Pollenflug in Mitteleuropa unter dem einfluss des Klimawandels

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Pollenflug in Mitteleuropa unter dem Einfluss des Klimawandels
A. Grätz
Wie umfangreiche Beobachtungen belegen, hat sich der globale Klimawandel
heute bereits in vielen biologischen Systemen niedergeschlagen und
Klimaprojektionen, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts reichen, geben
Anlass zu der Annahme, dass weitere Änderungen und Anpassungsleistungen
stattfinden werden. Dieser Beitrag möchte einen Überblick über die als Folge des
Klimawandels diskutierten Änderungen in Bezug auf den Pollenflug und auf
luftgetragene Pilzsporen in Mitteleuropa geben.
Der Pollenflug eines Ortes wird ganz Wesentlich durch das Vorkommen und die
örtlichen Lebensbedingungen von Pollen emittierenden Pflanzen bestimmt.
Diese erobern u. a. in Abhängigkeit des Klimas ihre Räume. Die
Pflanzenentwicklung der einzelnen Spezies ist an das jeweilige Lokalklima
angepasst und bestimmte Entwicklungsphasen (z. B. der Blühbeginn) werden
regional zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht. Dabei schreitet in Europa die
Pflanzenentwicklung - besonders deutlich ausgeprägt im Frühjahr - von Südwest
nach Nordost sowie von geringen zu größeren Höhen voran.
Aufgrund ihres Vorkommens und ihrer allergenen Wirksamkeit finden in
Mitteleuropa in den letzten Jahren der Flug von Birken- und Ambrosiapollen die
größte Beachtung. Diskutiert werden aber auch Hasel-, Erlen-, Oliven-, Eschen-,
Eichen-, Gräser- und Beifußpollen.
Da das Pflanzenwachstum eng an das vorherrschende Klima gebunden ist, liegt
es nahe, dass eine Änderung des Klimas sich auch auf den Pollenflug auswirkt.
„Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig“ manifestiert der vierte
Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change( IPCC)
aufgrund von Beobachtungen. Dabei nahm die globale Oberflächentemperatur
innerhalb von 100 Jahren (1906 bis 2005) um 0.74°C zu, wobei sich der Anstieg
in den letzten Jahrzehnten auffallend beschleunigt hat.
Ursache für die globale Erwärmung ist der weltweite Anstieg von
Treibhausgasen
in
der
Atmosphäre,
insbesondere
der
der
Kohlendioxidkonzentration. Dieser ist mit großer Wahrscheinlichkeit anthropogen
verursacht. Die quasi parallel zur Erwärmung verlaufende markante Zunahme in
den letzten Jahrzehnten liefert einen augenfälligen Hinweis auf den
Zusammenhang.
Folgenden Aspekten des Klimawandels wird ein Einfluss auf den Pollenflug in
Mitteleuropa zugeschrieben: Erwärmung, Anstieg der CO2- sowie der
Feinstaubkonzentration, Zunahme der Westwindaktivität und der Wetterextreme
wie Starkniederschläge, Hitzeperioden und Dürren.
Die umfassendste Bedeutung besitzt der Temperaturanstieg. Er steht in enger
Beziehung zur Veränderung der Vegetationsperiode vieler Pflanzen. So
beobachtet man, dass sich als Folge der zunehmend wärmeren Herbst- und
Wintermonate die phänologischen Phasen im Frühling und Sommer in den
letzten Jahrzehnten nach vorne verschoben haben. Dementsprechend setzt
auch der Pollenflug früher ein. Bei frühblühenden Pflanzen zeigt sich diese Vor-
Verschiebung am deutlichsten. Ein schönes Beispiel liefert der Verlauf des
Beginns der Haselblüte in Geisenheim in den Jahren 1949 bis 2007.
Weniger klar sind die Aussagen bezüglich einer Verlängerung der Dauer des
Pollenfluges. Bezüglich der Intensitäten des Pollenflugs geht man tendenzmäßig
von einer Zunahme aus. Diese konnte in Versuchen gezeigt und teilweise durch
Beobachtungen belegt werden.
Die Erwärmung begünstigt ferner die Ausweitung der Verbreitungsgebiete von
eher Wärme liebenden Pflanzen. Sie können zunehmend weiter im Norden
sowie in höheren Lagen wachsen. Ein für diese Gebiete ungewohnter
Polleneintrag ist die Folge.
Die Veränderung des Klimas eröffnet auch neuen Pflanzen (Neophyten) einen
Lebensraum. Wegen der gesundheitlichen Relevanz ihrer Pollen findet dabei
insbesondere das beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia) Beachtung. Es
erobert in Mitteleuropa immer größere Areale. Seine Pollen setzt es
hauptsächlich zum Ende der allgemeinen Pollensaison frei und verlängert diese
damit.
Durch die Verschiebung der Pflanzenentwicklung und die Ausweitung der
Lebensräume werden pollenfreie Zonen und Zeiten in Mitteleuropa immer
geringer.
Diese Aussage wird zusätzlich durch einen anderen Aspekt gestützt: So wird in
Mitteleuropa der eigenbürtige Pollenflug in zunehmendem Maße durch einen
Pollenferntransport überlagert. Dadurch kann es bereits vor Blühbeginn oder
auch in Gebieten, in denen bestimmte Pflanzen nicht vorkommen, zu einer
ungewöhnlichen Pollenbelastung kommen. Als Ursache für die Zunahme des
Ferntransports ist die sich über Mitteleuropa verstärkende Westwindaktivität zu
sehen.
Die im Rahmen des Klimawandels diskutierte Zunahme des Feinstaubgehalts in
der Atmosphäre besitzt einen Einfluss auf die Qualität der Pollen in Bezug auf ihr
allergisches Potenzial.
Selbst unter den günstigsten Projektionsbedingungen wird erwartet, dass sich
der Klimawandel in Mitteleuropa in der eingeschlagenen Richtung fortsetzt.
Für den Pollenflug in Mitteleuropa bedeutet das:
- Die Pollensaison wird mehr und mehr zu einem ganzjährigen Phänomen.
Unterbrechungen sind während der Sommermonate denkbar, wenn Dürre
und Hitzeperioden häufiger werden.
- Die beobachteten Pollenarten ändern sich und Pollen von
wämeliebenderen Pflanzen werden zunehmend dominieren.
- Die Pollenimmission nimmt zunächst weiter zu.
- Der Fremdpolleneintrag durch Ferntransport verstärkt sich weiter.
Im Gegensatz zum Pollenflug gibt es über luftgetragene Pilzsporen in
Mitteleuropa nur wenige Studien. Diskutiert werden die insbesondere in
Kulturlandschaften zu findenen Pilzsporen von Alternaria und die in der
Außenluft im gemäßigten Klima am häufigsten anzutreffenden von
Cladosporium.
Sie besitzen ähnlich wie Pollen einen jahreszeitlichen Verlauf und haben ihr
Maximum in den Sommermonaten. Die gemessenen Konzentrationen sind
signifikant mit der Lufttemperatur korreliert. Der Einfluss anderer
meteorologischer Größen wie Feuchte und Windgeschwindigkeit erscheint
komplex und weniger eindeutig.
Als Trend werden eine Zunahme der luftgetragenen Pilzsporen, ein früherer
Saisonbeginn sowie eine längere Saisondauer gesehen. Aufgrund der engen
Korrelation zur Lufttempertur ist der Trend im Zusammenhang mit der
Klimaerwämung in Mitteleuropa durchaus glaubwürdig und dürfte sich auch im
21. Jahrhundert fortsetzen.
Literatur:
EPA/600/R-06/164F: “Review of the Impacts of Climate Variability and Change on Aerollergens
and Their Associated Effects”. Gamble, J. L., C. E. Reid, E. Post, J. Sacks. Washington, DC
(2008)
IPPC 2007: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basics.
Contribution of Working Group I to the Forth Assessment Report of the Intergovernmental Panel
on Climate Chang. Solomon, S., D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M.
Tignor, H. L. Miller (eds.). Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New
York, NY, USA (2007)
WHO-Report EUR/03/5036791: “Phenology and Human Health: Allergic Disorders”. Huynen, M.,
B. Menne. Report on a WHO meeting. Rome, Italy (2003)
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