EUROPÄISCHE KOMMISSION PRESSEMITTEILUNG Brüssel, 18. Juni 2013 Strengere Vorschriften für Ratingagenturen Am 20. Juni treten für Ratingagenturen strengere Vorschriften in Kraft, die die Rechenschaftspflicht dieser Agenturen für ihre Ratings erhöhen. Die neuen Vorschriften sollen auch verhindern, dass sich die Märkte allzu sehr auf Ratings stützen, und gleichzeitig die Qualität des Ratingprozesses verbessern. Bei Länderratings werden die Agenturen künftig zu größerer Transparenz verpflichtet sein. Dazu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Ich bin außerordentlich erfreut, dass die Rechtsakte bereits anderthalb Jahre nach Vorlage des Kommissionsvorschlags in Kraft treten. Bei der Bewertung von Staaten verlangen die neuen Vorschriften Ratingagenturen künftig mehr Transparenz und Rechenschaft ab. Die neuen Vorschriften werden auch zu verstärktem Wettbewerb in der zurzeit von einigen wenigen Agenturen dominierten Branche und zum Abbau des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings durch die Marktteilnehmer beitragen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung von Finanzstabilität und Vertrauen in die Finanzinstitute, der helfen wird, weitere Krisen zu verhindern." Ratingagenturen spielen auf den Finanzmärkten von heute eine wichtige Rolle. Ihre Ratings beeinflussen das Verhalten von Anlegern, Kreditnehmern, Emittenten und Regierungen unmittelbar. So kann die Herabstufung eines Unternehmens Folgen für die Höhe des Eigenkapitals haben, das eine Bank vorhalten muss, und die Herabstufung von Staatsanleihen die Kreditaufnahme eines Landes verteuern. Zwar wurden 2009 und 2010 auf europäischer Ebene bereits Rechtsvorschriften für Rating-Agenturen erlassen, doch haben die Entwicklungen im Zuge der Euro-Schuldenkrise gezeigt, dass der aktuelle Regulierungsrahmen nicht ausreicht. Aus diesem Grund hat die Kommission im November 2011 Vorschläge zur Stärkung des Regulierungsrahmens und zur Beseitigung nach wie vor bestehender Schwachstellen vorgelegt. Die neuen Vorschriften treten am 20. Juni 2013 in Kraft. IP/13/555 Was wird sich durch die neuen Vorschriften ändern? 1. Abbau des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings Unseren G20-Zusagen entsprechend werden die neuen Vorschriften den Rückgriff auf Ratings verringern; hierzu werden die Finanzinstitute verpflichtet, ihre eigene Kreditrisikobewertung zu verstärken und sich nicht ausschließlich und automatisch auf externe Ratings zu stützen. Auch die Europäischen Aufsichtsbehörden sollten Verweise auf externe Ratings vermeiden; zudem werden sie ihre Vorschriften und Leitlinien überprüfen müssen und in Fällen, in denen die Gefahr eines automatischen Rückgriffs auf Ratings besteht, die entsprechenden Verweise gegebenenfalls streichen müssen. Das Legislativpaket enthält auch eine Richtlinie, durch die der Rückgriff auf Ratings in den sektoralen Rechtsvorschriften über Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW), die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) grundsätzlich verringert wird. 2. Qualitative Verbesserung bei den Ratings von Staatsanleihen der EU-Mitgliedstaaten Um Unruhe am Markt zu vermeiden, werden die Ratingagenturen für ihre EULänderratings einen Zeitplan aufstellen. Erfolgen solche Ratings unaufgefordert, sind sie auf drei pro Jahr beschränkt. Von dieser Regel kann unter außergewöhnlichen Umständen und bei ausreichender Begründung abgewichen werden. Die Ratings werden ausschließlich freitags nach Handelsschluss und mindestens eine Stunde vor Öffnung der Handelsplätze in der EU veröffentlicht. Darüber hinaus werden Anleger und Mitgliedstaaten bei jedem Rating über die zugrunde liegenden Fakten und Annahmen informiert, was das Verständnis von Länderratings verbessern wird. 3. Erhöhung der Rechenschaftspflicht von Ratingagenturen Die neuen Vorschriften werden die Rechenschaftspflicht der Agenturen für ihr Handeln erhöhen, denn Ratings sind mehr als nur Meinungsäußerungen. Aus diesem Grund stellen die neuen Vorschriften sicher, dass eine Ratingagentur bei einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Verordnung über Ratingagenturen und damit verbundenem Schaden für einen Anleger oder Emittenten haftbar gemacht werden kann. 4. Verringerung von Interessenkonflikten beim Modell des zahlenden Emittenten Die Verordnung wird die Unabhängigkeit der Ratingagenturen erhöhen und durch eine obligatorische Rotation bei bestimmten komplexen strukturierten Finanzinstrumenten (Wiederverbriefungen) zur Beseitigung von Interessenkonflikten beitragen. Auch für die Beteiligung an Ratingagenturen gelten Beschränkungen. Um das Risiko von Interessenkonflikten zu mindern, werden Ratingagenturen den neuen Vorschriften zufolge für Anteilseigner, die mindestens 5 % ihres Kapitals oder ihrer Stimmrechte halten, künftig offenlegen müssen, ob diese mit 5 oder mehr Prozent an einem bewerteten Unternehmen beteiligt sind, und müsste eine Ratingagentur von einem Rating absehen, wenn ein Anteilseigner, der 10 oder mehr Prozent ihres Kapitals oder ihrer Stimmrechte hält, an einem bewerteten Unternehmen mit 10 oder mehr Prozent beteiligt ist. Um die Vielfalt und Unabhängigkeit von Ratings zu gewährleisten, untersagt die Verordnung Beteiligungen ab 5 % bei mehr als einer Ratingagentur, es sei denn, die betreffenden Agenturen gehören derselben Gruppe an (Überkreuzbeteiligungen). 2 5. Veröffentlichung von Ratings auf einer europäischen Ratingplattform Alle verfügbaren Ratings werden auf einer europäischen Ratingplattform veröffentlicht, die ab Juni 2015 zur Verfügung stehen wird. Dies wird die Vergleichbarkeit und Sichtbarkeit der Finanzinstrumenteratings von in der EU registrierten und zugelassenen Ratingagenturen erhöhen. Darüber hinaus wird es den Anlegern helfen, ihre eigene Kreditrisikobewertung vorzunehmen, und zu größerer Vielfalt in der Ratingbranche beitragen. Im Rahmen des Pakets wird die Kommission auch die Lage am Ratingmarkt überprüfen und dem Europäischen Parlament und dem Rat berichten, ob sie die Entwicklung eines speziellen europäischen Systems für Staatsanleiheratings für sinnvoll hält. Die Kommission sollte dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2016 einen Bericht dazu vorlegen, ob es sinnvoll und durchführbar wäre, auf eine europäische Ratingagentur speziell für die Bewertung der Staatsanleihen von Mitgliedstaaten und/oder eine europäische Ratingstiftung für alle anderen Arten von Ratings hinzuwirken. Hintergrund Beim G20-Gipfel in Washington (2008) wurde das Ziel ausgegeben, dafür zu sorgen, dass kein Institut, kein Produkt und kein Markt - ob auf EU- oder internationaler Ebene - durch die Maschen der Regulierung fällt. Diese Zusage löste die EU in Teilen durch ihre seit Dezember 2010 geltende Verordnung über Ratingagenturen (Verordnung 1060/2009) ein. Die Verordnung wurde im Mai 2011 geändert, um der Errichtung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Rechnung zu tragen, die seit Juli 2011 die alleinige Aufsichtsbefugnis in Bezug auf Ratingagenturen besitzt. Das neue Legislativpaket, das die bestehenden Vorschriften über Ratingagenturen verstärkt, besteht aus einer Verordnung und einer Richtlinie: Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen Richtlinie 2013/14/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds im Hinblick auf übermäßigen Rückgriff auf Ratings Siehe auch MEMO/13/571 Weitere Informationen über Ratingagenturen. Kontakt : Chantal Hughes (+32 2 296 44 50) Audrey Augier (+32 2 297 16 07) Carmel Dunne (+32 2 299 88 94) 3