Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches

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Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Bestandsmanagement von Bargeld
als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Schnedlitz, Peter/Teller, Christoph∗
Inhalt
1. Einleitung
2. Bargeldlogistik im Handel
2.1. Bedeutung des Bargeldes als Zahlungsmittel für den Handel
2.2. Differenzierte Betrachtung von Bargeldströmen
2.3. Begriff Bargeldlogistik
2.4. Indikatoren für die Bedeutung der Bargeldlogistik
3. Bestandsmanagement von Wechselgeld als logistisches Aufgabenfeld
3.1. Bargeldbestände in Unternehmen – Gründe und Besonderheiten
3.2. Wechselgeld als spezielle Form des Bargeldbestandes
3.3. Ziel und Aufgaben des Bestandsmanagement
3.4. Bedarfsberechnung im Rahmen des Bestandsmanagement
4. Wechselgeldberechnung im Zuge der Euro-Bargeldeinführung in Österreich
4.1. Allgemeine Problembetrachtung
4.2. Empirische Erkenntnisse über und wissenschaftliche Lösungsansätze zur Wechselgeldproblematik
4.2.1. Identifikation der stark betroffenen Branchen
4.2.2. Struktur von Bargeldtransaktionen in gefährdeten Branchen
4.2.3. Simulation der dualen Währungsphase
4.2.4. Entwicklung einer Berechnungsheuristik für die Duale Phase
4.3. Wechselgeldberechnung für die duale Währungsphase – der EuroCalculus
4.3.1. Module des EuroCalculus
4.3.2. Distribution der Software
4.3.3. Validitätsüberlegungen zum EuroCalculus
5. Resümee
Literaturverzeichnis
∗
Prof. Dr. Peter Schnedlitz ist Vorstand und Dr. Christoph Teller Universitätsassistent der Abteilung für Handel und
Marketing an der Wirtschaftsuniversität Wien
1
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
1. Einleitung
Ab dem 1. Jänner 2002 wurde der Euro in Österreich und in allen anderen Ländern der Europäischen Union,
ausgenommen Dänemark, Großbritannien und Schweden, gesetzliches Zahlungsmittel. Euro-Banknoten und
Euro- bzw. Cent-Münzen wurden damit auch im Alltagsleben relevant. Nach einer Übergangsperiode von zwei
Monaten, der so genannten Dualen Phase, verlor die nationale Währung ihre Eigenschaft als gesetzliches
Zahlungsmittel. Es handelte sich somit um eine Zäsur, für die es in der Forschung kaum empirische Befunde
gibt. In Europa könnten Analogien bei einigen historischen Ereignissen der letzten 50 Jahre gefunden werden.
Dazu zählen die Wiedereingliederung des Saarlandes in die BRD mit dem Umstieg vom Franc zur D-Mark
(1955), der Wechsel vom alten zum neuen Franc in Frankreich (1964), die Währungsunion in Deutschland
(1990) und - mit einigen Einschränkungen - die Umstellung auf das Dezimalsystem in Großbritannien (1971).
Alle diese Ereignisse wurden kaum von wissenschaftlichen Forschungsprojekten begleitet. Nachzulesen sind im
besten Fall journalistische Kommentare, die darauf hinweisen, dass von den betroffenen Menschen in allen
Fällen noch lange in alten Währungen gedacht und wahrgenommen wurde (vgl. Simon/Lauszus/Knelle 1998, S.
798).
Dieses Ereignis bildet den Ausgangspunkt das Phänomen Bargeld als logistisches Objekt zu betrachten. Die
Frage nach der Bedeutung von Bargeld besonders für den Handel und die Besonderheiten des betrieblichen
Aufgabenbereichs der Bargeldlogistik rücken dabei in den Mittelpunkt des Interesses. Die konkrete
Auseinandersetzung mit dem Bestandsmanagement von Bargeld vor dem Hintergrund der Euro-Umstellung
erscheint vor dem Hintergrund der theoretischen Einordnung der Thematik von unmittelbaren praktischen
Interessen.
Die folgenden Ausführungen stellen komprimiert die theoretischen wie auch empirischen Erkenntnisse eines
Forschungsprojekts dar, das in Österreich weitgehende Beachtung gefunden hat. Als Ergebnis wird ein
Bedarfsberechnungsinstrument vorgestellt, das Unternehmen bei der Planung und Durchführung ihrer
Bargeldlogistik unterstützt hat. Eine kritische Reflexion der Funktionsweise zeigt Möglichkeiten und Grenzen
von Prognosemodellen auf und mündet in einer Rückschau auf das bargeldlogistische Jahrhundertereignisses
Euro-Umstellung.
2. Bargeldlogistik im Handel
2.1. Bedeutung des Bargeldes als Zahlungsmittel für den Handel
Die Beschäftigung mit der Funktion des Geldes hat eine lange Tradition in der volkswirtschaftlichen und
betriebswirtschaftlichen Forschung. Lechner/Egger/Schauer (1999, 205) sehen in der Verfügbarkeit von Geld
eine notwendige Voraussetzung für das Ablaufen von betrieblichen Prozessen der Leistungserstellung und –
verwertung. Damit wird die Bedeutung des Management von Werteflüsse wenngleich auf einem abstrakten
Niveau hervorgehoben.
Der Handel im allgemeinen und der Einzelhandel im speziellen ist absatzseitig nach wie vor mit Geld in der
Ausprägungsform von Bargeld konfrontiert, wodurch nicht nur ‚virtuelle Buchgeldflüsse‘ sondern auch
‚physische Bargeldflüsse‘ entstehen. Dies kann vor allem durch die Präferenz der Konsumenten zur Nutzung von
Bargeld bei der Abwicklung von Beschaffungstransaktionen erklärt werden. Die Untersuchung von
Mooslechner/Wehlinger (1997, 64) belegen diese Aussage empirisch für Österreich. Die Abbildung 1 zeigt den
hohen Anteil der Bargeldtransaktionen an den gesamten Transaktionen vor allem in (Einzel-)Handelsbranchen.
Auch in der Handelsbetriebslehre wird die Bedeutung des Geldes im allgemeinen und des Bargeldes im
speziellen hervorgehoben. Angelehnt an die Funktionenlehre des Handels nach Oberparleiter (1955)
konkretisiert Algermissen (1981, 23f) die dort angeführte Kreditfunktion dahingehend, dass neben dem Warenund Kommunikationsfluss auch explizit der Wertfluss zwischen der Produktion und Konsumtion betrachtet wird.
2
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Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
84
84
83
Schuh-/Lederwarenhandel
Kleider-/Textilhandel
Handel mit Möbel/Heimtextilien
Uhren-/Schmuckhandel
,8
9
,1
5
77
,1
6
86
Handel mit
Spielw./Sportart./Musikinstr.
,9
3
86
Kaufhaus/Lagerhaus/
Baumärkte
,1
88
Fahrzeughandel/-zubehör
,1
,3
2
88
Elektrohandel
,2
,0
7
89
Optiker/Fotohandel
,2
4
90
Handel mit
Haushaltsgeräte/Glas/Metallw
90
4
92
Papier/Schreibwaren/Buchhandel
,0
9
6
95
Kunst/Unterhaltung/
Sport/Freizeit
,1
96
Blumenhandlung/Gärtnerei
,2
5
3
,3
96
Lebensmitteleinzelhandel
,3
97
Apotheke/Parfümerie/
Drogerie
,5
4
97
Gasthaus/Café/Hotel/Pension
,7
4
97
,8
1
97
Verkehrsmittel/
Nachrichtenübermittl
100
98
,3
5
Anzahl der Bartransaktionen in Prozent der Gesamttransaktionen je Branche
80
70
%
60
50
40
30
20
Tankstellen/Brennstoffhandel
0
Trafik
10
Quelle: Mooslechner/Wehlinger 1997, 64ff
Abbildung 1: Anteil der Barzahlungen im Verhältnis zu den Gesamttransaktionen je Branche
Der Handel übernimmt dabei die Funktion, die Diskrepanzen der qualitativen, quantitativen, räumlichen und
zeitlichen Verfügbarkeit monetärer Mittel zu überbrücken, womit der Warenfluss durch den entgegenlaufenden
Wertefluss, i. e. Fluss von Zahlungsmittel oder Kreditierung, monetär abgeglichen werden kann (vgl.
Algermissen 1981, 23; vgl. Tabelle 1).
Funktionsbereich Wertfluss
Art der Funktion
Funktionsinhalte
Gestaltung der Zahlungsart (bar, unbar z. B. durch Überweisung oder Kreditkarte)
Qualitativ
Kreditart (z. B. Zielverkauf, Teilzahlungskredit, Wechselkredit)
Gestaltung der Menge und des Umfangs der Zahlung und/oder Kreditierung, i. e. Höhe
Quantitativ
der Preise bzw. Kredithöhe
Planung, Gestaltung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle des direkten, z. B. über
Räumlich
die Kassen des Handels, oder indirekten, z. B. über Banken, Flusses von Zahlungsbzw. Kreditmittel
Durchführung von Vorfinanzierungen, z. B. Vorauszahlungen an Lieferanten, oder
Zeitlich
Gewährung von Zahlungszielen für Kunden
Quelle: adaptiert aus Algermissen 1981, 25
Tabelle 1: Überblick hinsichtlich der Handelsfunktionen bezogen auf den Wertefluss
Ohme (1993, 3f) wiederum sieht in der Steuerung des Geldflusses einen wichtigen und sensiblen Teil des
Leistungsprozesses von Handelsunternehmen. Vor allem für Einzelhandelsunternehmen wird dort der Fluss von
Bargeld als bedeutend angesehen, wobei der Tauschprozess an den Kassen für die Organisation des Geldflusses
in den Mittelpunkt gerückt wird (vgl. Ohme 1993, 99f).
Kotler/Bliemel (2001, 1076ff) identifiziert in der Realisation des Zahlungsflusses eine der zentralen Funktionen
von Distributionsorganen, wozu vor allem Handelsunternehmen im engeren Sinn gezählt werden.
Resümierend kann festgehalten werden, dass Bargeld besonders im Bereich des Handels eine wichtige Rolle bei
der Durchführung von Transaktionen spielt. Dies gilt im besonderen für den Tausch ‚Ware gegen Geld‘ in
Richtung der Absatzmärkte auf Konsumentenebene.
2.2. Differenzierte Betrachtung von Bargeldströmen
Orientiert man sich am Warenfluss, der in einem Einzelhandelsunternehmen auftritt, so können zwei
Bargeldflüsse in unterschiedliche Richtungen identifiziert werden – den Entsorgungs- und den Distributionsfluss
von Bargeld (vgl. Abbildung 2).
3
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Entsorgungsfluss
Im Rahmen des Entsorgungsflusses fließt Bargeld von den Kunden durch das Unternehmen in Richtung der
Banken, der Lieferanten, des Großhandels, der Hersteller bzw. anderer im (Güter-) Distributionssystem
vorgelagerten Distributionsorgane (vgl. Kotler/Bliemel 2001, 1077). Dieser Fluss entsteht durch das Bezahlen
von Rechnungen durch den Kunden an den Kassen und die dadurch ausgelöste Entsorgung von Bargeld zu den
Banken bzw. zu Bargeldlagerstätten, z. B. Tresoren, innerhalb der Unternehmen, um den Bedarf für betriebliche
Ausgaben an Bargeld oder andere Zwecke befriedigen zu können. Dieser Bargeldfluss bewegt sich
entgegengesetzt zum Warenfluss und kann entsprechend als Rückwärts- bzw. Entsorgungsfluss bezeichnet
werden, da das Bargeld von den Einnahmen durch den Verkauf von Waren an Kunden in Richtung der Banken
entsorgt werden muss, um die Bestandskosten von Bargeld im allgemeinen zu reduzieren.
Einzelhandelsunternehmen
Kassa
1
Bank
Bargeldlager
Kunde
Kassa
2
Hersteller
Lieferant
Großhandel
...Warenstrom
...Bargeldströme
Abbildung 2: Bargeldflüsse in Unternehmen
Distributionsfluss
Verglichen mit dem Entsorgungsfluss kann auch innerhalb des Einzelhandelsunternehmen ein Bedarf nach
Bargeld entstehen, wodurch Bargeld von den Banken in die Unternehmen fließt. Innerhalb des Unternehmens
bewegt sich dieser Bargeldfluss in die gleiche Richtung wie der Warenfluss, weshalb dabei von einem Vorwärtsbzw. Distributionsfluss gesprochen werden kann.
Dieser Bargeldfluss wird durch den Bedarf an Bargeld innerhalb eines Unternehmens ausgelöst und untergliedert
sich in folgende Teile:
• Bedarf aufgrund von betrieblichen Ausgaben, z. B. Beschaffung von Waren bzw. Produktionsfaktoren,
Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder Lohn- und Gehaltszahlungen
• Bedarf für Rückgeld an den Kassen zum Abgleich von Disparitäten zwischen den durch den Kunden
gegebenen und zu zahlenden Beträgen
• Rückzahlungen an den Kunden aufgrund von Warenumtausch, Reklamationen oder Garantiefälle.
Diese beiden Flüsse treffen sich in der Regel an Lager- bzw. Umschlagsknoten, z. B. in Tresoren oder
Geldbearbeitungsstellen. Da für die Distribution von Bargeld zur Befriedigung des Rückgeldbedarfs vor allem
wertmäßig kleiner Denominationen1 benötigt werden, erfolgt an diesen Knoten eine Selektion zwischen jenen
(zumeist wertmäßig große) Denominationen, die in Richtung der Banken entsorgt werden müssen und jenen die
geeignet sind, um an die Kassen distribuiert zu werden oder für die Bezahlung von betrieblichen Ausgaben
benötigt werden (zumeist wertmäßig kleine Denominationen). Dies bedeutet, dass bei einem Teil der rückwärts
fließenden Bargeldmengen ein Recycling stattfindet. Dies ist eine Besonderheit der Bargeldlogistik, da
Entsorgungsobjekte, z. B. Reststoffe, in der Regel nicht tauglich sind, in den Vorwärtsfluss ohne zusätzliche
substantielle Bearbeitung eingespeist zu werden (vgl. Göpfert 1999, 205 f).
1
Unter Denominationen werden die einzelnen Banknoten- und Münzkategorien einer Währung verstanden.
4
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Betrachtet man diese einzelnen Bargeldflüsse durch ein Unternehmen, so erkennt man, dass Bargeld einem
Transformationsprozess hinsichtlich Zeit, Ort und Zusammensetzung unterzogen wird. Dies bildet die Grundlage
für die weiteren Auseinandersetzungen mit der Bargeldlogistik auf Unternehmensebene.
2.3. Begriff Bargeldlogistik
Aus den obigen Ausführungen kann ersehen werden, dass es sich beim Management des Bargeldflusses um ein
logistisches Aufgabenfeld handelt. Bargeldflüssen in Unternehmen wurde bisher kein Aufmerksamkeit im
Rahmen von wissenschaftlichen Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund der konzeptionellen Grundlagen
der Logistik geschenkt. Jünemanns (1989, 34f) abstrakte Betrachtung von logistischen Phänomenen erlaubt es,
das Bargeld als Objekt zu identifizieren, das innerhalb eines Unternehmens logistischen
Transformationsprozessen unterworfen ist (vgl. Abbildung 3).
Mittel und Verfahren zur
Druchführung der logistischen
Transformation (Arbeitskraft,
Infrastruktur, Energie, Maschinen
etc.)
Logistischer
Transformationsprozeß
Logistikobjekte
Änderung von Zeit, Ort, Menge,
Zusammensetzung und Qualität in
Logistiksystemen
Logistikobjekte
Quelle: adaptiert aus Jünemann 1989, 34; Jünemann/Schmidt 2000, 4; Zäpfel 2001, 2
Abbildung 3: Logistische Transformationsprozess
In der Literatur erfolgte entsprechend keine Festlegung des Begriffs Bargeldlogistik. Aus diesem Grund
erscheint es praktikabel, eine allgemeine Definition des Begriffs Logistik für die Besonderheiten der
Bargeldlogistik zu adaptieren.
Als Grundlage dafür dient die Logistikdefinition von Klaus (1993, 29). Angelehnt daran wird unter
Bargeldlogistik allgemein eine spezifische Sichtweise verstanden, die wirtschaftliche Phänomene und
Zusammenhänge in Verbindung mit Bargeld als Bargeldfließsysteme interpretiert, um diese nach
Gesichtspunkten der Kostensenkung und Leistungssteigerung zu optimieren, sowie deren Anpassungsfähigkeit
an Bedarfs- und Umfeldveränderungen zu verbessern. Diese Begriffsfestlegung erscheint daher als besonders
geeignet, weil Bargeldlogistik in allen Wirtschaftseinheiten, wenn auch im unterschiedlichen Ausmaß,
stattfindet, z. B. Industrie-, Handels- und Gewerbeunternehmen, sowie Verwaltungs- und Non-ProfitOrganisationen aber auch in Haushalten. Überall dort werden logistische Aufgaben, wie Transport, die
Lagerung, Auftragsabwicklung, Kommissionierung und Verpackung, ausgeführt.
Teller (2002) unternimmt abseits einer Begriffsdefinition den Versuch, die konzeptionellen Grundlagen der
Logistik durch Analogien auf die Bargeldlogistik zu transferieren, wobei sich dort die Ausführungen hinsichtlich
der Gliederung, Aufgabenfelder sowie Kosten und Leistungsbereiche finden.
2.4. Indikatoren für die Bedeutung der Bargeldlogistik
Den Bedeutungsgrad der Bargeldlogistik für Handelsunternehmen zu identifizieren, erweist sich daher als
besonders problematisch, weil das Verhältnis von Barzahlungen im Vergleich zu unbaren Zahlungen, z. B. auf
Basis von Kredit- oder Debitkarten, in jeden Unternehmen sowie in jeder Branche unterschiedlich ist.
Tatsächlich kann als Indikator die durch die Bargeldlogistik anfallenden Kosten und Leistungen herangezogen
werden. In diesem Zusammenhang muss einschränkend auf die pragmatische Feststellung von Seicht (1995,
562) verwiesen werden. Demnach hänge es von der Definition des Begriffs Logistik ab, was unter
Logistikkosten und –leistungen verstanden wird. Dies zeigt sich auch anhand der unterschiedlichen Studien zum
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Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Thema der bargeldlogistischen Kosten. Tabelle 2 gibt einen Überblick hinsichtlich der Resultate und evaluierten
Kostenblöcke:
Autor(en) der Studie Identifizierte Kostenblöcke
Kernbefunde
Zellekens/Rüter
- Handlingkosten
Anteil der Kosten am Umsatz
(1996, 90ff)
- Hintergrundkosten
Drogeriemarkt: 1,2%
(EuroHandelsinstitut
- Kosten der Geldentsorgung
Supermarkt: 1%
1994)
- Ausfallkosten
Lebensmittel-Discounter: 0,81%
Baumarkt: 0,72%
SB-Warenhaus: 0,65%
Parfümerie: 0,56%
(City)Warenhaus (Elektro): 0,42%
(City)Warenhaus (DOB): 0,4%
Textilhaus (Vollsortimenter): 0,25%
Herrenaustatter: 0,21%
Gerling
Kosten der externen Geldentsorgung Kosten in Prozent des bearbeiteten
(1996, 52ff)
durch Geld-/Werttransporteure
Bargeldvolumens
(EuroHandelsinstitut
- Transport
Je nach Leistungsumfang zwischen 0,5 und
1995)
- Zählen
2,5‰
- Sortieren
- Verpacken
Schnedlitz/Waidacher - Personalkosten
Kosten in Prozent vom Umsatz
(1996)
- Zinskosten
Durchschnittlich über die untersuchten
- Risikokosten
Branchen <0,6%
MasterCard
- Bankgebühren
Gewichtung der Kostenblöcke
International
- Geldbearbeitungskosten im Rahmen Geldbearbeitung : 34%
Transportkosten: 25%
(o. J., 2ff)
der Entsorgung und an den Kassen
Risikokosten: 38%
- Risikokosten
Restliche: 3%
- Transportkosten
Tabelle 2: Empirische Befunde zu den Kosten der Bargeldlogistik
Unter Interpretation der vorliegenden empirischen Befunde kann festgehalten werden, dass es sich dabei
lediglich um evaluierbare Ausschnitte der bargeldlogistischen Gesamtkosten handelt. Begründet kann dies
dadurch werden, dass die zurechenbaren Kosten verstreut in vielen Unternehmensbereichen zu finden sind und
daher schwer abgrenzbar erscheinen und somit nicht erfassbar sind. Dieses Thema wird ausführlich vor dem
Hintergrund der Vor-, z. B. Wegfall Bargeldlogistikkosten, und Nachteile, z. B. Zahlung von
transaktionsvariablen Disagioanteilen, des unbaren Zahlungsverkehrs diskutiert. Es lässt sich in diesem
Zusammenhang vermuten, dass es sich ob der Abgrenzungs- und Erfassungsschwierigkeiten um versteckte
Kosten handelt, woraus sich die mangelnde Sensibilisierung für die Thematik erklärt. Die empirischen
Ergebnisse lassen jedoch vor allem für Großbetriebsformen des Handels eine nicht unwesentliche
Kostenbedeutung der Bargeldlogistik vermuten.
Betrachtet man im Gegensatz dazu die Leistungen der Bargeldlogistik, so kann aus den negativen Folgen von
logistischen Fehlleistungen eine weiteres Argument für dessen Bedeutung abgeleitet werden. Beispielhaft sei in
diesem Zusammenhang die mangelnde Verfügbarkeit von Bargeld an den Kassen zur Befriedigung des
Rückgeldbedarfs angeführt. Teller (2002, 158ff) zeigt mögliche Reaktionsalternativen auf solche Fehlmengen an
den Kassen sowie die dadurch ausgelösten negativen Folgen aus Sicht eines Unternehmens auf (vgl. Abbildung
4):
6
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
kurzfristige
Beschaffung von
außerhalb des
Unternehmens
möglich und
sinnvoll
flexibles
Reagieren
möglich
Art der
Anpassung
Reaktionsverhalten
Nein
mögliche negative Folgen für das
Unternehmen
Keine Anpassung
Gutschrift
Wert
Gewährung von Nachlässen
Ausgleich über zusätzliche
Produkte
Nein
Ja
Menge*
Imageverlust
(langfristiger
Kundenverlust)
Mengenauflösung
Reaktionsalternativen
von Unternehmen bei
Fehlmengen in den
Bargeldlägern
Kreditierung
Zahlunsmodalität*
Umsatzentgang
unbare
Zahlungsabwicklung
Beschaffung von anderen
Unternehmen
Ja*
Beschaffung von Banken
zusätzliche Kosten
Beschaffung über Geldund Werttransporteure
*...........................nicht immer mögich/hängt von den Rahmenbedingungen ab
dunkelgraue Füllung...........starke negative Auswirkungen
graue Schrift........geringe negativen Auswirkungen
hellgraue Füllung.......kaum/keine negative Auswirkungen
Abbildung 4: Mögliches Verhalten in Unternehmen bei Fehlmengen an den Kassen
Konkret werden Umsatzentgang, Kundenverlust und/oder zusätzliche Kosten zur Umgehung der
Fehlmengensituation genannt. Auch hier zeigt sich das Problem der Quantifizierung der negativen Folge als
Hindernis zur Darstellung der Bedeutung der Bargeldlogistik. Erst vor dem Hintergrund des Bargeldtausches in
zwölf Staaten der Europäischen Union erlangt das Management der Bargeldlogistik auf Unternehmensebene
weitreichende Anerkennung. Dies passierte vor allem aufgrund der damit verbundenen negativen Folgen auf
Kosten- und Leistungsseite. Ins Zentrum rückte dabei das Bestandsmanagement von Bargeld, im besonderen des
Wechselgeldes. Vor dem Hintergrund des steigenden Anteils der unbaren Transaktionen kann in diesem
Zusammenhang von einer ‚Renaissance der Bargeldlogistik’ gesprochen werden.
3. Bestandsmanagement von Wechselgeld als logistisches Aufgabenfeld
3.1. Bargeldbestände in Unternehmen – Gründe und Besonderheiten
Im Verlauf der logistischen Transformationsprozesse kann die Bildung von Bargeldbeständen aus folgenden
Gründen notwendig werden, wobei sich dies aus der Funktionserfüllung von Bargeldbeständen ergibt:
• Bedarfsschwankungen: Der Bedarf an Bargeld in einem Unternehmen ist nicht immer vorhersehbar bzw.
prognostizierbar und unterliegt Schwankungen.
• Beschaffungs- und Entsorgungsrestriktionen: Der zeitliche Rahmen für die Beschaffung und die Entsorgung
von Bargeld ist zumeist durch die Öffnungszeiten der Banken determiniert. Weiters kann zum
Beschaffungs- und Entsorgungspunkt eine räumliche Distanz bestehen, deren Überwindung zeit- und
kostenintensiv ist.
• Mangelnde Selbstversorgungsmöglichkeiten: Die Einnahmen im Zuge von Transaktionen mit Kunden
können nur bedingt den gesamten Bedarf an Bargeld in einem Unternehmen befriedigen. Aufgrund von
Beschaffungsrestriktionen, z. B. Zeit und Ort der Beschaffung, muss diese mangelnde
Selbstversorgungsmöglichkeit von Bargeld ausgeglichen werden2.
2
Eine empirische Bestätigung dieser Aussage findet in Kapitel 6 statt.
7
Schnedlitz/Teller
•
•
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Beschaffungs- und Entsorgungskosten: Eine bedarfssynchrone Beschaffung und Entsorgung zur
Vermeidung von Bargeldbeständen sind aus Kostengründen nicht immer sinnvoll. Grund dafür ist der hohe
Fixkostenanteil eines Beschaffungs- und Entsorgungsvorgangs.
Recycling von Denominationen: In den Bargeldbeständen kommt es zur Trennung von jenen
Denominationen, die es in Richtung der Banken zu entsorgen gilt, und jenen, die geeignet sind, den
Bargeldbedarf innerhalb eines Unternehmens zu befriedigen. Durch das Recycling von Denominationen
können Beschaffungs- bzw. Entsorgungsvorgänge vermieden werden.
Insgesamt ist dabei die Sicherungs-, Ausgleichs- und Assortierungsfunktion von Beständen bzw. Läger
angesprochen (vgl. Schulte 1999, 178 f). Der Bestand an Bargeld synchronisiert die Beschaffungs- und
Distributionsprozesse sowie die einzelnen Entsorgungsprozesse und überbrückt damit zeitliche aber auch
quantitative Disparitäten.
Bargeldbestände bzw. –läger können als Schnittpunkt zwischen Zu- und Abflüssen von Bargeld gesehen werden
(vgl. Abbildung 5).
Logistischer Transformationsprozess
Ausgleich von Zeit- und Quantitätsdisparitäten
Bank
Zufluß 1
(Beschaffungsmenge)
Abfluß 2
(Entsorgungsmenge)
Bargeldbestände
in Bargeldlägern
(Tresore, Kassen etc.)
differenziert
nach Denominationen
Distributions(Bedarfs-)punkt
Abfluß 1
(Rückgeld/Ausgaben)
Zufluß 2
(Einnahmen)
Kunde/anderes Unternehmen
Beschaffungs-/
Entsorgungspunkt
Abbildung 5: Bargeldbestände als Input-Output-System von Bargeldflüssen
Den ersten Zufluss (1) an Bargeld stellen die Beschaffungsmengen dar, die zusätzlich zu den vorgehaltenen
Bargeldbeständen zur Befriedigung des Bargeldbedarfes (Abfluss 1) bei Kunden, i. e. Rückgeldbedarf, und
anderen Unternehmen, i. e. Auszahlungsbedarf für betriebliche Ausgaben, dienen. Ein weiterer Zufluss (2)
besteht aus den Einnahmen von Zahlungstransaktionen mit den Kunden. Jene Mengen bzw. Denominationen, die
nicht als Abfluss (2) zur Befriedigung des Bargeldbedarfs dienen, werden in Richtung der Banken entsorgt und
dort auf Konten gutgeschrieben. Beide Zuflüsse treffen innerhalb der Bargeldläger zusammen und werden auf
Basis der optimalen Bestandszusammensetzung, welche durch den unterschiedlichen Bedarf an Bargeld
bestimmt wird, verknüpft. Diese Verknüpfung bedeutet, dass jene Zuflüsse durch Einnahmen geeignet sein
können, zusammen mit dem Zufluss vom Beschaffungspunkt den Bargeldbedarf zu befriedigen. Die optimale
Bestandszusammensetzung nach Denominationen entscheidet weiters über die Abfluss- bzw.
Entsorgungsmengen in Richtung der Banken.
Die Struktur von Bargeldbeständen ist gleichzusetzen mit der Denominationsstruktur der Währungseinheit3, d. h.
die Anzahl der gelagerten ‚Artikelgruppen’ im Sinne von unterschiedlichen Bargeldsorten entspricht der Anzahl
der unterschiedlichen Denominationen. Der Bedarf an Denominationen unterscheidet sich entsprechend der Art
des Bargeldbedarfs. Handelt es sich um einen Bedarf an Rückgeld, so müssen tendenziell wertmäßig kleine
Denominationen vorgehalten werden, besteht ein Bedarf an betrieblichen Ausgaben, so sind eher wertmäßig
große Denominationen geeignet, diesen Bedarf zu decken. Begründet kann dies dadurch werden, dass der
jeweilige Bedarf an Bargeld mittels der wertmäßig höchsten und mengenmäßig kleinsten Zusammensetzung an
Denominationen befriedigt werden soll, da dadurch sowohl das Gesamtgewicht als auch das Gesamtvolumen
von Bargeldbeständen optimal gehalten werden kann, was letztendlich Auswirkungen auf das
Lagerhausmanagement hat. Beispielsweise wird ein Bargeldbedarf von EUR 100 am besten mit einer 100 EuroBanknote befriedigt und nicht mit zwei 50 Euro-Banknoten, da es ansonsten bei den Beständen von 50 EuroBanknoten zu vergleichsweise hohen Abflüssen kommt, die es zu berücksichtigen gilt. In weiterer Folge wird ein
solches Vorgehen als optimale Befriedigung des Bargeldbedarfs bezeichnet.
3
Auf die Bestandshaltung von unterschiedlichen Währungen wird in weiterer Folge nicht eingegangen, da die Ausführungen
zu den einzelnen Themen im Bereich Bargeldlogistik analog darauf anwendbar sind. Vor allem die Auseinandersetzung mit
der Dualen Phase im Rahmen der Euro-Bargeldeinführung deckt die Einbeziehung von Fremdwährungen in der
Bargeldlogistik ab.
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Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Im Gegensatz zur Bestandshaltung z. B. von Waren und Materialien können zwei unterschiedliche Zuflüsse und
Abflüsse identifiziert werden, die innerhalb der Bestände verknüpft werden, d. h. in der Regel sind
Logistikobjekte, die entsorgt werden, nicht geeignet, um wieder distribuiert zu werden (vgl. Göpfert 1998, 107
f). Entsprechend fehlen bei den theoretischen Auseinandersetzungen zum Bestandsmanagement die
Berücksichtigung von Entsorgungsflüssen bei der Berechung von optimalen Beständen. Dies bedeutet für die
Bestandshaltung von Bargeld, dass der Bedarf an Bargeld nicht nur von einem externen Beschaffungspunkt
befriedigt werden kann, sondern auch durch die Einnahmen im Zuge des Austauschprozesses mit dem Kunden.
Resümierend bedeutet diese Verschränkung der beiden Zu- und Abflüsse eine Komplexitätserhöhung bei der
Ermittlung des optimalen Bargeldbestandes, da es mehrere Variablen, i. e. der Bedarf an Bargeld und die
Einnahmen im Sinne von Entsorgungsmengen, zu berücksichtigen gilt.
3.2. Wechselgeld als spezielle Form des Bargeldbestandes
Zwar beziehen sich die Ausführungen zum Bestandsmanagement im Rahmen der Bargeldlogistik auf alle in
einem Unternehmen befindlichen Bargeldbestände, jedoch erfolgt an dieser Stelle eine kurze spezifische
Darstellung von Wechselgeldbeständen in Unternehmen.
Wechselgeld bezeichnet Bargeldbestände, „...die im Unternehmen bewusst oder unbewusst vorgehalten werden,
um den Rückgeld-(Auszahlungs-)bedarf an den Kunden, ausgelöst durch die Differenz zwischen den einzelnen
Umsätzen je Kunde und den von den Kunden gegebenen Bargeldbeträgen, aber auch durch
Bargeldauszahlungen, denen kein Umsatz gegenübersteht, zu befriedigen“ (Schnedlitz/Nagler/Teller 2000, 16).
Der Wechselgeldbestand setzt sich entsprechend aus den Bestände der einzelnen Denominationen zusammen.
Dieser hat demnach die Aufgabe, den im Rahmen von Austauschprozessen entstehenden Bedarf an Rückgeld zu
befriedigen. Der Wechselgeldbedarf entspricht nicht dem Rückgeldbedarf, da infolge von Einnahmen Teile der
einfließenden Denomination als Rückgeld dienen können.
Folgende zwei Faktoren erscheinen als wesentlicher Grund für die Existenz des Phänomens Wechselgeld:
• Preisarchitektur von Unternehmen: Die Rechnungsbeträge nehmen aufgrund der überwiegend unrunden
Preise von Produkten zumeist eine unrunde Form an4.
• Restriktion der Brieftasche: Der Kunde verfügt nicht immer über all jene Denominationen, die eine exakte
Zahlung des Rechnungsbetrages ermöglichen.
Dadurch entsteht die Notwendigkeit die Differenz zwischen dem gegebenen Betrag und dem Rechnungsbetrag
abzugleichen. Die Überwindung dieser Disparität wird in den meisten Fällen als Aufgabe der Unternehmen
gesehen und kann somit als Service am Kunden interpretiert werden. Ausnahmen bilden beispielsweise zum
Großteil Warenverkäufe aus Automaten, bei denen der Kunden den Ausgleich im Zuge der Beschaffung der
exakt notwendigen Bargeldmenge zur Zahlung des Rechnungsbetrages durchführt, falls der jeweilige
Automatenmechanismus keine Rückgabe von Bargeld vorsieht.
In den weiteren Ausführungen wird der Fokus auf die bewusst vorgehaltenen Wechselgeldbestände gelegt,
wobei zu berücksichtigen ist, dass alle anderen Bargeldbestände innerhalb des Unternehmens, soweit diese
tauglich sind, die Funktion als Wechselgeld zu erfüllen, zur Befriedigung des Rückgeldbedarfs herangezogen
werden können.
Aufgrund der Zuflüsse an Bargeld bestehend aus den durch die Kunden gegebenen Denominationen entspricht
die Höhe des notwendigen Wechselgeldbestandes nicht der Summe der zur Rückzahlung benötigten
Denominationen. Jener Anteil der Zuflüsse an Denominationen aus den durch den Kunden gegebenen
Bargeldbeträgen, der die Funktion des Wechselgeldes erfüllen kann, wird in weiterer Folge als kommunizierende
Bargeldmenge bezeichnet. Die Berechnung des Wechselgeldbedarfs und in weiterer Folge des
Wechselgeldbestandes gestaltet sich besonders schwierig, da es nicht nur die Rückgeldmengen sondern auch die
kommunizierenden Wechselgeldmengen zu prognostizieren gilt, um damit den Bestand und damit die Kapital-,
Risiko- und Lagerraumkosten möglichst niedrig zu halten.
4
Dies ist vor allem auf die Berücksichtigung der verhaltenspsychologischen Faktoren bei der Preisbildung zurückzuführen,
wobei es zur Bildung von zahlenpsychologischen Preisen oder zur Anlehnung an Preisschwellen kommt (vgl. Scheuch 1996,
333).
Unter runden Preisen bzw. Preisbeträgen sowie Rechnungsbeträgen werden jene Beträge verstanden, die von rechts
beginnend mit der ersten Kommastelle in Schilling und mit der zweiten Kommastelle in Euro eine oder mehrere Nullen
aufweisen. Als rund werden in Schilling und in Euro z. B. folgende Beträge bezeichnet: ATS 1, ATS 30, ATS 400, ATS
7000, EUR 0,4 (40 Cent), EUR 5, EUR 40, EUR 600;
9
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Wie bereits erwähnt, gilt für den Wechselgeldbestand dasselbe wie für alle anderen Bargeldbestände im
Unternehmen, weshalb in diesem Kapitel nicht mehr explizit von Wechselgeldbeständen gesprochen wird. In
weiterer Folge wird auf das Bestandsmanagement im Rahmen der Bargeldlogistik eingegangen.
3.3. Ziel und Aufgaben des Bestandsmanagement
Das Bestandsmanagement beschäftigt sich einerseits mit der quantitativen Struktur von Beständen und dem
Warennachschub, i. e. Bargelddisposition (vgl. Kotzab 1998, 171). Dies umfasst Planungstatbestände zu
Bestellzeiten, Bestellmengen, durchschnittlichen Bestandsmengen und –zusammensetzungen, Sicherheitsbeständen sowie Lieferbereitschaft (vgl. Zimmermann 1999, 393).
Grundsätzlich ist zu den Beständen von Bargeld zu sagen, dass es sich nicht um homogene Mengen handelt. Ein
Bargeldbestand setzt sich aus den Beständen der einzelnen Denominationen zusammen. Zwischen diesen
Denominationsbeständen bestehen folgende Abhängigkeiten:
• Wertmäßig kleinere Denominationen können stets wertmäßig größere Denominationen substituieren, d. h.
trotz Fehlmengen bei einem Denominationsbestand kann der Bargeldbedarf aus einem anderen
Denominationsbestand befriedigt werden.
• Alle Denominationen können von derselben Beschaffungsquelle im selben Beschaffungsvorgang bezogen
werden, d. h. für die Beschaffung der einzelnen Denominationen müssen nicht unterschiedliche Quellen
bzw. Lieferanten gesucht werden. Letztendlich ist dies der Grund, dass stets eine Verbunddisposition
durchgeführt werden kann.
Unter Berücksichtigung dieser Abhängigkeiten zwischen den einzelnen ‚Bestandsartikeln’ verfolgt das
Bestandsmanagement Effizienzkriterien, die sich jedoch an der Gesamteffizienz des Systems Bargeldlogistik zu
orientieren hat, woraus konfliktäre Leistungs- und Kostenziele resultieren. Auf der einen Seite steht die
Gewährleistung einer möglichst hohen Lieferbereitschaft, also der Fähigkeit, den Bedarf an Bargeld durch die
vorgehaltenen Bestandsmengen zu befriedigen, wobei auf der anderen Seite die Minimierung der
Bestandhaltungskosten stehen (vgl. Bichler/Lörsch 1985, 13f). Nachdem die Absatzbedeutung von
bargeldlogistischen Leistungen als eher gering einzustufen sind, kann aus Sicht der Autoren folgendes Ziel für
das Bestandsmanagement formuliert werden (vgl. Bichler/Lörsch 1985, 13f):
Minimierung der Bestandhaltungskosten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der geforderten Lieferbereitschaft5
Die Bestandhaltungskosten lassen sich in folgende Blöcke untergliedern, die es im Rahmen des
Bestandmanagements von Bargeld zu berücksichtigen gilt (vgl. Zimmermann 1999, 393f):
• Kosten für Beschaffungsvorgänge:
- Auftragsabwicklung der Beschaffung
- Transport- und Risikokosten
- Annahmekosten (Zählen (Kontrolle), Einlagerung, Buchung)
- Lagerungskosten
• Bestandskosten (Kosten je Denomination):
- Kapitalkosten
- Kosten für den Lagerraum
- Kosten für Schwund
- Risikokosten
• Fehlmengenkosten:
- Kosten für nicht geplante Beschaffungsvorgänge
- Kosten für Umsatz-, Kunden- und Imageverlust
- Kosten für zusätzliche Beschaffungsvorgänge
- Kosten für die Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs
- Kosten für Mahngebühren
Für die Erreichung der Zielsetzung im Rahmen des Bestandsmanagements gilt es die drei Kostenblöcke zu
minimieren, sodass ein Gesamtkostenminimum entsteht, wobei es dabei Kostenkonflikte zu berücksichtigen gilt
(vgl. Bichler/Lörsch 1985, 14). Die Fehlmengenkosten repräsentieren dabei jene Kosten, die aufgrund einer
suboptimalen Lieferbereitschaft auftreten können.
Neben einer genauen Bestandsadministration, i. e. Bestandsberechung (Höhe des optimalen Gesamt- und
Sicherheitsbeständen sowie Bestellmengen), -führung und –kontrolle, gilt es auf Basis von Bedarfsvorhersagen
5
Diese Formulierung orientiert sich an einen der drei Wegen zur Verfolgung der Gesamteffizienz eines Logistiksystems nach
Schulte (1999, 9) und Zäpfel (2001,41)
10
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
ein geeignetes Dispositionsverfahren auszuwählen. Dies führt über zu den unterschiedlichen Bedarfsarten im
Rahmen der Bargeldlogistik.
3.4. Bedarfsberechnung im Rahmen des Bestandsmanagement
Der Bargeldbestand für eine Periode hat entsprechend der Zielsetzung des Bestandsmanagements dann die
optimale Zusammensetzung und Höhe, wenn der Bedarf an Bargeld denominationsgenau befriedigt werden
kann, ohne dass Fehlmengen auftreten und/oder ein Sicherheitsbestand notwendig wird, also die Höhe des
Bestandes möglichst gering ist. Um genau jene Bestandszusammensetzung und –werte zu ermitteln, mit denen
genau der Bedarf über eine Periode berechnet werden soll, gilt es, einerseits die Bargeldabflüsse, i. e. Bedarf,
und die Bargeldzuflüsse, i. e. Einnahmen, je Denomination so gut wie möglich zu prognostizieren. Da der Bedarf
in der Regel Schwankungen unterworfen ist, gestaltet sich diese Prognose als schwierig.
Die Berechnung des exakten Bargeldbedarfs je Denomination kann dann erfolgen, wenn die einzelnen Zu- und
Abflüsse je Denomination im voraus bekannt sind, d. h. diese determiniert sind. Diese Voraussetzung wird in der
Realität kaum erfüllbar sein. Da jedoch in der Literatur kein Bedarfsprognoseverfahren, das auf die
Besonderheiten des Bestandsmanagement der Bargeldlogistik berücksichtigt fehlt, erweist sich folgende durch
die Autoren entwickelte Formel als einzige Grundlage für die Lösung dieses Prognoseproblems:
N
c id = ∑ t id , i = 0, 1, 2, ..., N
i =0
{ }
D dk = min c id
d...Spezifische Denomination, z. B.1 Euro
i...Durch den Verlauf der Beobachtung determinierte Transaktion (i - te Transaktion)
N ... Gesamtanzahl der beobachteten Transaktionen
t id ...(Mengenmäßiger) Zu - (positiver) und Ab - (negativer)Flusswert der Denomination d bei der i - ten Transaktion
c id ...Kumulierte Zu - und Abflusswerte einer Denomination d über i Transaktionen
D dk ...Exakte Bedarf für die Denomianation d bei k Transaktionen
Formel 1: Berechnungsformel für den exakten Wechselgeldbedarf
Dadurch kann der exakte Bargeldbedarf, i. c. Wechselgeldbedarf, für eine Denomination ex post errechnet
werden. Folgende Einschränkungen müssen dabei berücksichtigt werden:
• Zur Berechnung des exakten Bargeldbestandes muss die Höhe der Ab- und Zuflüsse aller Denominationen
bekannt sein. Entsprechend ist jene Berechnungsformel lediglich beim Vorhandensein eines
deterministischen Bargeldbedarfs einsetzbar.
• Zusätzlich dazu ist es erforderlich, die Abfolge der Zu- und Abflüsse zu kennen.
Unter Anbetracht dieser Einschränken lässt sich folgende Berechnungsheuristik erstellen, mit Hilfe derer
empirische Beobachtungswerten, i. e. Zu- und Abflüssen von Denominationen an Kassen, unternehmensspezifische Bedarfe je Transaktion und Denomination ermittelt werden, auf Basis derer durch Extrapolation zukünftige
Bedarfswerte in Form von Schätzwerte ermittelt werden können. Dieser Heuristik kann aus Abbildung 6 ersehen
werden:
11
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Input
Heuristik
Output
START
Daten aus
repräsentativen
Transaktionsbeobachtungen
Berechnung der kumulierten Differenzen der
Zu- und Abflüsse je Denomination über den
beobachteten Transaktionsverlauf
kumulierte Zu- und Abflusswerte
entsprechend der realen und
permutierten
Transaktionsabfolgen
Permutationen des beobachteten
Transaktionsablaufs und Berechnung der
kumulierten Differenzen für permutierte
Abläufe
Wechselgeldbedarf/-bestand für
den beobachteten Zeitraum
Ermittlung der Minimumwerte für die
einzelnen kumulierten Denominationsab- oder
zuflüsse
Minimum-werte
sind positiv?
Ja
Denominationen, für die kein
Wechselgeldbedarf entsteht
Nein
Auswahl des höchsten Minimumwertes aus
den einzelnen Transaktionsabläufen je
Denomination
Division der höchsten Minimumwerte je
Denomination durch die Anzahl der
beobachteten Transaktionen
charakteristische Abflusswerte je
Denomination und Transaktion
Multiplikation der charakteristischen
Abflusswerte je Denomination mit der Anzahl
der erwarteten Transaktionen im
Berechnungszeitraum
Wechselgeldbedarf/-bestand der
einzelnen Denominationen für
den Berechnungszeitraum
charakteristische Abflusswerte je
Denomination und Transaktion
Anzahl der zu erwartenden
Anzahl an Transaktionen im
Berechnungszeitraum
STOP
Abbildung 6: Berechnungsheuristik für den Wechselgeldbedarf
Der wesentliche Schwachpunkt dieser Heuristik liegt zweifelsohne darin, dass es für sehr heterogene
Transaktionen hinsichtlich deren Denominationszu- und –abflüssen schwierig erscheint, eine entsprechend
repräsentative Beobachtung durchzuführen. Weiters enthalten die so berechneten Werte keine Sicherheitspuffer.
Unvorhergesehene Veränderungen der Höhe der Abflüsse können somit zu Wechselgeldengpässen führen.
Tatsächlich erscheint jedoch eine solche Berechnung als gangbarer Weg, um den Wechselgeldbedarf zu
berechnen. Sobald die charakteristischen Werte ermittelt wurden, kann durch eine einfache Multiplikation mit
der prognostizierten Transaktionsanzahl leicht errechnet werden.
Zusätzlich kann mit Hilfe dieser Vorgehensweise auch jene Anzahl an Denominationen berechnet werden, die in
die Kassa einfließen und zum Teil entsorgt werden müssen. Hierzu müssen lediglich charakteristische
Zuflusswerte berechnet werden. Diese Zuflusswerte sind jene Minima, die einen positiven Wert annehmen.
Auch hier kann durch die Multiplikation mit der zu erwartenden bar zahlenden Kunden die Anzahl der
12
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
einfließenden Denominationen ermittelt werden, wodurch ein Instrument geschaffen ist, mit dem die Entsorgung
von Bargeld geplant werden kann.
Eine pragmatische Umsetzung erfuhr diese Berechnungsheuristik im Zuge des Bargeldtausches in Österreich zur
Beginn des Jahres 2002. Zu diesem Zeitpunkt löste der Euro den Schilling als offizielles Zahlungsmittel ab.
4. Wechselgeldberechnung im Zuge der Euro-Bargeldeinführung in Österreich
4.1. Allgemeine Problembetrachtung
Durch den Bargeldtausch in den ersten beiden Monaten 2002, i. e. Duale Phase, taten sich verschiedene
Problemfelder auf bzw. konnten zahlreiche Problemtreiber ex ante identifiziert werden. Abbildung 7 gibt einen
Überblick zu den unterschiedlichen Herausforderungen für Handelsunternehmen:
Problemfeld 4
Auftragsabwicklung auf Basis
von Euro-Werten
Problemfeld 3
erhöhte Transportmengen
und -werte
Problemfeld 2
erhöhte Lagermengen
und -werte
Problemfeld 1
umfangreichere
Geldbearbeitung
Problemtreiber 1
Geringe Mengen an bestimmten
Euro-Denominationen bei
Konsumenten
Problemtreiber 3
eingeschränkte
Beschaffungszeiten bei Banken
Einzelhandelsunternehmen
EUR
EUR
Bank
R
/ EU
ATS
ATS/EUR
ATS
/E
EUR
R
EU
S/
AT
Bargeldlager
Kassa
1
EUR
AT
S/E
UR
UR
S/ E
AT
EUR
UR
EUR
Kunde
Kassa
2
Hersteller
Lieferant
Großhandel
Problemtreiber 2
gebrochene Rückgeldbeträge in
Euro
...Warenstrom
...Bargeldströme
Abbildung 7: Problemtreiber und -felder innerhalb der Bargeldlogistik während der Dualen Phase
Besonders für die Berechnung des benötigten Wechselgeldbestandes zu Beginn der Dualen Phase erwies sich als
ungelöstes Problem und wurde durch folgende Faktoren erschwert (vgl. Schnedlitz/Nagler/Teller 2000, 24):
• Das veränderte Zahlungsverhalten im Umstellungszeitraum weg von den Münzen hin zu den Banknoten
aufgrund des fehlenden Vorhandenseins von Münzen in den ersten Tagen bei der Bevölkerung und der
Unsicherheit der Kunden im Umgang mit der neuen Währung
•
Gebrochene Preise und damit unrunde Rechnungsbeträge durch direkte Umrechnung von ATS auf EURO
•
Fehlendes Wissen um den Prozentsatz an mit EUR und ATS zahlenden Kunden
•
Gesteigertes Münzaufkommen durch die hohen Denominationswerte der EURO-Banknoten
•
Mangelndes Wissen um die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der Bargeldströme in Unternehmen
•
Unzureichende Vorbereitung der Unternehmen auf die neue Währung
•
Notwendigkeit zur frühen Wechselgeldbedarfsmeldung bei den Banken, um Beschaffungsengpässen zu
Jahreswechsel zu umgehen
Aufgrund der makrologistischen Rahmenbedingungen wurde mit einem erhöhten Wechselgeldbedarf gerechnet,
nicht zuletzt weil die Unternehmen neben den Banken und Geldausgabeautomaten die wesentliche
Distributionsfunktion von niedrigen Denominationen, vor allem Euro- und Cent-Münzen, unfreiwillig’
übernahmen.
13
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Dies war der Auslöser für die Entwicklung des Lagerplanungsinstruments ‚EuroCalculus’, das österreichweit zur
Lösung des Wechselgeldproblems in Unternehmen in ‚bargeldintensiven Branchen’ eingesetzt wurde.
4.2. Empirische Erkenntnisse über und wissenschaftliche Lösungsansätze zur
Wechselgeldproblematik
4.2.1. Identifikation der stark betroffenen Branchen
Innerhalb von Bargeldbranchen gibt es solche, die stärker von der Wechselgeldproblematik im Zuge der EURBargeldeinführung betroffen waren als andere. Um diese zu identifizieren, wurde zwei empirische Studien
durchgeführt. Einerseits befragte man Experten aus ausgewählten Branchen des Einzelhandels und Gewerbes zu
Gefährdungsfaktoren, die das Auftreten von Wechselgeldengpässen in der Einführungsphase negativ
beeinflussen können6. Die Antworten zu den einzelnen Branchen wurden zueinander gewichtet und im Rahmen
eines Scoringmodells gegenübergestellt. Weiters untersuchte man das Bargeldzahlungsverhalten der Österreicher
im Rahmen einer Repräsentativbefragung7. Dabei interessierte vor allem, welche Unternehmen bzw. Branchen
zu Wochenbeginn von den Konsumenten angesteuert wurden.
Die Ergebnisse beider Studien wurden einander gegenübergestellt. Die Durchschnittsmenge bezeichnet jene
Branchen, die eine wesentliche Rolle bei der Distribution von EUR-Bargeld im Zuge der
Austauschtransaktionen mit Kunden spielen werden (vgl. Abbildung 8). Daraus resultiert, dass dort ein
besonders hoher Bedarf an Wechselgeld besteht und die Gefahr für das Auftreten von Wechselgeldengpässen
entsprechend groß ist.
ERGEBNISSE DER EXPERTENBEFRAGUNG
Automobilhandel
ERGEBNISSE DER REPRÄSENTATIV-BEFRAGUNG
Möbelhandel
Spielwarenhandel
Lebensmittelhandel
Sporthandel
Gastronomie
Parfümerien/Drogerien
Textilhandel
Baustoffhandel
Tabakhandel (Trafiken)
Bäckergewerbe
Papier-/Buchhandel
Elektrohandel
Kino/Disco
Taxigewerbe
Tankstellenunternehmen
(Kaffee-)
Automaten
Schuhhandel
Verkehrsbetriebe
Lederwarenhandel
Apotheken
Eisenwarenhandel
Uhren- und
Schmuckhandel
Blumenhandel
Quelle: Schnedlitz/Nagler/Teller 2000, 16
Abbildung 8: Gefährdeten Branchen
6
Die telefonische standardisierte Befragung mit offenen und geschlossenen Fragen richtete sich an 34 Experten. Die
Antworten wurden gewichtet und mit Punkten bewertet. Die Punktesummen der einzelnen Branchen wurden einander
gegenübergestellt. Dieses qualitative Vorgehen wurde durch die Heterogeniät der Unternehmen innerhalb der Branchen
notwendig. Es wurde das Vorliegen folgender Gefährdungsfaktoren untersucht: durchschnittliche Anzahl von Kunden pro
Tag, Anteil der unbaren Zahlungen am Gesamtumsatz, durchschnittlicher Umsatz je Kunde, Anzahl der gekauften Artikel je
Kunde, Rundungsstelle der Preise in ATS, zu erwartende Rundung von EUR-Preisen, Anteil der Waren mit hoher
Kauffrequenz im Sortiment, Vorhandensein von Umsatzspitzen zu Wochen-, Monats- und Jahresbeginn, branchenübliche
Öffnungszeiten, Sonn- und Feiertagsöffung, weitere potentielle Probleme im Zuge der EUR-Bargeldeinführung. Diese
einzelnen Gefährdungsfaktoren flossen in weiterer Folge in die Risikoanalyse im Rahmen des
Wechselgeldberechnungsmodells EuroCalculus ein.
7
Die mündliche Befragung von 1000 Personen wurde im Rahmen einer Fessl-GfK-Omnibusbefragung durchgeführt. Es
wurde erhoben, ob, wo und in welcher Reihenfolge die Befragten am letzten Montag (bezogen auf die Woche der Befragung)
mit Bargeld gezahlt haben. Die Kernergebnisse stellen sich wie folgt dar: 53,6% haben am letzten Montag mit Bargeld
gezahlt. 17% haben einmal, 13% zweimal, 10% dreimal und 10% öfter als dreimal mit Bargeld am Montag gezahlt. Die
häufigsten Gelegenheiten bei denen am Montag mit Bargeld gezahlt wurde, waren: 24,8% im Lebensmitteleinzelhandel,
24,7% in der Gastronomie, 15,1% in der Trafik, 9,4% an der Tankstelle und 5,9% beim Bäcker.
14
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
4.2.2. Struktur von Bargeldtransaktionen in gefährdeten Branchen
Aus den als besonders betroffenen Branchen wurden je drei heterogene Unternehmen ausgewählt, in denen
jeweils einen Tag lang alle baren und unbaren Transaktionen, i. e. zu- und abfließende Geldbeträge, beobachtet,
dokumentiert und nach deren Struktur ausgewertet wurden. Gesamt gesehen fanden mehr als 10.000
Transaktionen in der Analyse Berücksichtigung. Daraus ließen sich vor allem Erkenntnisse über das
Barzahlungsverhalten der Kunden ableiten. Folgende Kernergebnisse lassen sich zusammenfassen:
• Rechnungsbeträge: Der durchschnittliche Rechnungsbetrag je Transaktion variierte je Branche und reichte
von rund ATS 24 bei den Bäckern bis rund ATS 160 bei den Tankstellen
•
Unternehmen als ‚Münzdistributeure‘: Der Anteil des Rückgeldes schwankte je Branche und reichte von
mehr als 200% bei den Bäckern bis 65% des Umsatzes bei Parfümerien bzw. Drogerien. Dabei kam es
zumeist zu einem Zufluss von (großen) Banknoten und immer zu einem Abfluss von Münzen.
•
Exaktes Zahlen durch den Kunden: Der Rechnungsbetrag wurde von den Kunden je nach Branchen
zwischen 9% (Lebensmitteleinzelhandel) und 27% (Tankstellen) genau begeben.
•
Kooperatives Zahlen: Mehr als 8 % (Minimumwert beim öffentlichen Verkehr) der Kunden halfen bewusst
mit, den Rückgeldbetrag minimal zu halten.8
•
Professionelles Zahlen der Kunden: Der vom Kunden gegebene Betrag wurde zu mehr als 85%
(Minimumwert beim öffentlichen Verkehr) in den höchst möglichen Denominationen begeben.
•
Professionelles Kassieren: Das Kassierpersonal gabt zu mehr als 90% (Minimumwert bei den Trafiken) das
Rückgeld in den höchst möglichen Denominationen heraus.
Gerade beim Zahlungsverhalten der Kunden waren die hohen Prozentsätze deshalb erwähnenswert, da dieses
Verhalten nicht zuletzt durch den in den Brieftaschen vorhandenen Vorrat an den benötigten Denominationen
abhängig war, i. e. die Restriktion der Brieftasche. Es ließ sich folgern, dass die beobachteten Kunden ‚Profis’
im Umgang mit Bargeld waren und ein kooperatives Zahlungsverhalten erkennen ließen. Dies war letztendlich
für die Darstellung der EUR-Bargeldeinführungssituation von wesentlicher Bedeutung ist.
4.2.3. Simulation der dualen Währungsphase
Um weitere Erkenntnisse über den Bargeldfluss innerhalb aber auch zwischen Unternehmen, Banken und
Geldausgabeautomaten zu gewinnen, wurden die Beobachtungsdaten in ein für die Österreichische Nationalbank
entwickeltes Simulationsmodell (CashSimP) eingespeist9. Anhand von Simulationsdurchläufen in denen
wichtige Parameter verändert wurden, konnten die für die Wechselgeldberechungen wesentliche Mechanismen
identifiziert werden. Ohne näher auf Details einzugehen, sollen die Kernbefunde dargestellt werden.
In der Umstellungsphase sind die Unternehmen in Bargeldbranchen unterschiedlich stark betroffen. Jene
Unternehmen, die zu Beginn bzw. häufig von Kunden angesteuert werden, trugen die Hauptlast der
Währungsumstellung, d. h. diese distribuieren kleine EUR-Denominationen durch das Rückgeld je Kunden und
entsorgen ATS-Denominationen. All jene Unternehmen, die erst in weiterer Folge aufgesucht werden,
bekommen bereits jene kleinen EUR-Denominationen, die zuvor an die Konsumenten von den zu Beginn
aufgesuchten Unternehmen herausgegeben wurden. Der Wechselgeldbedarf war entsprechend kleiner. Dies kann
mit dem Befruchtungsprozess von Pflanzen durch Bienen verglichen werden. Die Kunden stellen dabei die
Bienen dar, die den Pollen, also die kleinen EUR-Denominationen, von Blüte zu Blüte, i. e. Unternehmen,
tragen. Dieses Verteilungsprinzip galt es vor allem bei der Einstufung des Wechselgeldbedarfs zu
berücksichtigen. Konkret hieß dies, dass z. B. ein Lebensmitteleinzelhändler einen höheren Wechselgeldbedarf
hat als beispielsweise ein Elekrohändler.
8
Kooperatives Zahlen wird umgangssprachlich auch als „Aufzahlen“ bezeichnet, d. h. der Kunde gibt zwar nicht den
genauen Rechnungsbetrag, sondern eine hohe Denomination, zahlt aber den Münzanteil dazu. Ein Beispiel aus den Trafiken:
Der am häufigsten beobachtete Rechnungsbetrag war ATS. Die am häufigsten gegebenen Beträge durch den Kunden waren
ATS 41 (exaktes Zahlen), ATS 101 (kooperatives Zahlen), ATS 100, ATS 51 (kooperatives Zahlen) und ATS 50. Durch das
kooperative Zahlen bzw. Aufzahlen verringert sich der stückmäßige Wechselgeldbetrag erheblich.
9
Das Simulationsmodell CashSimp wurde vom Information Design Institute entwickelt.
15
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
4.2.4. Entwicklung einer Berechnungsheuristik für die Duale Phase
Auf Basis der oben dargestellten Berechnungsheuristik und der empirischen Erkenntnisse wurde versucht, die
Besonderheiten der Dualen Phase zu berücksichtigen. Hierzu mussten die ATS-Transaktionen in Euro- und
gemischte Transaktionen durch logische Überlegungen übergeführt werden und die Penetrationsrate von EURMünzen und –Banknoten an den einzelnen Tagen der Dualen Phase geschätzt werden. Abbildung 9 zeigt
überblicksartig die Funktionsweise der adaptierten Berechnungsheuristik auf dessen logischen Zusammenhänge
in weiterer Folge kurz eingegangen wird.
Erhebung von repräsentativen
Transaktionen (Typ A) eines
Unternehmens (Betriebstyp/Branche)
Überleitung der Schilling-Transaktionen
Ermittlung der charakteristischen
Wechselgeldberechnungswerte für den
Transaktionstyp E (Minima und Permutation)
Ermittlung der charakteristischen
Wechselgeldberechnungswerte für den
Transaktionstyp M (Minima und Permutation)
Prognose der Anzahl an Transaktionen an
den einzelnen Tagen der Dualen Phase
Identifikation des Anteils der Transakationen des
Typs E
entsprechend der Penetrationswerte an den einzelnen
Tagen der Dualen Phase
Identifikation des Anteils der Transkationen
des Typs M
entsprechend der Penetrationswerte an den einzelnen
Tagen der Dualen Phase
Multiplikation der charakteristischen Werte mit der
prognostizierten Anzahl an Transaktionen des Typs
E für die einzelnen Tage der Dualen Phase
(=Wechselgeldbedarf E)
Multiplikation der charakteristischen Werte mit der
prognostizierten Anzahl an Transaktionen des Typs
M für die einzelnen Tage der Dualen Phase
(Wechselgeldbedarf M)
Zusammenführung des
Wechselgeldbedarfs aus den
Transaktionen vom Typ E und M
Stückgenauer Wechselgeldbedarf in Euro
je Denomination für die einzelnen Tage
der Dualen Phase
Abbildung 9: Berechnungsheuristik für die Duale Phase
4.2.4.1. Überleitung von ATS- zu EUR-Transaktionen bzw. Mischtransaktionen
In der dualen Währungsphase müssten für die Berechnung des EUR-Wechselgeldes zwei Transaktionstypen
berücksichtigt werden. Einerseits traten gemischten Transaktionen, d. h. der Kunde gibt ATS und bekamen EUR
heraus, und reine EUR-Transaktionen, d. h. der Kunde gibt EUR und bekommt EUR heraus, auf. Da vor dem 1.
Jänner 2002 keine der beiden Typen beobachtet werden können, mussten die beobachteten ATS-Transaktionen
so übergeleitet werden, dass die Struktur der Bargeldzahlungen erhalten blieben. Dies gestaltete sich deshalb als
schwierig, da die Anzahl und der Wert der EUR-Denominationen ein anderer war. Der
Überführungsmechnismus ist aus Abbildung 10 ersichtlich.
16
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Gegebene Beträge in ATS durch
den Kunden
Logische Überführung unter Berücksichtigung der
gegebenen Denominationen und des kooperativen/
exakten/professionellen Zahlungsverhaltens
Gegebene Beträge in EURO
durch den Kunden
Rechnungsbeträge je
Transaktion in ATS
exakte Umrechnung
Rechnungsbeträge je
Transaktion in EURO
Rückgeld je Transaktion in ATS
exakte Umrechnung unter Berücksichtigung des
professionellen Auszahlungsverhaltens durch das
Kassierpersonals
Rückgeld je Transaktion in
EURO
Quelle: Schnedlitz/Nagler/Teller 2000; 86
Abbildung 10: Überführungsmechanismus von ATS-Transaktionen
Nachdem sich die detaillierte Beschreibung dieser Überführungslogik als sehr umfangreich darstellt, wird an
dieser Stelle darauf verzichtet. Gesamt gesehen kann gesagt werden, dass im Rahmen dieser logischen
Umrechnung stets kleine Sicherheitspolster eingebaut waren. Weiters fand das Distributionsverhalten der
Geldausgabeautomaten in der Verwendung von bestimmten EUR-Denominationen durch den Kunden
Berücksichtigung10. Eine Gegenüberstellung der gegebenen Beträge durch den Kunden in der ATS- und EURSituation zeigte, dass dadurch das Zahlungsverhalten strukturgleich übergeführt werden konnte.
Auf Basis der umgerechneten Bargeldtransaktionen konnten die beiden relevanten Transaktionstypen dargestellt
werden. Entsprechend ließen sich wie für die ATS-Situation je Branche die charakteristischen Wechselgeldwerte
berechnen.
4.2.4.2. Pentetration von EUR-Bargeld
Die für die Berechnung des Wechselgeldes relevanten Transaktionstypen wurden über die duale Währungsphase
in einem veränderlichen Verhältnis zueinander geschätzt. Zu Beginn der EUR-Bargeldeinführung war der
Prozentsatz der mit ATS zahlenden Kunden im Vergleich zu jenem mit EUR zahlenden hoch und wurde am
ersten Tag mit 90% zu 10% geschätzt. Dieser Wert orientiert sich an der Studie von Colman (2000), wo der
Minimumwert der EUR-Zahlungen am ersten Tag zwischen 10 und 20% vermutet wurde (vgl. Colman 2000, 6).
Nach 59 Tagen, also am Ende der Umstellung in Österreich würden auf Basisn von Schätzungen alle Zahlungen
in EUR erfolgen (100%)11. Der Verlauf der Kurve wurde auf Basis logischer Überlegungen konstruiert (vgl.
Abbildung 11).
10
Bankomaten geben in der Schillingsituation 100 und 1000 ATS-Banknoten aus. Ab dem 1. Jänner 2002 werden es 10 und
100 EUR sein. Das Ausgabeverhalten wird aufgrund der Distributionsproblematik jedoch ein anderes sein. Will man 100
EUR vom Bankomaten haben, so bekommt man zehn 10 EUR-Banknoten. Will man ein Vielfaches von 100 EUR
ausgegeben haben, so bekommt man den ersten 100er in 10 EUR-Banknoten und den Rest in 100 EUR-Banknoten. Damit ist
gewährleistet, dass genügend 10 EUR-Banknoten in den Umlauf kommen, wodurch sich das Wechselgeldproblem zu einem
gewissen Grad entschärft.
11
§ 2 Artikel 1 72. Bundesgesetz: Eurogesetz und Änderung des Scheidemünzengesetzes 1988 und des Nationalbankgesetzes
1984 (NR: GP XXI RV 174 AB 244 33. BR: AB 6190 667):
„Mit Ablauf des 28. Februar 2002 verlieren die auf Schilling lautenden Banknoten und die auf Schillung und Groschen
lautenden Scheidemünzen ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel“
17
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
geschätzte €-Penetrationskurve
Sektor F
100%
90%
Sektor D
80%
Sektor C
Sektor E
70%
60%
50%
40%
30%
Sektor B
20%
10%
Sektor A
30
.
31 12.
. 0
01 12.01
. 1
02 01.0
.
03 01. 2
. 0
04 01.02
. 2
05 01.0
.
06 01. 2
. 0
07 01.02
.
08 01. 2
. 0
09 01.02
. 2
10 01.0
.
11 01. 2
. 0 02
12 1.0
.
13 01. 2
. 0
14 01.02
.0 2
15 1.0
.
16 01. 2
. 0
17 01.02
. 2
18 01.0
.
19 01. 2
. 0
20 01.02
.
21 01. 2
. 0
22 01.02
. 2
23 01.0
.
24 01. 2
. 0
25 01.02
. 2
26 01.0
.
27 01. 2
. 0
28 01.02
.0 2
29 1.
. 0
30 01.02
. 2
31 01.0
.
01 01. 2
. 0
02 02.02
.
03 02. 2
. 0
04 02.02
. 2
05 02.0
.
06 02. 2
. 0 02
07 2.0
. 2
08 02.0
.
09 02. 2
. 0 02
10 2.0
.
11 02. 2
. 0
12 02.02
.0 2
13 2.0
.
14 02. 2
. 0
15 02.02
.0 2
16 2.0
.
17 02. 2
. 0
18 02.02
.0 2
19 2.
. 0
20 02.02
. 2
21 02.0
.0 2
22 2.
. 0
23 02.02
.
24 02. 2
. 0 02
25 2.0
. 2
26 02.0
.
27 02. 2
. 0
28 02.02
. 2
01 02.0
.
02 03. 2
. 0 02
3.
02
0%
Abbildung 11: Euro-Penetrationskurve
Die Steigung und damit die Punktewerte wurden je Kurvensektor wie folgt hergeleitet:
Sektor A: Am 1. Jänner 2002 zahlen rund 10% der Kunden mit EUR-Bargeld. Dieser Wert kommt wie folgt
zustande: Kunden haben ab dem 17. Dezember 2001 die Möglichkeit sog. Starterpakete um rund ATS 200 (EUR
14,54) bei den Banken und Postämtern zu kaufen, die aus unterschiedlichen EUR-Münzen zusammengesetzt
sind (vgl. Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr 2000, 10)12. Weiters werden ab Null Uhr
des 1. Jänner 2002 nur mehr EUR-Bargeld bei den Geldausgabeautomaten distribuiert. Nicht zuletzt bekommen
die Kunden in Unternehmen, die am 1. Jänner 2002 geöffnet haben, EUR-Bargeld als Rückgeld heraus.
Sektor B: In diesem Zeitraum werden Konsumenten aber auch Unternehmen ihre Bargeldreserven im Zuge von
Austauschprozessen loswerden (wollen), weshalb die Steigung der Kurve etwas verflacht.
Sektor C: Es werden nach und nach die ATS-Bargeldreserven vor allem der Konsumenten zur Neige gehen und
ein zwangsweiser Umstieg auf EUR-Bargeld erfolgen. Folgende Gründe können für diese große Steigung der
Kurve und damit für die rasche nahezu ausnahmslose Nutzung von EUR-Bargeld angeführt werden: In den
Haushalten sind rund 16 Milliarden an Bargeld einerseits als Reserve und andererseits in den Brieftaschen
vorhanden (Österreichische Nationalbank 2000, o. S.). Nimmt man an, dass die Konsumenten diese Bestände
nicht bei den Banken einwechseln und nur über den Kauf- bzw. Konsumprozess loswerden, wird dieser Betrag
innerhalb weniger Wochen abgeschöpft, da allein der Einzelhandel pro Tag durchschnittlich mehr als 1,5
Milliarden umsetzt. Zwar gibt es im Einzelhandel Branchen, die fast ausschließlich unbare Umsätze haben, z. B.
der Automobilhandel, aber andererseits gibt es auch Gewerbebranche, z. B. Gastronomie, die ausschließlich bar
abrechnen.
Sektor D: Fast alle Kunden zahlen mit EUR-Bargeld. Nur wenige lösen nach und nach ihre Bargeldreserven auf.
Sektor F: Dieser Abfall der Kurve wurde in Expertenkreisen als „Gurkenglasphänomen“ bezeichnet. Hier
kommt es zur Auflösung der letzten Bargeldreserven aus ‚Sparstrümpfen’ und ‚Gurkengläsern’, da am 1. März
2002 der Schilling kein offizielles Zahlungsmittel mehr ist und daher nur mehr in Banken bzw. der Nationalbank
umgewechselt werden kann. Die Unternehmen sind nicht mehr verpflichtet, ATS anzunehmen.
12
Solche Münzstartpakete waren auch für Unternehmen bereits ab dem 1. September 2001 im Gegenwert von rund ATS
2000 (EUR 145,5) in den Banken erhältlich (vgl. Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr 2000, 24f).
Individuelle Vorverteilungsmengen konnten zusätzlich und/oder alternativ dazu ab dem selben Zeitpunkt durch Unternehmen
bezogen werden (vgl. Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr 2000, 24f). Dies schloss im Gegensatz zu
Konsumenten EUR-Banknoten mit ein.
18
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Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Sektor G: Dies beschreibt die eingeschwungene EUR-Situation, wie sie sich vor dem Jahreswechsel in ATS
darstellte.
Es sei an dieser Stelle nochmals erwähnt, dass der Kurvenverlauf mit den einzelnen Punkten eine Schätzung
darstellte. Diese war jedoch notwendig, um das Verhältnis zwischen reinen EUR-Transaktionen und gemischten
Transaktionen festzulegen. Dies war für die Berechnung des Wechselgeldbedarfs eine wesentlich
Voraussetzung.
4.3. Wechselgeldberechnung für die duale Währungsphase – der EuroCalculus
Die
oben
dargestellten
Erkenntnisse
bildeten
die
Basis
für
die
Entwicklung
der
Wechselgeldberechnungssoftware EuroCalculus13. Ziel war es, ein möglichst einfaches Instrument zu schaffen,
mit dessen Hilfe Unternehmen, die von der EUR-Bargeldeinführung betroffen wären, den individuellen
Wechselgeldbedarf für die einzelnen Tage der dualen Währungsphase ohne zusätzlichen Beratungsaufwand
selbst ermitteln können.
4.3.1. Module des EuroCalculus
Grundsätzlich besteht das Instrument aus zwei voneinander berechnungstechnisch unabhängigen jedoch logisch
zusammenhängenden Modulen, der Risikoanalyse und dem Berechnungsmodell an sich.
4.3.1.1. Modul 1: Risikoanalyse
Neben der reinen Berechnung des Wechselgeldbedarfs, die das eigentliche Herzstück des Modells darstellt, wird
der Anwender des EuroCalculus durch die Risikoanalyse hinsichtlich der potentiellen Gefährdungsfaktoren
sensibilisiert.
Abbildung 12: Risikoanalyse - 1. Maske mit Fragen 1 bis 5
Um diese Selbstevaluierung durchzuführen, muss der Anwender 20 Entscheidungsfragen beantworten. Den
Antworten sind je nach Kritikalität Punkte zugeordnet, die aufaddiert werden. Die Gesamtpunkteanzahl
13
Die Software wurde in Visual Basic programmiert. Mindestvoraussetzungen seitens der Anwender sind Windows 95 und
Excel
19
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entscheidet wie stark das Unternehmen des Anwenders gefährdet ist. Folgende Bewertungsergebnisse sind
möglich:
Stark gefährdet: Dem Anwender wird empfohlen, eine Individualerhebung, d. h. eine Beobachtung der
Bargeldtransaktionen in seinem Unternehmen durchzuführen, und einen individuellen EuroCalculus für sein
Unternehmen durch das Projektteam entwickeln zu lassen.
Gefährdet: Dem Anwender soll die Wechselgeldberechnung mit Hilfe des EuroCalculus durchführen und die
vorgeschlagenen Denominationen für den jeweiligen Berechnungszeitraum vorrätig halten.
Weniger gefährdet: Die Berechnung des Wechselgeldbedarfs mittels EuroCalculus ist auch in diesem Fall
ausreichen.
Kaum gefährdet: Der durch den EuroCalculus vorgeschlagene Wechselgeldbedarf kann individuell durch den
Anwender reduziert werden.
Zusätzlich dazu bekommt der Anwender bei jedem ihn betreffenden Gefährdungsfaktor einen Kommentar über
Auswirkungen und mögliche Umgehungsmöglichkeiten. Diese von der Beantwortung der Fragen abhängigen
textlichen Auswertung der individuellen Gefährdungssituation kann direkt aus dem Instrument ausgedruckt
werden und entsprechend als Orientierungshilfe dienen. Wird bspw., wie in Abbildung 12 zu sehen ist, die Frage
5 mit Ja beantwortet, so bekommt der Anwender folgenden Kommentar:
Störvariable unrunde Preise
Unrunde Preise erzeugen unrunde Rechnungsbeträge. Zahlen die Kunden mit Euro-Banknoten, entsteht ein
hoher Wechselgeldbedarf an Cent-Münzen.
ACHTUNG: Runde Euro-Preise reduzieren den Cent-Bedarf aber nur dann, wenn der Kunde mit Euro zahlt.
Gibt der Kunde ATS-Münzen oder –Banknoten, so entstehen bei exakter Umrechnung unrunde
Rechnungsbeträge. Ein Abrunden des gesamten Rechnungsbetrages auf ganze Euro-Beträge könnte das Problem
lösen. Ein Beispiel: Die Rechnungssumme beträgt EUR 12,24 – kassiert werden nur EUR 12,00. Das bedeutet
Umsatzentgang. Eine Möglichkeit wäre, dass Sie das Abrunden bewusst nur bei Stammkunden einsetzen.
In diese Risikoanalyse fließt das gesamte im Zuge des Projekts aggregierte Know how zur einzelbetrieblichen
Problematik der EUR-Bargeldeinführung ein. Dieses Modul hat vor allem die Aufgaben, den Unternehmer auf
alle für ihn relevanten Einflussfaktoren hinzuweisen.
4.3.1.2. Modul 2: Berechnungsmodell
Der Anwender kann unabhängig von der Risikoanalyse den individuellen Wechselgeldbedarf für die einzelnen
Tage des Jänners 2002 berechnen14.
4.3.1.2.1. Berechnungsprozess
Für die individuelle Berechnung muss sich der Anwender zuerst einer Branche zuordnen. Dies erfolgt mittels
Menüauswahl. Nachdem die einzelnen Branchen für einen spezifischen Wechselgeldtyp stehen, kann bei
mangelnder Zugehörigkeit zu diesen Menüpunkten eine Zuordnung mit Hilfe einer Matrix erfolgen, die für den
Wechselgeldtyp, i. e. vorgeschlagene Branche, Charakteristika zuordnet, i. e. hohe Kundenanzahl,
Rechnungsbeträge im Groschenbereich, Sortiment mit hoher Kauffrequenz, lange Öffnungszeiten, Sonn- und
Feiertagsöffnung, Zahlungsstress an der Kassa und mangelnde unbare Zahlungsmöglichkeiten.
Die errechneten branchenspezifischen Werte für die abfließenden Denominationen je Transaktion bilden die
Basis für die Berechnung des Wechselgeldbedarfs (vgl. Kapitel 4.2.4.1). Für die Tage der dualen Phase setzen
sich die Branchenwerte aus jenen für reine EUR-Transaktionen und gemischten Transaktionen entsprechend der
Penetrationsrate unterschiedlich zusammen.
Im nächsten Schritt sind nun folgende Werte durch den Anwender in die dafür vorgesehenen Felder einzutragen
(vgl. Abbildung 13):
- Durchschnittliche Anzahl an zahlenden Kunden pro Stunde
- Öffnungszeiten für die einzelnen Wochentage und an neuralgischen Tagen während der Umstellungsphase
- Durchschnittlicher Umsatz je Kunde in den einzelnen Tagen des Umstellungszeitraums
- Zusätzlich dazu ist der Berechnungszeitraum zu wählen, für den der Bedarf an Wechselgeld berechnet
werden soll.
14
Zwar umfasst die duale Währungsphase die Monate Jänner und Februar 2002 in Österreich, jedoch werden lediglich der
ersten beiden Wochen als neuralgischer Zeitraum für die Umstellung betrachtet (vgl. ECOFIN-Rat 2000, 1)
20
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Abbildung 13: Maske für die Eingabe der individuellen Werte
Aus diesen Werten wird der Wechselgeldbedarf für den gewünschten Zeitraum wie folgt berechnet:
Die Wechselgeldbedarfswerte für den gewählten Zeitraum je Transaktion und Denomination werden mit der
Anzahl der Kunden pro Stunde, i. e. Anzahl der Transaktionen pro Stunde, und den Öffnungszeiten in Stunden je
Tag multipliziert. Bei den Münzen wird der stückgenaue Wert auf ganze Rollen aufgerundet. Bei Banknoten
wird der Bedarfswert in Stück errechnet. Der Umsatz je Kunde, i. e. Transaktion, wird ebenfalls mit der Anzahl
der Kunden und den Öffnungszeiten im gewählten Berechnungszeitraum multipliziert und dem gesamten
Wechselgeldbedarf in ATS und EUR in Prozent gegenübergestellt.
Abbildung 14 zeigt beispielhaft den Berechnungsoutput für einen Bäcker mit 32 Kunden pro Stunde, 13
Öffnungsstunden am 2. Jänner 2002 und einem Umsatz je Kunden von ATS 33,50.
21
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Abbildung 14: Beispiel für das Bedarfsergebnis für einen Bäcker (32 Kunden/h, 13h geöffnet, ATS 33,5
Umsatz/Kunde) für den 2. Jänner 2002
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der EuroCalculus eine individuelle Berechnung des
Wechselgeldbedarfs von EUR-Münzen und –Banknoten für die einzelnen Tage der Umstellung für alle
Unternehmen, die von der EUR-Bargedleinführung mehr oder weniger betroffen sind, ermöglichte.
4.3.1.2.2. Verwendung der Ergebnisse
Der Anwender des EuroCalculus kann die Bedarfsliste direkt aus dem Instrument ausdrucken. Dieses Blatt
enthält zusätzlich zu den Wechselgeldbedarfswerten Angaben über Gewicht und Volumen des zu beschaffenden
Wechselgeldes, da dies bei hohen Summen infolge der Dominanz der EUR-Münzen einen kritischen Faktor
darstellen kann. Mit der Bedarfsliste kann der Anwender zur Bank gehen und damit möglichst rechtzeitig seinen
Bedarf anmelden. Die Banken sind auf solche Bedarfsmeldungen angewiesen, um ihren EUR-Bedarf an den
einzelnen Filialstandorten möglichst genau zu schätzen.
22
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Einschränkungen des Modells
Bei der Anwendung des EuroCalculus galt es zwei Einschränkungen zu beachten, welche die Qualität der
Ergebnisse negativ beeinflussen könnten.
• Bei der Entwicklung des Modells wurde angenommen, dass sich das Zahlungsverhalten der Kunden in der
dualen Währungsphase nicht wesentlich von dem derzeit beobachtbaren abweichen wird. Eine Berechnung
des Wechselgeldbedarfs bei einem solchen stark veränderten Verhalten in der Umstellungsphase wird kaum
möglich sein, da eine Vorhersage stets auf Vermutungen basiert.
• Weiters kann die Penetration von EUR-Bargeld nicht den geschätzten Verlauf annehmen. Anders als beim
Zahlungsverhalten können die Penetrationswerte für die einzelnen Tage leicht durch andere ersetzt werden.
Die Werte werden entsprechend dem letzten Stand der Forschung laufend angepaßt, soweit dies notwendig
erscheint.
4.3.2. Distribution der Software
Die Anwendung des EuroCalculus fand in Österreich weite Verbreitung.
Insgesamt wurden von der Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr 120.880 Compact Disks
(CD) in Österreich distribuiert. Dies kann jedoch nicht mit der Verwendung in Unternehmen gleichgesetzt
werden, da das Programm auch in den Bankfilialen eingesetzt wird. Entsprechend treten die Banken als
Multiplikator der Anwendung des EuroCalculus auf, indem diese zum Teil den Wechselgeldbedarf für die
Unternehmen berechnen. Von der Homepage der Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr
wurde zwischen Mai und Dezember 2001 das Programm durchschnittlich 800 mal monatlich heruntergeladen.
Über die Anzahl der heruntergeladenen Programme von den anderen Homepages können keine Angaben
gemacht werden. Diese Anzahl dürfte jedoch beträchtlich sein, da z. B. die Wirtschaftkammer Österreich das
Programm bei Informationsveranstaltungen beworben hat.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der EuroCalculus als österreichische Gesamtlösung zu
bewerten ist. Vergleichbare länderspezifische Lösungsansätze konnten im übrigen Europa nicht identifiziert
werden.
4.3.3. Validitätsüberlegungen zum EuroCalculus
Wenngleich bei der Entwicklung des EuroCalculus unter Anwendung von wissenschaftlichen Methoden
versucht wurde, die Prognose des Wechselgeldbedarfs möglichst „robust“ zu gestalten, so musste man zum Teil
mit Ceteris-Parius-Annahmen arbeiten bzw. war auf Schätzungen angewiesen. Entsprechend der kritischen
Funktion der Wissenschaft wurde in den ersten beiden Wochen die Funktionsweise des Instruments bzgl. der
Schätzgenauigkeit und der Adäquanz der Annahmen empirisch in sechs Unternehmen überprüft. Folgende
Erkenntnisse wurden dabei gewonnnen werden:
• Das Zahlungsverhalten veränderte sich positiv in Richtung ‚höherer Professionalität‘ der Kunden, d. h. die
These des ‚Drucks der Brieftasche‘, im Rahmen derer das verstärkte Zahlen mit Münzen vorausgesagt
wurde, konnte als bestätigt angesehen werden.
• Die mit Bargeld zahlenden Kunden erwiesen sich zum Großteil als gut informiert und interessiert, wodurch
die These des ‚Unkooperativen Zahlungsverhaltens‘, d. h. aufgrund von Unsicherheit und Unwissenheit um
die Denominationsstruktur des neuen Bargeldes werden auch kleine Rechnungsbeträge mit wertmäßig
hohen Denominationen, vor allem Banknoten, bezahlt, könnte nicht bestätigt werden. Vor allem eine
Zunahme der Kommunikation am ‚Point of Payment‘ konnte beobachtet werden, die sich, ausgelöste durch
die kooperative Problemlösungsorientierung, ergab.
• Der Anteil an unbaren Zahlungstransaktionen stieg an.
• Die Euro-Penetrationwerte unterschied sich in den ersten beiden Wochen stark je Unternehmen und lag fast
ausnahmslos über jenen der geschätzten Pentrationskurve (vgl. Abbildung 15).
23
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
Gegenüberstellung der realen und prognostizierten Penetrationswerte in den ersten
zwei Wochen der Euro-Bargeldeinführung
100
90
Verhältnis der mit Euro-Bargeld
zahlenden Kunden an der Gesamtanzahl
der bar zahlenden Kunden in Prozent
80
70
60
50
40
30
20
10
0
01.01.2002 02.01.2002 03.01.2002 04.01.2002 05.01.2002 06.01.2002 07.01.2002 08.01.2002 09.01.2002 10.01.2002 11.01.2002 12.01.2002 13.01.2002
Tage
Drogeriemarkt
Supermarkt
Baumarkt
Textilfachhandel JM
Bäckerei
Mittelwert
Tankstelle
Prognose EuroCalculus
Abbildung 15: Reale Penetrationskurven in ausgewählten Unternehmen in den ersten beiden Wochen des Jahres
200215
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen und Entwicklungen, die sich als positiver als die dem EuroCalculus
zugrunde liegenden Annahmen herausstellten, kam es nach wenigen Tage (je nach Unternehmen ca. 3 Tagen) zu
einer Überschätzung des Bedarfs. Dies ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass sich die totale Penetration
von Euro-Bargeld schon nach weniger als einer Woche einstellte. Die hinsichtlich der makrologistischen
Betrachtung durchaus positiven Entwicklungen konnten vor der Umstellung nicht vorhergesagt werden, weshalb
der EuroCalculus stets eine durchwegs konservative Prognose lieferte. Die Anwender waren davon zuvor in
Kommentaren hingewiesen worden. Tatsächlich erfüllte das Instrument vor allem die Funktion der
Sensibilisierung der Unternehmen hinsichtlich der bargeldlogistischen Probleme im Zuge des Bargeldtausches.
Weiters ermöglichte dies, dass das zu verteilende Bargeld eine starke Vorverteilung in die Unternehmen erfuhr,
womit eine verhältnismäßig zu Bankfilialen sowie Geldausgabeautomaten eine große Anzahl an dezentralen
Distributionsläger geschaffen wurde. Entsprechend lassen sich die österreichischen Unternehmen im speziellen
im Bereich des Einzelhandels aufgrund der ‚zwangsweise‘ übernommenen Euro-Bargeldverteilung sowie der
Übernahme der Informationsfunktion in Richtung ihrer Kunden als wesentlicher Erfolgsfaktor für die
reibungslose Euro-Umstellung identifizieren.
5. Resümee
Trotz der Zunahme von unbaren Zahlungstransaktionen im Wirtschaftsleben besteht bei Konsumenten nach wie
vor eine starke Präferenz bei der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel. Aus diesem Grund erfüllen große
Teile des Handels insb. des Einzelhandels bargeldlogistische Aufgaben im Rahmen des Werteflusses zwischen
Produktion und Konsumtion von Gütern und Dienstleistungen. Gerade im Zuge der Euro-Bargeldeinführung
erlebt das Thema Bargeldlogistik im Sinne des logistischen Managements von Bargeldströmen innerhalb von
Unternehmen ein Renaissance. Fragen der Kosten des Bargeldes und der Problematik von Fehlmengen im
Bereich des Wechselgeldes erfahren zunehmende Beachtung in Wissenschaft und Praxis.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bestandshaltung von Bargeld und die Entwicklung der
Bedarfsplanungssoftware EuroCalculus kann dahingehend als Beispiel für die Anwendung von
wissenschaftlichen Methoden zur Lösung eines unmittelbar praxisrelevanten Problems charakterisiert werden.
Die Akzeptanz durch die Praxis zeigt sich nicht zuletzt aufgrund der Distribution von mehr als
einhunderttausend CD-Kopien dieses Softwaretools.
Die Realität zeigt jedoch auch die einschränkende Funktionsweise solcher auf Annahmen beruhenden
Berechnungsheuristiken auf. Besonders klar tritt in diesem Zusammenhang zu Tage, dass Handelsunternehmen
15
Die Lücken bei den unterschiedlichen Kurven ergeben sich durch die Fehlenden Daten seitens der befragten Unternehmen
24
Schnedlitz/Teller
Bestandsmanagement von Bargeld als logistisches Aufgabenfeld des Handels
aufgrund von Struktur- und Kontextfaktoren sehr heterogen sind und Branchen bzw. betriebstypenübergreifende
Problemlösungsansätze daher starken Einschränken unterliegen.
Abseits der Prognoseabweichungen kann resümierend festgehalten werden, dass durch den EuroCalculus nicht
nur auf mikrologistischer Ebene den Unternehmen im Gegensatz zum Vorgehen im restlichen ‚Euro-Land‘ eine
Entscheidungsunterstützung geboten wurde, sondern dass dadurch auch die Bargeldlogistikplanung auf
volkswirtschaftlicher Ebene durch den Anstoß des Bedarfsplanungsprozesses auf unterster Ebene, i. e.
Unternehmensebene, nachfragegesteuert ermöglicht wurde.
Hinsichtlich der weiteren Forschung in diesem Bereich gilt es festzuhalten, dass vor allem das Spannungsfeld
barer vs. unbarer Zahlungsverkehr stärker in den Blickfeld der wissenschaftlichen Auseinandersetzung tritt. Dies
dürfte nicht auf einzelbetriebliche Betrachtungen beschränkt sein, sondern erfordert auch die Berücksichtigung
gesamtwirtschaftlicher Aspekte. Dies könnte vor allem vor der Frage erfolgen, ob Bargeld vor dem Hintergrund
der informationstechnologischen Entwicklungen nach wie vor ein adäquates Zahlungsmittel ist.
Spezifische Auseinandersetzungen rund um das Bestandsmanagement von Wechselgeld wird vor allem durch
die Erweiterung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zukünftige Aktualität bekommen.
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