangspunkt sind Metalle oder intermetallische Verbindungen, die unter entsprechender
Atmosphäre zur gewünschten Keramik umgesetzt werden.
vor dem Sintern
nach dem Sintern
Länge: l0
Länge: l < l 0
vor der Oxidation
nach der Oxidation
nach dem Sintern
Länge: l0
Länge: l > l 0
Länge: l = l 0
Abb. 1-2:
Schematische Darstellung des Sinterprozesses herkömmlicher und reaktionsgebundener Keramik
Die Herstellung oxidkeramischer Verbindungen wurde bisher u.a. im Falle des Al 2O3 untersucht. Für das so genannte RBAO-Verfahren (reaction bonding aluminium oxide) werden
Grünkörper, die aus Al 2O3 und Aluminium bestehen im Laufe der Temperaturbehandlung zur
Oxidkeramik umgesetzt [CLAUSSEN89, CLAUSSEN90, WU93]. Mit einem ähnlichen Verfahren
erfolgt die Herstellung von Al 2O3/ZrO2-Keramiken [ZHANG96].
Eine weitere Möglichkeit, den Sinterschrumpf zu minimieren, stellt der Weg über polymere
Precursoren dar [SCHWARTZ86, SEYFERTH 91, SEYFERTH 92]. Zu dieser Gruppe gehören u.a.
die sogenannten low loss binder. Diese Binder verbrennen nicht komplett, sondern es bleibt
nach der thermischen Zersetzung ein Rückstand erhalten, der einen Teil der späteren Keramik bildet.
Eine Kombination dieser beiden Verfahren stellt die in dieser Arbeit untersuchte schrumpfungsfreie Zirkonsilikat-Keramik dar. Sie basiert auf einem 1997 von Hennige entwickelten
Verfahren [HENNIGE98]. Dieses beruht darauf, dass die Schwindung durch die Oxidation einer intermetallischen Verbindung (ZrSi2), die mit einer Volumenvergrößerung verbunden ist,
4
EINLEITUNG
kompensiert. Zum anderen wird der Sinterschrumpf durch den Einsatz eines low loss binders
(Polymethylsilsesquioxan, PMSS), der nicht rückstandslos verbrennt, von vornherein verringert.
Abbildung 1-3 stellt die Massen- und Längenänderung in Abhängigkeit vom Temperaturverlauf dar. Zu erkennen ist, dass sich im Bereich der Massenzunahme (Oxidation von ZrSi2)
die Probe ausdehnt und im anschließenden Sinterprozess bei höheren Temperaturen die
Probe genau um den Betrag dieser Ausdehnung schrumpft.
25
1600
Masse
1400
20
Temperatur
15
1000
10
800
600
Länge
5
400
0
Oxidation von ZrSi2
Pyrolyse von PMSS
Temperatur [°C]
relative Änderung [%]
1200
200
Bildung von ZrSiO4 und Sinterprozess
-5
0
0
5
10
15
20
25
30
35
Zeit [h]
Abb. 1-3:
Darstellung der Massen- und Längenänderung einer schwindungsfreien, jedoch nicht
dicht gesinterten Keramik in Abhängigkeit von der Temperatur (aus [HENNIGE98])
Der gesamte Reaktionssinterprozess lässt sich dabei in drei Schritte einteilen. Als erstes
findet die Pyrolyse von PMSS statt. Dies geschieht in einem Temperaturbereich von 150 bis
ca. 700°C. Hierbei bleibt nach der thermischen Zersetzung des Polymers SiO 2 als Rückstand
übrig. Dieser Schritt ist mit einer leichten Massenabnahme verbunden und die Reaktion läuft
dabei nach folgendem Schema ab:
[Si(CH3)O1,5]n à SiO 2 + ...
Ab 400°C setzt die Oxidation von ZrSi2 ein, die mit einer deutlichen Massenzunahme und
einer Volumenvergrößerung verbunden ist. Die Reaktion verläuft dabei wie folgt:
ZrSi2 + 3 O2 à ZrO2 + 2 SiO 2.
5
EINLEITUNG
Noch während des Oxidationsprozesses, ab ca. 1000°C, setzt die Phasenbildung von ZrSiO 4
und der Sinterprozess ein. Dies ist an der deutlichen Längenabnahme zu beobachten.
Auf diesem Weg lassen sich durch die Wahl der korrekten Mengenanteile geeigneter Edukte
und durch einen geeigneten Temperaturverlauf Proben herstellen, die nach dem Sintern die
gleichen Abmessungen besitzen wie im Grünzustand.
6
AUFGABENSTELLUNG
2 Aufgabenstellung und Zielsetzung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen die Schritte, die während des Reaktionssinterprozesses zur Herstellung einer schwindungsfreien Zirkonsilikatkeramik ablaufen, untersucht
werden. Ausgangspunkt hierfür ist eine Keramik, die ihre Schwindungsfreiheit durch Einsatz
einer reaktiven Komponente und eines so genannten low loss binders erzielt [HENNIGE98].
Hierbei werden aus einem keramischen Granulat, das aus ZrSi2 als intermetallische, reaktive
Komponente, ZrO2 und Binder (Polymethylsilsesquioxan, PMSS) besteht, Formkörper hergestellt, die im Laufe der Temperaturbehandlung zu Oxidkeramik umgesetzt werden.
Zur Herstellung einer dichtgesinterten, fehler- und schrumpffreien ZrSiO 4-Keramik werden
bisher Prozesszeiten von bis zu 120 Stunden benötigt [HENNIGE98]. Soll diese Keramik eine
industrielle Anwendung finden (z.B. in der Mikrotechnik oder im Dentalbereich), ist es aus
Kostengründen jedoch unabdingbar, den gesamten Prozess auf wenige Stunden zu verkürzen.
Ziel ist es, den Prozess detailliert zu verstehen und somit optimieren zu können. Hierfür wird
dieser zunächst experimentell in die thermische Zersetzung des Binders, die Oxidation der
reaktiven Komponente und das Sintern aufgeteilt. Im weiteren Verlauf soll durch Verständnis
insbesondere der Kinetik dieser Einzelschritte die gesamte Reaktion optimiert werden können. In einem weiteren Schritt soll die Kinetik des Oxidationsprozesses von ZrSi2 durch Zusätze von Lithiumverbindungen beeinflusst und optimiert werden.
Die Praxis zeigte bisher, dass ein wichtiger Schritt im Herstellungsverfahren die Entbinderung ist. Diese Reaktion stellt einen exothermen Prozess dar, bei dem Reaktionsgase freigesetzt werden. Geschieht dies bei der Prozessführung zu schnell, können die Bauteile Risse
bekommen oder sogar komplett zerreißen. Wichtig ist es demnach, ein Temperaturprofil zu
wählen, das die Reaktion einerseits möglichst schnell und andererseits ohne heftige Entgasungen stattfinden lässt. Optimierte Temperatur-Zeit-Profile lassen sich entweder über thermoanalytische Untersuchungen oder mit Hilfe von Formalkinetik erstellen. Die Berechnungen
bieten den Vorteil, dass die zum Teil sehr zeitaufwendigen Versuchsreihen wegfallen können, da mit ihnen die Abbaureaktion mathematisch beschrieben werden kann und mit den so
gewonnenen Daten eine Vorhersage über den Verlauf der Reaktion getroffen werden kann.
Die Oxidation der reaktiven Komponente ZrSi2 ist mit einer deutlichen Volumenvergrößerung
verbunden. Diese bewirkt ein Ausdehnen des Bauteils und kann, findet sie zu heftig statt,
ebenfalls dazu führen, dass die Probe zerstört wird. Damit der Reaktionssinterprozess und
die anschließende Phasenbildung vollständig ablaufen kann, muss die Probe außerdem
komplett oxidiert werden. Ziel ist es, den kinetischen Prozess der Oxidationsreaktion von
ZrSi2 zu ZrSiO 4 und SiO 2 zu erfassen. Hierfür wird zunächst ein Modell aufgestellt, das den
Prozess mit Hilfe von Sauerstofftiefenprofilmessungen an massiven Proben beschreibt. Mit
diesem Modell werden anschließend Berechnungen durchgeführt, die Diffusionskoeffizienten
7
AUFGABENSTELLUNG
und Aktivierungsenergien dieser Reaktion liefern. Des Weiteren soll versucht werden, die
Ergebnisse dieser Modellierung an massiven Proben auf ZrSi2-Pulver zu übertragen.
Die Phasenbildung soll unabhängig von der Oxidationsreaktion von ZrSi2 beschrieben werden, damit evtl. überlappende Effekte ausgeschlossen werden können. Deshalb wird eine
Modellsubstanz hergestellt, die ZrSi2 durch ZrO2 und SiO 2 ersetzt. An dem Granulat dieser
Modellsubstanz wird die Phasenentwicklung untersucht.
Um den Sinterprozess ebenfalls unabhängig von Oxidation und Phasenbildung beschreiben
zu können, werden Proben aus gepresstem ZrSiO 4 hergestellt und im Dilatometer untersucht.
Besonders kritisch ist der Überlappungsbereich zwischen Oxidations- und Sinterprozess.
Setzt der Sintervorgang ein, bevor die Oxidation abgeschlossen ist, schließen sich die Porenkanäle, die dem Luftsauerstoff den Zutritt an ZrSi2 ermöglichen und die Probe wird nicht
vollständig oxidiert. Es wäre demnach von Vorteil, diese beiden Prozessschritte besser trennen zu können. Diese Trennung kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass die Oxidation sehr langsam durchgeführt wird. Da es aber unter anderem Ziel dieser Arbeit ist, den
Prozess zu beschleunigen, muss ein anderer Weg gewählt werden. Deshalb wird am Beispiel Lithium-haltiger Verbindungen der Einfluss von Zusätzen auf die Kinetik des Oxidationsprozesses untersucht. Diese Verbindungen werden gewählt, da diese zusätzlich die Eigenschaft haben als Mineralisator zu wirken. Ein weiterer Effekt der Lithium-Phasen liegt
darin, dass nach [POLEZHAEV65] die Reaktion von ZrO2 und SiO 2 zu ZrSiO 4, die normalerweise bei 1500°C stattfindet, bei Zugabe von 3-5% Li2CO3 bereits bei 900°C abgeschlossen
ist. Zunächst wird der Einfluss Li-haltiger Phasen auf das Pyrolyseverhalten des Binders
PMSS und auf das Oxidationsverhalten der reaktiven Komponente ZrSi2 beschrieben und
zum Abschluss wird eine Li-haltige Keramik hergestellt und deren Materialeigenschaften untersucht.
8
GRUNDLAGEN
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
3 Grundlegende Betrachtungen
3.1 Mathematische Beschreibung des Sinterprozesses
Volumenänderung
~
Die relative Volumenänderung ∆V während des Reaktionssinterprozesses lässt sich für Kör-
per mit beliebiger Geometrie über folgenden Zusammenhang berechnen, sofern die relative
Gründichte vor und die relative Sinterdichte nach dem Reaktionssinterprozess sowie die
relativen Volumenanteile im Ausgangsmaterial und die relativen Volumenänderungen der
Einzelkomponenten bekannt sind [HENNIGE98]:
~
∆V = (1 +
Darin sind:
~
~ ~ ρgrün
Vi∆Vi ) ~
−1
ρSinter
i
∑
~
Vi :
relativer Volumenanteil der Komponente i im Ausgangsmaterial [−]
~
∆Vi :
relative Volumenänderung der Komponente i [−]
~
ρ Sinter: relative Sinterdichte [%TD]
~
ρ grün: relative Gründichte [%TD]
Daraus lässt sich der lineare Sinterschrumpf ableiten (vgl. Anhang C):
S = 1 − 3 (1 +
wobei gilt:
S:
~
~ ~ ρgrün
Vi ∆Vi ) ~
ρSinter
i
∑
linearer Sinterschrumpf [−]
Um die relativen Grün- bzw. Sinterdichten zu bestimmen, müssen die jeweiligen theoretischen Dichten der Stoffe bekannt sein und hierfür ist die genaue Kenntnis der Phasenzusammensetzung erforderlich. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, so dass es von Vorteil sein
kann, anstelle der relativen Dichten die absoluten Dichten zu verwenden. Nach [BINDER2001]
ergibt sich demnach folgender Ansatz zur Berechnung der Volumenänderung:
~
∆V = (1 +
~ ∆m
~ ) ρ grün − 1
m
i
i
ρ Sinter
i =1
k
∑
10
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
Darin bedeuten:
~ : relativer Massenanteil der Komponente i in der Mischung [−]
m
i
~ : relative Massenänderung der Komponente i in der Mischung [−]
∆m
i
ρ Sinter: Sinterdichte [g/cm³]
ρ grün: Gründichte [g/cm³]
In diesem Fall lassen sich Grün- und Sinterdichte einfach über Bestimmung der geometri~ der Komponenschen Dichte oder der Auftriebsdichte ermitteln. Die Massenänderungen ∆m
i
ten i im System Zr-Si-O berechnen sich wie folgt:
~
∆m
PMSS =
~
∆m
ZrSi2 =
wobei
Mi:
m SiO2
m PMSS
−1
M ZrO 2 + 2 ⋅ M SiO2
MZrSi2
−1
Molmasse der Komponente i [g/mol]
Hierbei entsprechen die Quotienten jeweils der keramischen Ausbeute α von PMSS bzw.
ZrSi2.
Zusammenhang zwischen Dichte und Längenänderung
Anhand von Dilatometer-Messungen, mit denen ∆L(t) aufgenommen wird, kann über folgenden Zusammenhang die Dichte ρ t zu jeder beliebigen Zeit berechnet werden, sofern die theoretische Gründichte und die Ausgangslänge der Probe bekannt sind.
  ∆L 

ρ t = ρ g / 1 − 

  L 0 
wobei
3
ρ t:
Dichte zur Zeit t [g/cm³]
ρ g:
theoretische Gründichte [g/cm³]
∆L:
Längenänderung zur Zeit t [µm]
L0:
Ausgangslänge [µm]
11
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
3.2 Diffusion
Diffusion ist der Stofftransport in Festkörpern, Flüssigkeiten oder Gasen durch atomaren
Platzwechsel. Triebkraft hierfür ist das Streben nach Minimierung der Freien Enthalpie zum
Beispiel durch Vergrößerung der Entropie. Bei Vorliegen von Konzentrationsunterschieden
ist im allgemeinen der Konzentrationsgradient die Triebkraft [ASKELAND96].
Bei Festkörpern wird zwischen Volumendiffusion, Korngrenzendiffusion und Oberflächendiffusion unterschieden. Bei der Volumendiffusion bewegen sich die Atome von einem Gitteroder Zwischengitterplatz zum nächsten. Die Aktivierungsenergie ist wegen der umgebenden
Atome groß und die Diffusionsgeschwindigkeit sehr klein. Atome können aber auch längs
von Korngrenzen, flächenhaften Gitterstörungen und Oberflächen diffundieren. Wegen der
im Vergleich zum ungestörten Kristall geringeren Packungsdichte des Korngrenzenbereiches
ist hier auch die Aktivierungsenergie für atomare Fortbewegung kleiner. Daher ist Korngrenzendiffusion sehr effektiv.
Als Maß für die Geschwindigkeit des Diffusionsvorgangs dient der Diffusionsstrom j, der angibt, wie viele Atome pro Zeiteinheit durch die Einheitsfläche hindurchtreten. Bei konzentrationsunabhängigen Diffusionskoeffizienten lässt sich der Diffusionsstrom mit Hilfe des vereinfachten ersten Fick´schen Gesetz beschreiben:
ji = −Di ⋅
wobei:
dc i
dx
ji:
Stromdichte [Atome/cm2sec]
D i:
Diffusionskoeffizient [cm²/sec]
c i:
Konzentration [Atome]
x:
Tiefe bzw. Weg [cm]
dc i
:
dx
Konzentrationsgefälle [Atome/cm³cm]
Im stationären Fall gilt:
dc i
= const.
dx
Das Konzentrationsgefälle beschreibt die Ortsabhängigkeit der Zusammensetzung des Materials. Ein Konzentrationsgefälle entsteht zum Beispiel, wenn Gase oder Flüssigkeiten mit
einem Festkörper in Kontakt stehen.
12
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
Der Diffusionsstrom bleibt bei gegebener Temperatur nur konstant, wenn dies auch für das
Konzentrationsgefälle zutrifft. Ein anfänglich großer Strom verringert sich in dem Maße, wie
der zugrunde liegende Konzentrationsunterschied abnimmt.
Der Zusammenhang zwischen Diffusionskoeffizient und der Temperatur kann durch eine
Arrhenius-Gleichung beschrieben werden:
D = D0 exp (-EA / RT)
wobei:
EA:
Aktivierungsenergie [J/mol]
R:
Gaskonstante [8,314 J/mol K]
T:
Temperatur [K]
D0:
Konstante im betrachteten System
Der Diffusionskoeffizient und der Diffusionsstrom werden mit steigender Temperatur größer.
Eine kleine Aktivierungsenergie bedeutet schnelle Diffusion, da wenig thermische Energie
benötigt wird, um die zugehörige Energiebarriere zu überwinden.
Als zweites Fick´sches Gesetz wird die Differentialgleichung
 ∂ 2c 
dc
= D  2 
dt
 ∂x 
bezeichnet. Mit ihrer Hilfe kann berechnet werden, wie sich die in einem Festkörper vorhandenen Konzentrationsunterschiede im Laufe der Zeit ändern.
Die Lösung dieser Gleichung hängt von den Konzentrationswerten an den Grenzen des betrachteten Volumens ab. Für den Fall, dass die Konzentrationsänderung nur in eine Richtung
erfolgt, lautet die Lösung:
ca − cx
 x 
= erf 

ca − c 0
 2 Dt 
wobei:
c a:
konstante Konz. an der Oberfläche des betrachteten Volumens
c 0:
Ausgangskonzentration im Inneren
c X:
Konzentration an der Stelle x nach der Zeit t
erf
Fehlerfunktion (error function)
Unter der Voraussetzung, dass die Konzentration an der Oberfläche und in der Tiefe des
Körpers konstant bleibt, kann mittels der angeführten Lösung des zweiten Fick´schen Geset13
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
zes die Konzentration einer diffundierenden Spezies nahe der Oberfläche bzw. Grenzfläche
als Funktion von Zeit und Abstand berechnet werden.
Die Geschwindigkeit, mit der sich zum Beispiel bei einer Oxidationsreaktion eine Oxidschicht
bildet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ist der Stofftransport des Gases an das Edukt
heran der geschwindigkeitsbestimmende Schritt, so lässt sich ein lineares Zeitgesetz aufstellen, d.h. x( t ) = k ⋅ t . Das gleiche gilt, wenn sich das Gas entlang von Schichtdefekten in die
Probe bewegt. Ist dagegen die Diffusion in das Edukt hinein oder durch die Produktschicht
hindurch der geschwindigkeitsbestimmende Schritt, so folgt die zeitliche Abhängigkeit einem
parabolischen Zeitgesetz, d.h. x( t ) = k ⋅ t oder x 2 ( t ) = k ⋅ t .
Durch Auftragen von x gegen t (im linearen Fall) bzw. x² gegen t (im parabolischen Fall) lässt
sich demnach die Steigung k der Geraden ermitteln. Wird der so ermittelte k-Wert in einem
lnk gegen 1/T Diagramm aufgetragen, lässt sich über einen Arrhenius-Zusammenhang die
Aktivierungsenergie ermitteln.
3.3 Die Kinetik-Software
Mit Hilfe der Formalkinetik kann eine Aussage über die Geschwindigkeit einer chemischen
Reaktion gemacht werden ohne die stöchiometrische Umsatzgleichung genau zu kennen
[FITZER95]. Die Formalkinetik chemischer Prozesse kann modelliert werden. Im Folgenden
wird hierzu eine kommerziell erhältliche Software verwendet [NETZSCH2001]. Die Modellierung basiert hierbei auf thermoanalytischen Messdaten wie Thermogravimetrie (TG), Differentialthermoanalyse (DTA) oder Dilatometrie. Diese erforderliche experimentelle Datenbasis
muss jeweils durch mehrere dynamische Messungen mit variierender Heizrate erzeugt werden. In Abbildung 3-2 soll veranschaulicht werden, dass bei isothermen Messungen der Bereich niedriger Umsätze nicht gut aufgelöst werden kann; diese werden quasi zu schnell „überfahren“. Mit Hilfe dynamischer Messungen wird dagegen jeder Bereich langsam durchlaufen und kann somit besser erfasst werde.
Die so gewonnenen Daten werden rechnerisch zu einem formalkinetischen Modell verarbeitet, das ein-, zwei-, drei- oder vierstufige Prozesse beinhaltet, die in Einzelschritten als unabhängig, parallel, konkurrierend oder aufeinanderfolgend verknüpft sind. Jedem Reaktionsschritt kann hierbei wahlweise die Reaktionsordnung und die Art der Reaktion (Diffusions-,
Phasengrenz- bzw. autokatalytische Reaktion) zugewiesen werden.
14
GRUNDLEGENDE BETRACHTUNGEN
280
40 K/min
Umsatz
20 K/min
240
10 K/min
200
160
120
Temperatur in °C
98 %
90 %
75 %
50 %
25 %
10 %
5%
2%
dynamisch
80
isotherm
40
20
0
4
8
12
16
20
24
Zeit in min
Abb. 3-2:
Erfassung des Reaktionsfeldes durch dynamische und isotherme Messungen (aus
[NETZSCH98])
Der Kern des Programmpaketes ist eine multivariate nichtlineare Regression (Mehrkurvenanalyse). Die Bestimmung der das Modell charakterisierenden kinetischen Parameter erfolgt
über ein GAUSS-NEWTON – Verfahren, in das ein RUNGE-KUTTA – Verfahren zur Lösung
der Differentialgleichungen eingebunden ist.
Das RUNGE-KUTTA – Verfahren nutzt die Taylorreihenentwicklung der Funktion aus. Es
wird zum Lösen von Differentialgleichungen wegen seiner hohen Genauigkeit der Approximation herangezogen. Laut RUNGE-KUTTA kann man den gesuchten Prognosewert dadurch verbessern, indem man den für die lineare Fortschreitung benutzten Steigungswert
nicht nur aus der anfänglichen Steigung bestimmt, sondern von dem mittels der Differentialgleichung bekannten weiteren Steigungsverhalten der Funktion abhängig macht. Dies geschieht, indem man zunächst mit einer gewissen Teilschrittweite „Hilfsprognosen“ erstellt und
schließlich die dabei gewonnenen „Hilfssteigungen“ passend mittelt.
Das GAUSS-NEWTON – Verfahren ist eine Methode der nichtlinearen Ausgleichsrechnung.
Dabei wird, ähnlich wie in der linearen Ausgleichsrechnung zu einem Satz von Daten eine
Funktion gesucht, so dass die Summe der Fehlerquadrate minimal wird.
15
PHASENDIAGRAMME
4 Phasendiagramme und Oxidationsverhalten
4.1 Das System Zr - Si - O
4.1.1 Phasendiagramme
Im System Zr - Si existieren neben ZrSi2 eine Reihe weiterer Zr-reicher Verbindungen, wie in
Abbildung 4-1 im Phasendiagramm nach [KOCHERZINSKII76 & OKAMOTO90] zu sehen ist.
ZrSi2 kristallisiert orthorhombisch und besitzt die Punktgruppe Cmcm [NARAY-SZABO37, SEYFARTH 28].
Es unterliegt bei ca. 1620°C einer peritektischen Zersetzung, bei der neben
Schmelze β-ZrSi entsteht [KOCHERZINSKII76].
10
at% Zirkonium
50
100
2250°C
L
2215°C
2180°C
1925°C
1855°C
1660°C
1745°C
1650°C
1620°C
1570°C
1460°C
1370°C
0
Si
Abb. 4-1:
50
gew.-% Zirkonium
Zr3Si
α− ZrSi
αZr5Si4
Zr3Si2
Zr2Si
ZrSi2
28.5
883°C
100
Zr
Phasendiagramm des Systems Zr-Si nach [OKAMOTO90]
Im System ZrO2 - SiO2 wurde das erste Phasendiagramm von [CURTIS53] beschrieben (vgl.
Abbildung 4-2). Demzufolge liegt als einzige ternäre Verbindung tetragonaler Zirkon (ZrSiO 4)
stabil vor. Laut [KREIDL42] beginnt dieser sich bereits unterhalb der Soliduslinie, die bei
1687°C liegt, in ZrO2 + SiO 2 zu zersetzen. Wie im Phasendiagramm zu sehen, liegt neben
ZrSiO 4 bei einer SiO 2-reicheren Zusammensetzung freies SiO 2, bei einer SiO 2-ärmeren freies
ZrO2 vor.
16
PHASENDIAGRAMME
Abb. 4-2:
Phasendiagramm des Systems ZrO2 – SiO2 nach [CURTIS53]
Dabei liegt SiO 2 je nach Temperatur in folgenden Modifikationen vor:
α − Quarz
2,65 g / cm³
575°C
→
β − Quarz
2,51 g/cm³
870°C
→
β − Tridymit
2,26 g / cm³
1470°C
→
β − Cristobalit
2,22 g / cm³
1713°C
→
Schmelze
Der kubische β-Cristobalit weist mit 2,22 g/cm³ eine deutlich geringere Dichte auf als der
trigonale α-Quarz mit 2,65 g/cm³. Für keramische Prozesse interessant sind die mit den
Phasenbildungen einhergehenden Volumenänderungen. Die Umwandlung von α zu β-Quarz
gehört zu den leicht reversibel (enantiotrop) verlaufenden Umwandlungen im System SiO 2.
Sie findet mit großer Schärfe bei 575°C statt und geht mit einer Volumenänderung von ca.
1% einher. Die Umwandlung von α-Quarz in α-Tridymit ist eine Langzeitreaktion, die mit einer Volumenvergrößerung von ca. 14% verbunden ist [EITEL41].
Ganz im Gegensatz zu den volumenvergrößernden Effekten, die bei der Umwandlung von αin β-Quarz und von α-Quarz in α-Tridymit stattfinden, schrumpft β-Quarz bei Erwärmung
oberhalb 573°C [SOSMAN55]. Die Hochtemperatur(β)-Modifikationen von Cristobalit und Tridymit verhalten sich ähnlich. β-Cristobalit hat bei ca. 800°C sein größtes Volumen; oberhalb
dieser Temperatur schrumpft der Kristall. Tridymit hat bei 900°C einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von null. Bei höheren Temperaturen ist dieser ebenfalls negativ. Die Tieftemperatur-Modifikationen von Quarz, Tridymit und Cristobalit expandieren dagegen alle
normal mit steigender Temperatur.
Auch die Stabilitäten der ZrO2 Modifikationen sind temperaturabhängig:
17
PHASENDIAGRAMME
1205°C
monoklin (m)
→
2285°C
tetragonal (t )
→
kubisch(k )
Das ZrO2 liegt dabei je nach Temperatur monoklin, tetragonal oder kubisch vor. Monoklines
ZrO2 wandelt sich bei 1205°C mit einer Volumenabnahme von 3-5 Vol-% in tetragonales
ZrO2 um. Bei einer Temperatur von 2285°C wandelt sich ZrO2 (t) in ZrO2 (k) um. Durch Dotierung mit anderen Oxiden, wie z.B. Y2O3 [SCOTT75, SRIVASTAVA74], können diese Umwandlungstemperaturen verändert werden, so dass bei Raumtemperatur die monokline und
die kubische Phase des ZrO2 im Gleichgewicht nebeneinander vorliegen (teilstabilisiertes
ZrO2). Die Umwandlung von der monoklinen in die tetragonale Modifikation erfolgt bereits bei
550°C. Bei höherem Y2O3 Anteil liegt bereits bei Raumtemperatur nur die kubische Modifikation vor (kubisch stabilisiertes ZrO2).
Im Gegensatz zu den gut untersuchten Modifikationen des SiO 2 ist der gesamte Bereich der
substöchiometrischen Oxide des Siliziums im System Si - O strukturell noch nicht eindeutig
geklärt (Abbildung 4-3). Insbesondere die Existenz des Siliziummonoxids (SiO) ist ein kontrovers diskutiertes Thema. In natürlicher Form existiert SiO auf der Erde nicht, da es unter
Anwesenheit von Sauerstoff zu SiO 2 weiter reagiert und damit die bevorzugte Oxidationsstufe +4 erreicht. Siliziumdioxid ist unter bestimmten Umständen volatil, existiert aber nicht in
der Gasphase. Meistens dissoziiert es in gasförmiges SiO und molekularen Sauerstoff; fällt
die Temperatur, können diese beiden Phasen unter Bildung von SiO 2 und Si rekombinieren
Cristoba lit
[SOSMAN55].
1723
SiO+ SiO2
Si + SiO
0
Atom% Sauerstoff
HochQuarz
Si + SiO2
Si
Abb. 4-3:
SiO
+
SiO2
Tridym it
Tem peratur in °C
1420
50
66,6
SiO
SiO2
Phasendiagramm des Systems Si-O nach [SOSMAN55]
18
PHASENDIAGRAMME
4.1.2 Oxidationsverhalten
Die Oxidation von ZrSi2 wurde zuerst von [HÖNIGSCHMID 06] untersucht. Demnach verbrennt
feingemahlenes ZrSi2-Pulver unter Luft lebhaft zu ZrO2 und SiO 2. Bei der Oxidation massiver
Körper entsteht gemäß [LAVRENKO91] zunächst eine Schicht ZrO2 mit eingelagertem SiO 2.
Bei Temperaturerhöhung entsteht daraus schließlich eine ZrSiO 4-Schicht, welche die weitere
Oxidation hemmt. Von [PEREZ2000] wurde das Oxidationsverhalten an einer Al-haltigen ZrSi2
– Legierung bei 700°C untersucht. Im TG-Versuch wurde zunächst eine starke Massenzunahme, die mit der Sauerstoffaufnahme im ZrSi2 erklärt werden kann, beobachtet. Im Anschluss daran nimmt die Masse jedoch kaum noch zu. Trägt man diese Massenänderungen
gegen die Zeit auf, ist die Steigung dieser Kurve zu beginn steiler als im Laufe der Reaktion.
Anfangs lassen sich diese Kurven mit einem parabolischen Verlauf beschreiben, der bei fortschreitender Oxidation in einen subparabolischen Verlauf übergeht. Zunächst findet demnach die Sauerstoffdiffusion durch die intermetallische Matrix statt und es bildet sich ZrO2
und SiO 2. Mit fortschreitender Oxidation führen diese Oxide dazu, dass der Sauerstofftransport ins Innere gehemmt wird und somit an der Oxidationsfront nicht mehr so viel O2 zur Verfügung steht um die Reaktion mit der gleichen Geschwindigkeit am Laufen zu halten.
[VEYTIZOU 2001] betrachtet die Reaktion von amorphem SiO 2 mit tetragonalem ZrO2. Aus der
Form der Umsatzkurven wird geschlossen, dass die Diffusion von Silizium aus der äußeren
SiO 2-Schicht durch die gebildete ZrSiO 4 Phase an die Reaktionszone mit ZrO2 der reaktionsbestimmende Schritt ist.
Die Gültigkeit dieser Annahme wird dadurch gestützt, dass die experimentellen Daten zum
kinetischen Gesetz von [CARTER61] passen, bei dem angenommen wird, dass die chemische Diffusion durch das Reaktionsprodukt (die Oxidlage) der geschwindigkeitsbestimmende
Schritt ist. Im Einzelnen wird angenommen, dass die Reaktion wie folgt verläuft: Si4+ das vom
SiO 2 stammt, löst sich im ZrO2. Ist das Löslichkeitslimit erreicht, fällt eine ZrSi1+x O4-x Schicht
aus bzw. wird an der ZrO2 Grenze gebildet. Das Si4+ muss demnach jetzt durch diese Phase
hindurch diffundieren, um weiter mit ins ZrO2 zu gelangen. Mit der Wachstumsgeschwindigkeit der ZrSi1+x O4-x Schicht, nimmt der Radius des ZrO2 Partikels ab.
Nach [BEYERS86] bewegt man sich im ternären Phasendiagramm von Zr - Si - O bei fortschreitender Oxidation von ZrSi2 im Temperaturbereich von 700 bis 1000°C nicht direkt auf
ZrSiO 4 zu, sondern wie von [HENNIGE98] beschrieben, wird zunächst das Zirkonium aufoxidiert, es bildet sich ZrO2 und man bewegt sich im Feld von ZrSi2 - ZrO2 - Si bis alles ZrSi2
abreagiert ist. Im Bereich Si – ZrO2 – ZrSiO 4 wird das Silizium oxidiert und bildet zusammen
mit ZrO2 das ZrSiO 4 (Abbildung 4-4).
19
PHASENDIAGRAMME
Abb. 4-4:
Phasendiagramm von Zr-Si-O nach [BEYERS86]
Sobald im Feld ZrSiO 4 - Si - SiO 2 kein ZrO2 mehr zur Verfügung steht, um ZrSiO 4 zu bilden,
erhält man die Zusammensetzung ZrSiO 4/SiO 2 1:1. Anhand der Betrachtung der Bildungsenthalpien der Oxide ZrO2 bzw. SiO 2 scheint diese Annahme berechtigt (Tabelle 4-1).
Tab. 4-1: Bildungsenthalpien der Oxidationsreaktionen von
Zirkonium und Silizium nach [HOLLEMANN85]
Oxidationsreaktion
Bildungsenthalpien ∆H0
Zr + O2 à ZrO2
-1101 kJ/mol
Si + O2 à SiO 2
- 911 kJ/mol
Bestätigt werden diese Annahmen von [W ANG88]. Demnach dissoziiert bei der Reaktion von
SiO 2 und Zirkonium ab ca. 650°C das SiO 2. Die dabei frei werdenden Sauerstoffatome diffundieren und lösen sich im Zirkonium. Zunächst reagiert das Zirkonium mit dem verbleibenden Silizium. Ab ca. 750°C ist die Temperatur hoch genug, damit sich ZrO2 bilden kann. Es
entsteht demnach folgende Abfolge: SiO 2 / Zr-Si / ZrO2.
4.2 Das System Zr - Si - Li - O
Im System Li2O - SiO2 (Abbildung 4-5) existieren drei stabile Phasen: Li4SiO 4, Li2SiO 3 und
Li2Si2O5. Als metastabile Phasen sind Li6Si2O7 und Li2Si3O7 zu erwähnen. Nach [EITEL41]
schmilzt Li4SiO 4 bei 1255°C inkongruent, Li2SiO 3 bei 1201°C kongruent und das Di-Silikat
Li2Si2O5 bei 1033°C inkongruent.
20
PHASENDIAGRAMME
1723
+
L
1470
L
Li2O
+
L
1258
40
Abb. 4-5:
Li4SiO4+ L
Li2O
+
Li4SiO4
+
L
1209
Li2SiO3
+L
1033
1024
Li2SiO3
+
Li2Si2O5
Li4SiO4
+
Li2SiO3
50
1028
Li2Si 2O 5
+
960
936
80
60
70
SiO2 in gew-%
90
100
Phasendiagramm des Systems SiO2 – Li2O nach [KRACEK30]
Von [QUINTANA81] wurde das System Li2O – ZrO2 – SiO2 untersucht. Dabei wurde eine neue
Verbindung, Li2ZrSi6O15, beschrieben (Abbildung 4-6). Diese kristallisiert monoklin und
schmilzt bei ca. 1078°C inkongruent zu ZrSiO 4 und Schmelze.
SiO2
Li2 ZrSi6O15
ZrSiO4
1500
Li2SiO3
11 0
0
1 30
0
Li2 Si2O5
Li4 SiO4
Li2O
Abb. 4-6:
Li2ZrO3
ZrO2
Phasendiagramm von Li2O-ZrO2-SiO2 nach [QUINTANA 81]
21
PHASENDIAGRAMME
Für das System Li2O - ZrO2 wurde später von [SKOKAN 90] ein Phasendiagramm beschrieben
(vgl. Abbildung 4-7). Demnach existieren als stabile Komponenten Li8ZrO6, Li6Zr2O7 und
Li2ZrO3. Li8ZrO6 bildet sich bei 550°C aus den Oxiden und schmilzt bei 1345°C [SKOKAN 90].
[ORTMANN82] beschreibt den Schmelzpunkt bereits bei 1295°C. Die Eutektika zwischen Li2O
und Li8ZrO6 bzw. zwischen Li8ZrO6 und Li6Zr2O7 liegen bei 1100°C bzw. 1055°C. Li6Zr2O7
kristallisiert monoklin und schmilzt inkongruent bei 1290°C. Li2ZrO3 kristallisiert monoklin in
der Raumgruppe Cc - Cs 4 [DITTRICH69] und ist bis zu seinem kongruenten Schmelzpunkt bei
1690°C stabil. Bei Anwesenheit von Li2ZrO3 finden die Phasenumwandlungen von ZrO2 bereits bei niedrigeren Temperaturen statt (vgl. 4.1.1):
1190°C
→
monoklin (m)
1450°C
→
tetragonal (t )
kubisch(k )
Das Eutektikum zwischen Li2ZrO3 und ZrO2 liegt bei 1640°C.
2710
2500
L + ZrO2 (kub.)
Liquid (L)
1690
1640
Li2ZrO3 + ZrO2 (kub.)
1500
1430
1345
1450
1290
Li2ZrO3 + ZrO2 (tetr.)
1100
500
1055
Li2 ZrO 3
(high) Li8 ZrO 6
1000
1190
Li6 Zr2 O7
Temperatur in °C
2000
Li2ZrO3 + ZrO2 (mkl.)
(Low)
420
0
Li2O
20
40
60
80
100
ZrO2
mol% ZrO 2
Abb. 4-7:
Phasendiagramm des Systems Li2O – ZrO2 nach [SKOKAN90]
22
EXPERIMENTELLER T EIL
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
5 Verwendete Charakterisierungsmethoden und Edukte
5.1 Übersicht der Charakterisierungsmethoden
Zur Charakterisierung der Edukte sowie der Zwischen- und Endprodukte werden die in Tabelle 5-1 aufgeführten Charakterisierungsmethoden angewandt. Diese Methoden sollen in
den beiden folgenden Kapiteln kurz erläutert werden.
Tab. 5-1: Übersicht über die angewandten Charakterisierungsmethoden
Charakterisierungsmethode
verwendetes Gerät
Physikalisch - chemische Methoden:
Thermogravimetrie/Differenzthermoanalyse NETZSCH STA 409
Dilatometrie
NETZSCH DIL 402 C
Infrarot-Spektroskopie (FT-IR)
BRUKER IFS 28
Röntgendiffraktometrie (XRD)
SIEMENS / AXS D 5000
Lichtmikroskopie
ZEISS AXIOPLAN 2
Rasterelektronenmikroskopie (REM)
ZEISS DSM 69
Energiedispersive Röntgenanalyse (EDX)
LINK
Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES)
AUGER NANOPROBE PHI 680
Raman-Spektroskopie
BRUKER FRA 106
Quecksilber(Hg)-Porosimetrie
CE INSTRUMENTS, PASCAL 140 / 440
Helium-Dichte
CE INSTRUMENTS, PYCNOMATIC 200
Partikelgrößen-Analyse
MICROTRAC X100
Oberflächenbestimmung
MICROMERITICS FLOW SORB II 2300
Mechanische Charakterisierung:
Härtebestimmung nach Vickers
PAAR PHYSICA MHT - 10
Biegebruchfestigkeit
UTS 10T
5.1.1 Physikalisch - chemische Methoden
Thermische Analyse
Mit Hilfe der Thermischen Analyse (TA) lassen sich physikalische und chemische Änderungen einer Probe in Abhängigkeit von der Temperatur erfassen. Die TA ist damit eine der
wichtigsten Methoden zur Untersuchung des Reaktionssinterverfahrens.
Bei der Thermogravimetrie (TG) wird die Massenänderung, bei der Dilatometrie die Längenänderung einer Probe als Funktion der Temperatur bestimmt. Mittels der Differenzthermo-
24
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
analyse (DTA) lassen sich die thermischen Effekte messen, die ein Material im Vergleich zu
einer inerten Referenzprobe während der Temperaturbehandlung erfährt.
Die bei der TG freigesetzten Gase können zudem mittels IR-Spektroskopie analysiert werden. Bei dieser Methode, der TA-IR-Kopplung, werden die gasförmigen Pyrolyse-Produkte in
die Gasmesszelle eines FT-IR-Spektrometers überführt und kontinuierlich gemessen. So
werden zum Beispiel Informationen über das Pyrolyseverhalten des eingesetzten Binders
erhalten.
Alle Versuche zur Thermischen Analyse werden unter getrockneter Druckluft (100ml/min)
durchgeführt. Für die simultan erfolgende TG und DTA werden 50 bis 100 mg Pulver bzw.
Granulat eingesetzt. Als Tiegel- und Referenzmaterial dient Al 2O3. Zur Bestimmung der Längenänderung dienen Formkörper mit einer Länge von ca. 10 mm und einem Durchmesser
von 6 bzw. 7 mm, die durch axiales Pressen hergestellt wurden.
Diffraktometrie
Die Röntgenpulverdiffraktometrie ist eine gängige Methode zum Nachweis kristalliner Phasen in einem Material. Auf diese Weise lassen sich die verschiedenen im Laufe der Temperaturbehandlung auftretenden Phasen analysieren.
Die Diffraktometrie beruht auf dem Prinzip, dass Röntgenstrahlen an den Gitterebenen eines
Kristalls gebeugt werden. Als Röntgenquelle dient ein Cu-Anode. Die Messungen werden
entweder als Theta-2Theta Messungen oder mit streifendem Einfall unter einem Winkel von
4° durchgeführt. Als Proben dienen zumeist gepresste Tabletten oder Zylinder. Die Zuordnung der erhaltenen Reflexe erfolgt mit Hilfe einer Auswertesoftware, die auf der JCPDS
(Joint Committee of Powder Diffraction Standards) - Datei basiert.
Mikroskopie
Die Lichtmikroskopie (LM) dient zur Untersuchung des Gefüges fester Proben. Hierzu werden Schliffbilder der gesinterten Formkörper mittels Auflichtmikroskopie angefertigt.
Die Rasterelektronenmikroskopie (REM) ist eine Methode zur Untersuchung der Morphologie
und des Aufbaus von Pulvern bzw. des Gefüges von Formkörpern. Zudem kann mit der energiedispersiven Röntgenanalyse (EDX-Analyse) eine halbquantitative Elementanalyse
durchgeführt werden. Diese stellt somit eine Ergänzung der Diffraktometrie zur Untersuchung des Phasenbestandes insbesondere an gesinterten Keramiken dar.
Beim REM werden die von einer Elektronenkanone emittierten Elektronen über mehrere elektromagnetische Linsen auf die Probe fokussiert. Der Elektronenstrahl wird über einen Ablenkgenerator gesteuert und rastert die Probe zeilenförmig ab. Detektoren erfassen die von
der Probe emittierten Sekundär (Reliefbild)- und /oder Rückstreuelektronen (Materialkontrastaufnahme) und geben das Signal an eine Bildröhre weiter.
25
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
Die EDX-Analyse beruht auf der Wechselwirkung von hochenergetischen Elektronen mit
Materie. Neben der Entstehung von Rückstreu- und Sekundärelektronen wird zusätzlich eine
für jedes Element charakteristische Röntgenstrahlung freigesetzt, die auf den Elektronenübergang von höheren in tiefere Energieniveaus zurückzuführen ist. Diese freigesetzte
Strahlung wird energiedispersiv mittels eines Halbleiterdetektors registriert.
Auger-Elektronen-Spektroskopie
Die Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES) liefert reproduzierbare Daten an ebenen, elektrisch leitenden Oberflächen [KRISHNAN 81, SCHUSTER86, GRASSERBAUER86].
Da jedes Atom einen für seine Ordnungszahl charakteristischen Aufbau hat, ist über die Bestimmung des Energieniveauschemas eine chemische Analyse möglich.
KLL Auger-Elektron
L2, 3
äußere Schale
L1
K
Abb. 5-1:
innere Schale
Schematische Darstellung der Emission von Auger-Elektronen (nach [GRASSERBAUER86])
Die Emission der Auger-Elektronen wird dadurch erklärt, dass die beim Sprung eines Elektrons aus einer höheren, d.h. außen liegenden, in eine tiefere Schale frei werdende Energie
nicht in Form von Röntgenstrahlen emittiert wird, sondern auf ein weiteres Elektron einer
äußeren Schale des selben Atoms übertragen wird [GRASSERBAUER86]. Dieses emittiert
dann als so genanntes Auger-Elektron (vgl. Abbildung 5-1). Das verwendete Gerät hat eine
Informationstiefe von wenigen Atomlagen und eine laterale Auflösung von ~13nm. Mit der
Argon-Ionenquelle kann die Probe zur Tiefenprofilanalyse gesputtert werden. Zum Spektrum
tragen nur Auger-Elektronen bei, die noch keine Energie verloren haben, die Informationstiefe ist somit abhängig von der mittleren freien Weglänge. Für die Tiefenprofilmessungen wurde ein 1 x 1mm großes Fenster gesputtert. Gemessen wurde in diesem Feld mit einem defokussiertem 1µm Elektronenstrahl. Die Beschleunigungsspannung betrug dabei 10keV.
26
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
Raman- und Infrarot-Spektroskopie
Die molekül-theoretischen Grundlagen der Raman-Spektroskopie entsprechen weitgehend
denen der Infrarot-(IR)-Spektroskopie. Mit beiden Methoden werden die Rotations- und
Schwingungsanregungen von Molekülen beobachtet. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass für das Auftreten eines Raman-Spektrums mit Rotation und Schwingung eine Änderung der Polarisierbarkeit der Moleküle verbunden sein muss, während für das IR-Spektrum
gilt, dass das Molekül für die Anregung der Rotation ein permanentes Dipolmoment besitzen
und für die Schwingungsanregung mit der Schwingung eine Änderung des Dipolmomentes
verbunden sein muss. Raman- und IR-Spektroskopie ergänzen sich daher.
Raman: Bestrahlt man Moleküle mit monochromatischem Licht, so wird das eingestrahlte
Licht gestreut. Nach Zerlegung des Streulichts zeigen sich neben der intensiven Spektrallinie der Lichtquelle zusätzliche Spektrallinien, die gegenüber der Frequenz der Lichtquelle
verschoben sind. Die letzteren Linien nennt man Raman-Linien. Diese Frequenzverschiebung entspricht gerade der Energie der elementaren Anregung. Aus der Energie, der Intensität und der Polarisation des gestreuten Lichtes lassen sich Informationen über die elementare Anregung selbst und über verschiedene Eigenschaften der Probe (z.B. Zusammensetzung, Dotierung usw.) gewinnen [MATOSSI59].
IR: Durch Infrarotlicht werden in Molekülen Schwingungen angeregt. Bestrahlt man Materie
damit, dann wird Licht bestimmter Frequenz absorbiert. In Abhängigkeit von der Energie
nimmt das Infrarotspektrometer die so genannten Schwingungsbanden auf. Aufgrund deren
energetischen Lagen gewinnt man genaue Informationen über die Struktur und Aufbau der
untersuchten chemischen Verbindung.
Quecksilber(Hg)-Porosimetrie
Mit Hilfe der Hg-Porosimetrie kann sowohl die Dichte von Formkörpern als auch deren offene
Porosität bestimmt werden. Die Dichte wird direkt über die Menge an verdrängtem Quecksilber im Probengefäß bestimmt. Zur Bestimmung der Porosität macht man sich zunutze, dass
Quecksilber eine nicht benetzende Flüssigkeit ist, die nur durch einen äußeren Druck p [Pa]
in eine Pore vom Radius r [m] gepresst werden kann. Dieser Druck wird durch die Washburn-Gleichung folgendermaßen beschrieben:
p = - (2 γ cosθ) / r
mit
γ: Oberflächenspannung [N/m]
θ: Benetzungswinkel [°]
27
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
He-Dichte
Mit dem Heliumpyknometer lassen sich die Dichten von Festkörpern und Pulvern bestimmen. Dabei dürfen die Proben keine flüchtigen oder sublimierenden Bestandteile haben. Die
Einwaage der Probe mit dem Probengefäß erfolgt vor der Messung auf einer Präzisionswaage. Das Heliumpyknometer besteht hauptsächlich aus einem Probengasraum und einem
hiermit absperrbar verbundenen Expansionsraum. Der Probenraum wird mit Helium gespült
und mit einem Überdruck gefüllt. Nach einer Temperaturangleichung wird das Gas in den
Expansionsraum geleitet. Sobald sich der Druck- und auch der Temperaturausgleich eingestellt haben, ist der abgelesene Ausgleichsdruck ein Maß für das Probenvolumen. Dem Prinzip liegt das Gesetz von Boyle-Mariotte zugrunde, demzufolge das Produkt aus Druck und
Volumen einer abgeschlossenen Gasmenge bei gleichbleibender Temperatur konstant ist.
Partikelgrößen-Analyse
Die Bestimmung der Partikelgröße von Pulvern beruht auf der Tatsache, dass ein Laserstrahl, der durch eine Küvette tritt, in der das zu untersuchende Pulver aufgeschlämmt wurde, an den einzelnen Partikeln gestreut wird. Aus der Winkellage und Intensität des Streulichtes kann die Volumenverteilung der Partikel bestimmt werden. Die Partikelfeinheit wird
charakterisiert durch den dn-Wert. Darunter versteht man den Partikeldurchmesser d [µm] bei
einem Summenanteil von n Vol-%.
Oberflächenbestimmung
Mittels der BET-Methode [BRUNAUER38, SEIFERT87] kann die spezifische Oberfläche von
Festkörpern bestimmt werden. Die Oberfläche des Materials wird hierbei anhand der Adsorption von Stickstoff ermittelt. Geht man davon aus, dass sich auf einer Oberfläche eine monomolekulare Stickstoffschicht ausbildet, so lässt sich, falls der Platzbedarf eines Moleküls
bekannt ist, aus der Menge an adsorbiertem Stickstoff die Oberfläche des Materials berechnen.
5.1.2 Mechanische Charakterisierung
Die mechanische Charakterisierung umfasst die Bestimmung der Härte und der Festigkeit.
Diese Größen beschreiben die für eine spätere Anwendung wichtigsten mechanischen Eigenschaften einer Keramik.
Bestimmung der Härte
Als Härte wird der Widerstand bezeichnet, den ein Körper dem Eindringen eines anderen
entgegensetzt. Beim Vickers-Härtetest wird eine vierseitige Diamantpyramide mit Flächenwinkeln von 136° in die Probe eingedrückt. Gemessen werden die zwei Diagonalen des Ein28
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
drucks. Die Prüfkraft ist bei der Vickers-Härteprüfung beliebig wählbar, da die Eindruckfläche
proportional zu dieser ist. Die Härte H [GPa] berechnet sich aus der Last F [N] und der halben Diagonalen a [µm] der Eindruckfläche zu:
H=
F
2a 2
Die Vickers-Härte wird zumeist dimensionslos angegeben als HV [HV] und es gilt:

mm2 

HV =  0,102
⋅H
N 

Biegebruchfestigkeit
Als Methode zur Feststellung der Biegebruchfestigkeit wurde die biaxiale Biegeprüfung nach
der EN ISO 6872 durchgeführt. Der Aufbau der Prüfanordnung ist in Abbildung 5-2 dargestellt. Hierfür werden Scheiben mit einem Durchmesser von 15mm und einer Höhe von 2mm
gepresst und gesintert und anschließend werden diese Probekörper auf eine Dicke von 1,2
± 0,2mm planparallel geschliffen. Der erste Schliff erfolgt mit einer Körnung von 46µm; der
Endschliff mit 15 µm.
1
2
10
3
9
4
8
5
7
6
Abb. 5-2:
1
Stahlkugel
2
Präzisionskugellagergehäuse
3
oberer Lagergehäusehalter
4
Stange aus gehärtetem Stahl
5
gehärteter auf Präzision geschliffener Stift
6
Stahlkugel auf Auflagescheibe
7
Grundplatte
8
Probekörperhalter
9
drei Abstandhalter
10
obere Platte
Prüfanordnung zur biaxialen Biegeprüfung nach EN ISO 6872
29
CHARAKTERISIERUNGSMETHODEN
Für die Messung wird die Probe konzentrisch auf die Auflagerkugeln platziert, so dass die
Belastung in der Mitte des Probenkörpers erfolgt. Die biaxiale Biegefestigkeit wird für jeden
Probekörper nach folgender Formel berechnet:
S = -0,2387 P (X-Y)/d²
Hierin ist:
dabei ist:
S:
maximale Zugfestigkeit [MPa]
P:
Gesamtbruchbelastung [N]
d:
Dicke des Probekörpers [mm]
X:
(1 + ν) ln(r2/r3)² + [(1 – ν)/2] (r2/r3)²
Y:
(1 + ν) [1 + ln(r1/r3)²] + (1 – ν) (r1/r3)²
ν:
Poisson-Zahl; wenn nicht bekannt, wird dieser Wert auf 0,25 gesetzt
r1:
Radius der Trägerscheibe [mm]
r2:
Radius des belasteten Bereichs [mm]
r3:
Radius des Probekörpers [mm]
5.2 Verwendete Edukte
In Tabelle 5-2 wird eine Übersicht über die verwendeten Ausgangsmaterialien gegeben. Tabelle 5-3 stellt die Zusammensetzung der eingesetzten Gase vor.
Tab. 5-2: Übersicht über die verwendeten Edukte
Material
Hersteller
Charge
Molmasse [g/mol]
Dichte [g/cm³]
Li2ZrO3
ABCR
179213
153,1
3,511)
Li2O
ALFA AESAR
12057-24-8
29,9
2,011)
PMSS
ABCR
97B-3813-9H18
-
1,352)
SiO 2
ALFA AESAR
7631-86-9
60,1
2,601)
ZrO2
TOSOH TZ-3Y
Z308531P
123,2
6,05 1)
ZrSi2
ALDRICH
33107-129
147,4
4,881)
ZrSiO 4
ACCUMET MATERIALS
183,3
4,701)
1)
Herstellerangaben
2)
HENNIGE98
Tab. 5-3: Übersicht über die verwendeten Gase
Gas
getrocknete Druckluft
Argon
Taupunkt: -40°C
Argon 5.0
30
KINETIK IM SYSTEM Zr-Si-O
6 Untersuchungen zur Kinetik im System Zr-Si-O
6.1 Thermische Zersetzung von PMSS
Um die thermische Zersetzung von PMSS zu untersuchen, wurden thermogravimetrische
(TG)-Kurven sowie TA-IR Kopplungen mit Heizraten von 1, 2, 5 bzw. 10 K/min und einer anschließenden Haltezeit von 30 Minuten aufgenommen. Geheizt wurde unter getrockneter
Druckluft bis 1000°C. Mit Hilfe dieser Temperaturprofile wurde mit der Kinetik-Software der
Firma NETZSCH ein formalkinetisches Modell aufgestellt. Hierzu werden die experimentell ermittelten Daten der Massenänderung in das Kinetik-Programm eingelesen und mit Hilfe der
Software kann ein zuvor ausgewähltes Modell automatisch an diese Kurven angefittet werden.
6.2 Oxidationsverhalten von ZrSi2
Die Untersuchungen zur Oxidation des ZrSi2 erfolgten sowohl an Pulvern als auch an daraus
hergestellten massiven Formkörpern.
6.2.1 Pulver
Der Oxidationsfortschritt an ZrSi2-Pulver lässt sich über die Massenzunahme beobachten.
Mit Hilfe von thermogravimetrischen Messungen kann quantifiziert werden, wie viel Massenzunahme bei gegebener Temperatur und Zeit stattgefunden hat. Hieraus lässt sich ein direkter Rückschluss ziehen, inwieweit das ZrSi2 umgesetzt, d.h. oxidiert worden ist.
Für die Modellierung der Oxidation wurden isotherme Messungen durchgeführt. Hierfür wurde das Pulver zunächst unter Argon mit 5K/min auf die gewünschte Temperatur geheizt und
dort 10 Minuten unter Schutzgas gehalten. Anschließend wurde auf Luftatmosphäre umgestellt und 12 Stunden bei der jeweiligen Temperatur oxidiert.
6.2.2 Massive Formkörper
Um ein Konzentrationsprofil bzw. ein Sauerstofftiefenprofil erstellen zu können, musste eine
Methode gewählt werden, die ortsabhängige Aussagen über den Sauerstoffgehalt treffen
kann. Hierzu können nur Methoden eingesetzt werden, die zum einen Sauerstoff detektieren
können und zum anderen ein genügend großes Auflösungsvermögen haben, um in den entstehenden dünnen Oxidschichten ein genaues Profil erstellen zu können. Aus diesen genannten Gründen wurde die Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES) gewählt. Um massive
Proben zur Verfügung zu haben, an denen das Sauerstofftiefenprofil erstellt werden kann,
musste zunächst das ZrSi2-Pulver heißisostatisch gepresst werden. Dabei wurde das Pulver
bei 1500°C und 1500bar zu 100% verdichtet. Aus den so gewonnenen Proben wurden Pellets gesägt, die auf einer Seite poliert und anschließend bei unterschiedlichen Temperaturen
verschieden lange im Kammerofen unter Luft getempert wurden. Hierfür wurden die ZrSi231
KINETIK IM SYSTEM Zr-Si-O
Scheiben in den auf Temperatur gebrachten Ofen auf Al 2O3-Tiegel gelegt, nach der entsprechenden Zeit herausgenommen und abgeschreckt. Die mittels AES gewonnenen Tiefenprofile beschreiben den Oxidationsverlauf in die Probe hinein. Sie werden herangezogen, um ein
Modell, das diesen Verlauf beschreibt, aufzustellen. Mit Hilfe dieses Modells können Diffusionskoeffizienten und Aktivierungsenergien berechnet werden.
Um den Aufbau der entstehenden Oxidschicht zu klären, wurden an den dichten, polierten
und getemperten Proben außerdem Röntgendiffraktometrie- und Raman-Messungen durchgeführt. Mit Hilfe der Röntgendiffraktometrie unter kleinen Winkeln lassen sich die entstandenen kristallinen Phasen in den oberen Mikrometern nachweisen. Mit Hilfe der RamanMessungen wird überprüft, ob zusätzlich amorphe Phasen entstanden sind.
6.3 Sinterverhalten von Keramiken ohne reaktive Komponente
Um den Sintervorgang unabhängig von der Oxidation des ZrSi2 zu beobachten, wurde zum
einen ein Granulat ohne reaktive Komponente aus PMSS, ZrO2 und SiO 2 hergestellt (ZS)
und daraus Pellets uniaxial gepresst; zum anderen wurde reines ZrSiO 4 uniaxial verpresst
(ZN). Der Ansatz für ZS wurde so berechnet, dass nach dem Sintern ein Überschuss an SiO 2
vorhanden ist (Tabelle 6-1).
Im Dilatometerversuch wurden die ZS-Pellets jeweils mit 2K/min auf verschiedene Endtemperaturen geheizt. Ziel war es, den Zeitpunkt, ab dem der Sinterprozess einsetzt, zu bestimmen. Außerdem sollte analysiert werden, welche Phasen sich bis zu den jeweiligen Temperaturen gebildet haben. Die Entwicklung der Phasen wurde anhand von Röntgenpulverdiffraktogrammen (XRD) analysiert. Die ZN-Pellets wurden mit unterschiedlichen Heizraten
auf 1650°C geheizt und die Sinterkurve sowie das Gefüge wurden untersucht.
Tab. 6-1: Zusammensetzung der „Modellsubstanzen“, an denen der Sinterprozess
und die Phasenbildung beobachtet wurde
Anteil an ... [Vol-%]
TD [g/cm³]
Bezeichnung
SiO 2
ZrO2
PMSS
ZrSiO 4
ρ grün
ρ sinter
ZS
32,5
37,5
30,0
-
3,51
4,62
ZN
-
-
-
100,00
4,70
4,70
32
UNTERSUCHUNGEN IM SYSTEM Zr-Si-Li-O
7 Untersuchungen im System Zr-Si-Li-O
7.1 Thermische Zersetzung von PMSS + Li-Phase
Um den Einfluss der Zugabe von Li2O bzw. Li2ZrO3 auf die Zersetzung des Binders zu untersuchen, wurde PMSS mit Li2O bzw. Li2ZrO3 im Volumenverhältnis 3:1 gemischt (Tabelle 7-1)
und die Reaktion mit Hilfe der Thermowaage beobachtet. Zusätzlich wurden TG-IR gekoppelte Messungen an diesen Gemischen durchgeführt, um die bei der Reaktion entstehenden
gasförmigen Abbauprodukte zu bestimmen.
Tab. 7-1: Mischungen aus PMSS + Li2ZrO3 (PLZ) bzw.
PMSS + Li2O (PLO)
Anteil an ... [Vol-%]
Bezeichnung
Li2ZrO3
Li2O
PMSS
PLZ
25,0
-
75,0
PLO
-
24,7
75,3
7.2 Oxidationsverhalten von ZrSi2 + Li-Phase
Um den Einfluss von Li-haltigen Phasen auf das Reaktionsverhalten und die –dauer zu untersuchen, wurden Mischgranulate aus ZrSi2 und verschiedenen Anteilen Li2O bzw. Li2ZrO3
hergestellt (Tabelle 7-2) und ihr Oxidationsverhalten in der Thermowaage untersucht. Das
Temperaturprogramm wurde hierfür wie bei reinem ZrSi2 gewählt (vgl. Kapitel 6.2.1).
Tab. 7-2: Zusammensetzung der verwendeten Pulvergemische
Anteil an ... [Vol-%]
Bezeichnung
ZrSi2
Li2O
Li2ZrO3
MP01401H
98,3
-
1,7
MP02401H
95,9
-
4,1
MP03401H
92,1
-
7,9
MP04401H
85,4
-
14,6
MP04800H
99,0
1,0
-
MP01800H
97,5
2,5
-
MP02800H
95,0
5,0
-
Die Bezeichnung der verwendeten Pulver bzw. Granulate setzt sich aus den ersten beiden
Buchstaben, die für Mahlen in der Planetenmühle (MP) stehen, einer laufenden Nummerie-
33
UNTERSUCHUNGEN IM SYSTEM Zr-Si-Li-O
rung (z.B. 01), dem Monat der Herstellung (1-9, bzw. O, N, D) und dem Jahr (01 für 2001)
sowie dem Anfangsbuchstaben des Herstellers (H für Honnef) zusammen.
7.3 Herstellung einer Li-haltigen ZrSiO4-Keramik
7.3.1 Pulveraufbereitung und Herstellung der Granulate
Zur Herstellung der Granulate wurde zunächst das ZrSi2 für 48h mit einer Planetenkugelmühle in Ethanol gemahlen. Hierbei wurde das Verhältnis Kugeln : Pulver : Ethanol von 2:2:1
gewählt. Becher und Mahlkugeln bestehen aus MgO stabilisiertem ZrO2. Das anschließend
getrocknete Pulver wurde für weitere 24h mit ZrO2 und Li2ZrO3 mischgemahlen, anschließend aufgemörsert und auf eine Feinheit kleiner 125 µm gesiebt. Im weiteren Verlauf wurde
es in Ethanol mit dem Ultra-Turrax suspendiert und das ebenfalls in Ethanol gelöste PMSS
zugegeben. Das Lösemittel wurde im Sprühtrockner entfernt (Sprühbedingungen siehe Anhang E). Das so entstandene Sprühgranulat (Probenbezeichnung „SG“) wurde wiederum auf
eine Teilchenfeinheit von kleiner 125 µm gesiebt.
Die nachfolgende Tabelle 7-3 gibt einen Überblick über die Granulate, die in dieser Arbeit
genauer besprochen werden. Die Ansätze wurden auf ein Zr:Si Verhältnis von 0,98 berechnet. Das heißt, dass Silizium im Überschuss vorhanden ist und neben ZrSiO 4 auch SiO 2 in
der gesinterten Keramik vorhanden sein wird. Schrumpfungsfreiheit war nicht der vordergründige Aspekt. Es sollte vielmehr zunächst geprüft werden, ob sich dichtgesinterte Lihaltige Keramiken herstellen lassen.
Tab. 7-3: Überblick über die hergestellten Keramiken im System Li-Zr-Si-O
Anteil an ... [Vol-%]
TD [g/cm³]
Bezeichnung
ZrSi2
ZrO2
Li2ZrO3
PMSS
ρ grün
ρ sinter
SG01401H
35,5
33,6
0,95
30,0
4,16
4,68
SG02401H
34,9
32,7
2,4
30,0
4,13
4,67
SG03401H
34,0
31,2
4,8
30,0
4,08
4,65
SG04401H
32,8
27,8
9,4
30,0
3,98
4,59
Die angegebenen Sinterdichten wurden unter der Annahme, dass sich die Phasenbildung im
Teildreieck Li2SiO 3 - ZrSiO 4 - ZrO2 des SiO 2 - Li2O - ZrO2 Phasendiagramms abspielt, berechnet.
7.3.2 Formgebung
Die Formgebung der so gewonnenen Granulate erfolgte durch axiales Kaltpressen. Hierzu
wurden zur Herstellung von Pellets bzw. zylindrischen Körpern Standardwerkzeuge eingesetzt. Das Granulat wurde bei Raumtemperatur bei Drücken von 400 MPa zum Grünkörper
34
UNTERSUCHUNGEN IM SYSTEM Zr-Si-Li-O
verpresst. Das Presswerkzeug wurde mit Stearinsäure geschmiert. Für Proben, die im Kammerofen gesintert wurden, wurden Pellets mit 10mm Durchmesser und Höhen von 1 bis
3mm verwendet, für die Dilatometerversuche Proben mit 6 bzw. 7mm Durchmesser und einer Höhe von ca. 10mm. Für die Biegebruchversuche wurden Scheiben mit 15mm
Durchmesser und einer Höhe von ca. 2mm hergestellt.
7.3.3 Reaktionssinterverfahren
Anschließend wurde im Reaktionssinterverfahren der Grünkörper zur eigentlichen Keramik
umgewandelt. Dieses Verfahren lässt sich in drei Teilbereiche untergliedern. In Anlehnung
an [HENNIGE98] wurden zunächst folgende Prozessschritte unterschieden und danach wurde
ein Temperaturprogramm standardmäßig festgelegt (vgl. Tabelle 7-4):
•
Entbindern, d.h. Umsetzung des PMSS bis 800°C
•
Oxidation des ZrSi2 bis ca. 1350°C
•
Sintern und Phasenbildung bis 1600°C
Die Entbinderung fand in einem Niedrigtemperaturofen unter strömender Luft (5l/min) statt.
Der anschließende Oxidations- und Sinterprozess wurde im Hochtemperaturofen ebenfalls
unter Luft (5l/min) vorgenommen. Die Entbinderung erfolgte in mehreren Stufen bis 800°C
bei langsamen Heizraten von 0,5 bis 2 K/min, das anschließende Sintern erfolgte mit einer
Heizrate von 10K/min.
Tab. 7-4: Temperaturprogramm zur Herstellung der Li-haltigen Keramiken
1300°C Ofen
1700°C Ofen
Heizrate [K/min]
Endtemperatur [°C]
Haltezeit [h]
0,5
650
12
2
800
6
6
25
ENDE
10
variabel zwischen
4
1300 und 1600
6
25
ENDE
35
UNTERSUCHUNGEN IM SYSTEM Zr-Si-Li-O
Eine Übersicht über den Ablauf des gesamten Herstellungsprozesses gibt Abbildung 7-1
ZrSi2
ZrO2
Li2ZrO3
in Ethanol
mahlen
in Ethanol
mischmahlen
PMSS
in Ethanol
lösen
Sprühgranulieren
GRANULAT
Verdichten durch Pressen
GRÜNKÖRPER
Umsatz des Binders
Oxidation des Silizides
Sintern
KERAMIK
Abb. 7-1:
Fließbild zur Herstellung von Li-haltigen ZrSiO4-Keramiken
36
ERGEBNISSE & DISKUSSION
UMSATZ VON PMSS
8 Kinetische Betrachtungen zum Reaktionssinterprozess im System Zr - Si - O
Der Reaktionssinterprozess zur Herstellung schwindungsfreier ZrSiO 4-Keramik kann in drei
Teilschritte unterteilt werden. Zunächst wird der Binder thermisch umgesetzt. Im Anschluss
daran setzt die Oxidation von ZrSi2 ein und in höheren Temperaturbereichen findet die Phasenbildung und das Sintern statt. Um diesen Prozess im Einzelnen zu dokumentieren und zu
verstehen, werden diese Schritte experimentell getrennt und jeweils für sich untersucht.
8.1 Umsatz von PMSS
Im untersuchten System wird als Binder PMSS (Polymethylsilsesquioxan) eingesetzt. Dieses
Polymer gehört zu der Gruppe der so genannten low loss binder. Dies bedeutet, dass dieser
Binder nicht vollständig verbrennt, sondern dass bei der Zersetzung ein Rückstand verbleibt,
der mit den übrigen Edukten zur Keramik reagiert. Bei der thermischen Zersetzung von
PMSS bleibt SiO 2 als Rückstand übrig.
[Si(CH3)O1,5]n à SiO 2 + ...
Diese Reaktion wurde mit Hilfe der Thermischen Analyse bzw. TG-IR gekoppelten Messungen untersucht. Der genaue Verlauf dieser Zersetzung wird in Abbildung 8-1 dargestellt.
100
0,25
exotherm
98
0
DSC-Signal
96
-0,25
94
92
-0,75
90
-1
88
DSC in µV/mg
Masse in %
-0,5
-1,25
86
-1,5
84
TG-Signal
-1,75
82
80
0
100
200
300
400
500
600
700
800
-2
900
Temperatur in °C
Abb. 8-1:
Darstellung einer mit 10K/min geheizten TG-Kurve der Zersetzung von PMSS und
dem zugehörigen DSC-Signal
38
UMSATZ VON PMSS
Betrachtet man den TG-Kurvenverlauf der an Luft durchgeführten Zersetzung von PMSS, ist
deutlich ein mindestens zweistufiger Abbaumechanismus zu erkennen. Die erste Stufe liegt
zwischen 200 und 400°C, die zweite schließt direkt an und wird bei 700°C als abgeschlossen
angesehen. Verbunden damit findet im Bereich von 400 bis 600°C eine stark exotherme Reaktion statt, die ihr Maximum bei ca. 450°C hat. Des Weiteren lässt sich im DSC-Signal ein
endothermer Peak bei ca. 70°C beobachten. Dies ist der Schmelzpunkt von PMSS.
Um Aussagen über die gasförmigen Abbauprodukte machen zu können, werden diese mit
Hilfe der TG-IR-Kopplung kontinuierlich im IR-Spektrometer erfasst. Die dabei aufgenommenen charakteristischen Schwingungsbande werden über ihre Flächen integriert und man erhält so die Spuren der Abbauprodukte. Abbildung 8-2 stellt diese Spuren dar. Bei ca. 230°C
hat der Peak, der die SiO x -Gruppen, d.h. die niedermolekularen Siloxane, repräsentiert, sein
Maximum. Diese dampfen unzersetzt aus dem PMSS ab. Zwischen 400 und 600°C hat der
Kohlenmonoxid (CO) - Peak sein Maximum, im Anschluss daran lässt sich bis 900°C Kohlendioxid (CO2) nachweisen. Das Freisetzen dieser Gase lässt in Übereinstimmung mit
[HENNIGE98] darauf schließen, dass hier die Verbrennung des PMSS stattfindet. Diese Annahme wird ebenfalls durch den ausgeprägten exothermen Peak im DSC-Signal von Abbildung 8-1 gestützt.
30
25
CO2
Absorption
20
SiOx
15
10
5
CO
0
0
200
400
600
800
1000
1200
Temperatur in °C
Abb. 8-2:
Spuren der gasförmigen Reaktionsprodukte der Verbrennung von PMSS unter Luft
Um die thermische Zersetzung von PMSS mathematisch zu beschreiben, wurde ein Softwareprogramm der Firma NETZSCH (NETZSCH Kinetics) herangezogen. Diese Software bietet
die Möglichkeit, Reaktionen zu beschreiben und ein formales Modell für sie aufzustellen, so
dass Vorhersagen über den Reaktionsverlauf bei vorgegebenen Temperaturprogrammen
39
UMSATZ VON PMSS
gemacht werden können. Um ein breites Reaktionsfeld zu betrachten (vgl. Kapitel 3.3), werden vier verschiedene Heizraten gewählt, mit denen PMSS in der TG auf 1000°C geheizt
wird (vgl. Abbildung 8-3). Bei den TG-Messungen ändert sich mit steigender Heizrate die
Kurvenform der ersten Stufe (Verdampfung) deutlich. Deshalb wird angenommen, dass die
niedermolekularen Bestandteile des PMSS unzersetzt verdampfen. Dies wird durch die IRSpektren bestätigt. Da diese Bestandteile bereits neben den höhermolekularen Polymeren
im Ausgangsmaterial vorliegen, bleibt als Konsequenz daraus nur ein Modell, das davon
ausgeht, dass neben diesen Polymeren noch zwei unterschiedliche niedermolekulare Anteile
vorliegen [OPFERMANN2001]. Unterschiedlich heißt hier, dass diese Bestandteile einen unterschiedlichen Dampfdruck besitzen; chemisch können sich diese sehr ähnlich sein. Betrachtet
man zusätzlich die Spuren der gasförmigen Abbauprodukte (Abb. 8-2), zeigt sich, dass CO
und CO2 nacheinander auftreten. Aus dieser Betrachtung und den vorangegangenen Überlegungen heraus wurde folgendes formales Modell gewählt:
A ------> B
Verdampfen der niedermolekularen Anteile
C ------> D
Verdampfen der niedermolekularen Anteile
E ------> F ------> G
Abbau des Polymers
102
100
98
A
B
C
D
E
F
G
Masse in %
96
94
92
10 K/min
90
5 K/min
2 K/min
88
86
1 K/min
84
82
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
Temperatur in °C
Abb. 8-3:
Experimentelle (schwarze Linien) und modellierte Kurven (Symbole) der thermischen
Zersetzung von PMSS an Luft
Abbildung 8-3 zeigt den Verlauf der Messungen (durchgezogene Linien) und die Ergebnisse
der Berechnungen mit dem angenommenen Modell (Symbole). Wie zu sehen, ist die Anpas40
UMSATZ VON PMSS
sungsgüte sehr hoch. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass dieses Modell den
tatsächlichen Abbaumechanismus nur sehr vereinfacht darstellt. In der Realität dürften weit
mehr Stufen vorliegen als mit der Software modelliert wurden, diese hat aber bisher nicht die
Möglichkeiten mehr als vier Stufen zu berücksichtigen.
Die Güte dieses formalen Modells sollte nun mit Hilfe der Vorhersagefunktion des Programms überprüft werden. Hierfür wurde zunächst eine einfache Messung, die bereits zur
Modellierung herangezogen worden war, vorhergesagt. Abbildung 8-4 zeigt, dass die beiden
Kurven, wie zu erwarten war, gut übereinstimmen.
102
100
98
Masse in %
96
94
92
90
88
86
Vorhersage
84
Messung
82
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
Temperatur in °C
Abb. 8-4:
Vorhersage (Symbol) und Experiment (Linie) einer mit 10K/min geheizten TG - Kurve
von PMSS
Im Folgenden wurde ein einfaches Temperaturprogramm aufgestellt. Mit diesem wurde zum
einen eine Messung in der Thermowaage durchgeführt und zum anderen wurde der Verlauf
der Massenänderung von PMSS mit diesem Temperaturprogramm vorhergesagt. Abbildung
8-5 zeigt, dass auch in diesem Fall die Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Messung außerordentlich gut ist. Dies fällt insbesondere nach 120 Minuten auf. An dieser Stelle
zeigt sowohl die gemessene als auch die berechnete Kurve eine weitere Stufe in der
Massenänderung.
41
UMSATZ VON PMSS
1000
100
Temperatur
900
800
700
600
500
90
400
Temperatur in °C
Masse in %
95
300
85
Messung
200
Vorhersage
100
80
0
50
100
150
200
250
300
350
400
0
450
Zeit in min
Abb. 8-5:
Vergleich von der über die Vorhersage mit der tatsächlich durchgeführten Messung
Aus den vorgestellten Ergebnissen lässt sich schließen, dass sich das zugrunde liegende
Modell durchaus eignet, um die Zersetzung von PMSS formell zu beschreiben und dass sich
den einzelnen Reaktionsschritten reale Vorgänge zuordnen lassen. Des Weiteren kann der
Reaktionsverlauf bei gegebener Temperaturrampe mit dem verwendeten Programm simuliert
werden und somit kann der experimentelle Aufwand geringer gehalten werden.
Bei komplexeren Temperaturprogrammen mit mehr Haltezeiten bzw. sich stark ändernden
Heizraten zeigte sich jedoch, dass das relativ einfache Modell die thermische Zersetzung
von PMSS nicht ausreichend beschreibt. Je nach Komplexität der Temperaturprofile waren
die Abweichungen der simulierten Massenänderungen von den experimentell ermittelten
beachtlich, so dass man hier an die Grenzen dieses Programmes gestoßen ist. Ebenfalls
zeigte sich, dass das Programm nicht geeignet ist, Reaktionsabläufe zu beschreiben, die
noch vielschichtiger sind als die Zersetzung von PMSS. Dies zeigte sich bei dem Versuch,
ein geeignetes Modell zu finden, das die Oxidation von ZrSi2 beschreibt. Hierfür müssen
deshalb andere Wege gefunden werden, die Reaktion mathematisch zu beschreiben.
42
OXIDATION VON ZrSi2
8.2 Oxidation von ZrSi2
Die Oxidation von Zirkondisilizid (ZrSi2) wurde zum einen an Pulvern und zum anderen an
massiven Proben untersucht.
8.2.1 Modellierung der Oxidation von ZrSi2 an massiven Proben
An massiven, polierten und an Luft verschieden lang getemperten Proben wurden mittels
Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES) Sauerstofftiefenprofile aufgenommen, die den Oxidationsverlauf in die Probe hinein beschreiben. Diese Tiefenprofile wurden herangezogen, um
ein Modell aufzustellen, das deren Verlauf beschreibt. Mit Hilfe dieses Modells werden anschließend Diffusionskoeffizienten und Aktivierungsenergien des Oxidationsprozesses von
ZrSi2 berechnet.
Sauerstofftiefenprofile an massiven ZrSi2-Proben
Abbildung 8-6 zeigt den Sauerstoffverlauf in die Tiefe an jeweils 10 Minuten an Luft ausgelagerten ZrSi2-Pellets. Bei den bei 400°C bzw. 600°C getemperten Proben nimmt der Sauerstoffgehalt kontinuierlich in die Tiefe ab. Die Tiefenprofile der 700°C und 800°C-Proben bilden jeweils ein Plateau im O2-Gehalt aus, das ca. 30 nm bzw. 580 nm tief in die Probe eindringt.
70
60
O 2-Gehalt in at%
50
400°C
600°C
700°C
800°C
40
30
20
10
0
1
10
100
1000
10000
Tiefe in nm
Abb. 8-6:
Sauerstofftiefenprofile von ZrSi2-Pellets, die jeweils 10 Minuten getempert wurden
Abbildung 8-7 zeigt O2-Tiefenprofile, die an Pellets aufgenommen worden sind, die jeweils
360 Minuten getempert wurden. Die 400°C-Probe hat im Vergleich zum 10 minütigen Tempern einen höheren Anfangsgehalt an Sauerstoff und dieser dringt etwa 3 nm tief ein. Es
43
OXIDATION VON ZrSi2
bildet sich aber auch nach 6 Stunden Tempern kein Plateau aus. Anders bei den 600°C bis
800°C behandelten Proben. Bei den 600°C bzw. 700°C-Proben nimmt der Sauerstoffgehalt
bis in eine Tiefe von 30 nm bzw. 250 nm kaum ab. Im Anschluss daran geht die Kurve jedoch sehr schnell gegen null.
70
60
O2-Gehalt in at%
50
400°C
600°C
700°C
800°C
40
30
20
10
0
1
10
100
1000
10000
Tiefe in nm
Abb. 8-7:
Sauerstofftiefenprofile von ZrSi2-Pellets, die jeweils 360 Minuten bei unterschiedlichen
Temperaturen getempert wurden
Bei der bei 800°C getemperten Probe verhält es sich anders. Es bildet sich bis 110 nm ebenfalls ein Plateau aus. Im Anschluss nimmt der O2-Gehalt leicht ab, schwankt dann jedoch im
Tiefenbereich von ca. 1000 bis ca. 6000nm zwischen 25 und 60 at.%. Erklären lässt sich
dies anhand von Abbildung 8-8. Hier wird im Querschliff sichtbar, dass sich keine einheitliche
Oxidationsfront bildet, sondern dass der stärker oxidierte Bereich verzweigt in die Probe hinein wächst. Da mit einem Probenstrahl von 1µm Durchmesser gemessen wurde, ist in Abbildung 8-7 abwechselnd der Sauerstoffgehalt des oxidierten und des nur teilweise oxidierten
Bereichs dargestellt.
Abb. 8-8: Wachstum der Oxidschicht an
ZrSi2 im Materialkontrast (dunkel oxidierter
10 µm
Bereich; hell Matrix (ZrSi2)). Die Probe wurde
6h bei 800°C an Luft getempert
44
OXIDATION VON ZrSi2
Aufstellen des Modells
Die Sauerstoff-Tiefenprofile wurden herangezogen, um ein Modell aufzustellen, das deren
Kurvenverlauf hinreichend genau beschreibt und mit dessen Hilfe Diffusionskoeffizienten und
daraus Aktivierungsenergien für den Oxidationsvorgang berechnet werden können. Betrachtet man die Tiefenprofile (Abb. 8-9) der bei 700°C unterschiedlich lange getemperten Proben,
zeigt sich, dass sich diese in zwei Bereiche einteilen lassen. Von der Oberfläche der Probe
her gesehen, nimmt der O2-Gehalt zunächst nur sehr schwach ab. Dieser Bereich wird im
Folgenden als Plateau bezeichnet. Ab einem deutlich sichtbaren „Knick“ (cK) sinkt die Sauerstoffkonzentration jedoch schnell Richtung einer Nulllinie. Es wird angenommen, dass das
Plateau die Diffusion von Sauerstoff in einer neugebildeten Phase (DI ) und der darauffolgende Bereich die O2-Diffusion in ZrSi2 (DII ) beschreibt. Demnach gilt:
D I für c > c k
DII für c ≤ c k
70
60
O 2-Gehalt in at%
50
40
30
20
20 min
360 min
60 min
10
0
0
100
200
300
400
500
600
Tiefe in nm
Abb. 8-9:
Sauerstofftiefenprofile der bei 700°C unterschiedlich lange getemperten ZrSi2-Proben
Betrachtet werden Profile im Bereich von 600 bis 800°C und Temperzeiten von 20 bis 360
Minuten. Unterhalb dieses Temperaturbereiches lässt sich noch keine neugebildete Phase
nachweisen, oberhalb ist die Produktschicht zu dick, um mit den gewählten Abtragsraten des
Ar-Strahl vertretbare Messzeiten zu haben.
Der Verlauf dieser Sauerstoffkonzentrationsprofile ähnelt Konzentrationsprofilen von Lithium
in Blei. Von [STEINER99] wurde dieser Kurvenverlauf modelliert. Das dort aufgestellte Modell
wurde für die hier durchgeführten Berechnungen als Grundlage herangezogen. Für die Übertragung dieses Modells auf die eigenen Messkurven wurden zunächst nur die Proben, die
45
OXIDATION VON ZrSi2
bei 700°C für 20, 60 und 360 Minuten getempert wurden, herangezogen, da diese ein deutliches Plateau zeigen (Abb. 8-9).
Es sollen die beiden Diffusionskoeffizienten DI und DII bestimmt werden. Hierfür müssen zunächst ck und der zugehörige x-Wert xk bestimmt werden. Die Anfangskonzentration ca wird
mit 66 at.% O2, der maximal möglichen Menge Sauerstoff in ZrSiO 4 und SiO 2, immer konstant gewählt. Ebenso wird die Lage des „Knicks“ mit 59,7 at.% ebenfalls konstant gewählt,
da sich aus Abbildung 8-9 ablesen lässt, dass sich ab dieser Konzentration der Verlauf der
Kurven ändert. In die beiden näherungsweise linearen Bereiche der Profile werden zunächst
Regressionsgeraden gelegt (Abb. 8-10). Für den ersten Bereich wird cI so definiert, dass die
Gleichung das Konzentrationsgefälle von O2 in der neugebildeten Produktschicht beschreibt.
c II stellt mit Hilfe des zweiten Fick´schen Gesetzes die Sauerstoffverteilung in ZrSi2 dar. cI
bzw. cII stellen somit die Konzentrationen von O2 in Abhängigkeit von x für die jeweiligen
Teilbereiche dar und sind wie folgt definiert:
cI = c a −
c a − ck
xk
x
x −x
k
c II = c k − c k erf (
)
2 DIIt
c a = angenommene konstante Konzentration am äußeren Bereich (66%)
c k = kritische Konzentrationsgrenze, Wechsel des Diffusionskoeffizienten
x k = x-Wert zu c K
t = Diffusionszeit
Um cII berechnen zu können, muss als erstes die Fehlerfunktion erf gelöst werden. Aus der
Errorfunktion-Reihenentwicklung folgt für große x-Werte:
erf(x ) =
 2
2 
x3 x5
(−1)nx 2n+1
x−
+
− +... +
+ ... ≅
x

1!3 2 !5
n ! (2n + 1)
π 
π

für c II ergibt sich somit:
c II = c k − c k
x − xk
π DII t
46
OXIDATION VON ZrSi2
Daraus folgen die linearen Gleichungen für die Regressionsgeraden:
c − ck
c I (x ) = c a − a
x
xk
14243
mI
c II ( x ) = c k − c k
x − xk
π DII t
=−
ck
π DII t
1
424
3
xk
x + c k + ck
πD t
144244II3
mII
BII
folglich ist
ca − ck
xk
Steigung von c I :
mI = −
Steigung von c II :
m II = −
y-Achsenabschnitt von c II :
BII = c k + c k
ck
π D IIt
xk
π DII t
Die Lösung der drei Gleichungen für die drei Unbekannten xk , DII und c k ergibt:
xk =
− c a + BII
mI − mII
1 m
c 
DII =  I ⋅ x k − a 
tπ  − mII
mII 
2
c k = −m II DII t π
Unter der Annahme, dass der Stromerhaltungssatz gilt, ist DI
dc I
dc
= DII II und DI kann
dx
dx
folgendermaßen berechnet werden:
c − ck
ck
DI a
= DII
xk
DII tπ
⇒
DI = DII
xk c k
(c a − c k ) DII tπ
47
OXIDATION VON ZrSi2
Im Folgenden wird die Durchführung der Modellierung am Beispiel der bei 700°C 60 Minuten
lang getemperten Probe dargestellt. Die genauen Daten für alle anderen Temperaturen und
Zeiten finden sich im Anhang D.
70
60
y = -0,0543x + 64,215
O2-Gehalt in at%
50
Experiment
C1
C2
Linear (C 1)
Linear (C 2)
y = -1,2329x + 202,74
40
30
20
10
0
0
50
100
150
200
250
300
Tiefe in nm
Abb. 8-10:
Anlegen der linearen Regressionsgeraden an ein O2-Tiefenprofil
Die Werte für mI , mII und BI (vgl. Tabelle 8-1) können direkt aus den Geradengleichungen der
Regressionsgeraden aus Abbildung 8-10 abgelesen werden.
Tab. 8-1: Ergebnis der Werte, die mit den
aufgestellten Gleichungen ermittelt wurden
Parameter
t [sec]
3600
m I [at.%/nm]
-0,054
m II [at.%/nm]
-1,233
B [at.%]
202,740
c a [at.%]
66,0
xk [nm]
116,02
c k [at.%]
59,7
Diff-Koeffizienten:
DII [nm 2/sec]
2
DI [nm /sec]
0,207
4,707
Zur Modellierung der Kurven werden folgende Gleichungen aufgestellt, mit denen der Verlauf
der Messkurven beschrieben werden soll:
48
OXIDATION VON ZrSi2
cI = c a −
c a − ck
x
erf (
)
x k ( t)
2
D
t
I
erf (
)
2 DI t
c II = c k − c k erf (
x − x k ( t)
2 DII t
)
Eingesetzt werden die jeweils für die verschiedenen Zeiten berechneten Werte (Tabelle 8-1
bzw. D-2). Die D-Werte stellen hingegen die Mittelwerte aus allen betrachteten Temperzeiten
dar, da der Diffusionskoeffizient als zeitunabhängig angesehen wird (vgl. Tab. 8-2). Abbildung 8-11 zeigt die Ergebnisse der Modellierung für die jeweils bei 700°C getemperten Proben.
70
60
O 2-Gehalt in at%
50
Messung 20 min
Modell 20 min
Messung 60 min
Modell 60 min
Messung 360 min
Modell 360 min
40
30
20
10
0
0
100
200
300
400
500
600
Tiefe in nm
Abb. 8-11:
Vergleich von experimentellen und berechneten Daten für alle 700°C Messungen
Die Abbildungen 8-12 und 8-13 zeigen die Modellierung an Profilen, die bei 600 bzw. 800°C
getemperten Proben durchgeführt wurden. Auch hier zeigt sich eine gute Anpassung zwischen gemessenem Tiefenprofil und der modellierten Kurve. Die berechneten Werte finden
sich im Einzelnen im Anhang D.
49
OXIDATION VON ZrSi2
80
70
O 2-Gehalt in at%
60
50
Messung 20 min
Modell 20 min
Messung 360 min
Modell 360 min
40
30
20
10
0
0
20
40
60
80
100
120
Tiefe in nm
Abb. 8-12:
Vergleich von experimentellen und berechneten Daten für alle 600°C Messungen
70
60
O 2-Gehalt in at%
50
Messung 20 min
Modell 20 min
Messung 60 min
Modell 60 min
Messung 360 min
Modell 360 min
40
30
20
10
0
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Tiefe in nm
Abb. 8-13:
Vergleich von experimentellen und berechneten Daten für alle 800°C Messungen
Wie in den Tabellen D-3 für die 800°C Messungen im Anhang D zu sehen, stimmen die berechneten Diffusionskoeffizienten nur bedingt überein. Die Abweichung der DII -Werte voneinander ist gering; die der DI -Werte dagegen hoch. Diese große Streuung der DI -Werte
kann durchaus daher kommen, dass es bei dem Verlauf der Tiefenprofile nicht möglich ist,
vernünftige Regressionsgeraden anzulegen und dass diese nur eine grobe Näherung darstellen können. Da die Anpassungsgüte des Modells an die Messdaten jedoch sehr gut ist,
wird zunächst mit dem Mittelwert dieser Daten sowohl modelliert als auch im Folgenden die
Aktivierungsenergie berechnet. Um zu veranschaulichen, dass die Abweichungen der ein50
OXIDATION VON ZrSi2
zelnen DI -Werte auf die Berechnung der jeweiligen Aktivierungsenergie einen zu vernachlässigenden Einfluss haben, sind im Anhang D mit den unterschiedlichen DI -Werten der 800°CKurven die Aktivierungsenergien berechnet.
Das hier vorgestellte Modell lässt sich unter den angenommenen Voraussetzungen (beide
Teilreaktionen sind diffusionskontrolliert) auf den hier untersuchten Temperaturbereich anwenden. Das Anfitten der Kurven gelingt gut und es können auf diesem Weg Diffusionskoeffizienten berechnet werden (Tabelle 8-2).
Tab. 8-2: Mittelwerte der DI bzw. DII -Werte bei 600 bis 800°C
T [°C]
DI [cm²/sec]
DII [cm²/sec]
600
1,4 E-15
1,8 E-16
700
3,7 E-14
1,7 E-15
800
1,3 E-11
8,5 E-14
Berechnung der Aktivierungsenergie
Für die Berechnung der Aktivierungsenergie wurden die in Tabelle 8-2 dargestellten Mittelwerte herangezogen. Nach der Arrhenius-Gleichung log D = log D0 −
E
, lässt sich aus der
RT
Steigung der Geraden direkt die Aktivierungsenergie E berechnen.
-10
-11
y = -18,355x + 5,9482
2
R = 0,95
log D I
-12
153 kJ/mol
-13
-14
-15
-16
0,9
0,95
1
1,05
1,1
1,15
1,2
1/T * 1000 [K-1]
Abb. 8-14:
Arrhenius-Plot für die Aktivierungsenergien, die sich mit den mittleren DI -Werten berechnen lassen
51
OXIDATION VON ZrSi2
Wie in den Abbildungen 8-14 und 8-15 dargestellt, beträgt die Aktivierungsenergie für den
Bereich der Reaktion, der die Diffusion durch die Produktschicht an der Oberfläche der Probe darstellt, EAI = 153 kJ/mol. Der D0-Wert, der über den y-Achsenabschnitt bestimmt wird,
ist D0I = 403 cm²/sec. Die Aktivierungsenergie EAII für die Diffusion des Sauerstoffs ins ZrSi2
beträgt 104 kJ/mol; der zugehörige D0II-Wert beträgt 0,183 cm²/sec.
-13
y = -12,485x - 1,6114
2
R = 0,9588
-14
log D II
104 kJ/mol
-15
-16
-17
0,9
0,95
1
1,05
1,1
1,15
1,2
1/T * 1000 [K-1]
Abb. 8-15:
Arrhenius-Plot für die Aktivierungsenergien, die sich mit den mittleren DII -Werten berechnen lassen
8.2.2 Modellierung der Oxidation von ZrSi2 an Pulvern
Wie in 8.2.1 gezeigt, kann der Oxidationsprozess von ZrSi2 bis 800°C mit Hilfe eines Modells
beschrieben werden. Da dieser Weg über AES-Tiefenprofile jedoch äußerst aufwendig und
langwierig ist, war ein weiteres Ziel, den Prozess über einfachere experimentelle Arbeiten
beschreiben zu können. Deshalb wurde über die Massenänderungen ∆m , die mittels isothermer Messungen in der Thermowaage an Pulvern gewonnen wurden, der Radius des
verbleibenden reaktiven ZrSi2-Kerns r(t) berechnet. Für die Berechungen wird vorausgesetzt,
dass die Oxidschichtdicke x [µm] mit zunehmender Oxidationszeit wächst. Weiter wird angenommen, dass das eingesetzte Pulver aus kugelförmigen Partikeln besteht. Zu Beginn der
Oxidation haben diese Kugeln die Anfangskorngröße d0; diese ist von der verwendeten Pulverqualität und/oder der Vorbehandlung des Pulvers abhängig (Werte in Anhang E; verwendet wurde das Pulver im Anlieferungszustand). Stark vereinfachend wird angenommen, dass
dieser d0-Wert dem d50-Wert des eingesetzten ZrSi2-Pulvers (d50 = 2r0) entspricht. Ebenso
52
OXIDATION VON ZrSi2
wird in diesem Modell davon ausgegangen, dass sich der Radius r dieser Partikel während
der Oxidation nicht verändert. Demnach berechnet sich die Oxidschichtdicke x(t) zu:
x(t) = r0 – r(t)
Zur Berechnung des Radius des verbleibenden reaktionsfähigen Feststoffkerns r(t) wird die
~ , die über thermogravimetrische Messungen ermittelt wurde,
relative Massenänderung ∆m
herangezogen. Gegeben sind die Einwaage m [g], die Dichte ρ [g/cm³], der d50-Wert der
Kornverteilung und somit r(t=0) [µm], der Radius der ZrSi2-Partikel zur Zeit t=0 sowie die
Massenänderung ∆m(t) zur Zeit t.
Unter der Annahme, dass die Reaktion wie folgt abläuft: ZrSi2 + 3O 2 à ZrO2 + 2SiO 2 ergibt
sich für die Oxidschichtdicke x(t) folgender Zusammenhang (Herleitung siehe Anhang C):


∆m ⋅ MZrSi 2

x (t) = r (t = 0) ⋅ 1 − 3 1 − 
 2 ⋅ M SiO + M ZrO − M ZrSi


2
2
2

 

 

Gasgrenzschicht
Produkt
reaktionsfähiger
Feststoff
c1
c1,g
c1(rP)
Abb. 8-16:
r0 r
0
r r0
Schematische Darstellung einer Gas-Feststoff-Reaktion (schräg: reaktiver Feststoffkern; kariert: Produktschicht)
Bei dem auf diese Weise berechneten Modell werden einige, den Prozess stark vereinfacht
darstellende, Grundannahmen gemacht. Da die Oxiddicke eines ZrSi2-Partikels hierbei über
die Massenänderung bestimmt werden soll, ist zu beachten, dass hierzu nur Körner beitragen, die noch nicht komplett durchoxidiert sind; d.h. Körner, deren Radius größer ist als die
berechnete Oxiddicke. Vergleicht man die Partikelgrößenverteilung des eingesetzten ZrSi253
OXIDATION VON ZrSi2
Pulvers (vgl. Anhang E; Pulver im Anlieferungszustand) mit den folgenden Ergebnissen,
zeigt sich, dass diese Voraussetzung zum größten Teil gegeben ist und die Berechnungen in
ihrer stark vereinfachten Form somit ihre Gültigkeit haben.
Trägt man nun die Oxiddicke gegen die Zeit auf, lässt sich eine Aussage über die Geschwindigkeit, mit der der Sauerstoff in die Probe eindringt, machen. Betrachtet man die Kurven
aller Messungen im x gegen t – Diagramm (Abb. 8-17) wird deutlich, dass sich diese rein
optisch in vier Bereiche einteilen lassen. Zum einen ist die Kurvenform der Messungen von
600 bis 700°C eine andere als die im Bereich 800 bis 1100°C und zum anderen zeigen alle
Kurven, insbesondere die oberhalb 800°C, einen steilen Anfangsbereich und einen flachen
Verlauf hin zu längeren Oxidationszeiten. Der zeitliche Bereich, in dem der Übergang von
einer steilen Steigung hin zu einer flachen stattfindet, variiert stark, deshalb werden im folgenden die Kurven in einen ersten Oxidationsbereich „bis 15 Minuten tempern“ und in einen
Bereich „ab 100 Minuten tempern“ eingeteilt. In den folgenden Überlegungen wird die 750°CKurve ausgeschlossen, da diese sich nicht in das oben beschrieben Schema einordnen
lässt. Es ergibt sich somit folgende Einteilung für die gemessenen Kurven:
a) bis 15 Minuten 600 – 700°C
b) bis 15 Minuten 800 – 1100°C
c) ab 100 Minuten 600 – 700°C
d) ab 100 Minuten 800 – 1100°C
0,60
1100°C
1000°C
0,50
800°C
Oxiddicke in µm
0,40
700°C
850°C
900°C
950°C
0,30
750°C
650°C
0,20
600°C
0,10
0,00
0
100
200
300
400
500
600
700
800
Zeit in min
Abb. 8-17:
Verlauf der Oxidschichtdickenänderungen für alle betrachteten Temperaturen
54
OXIDATION VON ZrSi2
Im Folgenden wird überlegt, ob der Kurvenverlauf des jeweiligen Bereichs einem parabolischen oder linearen Wachstumsgesetz folgt. Die Bereiche a) und b) repräsentieren den Anfangsbereich der Oxidation. Dies entspricht im Modell aus 8.2.1 dem Bereich der Diffusion
von Sauerstoff in ZrSi2. Der Verlauf der Sauerstofftiefenprofile dieser Diffusion wird dort parabolisch beschrieben. Deshalb werden analog dazu auch die Bereiche a) und b) zunächst
mit einem parabolischen Wachstumsgesetz beschrieben, d.h. es wird x² gegen t aufgetragen. Für den Bereich a) gelingt dies, wie Abbildung D-9 zeigt, sehr gut. Für den Bereich b)
findet sich jedoch auf diese Weise keine gute Anfittung der Regressionsgeraden, so dass
versucht wird, ob eine höhere Anpassungsgüte durch lineare Auftragung erzielt werden
kann. Wie in Abbildung D-10 zu sehen, wird auf diese Weise eine gute Anfittung der Regressionsgeraden erreicht. Die Regressionskoeffizienten haben alle einen Wert von nahezu 1.
Ein lineares Zeitgesetz würde u.a. dann seine Berechtigung haben, wenn der Stoffantransport einen Einfluss hat. Da es sich bei den experimentellen Versuchen um die Oxidation von Pulverhaufwerken handelt, ist es durchaus möglich, dass der Sauerstoff nicht
schnell genug an jedes einzelne ZrSi2-Korn herantransportiert werden kann. Das hieße, dass
der Stoffantransport von O2 an ZrSi2 heran der geschwindigkeitsbestimmende Schritt wäre.
Ein weiteres Indiz dafür, dass diese Annahme gerechtfertigt ist, ist die mit 12kJ/mol sehr
niedrige Aktivierungsenergie, die für diesen Bereich berechnet wird. Wären die apparativen
Bedingungen günstiger (könnte zum Beispiel die Massenänderung an einer Pulvermonolage
gemessen werden) als in der Thermowaage, ist zu vermuten, dass die Oxidation einem parabolischen Gesetz folgen würde und der Stoffantransport keinen Einfluss mehr hätte.
Die Bereiche c) und d) repräsentieren die Diffusion von Sauerstoff in der entstandenen Produktschicht. Bleibt man dabei, die zeitliche Änderung der Oxiddicke analog dem Modell aus
8.2.1 zu beschreiben, so müssen die Bereiche c) und d) demnach linear beschrieben werden. Dies gelingt, wie Abbildung D-11 und D-12 zeigen, sehr gut.
Aus den so aufgestellten x gegen t bzw. x² gegen t Diagrammen (Abbildungen in Anhang D)
lässt sich über die Steigung der Geraden direkt die Geschwindigkeitskonstante k ablesen.
Diese wird in einem ln k gegen 1/T Diagramm aufgetragen. Aus der Arrhenius-Gleichung
( RT )
ln k = ln A − E
lässt sich über die Steigung die Aktivierungsenergie E berechnen. In Tabelle 8-3 werden
diese Steigungen bei den entsprechenden Temperaturen aufgeführt.
55
OXIDATION VON ZrSi2
Tab. 8-3: Darstellung der k-Werte
Temperatur in °C
bis 15 Minuten
ab 100 Minuten
600
0,000060
0,000064
650
0,000096
0,000154
700
0,000290
0,000386
800
0,017907
0,000042
850
0,018828
0,000061
900
0,018075
0,000081
950
0,014568
0,000096
1000
0,023530
0,000119
1100
0,019294
0,000238
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die Arrhenius-Plots für die Zeiten „bis 15 Minuten tempern“ (Abb. 8-18) und „länger als 100 Minuten oxidieren“ (Abb. 8-19).
-2
-3
12 kJ/mol
-4
y = -1,3898x - 2,7901
2
R = 0,2533
ln k
-5
-6
-7
-8
110 kJ/mol
-9
y = -13,273x + 5,3687
2
R = 0,9339
-10
-11
0,7
Abb. 8-18:
0,8
0,9
1
1/T* 1000 [K-1]
1,1
1,2
Arrhenius-Plot für die Aktivierungsenergien in den ersten 15 Minuten der Oxidation
Beide Darstellungen verdeutlichen, dass sich der Prozess zwischen 700 und 800°C unabhängig von den Oxidationszeiten ändert. Bei kurzen Temperzeiten wird bis 700°C mit
110kJ/mol eine höhere Aktivierungsenergie benötigt als bei Temperaturen über 800°C. Die
mit 12 kJ/mol sehr niedrige Aktivierungsenergie ist ein Indiz dafür, dass es sich tatsächlich
um einen Prozess handelt, bei dem der Stoffantransport von Sauerstoff ans ZrSi2 der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist [SCHANZ2001].
56
OXIDATION VON ZrSi2
Bei Oxidationszeiten länger als 100 Minuten wird ebenfalls im Bereich bis 700°C eine höhere
Energie benötigt, um den Prozess in Gang zu bringen, als bei höheren Temperaturen.
-7,5
y = -18,037x + 10,967
2
R = 0,9978
-8
ln k
-8,5
y = -7,9318x - 2,7151
2
R = 0,9236
-9
150 kJ/mol
-9,5
66 kJ/mol
-10
-10,5
0,7
Abb. 8-19:
0,8
0,9
1
1/T* 1000 [K-1]
1,1
1,2
Arrhenius-Plot für die Aktivierungsenergien für Zeiten länger als 100 Minuten
8.2.3 Vergleich der beiden Modellierungen
In Kapitel 8.2.2 wurden mit Hilfe eines sehr einfachen Modells, das über TG-Messungen an
Pulvern aufgestellt wurde, Zahlenwerte für die Aktivierungsenergien des Oxidationsprozesses von ZrSi2 im Temperaturbereich von 600 bis 1100°C erhalten. Diese sollen nun mit den
Daten der Modellierung, die anhand von Sauerstofftiefenprofilen durchgeführt wurde, verglichen werden. Dieses Modell hat im Bereich bis 800°C seine Gültigkeit und die zur Berechnung eingesetzten experimentellen Daten wurden mittels AES – Tiefenprofilen an massiven
Proben gewonnen. Abbildung 8-20 stellt nun die gewonnenen Daten im Vergleich dar. Die
Graphik soll veranschaulichen, dass der oberflächennahe Bereich der Probe, der die Diffusion durch die Produktschicht beschreibt, vergleichbar ist mit dem Bereich der isothermen
Messungen, der die Oxidationszeit länger 100 Minuten beschreibt. Der in den massiven Proben tiefer liegende Bereich, der durch die Diffusion von Sauerstoff in ZrSi2 beschrieben wird,
entspricht dem Bereich der isothermen Messungen „bis 15 Minuten Temperzeit“. So dargestellt, lässt sich gut veranschaulichen, wie gut die auf diesen beiden Wegen berechneten
Aktivierungsenergien übereinstimmen.
57
OXIDATION VON ZrSi2
70
60
c [at%]
50
40
30
20
10
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Tiefe in nm
Modellierung
Diffusion in der
an massiver
Produktschicht
Diffusion in ZrSi2
Probe
≤ 800°C
153 kJ/mol
104 kJ/mol
am Pulver
Ab 100 min
Bis 15 min tempern
≤ 700°C
150 kJ/mol
110 kJ/mol
≥ 800°C
69 kJ/mol
Abb. 8-20:
Stoffantransport
12 kJ/mol
Vergleich der über die beiden Modellierungen gewonnenen Aktivierungsenergien
Tabelle 8-4 stellt Literaturwerte für die Aktivierungsenergien für die Sauerstoffdiffusion in
Zirkonium Modifikationen, Zirkondioxid, sowie Silizium und Siliziumoxid im Vergleich mit den
experimentell gewonnenen Daten dar.
Tab 8-4: Vergleich der Aktivierungsenergien der O2-Diffusion in den jeweiligen Substanzen in kJ/mol
Temperatur [°C] α-Zr
β-Zr ZrO2
400
1661)
600
1661)
1)
ZrSi2
Produktschicht
1211)
1044)
1534)
1211)
1044)
1534)
1044)
1534)
800
2301) 1211)
1000
1401)
Si
SiO 2
1211)
301)
1211)
694)
1100
302) 3)
822)
694)
1200
302) 3)
694)
1300
694)
1400
694)
KUBASCHEWSKI76
2)
SCHAEFFER80
3)
FITZER68
4)
eigene Arbeit
58
OXIDATION VON ZrSi2
Vergleicht man die Zahlenwerte der für die Produktschicht bis 800°C gewonnenen Aktivierungsenergie mit den Literaturwerten, so liegt der Wert in der Größenordnung der Angaben
für die Sauerstoffdiffusion in α-Zr bzw. ZrO2. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass zunächst das Zirkonium oxidiert wird. Für den Temperaturbereich größer 800°C sinkt die erforderliche Aktivierungsenergie deutlich. Der Zahlenwert liegt zwischen den Werten für die O2Diffusion in Silizium und der in SiO 2. Um zu klären, welche Produkte bei der Oxidation entstehen, soll der Aufbau der entstehenden Schicht im Folgenden geklärt werden.
8.2.4 Aufbau der entstandenen Oxidschicht
In Abbildung 8-20 ist deutlich zu erkennen, dass die über die unterschiedlichen Modellierungen berechneten Werte für die Aktivierungsenergie EA sehr gut miteinander übereinstimmen.
Anhand der Untersuchungen an Pulvern ist zu sehen, dass sich ab einer Temperatur von ca.
800°C der Oxidationsprozess ändert. Dies lässt sich auch mit TG-Messungen darstellen, dort
ist ein deutlicher Stopp in der Massenzunahme zwischen 800°C und 1000°C zu beobachten.
Abbildung 8-21 zeigt TG-Kurven an unterschiedlich feinen ZrSi2-Pulvern. Zu erkennen ist,
dass das Pulver das am längsten gemahlen wurde, bereits bei niedrigeren Temperaturen mit
der Oxidation beginnt. Den Stopp in der Massenzunahme zeigen jedoch alle Pulver. Um das
sich ändernde Verhalten von ZrSi2 bei höheren Temperaturen zu klären, wurden XRD- und
Raman-Messungen an massiven ZrSi2-Pellets durchgeführt. Mittels XRD lassen sich die entstehenden kristallinen Phasen klären; Raman gibt zusätzlich Auskunft über Schwingungen
von chemischen Verbindungen, die auch amorph vorliegen können.
60
Massenzunahme in %
50
40
10 h gemahlen
30
20
4 h gemahlen
10
Anlieferungszustand
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
Temperatur in °C
Abb. 8-21:
TG-Kurve von ZrSi2 mit einer Heizrate von 5K/min
59
OXIDATION VON ZrSi2
Röntgendiffraktogramme
Die Röntgenaufnahmen wurden an jeweils 12 Stunden unter Luft getemperten zuvor heißisostatisch gepressten und polierten ZrSi2-Pellets mit streifendem Einfall unter einem Winkel
von 4° aufgenommen. Abbildung 8-22 zeigt, dass bei 600°C nur ZrSi2 beobachtet wird. Die
Oxidphasen haben sich bisher nur in geringen Mengen gebildet oder liegen amorph vor, so
dass sie sich nicht nachweisen lassen. Ab 800°C zeigt sich tetragonales ZrO2 und metallisches Silizium. SiO 2 findet sich nicht. Es wird angenommen, dass dieses bei dieser Temperatur amorph vorliegt. Ab 1000°C tritt zusätzlich monoklines ZrO2 auf. Ab 1200°C zeigt sich
erstmals SiO 2 in Form von Cristobalit. Bei einer bei 1500°C getemperten Probe findet sich
immer noch ZrO2 in der tetragonalen wie auch monoklinen Modifikation sowie Cristobalit.
Deutlich treten jetzt auch die Peaks für ZrSiO 4 auf. Die gebildete Oxidschicht ist so dick, dass
ZrSi2 mit den Messungen unter streifendem Einfall nicht mehr nachzuweisen ist.
Diese Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass sich zunächst eine Schicht aus ZrO2 und
amorphem SiO 2 bildet. Da der Sauerstofftransport durch das amorphe SiO 2 behindert ist,
wird die Diffusion der geschwindigkeitsbestimmende Schritt (vgl. Kapitel 3.2) und es oxidiert
zunächst nur das reaktivere Zirkonium weiter zu ZrO2 und Silizium bleibt übrig. Erst ab Temperaturen oberhalb 1100°C wird entweder die amorphe Schicht aufgebrochen oder es findet
eine Umkristallisation statt, so dass der Sauerstoff wieder ungehindert in die Probe eindringen kann. Bei 1500°C findet deutlich sichtbar die Phasenbildung von Zirkon statt.
1395
1195
ZrSiO4
ZrSiO 4
ZrSiO 4
995
ZrO2mkl.
ZrO2mkl. ZrO 2mkl.
ZrO2tetr.
Lin (Cps)
SiO2
795
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO 4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
1500°C
ZrO
ZrO2mkl. ZrO 2mkl. 2tetr.
ZrSi2
SiO 2
ZrO2mkl. ZrSi2
ZrSi2
ZrO2mkl.
ZrSi2 ZrSi2
ZrO2tetr.
ZrSiO4ZrSi 2
1200°C
595
ZrSi2
ZrO2mkl.
Si
395
ZrSi2 Si
ZrO 2tetr. ZrO
2tetr.
ZrSi2
ZrO 2mkl.
ZrO2mkl.
ZrO2tetr.
Si ZrO2tetr.
1000°C
ZrSi2
ZrSi 2
ZrSi2
Si
Si
ZrSi2 ZrO
2tetr.
ZrSi 2
800°C
195
ZrSi 2 ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
ZrSi2
600°C
-5
10
20
30
40
50
60
70
2 - Theta - Skala
Abb. 8-22:
Röntgenbeugungsdiagramme an ZrSi2-Pellets
60
OXIDATION VON ZrSi2
Raman – Messungen
Um die Vermutung, dass sich amorphes SiO 2 bildet, das den Sauerstofftransport in die Probe behindert, zu bestätigen, wurden an den gleichen Proben Raman – Spektren aufgenommen. Wie Abbildung 8-23 darstellt, zeigt sich bei den 800 bis 1200°C Probe jeweils ein Silizium Peak. Dies bestätigt die XRD-Messungen, bei denen ebenfalls Silizium nachgewiesen
wurde. Die bei den 800 und 1000°C Pellets auftretenden Peaks bei 280 cm-1 lassen sich laut
[ANDREWS92] SiO 2 zuordnen. Die Bande bei 950 cm-1 lässt sich nach [ROTTER2001] Si-OBindungen zuordnen.
Si-Si
0,14
1200°C
Intensität [cps/mW]
0,12
0,1
1000°C
Si-O X
0,08
800°C
0,06
Si-Si
0,04
700°C
0,02
600°C
0
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
Wellenzahl [1/cm]
Abb. 8-23:
Raman-Spektren an gehippten ZrSi2-Pellets
Da sich diese Phasen nicht in den XRD-Messungen zeigen, wird davon ausgegangen, dass
es ich um amorphe Phasen handelt. Die Bildung von amorphem SiO 2 würde die Hinderung
des Sauerstofftransports in die Probe hinein erklären, da sich dadurch der Diffusionskoeffizient ändert. Sobald die Temperatur über 1000°C hinaus geht, entsteht jedoch kristallines
SiO 2 und dieses lässt den Sauerstoff besser in die Probe eindringen.
61
OXIDATION VON ZrSi2
Abbildung 8-24 soll die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchungen schematisch darstellen. Die Abbildung stellt die Oberfläche eines ZrSi2-Partikels bei unterschiedlichen Temperaturen und einer Oxidationszeit von 12 Stunden dar. Ebenfalls sollte die Volumenzunahme, die bei der Oxidation stattfindet, veranschaulicht werden.
25°C
600°C
800°C
1000°C
1200°C
1500°C
ZrSi2
ZrO2 tetr. & mkl. + SiO2
ZrO2 tetr. + Si + SiO x amorph
ZrSiO 4 + ZrO2 tetr. & mkl. + SiO2
ZrO2 tetr. & mkl. + Si + SiOx amorph
Abb. 8-24:
Schalenmodell der Oxidation von ZrSi2
Alle in diesem Kapitel vorgestellten Untersuchungen ergänzen sich somit zu einem Bild, so
dass abschließend festgestellt werden kann, dass die Oxidation von ZrSi2 unter Luft ein
komplexer Vorgang ist, bei dem zunächst das Zirkonium zu ZrO2 aufoxidiert wird. Das
verbleibende Silizium liegt dabei zunächst elementar vor (Abb. 8-23). Ab 800°C beginnt die
Oxidation des Silizium und es bildet sich zu Beginn eine amorphe SiOx -Phase. Erst ab einer
Temperatur von 1200°C liegt SiO 2 kristallin als Cristobalit vor und ab 1500°C setzt die Phasenbildung von ZrSiO 4 ein.
62
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
8.3 Der Sinterprozess von Keramiken ohne reaktive Komponente
Um die Phasenbildung von ZrSiO 4 unabhängig von der Oxidation des ZrSi2 zu beobachten,
wurde ein Granulat ohne reaktive Komponente aus ZrO2, SiO 2 und Binder (ZS) hergestellt
und Pellets daraus uniaxial gepresst. Um auch den Effekt der Phasenbildung auszuschließen und nur den reinen Sintervorgang zu beobachten wurde des weiteren reines ZrSiO 4 (ZN)
ebenfalls uniaxial verpresst.
8.3.1 Phasenbildung
Im Dilatometerversuch wurden die Pellets jeweils mit 2K/min auf verschiedene Endtemperaturen geheizt. Ziel war es, zu analysieren welche Phasen sich bis zu den jeweiligen Temperaturen bilden und den Zeitpunkt, ab dem der Sinterprozess einsetzt, zu bestimmen.
Abbildung 8-25 zeigt anhand der Dilatometermessung bis 1550°C das Sinterverhalten. Bei
ca. 580°C ist eine Verlängerung der Probe um gut 1 % festzustellen, direkt im Anschluss
schrumpft sie wieder um insgesamt ca. 2%. In diesem Temperaturbereich findet unter anderem die Phasenumwandlung von Tiefquarz zu Hochquarz statt. Diese ist mit einer theoretischen Volumenänderung von 0,8 % verbunden [BAUMGART84]. Da mit Y2O3 kubisch teilstabilisiertes ZrO2 eingesetzt wird, findet bereits bei 550°C die Umwandlung von der monoklinen
in die tetragonale Phase statt. Diese ist mit einer Volumenabnahme von 4 % verbunden. Das
ausgeprägte Maximum im Längenverlauf lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass sich
diese beiden Effekte überlagern. Tatsächlich ist der Absolutwert des Peaks größer als der
eigentliche Effekt sein würde.
2
Temperatur in °C
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
Längenänderung in %
-2
-4
-6
-8
-10
-12
Abb. 8-25:
Relative Längenänderung einer ZS-Probe im Dilatometerversuch bis 1550°C
63
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
Die Phasenumwandlung von SiO 2 und ZrO2 zu ZrSiO 4 ist mit einer theoretischen Volumenabnahme von ca. 13% verbunden (vgl. Anhang E). Ab ca. 1100°C ist eine deutliche Längenabnahme von 11% zu beobachten. Die Längenzunahme, die zwischen 1400°C und 1500°C
zu beobachten ist, ist ein Anzeichen dafür, dass sich der Hochquarz in Cristobalit umwandelt
[BAUMGART84]. Diese Phasenumwandlung ist mit einer Volumenzunahme von 15% verbunden. Bildet man die 1. Ableitung über der Dilatometerkurve, lassen sich zwei Wendepunkte
auf der Kurve bestimmen. Der erste liegt bei ca. 1160°C der zweite bei 1285°C.
Die Entwicklung der Phasen wurde anhand von Röntgenpulverdiffraktogrammen (XRD) analysiert. Anhand der XRD-Aufnahmen in Abbildung 8-26 lässt sich die Phasenentwicklung
dokumentieren. Zu beobachten ist, dass bei 500°C Tiefquarz sowie tetragonales bzw. monoklines ZrO2 auftreten. Da Zirkonoxid verwendet wurde, das mit Y2O3 dotiert ist, findet die
Phasenumwandlung von monoklinem zu tetragonalem ZrO2 bereits bei 550°C statt. Der Reflex der kubischen Phase findet sich auch bereits bei niedrigen Temperaturen, da das verwendete ZrO2-Pulver kubisch teilstabilisiert war. Ab 1500°C ist deutlich Zirkonsilikat (ZrSiO 4)
zu finden. Die Reaktion ist jedoch nicht vollständig abgeschlossen, da sich sowohl Cristobalit
als auch ZrO2 noch nachweisen lässt.
600
500
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrO2 kub.
ZrSiO4
ZrO2
Lin (Cps)
400
ZrSiO 4
ZrO2
tetr.
Cristobalit
ZrSiO4
ZrO 2 mkl.
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
300
1500°C
ZrO2 kub.
β -SiO2
200
ZrO2
tetr.
ZrO2 tetr.
ZrO2 tetr.
ZrO2 tetr.
ZrO 2 mkl.
1100°C
ZrO2 tetr.
100
ZrO2 tetr.
ZrO2 mkl. ZrO2 tetr.
ZrO2 mkl.
α-SiO 2 α-SiO2
ZrO2 mkl.
500°C
0
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
2 - Theta - Skala
Abb. 8-26:
XRD-Spektren des Phasenbestands einer ZS-Probe bei verschiedenen Temperaturen
64
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
16
4,5
geometrische Dichte
14
4,3
4,1
12
10
3,7
8
3,5
3,3
6
Dichte in g/cm³
Totale Porosität in %
3,9
3,1
4
Hg-Porosität
2
0
800
2,9
2,7
900
1000
1100
1200
1300
1400
1500
1600
2,5
1700
Temperatur in °C
Abb. 8-27:
Darstellung der Dichte- bzw. Porositätsänderung in Abhängigkeit von der Temperatur
Abbildung 8-27 zeigt den Verlauf der Dichte und der offenen Porosität in Abhängigkeit von
der Temperatur. Die Dichte nimmt ab 1100°C deutlich zu, dies entspricht dem Zeitpunkt, ab
dem sich im Verlauf der Messkurve eine deutliche Längenabnahme nachweisen lässt und
zudem der erste Wendepunkt auf der Kurve bestimmt wurde. Die Porosität nimmt ab diesem
Punkt zudem deutlich ab. Zwischen 1400 und 1500°C nimmt die Dichte noch einmal leicht
ab. Dies könnte mit der Phasenbildung von Cristobalit zusammenhängen. Der anschließende Anstieg der Dichte hängt mit dem eigentlichen Sinterprozess zusammen.
Abbildung 8-28 zeigt Gefügeaufnahmen von Bruchflächen im Grünzustand (links) und im
gesinterten Zustand bei 1500°C der ZS-Proben. Die Probe im Grünzustand zeigt ein homogenes Gefüge ohne größere Agglomerate. Auch die gesinterte Probe zeigt ein feines
homogenes Gefüge mit vielen feinverteilten Poren, die einen Durchmesser von unter 1µm
haben.
Abb. 8-28:
Gefügeaufnahme von Bruchflächen im Sekundärelektronenbild einer ZS-Probe im
Grünzustand (links) und einer bei 1500°C gesinterten Probe (rechts)
65
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
8.3.2 Sinterprozess
Abbildung 8-29 zeigt den Verlauf der Dilatometerkurve einer mit 2K/min geheizten ZN-Probe.
Es soll veranschaulicht werden, ab welcher Temperatur der Sinterprozess einsetzt. Auffällig
ist der scheinbar negative Ausdehnungskoeffizient der Probe. Da diese Messung jedoch reproduzierbar war, wird davon ausgegangen, dass es sich um einen apparativ bedingten Effekt handelt. Es könnte sein, dass hier die nur wenig verdichtete Grünprobe durch den Andruck des Dilatometerstempels so zusammengedrückt wird, dass dieser Effekt die thermische Ausdehnung, die zu Beginn der Messung zu erwarten wäre, überlagert. Ab 1200°C ist
eine deutliche Längenabnahme zu beobachten. Bestimmt man hier ebenfalls die 1. Ableitung, so findet sich im Verlauf der Messkurve nur ein Wendepunkt, der bei 1395°C liegt. Vergleicht man dies mit der Lage der Wendepunkte der ZS-Probe, so wird deutlich, dass das
Sintern bei reinem ZrSiO 4 ca. 100 bis 200°C später beginnt als bei Proben, die aus ZrO2 und
SiO 2 hergestellt wurden.
Temperatur in °C
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
-2
-4
Längenänderung in %
-6
-8
-10
-12
-14
-16
-18
Abb. 8-29:
Sinterkurve von axial gepresstem ZrSiO4 bis 1650°C
In Abbildung 8-30 wird die Dichte gegen die Temperatur aufgetragen. Zum einen handelt es
sich um Proben, die bis zu den jeweiligen Temperaturen mit 2K/min geheizt und dort für 30
Minuten gehalten wurden; deren Dichte wurde geometrisch ermittelt. Zum anderen wurde die
Dichte in Abbildung 8-28 anhand der Messergebnisse im Dilatometerversuch nach folgender
Formel berechnet:
ρ t = ρ g /[1 − (∆L L 0 )]3
Beide Kurven stimmen von ihrem Verlauf her sehr gut überein.
66
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
4,5
95
90
4
85
3,5
75
% TD
Dichte in g/cm³
80
70
3
65
60
2,5
geometrische Dichte
berechnete Dichte
55
% TD
2
400
600
800
1000
1200
1400
1600
50
1800
Temperatur in °C
Abb. 8-30:
Temperaturabhängigkeit der Dichte
Ab 1200°C ist eine deutliche Zunahme im Dichteverlauf zu beobachten. Dies stimmt gut mit
dem Beginn der Längenabnahme über ein. Zwischen 1300 und 1650°C nimmt die Dichte
sehr stark zu. Insgesamt ist diese aber mit 86% (geometrisch bestimmt) bzw. 93% (berechnet) theoretischer Dichte sehr niedrig. Dies ist ein Zeichen für die schlechte Sinteraktivität
des reinen ZrSiO 4-Pulvers.
Die Abbildungen in 8-31 zeigen das Grüngefüge einer polierten ZrSiO 4-Probe (links) sowie
diese Probe nach dem Sintern bei 1600°C (rechts). Vergleichbar dem Grüngefüge der ZSProbe aus Abbildung 8-27 zeigt sich auch hier ein homogenes Gefüge ohne auffällige Agglomerate oder Poren. Betrachtete man dagegen das Bild der gesinterten Probe, so zeigen
sich große Poren im Gefüge, die einen Durchmesser von bis zu 5µm haben. Die ZS-Probe
wies dagegen ein homogenes Gefüge mit vielen feinverteilten Poren auf.
Abb. 8-31:
Gefügeaufnahme an Schliffen im Sekundärelektronenbild einer Probe im Grünzustand
(links) und einer bei 1600°C gesinterten Probe (rechts)
67
PHASENBILDUNG UND SINTERPROZESS
Diese Tatsache und die Vermutung, dass der Sinterprozess bei reinem ZrSiO 4 erst etwa 100
bis 200°C später einsetzt als bei dem Granulat aus ZrO2, SiO 2 und Binder lässt die Vermutung aufkommen, dass reines ZrSiO 4 keine besonders gute Sinteraktivität hat.
Vergleicht man diese Ergebnisse mit der thermischen Analyse eines Keramikgranulates mit
reaktiver Komponente aus [HENNIGE98], so zeigt sich auch hier eine erste Längenänderung
ab 1100°C, eine sehr starke Abnahme der Ausdehnung jedoch erst ab 1550°C. Die Ergebnisse ergänzen sich demnach gut.
68
MATERIALOPTIMIERUNG
9 Materialoptimierung im System Zr - Si - Li - O
9.1 Grundlegende Untersuchungen
Wie in Kapitel 4.2 beschrieben, reagiert ZrO2 mit SiO 2 unter Zugabe von Li2CO3 bereits bei
900°C zu ZrSiO 4 [POLEZHAEV65]. Aus dieser Überlegung heraus wurde die Eignung Lithiumhaltiger Phasen als Zuschlagstoffe zu der bisher beschriebenen schrumpfungsfreien ZrSiO 4Keramik am Beispiel von Li2O und Li2ZrO3 getestet. Li2CO3 wurde nicht eingesetzt, da der
Massenverlust beim Zersetzen des Karbonats dem Effekt der Schwindungsfreiheit entgegenwirkt. Die grundlegenden Untersuchungen dienen dazu, das Verfahren zur Herstellung
der Li-haltigen Keramik festzulegen und die geeigneten Edukte auszuwählen sowie deren
Eigenschaften vorzustellen. Hierzu wurden zunächst Pulvermischungen aus PMSS und verschiedenen Anteilen Li2O bzw. Li2ZrO3 hergestellt, sowie Gemische aus ZrSi2 und den entsprechenden Li-haltigen Phasen. Es wurde dabei darauf geachtet, dass der berechnete Molanteil Lithium in der gesinterten Keramik bei den Lithiumoxid-Ansätzen ungefähr denen der
Lithiumzirkonat-Ansätze entspricht.
9.1.1 PMSS + Li-haltige Phase
An den Mischungen aus PMSS und Li2O bzw. Li2ZrO3 wurden TG-IR gekoppelte Messungen
durchgeführt.
PMSS + Li2O
Abbildung 9-1 stellt den Verlauf der Massenänderung, das DSC-Signal, sowie die Spuren
der zugehörigen IR-Spektren der Abspaltungsprodukte beim Aufheizen von PMSS + Li2O dar
(analog der Zersetzung von reinem PMSS in Kapitel 8.1). Die Proben wurden hierfür jeweils
mit 5K/min auf 1000°C geheizt.
Bis 400°C nimmt die Masse der Probe kaum ab. Ab 450°C bis hin zu 650°C nimmt diese
sogar stark zu. Erst ab 700°C ist eine starke Massenabnahme auf 87% der Ausgangsmasse
zu verzeichnen. Im DSC-Signal findet sich bei ca. 70°C ein endothermer Peak. Dieser entspricht dem Schmelzpunkt von PMSS. Ein weiterer auffälliger endothermer Peak liegt bei
720°C. Bei 405, 416 und 536°C treten deutliche exotherme Signale auf. Betrachtet man im
Vergleich dazu die Spuren der gasförmigen Abbauprodukte, so fällt auf, dass hier bei den
gleichen Temperaturen Maxima in den Spuren zu finden sind. Die exothermen Peaks bei
405 und 416°C passen genau auf die Maxima im Kurvenverlauf der Methan (CH4) Spur. Der
stark endotherme Peak im DSC-Signal bei ca. 720°C ist verbunden mit einem sehr stark
ausgeprägtem Maximum im Verlauf der CO2-Spur. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den
Untersuchungen an reinem PMSS (siehe Kapitel 8.1), so weisen die kaum vorhandene Massenabnahme bei niedrigen Temperaturen sowie das Fehlen eines deutlichen Maximums der
69
MATERIALOPTIMIERUNG
SiO X-Spur bei der Li-haltigen Probe darauf hin, dass die Anwesenheit von Li2O die niedermolekularen Anteile des PMSS chemisch verändert hat.
Betrachtet man die Spuren der gasförmigen Abbauprodukte von reinem PMSS (Abb. 8-3) bei
ca. 450°C, so sieht man, dass dies der Punkt ist, ab dem CO bzw. CO2 freigesetzt werden.
Bei reinem PMSS ist dies mit einer Massenabnahme verbunden, da das Gas aus der Probe
entweicht. Bei der PMSS + Li2O Mischung nimmt bei dieser Temperatur die Masse stark zu
und bei den gasförmigen Abbauprodukten findet sich vergleichsweise wenig CO2. Der CO2Peak tritt erst bei einer Temperatur von 700°C auf. Hier nimmt zudem die Masse stark ab. Im
DSC-Signal zeigt sich bei dieser Temperatur ein deutlicher endothermer Peak, der genau mit
der Schmelztemperatur von Li2CO3 zusammenfällt [HOLLEMANN95]. Dies führt zu der Annahme, dass CO2, das bei der thermischen Zersetzung von PMSS entsteht, in Anwesenheit
von Li2O zur Karbonatisierung führt. Dies verhindert zunächst das Abdampfen des Kohlendioxid. Ist die Schmelztemperatur des Karbonats erreicht, kommt es zu der starken Massenabnahme, die mit einem ausgeprägten CO2-Peak in den Spuren der IR-Spektren der Spaltprodukte verbunden ist.
104
0,6
722.9°C
102
0,4
70.4°C
DSC-Signal
Masse in %
98
443.1°C
0,2
DSC in µV/mg
100
0
96
-0,2
94
-0,4
92
404.7°C
-0,6
90
416.1°C
88
TG-Signal
-0,8
535.8°C
86
0
100
200
300
400
500
600
700
800
9
-1
1 0 0 01 0
9
8
Intensität
900
CO
8
2
7
7
6
6
5
5
4
4
3
3
RSiO
2
C H
2
4
1
1
CO
0
0
eeeeeeeee
10
2 0 0
4 0 0
6 0 0
8 0 0
0
1000
Temperatur in °C
Abb. 9-1:
TG- & DSC-Signal sowie Spuren der IR-Spektren der thermischen Zersetzung von
PMSS + Li2O
70
MATERIALOPTIMIERUNG
PMSS + Li2ZrO3
In Abbildung 9-2 ist das Ergebnis der Messungen, die an PMSS + Li2ZrO3 Mischungen stattgefunden haben, dargestellt. Der TG-Kurvenverlauf ähnelt dem von reinem PMSS, da ebenfalls zwei Abbaustufen zu beobachten sind. Die Masse nimmt bis auf 92% der Einwaage ab.
Damit ist die Massenabnahme wesentlich geringer als bei reinem PMSS. Es finden sich jedoch auch hier, wenn auch deutlich weniger, Spuren niedermolekularer Anteile. Demnach
werden auch bei Zugabe von Li2ZrO3 weniger niedermolekulare Polymere freigesetzt. Sie
scheinen wie bei der Zugabe von Li2O chemisch verändert zu werden. Wie bei reinem PMSS
und bei der Mischung mit Lithiumoxid findet sich auch hier bei 70°C der endotherme Peak im
DSC-Signal. Vergleicht man den Verlauf des DSC-Signal mit den Spuren der Abbauprodukte, so lässt sich auch hier eine gute Übereinstimmung der jeweiligen Maxima finden. Der
schwach exotherme Peak bei ca. 500°C stimmt mit dem Maximum der CO-Spur überein. Die
beiden folgenden exothermen Peaks bei 600 und 650°C decken sich mit den „Spitzen“ im
CO2-Signal.
1 0 1
0,2
1 0 0
0,1
9 9
-0,1
9 7
Masse in %
0
9 6
-0,2
9 5
-0,3
DSC in µV/mg
D S C - S i g n a l
9 8
9 4
-0,4
9 3
TG-Signal
-0,5
9 2
9 1
0
2 0 0
400
6 0 0
C O
9
Intensität
8 0 0
2
-0,6
1 0 0 0
10,0
9,0
8
8,0
7
7,0
6
6,0
5
5,0
4
4,0
3
3,0
RSiO
2
C H
1
eeeeeeeeeee
1 0
2,0
4
1,0
C O
0
0,0
0
200
4 0 0
600
8 0 0
1 0 0 0
Temperatur in °C
Abb. 9-2:
TG- & DSC-Signal sowie Spuren der IR-Spektren der thermischen Zersetzung von
PMSS + Li2ZrO3
71
MATERIALOPTIMIERUNG
9.1.2 ZrSi2 + Li-haltige Phase
Abbildung 9-3 zeigt den Massenverlauf bei der Oxidation von reinem ZrSi2 im Vergleich zu
Mischungen mit 1 bis 4 mol% Li2O. Das bereits in Kapitel 8.2.4 (Oxidation von ZrSi2) beschriebene Plateau in der Massenzunahme von ZrSi2 zwischen 800 und 1200°C verschwindet mit zunehmendem Anteil an Li2O. Die Oxidation scheint bei den höheren Li-Anteilen bereits bei 1100°C abgeschlossen.
60
MP04800H
MP01800H
MP02800H
50
Massenzunahme in %
ZrSi2
40
30
20
10
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
Temperatur in °C
Abb. 9-3:
Massenzunahme von reinem ZrSi2 im Vergleich zu Mischgranulaten aus ZrSi2 und
Li2O
Abbildung 9-4 zeigt die Massenänderung von ZrSi2 + Li2ZrO3. Auch hier, wie bereits bei der
Zugabe von Li2O, zeigt sich ein Verschwinden des Plateaus in der Massenänderung mit zunehmendem Gehalt an Li2ZrO3. Ebenfalls wird bei höheren Li2ZrO3-Gehalten ab 1100°C keine Massenänderung mehr beobachtet, die Oxidation kann als abgeschlossen angesehen
werden. Zudem fällt auf, dass mit zunehmendem Li-Anteil die beobachtete maximale Massenzunahme abnimmt. Dies lässt sich damit erklären, dass je mehr Lithium-haltige Phase
zugegeben wurde, desto geringer ist der ZrSi2-Anteil und nur dieser ist es, der zur Massenzunahme beiträgt. Bei den gezeigten Kurven fällt dies auf, da nicht die Umsatzkurven dargestellt sind, sondern die prozentuale Massenänderung bezogen auf die Gesamteinwaage und
nicht nur den ZrSi2-Anteil.
72
MATERIALOPTIMIERUNG
70
MP02401H
60
MP03401H
MP04401H
Massenzunahme in %
50
MP01401H
ZrSi2
40
30
20
10
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
Temperatur in °C
Abb. 9-4:
Massenzunahme von reinem ZrSi2 im Vergleich zu Mischgranulaten aus ZrSi2 und
Li2ZrO3
Die grundlegenden Untersuchungen zum System Li-Zr-Si-O haben gezeigt, dass die Verwendung von Li2ZrO3 als Li-haltige Phase erfolgversprechend ist, da dieses das Abbauverhalten von PMSS nur geringfügig verändert und zudem die Oxidation von ZrSi2 dahingehend
verändert, dass sich je nach Anteil an Li2ZrO3 kein Plateau mehr in der Massenaufnahme
zeigt. Des Weiteren ist die Oxidation bereits bei 1100°C abgeschlossen.
9.2 Herstellung der Keramik
Die im Folgenden beschriebenen Untersuchungen wurden an vier verschiedenen Li2ZrO3haltigen Ansätzen durchgeführt.
9.2.1 Charakterisierung des Granulates
Die Herstellung des Granulates erfolgt durch Entfernen des Lösemittels einer ethanolischen
Suspension aus mischgemahlenem Pulver und PMSS. Dies geschieht im allgemeinen durch
Sprühtrocknung, bei geringen Mengen kann das Lösemittel auch mit Hilfe eines Rotationsverdampfers abgezogen werden.
Die Teilchengrößenverteilung im fertigen Granulat ist am Beispiel von SG04401H in Abbildung 9-9 dargestellt. Im REM-Schliffbild (Materialkontrast) wird der Aufbau der Granulatkörner veranschaulicht. Zu erkennen ist, dass diese aus den feingemahlenen Pulvern der eingesetzten Edukte zusammengesetzt sind. Das Granulat besteht aus annähernd sphärischen
Vollpartikeln. Die Größe der Granulatpartikel variiert dabei von 10µm bis 100 µm Durchmesser. Der d50-Wert liegt dabei bei 30 µm (vgl. Abbildung 9-9, rechts).
73
Volumenanteil in %
MATERIALOPTIMIERUNG
1
Abb. 9-9:
10
100
Granulatgröße in µm
1000
REM-Schliffbild (Materialkontrast) und Kornverteilung des SG04401H-Granulates
Abbildung 9-10 zeigt die Massenänderung von zwei unterschiedlichen Sprühgranulaten.
SG01401H enthält 0,95 Vol-% und SG04401H 9,4 Vol-% Li2ZrO3. Beide Granulate wurden
mit 5K/min auf 1550°C geheizt. Die Massenzunahme, d.h. die Oxidation, des SG01 Granulates setzt bereits bei 400°C ein, die des Granulates mit dem höheren Lithium-Anteil erst bei
500°C. Im Temperaturbereich von 800 bis 1000°C ist bei SG01401H ein Stopp in der Massenaufnahme zu beobachten. Damit verhält es sich annähernd wie ein lithiumfreies Sprühgranulat. Bei ca. 1400°C ist die Massenzunahme und damit die Oxidation abgeschlossen.
Das Granulat mit 9,4 Vol-% Lithiumzirkonat zeigt dagegen durchgehend eine Massenzunahme, die bereits bei gut 1000°C abgeschlossen ist. Die theoretische Massenzunahme der
Granulate liegt bei 25,2% für SG01401H bzw. bei 24,2% für SG04401H. Diese Werte werden mit 21,0% (SG01) bzw. 20,5% (SG04) Massenzunahme nicht ganz erreicht. Dies kann
daran liegen, dass das ZrSi2 bereits während des Mahlprozesses leicht voroxidiert worden
ist.
74
MATERIALOPTIMIERUNG
125
SG04401H
120
Masse in %
SG01401H
115
110
105
100
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
Temperatur in °C
Abb. 9-10:
TG-Kurven der Massenänderung der Sprühgranulate SG01401H und SG04401H
9.2.2 Einfluss der Formgebung
Als Formgebungsverfahren zur Herstellung der Grünkörper wurde Trockenpressen gewählt.
Die Pressbarkeit des Granulates spielt bei der Herstellung von Formkörpern eine große Rolle. Der Verdichtungsdruck darf dabei nicht zu hoch gewählt werden, um die typischen Pressfehler wie Abschieferung oder Ausbrüche zu vermeiden. Abbildung 9-11 zeigt den Zusammenhang zwischen theoretischer Gründichte, Pressdruck und offener Porosität der Grünkörper. Die Dichte wurde geometrisch ermittelt. Die Porosität wurde mit Hilfe von HgPorosimetrie bestimmt. Wie zu erwarten, nimmt mit steigendem Pressdruck die Dichte zu
und die Porosität ab. Da bei Drücken oberhalb 400 MPa jedoch die Proben beim Entbindern
deutliche Rissbildung zeigen, werden die für die nachstehenden Versuche verwendeten Proben mit einem Pressdruck von 400 MPa hergestellt. Zu vermuten ist, dass der Einfluss von
Li2ZrO3 das PMSS dahingehend verändert, dass der Effekt als Presshilfsmittel zu wirken,
insoweit verloren geht, dass Pressfehler auftreten. Diese werden jedoch aufgrund des hohen
Polymeranteils erst nach dem Entbindern sichtbar.
75
MATERIALOPTIMIERUNG
82
26
81
25
80
Dichte
24
% TD
78
23
77
22
76
Porenanteil
75
Porenanteil in Vol-%
79
21
74
20
73
72
150
200
250
300
350
400
450
500
19
550
Pressdruck in MPa
Abb. 9-11:
Pressdruckkurve des Sprühgranulates SG04401H
In Abbildung 9-12 ist ein Sekundärelektronenbild eines mit 400 MPa aus SG04401H gepressten Grünkörpers dargestellt. Zu erkennen ist, dass die Probe keine sichtbaren Pressfehler aufweist.
Abb. 9-12:
Sekundärelektronenbild eines Grünkörpers aus SG04401H
76
MATERIALOPTIMIERUNG
9.2.3 Der Reaktionssinterprozess
Zur Herstellung fehlerfreier, dichter Keramiken muss ein geeignetes Temperaturprogramm
gewählt werden. Hierbei kann zwischen drei Schritten im Reaktionssinterprozess unterschieden werden:
Entbindern der Formkörper
Oxidationsprozess
Phasenbildung und Sinterbereich
Das Entbindern der Grünkörper erfolgt langsam, um die Entstehung von Rissen im Bauteil zu
vermeiden. Wie die in Abbildung 8-1 dargestellte thermische Analyse zeigt, liegt die Temperatur, bei der die Pyrolyse von PMSS fast vollständig abgeschlossen ist, bei knapp 700°C.
Bei der Entbinderung kommt es, wie in Kapitel 8.1 gezeigt, zur Freisetzung von niedrigmolekularen Anteilen und zur Zersetzung der hochmolekularen Polymere. In diesem Bereich darf
also nicht zu schnell geheizt werden, damit Rissbildung vermieden wird. Deshalb wurden die
Proben zumeist mit 0,5 K/min auf 650°C geheizt und 12 Stunden bei dieser Temperatur
gehalten. Anschließend wurden sie langsam mit 2 K/min auf 800°C geheizt.
Im weiteren Verlauf des Reaktionssinterprozesses ist es wichtig, dass sich Oxidations- und
Sinterprozess wenn möglich nicht überschneiden.
14
1600
SG03401H
12
SG04401H
SG02401H
SG01401H
1400
10
1200
1000
6
4
800
2
600
Temperatur in °C
Längenänderung in %
8
0
400
-2
200
-4
-6
0
200
400
600
800
1000
0
1200
Zeit in min
Abb. 9-13:
Relative Längenänderung der verschiedenen Li-haltigen Granulate; geheizt wurde
jeweils mit 5K/min auf 1500°C
77
MATERIALOPTIMIERUNG
Abbildung 9-13 zeigt den Kurvenverlauf der relativen Längenänderung der unterschiedlichen
Sprühgranulate. Alle Proben zeigen bis 800°C eine deutliche Längenausdehnung sowie zwei
Stufen der Längenabnahme. Je nach Granulat und somit je nach Lithium-Anteil sind diese
Stufen mehr oder weniger ausgeprägt und setzen, je höher der Li-Gehalt ist, bei immer niedrigeren Temperaturen ein (vgl. Tabelle 9-1).
Tab. 9-1: Daten zu den Dilatometermesskurven der verschiedenen Sprühgranulate
Granulat
Längenabnahme
relative
% theoretische
erste Stufe
zweite Stufe
Längenänderung
Sinterdichte
SG01401H
1000 – 1200°C
ab 1450°C
+ 3%
75,88
SG02401H
950 – 1100°C
ab 1350°C
+ 2%
78,25
SG03401H
850 – 950°C
ab 1300°C
- 2%
87,62
SG04401H
800 – 900°C
ab 1050°C
- 4%
94,07
Die Längenzunahme bis 800°C entspricht dem Temperaturbereich, in dem die Oxidation des
ZrSi2 erfolgt (vgl. Abbildung 9-4). Wie bereits bei [POLEZHAEV65] beschrieben, ist die Reaktion von ZrO2 und SiO 2 zu ZrSiO 4, die normalerweise bei 1500°C stattfindet, nach Zugabe von
3-5% Li2CO3 bereits bei 900°C abgeschlossen. Wie Röntgendiffraktometrie-Messungen zeigen (vgl. Abbildung 9-15), findet sich auch nach Zugabe von Li2ZrO3 bereits bei Temperaturen unterhalb 1500°C ZrSiO 4. Die Bildung dieser Phase aus ZrO2 und SiO 2 ist mit einer Längenabnahme verbunden (vgl. Kapitel 8.3). Aus diesen beiden Gründen wird davon ausgegangen, dass es sich bei der ersten Stufe der Längenänderung um die Effekte der Phasenbildung von ZrSiO 4 handelt. Auf diese Weise wird deutlich, dass mit steigendem Li-Anteil die
Temperatur abnimmt, bei der die Phasenbildung einsetzt. Der zweiten Stufe der Längenabnahme wird der eigentliche Sinterprozess zugeordnet. Auch hier wird deutlich, dass der Beginn dieser Stufe direkt mit dem Li-Gehalt der Probe zusammenhängt. Je höher der Li-Anteil,
desto niedriger die Anfangstemperatur des Sinterprozesses. Betrachtet man die jeweils erzielten Sinterdichten, wird deutlich, weshalb die Längenänderungen der Ansätze so unterschiedlich sind. Die Keramiken sind bei geringen Li-Anteilen nicht lange genug oder bei zu
niedrigen Temperaturen gesintert worden.
Durch Zugabe von Li2ZrO3 ist es demnach gelungen, den Oxidationsprozess, die Phasenbildung und den Sinterprozess weitestgehend zu trennen. Dieser Effekt wird um so deutlicher
je mehr Li-Anteil dem Granulat zugegeben wurde. Auffällig ist zudem, dass diese drei Effekte
in einem so engen Temperaturbereich liegen und trotzdem nacheinander stattfinden.
Die Festlegung der Temperaturparameter erfolgte mittels der thermischen Analyse und wurde bereits in Kapitel 7 vorgestellt.
78
MATERIALOPTIMIERUNG
Abbildung 9-14 veranschaulicht den kompletten Reaktionssinterprozess anhand der relativen
Längenänderung. Hierbei wurde ausschließlich darauf geachtete, eine möglichst dichte, porenfreie Keramik herzustellen. Die Prozessdauer bzw. die Schwindungsfreiheit waren kein
Kriterium. Im Vergleich zum standardisierten Sinterprogramm aus [HENNIGE98] ist jedoch
bereits hier eine deutliche Zeitverkürzung von 120 auf 50 Stunden gelungen.
1400
14
12
1200
10
8
6
800
4
Temperatur
2
600
dL/Lo in %
Temperatur in °C
1000
0
400
-2
-4
200
-6
Längenänderung
0
-8
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
Zeit in min
Abb. 9-14:
Relative
Längenänderung
einer
Probe
aus
SG04401H
während
des
Reaktionssinterprozesses
Das Maximum im Kurvenverlauf der Längenänderung bei 800°C kann wiederum in Zusammenhang gebracht werden mit dem Einsetzen der Phasenbildung von ZrSiO 4. Der eigentliche Sinterprozess setzt bei knapp 1100°C ein.
Die Phasenentwicklung der SG04401H-Keramik während des Reaktionsinterprozesses wurde mit Hilfe von XRD-Messungen untersucht. Als Problem stellte sich dabei heraus, dass die
entstehenden Li-haltigen Phasen meist amorph vorliegen und dementsprechend nicht mittels
Röntgendiffraktometrie beobachtet werden können. Lithium lässt sich zudem nicht mit Hilfe
von EDX-Analysen nachweisen, deshalb kann nur über die Entwicklung der anderen Phasen
eine Aussage gemacht werden.
Abbildung 9-15 veranschaulicht die Phasenentwicklung anhand von Diffraktogrammen, die
an Proben aufgenommen wurden, die bis zu unterschiedlichen Endtemperaturen geheizt
wurden. Am auffälligsten dürfte hierbei sein, dass sich bereits bei 1000°C Zirkon (ZrSiO 4)
nachweisen lässt.
79
MATERIALOPTIMIERUNG
2000
1800
1600
ZrSiO4
1400
ZrSiO4
Lin (Cps)
1200
ZrSiO4
ZrSiO 4
ZrSiO4
ZrSiO 4
ZrO2tetr.
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO4
1300°C
1000
ZrSiO4
ZrO2tetr.
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrSiO 4
ZrSiO4
ZrO2tetr.
ZrSiO4
ZrSiO4
1200°C
800
ZrSiO4
ZrO2tetr.
ZrSiO4
SiO2
600
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrO2tetr.
ZrSiO4
ZrSiO4
ZrO2 tetr.
ZrSiO4
1000°C
ZrO2tetr.
ZrO2tetr.
ZrO2mkl.
ZrO2 tetr.
ZrO 2tetr.
ZrO2tetr.
800°C
400
ZrO2mkl. ZrO2tetr.
ZrSi2
ZrSi2
tetr.
tetr.
ZrSi2 ZrO2
ZrSi 2 ZrO2
ZrO2tetr.
600°C
200
Li2 ZrO3
ZrO2mkl. ZrO2 tetr.ZrSi2
ZrSi2 ZrO2 tetr.
ZrO2tetr. ZrSi2
ZrSi2
Li2ZrO3
ZrSi2
ZrO2tetr.
ZrSi2
ZrSi 2
400°C
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
2 - Theta - Skala
Abb. 9-15:
Diffraktogramme der Phasenentwicklung in SG04401H-Keramik
9.3 Eigenschaften der Keramik
9.3.1 Physikalische und chemische Eigenschaften
Die Ergebnisse der Röntgendiffraktometrie lassen sich im Gefügebild bestätigen. Abbildung
9-16 zeigt die Materialkontrastaufnahme einer bei 1300°C gesinterten SG04401H-Keramik.
Die graue Matrix besteht ausschließlich aus ZrSiO 4. Die hellen Phasen bestehen aus ZrO2,
die dunklen aus SiO 2. Wie Lithium in den Phasen verteilt ist oder ob es an den Kornrändern
vorliegt, lässt sich auf diese Weise nicht klären, da Lithium als Element in der EDX-Analyse
nicht nachgewiesen werden kann.
Abb. 9-16: REM-Bild einer bei
1300°C gesinterten SG04401HKeramik (Materialkontrast)
80
MATERIALOPTIMIERUNG
Neben der chemischen Zusammensetzung der Keramik und dem Gefüge ist noch die Kristallitgröße von Interesse, da hierdurch die Festigkeit beeinflusst wird. Laut [SALMANG82] ist im
Allgemeinen die Festigkeit der Keramik geringer, je größer die Körner im Sintergefüge sind.
Deshalb wurde die Keramik thermisch geätzt und unter dem REM die Kristallitgröße ausgemessen. Abbildung 9-17 veranschaulicht das Korngefüge in der bei 1300°C gesinterten Keramik. Mit einer durchschnittlichen Korngröße von 2-3 µm kann eine mechanisch feste Keramik hergestellt werden. Ungeklärt bleibt, ob es sich bei den Zwischenräumen um Poren
handelt oder ob diese mit einer Glasphase gefüllt sind. Für die Glasphase spricht, dass in
Abbildung 9-16 im Schliff kaum Poren zu sehen sind. Da beide Proben mit dem gleichen
Temperaturprogramm behandelt wurden, sollte man vermuten, dass sie auch ein ähnliches
Gefüge zeigen.
Abb. 9-17:
Korngröße einer bei 1300°C gesinterten SG04401H- Keramik
Das Verfahren zur Herstellung der Formkörper wird im Hinblick auf eine möglichst hohe
Dichte optimiert, da u.a. die Dichte direkt mit den mechanischen Eigenschaften verknüpft ist.
In Abbildung 9-18 sind die erzielten Dichten und Porositäten für verschiedene
Sinterbedingungen graphisch dargestellt. Die angegebenen theoretischen Sinterdichten (vgl.
Tab. 9-2) wurden unter der Annahme berechnet, dass sich die Phasenbildung im Teildreieck
Li2SiO 3 – ZrSiO 4 – ZrO2 des SiO 2 – Li2O – ZrO2 Phasendiagramms abspielt (vgl. Abb. 4-6).
Die Dichte wird im Allgemeinen über die geometrische Methode bestimmt.
81
MATERIALOPTIMIERUNG
96
SG01401H
SG02401H
SG03401H
SG04401H
94
92
90
% TD
88
86
84
82
80
78
76
1600; 4
1650; 4
1650; 6
1550; 4
1600; 4
1650; 4
1300; 4
1400; 4
1500; 4
1300; 4
1300; 6
1400; 4
Sintertemperatur in °C; Sinterzeit in h
18
SG01401H
SG02401H
SG03401H
SG04401H
16
14
Porenanteil in Vol-%
12
10
8
6
4
2
0
1600; 4
1650; 4
1650; 6
1550; 4
1600; 4
1650; 4
1300; 4
1400; 4
1500; 4
1300; 4
1300; 6
1400; 4
Sintertemperatur in °C; Sinterzeit in Stunden
Abb. 9-18:
Porositäten und Dichten der verschiedenen Ansätze im Vergleich
Die Dichten der Keramiken liegen zwischen 83 und 95 %TD. Die mittels Hg-Porosimetrie
bestimmte offene Porosität liegt je nach Ansatz und Sintertemperatur und –zeit zwischen 1
und 20 Vol-%.
Tab. 9-2: Dichten der verschiedenen Ansätze in Abhängigkeit vom Li-Gehalt
[mol%]
[g/cm³]
Li2O in der gesinteren Keramik
theor. Sinterdichte
SG01401H
0,4
4,68
SG02401H
1,0
4,67
SG03401H
2,0
4,65
SG04401H
4,0
4,59
Bezeichnung
Auf Grund dieser Ergebnisse wurde für die weiteren Untersuchungen der mechanischen Eigenschaften das Granulat SG04401H zu Herstellung der zu untersuchenden Proben ausge82
MATERIALOPTIMIERUNG
wählt, da mit diesem hohe Sinterdichten bei sehr niedriger offener Porosität bei einer Sintertemperatur von 1300°C erzielt werden können. Dies kommt dem Ziel, die Sintertemperatur
und somit auch die Prozesszeit herabzusetzen, sehr entgegen.
9.3.2 Mechanische Eigenschaften
Die Festigkeit der Pellets wurde über biaxiale Biegeprüfung wie in 5.1.2 beschrieben, ermittelt. Die Weibull-Festigkeit σ0 der SG04401H Keramik liegt demnach bei 291MPa. Abbildung
9-19 stellt die Weibull-Verteilung der Festigkeiten, die über biaxiale Biegebruchmessungen
bestimmt wurden, dar.
1,5
1
0,5
ln(ln(1/(1-P)))
0
y = 11,946x - 67,767
2
R = 0,9308
-0,5
-1
-1,5
-2
-2,5
-3
-3,5
4,5
4,75
5
5,25
5,5
5,75
6
6,25
6,5
lnσ
Abb. 9-19:
Weibull-Verteilung der Festigkeiten, die über biaxiale Biegebruchmessungen an
SG04401H Keramik bestimmt wurden
Im Hinblick auf die potentielle Anwendung im Dentalbereich ist es interessant, die Festigkeitswerte der Li-haltigen Keramik mit denen kommerziell erhältlicher Dentalkeramiken
(Empress 2 und In-Ceram) und mit denen der Li-freien, schrumpffreien Keramik zu vergleichen.
83
MATERIALOPTIMIERUNG
Tab. 9-3: Mechanische Eigenschaften der Li-haltigen Keramik im Vergleich zur herkömmlichen schwindungsfreien Keramik und einer Dentalkeramik
Werkstoff
Li-haltige Keramik (SG04401H)
schwindungsfreie Keramik
In-Ceram Alumina (Vita)
1)
2)
Empress 2 (Ivoclar) 2)
1)
KLOSE2001
2)
Weibullfestigkeit
Weibull-Modul
σ0 [MPa]
m [-]
291
12
299
14
290
5
289
9
FISCHER2000
Tabelle 9-3 zeigt, dass im Vergleich zu diesen Keramiken das SG04401H Granulat gute Ergebnisse liefert und der Einsatz dieser Keramik auch im Dentalbereich durchaus erfolgversprechend erscheint.
Die Härte der Keramik wurde an polierten SG04401H-Proben bestimmt. Die Sinterdichte der
verwendeten Proben betrug 94%TD. Es wurde die HV10 Härte bestimmt. Dabei ergab sich
ein Wert von 927 ± 17. Damit liegt die Härte der Keramik über dem Wert von 800 ± 20 HV,
der von [HENNIGE98] bei der Li-freien, schwindungsfreien Keramik ermittelt wurde.
84
SCHLUSSFOLGERUNG
SCHLUSSFOLGERUNG
Ziel der Arbeit war die Untersuchung und Optimierung des Reaktionssinterprozesses
schwindungsfreier ZrSiO 4-Keramik. Dieses Ziel wurde über zwei Routen verfolgt:
Ø Untersuchung der am Reaktionssinterprozess beteiligten Mechanismen
Ø Beeinflussung des Reaktionssinterprozesses durch Li-haltige Zusätze
Zum Verständnis des Reaktionssinterprozesses wurde dieser experimentell in drei Teilschritte zerlegt:
Ø Thermische Zersetzung von PMSS
Ø Oxidation von ZrSi2
Ø Phasenbildung von ZrSiO 4 und Sintern der Keramik
Voruntersuchungen zeigten, dass es für die Prozessführung wichtig ist, dass das Ausbrennen des Binders kontinuierlich vor sich geht. Zudem sollte der Prozess bei beginnender Oxidation möglichst vollständig abgeschlossen sein. Im Rahmen der Arbeit gelang es, die thermische Zersetzung von PMSS formalkinetisch zu beschreiben, so dass Vorhersagen über
den Verlauf dieser komplexen Reaktion bei gegebenem Temperaturprogramm möglich wurden. Ebenso konnten die entstehenden Abbauprodukte identifiziert und den jeweiligen Reaktionsstufen zugeordnet werden. Auf diesem Weg ist es nun möglich, den Reaktionsverlauf
bei Wahl einfacher Temperaturprogramme vorherzusagen, so dass eine Zeitersparnis durch
den Wegfall experimenteller Arbeiten erreicht werden konnte. Durch Erweiterung der formalkinetischen Berechnungen auf mehrere Reaktionsstufen, würde es möglich werden, den Prozess auch für komplexere Temperaturführungen vorhersagen zu können.
Den kinetischen Prozess der Oxidationsreaktion von ZrSi2 zu ZrSiO 4 und SiO 2 zu verstehen,
war ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Diese Reaktion konnte durch Aufnahme von Sauerstofftiefenprofilen an massivem ZrSi2 modelliert werden. Es gelang, ein Modell aufzustellen, das
den Oxidationsfortschritt im Temperaturbereich bis 800°C beschreiben kann. Mit Hilfe dieses
Modells konnte gezeigt werden, dass bei der Oxidation zwei Diffusionsprozesse eine Rolle
spielen. Zum einen ist dies die Diffusion von Sauerstoff durch eine entstandene Produktschicht und zum anderen die Diffusion von O2 ins ZrSi2. Mit Hilfe der Modellierung ist es außerdem möglich, Diffusionskoeffizienten und Aktivierungsenergien dieser beiden Diffusionsprozesse zu berechnen. Für die Diffusion durch die Produktschicht beträgt der D0-Wert
403 cm²/sec und die Aktivierungsenergie 153 kJ/mol. Für die Diffusion von Sauerstoff in
ZrSi2 lauten die Werte: D0 = 0,183 cm²/sec bzw. EA = 104 kJ/mol. Die so gewonnenen Ergebnisse konnten durch Untersuchungen an Pulvern und anschließender Modellierung mit
86
SCHLUSSFOLGERUNG
diesen Daten noch untermauert und bis in einen Temperaturbereich von 1100°C erweitert
werden. Beide Methoden zeigen dabei sehr gute Übereinstimmungen.
Im Laufe der durchgeführten Untersuchungen zeigte sich, dass der Aufbau der entstehenden
Produktschicht einen entscheidenden Einfluss auf das Oxidationsverhalten des ZrSi2 hat. Die
daraufhin durchgeführten Untersuchungen der Oberflächen von ZrSi2 bei unterschiedlichen
Temperaturen zeigten, dass sich zwischen 800 und 1000°C eine amorphe SiO x -Phase bildet.
Diese hemmt die weitere Sauerstoffaufnahme. Erst ab 1200°C wird die amorphe Phase in
kristallines SiO 2 in Form von Cristobalit umgewandelt und die Oxidation kann ungehindert
weitergehen. Erst wenn diese bei ca. 1500°C abgeschlossen ist, setzt die Phasenbildung
von ZrSiO 4 ein.
An einer Modellsubstanz, die aus ZrO2, SiO 2 und Binder besteht, konnte die Phasenbildung
während des Sinterns unabhängig vom Oxidationsprozess beobachtet werden. Im Verlauf
der Dilatometerkurven sind die Effekte der Umwandlung von Tief- in Hochquarz zu beobachten. Des Weiteren kann eine Aussage über den Sinterbeginn getroffen werden. Im Verlauf
der Dilatometermesskurve lassen sich zwei Wendepunkte bestimmen. Der erste liegt bei ca.
1160°C der zweite bei 1285°C. An Presslingen aus reinem ZrSiO 4 konnte unabhängig von
der Oxidation und Phasenbildung ebenfalls das Sintern dokumentiert werden. Die Längenabnahme der Probe setzt bei 1200°C ein. Der Wendepunkt auf dieser Dilatometerkurve liegt
bei 1395°C. Vergleicht man die Lage der Wendepunkte dieser beiden Ansätze, so wird deutlich, dass reines ZrSiO 4 später zu sintern beginnt als Proben aus ZrO2 + SiO 2, wo zunächst
ZrSiO 4 aus ZrO2 und SiO 2 entsteht.
Ziel dieser Arbeit war unter anderem, das Verfahren hinsichtlich der Prozesszeiten zu optimieren. Dabei ist es von Vorteil, die Phasenbildung von ZrSiO 4 in Bereiche niedrigerer Temperaturen zu bringen. Dies kann zum Beispiel über Mineralisatoren erreicht werden. Da sich
laut Literatur Li2CO3 als geeignet herausgestellt hat, die Phasenbildung von Zirkonsilikat aus
ZrO2 und SiO 2 bei geringeren Temperaturen stattfinden zu lassen und da die Li-haltigen
Phasen Li2O und Li2ZrO3 bereits für Keramiken eingesetzt werden, wurden diese beiden auf
ihre Eignung als Zusatzstoff getestet. Das System wurde demnach von einem ternären auf
ein quaternäres erweitert.
Zunächst wurde der Einfluss der Li-haltigen Phase auf PMSS bzw. ZrSi2 im Einzelnen untersucht. Hierbei zeigte sich, dass Li2O nicht geeignet ist, da die Zersetzungsprodukte der
thermischen Reaktion von PMSS mit Li2O reagieren. Es kommt zu einer Karbonatisierung,
die das Entbindern erschwert. Das Schmelzen des Karbonats ist eine so heftige Reaktion,
dass die Proben dabei zerreißen. Diese Probleme ergaben sich beim Einsatz von Li2ZrO3
nicht. Beide Li-haltigen Phasen zeigen einen vergleichbaren Einfluss auf die Oxidation des
87
SCHLUSSFOLGERUNG
ZrSi2: die Reaktion setzt laut Thermogravimetrie zwar nicht bei niedrigeren Temperaturen
ein, ist jedoch, je nach Li-Anteil, bereits bei 1100°C
abgeschlossen. Zusätzlich zeigte sich, dass durch Zusatz der Li-haltigen Phase der Stopp in
der Massenzunahme verschwindet, d.h. es findet eine kontinuierliche Oxidation statt.
Die Keramik, die aus ZrSi2, ZrO2, Li2ZrO3 und PMSS hergestellt wurde, weist mit einer Biegebruchfestigkeit von 291 MPa, einem Weibull-Modul von 12 und einem HV10-Wert von 927
vergleichbar gute mechanische Eigenschaften wie die herkömmliche schwindungsfreie
ZrSiO 4-Keramik auf. Ihr Vorteil ist, dass sie bereits bei 1300°C gesintert werden kann. In dieser Arbeit wurde primär das Augenmerk auf eine dichte, porenfrei Keramik gelegt, so dass
die Schwindungsfreiheit bisher nicht erfüllt wurde. Das System hat aber das Potential, dies
durch Variation der Zusammensetzung und Einstellung der Gründichte durch den Pressdruck zu erreichen. Dadurch dass die Sintertemperatur und somit auch die Prozesszeit deutlich herabgesetzt werden konnte, wird der Einsatz der Keramik für industrielle Zwecke äußerst interessant. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es von Interesse, auf welche Weise das
Lithium auf den Oxidationsprozess Einfluss nimmt und wie die entstehende Oxidschicht in
diesem Fall aufgebaut ist. Auch dürfte es sehr interessant sein, zu untersuchen, ob und
wenn ja in wie weit, andere chemische Zusätze einen Einfluss auf die entstehende Oxidschicht haben.
Resümee
Im Rahmen dieser Arbeit wurde zum einen das Reaktionssinterverfahren zur Herstellung
schwindungsfreier, oxidkeramischer Mikroformteile im System Zr-Si-O detailliert untersucht.
Zum anderen wurde dieses Verfahren um eine neue Komponente, eine Li-haltige Phase,
erweitert. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Reaktionssinterprozess experimentell in
seine Einzelschritte zerlegt. Dabei gelang es, ein formalkinetisches Modell für die Zersetzung
des Binders PMSS aufzustellen und damit eine Vorhersage für den Verlauf dieser Zersetzung bei gegebenem Temperaturprogramm zu treffen. Die Oxidation von ZrSi2 wurde bis
800°C an Sauerstofftiefenprofilen an massiven Proben modelliert und auf diesem Weg wurden Diffusionskoeffizienten und Aktivierungsenergien für diesen Prozess berechnet. Die so
gewonnenen Ergebnisse ließen sich anhand von Modellierungen an Umsatzkurven von
ZrSi2-Pulvern bestätigen und der Temperaturbereich konnte bis 1100°C erweitert werden. An
den massiven Proben wurden des weiteren Röntgendiffraktometrie- und Raman-Messungen
vorgenommen, mit deren Hilfe der Aufbau der entstehenden Oxidschicht geklärt werden
konnte. Die Phasenbildung und der Sinterprozess wurden mit Hilfe von XRD- und Dilatometer-Messungen und Gefügebildern dokumentiert, so dass die Phasenentwicklung beschrieben werden konnte und ein Zusammenhang zwischen Dichte und Längenänderung beschrieben wurde.
88
SCHLUSSFOLGERUNG
Die Zugabe von Li2ZrO3 zum bestehenden System zeigte gute Ergebnisse, so dass es gelungen ist, eine Keramik herzustellen, die bei 1300°C sintert und eine hohe Dichte von 95
%TD und eine offene Porosität kleiner 1Vol-% hat. Das Material zeichnet sich außerdem
durch gute mechanische Eigenschaften wie einer Festigkeit von 290 MPa und einer Härte
von 927 ± 17 HV aus.
89
ANHANG
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ANHANG B
B Verwendete Abkürzungen und Symbole
Abkürzungen
AES
Auger-Elektronen-Spektroskopie
DTA
Differential-Thermoanalyse
Erf
steht für die sogenannte Fehlerfunktion (error function)
EDX
Energiedispersive Röntgenanalyse
HIP
Heißisostatische Presse
IR
Infrarot
LM
Lichtmikroskopie
MP
Mahlen in der Planetenmühle
SG
Sprühgranulat
PMSS
Polymethylsilsesquioxan
PZT
Blei-Zirkonat-Titanat
RBAO
reaction bonding aluminium oxide
REM
Rasterelektronenmikroskopie
TA
Thermischen Analyse
TG
Thermogravimetrie
XRD
Röntgendiffraktometrie
Symbole
a²
Eindruckfläche [µm 2]
ai
Maßhaltigkeit
B
y-Achsenabschnitt
c
Konzentration
D
Diffusiosnkoeffizient [cm²/sec]
EA
Aktivierungsenergie [J/mol]
F
Kraft [N]
HV
Vickers-Härte [GPa]
ji
Stromdichte [Atome/cm2sec]
L0
Ausgangslänge [µm]
∆L
Längenänderung [µm]
m
~
m
Steigung
~
∆m
i
relative Massenänderung der Komponente i [−]
Mi
Molmasse der Komponente i [g/mol]
r
Radius [µm]
R
Gaskonstante [8,314 J/mol K]
i
relativer Massenanteil der Komponente i [−]
A7
ANHANG B
t
Zeit [min]
T
Temperatur [K]
~
∆V
relative Volumenänderung des Formkörpers [−]
x
Tiefe bzw. Weg bzw. Oxidschichtdicke [µm]
α
keramischen Ausbeute
ε
Schrumpfung
ρ
Dichte [g/cm³]
~
ρ
relative Dichte [% TD]
A8
ANHANG C
C Herleitung einiger verwendeter Gleichungen
Herleitung zur Berechnung der Oxiddicke
Die Oxidschichtdicke x [µm] ändert sich mit der Oxidationszeit. Wird angenommen, dass sich
der Radius des Gesamtpartikels während der Oxidation nicht verändert und als Anfangskorngröße r0 der halbe d50-Wert des eingesetzten ZrSi2-Pulvers angenommen, berechnet
sich demnach die Oxidschichtdicke x(t) folgendermaßen:
x(t) = r0 – r(t)
C-1
Zur Berechnung des Radius des verbleibenden reaktionsfähigen Feststoffkerns r(t) wird die
~ , die über thermogravimetrische Messungen ermittelt wurde,
relative Massenänderung ∆m
herangezogen. Gegeben sind die Einwaage m [g], die Dichte ρ [g/cm³], der d50-Wert der
Kornverteilung und somit r(t=0) [µm], der Radius der ZrSi2-Partikel zur Zeit t=0 sowie die
Massenänderung ∆m(t) zur Zeit t.
Die verwendeten Variabeln werden wie folgt definiert:
r (t ) :
Radius des verbleibenden Feststoffkerns [µm]
VK (t ) :
Volumen eines verbleibenden ZrSi2-Partikel [µm³]
nK :
Anzahl der ZrSi2-Partikel [−]
VZrSi2 (t ) :
Volumen aller verbleibenden ZrSi2-Partikel [cm³]
mZrSi2 ( t ) :
Masse aller verbleibenden ZrSi2-Partikel [mg]
Mi :
Molmasse der Komponenten i [g/mol]
Das Volumen VP des kugelförmigen Feststoffteilchens ergibt sich aus:
VP =
4
π ⋅ rP3
3
C-2
Der Radius r (t ) des reaktionsfähigen Feststoffkerns zur Zeit t berechnet sich über:
r (t) = 3
3 ⋅ Vk ( t)
4⋅ π
C-3
wobei das Volumen eines einzelnen ZrSi2-Partikels VK(t) abhängig ist vom Gesamtvolumen
und der Anzahl der Kugeln nK im Granulat.
A9
ANHANG C
VK (t ) =
VZrSi2 (t )
nK
⋅ 1012
C-4
Die Kugelanzahl nK errechnet sich aus dem Anfangsvolumen aller ZrSi2-Partikel VZrSi2 ( t= 0 )
geteilt durch das Volumen einer Kugel VK(t=0) zur Zeit t=0
nK =
VZrSi2
( t = 0)
VK ( t = 0)
⋅ 1012
C-5
Das Gesamtvolumen VZrSi 2 ( t ) an reaktionsfähigem Feststoff ändert sich im Laufe der Zeit
und ist abhängig von der Masse m ZrSi 2 ( t ) der ZrSi2-Partikel sowie deren Dichte ρ ZrSi2
VZrSi2 (t ) =
m ZrSi 2 ( t)
C-6
ρ ZrSi2
Und die aktuelle Masse aller Partikel berechnet sich über die Masseänderung ∆m, die mittels
TG-Messungen ermittelt wurde.
 
∆m ⋅ M ZrSi2
m ZrSi2 (t ) = m1 − 
  2 ⋅ MSiO + M ZrO − MZrSi
2
2
2
 




C-7
Unter der Annahme, dass die Reaktion wie folgt abläuft: ZrSi2 + 3O 2 à ZrO2 + 2SiO 2, ergibt
sich für den Radius r(t) zur Zeit t der von der Einwaage unabhängige Term:

∆m ⋅ M ZrSi2
r( t) = r( t = 0 ) ⋅ 3 1 − 
 2 ⋅ MSiO + M ZrO − M ZrSi

2
2
2




C-8
 

 

C-9
Setzt man Gleichung C-8 in C-1 ein so ergibt sich für x(t)


∆m ⋅ M ZrSi2

x( t) = r(t = 0) ⋅ 1 − 3 1 − 
 2 ⋅ MSiO + M ZrO − M ZrSi


2
2
2

A 10
ANHANG C
Herleitung linearer Sinterschrumpf
Der Sinterschrumpf ist definiert als:
L − LE
S= A
, d.h.
LA
L
S = 1− E
LA
C-10
dabei sind LE bzw. LA:
LE = 3 V + ∆V bzw. L A = 3 V
C-11
~
Die Volumenänderung ∆V und die relative Volumenänderung ∆V sind definiert über:
~
∆V = ∆V ⋅ V
~
∆V = (1 +
und
~
~ ~ ρgrün
Vi∆Vi ) ~
−1
ρSinter
i
∑
C-12
Setz man C-11 und C12 diese in C-10 ein, ergeben sich folgende Zusammenhänge:
S = 1−
S
3V
= 1− 3
3
+ ∆V
⇒
S = 1− 3
V
~
V + ∆V ⋅ V
V
⇒
V + ∆V
V
~
S = 1 − 3 1 + ∆V
C-13
C-14
und nach weiterem Einsetzen und Umformen folgt:
~

~ ~  ρgrün

S = 1− 3 1+
Vi ∆Vi ~

 ρS int er
i


∑
C-15
A 11
ANHANG D
D Modellierung der Oxidation von ZrSi2
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse aller für die Ermittlung der Diffusionskoeffizienten
verwendeten Kurven im Einzelnen dargestellt. Es werden die AES-Tiefenprofile und die daran angelegten Regressionsgeraden gezeigt sowie die daraus resultierenden Ergebnisse in
Tabellen dargestellt. Die Modellierung mit diesen Zahlenwerten findet sich bereits in 8.2.1.
Des Weiteren wird gezeigt, dass die große Abweichung der DI -Werte bei den 800°C-Kurven
nur geringen Einfluss auf die Berechnung der Aktivierungsenergie hat.
Ebenfalls werden die x gegen t bzw. x² gegen t -Diagramme dargestellt, die zur Modellierung
der Oxidationsreaktion an Pulvern herangezogen worden sind. Es werden die Regressionsgeraden auf die jeweils betrachteten Kurvenbereiche gelegt und die Geradengleichungen
aufgetragen. Aus der Steigung dieser Geraden wurden die in 8.2.2 verwendeten k-Werte
abgelesen.
Modellierung von Sauerstofftiefenprofilen an bei 600°C getemperten ZrSi2-Proben
70
y = -0,0044x + 67,164
60
Konz. in at%
50
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
40
30
y = -8,8233x + 131,92
20
10
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Tiefe in nm
Abb. D-1:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 600°C, 20 Minuten Probe
A 12
ANHANG D
70
y = -0,0957x + 60,715
60
Konz. in at%
50
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
40
30
y = -1,721x + 112,084
20
10
0
0
20
40
60
80
100
120
Tiefe in nm
Abb. D-2:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 600°C, 360 Minuten Probe
Tab. D-1: Daten für die Modellierung und berechnete D-Werte
600°C und 20 min
600°C und 360 min
Parameter
Parameter
t [sec]
1200
t [sec]
21600
m I [at.%/nm]
-0,004
m I [at.%/nm]
-0,096
m II [at.%/nm]
-8,823
m II [at.%/nm]
-1,721
B [at.%]
131,920
B [at.%]
112,084
c a [at.%]
66,0
c a [at.%]
66,0
xk [nm]
7,487
xk [nm]
28,325
c k [at.%]
59,70
c k [at.%]
59,70
Diff-Koeffizienten:
2
DII [nm /sec]
2
DI [nm /sec]
Diff-Koeffizienten:
0,015
0,141
DII [nm 2/sec]
2
DI [nm /sec]
0,020
0,146
A 13
ANHANG D
Modellierung von Sauerstofftiefenprofilen an bei 700°C getemperten ZrSi2-Proben
70
y = -0,1953x + 66,276
60
O2-Gehalt in at %
50
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
40
y = -2,1832x + 136,96
30
20
10
0
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
Tiefe in nm
Abb. D-3:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 700°C, 20 Minuten Probe
70
60
y = -0,0189x + 66,208
O2-Gehalt in at%
50
Exp
C1
C2
Linear (C2)
Linear (C1)
40
30
y = -0,6666x + 292,44
20
10
0
0
100
200
300
400
500
600
Tiefe in nm
Abb. D-4:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 700°C, 360 Minuten Probe
A 14
ANHANG D
Tab. D-2: Daten für die Modellierung und berechnete D-Werte
700°C und 20 min
700°C und 360 min
t [sec]
1200
t [sec]
21600
m I [at.%/nm]
-0,195
m I [at.%/nm]
-0,019
m II [at.%/nm]
-2,183
m II [at.%/nm]
-0,667
B [at.%]
136,960
B [at.%]
292,440
c a [at.%]
66,0
c a [at.%]
66,0
xk [nm]
35,696
xk [nm]
c k [at.%]
59,70
c k [at.%]
Diff-Koeffizienten:
349,391
59,70
Diff-Koeffizienten:
DII [nm 2/sec]
0,194
DII [nm 2/sec]
0,117
DI [nm 2/sec]
2,426
DI [nm 2/sec]
4,345
Modellierung von Sauerstofftiefenprofilen an bei 800°C getemperten ZrSi2-Proben
70
y = -0,0115x + 57,262
60
O 2-Gehalt in at%
50
40
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
30
y = -0,2866x + 249,35
20
10
0
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
Tiefe in nm
Abb. D-5:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 800°C, 20 Minuten Probe
A 15
ANHANG D
70
y = -0,0025x + 58,563
60
O2-Gehalt in at%
50
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
40
y = -0,1804x + 303,58
30
20
10
0
0
500
1000
1500
2000
2500
Tiefe in nm
Abb. D-6:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 800°C, 60 Minuten Probe
70
60
y = -0,001x + 49,643
O2-Gehalt in at%
50
Exp
C1
C2
Linear (C1)
Linear (C2)
40
y = -0,083x + 552,94
30
20
10
0
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Tiefe in nm
Abb. D-7:
Regressionsgeraden an Tiefenprofil der 800°C, 360 Minuten Probe
A 16
ANHANG D
Tab. D-3: Daten für die Modellierung und berechnete D-Werte
800°C und 20 min
800°C und 60 min
800°C und 360 min
Parameter
Parameter
Parameter
t [sec]
1200
t [sec]
3600
t [sec]
21600
m I [at.%/nm]
-0,012
m I [at.%/nm]
-0,003
m I [at.%/nm]
-0,001
m II [at.%/nm]
-0,287
m II [at.%/nm]
-0,180
m II [at.%/nm]
-0,083
B [at.%]
249,35
B [at.%]
303,580
B [at.%]
552,940
c a [at.%]
66,0
c a [at.%]
66,0
c a [at.%]
66,0
xk [nm]
666,91
xk [nm]
1397,341
c k [at.%]
59,70
c k [at.%]
59,70
Diff-Koeffizienten:
Diff-Koeffizienten:
2
2
DII [nm /sec]
9,329
2
DI [nm /sec]
DII [nm /sec]
2
879,903
xk [nm]
DI [nm /sec]
5994,756
c k [at.%]
59,70
Diff-Koeffizienten:
DII [nm 2/sec]
9,592
2
987,563
DI [nm /sec]
6,550
2157,140
Auswirkungen der unterschiedlichen DI -Werte auf den berechneten Wert der Aktivierungsenergie
Die für 800°C berechneten Diffusionskoeffizienten stimmen nur bedingt überein. Die Anpassungsgüte des Modells an die Messdaten ist jedoch gut, so dass in Kapitel 8.2.1 mit diesen
Werten die Aktivierungsenergien berechnet wurden. In Abbildung D-8 sind die unterschiedlichen DI -Werte der jeweiligen Zeiten dargestellt. Da bei 600°C nur zwei Messpunkte existieren, wird hier keine Trendlinie aufgetragen. Ebenfalls aufgetragen sind die Trendlinien und
deren Geradengleichungen. Dort ist zu sehen, dass sich die Steigungen und die yAchsenabschnitte, und somit auch die daraus resultierenden Aktivierungsenergien, kaum
unterscheiden.
4,5
20 min: y = -17,501x + 18,925
360 min: y = -19,2x + 20,914
3,5
145 kJ/mol
159 kJ/mol
log D I
2,5
log DI_20min
log DI_60min
log DI_360min
Linear (log DI_20min)
Linear (log DI_360min)
1,5
0,5
-0,5
-1,5
0,9
Abb. D-8:
0,95
1
1,05
1,1
1/T * 1000[K]
1,15
1,2
Darstellung der bei unterschiedlichen Temperzeiten berechneten DI -Werte
A 17
ANHANG D
Im Folgenden werden die in 8.2.2 beschriebenen Regressionsgeraden im Kurvenverlauf der
Oxiddickenänderung über die Zeit vorgestellt werden.
0,007
650°C
0,006
700°C
Oxiddicke² in µm²
0,005
0,004
600°C
y = 0,000060x + 0,000345
2
R = 0,928512
650°C
y = 0,000096x + 0,005149
2
R = 0,993757
y = 0,000290x + 0,002026
2
R = 0,995090
700°C
0,003
0,002
0,001
600°C
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
Zeit in min
Abb. D-9:
Parabolische Auftragung der Oxiddicke gegen die Zeit für Temperaturen von 600 bis
700°C und Oxidationszeiten bis 15 Minuten
Oxiddicke in µm
0,4
800°C y = 0,017907x + 0,030693
2
R = 0,999944
0,35
850°C y = 0,018828x + 0,050846
2
R = 0,999953
0,3
900°C y = 0,018075x + 0,035324
2
R = 0,999975
1000°C
1100°C
850°C
900°C
800°C
0,25
950°C
0,2
950°C y = 0,014568x + 0,032508
2
R = 0,999385
0,15
1000°C y = 0,023530x + 0,060119
2
R = 0,999858
0,1
1100°C y = 0,019294x + 0,049826
2
R = 0,999712
0,05
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Zeit in min
Abb. D-10:
Lineare Auftragung der Oxiddicke gegen die Zeit für Temperaturen von 800 bis
1100°C und Oxidationszeiten bis 15 Minuten
A 18
ANHANG D
0,45
600°C y = 0,000064x + 0,043193
2
R = 0,987236
0,40
650°C y = 0,000154x + 0,094325
2
R = 0,995168
0,35
700°C
Oxiddicke in µm
0,30
700°C
y = 0,000386x + 0,124752
2
R = 0,989969
0,25
650°C
0,20
0,15
600°C
0,10
0,05
0,00
0
100
200
300
400
500
600
700
800
Zeit in min
Abb. D-11:
Lineare Auftragung der Oxiddicke gegen die Zeit für Temperaturen von 600 bis 700°C
und Oxidationszeiten ab 100 Minuten
0,6
800°C y = 0,000042x + 0,432655
2
R = 0,989986
850°C y = 0,000061x + 0,396516
2
R = 0,944292
900°C y = 0,000081x + 0,382679
2
R = 0,985693
0,55
1100°C
0,5
Oxiddicke in µm
1000°C
800°C
0,45
850°C
950°C y = 0,000096x + 0,375123
2
R = 0,996756
1000°C y = 0,000119x + 0,409661
2
R = 0,980884
0,4
900°C
950°C
0,35
1100°C y = 0,000238x + 0,415534
2
R = 0,989842
0,3
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
Zeit in min
Abb. D-12:
Lineare Auftragung der Oxiddicke gegen die Zeit für Temperaturen von 800 bis
1100°C und Oxidationszeiten ab 100 Minuten
A 19
ANHANG E
E Sonstiges
Tab. E-1: Sprühparameter für 100g Pulver auf 500g Ethanol. Zuvor wird 1,5min bei 10000U/min und
anschließenden 1,5min bei 80000U/min mit dem Ultra-Turrax dispergiert
TEingang, SOLL:
142
°C
TEingang, IST:
142
°C
TAusgang, SOLL:
110
°C
TAusgang, IST:
91
°C
Gasfluss:
18
m³/hN2
Prozessgas Fliess:
30
mm WS
Prozessgas Druck:
0
mm WS
Gas Zerstäuberrad:
3,5
bar
Zerstäuberrad-Druck:
1,5
bar
Pumpe-Speed:
8
80
70
Volumenanteil in %
60
50
Anlieferungszustand
4h Attritor
10h Attritor
40
30
20
10
0
0,01
0,1
1
10
100
1000
Korngröße in µm
Abb. E-1:
Korngrößenverteilung unterschiedlich lang im Attritor gemahlener ZrSi2-Pulver
A 20
ANHANG E
Theoretische Volumenänderung bei der Phasenbildung von ZrSiO4
Bei der Phasenbildung von ZrSiO 4 aus ZrO2 und SiO 2 wird jeweils ein Mol ZrO2 und ein Mol
SiO 2 eingesetzt:
ZrO2 + SiO 2 à ZrSiO 4
Aus den bekannten Dichten und Molmassen lässt sich die theoretische Volumenänderung
~
∆V der Phasenbildungsreaktion berechnen:
~
∆V =
VZrSiO4
( VZrO 2 + VSiO2 )
−1
Tab. E-2: Stoffkonstanten der verwendeten Edukte
Molmasse [g/mol]
Dichte [g/cm³]
Volumen pro Mol [cm³]
SiO 2
60,1
2,51
23,94
ZrO2
123,0
5,95
20,67
ZrSiO 4
183,3
4,7
38,94
A 21
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