B Das regionale Umfeld der pfälzischen

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Inhalt
I Einleitung/ Literatur- & Quellenbericht ........................................................................ 1
A Einleitung.............................................................................................................. 1
B Quellen- und Literaturbericht .................................................................................. 3
II Historischer Rahmen................................................................................................ 10
A Deutschland 1848 ................................................................................................ 10
a) Revolution ....................................................................................................... 10
b)Frühsozialistische Ansätze in der Revolution von 1848 ....................................... 12
c) Reaktion .......................................................................................................... 14
B Wirtschaftliche, industrielle und gesellschaftliche Entwicklung .............................. 14
C Politische Landschaft 1848 - 1878......................................................................... 16
a) Politische Parteien und Organisationen 1848 - 1870er ........................................ 16
b) Die Soziale Frage: Theorie- und Politikansätze .................................................. 23
c) Arbeiterorganisationen ..................................................................................... 28
III Voraussetzungen zur pfälzischen Sozialdemokratie .................................................. 36
A Die Pfalz ............................................................................................................. 36
a) Gebietsgliederung bis zur bayerischen Zeit ........................................................ 36
b) Konfessionelle Durchmischung und politische Gruppierungen ........................... 36
c) Wirtschaftliche Entwicklung bis 1848 ............................................................... 37
B Die Pfalz 1848 ..................................................................................................... 39
a) Die Revolution in der Pfalz ............................................................................... 39
b) Die Rolle der Arbeitervereine in der Revolution................................................. 42
c) Zerschlagung und „Überwintern“ oppositioneller Strukturen .............................. 45
C Wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld der frühen pfälzischen
Sozialdemokratie..................................................................................................... 47
a) Voraussetzungen der pfälzischen Industrialisierung: Pauperisierung und Verkehr 47
b) Industrialisierung und Soziale Frage .................................................................. 49
c) Streikbewegung der 1870er Jahre...................................................................... 52
IV Die frühe pfälzische Sozialdemokratie ..................................................................... 55
A Die Partei ............................................................................................................ 55
a) Die frühe pfälzische Sozialdemokratie im überregionalen Kontext ...................... 55
b) Innerpfälzische Parteiorganisation ..................................................................... 57
c) Agitation ......................................................................................................... 61
B Das regionale Umfeld der pfälzischen Sozialdemokratie......................................... 65
a) Verhältnis zum Staat: Bayerische Innenpolitik ab 1848....................................... 65
b) Verhältnis zu liberalen Gruppierungen und bürgerlichen Kräften ........................ 67
c) Verhältnis zum katholischen Milieu .................................................................. 71
C Sozialdemokratie in den unterschiedlichen Landschaften........................................ 73
a) Wahlkreis 1: Ludwigshafen-Speyer................................................................... 73
b) Wahlkreis 2: Landau-Neustadt.......................................................................... 87
c) Wahlkreis 3: Bergzabern-Germersheim ............................................................. 98
d) Wahlkreis 4: Pirmasens-Zweibrücken ............................................................. 100
e) Wahlkreis 5: Homburg-Kusel ......................................................................... 110
f) Wahlkreis 6: Kaiserslautern-Kirchheimbolanden .............................................. 113
V Ausblick und Schlussbetrachtung ........................................................................... 123
VI Anhang.................................................................................................................... I
VI.1 Tabellarischer Anhang ....................................................................................... I
VI.2 Bildnachweis ................................................................................................XVI
VII Literatur und Quellen ....................................................................................... XVII
VII.1 Quellenverzeichnis .................................................................................... XVII
VII.2 Sekundärliteratur .......................................................................................... XX
I Einleitung/ Literatur- & Quellenbericht
A Einleitung
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die älteste noch bestehende Partei
der Bundesrepublik und hat mehrere Regierungssysteme überlebt. Dieser Erfolg wurde nur
möglich, da sich die Partei anfänglich eine effiziente Parteiorganisation neuartigen Typs
gab, die stilprägend wurde für alle Parteien im parlamentarischen System. Später schaffte
es die SPD immer wieder, sich unabhängig vom jeweils herrschenden, nicht selten feindlichen Regierungssystem auf einen harten Kern, in ihr Milieu, zurückzuziehen. Im Folgenden soll auf regionaler Ebene untersucht werden, wie sich die Entstehung dieser Partei und
ihres Milieus zwischen 1869 und 1878 vollzog. Der zeitliche Rahmen ergibt sich aus den
ersten bedeutenderen sozialdemokratischen Parteigründungen 1869 und dem Vollzug des
Sozialistengesetzes 1878, da hier eine entscheidende Zäsur in der Parteigeschichte erfolgte.
Für diesen Zeitraum sind Aktenbestände verfügbar, die einen relativ genauen Aufschluss
über den Verbreitungsgrad sozialdemokratischer Organisationen zulassen.
Als sozialmoralisches Milieu bezeichnet der Soziologe Rainer Lepsius ein „soziokulturelles Gebilde“1, welches sich aus verschiedenen strukturellen Bedingungen, wie Religion, regionaler Tradition und ökonomischer Lage ergibt. Das Parteiensystem in Deutschland war nach Lepsius bis in die 1920er Jahre mehr auf Aufrechterhaltung dieser autonomen Milieus ausgerichtet, denn auf die Herbeiführung eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses, was für die Demokratie in Deutschland insgesamt dramatische Folgen hatte.2 Gerade die Stabilität der Milieus in Deutschland über einen sehr langen Zeitraum (1871-1928)
war für Lepsius Beleg, dass sich im deutschen Parteienwesen strukturelle Konflikte widerspiegelten.3
Für eine parteigeschichtliche Untersuchung kann die Pfalz als „klassischer Fall politischer
Landschaftsbildung in Deutschland“4 im Hinblick auf die nationale Entwicklung fast als
repräsentatives Beispiel gelten. Konfessionell und wirtschaftlich, aber auch im Hinblick auf
die Gleichzeitigkeit von abgeschnittenen ländlichen Gebieten und pulsierenden Industrieregionen vereint diese Region auf kleinem Raum fast die gesamte Bandbreite der von der
historischen Parteien- und Wahlforschung ausgemachten Kriterien und Konfliktlinien, anhand derer sich die Parteienbildung in Deutschland vollzog.
1
Siehe Lepsius, M. Rainer: Parteiensystem und Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, in: Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Friedrich Lütge, hrsg. v. W.
Abel u.a., Stuttgart 1966, S. 371-393, hier S. 383.
2
Vgl. Lepsius, S. 388-393.
3
Vgl. Lepsius, S. 378/379.
4
Vgl. Bräunche, Ernst Otto: Parteien und Reichstagswahlen in der Rheinpfalz von der Reichsgründung 1871 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in
Speyer, Bd. 68), Speyer 1982 (Zitiert als: Bräunche, Parteien), S. 1.
1
Nach dem Cleavage-Konzept, das auf die beiden Politikwissenschaftler Seymour Martin
Lipset und Stein Rokkan zurückgeht, gab es vier entscheidenden Konfliktfelder, anhand
derer sich das Parteienwesen im 19. Jahrhundert ausdifferenzierte: Der Konflikt zwischen
Arbeit und Kapital, zwischen Kirche und Staat, 5 die unterschiedlichen Interessen von
Landwirtschaft und Industrie sowie der Gegensatz von Zentrum und Peripherie. 6 Alle
diese Konfliktfelder spielten für die Entstehung der pfälzischen Sozialdemokratie eine entscheidende Rolle. Um ein umfassendes Bild der Parteientstehung zu zeichnen, gilt es also,
auch die Strukturen, die diesem Prozess zugrunde lagen, zu beleuchten. Entsprechend ist
die regionale Untersuchung der Entstehungsgeschichte in dieser Arbeit zweigliedrig gestaltet. In einem ersten Schritt werden Bevölkerungsentwicklung, wirtschaftliche und soziale
Situation sowie die konfessionelle Struktur nachgezeichnet. Daraus wird in einem zweiten
Schritt die lokale Herausbildung sozialdemokratischer Organisationsformen erschlossen.
Wie Karl Rohe bemerkt, ergab sich die Entstehung der Sozialdemokratie einerseits aus
sozialen, andererseits aus kulturellen Motivationslagen. Erstere bezeichnet das Protestpotenzial, das sich aus wirtschaftlichen Gegensätzen ergab, während der kulturelle Zugang
sich aus tradierten Protestformen speiste, die vor allem auf die Arbeiterbewegung von 1848
zurückzuführen sind.7 Da sich die Verbreitung der sozialdemokratischen Bewegung, aufgrund der mangelhaften Überlieferung von Mitgliederlisten wenn überhaupt am ehesten an
Wahlergebnissen messen lässt, folgt diese Arbeit in ihrer Gliederung der Einteilung der
verschiedenen Wahlbezirke in der Pfalz. Diese Vorgehensweise bringt den Vorteil mit sich,
dass die statistischen Angaben der königlich bayerischen Verwaltung8 über Bevölkerungsentwicklung, Berufsstruktur und konfessionelle Aufteilung jeweils die Verwaltungsgliederung der Amtsbezirke abbilden, die deckungsgleich mit den Wahlkreisen waren.
Gerade in der Frühzeit sozialdemokratischer Organisation ist die Trennung von sozialdemokratischer Parteiarbeit und gewerkschaftlicher Organisation schwierig. Genaue Mitgliederlisten sind nicht erhalten, die Verbreitung sozialistischer Denk- und Politikansätze lässt
sich nur erahnen. Daher wurden auch gewerkschaftliche Organisationen in die Betrachtung
5
Gerade in Deutschland ist dieser Konflikt nicht als einen reiner Staat-Kirche-Konflikt zu verstehen, vielmehr spielt der
konfessionelle Aspekt im heterogenen Reich unter protestantischer Führung eine Rolle. Es treten an dieser Stelle auch deutlich Elemente des Zentrum-Peripherie-Konflikts zu Tage, vgl. Rohe, Karl: Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland.
Kulturelle Grundlagen deutscher Parteien und Parteiensysteme im 19. Und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1992, S. 24.
6
Vgl. Rohe, S. 23/24.
7
Vgl. Rohe, S. 89/90.
8
Königliches statistisches Bureau (Hrsg): Die Ergebnisse der Berufszählung im Königreich Bayern vom 5. Juni 1882, Teil 3.
Die bayerische Bevölkerung nach ihrer gewerblichen Thätigkeit = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 50 (1886),
aufgrund der Darstellung des Zahlenmaterials in der Originalquelle nach Berufsgruppen, nicht nach Bezirken, war die Zitationsweise anhand
der Originalquelle nicht praktikabel. Daher verweist diese Arbeit an den entsprechenden Stellen auf die im Anhang wiedergegebene Statistik,
(Zitiert als: Berufsstatistik, vgl. Anmerkung S. IV); Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.): Das Heimat- und Armenwesen in Bayern. Statistische Unterlagen zur Reform der bayer. Heimat- u. Armengesetzgebung = Beiträge zur Statistik des
Königreichs Bayern 83 (1911) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Heimatwesen); Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.):
Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910und dem Gebietsstand vom
1. Juni 1911 = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 84 (1911) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis); Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.): Bayern und seine Gemeinden unter dem Einfluß der Wanderungen während
der letzten 50 Jahre = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 69 (1912) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Wanderungen).
2
mit einbezogen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Sozialdemokratie im Untersuchungszeitraum (1869 - 1878) als im Werden begriffene politische Strömung zu verstehen ist,
deren Abspaltungsprozess von bürgerlich-liberalen Organisationsformen noch nicht abgeschlossen war, werden, wo dies sinnvoll erscheint, auch liberale Organisationsansätze in
der Betrachtung berücksichtigt. Aufgrund der tiefgreifenden Repressionen und Verbote,
denen die frühe Sozialdemokratie ausgesetzt war, sowie des teilweise informellen Charakters, den die Parteibildung unter diesen Voraussetzungen haben musste, erscheint es ohnehin zu eng gefasst, sich auf die reine formale Organisationsgeschichte zu beschränken. Gerade um einen Einblick in die Entstehungsgeschichte eines schematisch nur oberflächlich
greifbaren heterogenen Milieus zu gewinnen, ist es sinnvoll, unterschiedliche Aspekte zu
beleuchten.
Programmatisch hat sich die Sozialdemokratie im internationalen Vergleich sehr früh aus
der liberalen Bewegung herausgelöst. In einem ersten Teil soll der historische Kontext, aus
dem sich diese Spaltung ergab, dargestellt werden. Wichtig zum Verständnis dieses Prozesses ist die Revolution von 1848 (II A) und der wirtschaftlich-soziale Hintergrund (II B), um
in einem weiteren Schritt den Ablösungsprozess, die programmatischen Differenzen und
deren organisationsgeschichtliche Folgen darzustellen (II C). Es folgt eine genauere Untersuchung der pfälzischen historischen Gegebenheiten (III A) unter besonderer Berücksichtigung der Revolution (III B), um schließlich die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den
Blick zu nehmen (III C). Der Kernteil dieser Arbeit untersucht zunächst die Parteiorganisation der gesamten Pfalz (IV A), nimmt aber auch das politische Umfeld der Partei in den
Blick (IV B). Es folgt die genaue Beschreibung der unterschiedlichen pfälzischen Regionen
nach den oben aufgezeigten Kriterien (IV C).
B Quellen- und Literaturbericht
Es existieren unterschiedliche Studien über die Genese der SPD in allen Regionen der
Pfalz, bis zu dieser Arbeit gab es allerdings keinen zusammenfassenden und vergleichenden Überblick auf aktuellem Forschungsstand. In der Hauptsache greift diese Arbeit auf
diese Studien zurück unter punktueller Zuhilfenahme von Archivmaterial.
Hierfür konnten die Wochenberichte der pfälzischen Regierungspräsidenten von 1869 bis
1874 ausgewertet werden. Darin finden sich vor allem mehr oder weniger detailreiche Berichte zur sozialdemokratischen Versammlungstätigkeit. Daneben wurde auch auf die Polizeiakten in München zurückgegriffen, wobei sich insbesondere die ausführlichen Aufzeichnung zur Umsetzung des Sozialistengesetzes 1878 als hilfreich erwiesen. Weiterhin
wurden die im Speyrer Landesarchiv liegenden Akten der Landespolizei ausgewertet. Um
mehr Details über lokale Entwicklungen herauszuarbeiten, wäre für die Zukunft die Rezeption der Polizeiakten einzelner Bezirke sowie der unterschiedlichen Stadtarchive der Pfalz
3
wünschenswert. Eine dahingehende Verbreiterung der Quellenbasis hätte allerdings den
Rahmen dieser Arbeit deutlich gesprengt. Im Hinblick auf die lokale Parteigeschichte hat
sich der Autor auf die zahlreichen Publikationen zu verschiedenen Ortsvereinen verlassen.
Zu nennen wären noch verschiedene Erinnerungsbände aus den 1920er Jahren. Als besonders hilfreich erwiesen sich hier die Beiträge von Jean Feldmüller9 aus Pirmasens sowie
von Josef Queva,10 der in der frühen vorderpfälzischen Bewegung eine tragende Rolle innehatte.
Besonders zu beachten ist Erich Schneiders Dissertation11 über die Anfänge der sozialistischen Arbeiterbewegung in der Rheinpfalz von 1956, bis heute das umfassendste Werk
über die Genese der pfälzischen Sozialdemokratie. Als Beitrag zu einer allgemeineren Parteiengeschichte im süddeutschen Raum gedacht, ein Unternehmen, dass zumindest für die
Pfalz später von Ernst Otto Bräunche in Angriff genommen wurde,12 leistete Schneider
Basisarbeit, an die alle späteren Werke zum Thema anknüpften. Von den Wochenberichten
nach München, die Eingang in die vorliegende Arbeit gefunden haben, und den Wochenberichten der Bezirke nach Speyer, die zur Grundlage zukünftiger Forschung taugen könnten, einmal abgesehen, hat Schneider im Wesentlichen die wichtigsten Quellen zur Geschichte der pfälzischen Sozialdemokratie verarbeitet und damit die Grundlage der darauf
folgenden Parteiengeschichte gelegt.
Daneben gesondert hervorzuheben ist Willi Breunigs Studie über soziale Verhältnisse der
Arbeiter und sozialdemokratische Organisation in Ludwigshafen. 13 Breunig legt den
Schwerpunkt auch auf die Sozialgeschichte der frühen Industrialisierung, einen Aspekt, der
bei Schneider insgesamt eher zu kurz kommt. Insbesondere zu den Lebens- und Arbeitsverhältnissen innerhalb der BASF verschafft Breunig, der umfangreiche Quellenbestände
erschlossen hat, einen vertieften Einblick. Jedoch auch im Hinblick auf die lokale Organisationsgeschichte hat Breunig die bei Schneider niedergelegten Erkenntnisse mit vielen Quellen aus den Ludwigshafener Archiven erweitert. Weiterhin positiv hervorzuheben ist bei
Breunig das umfangreich zusammengetragene Zahlenmaterial im Anhang.
Zum 110-jährigen Bestehen der Neustädter SPD 1985 veröffentlichte Gerhard Wunder
eine kompakte Geschichte des Ortsvereins.14 Dieser Band beschränkt sich weitestgehend
auf die sozialdemokratische Organisationsgeschichte und behandelt sozialgeschichtliche
Fragen nur am Rande. Gerade im Hinblick auf die Themensetzung der vorliegenden Arbeit
9
Feldmüller, Jean: Die Arbeiterbewegung in der Pirmasenser Schuhindustrie, in: Bei Uns Daheim 6 (1930), S. 21-134.
Queva, Josef: Auf geht die Saat, in: Bei Uns Daheim 4 (1928), S. 13-64.
Schneider, Erich: Die Anfänge der sozialistischen Arbeiterbewegung in der Rheinpfalz 1864-1899. Ein Beitrag zur süddeutschen Parteiengeschichte, Mainz 1956 (Zitiert als: Schneider, Arbeiterbewegung).
12
Bräunche, Parteien.
13
Breunig, Willi: Soziale Verhältnisse der Arbeiterschaft und sozialistische Arbeiterbewegung in Ludwigshafen am Rhein
1869-1919 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein, Bd. 5), Ludwigshafen 1990 (2.Auflage).
14
Wunder, Gerhard: Die Sozialdemokratie in Neustadt an der Weinstraße seit 1832. Zum hundertzehnjährigen Bestehen des
Ortsvereins 1875 bis 1985, Neustadt 1985 (Zitiert als: Wunder, Neustadt).
10
11
4
erwies sich Wunders Ansatz, auch die Vorgeschichte der Sozialdemokratie in der Region
zu behandeln, allerdings als äußerst hilfreich.
Weitere umfassendere Werke zur Entstehung der Sozialdemokratie auf lokaler Ebene bieten Werner Dietrich,15 der den Fokus für den Raum Neustadt auch auf gewerkschaftliche
Organisationen erweitert sowie Michael Ebenau und Alfred Kuffler mit ihrem Werk über
Frankenthal.16 Dietrichs Verdienst liegt darin, dass er es schafft, die kommunenübergreifende Entwicklung im ländlichen Raum um Neustadt herum darzustellen. Seine Arbeit
befasst sich gesondert mit der gewerkschaftlichen Organisationsgeschichte, die allerdings
gerade in der Frühzeit eng an die der Partei angeschlossen war. Allerdings liegt bei Kuffler
und Ebenau das Hauptaugenmerk auf einer späteren Phase der Parteigeschichte. Für die
hier betrachtete frühe Periode bieten sie nur wenig neue Erkenntnisse. Beide Arbeiten machen jeweils in einem umfangreichen Anhang viele Quellen zugänglich.
Etwas kompakter, nahe an wenigen, aber gut ausgewählten und anschaulich editierten
Quellen ist Gerhard Herzogs Frühgeschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung
in Kaiserslautern.17 Neben einem kurzen, aber instruktiven Exkurs zu den sozialen Zuständen in der damals noch größten Stadt der Pfalz bietet Herzog eine kompakte aber faktenreiche Schilderung der frühen sozialdemokratischen Organisationsgeschichte auf lokaler Ebene.
In Anbetracht der Bedeutung der Partei für die Stadtgeschichte relativ bescheiden nimmt
sich die Erschließung des Themas für Pirmasens aus. Neben den Lebenserinnerungen Jean
Feldmüllers18 bietet lediglich eine Serie von Zeitungsartikeln aus den 1980er Jahren, basierend auf einem Vortrag von Erwin Stein, einen Einblick in die Frühgeschichte der Pirmasenser SPD.19
In jüngster Zeit erschien ein Sammelband zum Thema, herausgegeben von Gerhard Nestler
und Manfred Geiß, der mit vielfältigen Beiträgen zur Geschichte der pfälzischen SPD aufwartet.20 Dabei handelt es sich allerdings meist um gekürzte Fassungen von anderweitig
verfügbaren Beiträgen. Dennoch bietet dieses Werk einen umfassenden Einblick und weiß
auch durch einige gänzlich neue Forschungen zu überzeugen. Insbesondere die ausführliche Bibliographie im Anhang dieses Bandes erwies sich als äußerst hilfreich, um den bisherigen Forschungsstand zu erschließen.
15
Dietrich, Werner A.: In der Einigkeit liegt die Kraft. Geschichte der Arbeiterbewegung in der Region Neustadt/ Südpfalz
1832-1984, Neustadt 1991 (Zitiert als: Dietrich, Einigkeit).
16
Ebenau, Michael / Kuffler, Alfred: Es gilt den Kampf. Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Frankenthal
1832-1949, Kösching 1984.
17
Herzog, Gerhard: Die Anfänge der Arbeiterbewegung und die Gründung der SPD in Kaiserslautern. 1867-1905 (Schriften
zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern, Bd. 13), Otterbach 1974.
18
Feldmüller.
19
Stein, Erwin: Aus dem Wahlverein wurde die SPD, in: Die Rheinpfalz, Ausgabe Pirmasens, Nr. 263 vom 10.11.1984.
20
Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G.
Nestler, Speyer 1999.
5
Weiterhin gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten zur Frühgeschichte einzelner
Ortsvereine.21 Daneben existieren einige Jubiläumssbände mit sehr unterschiedlicher Qualität, meist von Ortsvereinen zu Jahrestagen ihrer Gründung herausgegeben.22 Insgesamt
sind die wichtigsten Entwicklungen der frühen sozialdemokratischen Bewegung von der
Forschung bereits abgebildet. Allerdings konnten insbesondere im Bezug auf die Sozialdemokratie der 1870er Jahre in Kirchheimbolanden, Pirmasens und Dürkheim im Rahmen
dieser Arbeit einige Lücken durch die Auswertung archivalischer Bestände geschlossen
werden.
Joachim Kermann beklagte noch 1976 die unzureichende Würdigung sozialgeschichtlicher
Fragestellungen im Zusammenhang mit der pfälzischen Frühindustrialisierung.23 In der
Zwischenzeit hat er selbst einiges zur Behebung dieses Missstandes beigetragen.24 Die
bereits erwähnte Arbeit Willi Breunigs über Arbeiterschaft und soziale Verhältnisse in
Ludwigshafen leistete in diesem Themenfeld weitere Grundlagenforschung, für Speyer
existiert ein instruktiver, wenngleich weniger umfassender Beitrag von Wolfgang Hartwich.25 Außerhalb des Teilbereichs der Sozialgeschichte ist die Industrialisierung in der
Pfalz insgesamt von der wirtschaftshistorischen Literatur relativ gut erschlossen.26 Nur auf
lokaler Ebene lässt die Literatur teilweise noch zu wünschen übrig. Für Kaiserslautern existiert aus der Feder von Werner Weidmann eine eingehende Untersuchung.27 Weniger umfangreich ist die Sekundärliteratur über dieses Themenfeld für die anderen pfälzischen
Städte. Von Spezialstudien über die Pirmasenser Schuhindustrie28 einmal abgesehen, ba21
Bräunche, Ernst Otto: Landauer Parteien, in: Landau 1900- Landau 2000. Menschen, Divisionen, Visionen, hrsg. v. M.
Martin, Edenkoben 2001, S. 59-68 (Zitiert als: Bräunche, Landau); Staudt, Michael: „Königstreu und reaktionär“. Soziale
Frage und Arbeiterbewegung in Zweibrücke 1870-1914, in: Zweibrücken 1793 bis 1918. Ein langes Jahrhundert, hrsg. v. C.
Glück-Christmann, Blieskastel 2002, S. 480-493 (Zitiert als: Staudt, Zweibrücken); Weber, Sascha: Die Geschichte der
Sozialdemokratie in Germersheim. Von ihren Anfängen am Vorabend des Ersten Weltkrieges bis zu ihrem Untergang im NSStaat, in: MHVPf 109 (2011), S. 129-168.
22
Zu nennen wären hier: o.Verf.: 60 Jahre SPD-Ortsverein Homburg. Festschrift zu den Jubiläumstagen 3. Bis 10. Juni 1972,
Homburg o. J. (1972) (Zitiert als: 60 Jahre SPD Homburg); Rehberger, Reinhold: Am Anfang waren es Neun. Über die
Geschichte des SPD-Ortsvereins Rockenhausen und die politisch-wirtschaftliche Entwicklung der Nordpfalz (1850-1948),
Rockenhausen 1976 (Zitiert als: Rehberger, Anfang); Theisohn, Hans: 110 Jahre Sozialdemokratie in Haßloch, Neustadt
1984; 125 Jahre Sozialdemokratie in Speyer. Beiträge zur Geschichte der SPD in Speyer, Speyer 1997 und 1898-1978. 80
Jahre SPD Bad Dürkheim, o. O., o. J. (1978).
23
Vgl. Kermann, Joachim: Vorschriften zur Einschränkung der industriellen Kinderarbeit in Bayern und ihre Handhabung in
der Pfalz. Ein Beitrag zur Entwicklung der bayerischen Arbeitsschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für
westdeutsche Landesgeschichte 2 (1976), S. 311-374 (Zitiert als: Kermann, Vorschriften), hier S. 313-315.
24
Kermann, Joachim: Wirtschaftliche und soziale Probleme in der bayerischen Pfalz an der Schwelle des Industriezeitalters,
in: Sozialhistorische und produktionstechnische Probleme der Mechanisierung der Volkswirtschaft im 19. Und 20. Jahrhundert, in: Hefte zur Wirtschaftsgeschichte 4 (1991), S. 151-188 (Zitiert als: Kermann, Probleme) und Kermann, Joachim:
Wirtschaft und Verkehr im 19. Jahrhundert, in: Pfälzische Geschichte Bd. 2, hrsg. v. K. Rothenberger u.a., Kaiserslautern
2001, S. 129-151 (Zitiert als: Kermann, Verkehr).
25
Hartwich, Wolfgang: Zur Sozialgeschichte Speyers unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts, in: MHVPf
77 (1979), S. 319-338.
26
Rothenberger, Karl-Heinz: Die Dampfmaschine in der Pfalz (1833-1996). Künstliche Energie und Industrialisierung, in:
MHVPf 95 (1997), S. 293-344; Weidmann, Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz Bd. 1, Otterbach
1999 (Zitiert als: Weidmann, Schulgeschichte); Wysocki, Josef: Die pfälzische Wirtschaft von den Gründerjahren bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Beiträge zur pfälzischen Wirtschaftsgeschichte (= Veröffentlichungen der Pfälzischen
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer Bd. 58), Speyer 1968, S. 213-251.
27
Weidmann, Werner: Schwerpunkte wirtschaftlicher Entwicklung in Stadt und Landkreis Kaiserslautern seit 1818, in:
Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 6 (1968), S. 17-45 (Zitiert als: Weidmann, Schwerpunkte).
Zur Kaiserslauterer Wirtschaftsgeschichte vgl. auch Haan, Heiner: Die Wirtschaftsstruktur der Stadt und des Landkreises vor
150 Jahren, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 6 (1968), S. 1-12.
28
Wagner, Michael: Die Entstehung der südwestdeutschen Industrieregion um Pirmasens (1790-1918), in: Vom Zukunfthandwerk zum modernen Industriebetrieb. Schuhe und Schuherstellung in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, hrsg. v. W.
Schächter und M. Wagner, Hauenstein 1998, S. 23-44.
6
siert der wirtschaftshistorische Teil dieser Arbeit vorwiegend aus mehr oder weniger umfassenden Teilen der allgemeineren heimatgeschichtlichen Literatur.29
In Bezug auf die pfälzische Revolution hält sich diese Arbeit weitestgehend an Hans Fenskes Darstellung der Ereignisse in der Pfalz von 1848/49.30 Im Hinblick auf das in dieser
Zeit auflebende Vereinswesen erwies sich der Beitrag von Karsten Ruppert aus dem gleichen Sammelband als überaus hilfreich.31 Auch wenn Rupperts Einschätzungen, gerade
was die Programmatik und Tragweite der frühen sozialistischen Ansätze innerhalb der Revolution angeht, deutlich zu wünschen übrig lassen, überzeugt der Beitrag durch akribische
Auswertung und Darstellung weitreichender Quellen.
Die Einordnung der sozialistischen Fraktion der pfälzischen Revolution in den breiteren
Kontext einer Geschichte der Arbeiterbewegung ist bei Bernd Schwarzwälder32 und Kurt
Baumann33 deutlich besser gelungen. In Anbetracht der Zielrichtung insbesondere auf den
linken Neustädter Arbeiterverein von 1848/49 bei Schwarzwälder und bei Baumann auf die
radikal dominierte Volkserhebung ist dies jedoch kaum verwunderlich. Ruppert hingegen
bemüht sich um die Darstellung der gesamten Bandbreite des pfälzischen Vereinswesens,
insofern ist die mangelhafte Einschätzung eines Teilbereichs in diesem Themengebiet
durchaus verzeihlich.
Für den breiten historischen Überblick wurde in dieser Arbeit auf Thomas Nipperdeys
dreibändige deutsche Geschichte zurückgegriffen, 34 auch Nipperdeys Standartwerk zur
Organisationsgeschichte des deutschen Parteienwesens35 erwies sich an vielen Stellen als
Stütze.
Eine abschließende Erschließung der Literatur über die frühe Sozialdemokratie auf überregionaler Ebene erweist sich in Anbetracht der schieren Menge als geradezu unmöglich und
wäre zweifellos mehr als genug Stoff für eine Reihe akademischer Abschlussarbeiten. Wie
Jonathan Sperber richtig anmerkt, ist über die Sozialdemokratie wahrscheinlich mehr geschrieben worden als über alle anderen politischen Parteien im deutschen Reich zusammen.
29
Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert (1814-1918), in: Die Geschichte der Stadt Speyer Bd. 2, hrsg. v. Stadt Speyer,
Stuttgart 1982, S. 115-290 (Zitiert als: Fenske, Speyer); Schlegel, Wolfgang/ Zink, Albert: 150 Jahre Landkreis Kusel. Beiträge zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte von 1818-1968, hrsg. v. Landkreis Kusel, Otterbach 1968; Zapp, Hans
Ulrich: Die wirtschaftliche Entwicklung Neustadts seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts. Von den Anfängen der Industrialisierung bis zur Währungsreform 1948, in: Neustadt an der Weinstraße. Beiträge zur Geschichte einer pfälzischen Stadt, hrsg.
v. der Stadt Neustadt an der Weinstraße, Neustadt 1975, S. 523-550.
30
Fenske, Hans: Deutschland 1848/49. Ereignisse und Probleme, in: Die Pfalz und die Revolution 1848/49 Bd. 1, hrsg. v. H.
Fenske u.a., Kaiserslautern 2000, S. 9-54 (Zitiert als: Fenske, Deutschland 48/49).
31
Ruppert, Karsten: Die politischen Vereine der Pfalz in der Revolution 1848/49, in: Die Pfalz und die Revolution 1848/49
Bd. I, hrsg. v. H. Fenske u.a., Kaiserslautern 2000, S. 57-242.
32
Schwarzwälder, Bernd: Frühe „Arbeiterbewegung” in Neustadt an der Hardt, in: MHVPf 81 (1983), S. 371-405.
33
Baumann, Kurt: Volkserhebung und Konspiration in der pfälzischen Bewegung von 1848/49, in: MHVPf Bd. 68, Speyer
1970, S. 292-317 (Zitiert als: Baumann, Volkserhebung); Baumann, Kurt: Proletarische Strömungen in der pfälzischen
Bewegung von 1848/49, in: Bei Uns daheim 5 (1929), S. 9-15, 22-23 (Zitiert als: Baumann, Proletarische Strömungen).
34
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1998 (Sonderausgabe)
(Zitiert als: Nipperdey, 1800-1866); Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1890 Bd. 1. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998 (Sonderausgabe) (Nipperdey, 1866-1890 I); Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1890 Bd.
2. Machtstaat vor der Demokratie, München 1998 (Sonderausgabe) (Zitiert als: Nipperdey, 1866-1890 II).
35
Nipperdey, Thomas: Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und
der politischen Parteien, Bd. 18), Düsseldorf 1961 (Zitiert als: Nipperdey, Parteien).
7
Das anhaltende Interesse am Forschungsgegenstand ergibt sich einerseits aus den dramatischen Bedingungen, unter denen sich die SPD gegen massive gesellschaftliche Widerstände als Partei der Ausgeschlossenen enorm stark entwickelte, und andererseits aus der weitreichenden Bedeutung der Partei für die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Allein die Spaltungstendenzen innerhalb der Arbeiterbewegung, die sich letztlich bis in die Spaltung
Deutschlands in zwei Staaten fortwirkten, waren Gegenstand einer schier unüberschaubaren Masse historischer Literatur.36 Deswegen muss sich die Darstellung des Forschungsstands an dieser Stelle auf die hier genutzten Werke beschränken.
Davon am oberflächlichsten nimmt sich die Biografie eine Partei von Franz Walter aus.37
Die Themenwahl dieser pointierten Darstellung erscheint mehr dem Zweck der unterhaltsamen Nacherzählung als ernsthaftem wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse geschuldet.
Da es sich alles in allem mehr um ein journalistisches denn um ein wissenschaftliches
Werk handelt, mag der historisch interessierte Leser darüber hinweggehen. Für einen profunden Einblick in die Frühgeschichte ist das Buch deutlich zu kurz.
Inhaltlich deutlich ausgefeilter nimmt sich Helga Grebings Geschichte der Arbeiterbewegung38 aus. In chronologisch untergliederten Kapiteln widmet sich die Autorin immer jeweils zunächst dem ökonomisch-politischen Rahmen, stellt danach die ideengeschichtlichen Ansätze des jeweiligen Zeitalters dar, um in einem letzten Schritt auf die Organisationsgeschichte im Einzelnen zu kommen. Da es sich dabei mehr um ein Überblickswerk
handelt, ist die Darstellung nicht immer in allen Einzelheiten befriedigend. Beispielsweise
fällt die Bedeutung des Nationalvereins für die Entstehung des deutschen Parteienwesen
gänzlich unter den Tisch — ein Mangel, der in Anbetracht der Kompaktheit des Werks und
der Konzentration auf die genuine Arbeiterbewegung verzeihlich ist. Um in Kürze einen
fundierten Einblick in die Thematik zu gewinnen, ist Grebings Geschichte der Arbeiterbewegung jedenfalls Franz Walters Biografie einer Partei vorzuziehen.
Deutlich fundierter, aber auch um Längen umfänglicher sind die Werke von Shlomo
Na’Aman 39 und Thomas Welskopp 40 zur Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Dabei bietet Na’Aman eine eher klassische politische Geschichte mit Blick auf die
handelnden Personen, während Welskopp eine sozialgeschichtliche Analyse betreibt. Dabei bedient sich Welskopp leider an vielen Stellen einer langatmigen und unnötig komplizierten Ausdrucksweise.
Vgl. Sperber, Jonathan: The Kaiser’s voters. Electors and elections in Imperial Germany, Cambridge 1997, S. 35/36.
Walter, Franz: Die SPD. Biographie einer Partei, Berlin 2011 (2. Aufl.).
38
Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Frankfurt 1975 (6. Aufl.) (Zitiert als: Grebing, Arbeiterbewegung).
39
Na’Aman, Shlomo: der deutsche Nationalverein. Die politische Konstituierung des deutschen bürgertums 1859-1867
(Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 81), Düsseldorf 1987 (Zitiert als: Na’Aman,
Konstituierung); Na’Aman, Shlomo: Lassalle, Hannover 1970 (2. Auflage) (Zitiert als: Na’aman, Lassalle).
40
Welskopp, Thomas: Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz (Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Reihe Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 54), Bonn
2000.
36
37
8
Punktuell orientiert sich die vorliegende Arbeit weiterhin an Werner Conzes und Dieter
Grohs Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung. 41 Um die nicht unbedeutende
DDR-Historiographie zu diesem Thema nicht ganz außen vor zu lassen — darf die Geschichte der Arbeiterbewegung doch als Königsdisziplin der DDR-Geschichtsschreibung
gelten — fanden auch Teile von Dieter Frickes Handbuch zur deutschen Arbeiterbewegung42 Eingang in diese Arbeit. Dabei erwies sich die saubere Quellenarbeit in diesem
Werk als sehr hilfreich. Für Forscher jüngerer Generationen zunächst überraschend ist hier
die einseitige Positionierung des Autors auf Seiten der Eisenacher sozialdemokratischen
Richtung und die Ablehnung Lassalles. Eine Ansicht, die sich für die marxistischleninistische Geschichtswissenschaft wahrscheinlich aus der Nähe zwischen Karl Marx
und Eisenacher Partei ergab.
41
Conze, Werner / Groh, Dieter: Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung. Die deutsche Sozialdemokratie vor,
während und nach der Reichsgründung (Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, hrsg. v. Werner
Conze, Bd. 6), Stuttgart 1966.
42
Fricke, Dieter: Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1869-1917, Berlin (Ost), 1987.
9
II Historischer Rahmen
A Deutschland 1848
a) Revolution
Eine Entstehungsgeschichte der SPD muss die gescheiterte Revolution von 1848 als Ausgangspunkt nehmen. Zweifellos sind die ersten sozialistischen Ansätze älter. Büchners
hessischer Landbote und die christlich geprägte Vision einer kommunistischen Zukunft
Weitlings aus den 1830er Jahren sind Beispiele aus dem zeitlich und örtlich näheren ideengeschichtlichen Kontext.43 Auch Handwerkertraditionen, die teilweise bis in Mittelalter
zurückreichen, prägten die frühe Sozialdemokratie in erheblichem Maße. Das einschneidenste Ereignis für die Gründergeneration der deutschen Sozialdemokratie als Partei bleibt
jedoch die gescheiterte Revolution von 1848.
Die grundlegenden politischen Fragen, die im Zuge des Umbruchs 1848 in der Luft lagen,
aber nicht gelöst wurden, drehten sich um drei Aspekte: nationale Einheit, verfassungsrechtliche Ausgestaltung persönlicher politischer Freiheit und damit einhergehend eine
Demokratisierung sowie, zumindest bereits in Ansätzen, die Soziale Frage. Die durch
Missernten und Kartoffelkrankheiten prekäre Ernährungssituation in den 1840er Jahren
war allerdings nicht der Auslöser für die Ereignisse von 1848/49. Die soziale Situation
stand keineswegs im Zentrum der revolutionären Forderungen, vielmehr waren die Fragen
nach Einheit und Freiheit in Deutschland die wichtigsten Triebfedern der Bewegung. Diese
hatten bereits seit Jahrzehnten die Bestrebungen bürgerlich-liberaler Politiker im Land angetrieben, als diese sich durch den Aufstand in Paris im Februar 1848 unverhofft in der
Offensive wiederfanden. Die Ereignisse in Frankreich verdeutlichten, wie labil der obrigkeitsstaatliche Machtapparat der noch überwiegend adeligen Herrschaft geworden war. Für
die Liberalen bot sich somit die Chance, durch eine parlamentarische Offensive ihre Projekte, nationale Einheit und freiheitliche Verfassung, voranzutreiben.44
Das progressive Lager im Deutschland jener Zeit umfasste zwei Strömungen, die oft mehr
gegeneinander als miteinander agierten. Einerseits gab es die bürgerlichen Liberalen, die
durchaus an einer Demokratisierung interessiert waren, diese jedoch nicht notwendigerweise auf wirtschaftlichem Gebiet und schon gar nicht auf revolutionäre und somit ungesetzliche Art und Weise erstrebten. Daneben erlebte im Frühjahr 1848 eine grundsätzlichere, radikalere Opposition einen enormen Aufschwung. Aufgrund ihrer feindseligen Haltung
gegenüber den Regierungen waren diese politischen Aktivisten aber noch kaum in den
bestehenden politischen Prozess integriert. Sie fanden weniger Resonanz in der bürgerlichen Öffentlichkeit und waren dementsprechend in den Repräsentationsorganen schwächer
43
44
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 25-28.
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 12/13.
10
vertreten. Sie suchten vermehrt den direkten Kontakt zum Volk über Versammlungen und
Demonstrationen und hatten weniger Berührungsängste vor revolutionärem Handeln.45
Insbesondere nahe der französischen Grenze in Baden, fanden die Pariser Aufstände
schnell ein Echo in Form von öffentlichen Versammlungen. Die erste größere Demonstration ereignete sich am 27. Februar 1848 in Mannheim, wo Forderungen nach einem nationalen Parlament, Volksbewaffnung, Pressefreiheit und der Einführung von Schwurgerichten formuliert wurden.46 Für die liberalen Reformer war die Drohung einer revolutionären
Umwälzung mehr ein letztes Mittel, um Regierungen unter Druck zu setzen, als eine reale
Option. Am 5. März 1848 forderten 51 Repräsentanten, die sich in Heidelberg versammelt
hatten, begleitet von einer großen Menschenansammlung die Schaffung einer Nationalversammlung zur Ausarbeitung einer einheitlichen deutschen Nationalverfassung.
Die Rechnung schien zunächst aufzugehen: Eingeschüchtert durch die Ereignisse in Frankreich und die zunehmenden Demonstrationen in ganz Europa machten die Herrscher des
Dritten Deutschlands schnell weitgehende Zugeständnisse. Auch in Preußen und Österreich
sah es zunächst danach aus, als hätten die Liberalen nun endgültig in der Regierung das
Heft des Handelns in der Hand. So ließ sich in Wien der konservative Staatskanzler Graf
von Metternich am 15. März zum Rücktritt bewegen, und in Berlin äußerte der preußische
König Zustimmung zu einer einheitlichen Verfassung für alle deutschen Länder.47
Die verfassungsgebende Versammlung wurde schließlich im Mai gewählt und nahm in der
Frankfurter Paulskirche ihre Tätigkeit auf. Daneben blühte im Frühjahr 1848 das politische
Leben in Publizistik und Vereinen in ganz Deutschland auf. Wie Fenske aufrechnet, beteiligte sich wahrscheinlich jeder vierte Deutsche im Jahr 1848 an mindestens einer der ca.
30.000 Petitionen, die den Weg nach Frankfurt fanden. Aber auch Tumulte, Straßen- und
Arbeitskämpfe, nicht selten Maschinenstürme, Übergriffe auf Grundherren und in einigen
Fällen auf die jüdische Bevölkerung häuften sich im ganzen Land. Die Radikalen konnten
durch eifrige politische Tätigkeit ihr Gewicht in Publizistik und politischen Vereinen vervielfachen. In einigen Regionen, unter anderen in der Pfalz, wurden sie zeitweise zur „relativ stärksten politischen Kraft.“ 48 In Südwestdeutschland und Österreich kam es allerdings
schon im Sommer 1848 zu ersten gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und dem Militär. Insbesondere den radikalen revolutionären Kräften ging die nach
zähen Verhandlungen fortschrittliche, aber dennoch monarchische Paulskirchenverfassung
nicht weit genug. Sie wollten die Republik, wenn nötig durch einen Volksaufstand, fanden
45
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S.15.
Vgl. Ruppert, S. 61.
47
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 16-18.
48
So zumindest Fenske, Deutschland 48/49, S. 22. Bei anderen Autoren findet sich gerade im Bezug auf die Pfalz allerdings
auch eine gegenteilige Auffassung. Nach Baumanns Urteil blieb „die radikale Richtung ohne nennenswerten Einfluß.“ Siehe
Baumann, Proletarische Strömungen, S. 14.
46
11
damit aber keine ausreichende Resonanz innerhalb der Bevölkerung.49 Die Situation spitzte
sich zu. In Wien ging die Regierung militärisch gegen die Aufstände vor. Insbesondere die
rechtswidrige Erschießung Robert Blums im November 1848 erregte in der Folgezeit die
liberal gesinnten Gemüter in Deutschland.50
Währenddessen debattierte das Parlament in Frankfurt bis März 1849. Die Fürsten, durch
erfolgreiche militärische Operationen gegen die vereinzelten Aufstände gestärkt, sahen sich
jedoch nicht mehr genötigt, die endlich fertiggestellte Verfassung anzunehmen. Das Parlament brach auseinander. Ein Teil der Abgeordneten zog sich ganz zurück, andere, darunter
alle pfälzischen Abgeordneten, führten im Stuttgarter Rumpfparlament ihre Arbeit fort. Der
Konflikt zwischen Revolution und Reaktion wurde fortan mit militärischen Mitteln ausgetragen. Ein ungleicher Kampf, den die disziplinierten und gut ausgerüsteten regulären Regierungstruppen der Fürsten leicht für sich entscheiden konnten.
Lediglich in Baden war die revolutionäre Bewegung stark genug, um sich länger zu halten.
Dort schlossen sich große Teile des Militärs der Revolution an, der Großherzog Leopold
ging ins Exil. Auf der anderen Rheinseite, in der vom Mutterland getrennten bayerischen
Pfalz hatte die Entwicklung Badens einen erheblichen Einfluss, die provisorische Regierung sagte sich von München los, es folgte der Anschluss an die badische Revolution.
Doch die militärische Übermacht Bayerns, unterstützt durch preußische Truppen, war erdrückend. Bis Juni 1849 wurde der Aufstand niedergeschlagen.51
b)Frühsozialistische Ansätze in der Revolution von 1848
Der radikale Zweig der revolutionären Bewegung umfasste im Wesentlichen zwei Gruppen von politischen Akteuren. Erstens strömten die radikalen Vordenker der Revolution
aus dem Exil zurück nach Deutschland, die die deutschen Staaten aufgrund des strikt obrigkeitsstaatlichen Klimas vor 1848 verlassen hatten. Im Exil hatten sie sich allerdings gesammelt und organisiert, Zentren dieser Gruppierungen waren die Weltstädte London und
Paris, aber auch in der Schweiz fanden viele deutsche Oppositionelle politisches Asyl. Andererseits waren 1848 auch erste frühsozialistische Organisationsansätze von Arbeitern und
Nichtprivilegierten zu beobachten.
Um 1840 herum gab es 20.000 bis 30.000 deutsche Handwerksgesellen in der Schweiz und
in Paris, jedoch waren nur einige hundert von ihnen in den frühsozialistischen Vereinen
organisiert. Dennoch darf der Einfluss dieser auf Demokratie, Freiheit und soziale Gleichheit zielenden Vereinigungen auf die Handwerker nicht unterschätzt werden. 1835 verab-
49
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 21/22.
Vgl. Ziegler, Hans: Landau in der Vormärzzeit und im Jahre des pfälzischen Aufstandes 1849, in: MHVPf 61 (1963), S.
201-223 (Zitiert als: Ziegler, Landau), Landau, S. 212.
51
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 36-45.
50
12
schiedete der Deutsche Bund gar ein Ausreiseverbot in die Schweiz und Frankreich, um die
Verbreitung revolutionärer Ideen einzudämmen.52
Zu den heute bekanntesten und schon damals einflussreichsten Vereinen gehörte der 1835
in Paris gegründete Bund der Geächteten. Aus diesem ging 1847 in London der Bund der
Kommunisten hervor, ideologisch maßgeblich geprägt von Karl Marx und Friedrich Engels, deren Einfluss auf die Bewegung als Ganze sich jedoch noch bescheiden ausnahm.
Neben London und Paris war das schweizerische Genf schon Mitte des 19. Jahrhunderts
eine wichtige Anlaufstelle für derartige Gruppierungen.53
Die oben genannten Geheimbünde konnten in der Revolution von 1848 in manchen Regionen eine beherrschende Stellung einnehmen, daneben hatten sich in der frühen 1840er
Jahren in Hamburg, Sachsen und im Rheinland Vereine unter bürgerlicher Federführung
gebildet, um der liberal-demokratischen Idee eine Massenbasis zu verschaffen. Die vereinsintern praktizierte Demokratie gewann an Eigenwert und wurde in diesen Gruppierungen
schnell zum Modell für die Organisation der gesamten Gesellschaft.54 Daneben entstanden
1848, hauptsächlich von Handwerksgesellen getragen, weitere Arbeitervereine, die Arbeitsvermittlung und ein soziales Sicherungsnetz für ihre Mitglieder organisierten.55
Die Vernetzung dieser frühsozialistischen Vereine auf nationaler Ebene nahm 1848 konkrete Züge an. Eine Föderation der deutschen Arbeitervereine, zunächst als soziales Gegenparlament geplant, entstand die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung mit Sitz in
Leipzig.56 Die Organisation stellte sich 1849 hinter die Reichsverfassung und sympathisierte mit den Linken im Paulskirchenparlament. Gerhard Schildt beschreibt die Arbeiterverbrüderung als „janusköpfig“57, rückwärtsgewandt knüpfte sie an die Traditionen der Gesellenbruderschaften an, für die Zukunft nahm sie die Tätigkeit von Gewerkschaften und sozialdemokratischer Partei vorweg und wirkte auf ein sozialstaatlich ausgerichtetes, demokratisch organisiertes Gemeinwesen hin.58
Auch wenn sich hier qualifizierte Handwerker organisierten, die sich dem eigentlichen
Lumpenproletariat durchaus überlegen fühlten, so erfolgte 1848 dennoch ein „Durchbruch“59 zu einem neuen politischen Selbstbewusstsein der Werktätigen. Auch der Dualismus zwischen dem revolutionären und dem revisionistischen Lager, der innerhalb der
sozialistischen Bewegung auf lange Zeit ein wichtiger Faktor bleiben sollte, hat 1848 sei-
52
Vgl. Schildt, Gerhard: Die Arbeiterschaft im 19. Und 20. Jahrhundert (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 36), München 1996, S. 8.
53
Vgl. Welskopp, S. 29/30.
54
Vgl. Welskopp, S. 31.
55
Vgl. Schildt, S. 9.
56
Vgl. Welskopp, S. 31-33.
57
Siehe Schildt, S. 9.
58
Vgl. Schildt, S. 9.
59
Siehe Grebing, Arbeiterbewegung, S. 45.
13
nen Ursprung.60 Die Arbeiterverbrüderung und das Netz von 170 Arbeitervereinen in allen
Ecken des deutschen Reichs waren die Blaupausen der Vorfeldorganisationen zur SPD ab
den 1860er Jahren. 1849 wurde die Arbeiterverbrüderung Opfer des strikten Vereinsgesetzes im Zuge der Reaktion. Wenige Ortsvereine konnten sich noch bis 1854 halten, als das
Verbot im gesamten deutschen Bund einheitlich rechtlich fixiert wurde.61
c) Reaktion
Auch auf verfassungsrechtlicher Ebene folgte eine Reaktionsperiode. Koordiniert durch
den Deutschen Bund, wurden die liberalen Elemente der Konstitutionen (Budgetrecht der
Parlamente, Wahlrecht und Pressefreiheit) deutschlandweit in relativ einheitlicher Weise
beschnitten. Lediglich Baden verfolgte einen etwas stärker auf Ausgleich ausgerichteten
Kurs und verzichtete auf Verfassungsänderungen.62
Ein Großteil der Revolutionäre, die der Verfolgung und Inhaftierung entgangen waren,
wanderte aus. Viele von ihnen fanden in den USA eine neue Heimat oder zogen sich in die
europäischen Zentren der revolutionären Bewegungen in Paris, London und in der Schweiz
zurück. Beispielhaft sei an dieser Stelle der aus Frankenthal stammende Johann Philipp
Becker genannt, der bereits vor der Revolution im Schweizer Exil gelebt hatte und sich
danach in Genf niederließ. Dabei blieb er allerdings immer in engem Kontakt zu den geistigen Vordenkern der politischen Linken im französischen und englischen Exil.63 Insgesamt zog sich die politische Linke in die vorrevolutionären geheimen Strukturen zurück.
B Wirtschaftliche, industrielle und gesellschaftliche Entwicklung
Die industrielle Entwicklung in Deutschland war 1848 noch kaum in Fahrt gekommen.
Dennoch wurden schon in dieser Zeit einige Voraussetzungen für die starke Expansion der
deutschen Industrie in der zweiten Jahrhunderthälfte augenscheinlich. Zu nennen wäre hier
zunächst die rasante Bevölkerungsentwicklung, die das ganze 19. Jahrhundert hindurch
steil nach oben ging. Bessere hygienische Einrichtungen und medizinische Betreuung sorgten für ein deutliches Absinken der Säuglings- und Kindersterblichkeit. Bauernbefreiung
und Gewerbefreiheit hatten zusätzliche Eheschließungen und steigende Geburtenziffern zur
Folge.64
Erst als die industrielle Entwicklung, in etwa ab 1850, langsam an Fahrt gewann, ergaben
sich neue Arbeitsmöglichkeiten für die ländlichen Unterschichten. Insbesondere der rasante
Ausbau der Eisenbahn ab 1850 schaffte weitreichende Arbeitsmöglichkeiten und die Industriezentren begannen zu wachsen. Ab den 1860er Jahren verstetigte sich allmählich eine
60
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 44-46.
Vgl. Schildt, S. 9.
62
Vgl. Nipperdey, 1800-1866, S. 674/675.
63
Vgl. Schiffmann, Dieter: Johann Philipp Becker. Das revolutionäre Leben eines Frankenthaler Bürstenbinders, in: Die
pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler,
Speyer 1999, S. 64-69.
64
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 20/21.
61
14
Wanderungsbewegung, hauptsächlich von dem ländlich geprägten Osten in die Industriegebiete des Westens.65 Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten Handwerk und
Gewerbe eine fast mittelalterlich anmutende Struktur, nur langsam überlagert von einer
industriellen Produktionsweise.66
Neben der verbesserten Infrastruktur war auch der zollpolitische Rahmen entscheidend für
die Entwicklung von Handel und Industrie. Schrittweise wurde in Deutschland ein einheitlicher Wirtschaftsraum mit fast uneingeschränkter Verkehrsfreiheit nach innen und einheitlicher Zollpolitik nach außen geschaffen: 1833/34 schlossen sich 18 Staaten mit 23 Millionen Einwohnern zum deutschen Zollverein zusammen, dem bis 1854 immer mehr Staaten
beitraten. Ein rechtlich einheitlicher Wirtschaftsraum wurde in Deutschland jedoch erst mit
der Reichsgründung 1871 geschaffen. Damit waren die Voraussetzung zur Expansion der
deutschen Industrieunternehmen, durch Zollgesetzgebung geschützt vor ausländischer
Konkurrenz, an die Weltspitze endgültig geschaffen.67
Die Schwerindustrie, angewiesen auf Eisen und Kohle, hatte regional ihre Zentren im
Ruhrgebiet und in Oberschlesien. Auch im Saarland nahm die Kohleproduktion nach einer
Anlaufphase bis 1951 stetig zu. 68 Gute Transportanbindung und ein ausreichendes Reservoir an billigen Arbeitskräften waren die vergleichsweise einfacheren Bedingungen für den
Ausbau der Textilindustrie. Entsprechend konnten sich hier die alten Standorte in Sachsen,
Schlesien, Westfalen, Schwaben und am Niederrhein behaupten. Auch die Mittelindustrie,
Maschinen- und Apparatebau, entwickelte sich vornehmlich in diesen Regionen.69
Ebenso heterogen wie die Struktur der Wirtschaftsunternehmen waren die Arbeitsbedingungen der und die Anforderungen an einfache Arbeitskräfte. 1863 lag der Wochenverdienst für die eintönige Tätigkeit eines Arbeiters in der sächsischen Textilindustrie bei 1 bis
2,5 Talern, ein Buchdrucker in Sachsen verdiente im selben Zeitraum 6 bis 7 Taler. Währenddessen konnte ein Maschinenbauer in Berlin bei Akkordarbeit zwischen 12 und 13
Taler verdienen. Gesicherte Zahlen über das quantitative Wachstum der Arbeiterschaft im
Zeitraum zwischen 1850 und 1870 sind nicht verfügbar, die meisten Betriebe hatten in
dieser Zeit eine mittlere Größe zwischen 30 und 100 Arbeitern.70 Es ist davon auszugehen,
dass sich die industrielle Expansion in der Breite erst nach 1870 vollzog. Entsprechend
führt Helga Grebing die ersten Ansätze zur politischen Formierung der Arbeiterschaft nicht
auf das quantitative Anwachsen dieser Gruppe zurück. Vielmehr rechnet sie die Herausbil-
65
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 21.
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 18.
67
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 48.
68
Vgl. Eschner-Becker, Stienke: Die Grube Dudweiler und die Berginspektion IV (1816-1919). Ein Beitrag zur Geschichte
des preußischen Staatsbergbaus an der Saar, Saabrücken 1988, S. 84/85.
69
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 48.
70
Zum Vergleich: Der Durchschnitt lag in England zum selben Zeitpunkt bei 100-500 Arbeitern, vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 49.
66
15
dung erster Arbeitervereine einer kleinen Minderheit qualifizierter Facharbeiter zu, geleitet
von einer kleinen Gruppe politischer Anführer, meist kleinbürgerlicher Herkunft.71
C Politische Landschaft 1848 - 1878
a) Politische Parteien und Organisationen 1848 - 1870er
aa) Der Deutsche Nationalverein
Trotz ihres Scheiterns hatte die Revolution entscheidenden Einfluss auf die Ausrichtung der
Politik der Folgejahre. Zwar stand eine Demokratisierung des politischen Systems nach
dem Scheitern der Reichsverfassungskampagne zunächst nicht zur Debatte, die politische
Einheit Deutschlands jedoch erschien zunehmend auch konservativen Kräften unvermeidbar. Im Zusammenhang mit der italienischen Einigung und der folgenden Welle nationaler
Begeisterung auch in Deutschland kristallisierte sich spätestens ab 1859 heraus, dass sich
die Vereinigung in einem Nationalstaat nicht mehr ewig hinauszögern lassen würde. Die
deutsche nationale Frage wurde schließlich zum zentralen Feld der mitteleuropäischen Politik.72
Die politischen Organisationen, wie sie sich im Lauf der Revolution 1848 herausgebildet
hatten, gingen in der Reaktionsperiode unter. Mit der Zeit entwickelten sich jedoch neue
Formen der Organisation. Instruktiv für die Art und Weise der politischen Organisation in
dieser Zeit ist das Beispiel des 1859 gegründeten Deutschen Nationalvereins. Dass sich die
Mitglieder dieser liberal dominierten, aber im heutigen Wortsinn an sich überparteilichen
Organisation selbst als „nationale Partei“ oder „deutsche Nationalpartei“73 bezeichneten,
deutet bereits darauf hin, wie wenig konkret allein schon die Begrifflichkeiten Partei, Fraktion und Verein im Verständnis der Zeitgenossen ausdefiniert waren.74
Der Nationalverein war die erste deutschlandweite politische Organisation und bildete als
solche, wie Shlomo Na’am es beschreibt
„den Mutterboden […], aus dem drei politische Richtungen entstanden und denen
auch bis zu einem gewissen Grade eine Klassenstruktur entsprach: die der Konservativ-Liberalen, die der Liberaldemokraten und die der Sozialdemokraten.“75
Im Nationalverein waren alle Mitglieder direkt einer zentralistischen Führung unterworfen,
ein Novum innerhalb der politischen Organisationsgeschichte des deutschen Bürgertums,
71
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 49.
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 53.
73
Siehe Nipperdey, Parteien, S. 12.
74
Genauer dazu Nipperdey, Parteien, S. 9-11.
75
Siehe Na’am, Shlomo: der deutsche Nationalverein. Die politische Konstituierung des deutschen Bürgertums 1859-1867
(Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, hrsg. v. der Kommission für Geschichte des
Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 81), Düsseldorf 1987, S. 5.
72
16
dessen Vereine bis dahin stets föderalistische Zusammenschlüsse mit starken lokalen
Zweigstellen gewesen waren.76
Der Verein hatte zwar ein klar gestecktes Ziel — die Bildung eines einheitlichen deutschen
Nationalstaats — aber keine konkrete politische Macht. Insofern war die Arbeit des Vereins nicht auf die Erringung von Mandaten und Machtausübung konzentriert, vielmehr
standen Meinungsbildung und Stimmungsmache im Fokus der Tätigkeit dieser Organisation.77 Besonders im Dritten Deutschland war die öffentliche Meinung vergleichsweise früh
ein ernstzunehmender Machtfaktor.78 Mit Ausbreitung des allgemeinen und direkten Wahlrechts gewann die Masse der Bevölkerung Deutschlands an politischem Gewicht.79
Der Verein hatte auf dem Höhepunkt 1862/63 etwa 25.000 zahlende Mitglieder und war
damit die größte politische Organisation Deutschlands. Dabei blieben ärmere Handwerker
und Arbeiter wegen relativ hoher jährlicher Beiträge im Verein außen vor. Um die breite
Masse der Bevölkerung für die Ziele des Nationalvereins zu gewinnen, wurden Arbeiterbildungsvereine gegründet.80 Eine Organisationsform, an die in der Folgezeit zunächst die
Fortschrittspartei anknüpfen sollte, die sich aber später gerade für die junge Sozialdemokratie als wegweisend erwies. Mit der Wochenschrift schaffte der Nationalverein eine Art politisches Leitorgan des deutschen Bürgertums.81
Auch die Herausbildung der ersten deutschen sozialistischen Organisation, des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), ist eng mit dem Nationalverein verknüpft. Herrmann Schulze-Delietzsch, Vordenker der ersten Arbeitervereine liberaler Prägung, war
Vorstandsmitglied des Nationalvereins. Zwar waren die Liberalen durchaus an der Gewinnung einer Massenbasis in der nationalen Frage interessiert. Die Lösung sozialer Probleme
stand hier jedoch noch deutlich im Hintergrund.82
bb) Die Herausbildung der liberalen Parteien
Obwohl das deutsche Bürgertum in dieser Phase ökonomisch beständig an Einfluss gewann, konnte der Liberalismus diese Position kaum in politische Macht ummünzen. Aufgrund des Scheiterns aller Reform- und Revolutionsbewegungen im 19. Jahrhundert war
das Bürgertum gezwungen, sich mit dem Obrigkeitsstaat zu arrangieren. Es orientierte sich,
wie etwa Max Weber kritisierte, zu sehr an den Werten des Staatsbeamten, wohingegen
„Marktverhalten, Individualismus, Vorrang der Freiheit vor der Ordnung“83 keine Priorität
hatten. Wie in allen Industriestaaten bildete sich in Deutschland eine Klassengesellschaft
76
Vgl. Biefang, Einleitung zum Quellenband: Der deutsche Nationalverein 1859-1867. Vorstands- und Ausschußprotokolle,
Düsseldorf 1995, S. XIII.
77
Vgl. Nipperdey, Parteien, S. 13/14.
78
Vgl. Schieder, Theodor: Die kleindeutsche Partei in Bayern. In den Kämpfen um die nationale Einheit 1863-1871, München 1936, S. 71.
79
Vgl. Nipperdey, Parteien, S. 91.
80
Vgl. Biefang, S. XIII/XIV.
81
Vgl. Biefang, S. XXIV/XXV.
82
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 64.
83
Siehe Nipperdey, 1866-1890 I, S. 419.
17
heraus.84 Für die Periode bis 1890 ist eine deutliche Zunahme der Ungleichheit innerhalb
der deutschen Gesellschaft zu konstatieren.85 Dabei verharrte das Bürgertum aufgrund des
Anpassungsdrucks in der durch traditionelle Strukturen überformten Funktionsweise von
Politik, Militär und Verwaltung in einer vergleichsweise schwachen Position.86 Es ist hierbei auf ein Nord-Süd Gefälle zwischen Preußen und den weniger obrigkeitlich strukturierten Staaten in Süddeutschland hinzuweisen.87
Von entscheidender Bedeutung für diesen Anpassungsprozess war nicht zuletzt auch die
Taktik der konservativen Regierungen, insbesondere des preußischen Kanzlers Otto von
Bismarck, einen Teil der Bürgerlichen stärker ins politische System zu integrieren und so
die Opposition insgesamt zu schwächen.88 Das wirtschaftlich aufstrebende Großbürgertum
konnte sich gut mit einem konservativ-autoritären Staat arrangieren. Mit der nationalen
Integration fielen nach und nach die zollpolitischen Schranken, womit den wirtschaftlichen
Zielen dieser Gruppe weitestgehend gedient war. Eine umfassendere politische Emanzipation breiter Bevölkerungsschichten war nicht notwendigerweise im Interesse dieses Besitzbürgertums. Im Gegenteil war abzusehen, dass eine weitere Beteiligung der breiten Masse
an der politischen Macht in Deutschland den noch im Vormärz geprägten und in den
1860er Jahren weiter entwickelten Herr-im-Hause-Standpunkt 89 bürgerlicher Entscheidungshoheit im wirtschaftlichen Bereich infrage stellen würde.
Die in erster Linie auf die Mittelschicht gestützten Linksliberalen hingegen waren durchaus
an einer weiteren Demokratisierung interessiert. Schon 1848 war der Liberalismus gekennzeichnet von einem rechten und einem linken Flügel. Frühe sozialistische Strömungen mit
eingerechnet, hatten damals bereits drei unterschiedliche, mehr oder weniger revolutionäre
Flügel bestanden. Parteipolitisch waren die Liberalen seit dem Untergang der radikalen
Demokraten 1848 durch unterschiedliche Fraktionen in den jeweiligen Landesparlamenten
und der großen Klammer des deutschen Nationalvereins relativ einheitlich organisiert gewesen. Ihre Ziele waren eine freiheitliche Verfassung und die nationale Einheit. Die radikalen Demokraten waren, durch staatliche Repression an den Rand gedrängt, bedeutungslos
geworden. 1866 schließlich vollzog sich die Abspaltung der Nationalliberalen aus der Fortschrittspartei.90
84
Vgl. Nipperdey, 1866-1890 I, S. 427.
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 I, S. 414.
86
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 I, S. 427.
87
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 II, S. 23.
88
Siehe Nipperdey, 1800-1866, S. 698/699.
89
Vgl. Tenfelde, Klaus: Arbeitsbeziehungen und gewerkschaftliche Organisation im Wandel, am 22.3.2012 online unter:
http://www.bpb.de/publikationen/J3OYJX,2,0,Arbeitsbeziehungen_und_gewerkschaftliche_Organisation_im_Wandel.html.
90
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 I, S. 314.
85
18
Abb. 2 Herausbildung der deutschen Parteien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
19
cc) Liberale und frühe Arbeiterbewegung
Im europäischen Vergleich bildete sich in Deutschland sehr früh eine eigenständige und
breit organisierte sozialistische Partei heraus. Im Gegensatz zu England oder Frankreich
setzten sich die linken politischen Strömungen früh von der liberalen Bewegung ab. Die
ersten Vorläufer der SPD jedoch entstanden noch unter liberaler Führung und nicht selten
in Anknüpfung an tradierte Protestformen von 1848.91 Für die Abspaltung vom Bürgertum
wie auch für innersozialdemokratische Konflikte blieb der Konflikt um die Nation entscheidend. Spätestens ab 1866 war die Möglichkeit einer großdeutschen Lösung gescheitert. Es kristallisierte sich außerdem heraus, dass die Lösung der nationalen Frage nicht mit
einer Demokratisierung einhergehen würde. „Der Liberalismus musste […] sich mit den
alten Mächten arrangieren“,92 die Linke konnte das nicht.
Mit der an Fahrt gewinnenden Industrialisierung kam es zudem zu einer Zuspitzung der
Sozialen Frage. Für die Nationalliberalen war dies weniger ein politisches Problem, die
Linksliberalen hatten durchaus soziale Ansätze, die der radikalen Linken allerdings nicht
weit genug gingen. Der deutsche Nationalverein war anfangs der 1860er Jahre Sammelbecken der unterschiedlichsten liberalen Strömungen. Die Organisation wollte volkstümlich
sein und die Arbeiterschaft durchaus integrieren, um eine eigenständige Arbeitervereinigung, die leicht in kommunistisch-cäsaristische Bahnen hätte abgleiten können, zu verhindern. Die Führung hatte also die Arbeitervereine zu integrieren, was Entgegenkommen
gegenüber den Radikalen erforderte. Allerdings sollten die Arbeiterorganisationen mittels
Indoktrinierung im Sinne des Freihandels von sozialistischen Ansätzen ferngehalten werden.93
Als sich ab etwa 1862 parteipolitisch die Spaltung in Fortschritt und nationalliberale Partei
andeutete, wurde auch zunehmend klar, dass sich die Radikalen politisch bald von den
Linksliberalen abgrenzen würden. Der radikaldemokratische Volksfreund für das Mittlere
Deutschland schrieb dazu am 25. Mai 1862:
„Der ‚Nationalverein‘ hat im gesunden Volksboden nie Wurzeln zu schlagen vermocht; er ist als gänzlich externes, hohenzollern-napoleonisches Gewächs zu betrachten, wenn auch ganz Gewiss [sic!] nicht in der Absicht der bei weitem größeren Anzahl seiner Mitglieder, so doch durch die Logik der Thatsachen.“94
Der Artikel warf der Führung des Vereins vor, sich mit den mächtigen Fürsten zu verbünden und Preußen zu stark zu unterstützen. Den Arbeiterverbänden riet der Volksfreund sich
91
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 61.
Siehe Nipperdey: 1866-1918 II, S.353.
93
Vgl. Na’Aman, Konstituierung, S. 24-27.
94
Siehe Na’Aman, Konstituierung, Quellensammlung, S. 710.
92
20
mit dem Nationalverein weder finanziell noch inhaltlich zu verbinden, so wie es das „Fortschritts-Philistertum“95 getan hatte.
Ein Jahr später erhielt diese Konzeption der unabhängigen Arbeiterorganisation mit der
Gründung des ADAV ihre konkrete organisatorische Ausgestaltung. Zwar blieb die Fortschrittspartei mit ihren Arbeitervereinen anfangs der 1860er Jahre innerhalb der Mehrzahl
der Arbeitervereine dominant, doch mit den Sozialisten wuchs eine gefährliche Konkurrenz
heran. So wurden spätestens bis in die 1870er Jahre die Sozialdemokraten die dominante
Kraft zur Integration der ärmeren Bevölkerung ins politische System. Mit Anwachsen der
Fabrikindustrie und der Entstehung städtischer Ballungszentren mit Sogwirkung auf die
pauperisierte ländliche Unterschicht wurde die Soziale Frage ab den 1870er Jahren endgültig zur Arbeiterfrage. Im linken Spektrum der liberalen Arbeiterbewegung hatten sich ursprünglich größtenteils verarmte ländliche Handwerker organisiert, eine gesellschaftlichen
Gruppe, die in der Folgezeit eher zum Mittelstand zu zählen ist.96
Die aufkommende Arbeiterbewegung entwickelte sich zunehmend unabhängig vom und in
Opposition zum Liberalismus. Dabei blieb das Verhältnis zwischen linksliberalen Strömungen und Sozialdemokratie überaus komplex. Gerade im süddeutschen Raum ergaben
sich enge Berührungspunkte zur Volkspartei, zumindest die Eisenacher Richtung der Sozialdemokratie ging direkt aus dieser Partei hervor. Deren Mitglied August Bebel vertrat
ursprünglich einen äußerst bürgerlichen Standpunkt. Da er die Arbeiter zunächst als politisch unreif einschätzte, lehnte er sogar das gleiche Wahlrecht ab, bis er in der Auseinandersetzung mit Ferdinand Lassalle die Theorien von Marx und Engels entdeckte. Mit Karl
Liebknecht verband ihn nicht nur der marxistische Ansatz, daneben war für ihre Kooperation in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) vor allem die gemeinsame Haltung
in der deutschen Frage entscheidend. In der sächsischen Volkspartei sammelten beide hinter sich die großdeutsche Fraktion der jungen Arbeiterbewegung. Die Eisenacher teilten das
Ideal der einheitlichen Nation aller Deutsch(sprachig)en mit den progressiven Kräften im
Bürgertum.97 Noch 1863 hatte der deutsche Nationalverein Bebels Leipziger Arbeiterbildungsverein mit Geldmitteln unterstützt.98
Ferdinand Lasalle hingegen, Anführer des ADAV, verfolgte eine strategische Ausrichtung
in strikter Opposition zum Bürgertum, während die Vordenker der Eisenacher gerade aus
der Revolutionserfahrung 1848 heraus noch eng zum Bürgertum standen. Auch Marx plädierte beispielsweise für ein Bündnis mit dem liberalen Bürgertum. In diesem sah Lassalle
hingegen den „Hauptfeind, der den größten Teil der Arbeiterschaft noch im Banne seiner
Siehe Na’aman: Konstituierung, Quellensammlung, S. 711.
Vgl. Conze, Werner: Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung in Deutschland. Das Beispiel SchulzeDelitzschs (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften), Heidelberg 1965, S. 9.
97
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 64/65.
98
Vgl. Biefang, S. XXVI.
95
96
21
Ideologie festhielt, der die demokratischen Forderungen von 1848 verraten hatte“99. Ganz
von der Hand zu weisen ist diese Kritik nicht. Schließlich konnte sich der wirtschaftmächtige Teil des Bürgertums auch gut mit einem monarchischem Polizeistaat arrangieren,
obschon in liberalen Kreisen die Ideen politischer Freiheit von 1848 sicherlich noch präsent
waren. Dieser Widerspruch führte schließlich, wie bereits aufgezeigt, zur Aufspaltung der
liberalen Partei.
Bebel und Lassalle als herausgehobene Exponenten der frühen deutschen Sozialdemokratie
illustrieren auf augenscheinliche Weise die Bandbreite des Verhältnisses zwischen bürgerlichem Liberalismus und sozialistischer Arbeiterbewegung. Beide Strömungen teilten die
Opposition zur althergebrachten Auffassung staatlicher Legitimität durch Gottesgnadentum
und setzten ein republikanisches Modell dagegen. Die Haltung während der Revolution
von 1848 macht deutlich, dass die Bürgerlichen dabei eher in einer legalistischen Auffassung verharrten, während sich die frühen Sozialisten offener für jakobinische Elemente
direkter Volksherrschaft zeigten. Der endgültige Bruch zwischen beiden Richtungen vollzog sich schließlich aufgrund der unterschiedlichen ökonomisch geprägten Interessenlagen
von bürgerlicher Schichten und proletarisierter Unterschicht.
dd) Die Katholiken
Für die Entstehungsgeschichte der Sozialdemokratie spielen die politischen Organisationen
der Katholiken eine untergeordnete Rolle. Die Sozialisten spalteten sich, was die Parteielite
anging, von den Linksliberalen ab und hatten ihre Basis in den säkularisierten Städten, wobei die Zentren vorwiegend in protestantischen Regionen lagen. Von daher waren zunächst
kaum Konflikte oder Berührungspunkte zwischen Katholiken und Sozialdemokraten vorhanden. Unstrittig ist der philosophisch-weltanschauliche Konflikt zwischen beiden Strömungen, inhaltlich hatten beide nicht selten enge Berührungspunkte.
Schon ab 1845 hatten sich die katholischen Handwerksgesellenvereine nach dem Modell
von Adolf Kolping aus dem niederrheinischen Elberfeld in ganz Deutschland ausgebreitet.
1855 zählte der Gesamtverband katholischer Gesellenvereine 104 Vereine mit insgesamt
12.000 Mitgliedern. Die Vereine schafften einen Raum familiärer Geselligkeit für die Arbeiter, wo neben beruflicher Weiterbildung auch religiöse Belehrung praktiziert wurde.
Auffällig ist, dass die protestantische Kirche, zumindest auf höherer Ebene, weniger Offenheit gegenüber den sozialen Problemen der Zeit zeigte.100 Zwar waren lokal häufig protestantische Theologen in Arbeitervereinen engagiert,101 zu einer übergeordneten Organisati-
99
Siehe Grebing, Arbeiterbewegung, S. 63.
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 46/47.
101
Das markanteste Beispiel aus der Pfalz ist an dieser Stelle Pfarrer Heinrich Hochdörfer aus Neustadt, vgl. Wunder,
Gerhard: „Kein Heil außer dem Sozialismus.“ Der Neustadter Arbeiterverein von 1848/49, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. Manfred Geis und Gerhard Nestler, Speyer 1999, S.
58-62 (Zitiert als: Wunder, Arbeiterverein 1848/49), hier S. 61.
100
22
on unter religiösen Vorzeichen kam es jedoch in den protestantischen Gemeinden nicht.
Dies ist mit Sicherheit einer der Gründe, warum die Sozialdemokratie aufgrund des Fehlens
anderweitiger Angebote gerade in den protestantischen Regionen Deutschlands so schnell
Fuß fassen konnten.
Andernorts hingegen etablierte sich die katholische Arbeiterbewegung umso stärker. Dabei
suchte diese inhaltlich durchaus die Nähe zu den frühen sozialistischen Gruppierungen.
Konservativ-katholische Stimmen teilten demonstrativ Lassalles Kritik am bürgerlichen
Staat und der liberalen Idee der Selbsthilfe als Antwort auf die Soziale Frage.102 Trotz dieser teilweisen Nähe zur sozialistischen Ideenwelt, verstand sich die katholische Arbeiterbewegung dezidiert als „Abwehrfront gegen die allmählich um sich greifende liberale Genossenschaftsbewegung und Lassallesche sozialistische Arbeiterbewegung.“103 Insgesamt
hatten die katholischen Arbeitervereine eine ähnliche Stoßrichtung wie die Sozialdemokraten, jedoch in deutlich moderaterer Form. Sie forderten angemessene Bezahlung von Arbeitern, eine Arbeitszeitverkürzung auf höchstens zehn Stunden und wollten Kinderarbeit
und die Arbeit von verheirateten Frauen verbieten. Um nicht in den Eindruck zu großer
Nähe gegenüber dem Kapital zu kommen, beteiligten sich die katholischen Arbeitervereine
in ihren niederrheinischen Kernregionen auch an Streiks.104
b) Die Soziale Frage: Theorie- und Politikansätze
Die industrielle Expansion der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts warf grundlegende Fragen nach dem Verhältnis zwischen Markt und Staat auf, die bis heute umstritten sind. Da
die Organisationsgeschichte der Arbeiterbewegung eng mit zugrundeliegenden Auffassungen staatlicher, volkswirtschaftlicher und nicht zuletzt philosophischer Natur verquickt ist,
ist an dieser Stelle ein ideengeschichtlicher Exkurs zur Skizzierung des Werks und Wirkens
zumindest der für das Werden der deutschen Arbeiterbewegung einflussreichsten Vordenker unumgänglich. Auf liberaler Seite engagierte sich besonders Herrmann SchulzeDelitzsch für die Arbeiter, daneben wird im Folgenden auf die hegelianisch geprägten Ansätze von Karl Marx und Ferdinand Lassalle eingegangen. Alle drei haben gemeinsam,
dass sie die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten beobachteten, allerdings entwickelten sie unterschiedliche Ansätze zur Lösung der Sozialen Frage.
Besonders Marx und Lassalle beobachteten eine starke Polarisierung zwischen der lohnabhängigen Arbeiterklasse, dem Proletariat und den besitzenden Unternehmern. Die Arbeiter
erwirtschafteten mit ihrer Tätigkeit den gesellschaftlichen Reichtum, erhielten aber nie
102
So positionierten sich zumindest die konservativ-katholischen Historisch-Politischen Blätter 1863. Vgl. hierzu: HistorischPolitische Blätter 52 (1863), S.69/70 sowie S. 41. Abgedruckt in: Grenner, Karl Heinz (Hrsg.): Katholizismus und wirtschaftlicher Liberalismus im 19. Und 20. Jahrhundert (Beiträge zur Katholizismusforschung. Reihe A, Quellentexte zur Geschichte
des Katholizismus, Bd. 12), Paderborn 1998.
103
Siehe Bude, Heiner: Man nannte sie „rote“ Kapläne. Priester an der Seite der Arbeiter, Skizzen zur christlichen Sozialtradition, Kevelaer 1989, S. 10.
104
Vgl. Bude, S. 12/13.
23
mehr Lohn für ihre Arbeit, als sie zur Aufrechterhaltung ihrer Arbeitskraft unbedingt benötigten. Den Mehrwert der Arbeit, so beide Theoretiker, strichen allein die Unternehmer ein.
Dadurch entstünden riesige Vermögen, und das Kapital würde in den Händen einiger weniger akkumuliert.
Bei Marx stiegen infolge des Konkurrenzdrucks Investitionskosten und die Profitrate begann zu sinken, was letztlich zu einer weiteren Vermögenskonzentration führte. Andererseits stieg die Anzahl verarmter Proletarier, deren Schicksal von immer breiteren Teilen der
Mittelschicht geteilt würde. Der Prozess würde sich durch regelmäßige Krisen der Überproduktion, die Entlassungen zur Folge haben würden, verschärfen, sodass das eine „industrielle Reservearmee“105 immer größer werden würde. Der Antagonismus zwischen
Arm und Reich — oder zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie — wachse und ließe sich
im kapitalistischen System nicht mehr auflösen.
Für Herrmann Schulze-Delitzsch, Mitglied in Fortschrittspartei und Nationalverein, war die
Massenarmut hingegen ein Übergangsphänomen im neu entstehenden Industriekapitalismus. Er wurde berühmt als Verfechter von Produktivassoziationen und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Arbeiterschaft nicht um eine eigene abgeschlossene soziale
Schicht, geschweige denn um eine Klasse handelte. Vielmehr prognostizierte er, dass die
Armen selbst fähig seien, ihre prekäre Situation zu verbessern und in einer breiten Mittelschicht aufgehen würden.106 Sein Denken ist gekennzeichnet von einer liberalen Grundhaltung: „Schulze orientierte sich am bürgerlichen Subjekt, dessen sittlicher Würde und wirtschaftlichem Individualismus.“107 Er sah im Egoismus die Triebkraft wirtschaftlicher Dynamik,108 im Markt das geeignetste Mittel zum Zweck einer harmonischen sozialen Entwicklung. Theoretisch lehnte er sich an den liberalen Ökonomen Frédéric Bastiat an. 109
Der Staat hatte für Schulze lediglich die Aufgabe, formale Rahmenbedingungen zu gewährleisten,110 er sprach sich gegen sozialstaatliche Interventionen und private Almosen
aus.111 Nur bei wissensbasierten Kapitalformen wie Bildung und Beratung ist er staatlichem Engagement nicht abgeneigt.112 Der Mensch brauche für Schulze ein ausreichendes
Maß an Freiheit, um schöpferisch tätig zu sein.113
Als Lösung der Sozialen Frage propagierte er die Bildung von Genossenschaften, innerhalb
derer die Arbeiter selbstorganisiert den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit auflösen
105
Zitiert nach Grebing, Arbeiterbewegung, S. 54.
Vgl. Hofinger, Hans: Schulze-Delitzsch – Visionär und Stratege, in: Hermann Schulze-Delitzsch. Weg – Werk - Wirkung,
hrsg. v. Förderverein Hermann Schulze-Delitzsch, Neuwied 2008, S. 355-366, hier S. 362-364.
107
Siehe Beetz, Stephan: Der Streit zwischen Lassalle und Schulze-Delitzsch über das Wesen der Produktivgenossenschaften,
in: Hermann Schulze-Delitzsch. Weg – Werk - Wirkung, hrsg. v. Förderverein Hermann Schulze-Delitzsch, Neuwied 2008, S.
123-134, hier S. 130.
108
Vgl. Hofinger, S. 355.
109
Vgl. Beetz, S. 128-131.
110
Vgl. Beetz, S. 130.
111
Vgl. Hofinger, S. 362.
112
Vgl. Beetz, S. 127.
113
Vgl. Hofinger, S. 356.
106
24
sollten. Insbesondere die Eigenverantwortung und Haftung der Genossenschaftsmitglieder
ist hierbei ein Kernelement, wie schon der Buchtitel Die Abschaffung des gesellschaftlichen
Risikos durch Lassalle114 in Erwiderung auf dessen Kritik am Schulze andeutet. Staatliche
Finanzierung der Genossenschaften lehnte er allerdings rigide ab, da Gewinnverteilung,
Haftung und Unternehmensführung in unechten Staatsbetrieben nicht zu gewährleisten
seien.
An diesem Punkt setzt wiederum Ferdinand Lassalles Kritik an Schulze-Delitzsch an. Zunächst mit seinem offenen Antwortschreiben ans Central-Comité [sic!] der deutschen Arbeitervereine in Leipzig von 1863 und schließlich mit dem Pamphlet Herr Bastiat-Schulze
von Delitzsch, der ökonomische Julian oder: Kapital und Arbeit vom Februar 1864. Dabei
stützte sich Lassalle aufgrundlegend andere Vorstellungen von der Natur des Menschen
und der Funktion des Staats. Da die verarmte Unterschicht am Rande des Existenzminimums lebe, sei ihr für Lassalle die selbstständige Organisation nicht zuzutrauen. Die einfachen Arbeiter brauchten sowohl Führung als auch sozialpolitische Unterstützung, am besten von staatlicher Seite.115 Lassalles Denken wurzelte in Georg Wilhelm Friedrich Hegels
Philosophie.116 Dieser sah im Staat „als die Wirklichkeit des substantiellen Willens, die er
in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbstbewußtseyn [sic!] hat, das an
und für sich Vernünftige.“117 In dieser Konzeption gilt der Staat als eine übergeordnete,
vernünftige Instanz, die fähig ist, durchaus auch über die Köpfe der Einzelnen, gerade der
ungebildeten Arbeiterschaft, hinweg, Entscheidungen zum Besten aller zu treffen. Lassalle
sah die Bestimmung des Staates darin, „die großen Kulturfortschritte der Menschheit zu
erleichtern und zu vermitteln. Das ist sein Beruf. Dazu existiert er; hat immer dazu gedient
und dienen müssen […].“118 Der Staat ist hier nicht Gegensatz, sondern Ausdruck politischer Willensbildung.119 Dieses durchaus autoritäre, wenn auch nicht notwendigerweise
undemokratische Staatsbild steht dem liberalen Verständnis Schulze-Delitzschs konträr
entgegen.
Auch Lassalle propagierte Genossenschaften, allerdings sollte der Staat und nicht wie bei
Schulze private Kreditgeber deren Finanzierung gewährleisten.120 Durch Fabrikproduktion
in voller Arbeiterhand sollten die Arbeiter für ihre Tätigkeit den vollen Ertrag kassieren und
nicht nur einen kargen Lohn zur Lebenserhaltung. Die Werktätigen sollten freiwillig Assoziationen bilden und den Gewinn, den andernfalls der Unternehmer einstreiche, gleichmä-
114
Siehe Beetz, S. 125.
Vgl. Beetz, S. 124-130.
116
Wie Shlomo Na’aman schreibt fußt „alles bei ihm [Lassalle] auf Hegel“, siehe Na’aman, Lassalle, S. 221.
117
Siehe Hegel, Georg F. W.: Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Berlin 1821, S. 241/242.
118
Zitiert nach Grebing, Arbeiterbewegung, S. 52.
119
Vgl. Beetz, S. 126.
120
Vgl. Beetz, S. 124.
115
25
ßig und gerecht unter sich aufteilen. 121 Der Staat sollte die Assoziationen mit Kapital oder
zumindest Zinsgarantien versorgen. 122 Agitatorisch war diese Konzeption von großem
Vorteil. Denn auch wenn von der Gegenseite widersprochen werden konnte, so verlief
doch keine Diskussion über die Thematik, ohne dass der Gegensatz von Lohn (des Arbeiters) und Gewinn (des Unternehmers) angesprochen wurde. Für die Aufklärung der Arbeiter über ihre eigenen Interessen, oder anders ausgedrückt: die Herausbildung eines proletarischen Klassenbewusstseins, war dieser Ansatz also von großem Vorteil.123
Lassalle sah in den Produktivassoziationen mittelfristig das Mittel, um die Arbeiter zu mobilisieren und langfristig den Weg, um die Wirtschaft zu sozialisieren. Er hoffte, über gleiches Wahlrecht den Arbeitern als Mehrheit der Bevölkerung die politische Macht zu verschaffen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Lassalle sich im Winter 1863/64
mehrmals mit dem preußischen Kanzler Otto von Bismarck traf, um über das allgemeine
Wahlrecht und staatliche Unterstützung für die Bildung von Produktivassoziationen zu
verhandeln. Noch 1878, als er gegenüber der Sozialdemokratie bereits die Taktik einer
scharfen Ausgrenzung betrieb, äußerte sich Bismarck wohlwollend über die von Lassalle
ausformulierte Idee der Produktivassoziationen. 124
Schulzes Ansatz, der den Arbeiterstand nicht als abgeschlossene wachsende Schicht oder
Klasse ansah, erscheint im Nachhinein überholt, ist aus damaliger Perspektive allerdings
keinesfalls abwegig. Es waren nicht zwangsläufig alle Angehörigen des Handwerkerstandes von den sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen Mitte des 19. Jahrhunderts betroffen. Welskopp nimmt hier nochmals eine Differenzierung vor, indem er feststellt, dass sich
die Sozialdemokraten vor allem aus städtischen Handwerkern rekrutierten, insbesondere im
kapitalabhängigen Massenhandwerk. Der Vorzeige-Fabrikarbeiter spielte in der frühen
Arbeiter-Bewegung kaum eine Rolle.125 Vielmehr fanden sich unter dem Begriff Arbeiter
heterogene Gruppen zusammen, deren Interessenidentität erst noch konstruiert werden
musste.126
Ohnehin erweist sich der Arbeitsbegriff als geradezu konstitutiv für das Selbstverständnis
und Selbstbewusstsein der Arbeiterbewegung. Arbeiter im Sinn der frühen Sozialdemokratie konnte ein Handwerker genau so gut wie ein Lehrer sein. Arbeit wurde verstanden als
ein eigener Beitrag zum Gemeinwohl, der dem Erwerb von Besitz dient und als die einzig
legitime Quelle desselben gelten sollte. Wer durch Arbeit einen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft leistete, sollte auch qualifiziert sein, um politisch mitzureden.127 Die marxistische
Vgl. Na’aman, Lassalle, S. 578/579.
Vgl. Na’aman, Lassalle, S. 581.
123
Vgl. Na’aman, Lassalle, S. 578/579.
124
Vgl. Beetz, S. 126-128.
125
Vgl. Welskopp, S. 60-65.
126
Vgl. Welskopp, S. 64.
127
Vgl. Welskopp, S. 63/64.
121
122
26
Weltanschauung des historischen Materialismus trieb diese Ansicht auf die Spitze, indem
nur noch in der Arbeit und ihrer Organisation die entscheidenden Faktoren für die gesellschaftliche Entwicklung gesucht wurden.
Letztlich, so die Prognose von Marx, werde der Kapitalismus an dem ihm innewohnenden
Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit zerbrechen. Erst die Revolution schafft demnach
durch die Überführung der Produktionsmittel von privater Hand an die Gesamtgesellschaft
eine neue Ordnung. Die Diktatur des Proletariats führt zur klassenlosen Gesellschaft. Der
Staat wird überflüssig, stirbt ab und weicht einer neuen Ordnung: dem Kommunismus.
Wie diese Ordnung sich konkret ausgestaltet, muss laut Marx aufgrund der Dialektik im
historischen Prozess offen bleiben.128
Marx erklärte die Welt aus ihren ökonomischen Verhältnissen. Sein Wirken war auf eine
internationale proletarische Revolution ausgerichtet, die Sorgen und Nöte des Alltags der
deutschen Arbeiter hatte er weniger im Blick. Entsprechend lieferten Marx und Engels auf
dem Feld der praktischen Politik kein Programm, dass im Deutschland der 1860er und
1870er Jahre hätte Erfolg haben können.129 Der Einfluss von Marx‘ Theorie gerade in der
Frühzeit der Arbeiterbewegung wird oft überschätzt. Zwar orientierte sich die Sozialdemokratie ab der Zeit des Sozialistengesetzes, vorangetrieben durch das Wirken des großen
„Popularisators“130 Karl Kautsky, in ihrer theoretischen Ausrichtung zunehmend an Marx,
der wichtigste Vordenker der Frühzeit war jedoch Ferdinand Lassalle. Nicht unbedingt
realistischer, jedoch deutlich praktikabler nimmt sich sein politisches Konzept aus.
Lassalle ging davon aus, dass 95 Prozent der Bevölkerung in einer derartigen sozialen Not
lebten und künftig leben würden, dass eine demokratische Mehrheit für den parlamentarischen Arm der sozialistischen Bewegung garantiert sei. Diese Zahl ist, in Anbetracht der
realen Zahlen, nach denen die Unterschicht 1907 in etwa 66 Prozent131 der Bevölkerung
umfasst haben dürfte, natürlich zu hoch gegriffen. Zumindest vernachlässigt diese Sichtweise die Heterogenität bezüglich Herkunft, Ausbildung und praktischer Lebensführung
innerhalb der Klassen. Die politischen Implikationen dieser Heterogenität wurden von Lassalle vernachlässigt.132 Desweiteren ist hinzuzufügen, dass sowohl Marx als auch Lassalle
unterschätzten, in welchem Maße Armut ab einem gewissen Ausmaß das politische Enga-
128
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 16/17.
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 67/68.
130
Siehe Grebing, Arbeiterbewegung, S. 67.
131
Nipperdey listet folgende Zahlen aus dem Jahr 1907auf:
Unterschicht: 19,5 Millionen (Arbeiter 17,8 Millionen; Dienstboten 1,7 Mio.)
Mittelschicht: 8-8,5 Millionen (Bauern: 2,5 Mio.; Angestellte, mittlere Beamte 3-3,5 Mio.; Handwerker, Kleinkaufleute 2,5 Mio.)
Oberschicht: 1,7 Millionen (Bürger, gebildet und besitzend 1,3Mio.)
Nicht zuzuordnen: 3-3,4 Millionen (Berufslose und Rentenbezieher 3-3,4 Mio.)
Daneben existierte eine minimale Führungsschicht aus Adel, Militär und hohen Regierungsbeamten. Nach den eben genannten Zahlen umfasst die Unterschicht im eigentlichen Sinn in etwa 66 Prozent der Bevölkerung. Vgl. Nipperdey: 1866-1918 I,
S. 425.
132
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 I, S. 426.
129
27
gement lähmte. Wie am Beispiel der Pfalz aufzuzeigen ist, waren nicht die vollkommen
verelendeten Arbeiter der pulsierenden frühen Industrie, sondern vielmehr handwerklichkleinbürgerliche Wirtschaftssubjekte in der Hauptsache die Träger der frühen sozialdemokratischen Bewegung.
In der Mehrzahl, zumindest ergibt sich dies aus den hier bezrachteten Quellen in einer Gesamtschau, verfolgten die Sozialdemokraten der 1870er Jahre auch in der Pfalz keinen revolutionären Kurs, sondern eine Milderung der sozialen Zustände durch Wahlen und demokratische Beschlüsse. Immer wieder betonten die Agitatoren, dass die Arbeiter die
überwiegende Mehrzahl der Staatsbürger stellten.133 Ihnen stünde eine Minderheit von
Begüterten entgegen, die die Politik nach ihren Interessen ausrichteten. Die Arbeit war
Quelle des Selbstbewusstseins dieser Bewegung, die sich gegenüber den alten Zunftmeistern mit demokratischer Rhetorik und gegenüber dem Kapital als aus ihrer Sicht Verkörperung der Nicht-Arbeit in Frontstellung brachte.134 Bestrebungen zur Herbeiführung einer
„blutigen Revolution“135 wurden den Sozialdemokraten eher von konservativer Seite entgegen gehalten, um Angst vor sozialdemokratischer Politik zu schüren. Bei allen Gegensätzen, eines hatten alle linksliberalen und sozialistischen Gruppierungen im 19. Jahrhundert
gemein: Sie alle forderten die Abschaffung stehender Heere zugunsten einer breiten Volksbewaffnung nach Schweizer Vorbild.
c) Arbeiterorganisationen
aa) Kurze Übersicht der unterschiedlichen Strömungen
Insgesamt sind in dieser Epoche vier politische Gruppierungen auszumachen, die sich die
politische Organisation der ärmeren Bevölkerungsteile auf die Fahnen geschrieben hatten.
Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ist daneben sicherlich nicht arm an Splittergruppen136 und teilweise kurzlebigen oder nur regional bedeutsamen Organisationen.
Aus Platzgründen muss sich die Darstellung hier auf die für die Pfalz wichtigsten Gruppierungen beschränken.
Einem klassisch-liberalen Gesellschaftsbild mit starker Betonung individueller Eigenverantwortung verpflichtet blieb die Fortschrittspartei. Die deutsche Volkspartei hielt sich weitestgehend an die Ideale von 1848, programmatisch eng verknüpft mit dieser blieb zunächst
die Eisenacher Richtung der Sozialdemokratie. Einen anderen im Vergleich hierzu teils
133
Vgl. hierzu die aus Polizeiberichten erstellten Wochenberichte an das Innenministerium in München, z.B. stellt ein Agitator heraus, die Arbeiter stellten 89 Prozent der Bevölkerung der 11 Prozent „Reiche“ gegenüberstünden, vgl. Wochenbericht
vom 11.3.1872, in: BayHStA, Minn 30981/21 oder im Wochenbericht vom 11.11.1872: „die Arbeiter seien das Gros des
Staates“, in: BayHStA, Minn 30981/22.
134
Vgl. Welskopp S. 66/67.
135
Siehe den Bericht von einer Rede von Schuster aus Stuttgart am 24. November 1872 vor Arbeitern in Oggersheim gehalten, Wochenbericht vom 2.12.1872, in: BayHStA, Minn 30981/22.
136
Ausführlicher hierzu Fricke, S. 126-136.
28
pragmatischeren (kleindeutsch und preußenfreundlich), teils radikaleren Kurs (kompromisslos antibürgerlich) verfolgten Ferdinand Lassalle und seine Anhänger im ADAV.
aaa) Arbeiterbildungsvereine der Fortschrittspartei
Die 1861 aus dem Nationalverein heraus gegründete Fortschrittspartei war die erste politische Partei, die in Deutschland auf breiter Front den Versuch unternahm, die Arbeiterschaft
für ihre politischen Ziele zu gewinnen. Wie sich gerade am Beispiel der Pfalz gut zeigen
lässt, war sie eine der ersten politischen Kräfte, deren politische Betätigung, nach leichter
Lockerung der strikten obrigkeitsstaatlichen Kontrolle, in der Breite in unteren sozialen
Schichten Fuß fasste.
Auf Schulze-Delietzsch, den Vordenker dieser Gruppierungen, wurde bereits eingegangen.
Als er sich gegen Ende der 1860er Jahre aus seiner leitenden Funktion für die Arbeitervereine zurückzog, hatte die Bewegung durch die lassalleanische Konkurrenz bereits ihren
Zenit im Zuspruch der Arbeiterschaft überschritten. Seine Nachfolger änderten entsprechend ihre Strategie. So propagierte die Führung, dem Muster der englischen Trades-Union
folgend, ursprünglich unter Schulze-Delitzsch verpönte Streiks, um den Zustimmungsverlust innerhalb der Arbeiterschaft aufzuhalten.137
In der nicht selten aus sozialdemokratischer Perspektive beobachtenden Literatur werden
die Bestrebungen der Fortschrittspartei oft disqualifizierend als Werkzeug liberaler Arbeitgeber angesehen, deren Ziel es gewesen sei, die arbeitenden Massen unmündig zu halten.
So folgert Herzog aus der Tatsache, dass Schulze-Delitzsch beim ersten Kaiserslauterer
Arbeiterbildungsverein einen Vortrag hielt,
„daß dieser oben genannte Arbeiterverein ein von liberalen Bürgern gegründeter
Verein war, dessen Aufgabe darin bestand, die Arbeiter fortlaufend weiterzubilden,
ohne ihnen ihre eigentliche Situation im Arbeitsleben deutlich werden zu lassen.“138
Schneider bemerkt zum Niedergang der fortschrittlichen Arbeitervereine etwa ab 1870
etwas differenzierter: „Es wirkte sich für diese Vereine nachteilig aus, daß die Arbeiter
selbst sich in ihnen nie heimisch gefühlt hatten und nur wenige von ihnen tatsächlich aktive
Mitglieder gewesen waren.“139 Das Scheitern dieser Vereine lag, wie der zeitgenössische
Speirer Anzeiger beobachtete, im „massenhaften Abfalle der Arbeiter zu dem Schweitzerschen Verein [Anmerkung: lassalleanischer Richtung], in dem Fiasco der Productiv
Associationen und der mangelnden Kassenverwaltung mehrerer Vorschuß- Banken.“140
Zwar konnte Schultze-Delitzsch mit der Gründung von Genossenschaftsbanken einen nicht
137
Vgl. Speirer Zeitung vom 1. Juli 1870, in: LA SP H-3 929-I.
Siehe Herzog, S. 23.
139
Siehe Schneider, Arbeiterbewegung, S. 32.
140
Siehe Speirer Zeitung vom 1. Juli 1870, in: LA SP H-3 929-I.
138
29
zu verachtenden Teil des Kleinbürgertums auf Seiten der Fortschrittspartei ziehen, die breite Masse der aufkommenden Fabrikarbeiterschaft und Kleinhandwerker konnte diese
Gruppierung aber nicht über die 1860er Jahre hinaus an sich binden.
bbb) ADAV
Anders als die bürgerlichen Parteien entstanden die sozialistischen Parteien nicht aus dem
Parlament heraus. Erstere agierten meist aus einer schon vorhandenen Machtposition heraus und besaßen durch öffentliches Ansehen und den Zugang zur Presseöffentlichkeit bereits eine Anhängerschaft innerhalb der Bevölkerung. Die Sozialisten hingegen mussten
sich außerparlamentarisch zunächst eine Massenbasis verschaffen. Die Parlamente hatten
für sie im Vergleich eine eher untergeordnete Bedeutung, schließlich ging es ihnen nicht
darum, Anteil am Staat zu haben, sie wollten den ganzen Staat für sich gewinnen. Das einzig verfügbare Mittel zur Erreichung dieses Ziels war eine straffe Organisation der Arbeiter
und eine Expansion der Organisation durch Agitation.141
Das Beispiel des ADAV, 1863 in Anlehnung an die Arbeiterverbrüderung von 1848142 in
Leipzig gegründet und maßgeblich geprägt von Ferdinand Lassalle, illustriert diese organisatorisch-strategische Ausrichtung anschaulich. In den Anfangsjahren führte Lassalle die
Partei geradezu diktatorisch und gab hohe Ziele für sie aus. Es sollten — wie bereits aufgezeigt — nicht nur die Arbeiter der Industrie für die Sache des Sozialismus gewonnen werden, auch Kleinbauern, Handwerker, Lehrer, kurzum alle, die nicht über Kapital verfügten,
sollten sich im ADAV zusammenschließen und den Staat der Zukunft aufbauen. Als erstes
Etappenziel gab Lassalle die Einführung des gleichen Wahlrechts aus. Da alle Arbeitenden
die Mehrheit der Bevölkerung stellten, sei die Partei damit bereits ein echter Machtfaktor
im Staat.143 Er wollte den Verein in kürzester Zeit auf 100.000 Mitglieder vergrößern. Als
Lassalle 1864 starb, hatte der Verein gerade mal eine Mitgliederzahl von 3.000 erreicht, bis
1869 wuchs die Anzahl auf 8.000.144
Nach dem Tod Lassalles blieben Vereinspräsident und Vorstand in einer starken Position,
die Generalversammlung fungierte aber nur als Durchsetzungsorgan der „Diktatur der Einsicht“.145 Programmatisch kam der ADAV ab 1864 immer mehr von seinen ideologischen
Fernzielen ab und verfolgte stattdessen kurzfristig umsetzbare, pragmatische Ziele. Im Mittelpunkt der lassalleanischen Forderungen standen verbesserte Arbeitsbedingungen und
Arbeitszeitverkürzungen. Daneben forderte der ADAV freie Bildung, eine progressive
Einkommensbesteuerung und die Abschaffung von Frauen- (!) und Kinderarbeit.146 Auch
141
Vgl. Nipperdey, Parteien, S. 293/294.
Vgl. Na’aman, Lassalle, S. 559.
143
Vgl. Nipperdey, Parteien, S. 294/295.
144
Vgl. Conze/Groh, S. 46.
145
Siehe Fricke, S. 98, vgl. hierzu auch Fricke, S. 106/107.
146
Vgl. Welskopp, S. 674-677.
142
30
von der Distanz zur Gewerkschaftsbewegung rückte der ADAV 1868 ab und begann mit
dem Aufbau von lassalleanischen Gewerkschaften.147 Regional hatte der ADAV seinen
Schwerpunkt in Berlin. Aber auch in Hamburg, Schleswig-Holstein, Hannover, ElberfeldBarmen sowie dem gesamten bergisch-märkischen Industriebezirk, Frankfurt und dem
Maingau, Breslau und Stettin entfalteten die Lassalleaner verstärkte Vereinstätigkeit.148
ccc) Deutsche Volkspartei
In der Süddeutschen Volkspartei (auch: Deutsche Volkspartei) sammelten sich die linken
Anhänger der großdeutschen Lösung. Besonders stark war sie im tendenziell eher bürgerlich-egalitär strukturierten südwestdeutschen Raum. Ihre Vertreter befürchteten, dass eine
nationale Einigung unter preußischer Führung, aufgrund der feudalen Struktur des preußischen Staates, den Weg zu einer freiheitlichen Grundordnung verbauen würde. Deshalb
suchte die Volkspartei den Anschluss an anti-preußische Akteure aus unterschiedlichen
politischen Lagern. Darunter fanden sich auf Partikularismus drängende Fürsten ebenso
wie ultramontane Katholiken und nicht zuletzt revolutionäre Sozialisten.149
Die Volkspartei bekannte sich zum demokratischen Gleichheitsprinzip und zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Ihr Programm richtet sich daneben gegen Krieg, den sie als
„verdammungswürdige Schädigung aller Freiheitsinteressen“150 abqualifizierte. Die Partei
forderte zunächst die Bildung eines süddeutschen Staates. In der militärischen Organisation
forderte sie Anlehnung an das Schweizer Modell der Volksarmee. In der Sozialen Frage
vertrat die Partei durchaus die Interessen der Arbeiter und setzte sich für die Förderung von
Genossenschaften und Beteiligung der Arbeiter am Reingewinn ein. Sie forderte ein gerechtes Steuersystem, ein besseres Bildungswesen und die Abschaffung der Kinderarbeit.151
Die Volksparteiler distanzierten sich von jeglichen Formen des Kommunismus, da dieser
sich nur mit despotischen Mitteln durchsetzen ließe. Die Partei versuchte, alle ihre Ziele auf
friedlichem und legalem Weg zu erreichen. In der Sozialen Frage ging die Partei Vertretern
wie Karl Liebknecht und August Bebel nicht weit genug. Zwar bekämpften sie beide auch
das Preußentum, genauso wie die Mehrheit der Vertreter der Volkspartei, allerdings mit
einer anderen Zielsetzung.
147
Vgl. Fricke, S. 95.
Vgl. Fricke, S. 121-123.
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 II, S. 25.
150
Siehe Programm der Volkspartei, bei Fricke, S. 38.
151
Vgl. Programm der Volkspartei, bei Fricke, S. 38.
148
149
31
ddd) SDAP
Aufbauend auf bestehenden liberalen Arbeitervereinen des Vereinstags deutscher Arbeitervereine (VDAV)152 und in Zusammenarbeit mit einigen abtrünnigen Lassalleanern gründeten Bebel und Liebknecht 1869 in Eisenacher die sozialdemokratische Arbeiterpartei
(SDAP). Die Partei verstand sich ausdrücklich als deutscher Zweig der internationalen
Arbeiterassoziation,153 in der Karl Marx eine führende Rolle spielte. Der Tonfall des Eisenacher Programms ist im Vergleich zu dem der Volkspartei deutlich kämpferischer. Zwar
kann von einer despotischen Grundausrichtung keine Rede sein, schließlich erklärte die
Partei politische Freiheit zu einer notwendigen Vorbedingung zur Lösung der Sozialen
Frage, dennoch gaben sich die Sozialdemokraten überaus kämpferisch, wenn sie die „heutigen politischen Zustände […] mit höchster Energie […] bekämpf[t]en.“154 Auch die Forderung nach Auflösung der stehenden Heere und Einführung der Volksbewaffnung fand
sich im Programm der SDAP.155
Im Unterschied zum ADAV war die SDAP großdeutsch und antipreußisch. Auch in der
Gewerkschaftsfrage unterschied sich die Position der SDAP deutlich vom ADAV. Während die Lassalleaner eigene an die Parteiführung angebundene Gewerkschaften förderten,
sollten für die SDAP Gewerkschaften politisch unabhängige Interessenvertretungen der
Arbeiterklasse im Kampf gegen die Unternehmer sein.156 In Bezug auf den Staat war die
Position der marxistisch geprägten Eisenacher auch im Gegensatz zum ADAV eine fundamental oppositionelle. Anstatt Privilegien forderten sie gleiche Rechte und Pflichten für
alle Staatsbürger, Elemente der direkten Demokratie wollte die SDAP in die Verfassung
integrieren, das Volk selbst sollte in der Legislative ein Vorschlags- und Verwerfungsrecht
bekommen, für die Justiz forderten die Eisenacher die Einführung von Geschworenengerichten. Weiterhin sollten direkte Steuern abgeschafft werden. In der Wirtschaftspolitik
forderte die SDAP die Abschaffung des Lohnsystems und den vollen Arbeitsertrag für die
Arbeiter im Rahmen einer genossenschaftlichen Organisationsform. Die Rolle des Staats in
dieser Frage blieb im Parteiprogramm ausgeklammert. Bezüglich Bildung, Trennung von
Staat und Kirche und Militärwesen unterschieden sich die Forderungen der SDAP nicht
wesentlich von denen des ADAV.157 Das Zentrum der Eisenacher Vereinsbildung war
Sachsen, daneben konnte sich die Partei auch in Schlesien, Thüringen, Braunschweig, dem
unteren Wesergebiet und im Rheinland festsetzen.158
152
Vgl. Fricke, S. 99/100.
Vgl. Eisenacher Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Punkt 6, am 6.10.2011 online unter:
http://www.marxists.org/deutsch/geschichte/deutsch/spd/1869/eisenach.htm.
154
Siehe Eisenacher Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Punkt 1, am 6.10.2011 online unter:
http://www.marxists.org/deutsch/geschichte/deutsch/spd/1869/eisenach.htm.
155
Vgl. Programm der Volkspartei, bei Fricke, S. 38.
156
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 18.
157
Vgl. Programm der Volkspartei, bei Fricke, S. 38.
158
Vgl. Fricke, S. 59
153
32
eee) SAP
Die Konflikte zwischen Lassalleanern und Eisenachern wurden durchaus mit einiger
Schärfe ausgetragen. Erst unter dem zunehmenden Druck durch die Obrigkeit, Fricke
spricht von der „Verschärfung des Klassenkampfs zu Beginn der siebziger Jahre“,159 fanden die beiden Strömungen zusammen. Auch eine weitere Zuspitzung der sozialen Situation im Gefolge des Gründerkrachs von 1873 hat möglicherweise zum Zusammenwachsen
der Sozialdemokraten beigetragen.160 Dennoch hat sich die Vereinigung schon vor 1873
angedeutet, im Wesentlichen Personenfragen verzögerten den Prozess bis 1875.161
In den programmatischen Konfliktpunkten setzten sich weitgehend die Positionen des
ADAV durch. Zu einem direkten Bekenntnis zur ersten Internationale konnte sich die neue
Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) nicht durchringen, lediglich der Hinweis
auf den internationalen Charakter der Arbeiterbewegung findet sich im Parteiprogramm.
Karl Marx bemängelte den unklaren Standpunkt der Partei zum Staat. In Wirtschaftsfragen
setzte die SAP immer noch auf Staatshilfe anstatt auf Staatsfeindlichkeit.162
bb) Regionale und soziologische Einordnung der frühen sozialistischen Bewegung in
Deutschland
Die Gebiete, in denen sich die Sozialdemokratie in Deutschland früh ausbreitete, waren von
einer überwiegend protestantischen Bevölkerung bewohnt. Eigentlicher Träger der sozialistischen Partei war nach klassischer Lesart vor allem die zunehmend säkularisierte protestantische Arbeiterschaft und Intelligenz.163 Regional sind laut Rohe in der Frühzeit zwei
Zentren der sozialdemokratischen Bewegung auszumachen: Zum einen das Königreich
Sachsen, Herkunftsland der SAP, andererseits die industriell geprägte Gegend im bergischmärkischen Bereich und dem westlichen Ruhrgebiet. Auch um Hamburg, Hannover und
Braunschweig herum bildeten sich relativ früh sozialistische Gruppierungen.164 Na’Aman
macht 1862 drei Zentren aus: Berlin, Leipzig und den Maingau, mit dem Zentrum Frankfurt, aber durchaus weitläufig ausgebreitet an Main und Rhein. So rechnet Na’Aman Nürnberg und Mannheim dem Maingau zu.165
Dabei handelt es sich um diejenigen deutschen Regionen, innerhalb derer sich bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein leistungsstarkes Manufaktur- und Verlagsgewerbe etabliert hatte. Diese Regionen hatten bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren überwiegend
agrarisch geprägten Charakter verloren und wurden früh von den ersten Industrialisierungsschüben erfasst.166 Eine Ausnahme bildet Schleswig-Holstein, das sich trotz seiner vorwie159
Siehe Fricke, S. 137.
Vgl. Walter, S. 14.
161
Vgl. Fricke, S. 137/138.
162
Vgl. Fricke, S. 148-150.
163
Vgl. Nipperdey: 1866-1918 II, S. 353.
164
Vgl. Rohe, S. 85.
165
Vgl. Na’Aman, Konstituierung, S. 36.
166
Vgl. Kermann, Texte, S. 1.
160
33
Abb. 31 Die Sozialdemokratie fasste vorwiegend in protestantischen Gebieten Fuß
gend ländlichen Kultur bereits in den 1870er Jahren zur sozialdemokratischen Vorzeigeregion entwickelte.167
Ohnehin ist die Genese der frühen Sozialdemokratie nicht zwangsläufig parallel zur industriellen Entwicklung zu sehen. Wie Thomas Welskopp betont, hatte die frühe Sozialdemokratie im Kern keine wirtschaftliche Stoßrichtung, sondern eine politische. „Sie reagierte
eher auf das Eindringen des Kapitalismus in die kleine Warenproduktion als auf die Folgen der Industrialisierung.[…] Ihre Gegner waren die alten Zünfte ebenso wie der Kapitalismus und der reaktionäre Obrigkeitsstaat.“168 Er führt aus, dass die frühe Sozialdemokratie organisatorisch keinesfalls an gewerkschaftliche Organisationen angebunden war, vielmehr entwickelten sich umgekehrt die ersten Gewerkschaften in Anbindung an die allgemeinen Arbeitervereine.169
Welskopp betont weiterhin, dass die Parteibasis ursprünglich vor allem dem kleineren
Handwerksstand entstammte.170 Wie bereits aufgezeigt, vermischten sich in der Sozialdemokratie traditionelle zünftige Handlungsformen mit modernen Elementen. Junge Handwerker auf Wanderschaft fungierten als Multiplikatoren für die meist im Ausland sitzenden
Arbeitervereine und Geheimbünde. Auch die Anknüpfung an Traditionen von 1848 war
ein wichtiger Faktor für die Bildung von Arbeitervereinen. Dies lässt sich an der regionalen
167
Vgl. Rohe, S. 88.
Siehe Welskopp, S. 23.
169
Vgl. Welskopp, S. 25. Auf lokaler Ebene gab es allerdings auch durchaus widersprüchliche Entwicklungen zu diesem
Befund. In Lambrecht beispielsweise kam es schon 1859 zu ersten Arbeitskämpfen, die erste Parteiorganisation wurde aber
erst 1872 gegründet. Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 31 und S. 41.
170
Vgl. Welskopp, S. 23.
168
34
Ausbreitung, vornehmlich in Gebieten, die bereits bei der Revolution eine exponierte Rolle
gespielt hatten, deutlich ablesen.171 In knapp der Hälfte der Orte, in denen sich in den
1860er Jahren Arbeitervereine gründeten, hatten solche Vereine 1848 schon einmal bestanden.172
171
Vgl. Welskopp, S. 24.
Vgl. Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert,
Berlin 2007, S. 22.
172
35
III Voraussetzungen zur pfälzischen Sozialdemokratie
A Die Pfalz
a) Gebietsgliederung bis zur bayerischen Zeit
Die Rheinpfalz umfasst das Gebiet westlich des Rheins bis zum Saarland, grenzt im Norden an den Hunsrück, im Süden ans Elsaß und im Westen ans Saargebiet. Der inzwischen
saarländische Kreis Homburg mit der Industriestadt St. Ingbert gehörte im Untersuchungszeitraum noch zur bayerischen Pfalz.
Noch im 18. Jahrhundert war das Gebiet auf 35 Herrschaften verteilt gewesen. Erst die
französische Eroberung der linksrheinischen Gebiete 1792 im Gefolge der Revolution
machte aus der heutigen Pfalz einen einheitlichen Bezirk. Gemeinsam mit den heute rheinhessischen Gebieten um Mainz bildete die Pfalz als Département Mont-Tonerre einen einheitlichen Verwaltungsbezirk des französischen Staats.173 Nach der französischen Niederlage von 1814 gelangte das Gebiet nach einem kleinen Zwischenspiel unter österreichischer
und bayerischer Verwaltung schließlich 1817 endgültig an Bayern, der Bayerische Rheinkreis erhielt schließlich 1838 die Bezeichnung Bayerische Pfalz.174
Die Integration in den bayerischen Staat verlief äußerst schleppend. Zum einen war die
Region parlamentarisch im politischen System deutlich unterrepräsentiert,175 zum anderen
blieb der Landstrich aufgrund der Randlage zollpolitisch isoliert, was sich nachteilig auf die
wirtschaftliche Situation auswirkte. Trennend zum bayerischen Mutterland wirkte auch das
Erbe aus französischer Zeit. Auf rechtlicher Ebene hatte die Region als Teil Frankreichs
eine erhebliche Liberalisierungswelle durchlaufen. Diese umfasste die Abschaffung der
Privilegien für Adel und Geistlichkeit, ausdrückliche rechtliche Gleichstellung aller Staatsbürger, Trennung von Staat und Kirche, rechtliche Gleichstellung von Stadt und Land,
Abschaffung der Zünfte, die damit verbundene Gewerbefreiheit sowie Niederlassungs- und
Heiratsfreiheit.176
b) Konfessionelle Durchmischung und politische Gruppierungen
Die auf kleinstem Raum heterogene Herrschaftsstruktur aus vorfranzösischer Zeit wurde
im Rahmen der konfessionellen Durchmischung in der Pfalz konserviert. Dabei sind
grundsätzlich zwei Großräume zu unterscheiden: Der Süden der Pfalz war vorwiegend von
einer katholischen Bevölkerung bewohnt, allerdings durchsetzt von protestantischen Bevölkerungsgruppen. Den Norden bewohnten fast ausschließlich Protestanten.177 Dabei war
die katholische Bevölkerung im Süden wirtschaftlich weitestgehend schlechter gestellt. Die
Vgl. Nordblom, Pia: Der „Sinai der Liberalität“? Die Pfalz und die Gemeinde Göllheim zwischen den politischen koordinaten Paris, München und Frankfurt/Berlin (1792-1848/1871), In: MHVPf 101 (2003), S. 275-303, S. 277-282.
174
Vgl. Nordblom, S. 284.
175
Vgl. Nordblom, S. 285/286.
176
Vgl. Nordblom, S. 285.
177
Vgl. Stamer, Ludwig: Geschichte des Speirer Bistums unter der Herrschaft der bayrischen Könige. Kirchengeschichte der
Pfalz 1801-1918 Bd. 4, Speyer 1964, S. 150.
173
36
meisten pfälzischen Katholiken waren erst nach dem Dreißigjährigen Krieg eingewandert,
als die fruchtbarsten Landesteile schon dicht besiedelt waren. Abgesehen von Geistlichen
schafften nur wenige Menschen innerhalb der katholischen Bevölkerung den Aufstieg zu
bürgerlichen Berufen.178
Insbesondere die protestantischen Gebiete der Pfalz waren spätestens ab der französischen
Zeit äußerst empfänglich für liberale Ideen. Der Widerspruch zu den jeweils katholischen
Herrscherdynastien — im 18. Jahrhundert kurpfälzisch, im 19. Jahrhundert bayerisch —
war einem oppositionellen Geist im protestantischen Bürgertum zuträglich. Darüber hinaus
war der, eher demokratisch vorgeprägte Kalvinismus die dominierende Form des Protestantismus in der Pfalz.179 Ein weiterer Aspekt deutet auf die Empfänglichkeit der pfälzischen Protestanten für liberale Ideen: Wenn Lepsius für das protestantische Deutschland
eine „traditionelle Dichotomie Konservative – Liberale“180 attestiert, und „das Land unter
Führung vielfach adeliger Grundbesitzer konservativ“181 geprägt ist, so erklärt sich in der
protestantischen Pfalz die Vorherrschaft der Liberalen auch aus dem Fehlen einer Schicht
adeliger Grundbesitzer im 19. Jahrhundert. Auch die geografische Nähe zum Mutterland
der Revolution mag hier eine Rolle spielen, schließlich war die Pfalz immer das erste deutsche Einzugsgebiet für revolutionäre Wellen aus Paris. 182
Der nationalliberale Historiker Heinrich Treitschke nannte die Rheinpfälzer aufgrund des
französisch-liberalen Einflusses gar ein „Bastardvolk“. Die Möglichkeit, dass die Bevölkerung für den deutschen Geist wiederzugewinnen sei, wurde auch unter preußischen Patrioten bezweifelt.183 Zu tief hatte die französische Revolution in die Verwaltungsstrukturen
und vor allem ins politische Bewusstsein hineingewirkt. Nicht umsonst standen die französischen Institutionen und das Legalitätsprinzip noch in der Revolution von 1848 unter den
pfälzischen Liberalen hoch im Kurs.184 Insgesamt war die Pfalz 1848 eine Bastion der Linken. Sie war das einzige größere, zusammenhängende Gebiet aus dem alle Parlamentarier
auch noch im Stuttgarter Rumpfparlament vollständig vertreten waren.185
c) Wirtschaftliche Entwicklung bis 1848
Durch die französische Revolutionsregierung waren alle feudalen Bindungen in der Pfalz
bereits recht früh aufgehoben worden. In der Folge konnte sich die Landwirtschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts gut entwickeln, erreichte allerdings um 1830 eine Grenze, was
Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten anging. 186 Eines der wichtigsten Landwirt178
Vgl. Stamer, S. 150.
Vgl. Stamer, S. 149.
Siehe Lepsius, S. 385.
181
Siehe Lepsius, S. 385.
182
Vgl. Baumann, Volkserhebung, S. 294.
183
Vgl. Stamer, S. 149.
184
Vgl. Schwarzwälder, S. 376.
185
Vgl. Ruppert, S. 105.
186
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 129.
179
180
37
schaftsprodukte der Pfalz war schon damals der Weinbau, konzentriert auf die höheren
Lagen der Rheinebene, dem fruchtbarsten Teil der Region, wo ansonsten der Obstanbau
eine große Rolle spielte.187 Daneben erfuhr der Tabakanbau im 19. Jahrhundert in Rheinnähe einen Aufschwung.188 Weniger fruchtbare Böden als in der Vorderpfalz fanden sich
im nordpfälzischen Bergland und noch weniger im südwestlichen Gebiet. Hier herrschte
der Roggenanbau vor, im Bergland oft ergänzt durch Weideland.189 Die Anbaufläche für
Wein betrug 1863 10.483,22 Hektar. Kartoffeln (52.775,07 Hektar), Roggen (46.372,86
Hektar) und Weideland (52.828,73 Hektar) nahmen insgesamt das meiste Land in Beschlag.190 Eine wichtige Rolle spielte in der Pfalz auch die Holzwirtschaft. 40 Prozent der
Oberfläche waren 1830 von Wald bedeckt, davon waren 48 Prozent in Staatsbesitz, 39
Prozent in Gemeindehand und 13 Prozent in Privatbesitz. Das Zentrum der pfälzischen
Forstwirtschaft war der Pfälzer Wald.191
Obwohl die feudalen Bindungen früh aufgehoben wurden und die Pfalz aus der französischen Zeit auch über eine fortschrittliche Gewerbeverfassung verfügte, waren die Absatzmöglichkeiten wegen der zollpolitisch ungünstigen Lage eingeschränkt. 192 Zum einen
rissen die bis 1815 aufgebauten wirtschaftlichen Verbindungen nach Frankreich ab, weiterhin fehlten mit dem Abwandern der Landesherrschaft in der französischen Zeit die wichtigsten Auftraggeber. Folglich befand sich die pfälzische Industrie in der ersten Jahrhunderthälfte in einer Krise. Erst als 1834 der deutsche Zollverein gegründet wurde, besserte
sich die Lage allmählich.193
Der Anteil an Beschäftigten in Landwirtschaft und Gewerbe ohne Haus- oder Grundbesitz
lag bereits 1830 bei rund einem Viertel. Die Verarmung breiter Gesellschaftsschichten
nahm in der Folgezeit noch deutlich zu, was auch die hohe Anzahl an Auswanderern, zum
einen in die USA, in der zweiten Jahrhunderthälfte auch zunehmend innerhalb Deutschlands, belegt.194
Die konjunkturelle Entwicklung blieb bis in die 1840er Jahre positiv, dann kam es jedoch
zu einem Einbruch. Dieser war vor allem in Ernteausfällen begründet. Die Kartoffelkrankheit grassierte 1845. Die schlechte Getreideernte im Folgejahr verschärfte die Teuerung
von Lebensmitteln noch und erreichte 1847 einen Höhepunkt. Der dadurch ausgelöste
Nachfragerückgang bei Gütern gewerblicher Produktion beeinträchtigte die Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten erheblich.195
187
Vgl. Weidmann, Schulgeschichte, S. 223-227.
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 130.
Vgl. Weidmann, Schulgeschichte, S. 228-230.
190
Vgl. Tabelle nach Jahresbericht der Pfälzischen Handels- und Gewerbekammer für das Jahr 1878 bei Wysocki, S. 225.
191
Vgl. Weidmann, Schulgeschichte, S. 227/228.
192
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 131.
193
Vgl. Haan, S. 7.
194
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 131.
195
Vgl. Fenske, Deutschland 48/49, S. 12.
188
189
38
B Die Pfalz 1848
a) Die Revolution in der Pfalz
Die Revolution von 1848 fasste vor allem in den dicht besiedelten Gebieten der Vorderpfalz schnell Fuß. Am 29. Februar 1848 kam es im zentral gelegenen Neustadt zur ersten
Volksversammlung, angeregt durch die Ereignisse von Paris und dem Mannheimer Beispiel.196 Im Frühjahr 1848 schossen die politischen Vereine wie Pilze aus dem Boden. Dies
wurde möglich, weil das Vereinsrecht zu Beginn der Revolution gelockert wurde, wobei
diese Reform noch nicht in Gesetzesform gegossen war. Somit schwebte das „Damoklesschwert der Polizeischikane“197 weiter über den bayerischen politischen Vereinen.
Vertreter aller pfälzischer Regionen traten in Kaiserslautern zusammen und schafften die
Grundlage für die Vereinheitlichung der pfälzischen politischen Vereine. Anders als die
aufbegehrenden Bürger in anderen Regionen Deutschlands schafften die Pfälzer zunächst
eine Zentralorganisation. Der Vaterlands-Verein für die Pfalz wurde bei dieser Zusammenkunft am 9. April 1848198 gegründet, um von dort ausgehend alle Landesteile mit politischen Vereinen zu durchdringen. In den mittleren und größeren Städten der Pfalz entstand
bis zum Sommer 1848 ein Netz von Vereinen, die mit der Zentrale in Kaiserslautern kooperierten. Das politische Leben entfaltete sich in denjenigen Städten am stärksten, wo
lokal verschieden ausgerichtete Vereine in Konkurrenz zueinander standen.199
Bis auf Kaiserslautern und Zweibrücken waren alle bedeutenderen Vereine entlang der
Haardt oder in der Rheinebene angesiedelt. Durch die frühe Einheitlichkeit der Organisation in einem Dachverband wurde der in anderen Regionen deutlicher ausgeprägte Dualismus zwischen liberalem Konstitutionalismus und radikal-demokratischen Strömungen
gebremst.200 Insgesamt waren die sozialen Gegensätze in der Pfalz, gerade im Vergleich zu
anderen Regionen, eher gering. Sowohl im Dialekt als auch in der Kleidungsart gab es vergleichsweise geringe schichtspezifische Differenzierungen in der Region. Das komplette
Fehlen einer adeligen Oberschicht und die sehr kleine Anzahl an sehr reichen Großbürgern
führten zu einer relativ ausgeglichenen Gesellschaftsstruktur,201 was möglicherweise mit
ein Grund ist für den gering ausgeprägten Gegensatz zwischen konservativ-liberalen und
radikalen Demokraten. In der Frankfurter Nationalversammlung schlossen sich die pfälzischen Abgeordneten dann der demokratischen Linken an.202
196
Vgl. Ruppert, S. 62.
Siehe Ruppert, S. 67.
Vgl. Schlegel, Wolfgang: Restauration und Revolution in der Pfalz (1815-1850), in: Pfälzische Landeskunde. Beiträge zu
Geographie, Biologie, Volkskunde und Geschichte Bd. 3, hrsg. v. Michael Geiger, Günter Preuß und Karl-Heinz Rothenberger, Landau 1981, S. 179-196, hier S. 191.
199
Vgl. Ruppert, S. 69-72.
200
Vgl. Ruppert, S. 86/87.
201
Vgl. Schwarzwälder, S. 382/383.
202
Vgl. Schlegel, S. 191.
197
198
39
Im Sommer 1848 flaute die politische Mobilisierung in der Pfalz leicht ab.203 Erst im
Herbst 1848 kam die revolutionäre Bewegung wieder in Schwung. Die Spaltung zwischen
Liberal-Konservativen und Demokraten kündigte sich an. Als sich das Parlament für die
Beibehaltung der Monarchie entschied, verlor es insbesondere bei den radikalen Kräften an
Ansehen. Auch in der Pfalz kam es zum Konflikt. Am 9. September beschloss der Kreisausschuss in Neustadt unter Ausschluss der konservativeren Vereine aus dem Bezirk Kaiserslautern eine Organisationsreform. Der Volksverein positionierte sich inhaltlich demokratischer und nationaler, gab sich gleichzeitlich eine straffere und hierarchischere innere
Organisation.204 Insgesamt stellte sich die pfälzische Bewegung nochmals hinter die linken
pfälzischen Abgeordneten im Parlament. Der Konflikt zwischen linkem und rechtem Flügel der Revolution war bereits greifbar, brach jedoch nicht offen aus. In Kaiserslautern
schaffte der Volksverein die Ablehnung eines Antrags vom linken Sonntagskränzchen zur
Vorbereitung militärischer Schritte. Auch wenn sich die Situation zuspitzte, blieb sie in der
Pfalz vorerst gewaltfrei.205
Erst im Frühjahr 1849 folgte der zunehmenden Mobilisierung durch die Fürsten eine Gegenbewegung in der Pfalz. Vielerorts schlossen sich die lokalen Vereine zu einheitlichen
Märzvereinen zusammen, besonders in den Kantonen Bergzabern, Kirchheim-Bolanden,
Germersheim und Zweibrücken verstärkte sich die Vereinstätigkeit in bis dahin ungekanntem Maße. Der Volksverein gewann nochmals deutlich an Gewicht, bis zum Ausbruch des
offenen Aufstandes zählte er zumindest formal 200 Zweigvereine und ungefähr 18.000
Mitglieder.206
Am 23. April ließ die bayerische Regierung verlauten, dass die Paulskirchenverfassung
ohne Zustimmung durch beide bayerischen Kammern und König für Bayern nicht übernommen würde. Bereits drei Wochen zuvor hatte der preußische König Friedrich Wilhelm
IV. die Kaiserkrone abgelehnt. Für die Revolutionäre in Deutschland und der Pfalz wurde
damit endgültig klar, dass die Fürsten eine Demokratisierung nicht freiwillig akzeptieren
würden.207 Der Volksverein musste sich nun zwischen zwei gegensätzlichen Handlungsoptionen entscheiden: Die Konservativ-Liberalen präferierten den legalen Weg, mittels Eingaben an die bayerische Regierung die Verfassung zu implementieren. Die Vertreter von
Demokraten und Arbeitern plädierten für Volksbewaffnung und den endgültigen Bruch mit
dem König. Obwohl sowohl die geschäftsführende Frankenthaler Abordnung als auch die
Vertreter des Neustädter Arbeitervereins sich für die sofortige Volksbewaffnung stark
machten, beließ es der Volksverein zunächst bei einer Drohung. Ein Ausschuss für Lan203
Vgl. Schlegel, S. 191.
Vgl. Ruppert, S. 116/117.
Vgl. Ruppert, S. 118/119.
206
Vgl. Ruppert, S. 131-133.
207
Vgl. Ruppert, S. 174.
204
205
40
desverteidigung sollte in Zusammenarbeit mit den regionalen Turnerverbänden und Bürgerwehren eine Armee aufstellen.208
Auf einer Volksversammlung am 2. Mai in Kaiserslautern wurde der von den führenden
Vertretern des Volksvereins gefasste Beschluss noch einmal direkt durch das Volk legitimiert. Zur Versammlung kamen 13.000 Männer (und eine ungenannte Anzahl an sich
ebenfalls beteiligenden Frauen) zusammen und billigten diese Entscheidung. Die große
Beteiligung gab ein letztes Zeugnis von der hohen Mobilisierungskraft des Volksvereins
innerhalb der Bevölkerung ab.209 Am 17. Mai 1849 wurde in Kaiserslautern der Landesverteidigungsausschuss zur provisorischen Regierung ernannt und die unabhängige pfälzische Republik ausgerufen.210
Damit einher ging der Bruch mit der Frankfurter Nationalversammlung, innerhalb derer
sich keine Mehrheit für einen Aufruf zur Verteidigung der Reichsverfassungskampagne
fand. Neben dem Volksverein stand nur noch die zweite Kammer des bayerischen Landtags hinter der Reichsverfassung. Da die bayerische Regierung das Vorgehen des Volksvereins als Hochverrat ansah, war für die Verantwortlichen der Weg zurück auf legalen
Boden ohnehin verbaut. Zuströmende revolutionäre Freischaren aus ganz Deutschland
gaben der Mobilmachung in der Pfalz nochmals eine eigene Dynamik.211 Zunächst hofften
die radikalen Kräfte auch auf Frankreich. Weil sich die französische Armee in Italien gegen
die Republik engagierte, kam es in Paris zu Demonstrationen, die allerdings am 13. Juni
1849212 niedergeschlagen wurden. Am selben Tag rückten preußische Truppen in die Pfalz
ein.213 Da die konservative Regierung Napoleons III. sich im Amt behauptete, konnten die
Linken in Deutschland nicht mehr auf französische Schützenhilfe hoffen.214
Als sich in der Pfalz eine gewaltsame Entscheidung des Konflikts ankündigte, legte die
Mehrheit der überwiegend bürgerlichen Vertreter der Revolution eine eher zögerliche Herangehensweise an den Tag. Seit dem Bruch mit der bayerischen Regierung herrschte Zurückhaltung. Lediglich eine kleine radikale Minderheit stand voll hinter dem Aufstand und
versuchte aktionistisch einen Volksaufstand zu propagieren. 215 Daneben gewannen die
einsickernden radikalen Kräfte zunehmend an Einfluss. Genannt sei an dieser Stelle nur das
maßgebliche Engagement Karl D’Esters, Mitglied im Bund der Kommunisten und eng
208
Vgl. Ruppert, S.175-177.
Vgl. Ruppert, S. 176.
210
Vgl. Baumann, Volkserhebung, S. 311.
211
Vgl. Ruppert, S. 180.
212
Karl Marx setzte sich seinerzeit ausführlich mit den Ereignissen vom 13. Juni 1849 und deren Bedeutung für die europäischen Revolutionäre auseinander, vgl. Marx, Karl: Die Folgen des 13. Juli 1849, am 22.3.2012 online unter:.
http://www.mlwerke.de/me/me07/me07_064.htm.
213
Vgl. Kreutz, Wilhelm: Anfänge der pfälzischen Arbeiterbewegung. Vom Hambacher Fest bis zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1832-1863, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den
Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 43-57, hier S. 55.
214
Vgl. Dlubek, Rolf: Arbeiter in den Freischaren der badisch-pfälzischen Revolution, in: Das lange 19. Jahrhundert. Personen – Ideen – Umwälzungen, hrsg. v. W. Küttler, Berlin 1999, S. 227-260, hier S. 239.
215
Vgl. Ruppert, S. 185.
209
41
vernetzt mit der europäischen revolutionären Avantgarde, in der provisorischen Regierung
Kaiserslauterns. Auch Friedrich Engels beteiligte sich am pfälzischen Aufstand.216
Allerdings hatten die schlecht ausgebildeten, schlecht bewaffneten, zusammengewürfelten
30.000 Mann der Revolutionsarmee keine Chance gegen die 56.000 Mann regulärer preußischer Truppen.217 In einem kurzen Feldzug wurde die aufständische Pfalz überrollt218
und Ende August 1849 wurden alle politischen Vereine der Pfalz ausnahmslos verboten.
Im Februar 1850 wurden mit dem strikten bayerischen Vereinsgesetz jegliche politische
Organisationen verboten.219
b) Die Rolle der Arbeitervereine in der Revolution
In der Pfalz etablierten sich besonders ab dem Jahresende 1848 neben den bürgerlichen
Vaterlandsvereinen auch Arbeitervereine. Vor allem städtische Handwerkergesellen organisierten sich und knüpften an zünftische Traditionen an. Die Landbevölkerung war innerhalb der 48er-Arbeiterbewegung kaum involviert, anders als in anderen deutschen Regionen waren im linksrheinischen Gebiet die feudalen Bindungen — Hauptmotiv bäuerlicher
Aufstände von 1848/49 im deutschen Südwesten — bereits gelöst.220 Die Bewegung umfasste nicht das Lumpenproletariat im eigentlichen Sinn. Vielmehr handelte es sich um
gelernte Arbeiter und Gesellen, die immerhin genügend Einkommen hatten, um nicht nur
mit dem Broterwerb beschäftigt zu sein. Die Vereinstätigkeit, bei der insbesondere Ausund Weiterbildung eine wichtige Rolle spielte, erforderte ein Mindestmaß an sozialer Sicherung. Diese war allerdings noch so schwach, dass sozialrevolutionäre Forderungen bei
den Arbeitern Fuß fassen konnten.221 Inhaltlich war die Bewegung ganz auf ihre meist
kleinbürgerlichen intellektuellen Köpfe angewiesen. 222
Schwarzwälder betont außerdem die Bedeutung des konfessionellen Aspekts innerhalb der
Arbeiterbewegung im revolutionären Neustadt: Die protestantische Mehrheit war, wie bereits aufgezeigt, Widerstand gegen die meist katholischen Machthaber gewohnt.223 Dennoch hatte die Arbeiterbewegung 1848/49 auch Unterstützung aus dem katholischen Lager.
Insbesondere die katholisch geprägte freireligiöse Bewegung war eng mit der Arbeiterbewegung von 1848/49 verzahnt.224 Bereits 1845 hatte der katholische Pfarrer Mühlhauser
die inhumanen Arbeitsbedingungen der Lambrechter Arbeiter in einer Denkschrift angegriffen.225 Daneben fasste die deutschkatholische Bewegung in Neustadt, Frankenthal und
216
Vgl. Baumann, Volkserhebung, S. 306/307.
Vgl. Dlubek, S. 243.
218
Eine ausführliche Zusammenfassung des Kriegsgeschehens bei Dlubek, S. 243-253.
219
Vgl. Ruppert, S. 186.
220
Vgl. Ries, Klaus: Die ländlichen Unruhen in der deutschen Revolution von 1848/49, in: Revolution an der Grenze. 1848/49
als nationales und regionales Ereignis, hrsg. v. K. Ries, St. Ingbert 1999, S. 85-103, hier S. 87-92.
221
Vgl. Schwarzwälder, S. 380.
222
Vgl. Schwarzwälder, S. 391.
223
Vgl. Schwarzwälder, S. 384.
224
Vgl. Kreutz, S. 52.
225
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 42.
217
42
Kaiserslautern seit 1845 unter Handwerkern Fuß.226 Gerade die Neustädter Arbeiterbewegung, die stärkste in der Pfalz 1848/49, arbeitete eng mit den deutschkatholischen Gemeinden zusammen.227
Zu Beginn der Revolution spielten die Arbeitervereine eine eher untergeordnete Rolle. Den
Volksverein dominierten Konservativ-Liberale und Demokraten. Zwar wurden in Neustadt, Kaiserslautern und Frankenthal schon früh Arbeitervereine gegründet, eine eigenständige Organisation erlangten diese aber erst nach einigen Monaten.228 Der Mobilisierungsgrad der Arbeitervereine stieg ab Herbst 1848 steil an und erreichte seinen Höhepunkt
in der Reichsverfassungskampagne, die zum gewaltsamen Aufstand führte. An Stelle der
Bürgerlichen waren in dieser Phase Radikaldemokraten, Arbeitervereine und Freischärler
die federführenden politischen Akteure.
Besonders am Beispiel von Neustadt, der Hochburg der Linken, wird diese Tendenz deutlich. Am 14. Januar 1849 löste sich der dortige Arbeiterverein aus dem Volksverein. Heinrich Lose und Josef Valentin Weber, die Anführer des Arbeitervereins, drängten ab diesem
Zeitpunkt offen zum gewaltsamen Aufstand und konnten die Mehrheit des Neustädter
Volksvereins hinter sich bringen.229 Der Neustädter Arbeiterverein war Mitglied der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung, die es den einzelnen Vereinen selbst überließ,
ihre ideologische Ausrichtung zu bestimmen.230 Dass sich in Neustadt die radikalen Positionen dennoch durchsetzen konnten, spricht für eine zumindest teilweise Durchdringung der
dortigen Bevölkerung mit frühsozialistischem Gedankengut.
Dieser Befund trifft in dieser Form auf keine andere pfälzische Stadt zu. Es war in Neustadt
wohl auch die Unterstützung der zuströmenden Radikalen aus ganz Deutschland, die die
Linken die Oberhand innerhalb der revolutionären Bewegung gewinnen ließ. Die wandernde Barrikade, eine Gedichtsammlung, die die Ereignisse der württembergischen, badischen und pfälzischen Revolution aus Sicht der Revolutionäre wiedergibt, greift diesen
Umstand auf. Dabei wird Neustadt, als „der Freiheit Centrum hier, Wo die Proletarier, wir,
Mächtig konnten siegen“231 dargestellt. Der Text spielt auf die Abhaltung der Volksversammlung in Kaiserslautern am 2. Mai 1849 an und kritisiert die zögerliche Herangehensweise der konservativ-liberalen Führungsfiguren im Volksverein, die aus radikaler Sicht
viel zu unentschlossen gegenüber der Reichsregierung agierten. Mit der Verlegung ins bürgerliche Kaiserslautern, weg vom radikalen Zentrum der Revolution am Haardtrand und in
der Vorderpfalz verdeutlicht sich die zögerliche Herangehensweise der gemäßigten Revo226
Vgl. Kreutz, S. 52.
Vgl. Wunder, Arbeiterverein 1848/49, S. 59.
228
Vgl. Schwarzwälder, S. 381.
229
Vgl. Schwarzwälder, S. 386.
230
Vgl. Schwarzwälder, S. 389/390.
231
Zitiert nach Kessler, Rainer: „Die wandernde Barrikade“. Aus der Pfälzer Arbeiterbewegung von 1849, in: Pfälzer Heimat
35 (1984), S. 154-161, hier S. 155.
227
43
lutionäre. Auch ihre Fixierung auf die Legalität im Gegensatz zur Arbeiterbewegung wird
in diesem Text deutlich.232
Möglicherweise ist der schon 1848 offen zutage tretende Riss zwischen Bürgerlichen und
den sozialrevolutionären Gruppierungen einer der Gründe für die im internationalen Vergleich unheimlich frühe Herausbildung einer spezifisch sozialistischen Arbeiterpartei in
Deutschland. Nicht nur Dlubek macht die Beteiligung von Arbeitern an den Aufständen in
der Literatur als einen Faktor für die spätere Formierung der Arbeiterbewegung aus.233
Auch die Art und Weise, wie sich die international vernetzten Geheimbünde über die Kanäle der Handwerkergesellen in die Revolution einschalteten,234 erinnert in manchen Aspekten stark an die spätere Ausbreitung der Sozialdemokratie in Deutschland.
In der Literatur lässt sich bezogen auf die pfälzische Arbeiterbewegung von 1848 auch der
gegensätzliche Standpunkt finden. So sieht Ruppert keinen Zusammenhang zwischen den
Arbeitervereinen der Revolution und den späteren Arbeiterparteien mit der Begründung,
erstere hätten den Kommunismus abgelehnt, da dieser zur Despotie führen müsse. Vielmehr hätten die Arbeitervereine 1848/49 einen von Ruppert nicht näher erläuterten „Socialismus, […] jenseits von Kapitalismus, Liberalismus und Kommunismus“235 zum Ziel gehabt. Eine Ausrichtung, die allerdings stark an die an anderer Stelle bereits ausgeführte
Lassallesche Konzeption einer demokratischen Umgestaltung des Staats im Sinn der Arbeiter erinnert. Weiterhin richteten sich die Arbeitervereine laut Ruppert in der Revolutionszeit
vor allem an diejenigen, die sich den Lebensunterhalt mit „redlicher Arbeit, sei es mit der
Hand oder mit dem Kopf“236 verdienten. Der Arbeitsbegriff als konstitutives Wertelement
der gesellschaftlichen Organisation, wie er auch innerhalb der späteren Sozialdemokratie
auftrat, spielte also bereits in der Wertewelt der Arbeitervereine von 1848 eine maßgebliche
Rolle.
Auch die publizistischen Beiträge Webers im Pfälzer Volksmann weisen deutlich in eine
sozialistische Richtung. So kritisierte Weber den Liberalismus, der nur dem Wohl des Einzelnen auf Kosten der Mehrheit diene. Das Recht auf Eigentum, so Weber, zementiere die
untragbaren gesellschaftlichen Zustände. Im Pfälzer Volksmann wird dagegen die Forderung nach einer progressiven Einkommenssteuer erhoben. Auch solle der Staat unnötige
232
So heißt es in der wandernden Barrikade über Kaiserslautern:
„Dorten in der Burgenstadt
Sollten’s ganz gemüthlich
Die Notablen der Pfalz,
Gesetzlich und friedlich,
Der Vereine Vorstände,
Bürgermeister, Adjunkte,
Deputierte – richten.“
Zitiert nach Kessler, S. 156.
233
Vgl. Dlubek, S. 255.
234
Vgl. Baumann, Volkserhebung, S. 303.
235
Siehe Ruppert, S. 151.
236
Aufruf des Arbeiterkongresses Neustadt, zitiert nach Ruppert, S. 151.
44
Ausgaben, beispielsweise für stehende Heere, unterlassen.237 Wie bereits aufgezeigt, gehörte die Forderung nach Abschaffung stehender Heere zu Gunsten der Volksbewaffnung im
19. Jahrhundert zum Kanon der sozialistischen Agenda.
Auch in der Symbolik war der Neustädter Arbeiterverein der Revolutionszeit nah an der
späteren SPD: Sowohl die rote Fahne, als auch der Gruß mit der geballten Faust sind überliefert.238 Widersprüchlich dazu steht allerdings das Eintreten des Delegierten der pfälzischen Arbeiterbildungvereine für unbedingte Gewerbefreiheit auf dem bayerischen Arbeiterkongress in Nürnberg im April 1849.239
Es ist klar, dass auch die pfälzische Arbeiterbewegung 1848 noch am Anfang stand, aber es
zeichnete sich bereits deutlich ab, dass eine von bürgerlich-liberalen Einflüssen unabhängige Sichtweise im Entstehen begriffen war. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man
auch schon 1848 von einer, wenn auch eher schwachen, pfälzischen Arbeiterbewegung
sprechen kann. Diese war die einzige politische Kraft, die sich bedingungslos hinter den
Aufstand stellte.
c) Zerschlagung und „Überwintern“ oppositioneller Strukturen
Die Verankerung der aufständischen Bewegung innerhalb der breiten Masse der Bevölkerung bleibt dennoch äußerst zweifelhaft. Auch war der Anteil an Aufständischen nichtpfälzischer Herkunft in der 1848er-Bewegung recht hoch.240 Dennoch hatten zumindest die
Volksvereine Zweigstellen in der gesamten Region, womit auch die hintersten Winkel der
abgelegeneren Gebiete von der Revolution zumindest erfasst wurden.241 In den Aufzeichnungen von Friedrich Engels kommen die pfälzischen Arbeiter wohl deshalb nicht als
Teilnehmer des Aufstands vor.242 Die Anklageakte aus dem späteren Prozess in Zweibrücken gegen die Aufständischen richtete sich gegen 333 Personen, wovon 209 aus der Pfalz
stammten. Von den 124 Nichtpfälzern stammten allerdings 51 aus Rheinhessen, also aus
unmittelbarer Nachbarschaft. Die restlichen Angeklagten kamen aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands, auch Polen und Ungarn waren am Aufstand beteiligt.243
Der Frankenthaler Johann Philipp Becker, seit dem Hambacher Fest im Exil und als Oberbefehlshaber der badischen Revolutionsarmee in die Pfalz zurückgekehrt, sah vor allem im
Fehlen krasser sozialer Probleme einen Grund für die passive Haltung der Mehrzahl der
Landbevölkerung. „Die Not und Armut, welche zu einem verzweifelten Kampf den Mut
gibt, fehlt fast überall, ebenso mangelt es auch an großen Städten, den Brennpunkten der
237
Vgl. Schwarzwälder, S. 404.
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 59.
Vgl. Kreutz, S. 50.
240
Baumann hat einige Quellen, die die geringe Anteilnahme der Landbevölkerung an den revolutionären Ereignissen der
Jahre 1848 und 1849 in der Pfalz dokumentieren, aufgelistet, vgl. hierzu Baumann, Volkserhebung, S. 299-303. Von den 333
Angeklagten im Gerichtsprozess wegen aktiver Beteiligung am pfälzischen Aufstand waren 124 Nichtpfälzer.
241
Vgl. Ruppert, S. 86.
242
Vgl. Kessler, S. 154.
243
Vgl. Baumann, Volkserhebung, S. 296.
238
239
45
Demokratie.“244 Bernd Schwarzwälder sieht den Wendepunkt gekommen, als die Illusion
der legalen Revolution zerbrach. Bis zum Mai 1849 hatte sich die gesamte Reichsverfassungskampagne auf rechtlich einwandfreiem Boden befunden. Auch der radikale Arbeiterverein von Neustadt hatte diese zutiefst bürgerliche Denkkategorie aufgenommen und die
Fürsten als abtrünnige Gesetzesbrecher angegriffen. Mit dem Zustrom von Radikalen aus
ganz Europa und der Ausrufung der Republik hatten die auf Legalität pochenden Bürgerlichen das Heft aus der Hand gegeben und zogen sich nach und nach aus der Reichsverfassungskampagne zurück.245 Damit verlor die Bewegung allerdings auch die nötige Durchschlagskraft.
Nachdem am 23. Mai 1863 erneut in Leipzig der ADAV als Dachorganisation für die deutschen Arbeiterverein ins Leben gerufen wurde,246 dauerte es noch einige Zeit, bis die Bewegung auch in der Pfalz wieder Fuß fassen konnte. Ferdinand Lasalle selbst besuchte im
Juli 1864 kurz vor seinem Tod die Vorderpfalz. Dabei ernannte er Wilhelm Weber, den
Sohn Josef Valentin Webers, zum Bevollmächtigten des Neustädter ADAV.247
Josef Valentin Weber war nach der Revolution nach Amerika geflohen und weilte 1861 in
London, wo er gemeinsam mit Karl Marx im kommunistischen Arbeiterbildungsverein
aktiv war. Dieses Beispiel zeigt auf, wie wichtig private, informelle und nicht zuletzt familiäre Kontakte für das Bestehen der ersten Arbeiterorganisationen über Zeiten der Verfolgung hinaus waren.
In seiner politischen Ausrichtung war auch der junge Weber durchaus radikal. Einer seiner
Auftritte auf einer Versammlung der Arbeiter des Maingaues in Mainz Anfang des Jahres
1865 ist überliefert. Darin würdigte er zunächst den kürzlich verstorbenen Lassalle, um
daraufhin Schultze-Delitzsch und dessen Ideen der Selbsthilfe zu geißeln. Seine Ausführungen fanden jedoch ein jähes Ende, denn er ließ sich „zu einem Außdrucke [sic!] gegen
die preußische Dynastie hinreißen, die uns die Achtung vor dieser Dynastie zu wiederholen
verbietet“.248 So zumindest das Mainzer Abendblatt. Nach dieser Äußerung sah sich der
anwesende Polizeirat genötigt, die Rede des „Thyrannenfressers [sic!]“249 zu unterbinden.
Auch der Lassalleanische Arbeiterverein Webers fiel bereits am 9. Oktober 1864 dem polizeilichen Zugriff zum Opfer.250 Dem Verein hatten etwa 50 Handwerker und Tagelöhner
angehört.251 Die Linke insgesamt wurde durch staatliche Eingriffe nachhaltig geschwächt
und aus Pressewesen und Vereinsleben verbannt. Öffentlich konnte sich das Gedankengut
244
Zitiert nach Baumann, Volkserhebung, S. 299.
Vgl. Schwarzwälder, S. 376.
Vgl. Welskopp, S. 37.
247
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 19/20.
248
Siehe Mainzer Abendblatt, No. 35, 10.2.1865, in: LA SP, H-3 929-II.
249
Siehe Mainzer Abendblatt, No. 35, 10.2.1865, in: LA SP, H-3 929-II.
250
Gerhard Wunder gibt zu bedenken, dass auch wirtschaftliche Gründe bei der Auflösung eine Rolle gespielt haben könnten.
Wahrscheinlicher ist allerdings auch für Wunder ein polizeiliches Eingreifen, vgl. Wunder, Neustadt, S.19/20.
251
Vgl. Kreutz, S. 55.
245
246
46
dieser Strömung nicht erhalten, die demokratisch und sozialistisch denkende Bevölkerung
war zur Äußerung auf private, informelle und familiäre Kontakte zurückgedrängt.
C Wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld der frühen pfälzischen Sozialdemokratie
a) Voraussetzungen der pfälzischen Industrialisierung: Pauperisierung und Verkehr
Die Pfalz war wie fast ganz Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts überwiegend ein
Ackerbauland. Aus der französischen Zeit stammte die Abschaffung der Grundherrschaft
und die Einführung des Code Civil, der eine uneingeschränkte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen erlaubte. Da auch die kirchlichen Güter an unzählige kleine Landbesitzer gefallen waren, kam es in der Pfalz zu einer äußerst kleinteiligen und intensiven Bewirtschaftung des Landes durch eine immer zahlreicher werdende Bevölkerung. 1830 lebten 69 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft, 1852 waren es 67 Prozent, 1882 immer noch
54 Prozent. Wegen der kleinteiligen Parzellisierung des Gebiets, setzte die Maschinisierung der pfälzischen Landwirtschaft, gebunden an für Kleinbauern unerschwingliche Investitionskosten, nur äußerst zögerlich ein. 252
Wie in ganz Deutschland spielte die Industrie bis zur Jahrhunderthälfte eine untergeordnete
Rolle. Die Landwirtschaft konnte „die rasche Bevölkerungszunahme im 19. Jahrhundert
weder vom Beschäftigungsangebot noch von der Ernährungsfrage her bewältigen“.253
Missernten in der klimatisch ungünstigen Lage der Westpfalz und Überschwemmungen in
der Vorderpfalz hatten regelmäßig katastrophale Auswirkungen auf die Ernährungslage.
Auch die Winzer am Haardtrand wurden regelmäßig von Frost und Unwettern, die die
Ernte vernichteten, bedroht.254
Die Pauperisierung der ländlichen Bevölkerung schritt voran. Das zeigt sich deutlich in der
steigenden Anzahl von Bettlern und Vaganten, zwischen 1846 und dem Hungerkrisenjahr
1847 stieg die Anzahl der festgenommenen Bettler von 21.000 auf 24.000.255 Auch die
steigende Anzahl an Holzfreveln ist ein deutliches Indiz für die zunehmende Verarmung
der Landbevölkerung. Die Pfalz verfügte über große Waldflächen, größtenteils in staatlichem Besitz. Gemeinden und Staat verfuhren allerdings in der Verwertung des Holzes
nach fiskalischen anstatt nach sozialen Gesichtspunkten. Um 1830 wurden ca. 90.000
Forstfrevler pro Jahr verurteilt, statistisch jeder fünfte Pfälzer, 256 diese Zahl hat sich bis
1842/43 noch verdoppelt.257
252
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 129.
Siehe Kermann, Probleme, S. 155.
254
Vgl. Kermann, Probleme, S. 156.
255
Vgl. Kermann, Probleme, S. 157.
256
Vgl. Kermann; Verkehr, S. 129.
257
Vgl. Kermann, Probleme, S. 158.
253
47
Der deutlichste Hinweis auf die prekäre soziale
Lage in der Pfalz ist die Auswanderungsstatistik. Die Zahl der Auswanderungen stieg in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stetig an.
1832 verlor die Pfalz schon über 4.000 Bürger,
1854 erreichte diese Zahl mit 9.000 einen Höhepunkt. Die Auswanderung nahm solche Züge an, dass sie zeitweise sogar die Geburten in
der Region überstieg. Zwischen 1846 und 1849
schrumpfte die Bevölkerung geringfügig um
121 Personen, zwischen 1849 und 1852 waren
es sogar 3.343 Personen und zwischen den
Volkszählungen von 1852 und 1855 verlor die
Pfalz ganze 21.926 Einwohner. Erst 1858
wuchs die Anzahl der Pfälzer wieder um 8.227
Personen.258
Zu diesem Zeitpunkt konnte die einsetzende
Industrialisierung bereits einen Teil der ökonomisch
überschüssigen
Landbevölkerung
auffangen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschob sich die Wanderungsbewegung weg vom ganz überwiegend amerikanischen Ausland in die Industriezentren der Pfalz
selbst. Insbesondere Ludwigshafen, aber auch
die mittleren Industriestädte der Pfalz wuchsen
in dieser Phase ganz erheblich. Für das Jahr
1900 ergab die Volkszählung für die gesamte
Region insgesamt nur einen WanderungsverAbb. 4 1Landwirtschaftliche Struktur, Ausbreitung der Eisenbahn und frühe Industriestruktur
der Pfalz
lust von 2.382 Personen. Die stärksten Zuwächse finden sich in Ludwigshafen (15.593
Personen), Kaiserslautern (4.379 Personen), Pirmasens (2.542 Personen) und Zweibrücken
(1.374 Personen). Die stärksten Bevölkerungsrückgänge verzeichneten eher ländliche Bezirksämter: Kusel (6.399 Personen), Germersheim (4.936 Personen), Homburg (4.246 Per-
258
Vgl. Kermann, Probleme, S. 161.
48
sonen), Neustadt (3.656 Personen), Bergzabern (3.522 Personen) und Kirchheimbolanden
(2.148 Personen).259
Die Verkehrslage der Rheinpfalz war durch direkte Anbindung an den Rhein, Europas
meistbefahrene Wasserstraße, überaus günstig. Wie so häufig ist auch in der Pfalz der Ausbau der Eisenbahn das wichtigste Indiz für die voranschreitende Industrialisierung. Ein
erster wichtiger Schritt war der Bau der Ludwigs- und der Maximiliansbahn bis 1852. Die
Ludwigsbahn verband die saarländischen und westpfälzischen Kohlereviere mit Ludwigshafen, die Maximiliansbahn sorgte für eine Verbindung von Neustadt nach Weißenburg im
Elsaß. Auch in der Folgezeit wurde das pfälzische Eisenbahnnetz zügig ausgebaut. 260 Die
industrielle Entwicklung in den anliegenden Ortschaften erfuhr durch die Bahn einen deutlichen Aufschwung. Insbesondere Kaiserslautern entwickelte sich zum industriellen Zentrum. 261 Die Anzahl der Eisenbahnkilometer pro 100 Quadratkilometer in der Pfalz (10,1
km) überstieg den Durchschnitt sowohl im Reich (5,6 km) als auch in Bayern (5,9 km)
deutlich.262
b) Industrialisierung und Soziale Frage
Die Pfalz bot zur Jahrhundertmitte beste Möglichkeiten zur Ansiedlung von Industrieunternehmen. Die Kohlebergwerke um St. Ingbert und im Saarland lagen in Reichweite und
lieferten billige Energie, die Verkehrsanbindung war auf dem neuesten Stand, die Bevölkerung zahlreich und relativ arm, wodurch billige Arbeitskraft verfügbar war. „Die Pfalz ist
[…] auch so recht das Land für die Fabriktätigkeit“,263 schrieb der Journalist Friedrich
Blaul 1855. Schon 1848/49 hatte sich ein leichter wirtschaftlicher Aufschwung angedeutet,
und wirklich erlebte die Region in den Folgejahrzehnten einen rasanten Industrialisierungsschub. 264
Besonders nach dem deutsch-französischen Krieg zu Anfang der 1870er Jahre wurden
enorme Investitionen in die pfälzische Industrie getätigt. Die Reichsgründung hatte eine
Weitung der Absatzmärkte zur Folge, nicht nur der deutsche Binnenhandel wurde damit
erleichtert, auch die Exportchancen ins Ausland erhöhten sich aufgrund der einheitlichen
Rechtsstruktur. Nach dem gewonnen Krieg herrschten in der Grenzregion Pfalz Optimismus und ein großes Sicherheitsgefühl vor. Die hohe französische Kriegsentschädigung war
einer der Faktoren, die zur Verflüssigung des Geld- und Kapitalmarktes in der Pfalz führ-
259
Vgl. Breunig, S. 52.
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 146-148.
261
Vgl. Rothenberger, S. 305.
262
Vgl. Wysocki, S. 223.
263
Siehe Schneider, Erich: Friedrich Blauls Stimmungsberichte aus der Pfalz in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“, in:
MHVPf 100 (2002), S. 399-425, hier S. 417.
264
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 14.
260
49
ten. Hohe, in Anbetracht des Abschwungs in den 1880er Jahren vielleicht zu hohe Investitionen brachten die Industrialisierung in der Pfalz voran.265
Rund drei Viertel der Bevölkerung waren bis zum Ende des Jahrhunderts in Kleinbetrieben
mit einem bis sechs Beschäftigten tätig, nur ein Viertel arbeitete in Großbetrieben, deren
durchschnittliche Größe darüber hinaus mit durchschnittlich 32 Beschäftigten sehr niedrig
war. Die wichtigste Branche der gewerblichen Produktion 1877 war die Bekleidungs- und
Reinigungsbrache mit rund 20.000 Beschäftigten. Daneben spielten die Herstellung von
Nahrungs- und Genussmitteln sowie Holz- und Schnittstoffe gemeinsam mit Handels- und
Baugewerbe (jeweils rund 10.000 Beschäftigte) eine nennenswerte Rolle. Metallverarbeitung, Maschinenbau und Bergbau rangierten dahinter und kamen zusammen auf rund
11.500 Angestellte. Der wichtigste Industriezweig war in jener Zeit das Textilgewerbe.266
Dessen Zentrum befand sich im Lambrechter Tal, westlich von Neustadt, daneben gab es
auch in und um Kaiserslautern sowie in Kusel einige Textilbetriebe.267 Im westlichen Teil
der Pfalz wurde Steinkohlebergbau betrieben, auch die Eisenverhüttung war in St. Ingbert
und um Kaiserslautern stark vertreten.268 Maschinenbaubetriebe fanden sich in Frankenthal, Kaiserslautern und Zweibrücken.269 Zu erwähnen ist auch die prosperierende Schuhindustrie in und um Pirmasens sowie einige Papierfabriken in Neustadt und Umgebung.270
Ludwigshafen war um 1850 vor allem wegen dem Rheinhafen und den sich daran anschließenden Handelshäusern von Bedeutung. Noch 1871 dominierten Handel und Gewerbe gegenüber der Industrie, ab der Gründerzeit jedoch erzielte die Industrie enorme Zuwächse.271 Besonders die 1865 gegründete Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) entwickelte bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus zum bedeutendsten Industrieunternehmen der Pfalz.272
Zwar war die Industrie der Pfalz innerhalb von wenigen Jahrzehnten in der Lage, einen
Großteil der verarmten Landbevölkerung in Lohn und Brot zu bringen, die Arbeitsbedingungen innerhalb der Unternehmen waren allerdings sehr schlecht. Aus der Frühzeit der
Industrialisierung in der Pfalz lassen sich, von einigen Fabrikordnungen abgesehen, nur in
Ausnahmefällen Quellen finden, die Aufschluss über die Arbeitsbedingungen innerhalb der
Fabrikbetriebe geben. Von staatlicher Seite wurde zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitsbevölkerung im wirtschaftlichen Bereich nur ansatzweise, im sozialen Bereich gar nicht eingegriffen.273
265
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 30/31.
Vgl. Wysocki, S. 235.
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 136-138.
268
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 131-134.
269
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 134/135.
270
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 138/139.
271
Vgl. Breunig, S. 25-28.
272
Vgl. Breunig, S. 28-31.
273
Vgl. Kermann, Vorschriften, S. 315.
266
267
50
Im Polizeistrafgesetzbuch von 1861 waren auch Strafen für Vergehen gegen die Fürsorge
von Leben und Gesundheit der Arbeiter vorgesehen, konkretisiert wurde diese Regelung
1863 durch eine ministerielle Bekanntmachung. Diese verpflichtete Betriebe, die mit giftigen Stoffen arbeiteten, zumindest zur Entsorgung giftiger Abfälle und zur Lufterneuerung
und Reinigung der Arbeitsräume. Eine Vollzugskontrolle zu diesen Vorschriften war allerdings nicht vorgesehen, was den Schluss zulässt, dass diese Regelung faktisch nur auf dem
Papier existierte.274 Eine etwas umfassendere Regelung der Arbeitsverhältnisse durch den
Staat erfolgte erst 1873 mit der Implementierung der Gewerbeordnung des Norddeutschen
Bundes für Bayern.275
1873 folgte eine Erhebung zu den Einrichtungen zum Besten der Arbeiter in allen Kommunen, zumindest in Ludwigshafen mit katastrophalem Ergebnis. Zwei Jahre später erfolgte, einem Bundesratsbeschluss folgend, eine Enquete über die Arbeitsverhältnisse. Daraus
wird vor allem ersichtlich, dass die Arbeiter in dieser Phase den Unternehmern weitestgehend ausgeliefert waren. Die Arbeitsorganisation konnte unternehmerseitig ohne Mitsprache der Belegschaft jederzeit umgestellt werden.276 Aufbau und Betrieb auch gesundheitsschädlicher Arbeitsanlagen lagen voll im Ermessen der Behörden,277 Einspruchsmöglichkeiten waren nur für private Dritte vorgesehen, etwa Nachbarn, deren Besitz wegen der
industriellen Tätigkeit an Wert verlor.278 Der Arbeiterschutz im engeren Sinn beschränkte
sich darauf, Betriebe dergestalt einzurichten, dass das Leben und die Gesundheit der Arbeiter soweit zu schützen waren, wie es „die Natur des Betriebes gestattete“.279
Doch nicht nur präventiv beim Arbeitsschutz, gerade auch bei eintretender Arbeitsunfähigkeit waren die Regelungen absolut unzureichend. Die Regierung der Pfalz berichtete nach
München:
„Die meisten Geschäfte kümmern sich bei uns um ihre entkräfteten und müden Arbeiter, soferne [sic!] es sich nicht um vorübergehende Krankheiten handelt, nicht
viel mehr als sie sich um eine durch lange Dienstleistungen unbrauchbar gewordene Maschine zu kümmern genöthigt [sic!] sind, d.h. sie suchen sich derselben auf
die wenigst [sic!] kostspielige Weise zu entledigen.“280
Eine wie auch immer geartete soziale Absicherung existierte überhaupt nicht.
274
Vgl. Kermann, Vorschriften, S. 318/319.
Vgl. Einführungsgesetz der Gewerbeordnung für Bayern, am 22.3.2012 online unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gesetz,_betreffend_die_Einf%C3%BChrung_der_Gewerbeordnung_des_Norddeutschen_Bunde
s_in_Bayern.
276
Vgl. Breunig, S. 82-84.
277
Vgl. §§ 16-24 Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (zitiert als: GWO), am 22.3.2012 online unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gewerbeordnung_f%C3%BCr_den_Norddeutschen_Bund.
278
Vgl. GWO § 26.
279
Siehe Breunig, S. 88.
280
Zitiert nach: Breunig, S. 85.
275
51
Daneben war eine Arbeitszeit von zwölf bis dreizehn Stunden täglich bei den pfälzischen
Fabrikarbeitern der 1860er und 1870er Jahre der Normalfall,281 wobei durch Streiks und
Arbeitskämpfe allmählich Verbesserungen erreicht wurden. 1885 lag die Tagesarbeitszeit
im pfalzweiten Durchschnitt bei 10,8 Stunden. Ein Viertel der Arbeiter musste zu diesem
Zeitpunkt allerdings mehr als elf Stunden täglich arbeiten. Gerade für die in der Pfalz zahlreichen Nebenerwerbslandwirte muss die effektive Arbeitszeit pro Tag mit An- und Abfahrtsweg und Arbeitspausen bei bis zu 16 Stunden am Tag gelegen haben.282
c) Streikbewegung der 1870er Jahre
Für die Formierung der sozialdemokratischen Partei in Deutschland waren Streiks von
erheblicher Bedeutung. Die ersten Schübe bekam die sozialdemokratische Bewegung in
der Frühphase oft durch Proteste und Konflikte im Arbeitsleben. So führt Karl Rohe die
ersten Durchbrüche der Sozialdemokratie im westlichen Ruhrgebiet und in SchleswigHolstein (zwei konfessionell und wirtschaftlich äußert unterschiedlichen Regionen) auf das
Protestpotenzial von Arbeitskämpfen zurück.283 In einer ländlich geprägten Region wie der
Pfalz war auf den ersten Blick nicht mit einer großen Ausbreitung sozialdemokratischer
Ideen zu rechnen. Und in der Tat ist der Einfluss beider Hauptgruppierungen des sozialistischen Lagers vor 1870 recht gering einzuschätzen.284
Mit zunehmender Industrialisierung wuchsen dann zwar nicht unbedingt die sozialen Probleme, jedoch sind die Abhängigkeitsverhältnisse von Lohnarbeitern im Mittel- und Großbetrieb deutlich anders einzuschätzen als diejenigen des Landarbeiters, der enger mit seinem
Arbeitgeber zusammenlebte. Zwar beherrschten in dieser Epoche Klein- und Kleinstbetriebe mit einer in der Mehrzahl eher patriarchalischen Struktur und somit wenig Entfaltungsmöglichkeiten für gewerkschaftliche Organisation und sozialistisches Politikverständnis die
Wirtschaftslandschaft der Pfalz, jedoch gab es auch einige Großbetriebe, in denen der Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern einen ersten Organisationsschub für die
Arbeiterbewegung auslöste.
In der Gesamtschau waren Streiks oder politische Aktionen bis in die Mitte der 1860er
Jahre der Ausnahmefall. Eine dieser Ausnahmen war der Streik der Weber in Lambrecht
von 1859. Werner Dietrich führt den Arbeitskampf vor allem auf den Zuzug fremder Arbeitskräfte ins Lambrechter Tal zurück, die sozialistisches Gedankengut mitgebracht hätten
und so das „Klassenbewusstsein“285 unter den Tuchmachern entfacht hätten. Als mögliche
281
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 24.
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 15.
283
Vgl. Rohe, S. 87/88.
284
Vgl. Schneider, Erich: Die pfälzische Sozialdemokratie von ihren Anfängen bis zur Jahrhundertwende, in: Die pfälzische
Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999,
S. 73-93 (Zitiert als: Schneider, Sozialdemokratie), hier S. 73.
285
Siehe Dietrich, Einigkeit, S. 41.
282
52
Streikursache kommt die tiefe Verankerung der Arbeitervereine aus der Revolutionszeit
vor Ort hinzu.
Zum Auslöser dieses ersten pfälzischen Streiks wurde die Einführung von Mehrarbeit ohne
Lohnausgleich. Insgesamt liegen zu diesem Arbeitskampf nur äußerst dürftige Quellen vor,
es ist nicht mehr zu ermitteln, wie viele Personen beteiligt waren und wie lange der Streik
im Januar 1859 dauerte. Als gesichert gelten darf hingegen, dass einige der Streikenden mit
Gefängnisstrafen belegt wurden und dass der Streik insofern erfolgreich war, dass die
Mehrarbeit fortan bezahlt wurde.286
Zu Beginn der 1870er Jahre vermehrte sich die Zahl der Arbeitskämpfe, was den noch
jungen Vorfeldorganisationen der SPD in der Pfalz einen Aufschwung brachte.287 Der eigentliche Aufstieg der Sozialdemokratie begann jedoch mit dem Spinnereiarbeiterstreik in
Oggersheim ab 31. Oktober 1871.
Die Arbeitsbedingungen in der Samtfabrik von Oggersheim waren in dieser Zeit besonders
schlecht. Nach dem Ende der kriegsbedingten Pause des Betriebs 1870/71 wurden die Arbeitszeiten ausgeweitet. Als in der Fabrik täglich nahezu 14 Stunden lang gearbeitet wurde,
auch von Kindern zwischen elf und 13 Jahren, wuchs die Unzufriedenheit innerhalb der
Belegschaft. Geheime Zusammenkünfte und das anonyme Verbreiten von Botschaften auf
kleinen Plakaten waren die ersten Schritte der Unzufriedenen. Schließlich fanden sich die
Arbeiter in einer großen Versammlung zusammen und einigten sich auf ihre Forderung:
„Verminderung der Arbeitszeit um zwei Stunden und […] Lohnerhöhung von 25 %“288.
Vonseiten der Fabrikleitung stieß die Forderung auf vehementen Widerstand, sie versuchte,
Teile der Arbeiterschaft auf ihre Seite zu ziehen, scheiterte aber. Nach einer Woche Streik
lenkte die Geschäftsführung schließlich ein, trat mit einer Abordnung der Arbeiter in Verhandlungen und einigte sich schließlich. Ein Teil der Spinnarbeiter hatte sich allerdings
schon vorher zur erneuten Arbeitsaufnahme überreden lassen. Rückblickend auf diese Episode schrieb Josef Queva, der am Streik beteiligt war: „Der Verrat der Spinner machte
böses Blut unter den Arbeitern. Über Sonntag durfte sich in ganz Oggersheim keiner auf
der Straße sehen lassen.“289 Der Punkt, an dem die soziale Kontrolle von oben nicht mehr
funktionierte, war in diesem Fall also erreicht. Dagegen entwickelte sich innerhalb der Arbeiterschaft eine eigene, aus eigenen Interessen geleitete Sicht auf die Zustände, in der marxistischen Terminologie bezeichnet als Klassenbewusstsein, vorangetrieben zuvörderst von
sozialdemokratischen Agitatoren, zunehmend getragen von einer Mehrheit der Arbeiter.290
Am 4. November 1871 traten etwa 200 Arbeiter im Zuge einer Versammlung im
286
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 41/42.
Vgl. Schneider, Sozialdemokratie, S. 73.
Siehe Queva, S. 15.
289
Siehe Queva, S. 19.
290
Vgl. Rohe, S. 90.
287
288
53
Wenz’schen Saal in Oggersheim, nach Aufforderung eines Agitators aus Mannheim, in
den ADAV ein.291
Ein weiterer großer Streik von Webern im Mai 1872 in Lambrecht zog eine weitere Gründungswelle von lassalleanischen Ortsvereinen nach sich. Im Juli desselben Jahres schlossen
sich die über 300 Mitglieder des Lambrechter Arbeiterbildungsverein dem ADAV an.292
Insgesamt verlief der Streik allerdings trotz siebenwöchiger Dauer erfolglos für die Tuchweber. Aus dem elsässischen Bischwiller wurden arbeitslose Weber nach Lambrecht gebracht. Es kam zu Raufereien zwischen Lambrechter Tuchwebern und den Streikbrechern.
Im Juli 1872 rückten gar zwei Infanterie-Kompanien aus Landau an, da der Bezirksamtmann, nachdem auf einer Hochzeit dem örtlichen Brauchtum gemäß Gewehrschüsse abgegeben worden waren, fälschlicherweise den Ausbruch eines größeren Aufstandes angenommen hatte. Der Streik hatte durchaus eine politisch mobilisierende Wirkung. Aufgrund
der konsequenten Gegenmaßnahmen auf Staats- und Unternehmerseite sowie des erfolglosen Endes führten die Lambrechter Tuchweber allerdings erst 1890 wieder einen Streik
durch.293
Im nationalen Vergleich entwickelte sich in der Pfalz vergleichsweise spät eine Streikkultur. Schon in Lambrecht 1872 waren es zugezogene Arbeiter aus Hamburg gewesen, die
den Streik anführten und organisierten. 294 Erst ab Mitte der 1870er Jahre versuchten
Handwerker und Arbeiter auf breiter Front die Arbeitszeit zumindest auf zwölf Stunden zu
beschränken. Die besser organisierten Drucker und Maurer waren federführend in diese
Richtung. Besonders die einfachen Lohn- und Textilarbeiter hatten in dieser Phase noch
erhebliche Schwierigkeiten ihre Forderungen schlagkräftig zu vertreten. So erreichten die
Weber in Lambrecht erst im März 1890 nach fünfwöchigem Arbeitsausstand den Dreizehn-Stunden-Tag.295
291
Vgl. Queva, S. 19.
Vgl. Pfälzer Zeitung vom 13.7.1872, in LA SP, H-3 929-I.
Vgl. Dietrich, Gewerkschaftliche Organisation, S. 12/13.
294
Vgl. Dietrich, Gewerkschaftliche Organisation, S. 12.
295
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 25.
292
293
54
IV Die frühe pfälzische Sozialdemokratie
A Die Partei
a) Die frühe pfälzische Sozialdemokratie im überregionalen Kontext
Die Pfalz gehört in den fünf von Thomas Welskopp unterschiedenen Vereinslandschaften
im sozialdemokratischen Organisationsmilieu zur südwestdeutschen Vereinslandschaft.
Die frühen Arbeiterorganisationen in dieser Region befanden sich laut Welskopp bis in die
1870er Jahre in der Peripherie des sozialistischen Organisationsmilieus. Die Gründe hierfür
sieht er in der Insellage, bis 1869 verbunden mit dem Fehlen eines hegemonialen Zentrums296 und der Konkurrenz zu den regional stark verbreiteten liberalen Arbeitervereinen.297 In der Tat war die sozialistische Arbeiterbewegung bis in die 1860er Jahre in der
Pfalz nur sehr schwach vertreten, was allerdings vor allem am strikten polizeilichen Eingreifen gegen die Vereinsgründungen lag.298 Als August Bebel 1858 als Geselle die Pfalz
besuchte, konnte er dort keinerlei politische Kontakte knüpfen.299 Von daher fallen die
Verknüpfungen zur früher aufstrebenden Arbeiterbewegung im Norden umso mehr ins
Gewicht.
Mit der rheinischen Vereinslandschaft, maßgeblich geprägt durch die Industriestädte Köln
und Düsseldorf, verband die pfälzischen Sozialisten möglicherweise auch die tradierte
Verbindung zum Kommunistenbund aus Revolutionszeiten, die von der Internationale und
dem ADAV weitergeführt wurde.300 Mit August Dreesbach bereiste ein festbesoldeter
Agitator des ansonsten eher nach Norddeutschland orientierten Düsseldorfer ADAVs im
März 1874 die Pfalz, er zog schließlich im Sommer 1876 nach Mannheim und wurde zur
maßgeblichen Führungsfigur der badisch-pfälzischen Sozialisten.301
Noch engere und frühere Verbindungslinien zur Pfalz ergeben sich aus der vielschichtigen
Vereinslandschaft des Maingaus. Welskopp bescheinigt der frühen Sozialdemokratie dieser Region trotz der herausgehobenen Tragweite der Frankfurter Arbeitervereine in der
Gründungsgeschichte des ADAVs weniger Bedeutung als den norddeutschen, rheinischen
und Berliner Arbeitervereinen.302 Bereits ab dem Frühjahr 1869 besuchten lassalleanische
Wanderredner aus dem Raum Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden und Mainz die rheinischen
Fabrikorte der Pfalz, insbesondere Frankenthal und Ludwigshafen. Dabei war vor allem die
296
Thomas Welskopp negiert die Existenz einer hegemonialen Gemeinde in Südwestdeutschland gänzlich, vgl. Welskopp,
S. 143. Wie noch aufzuzeigen ist, ist Mannheim durchaus als hegemoniales Zentrum innerhalb der Region zu sehen. Da die
Bewegung hier aber im deutschlandweiten Vergleich sehr spät, ab 1867, aktiver wurde und Welskopps Arbeit den Fokus auf
die sehr frühe Sozialdemokratie legt, ist sein Urteil dennoch grundsätzlich berechtigt.
297
Vgl. Welskopp, S. 143.
298
Vgl. Schneider, S. 30.
299
Vgl. Wunder: Arbeiterverein, S. 62.
300
Vgl. Welskopp, S. 141/142.
301
Vgl. Schneider: Anfänge, S. 45/46.
302
Vgl. Welskopp, S. 142/143.
55
Verkehrslage entlang einer weitergehenden, ganz Süddeutschland umfassenden Route von
Wanderrednern entscheidend.303
Schwerpunkt der frühen Ausbreitung sozialistischer Ideen in der Region war der Raum
Mannheim und die sich daran anschließenden Landstriche. Noch bevor die Partei in Wahlen eine erhebliche Rolle spielte, entwickelte sich die Organisationsstruktur der Sozialdemokratie unabhängig von staatlichen Grenzen. Die frühe pfälzische Sozialdemokratie war
mit den rechtsrheinischen Gebieten in Baden eng verquickt. Schon in der Revolution von
1848 kämpften die badisch-pfälzischen Truppen gemeinsam gegen das anrückende Preußen, auch der Neustädter Arbeiterverein von 1848 hatte ein Einzugsgebiet, das weit über
den Rhein hinaus nach Osten reichte.304 Das Zentrum der badisch-pfälzischen Sozialdemokratie war Mannheim, informell mit der Region aufs engste verknüpft und obwohl bis 1871
formal nicht mehr Teil des selben Staats weiterhin die „heimliche Hauptstadt“305 der Pfalz.
Im Vergleich mit den Gruppierungen anderer badischer Städte war die Mannheimer Bewegung deutlich aktiver — sowohl hinsichtlich der Anzahl aktiver Agitatoren,306 der Anzahl
von Versammlungen307 als auch in organisatorischer Hinsicht, mit dem Sitz des Pfälzisch
badischen Preßvereins und als Wohnsitz der führenden Köpfe der pfälzisch-badischen
Sozialdemokratie jener Zeit: Hermann Josef August Dreesbach308 und Franz Josef Ehrhart.
So bezeichnete auch der Regierungspräsident Braun Mannheim als „Hauptspitze der socialistischen Propaganda für den Mittel- und Oberrhein.“309 Von dort ging die Ausbreitung
der Sozialdemokratie in die Pfalz maßgeblich aus.
Die stetig wachsende Industriestadt Ludwigshafen fungierte für die frühe Sozialdemokratie
von Mannheim aus gewissermaßen als Brückenkopf zur Pfalz. Obschon sogar die Arbeiter
beim Bau der Rheinbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen durch die Polizei politisch überwacht wurden.310 Das Fehlen jeglicher anderweitiger kultureller Traditionen in
der Stadt ermöglichte ab den 1870er Jahren ein relativ schnelles Wachstum der sozialdemokratischen Vereinskultur. Auch im nahegelegenen Industriestandort Oggersheim prosperierte die Partei. Insgesamt konnten die Sozialisten bis 1877 in den vorderpfälzischen
Amtsbezirken Speyer, Frankenthal und Neustadt Fuß fassen. Erfolgloser waren die Sozialisten im Westteil der Pfalz. Selbst in den Industriestädten Kaiserslautern und Pirmasens
taten sie sich schwer.311
303
Vgl. Schneider: Anfänge, S. 29.
Vgl. Schwarzwälder, S. 389.
305
Siehe Bauman: Volkserhebung, S. 293.
306
Vgl. Gall, Lothar: Sozialistengesetz und innenpolitischer Umschwung. Baden und die Krise des Jahres 1878, in: Zeitschrift
für die Geschichte des Oberrheins 111 (1963), S. 473-577, hier S. 567-569.
307
Vgl. Gall, S. 576.
308
Vgl. Gall, S. 567.
309
Siehe Schreiben an das Innenministerium vom Präsidium der Königlich Bayerischen Regierung der Pfalz vom 11. September 1878, in: BayHStA, Minn 66312.
310
Vgl. Breunig, S. 142.
311
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 29.
304
56
b) Innerpfälzische Parteiorganisation
aa) Die frühe Ausbreitung in der Pfalz
Der lassalleanische Arbeiterverein in Mannheim wurde 1867 gegründet, 1869 kam ein
Eisenacher Verein hinzu, beide agitierten auch im linksrheinischen Gebiet.312 Daneben
entwickelte sich aus der 48er-Tradition und Streikbewegung heraus in Neustadt und Lambrecht so etwas wie eine genuin pfälzische Sozialdemokratie, obwohl diese maßgeblich
von Zugezogenen geprägt war.
Es war überwiegend der Lassalleanische Zweig der Sozialdemokratie, der in der Vorderpfalz erste Erfolge verbuchen konnte. Im Frühjahr 1873 fand die erste regionale Zusammenkunft der pfälzischen Allgemeinen Arbeitervereine in Oggersheim statt. Zu diesem
Zeitpunkt kamen bereits Delegationen aus Flomersheim, Frankenthal, Ludwigshafen,
Mannheim, Maudach, Maxdorf, Mutterstadt, Oggersheim und Speyer zusammen. Zunächst waren die pfälzischen Vereine dem Agitationsbezirk Offenbach zugeordnet, was
sich einerseits in der hohen Zahl von Agitatoren aus Offenbach ausdrückte, andererseits
war der erste Kandidat bei der Reichstagswahl im Januar 1874 für den Wahlkreis Ludwigshafen-Speyer-Frankenthal der Offenbacher Zigarrenmacher Heuser.313 Nicht zuletzt
aufgrund des verbesserungsbedürftigen Wahlergebnisses beschlossen die Lassalleaner,
einen besoldeten Agitatoren in die Region zu entsenden.314 August Dreesbach besuchte im
März 1874 erstmals Mannheim und Oggersheim.315
Obwohl durch sein Eintreffen eine Belebung des lassalleanischen Vereinswesens intendiert
war, bewirkte August Dreesbach in seinem ersten Jahr als Hauptfigur des pfälzischen
ADAVs sehr wenig. Zunächst verweilte er in Stuttgart, währenddessen nahmen die Vereine der Vorderpfalz eine eher sektenartige Gestalt an, zumindest schildert Willi Breunig die
Situation entsprechend. Durch gemeinsame Lektüre und Diskussionen verfestigten die
Mitglieder ihre sozialistischen Überzeugungen, eine Agitation nach außen hin fand in dieser Periode kaum statt.316
Allerdings deuten die Wochenberichte vom Sommer 1874 keineswegs in die Richtung,
dass die sozialdemokratische Bewegung zu diesem Zeitpunkt stagnierte. Insofern ist Breunigs Darstellung zumindest zu relativieren. Am 10. August meldete Speyer ans Münchner
Ministerium, dass sich in Ludwigshafen die „Excesse“ der Sozialdemokraten mehrten.317
Zu einer Versammlung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei im sonst vergleichsweise
ruhigen Kaiserslautern kamen am selben Tag zwischen 300 und 400 Personen.318
312
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 29.
Vgl. Breunig, S. 155.
314
Vgl. Breunig, S. 157/158.
315
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 46.
316
Vgl. Breunig, S. 159.
317
Vgl. Wochenbericht vom 10.8.1874, in: BayHStA, Minn 30981/32.
318
Vgl. Wochenbericht vom 17.8.1874, in: BayHStA, Minn 30981/32.
313
57
bb) Bandbreite der frühen sozialdemokratischen Vereinsstrukturen
Die Flügelkämpfe innerhalb der deutschen Sozialdemokratie zwischen Lassalleanern und
Eisenachern spielten aufgrund der Schwäche der Bewegung in der Pfalz keine nennenswerte Rolle. Lediglich in Mannheim und Ludwigshafen kam es in dieser Frage zu kleineren
Konflikten.319 Dies, obwohl mit Franz Josef Ehrhart ein „entschiedener Gegner der Lassalleaner“320 an der Spitze des pfälzischen Zweigs der Eisenacher Arbeiterpartei stand. Unter
seiner Ägide wurde für die Eisenacher am 21. Juni 1874 auf dem mittelrheinischen Arbeitertag ein Agitationsbezirk, der die Pfalz, Baden, die Bergstraße, Worms und das Elsaß
umfasste, geschaffen.321
Im Mai 1875 wurden beide Zweige in der SAP beim Vereinigungsparteitag in Gotha zusammengeführt. Für die Organisationsstruktur der pfälzischen Sozialdemokratie bedeutete
dies die Übernahme der Eisenacher Organisationsstruktur. Mannheim wurde nun offiziell
das Zentrum der badisch-pfälzischen Sozialdemokratie. Mit Dreesbach wurde allerdings
ein Lassalleaner der regionale Parteiführer, inhaltlich verfolgte er einen gemäßigten Kurs.
Der jüngere Erhardt organisierte die Agitation in der Pfalz. 322
Wie bereits angedeutet, war das strenge bayerische Vereinsgesetz der Hauptgrund für die
Schwäche der Sozialdemokratie links des Rheins. Es nötigte die frühen Sozialisten ihre
überregionale Organisation von Mannheim aus in Angriff zu nehmen und damit im etwas
liberaleren Baden.323 Einzig der Pfälzisch badische Preßverein mit Sitz in Mannheim war
als eingetragener Verein tätig.
Daneben existierten auf lokaler Ebene unterschiedliche Arbeitervereine. Oft waren Unterstützungs- und Krankenkassenvereine nichts weiter als der Deckmantel für „sozialdemokratische Umtriebe“324. In Kaiserslautern zum Beispiel entstand aus dem, zunächst politischen Demokratischen Arbeiterbildungsverein (DABV) bereits ein halbes Jahr nach Gründung des Vereins (im Oktober 1869) eine Sparkasse, vier weitere Monate später eine Krankenversicherung, die allerdings, wie die meisten derartigen Initiativen jener Epoche, kaum
geeignet war, Kosten für ärztliche Betreuung und Medikamente zu tragen, sondern vor
allem die Begräbniskosten der Mitglieder decken sollte.325 Freizeitgestaltung in Form von
politischer Bildung und Unterhaltung — vor allem durch Gesang — waren von Anfang an
die Hauptziele des DABV in Kaiserslautern.326
Diese Verschränkung von Freizeitgestaltung und privater Vorsorge einerseits und politischer Organisation und Gewerkschaftsfunktion andererseits machte es den Behörden in
319
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 42.
Siehe Schneider, Arbeiterbewegung, S. 42.
321
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 159/160.
322
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 47.
323
Baden blieb auch nach 1848 der liberalste Staat Deutschlands, vgl. Gall, S. 473.
324
Siehe Dietrich, Einigkeit, S. 36.
325
Vgl. Herzog, S. 31/32.
326
Vgl. Herzog, S. 25.
320
58
vielen Fällen unmöglich, die Sozialdemokraten wirksam zu bekämpfen. Gerade die Versicherungen wurden in der Zeit des Sozialistengesetzes zu wirksamen Schlupflöchern der
Sozialdemokratie gegenüber dem staatlichen Zugriff. In einigen Fällen bildeten die Arbeitervereine ursprünglich liberaler Provenienz die Ausgangsbasis für die sozialdemokratische
Organisation. Das zeigt sich, wie noch genauer aufzuzeigen ist, besonders am Beispiel Kaiserslauterns.
Da kaum interne Quellen der frühen pfälzischen Sozialdemokratie erhalten sind, kann wenig über die genauen Abläufe bei der politischen Arbeit im Einzelnen gesagt werden. Es ist
anzunehmen, dass sich die Grenze zwischen der politischen Bildung, Tätigkeit im sozialdemokratischen Ortsverein und gewerkschaftlicher Betätigung oder reiner Absicherung vor
allem für Begräbniskosten fließend ausnahm.
cc) Soziale Struktur und Schichtzugehörigkeit
Über die soziale Herkunft der Parteimitglieder sind aus der Anfangszeit nur wenige Angaben erhalten. Mitgliederlisten existieren nicht mehr, in der Zeit des Sozialistengesetzes
wurden aus naheliegenden Gründen keine geführt. Der einzige Zugang ergibt sich aus Polizeiakten, die ihrerseits nicht die breite Masse der Sozialdemokraten erfassten, sondern lediglich diejenigen, die durch erhöhte Aktivitäten mit dem Gesetz in Konflikt kamen. Dabei
handelt es sich um die aktiven, agitatorisch und zielgerichtet agierenden Genossen. Aus
diesen Akten geht hervor, dass sich in der Pfalz zunächst vorwiegend junge Männer in der
Sozialdemokratie organisierten. 327 So vermerkt ein behördlicher Bericht von 1878 unter
den Sozialdemokraten seien „vorwiegend junge, unerfahrene zumeist unverheiratete Leute“328 zu finden.
Auffällig ist der hohe Anteil an sozialdemokratischen Handwerksmeistern unter den
Schuhmachern (vier von 37) und unter den Schneidern (fünf von 15). Dass auch Handwerksmeister und damit die Inhaber der Kleinstbetriebe sozialistisch engagiert waren, erklärt warum die Sozialdemokratie in diesen patriarchalisch geprägten Wirtschaftszweigen
Fuß fassen konnte. Dies stützt die von Thomas Welskopp vertretene Betrachtungsweise der
deutschen Sozialdemokratie als eine „handwerkliche[n] Arbeiterbewegung“,329 die weniger Folge der Industrialisierung als Reaktion auf „das Eindringen des Kapitalismus in die
kleine Warenproduktion“330 war. Und in der Tat finden sich in der Auflistung pfälzischer
Sozialisten der Polizei nur sehr wenige Fabrikarbeiter.
Aufgeführt sind in dem Dokument 14 Zigarrenarbeiter, elf Schlosser, neun ungelernte
Lohnarbeiter, drei Metallarbeiter und drei Eisendreher, also insgesamt deutlich weniger als
327
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 125-129.
Zitiert nach Schneider, Arbeiterbewegung, S. 127.
329
Welskopp führt in diesem Zusammenhang verschiedene Autoren an: Lenger, Breuilly und weitere, siehe Welskopp, S. 23.
330
Siehe Welskopp, S. 23.
328
59
ein Viertel der aktiveren SAP-Mitglieder. Dennoch waren es vor allem ärmere Handwerker
und Arbeiter, die für die SAP der 1870er Jahre tätig wurden. Von 175 erfassten Parteimitgliedern waren 136 als unselbstständige Lohnarbeiter tätig, 39 sind dem Kleinbürgertum
zuzurechnen. Es finden sich keinerlei Akademiker, Bürgerliche oder auch nur subalterne
Beamte in den Reihen der Sozialdemokraten.331
Der Befund, dass vor allem ungebildete und ungelernte Arbeiter, also die eigentliche
„Klasse der Proletarier“,332 innerhalb der Sozialdemokratie stärker organisiert waren, widerspricht der in der gegenwärtigen Literatur vorherrschenden Ansicht, dass vor allem das
obere Segment der gelernten Arbeiter in der Sozialdemokratie eine Rolle spielte. So
schreibt beispielsweise Franz Walter:
„Die Sozialdemokratie war von Beginn an Bewegung und Partei der disziplinierten, ehrgeizigen, aufstiegswilligen Arbeiter; jene, die über diese Tugenden und Einstellungen nicht verfügten, fremdelten oft ihr gegenüber, gehörten nicht zu ihren
treuen Anhängern und standen in Krisenzeiten schnell abseits oder in anderen politischen Lagern.“333
Dieser Ansicht ist zumindest im Hinblick auf die pfälzische Sozialdemokratie nicht zuzustimmen.
Stattdessen spricht vieles dafür, dass die Sozialdemokratie, als öffentlich geächtete politische Strömung, gerade nicht bei den Aufstiegswilligeren und somit zumindest tendenziell
eher angepassten karrierebewussten Arbeitern Fuß fassen konnte. In der Pfalz zumindest
rekrutierte die Partei ihre ersten Anhänger ganz überwiegend aus der Unterschicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich mit der Situation in den frühen 1930er
Jahren, einer Zeit, aus der umfassendere und aufschlussreichere Quellen erhalten sind, auch
wenn der politische Kontext ein ganz anderer war. Ähnlich wie später die KPD, die eher
ungebildete und arme Arbeiter mit weniger Aufstiegschancen aus dem Lager der dann
etablierten SPD sammeln konnte,334 war die frühe Sozialdemokratie die Partei der Enttäuschten, die sich vom im Laufe der 1860er Jahre breiter anerkannten Liberalismus enttäuscht abwendeten. Ähnlich wie die KPD sich als eigentliche Verfechterin der Ideen von
Karl Marx im Gegensatz zur SPD gerierte, sahen sich die frühen Sozialdemokraten als die
Sachwalter der Revolution von 1848 im Gegensatz zu den Liberalen.335
331
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 128.
Siehe Schneider, Arbeiterbewegung, S. 126.
Siehe Walter, S. 13.
334
So bemerkte die Pfälzische Post am 26.1.1933, dass sich die „relativ besser gestellten Arbeiter“ eher der SPD zuwandten,
während „die schlechter Gestellten mehr Neigung zur kommunistischen Gefühlspolitik zeigten.“ Siehe: Pfälzische Post Nr.22
vom 26.1.1933: „Glänzende kommunistische Kundgebung“, zitiert nach Becker, Klaus: Die pfälzischen Arbeiterparteien in
den Jahren 1930-1933, in: Vom Scheitern der Demokratie. Die Pfalz am Ende der Weimarer Republik, hrsg. v. G. Nestler
u.a., Stuttgart 2010, S. 229-261, hier S. 242.
335
Dieser Denkansatz findet sich, wie vorher aufgezeigt, bereits bei Lassalle, ging aber in der Zeit des deutschen Kaiserreichs
noch viel weiter, wie Erich Schneider es am pfälzischen Beispiel aufzeigt. Vgl. Schneider, Erich: Pfälzische Sozialdemokratie und die 1848/49er Tradition vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu
ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 15-39.
332
333
60
c) Agitation
aa) Versammlungen
Die Kultur der politischen Versammlung als Medium und Forum des Volkes wurde in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Sozialdemokraten konsequenter genutzt als
von irgendeiner anderen politischen Partei. Darin kultivierte die Partei einen radikaldemokratischen „Willensbildungsprozess nach jakobinischem Verständnis“ und führte eine auf
1848 zurückgehende republikanische Tradition fort.336 Große Parteiversammlungen dauerten zwischen zwei und zu sechs Stunden und hatten nicht zuletzt durch gemeinsame Rituale wie das Absingen des Bundesliedes oder der Arbeitermarseillaise einen gemeinschaftsbildenden Charakter.337
Die Versammlungen waren mindestens 24 Stunden vor der Abhaltung bei den Polizeibehörden zu melden, über Presse und Plakate wurden Veranstaltungsorte bekanntgegeben. In
sozialdemokratischen Parteizeitungen, aber auch in der liberalen Presse finden sich zahlreiche Berichte über derartige Treffen.338 Bei allen, auch den sehr schlecht besuchten Veranstaltungen, war ein diensthabender Polizist anwesend. In der Pfalz, wo die Sozialdemokratie in der Anfangszeit nur sehr kurzzeitig über eine eigene Parteizeitung verfügte, sind deren Berichte oft der einzig erhaltene Nachweis der sozialdemokratischen Versammlungstätigkeit.
Thomas Mergel betont, dass die politischen Versammlungen und Wahlagitationen in
Deutschland im Vergleich zum westlichen Ausland relativ gesittet abliefen. Nicht zuletzt
aufgrund der polizeilichen Überwachung hatten politische Veranstaltungen in Deutschland
einen eher rationalen Charakter. Spektakuläre Feste und Fackelzüge wie etwa in Frankreich
oder den USA oder Massenschlägereien, wie sie zur gleichen Zeit in Großbritannien an der
Tagesordnung waren, gab es in Deutschland nur im Ausnahmefall. Stattdessen praktiziert
wurden, so Mergel, eher gesittete Rede- und Gegenrede-Veranstaltungen.339 Gerade für die
Sozialdemokratie hatte die Versammlungstätigkeit eine aufklärerische Funktion. Schließlich wurde insbesondere den Anhängern der SPD die Politikfähigkeit wegen Bildungsmängeln abgesprochen. Umso mehr waren diese bemüht, ihre Veranstaltungen als Volksbildungsprogramm auszugestalten.340
Dennoch kam es vereinzelt immer wieder zu Zwischenfällen. Am 24. November 1872
wurden bei einer Versammlung in Oggersheim die beiden Gegenredner, ein Reiseprediger,
336
Vgl. Welskopp, S. 296/297.
Vgl. Welskopp, S. 303.
338
Vgl. Welskopp, S. 300-303.
339
Vgl. Mergel, Thomas: Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990,
Regensburg 2010, S. 49.
340
Vgl. Mergel, S. 47.
337
61
der vor blutigen Revolutionsgelüsten der Sozialdemokratie warnte, und der Fabrikant Herf
von den etwa 300 Arbeitern beschimpft und laut Polizeibericht mit Gewalt vertrieben.341
Auch Musikstücke und „komische Declamationen [sic!]“342 gehörten zum Repertoire der
Arbeiterbewegung. Im Hinblick auf die Mehrzahl der Quellen zur frühen sozialdemokratischen Versammlungstätigkeit in der Pfalz ist allerdings Thomas Mergels Urteil, dass es
sich bei diesen Treffen größtenteils um eher rationale Vorträge zu politisch-ökonomischen
Fragestellungen handelt, durchaus zuzustimmen.
Ihren ersten Höhepunkt erreichte eine erste Agitationswelle der Lassalleaner im Frühjahr
1869.343 Im Rahmen der Streikwelle 1871 kam es zu einem weiteren Anstieg, ansonsten
erhöhte sich die Anzahl der Versammlungen regelmäßig, wenn Wahlen anstanden, insbesondere die Reichstagswahlen im Januar 1874, im Januar 1877 und im Juli 1878 wären hier
zu nennen. Regional verteilten sich die Veranstaltungen vor allem im sozialdemokratischen
Kerngebiet am Rhein, von Ost nach West wurden die Veranstaltungen immer weniger. So
meldete die pfälzische Landesregierung im September 1878, dass in den vorangegangenen
drei Jahren im Bezirk Speyer-Frankenthal 79, im Bezirk Neustadt 21 und im Bezirk Kaiserslautern-Kirchheimbolanden acht Versammlungen stattgefunden hatten. 344 Dem ist
mindestens eine größere Versammlung im Bezirk Pirmasens-Zweibrücken vom Januar
1878 hinzuzufügen.345
Wo die Partei über ein dichteres Mitgliedernetz verfügte, sollte die Organisation von Veranstaltungen kein Problem gewesen sein. Die im vorherigen Abschnitt bereits erwähnte
Statistik weist auch zehn Gastwirte als aktivere Mitglieder der frühen pfälzischen Sozialdemokratie aus.346 In den einzelnen Städten und Dörfern, wo die Partei weniger aktiv war,
wurde ein Vertrauensmann eingesetzt, der den Kontakt zur regionalen Parteizentrale in
Mannheim hielt und im Fall einer Veranstaltung einen Saal oder die Verteilung von Flugblättern organisierte.347
bb) Presse
Thomas Mergel macht für die Wahlkämpfe der Kaiserzeit zwei zentrale Agitationsformen
aus: „Versammlungen und textlastige Medien.“348 Auch für die Sozialdemokratie spielte
Druck und Verbreitung von Propagandatexten eine zentrale Rolle. Der pfälzische SPD-
341
Vgl. Wochenbericht vom 2.12.1872, in: BayHStA, Minn 30981/22. In Josef Quevas Lebenserinnerungen findet sich eine
Darstellung dieser Versammlung, in der von einer gewalttätigen Auseinandersetzung nicht die Rede ist. Stattdessen schafften
es die Arbeiter nach Quevas Darstellung den Reiseprediger Schuster von ihrem Standpunkt zu überzeugen, vgl. Queva, S. 20.
342
Siehe Wochenbericht vom 25.11.1872, in: BayHStA, Minn 30981/22.
343
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 29.
344
Schreiben ans Innenministerium vom 11. September 1878, Minn 66312, Blatt 262.
345
Vgl. Staudt, Zweibrücken, S. 483.
346
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 126.
347
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 47.
348
Siehe Mergel, S. 51.
62
Führer Franz Josef Ehrhart ging sogar so weit, die Presse als das „Herzblut der Bewegung“349 zu bezeichnen.
In der Tat sind die heute noch verfügbaren Flugblätter der Sozialdemokratie aus den 1870er
Jahren sehr ausführlich und textlastig. In Speyer ist ein Exemplar erhalten, dass am 10.
Januar 1877 zur Wahl August Dreesbachs aufruft. Den beiden engbedruckten Seiten lässt
sich entnehmen, dass der historische Materialismus marxistischer Prägung zu diesem Zeitpunkt bereits Eingang ins Bewusstsein der pfälzischen Sozialisten gefunden hatte. Der Beschreibung der mittelalterlichen Feudalgesellschaft, in der Grundbesitz „das herrschende
Element“ aller staatlichen und gesellschaftlichen Produktion darstellte, folgt eine Kritik der
seit 1879 herrschenden Produktionsweise. Nunmehr sei die „Großproduction für den
Weltmarkt“ in den Mittelpunkt der Wirtschaftstätigkeit getreten, die „Herrschaft des Kapitals“ stelle seitdem den „Prägestock“ der Gesellschaft dar. Der Wahlaufruf erklärt den sozialistischen Arbeitsbegriff und stellt Dreesbach, den Kandidaten der Arbeiterpartei, als
Sachwalter der arbeitenden Bevölkerung vor. Es folgen Entgegnungen auf Angriffe der
Gegenseite, so relativiert das Flugblatt den Standpunkt der Partei zu Religion und Eigentumsfreiheit.350 Hier zeigt sich, dass die pfälzische Sozialdemokratie trotz marxistischer
Polemik noch einen vergleichsweise gemäßigten Kurs verfolgte. Das intellektuelle Niveau
der Ausführungen erscheint im Anbetracht des niedrigen Bildungsniveaus der Zielgruppe
erstaunlich hoch und bestätigt Mergels Ausführung.
Im Gegensatz zu den bürgerlich-liberalen Zeitungen hatten die Sozialdemokraten weder die
Unterstützung von mittelständischen und großen Wirtschaftsunternehmen noch von der
Obrigkeit. Das sozialdemokratische Pressewesen war ständig durch Sanktionen und Verbote bedroht. Ein pfälzisch-badischer Arbeitertag in Mannheim beschloss 1876 dennoch die
Gründung einer Zeitung.351 Das Gründungskapital für die Zeitung wurde von Parteimitgliedern zur Verfügung gestellt, bis zum September 1877 sammelte die zuständige Preßkomission 316,51 Mark zur Gründung eines Verlags. Das „Pfälzisch-Badische Volksblatt“
erschien ab dem 6. Oktober 1877 in einer Auflage von 3.000 Exemplaren und gewann
rasch an Popularität, konnte sich jedoch nicht lange halten. Mit der Einführung des Sozialistengesetzes im Oktober 1878 musste dieser erste Versuch einer sozialdemokratischen
Zeitung in der Pfalz eingestellt werden.352
Die erste Probenummer des Pfälzisch-Badischen Volksblatts vom September 1877 liest
sich fast wie das Grundsatzprogramm der Sozialdemokratie. Die Titelseite ziert ein Portrait
Franz Josef Ehrhart, zitiert nach Schneider, Erich: „Die Presse ist das Herzblut unserer Bewegung“. Der Sozialdemokrat
Franz Josef Ehrhart als Publizist und Zeitungsgründer und die „Pfälzische Post“ Ludwigshafen in der Ära des ‚roten Pfalzgrafen‘, in: MHVPf 94 (1996), S. 367-460, hier S. 374.
350
Vgl. „Wahlaufruf der Arbeiterpartei des Wahlkreises Speyer Frankenthal!“, in: LA SP, H-3 929-II.
351
Vgl. Mörz, Stefan: Vom Westboten zur Rheinpfalz. Die Geschichte der Presse im Raum Ludwigshafen von den Anfängen
bis zur Gegenwart (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen, Bd. 19), Ludwigshafen 1994, S. 42/43.
352
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 49-51.
349
63
Ferdinand Lassalles, im Leitartikel beklagt die Redaktion zunächst das gänzliche Fehlen
einer Zeitung für „das eigentliche Volk, d.h. für die Arbeiter, Kleinbürger, Kleinbauern und
niedrigen Beamten.“ Eine Lücke, die mit dem Blatt geschlossen werden sollte. Es folgt
unter dem Titel „Was wir wollen“ eine allgemeine Darstellung von Grundthesen der Arbeiterpartei, die sich unter anderem detailliert mit Steuerfragen auseinandersetzt. 353
Die Ausgabe vom März 1878 ist ganz dem Gedenken der Revolution von 1848 gewidmet.
Dabei stellte sich die Arbeiterpartei als Sachwalterin der Bestrebungen von 1848 dar. Erläutert wurden die
„Forderungen des Volkes […], die ganz mit den Bestrebungen der heutigen Sozialdemokratie in Einklang standen. Man verlangte nämlich vollständige Lehrfreiheit,
Ausgleichung des Mißverhältnisses [sic!] zwischen Kapital und Arbeit, Abschaffung aller Privilegien.“354
Mit einer Stückzahl von 3.000 war die Reichweite des Blatts vergleichsweise niedrig. Allerdings sagen die Auflagenzahlen in jener Epoche wenig über die tatsächliche Rezeption
der Presse aus. Gerade für die unteren Bevölkerungsschichten war der Bezug einer Zeitung
eher unüblich. Wenn, dann wurde die Zeitung im Wirtshaus gelesen.355 Die tatsächliche
Leserschaft einer Zeitung dürfte also, gerade in den weniger begüterten Gesellschaftsschichten, die das Ziel der sozialistischen Agitation darstellten, weit höher liegen als es die
bloßen Zahlen vermuten lassen.
Dies gilt auch für die Leserschaft überregionaler Parteipresse in der Pfalz. Leider sind bei
Fricke nur diejenigen Orte aufgelistet, in denen mehr als fünf Abonnenten der jeweiligen
Zeitungen sesshaft waren, was eine genaue Aufschlüsselung der Verbreitung sozialistischer
Pressegüter in der Provinz unmöglich macht. Für den Volksstaat, Publikationsorgan des
Eisenacher Flügels, sind in der Pfalz jeweils in den zweiten Quartalen 1871 und 1872 keine
Abonnements verzeichnet. Nach Mannheim gingen zwischen April und Juni 1871 immerhin fünf, ein Jahr später sogar 43 Exemplare. Es ist wahrscheinlich, dass die Zeitungen, um
einzelne Leser vor der Polizei anonym zu halten, gesammelt bestellt wurden, um später
weiterverteilt zu werden. Diesen Schluss legt der sprunghafte Abonnentenzuwachs in
Speyer zum zweiten Quartal 1873 von 0 auf 29 nahe.356
Das lassalleanische Parteiorgan, der Neue Social Demokrat, hatte im November 1873 in
Mannheim 41, in Ludwigshafen 14 und in Speyer immerhin 13 Abonennten.357 Werner
Dietrich schreibt, dass der Arbeiterbildungsverein Lambrecht bereits im Herbst 1871 den
353
Vgl. Pfälzisch-Badisches Volksblatt, Probenummer September 1877, in: LA SP, H-3 929-II.
Siehe Pfälzisch-Badisches Volksblatt, Nummer 11 März 1878, in: LA SP, H-3 929-II.
355
Vgl. Schulz, Manuela: Zeitungslektüre und Landarbeiterschaft. Eine kommunikationsgeschichtliche Studie zur Verbreitung des Zeitungslesens im 19. Und 20. Jahrhundert (In Presse und Geschichte. Neueste Beiträge, Bd. 18), Bremen 2005, S.
142.
356
Vgl. Fricke, S. 504/505.
357
Vgl. Fricke, S. 511.
354
64
Vorwärts bezog.358 Da der Vorwärts allerdings erst ab dem 1. Oktober 1876 als Organ der
1875 vereinigten Arbeiterpartei erschien, 359 ist diese Darstellung wohl zu korrigieren.
Wahrscheinlich handelte es sich dabei um eines der eben genannten Presseorgane.
B Das regionale Umfeld der pfälzischen Sozialdemokratie
a) Verhältnis zum Staat: Bayerische Innenpolitik ab 1848
Nach der militärischen Niederschlagung des badisch-pfälzischen Aufstands 1849 setzte die
bayerische Regierung auf erhöhte Repressionen gegenüber allen liberalen oder sozialistischen Bestrebungen in der Pfalz. Bis 1851 blieben 11.000 Soldaten, vom Volksmund
Strafbayern getauft, am Rhein stationiert. Zwar hatten die Gerichtsprozesse im Gefolge der
Revolution nur ein vollstrecktes Todesurteil zur Folge, dennoch verfolgte die bayerische
Regierung in der Pfalz insgesamt eine eher strikte Gangart. Gegenüber den Beteiligten am
Frankfurter Parlament zeigte sich die Regierung gnadenlos. Im Gegensatz zu den Parlamentsabgeordneten aus dem linksrheinischen Mutterland wurden die pfälzischen Abgeordneten nie amnestiert.360
Die reaktionäre Regierung erzwang die Auflösung aller Arbeiter-, Arbeiterunterstützungs-,
Volks- und Turnvereine. Durchreisende Handwerksgesellen auf der Walz, insbesondere
diejenigen, die aus den Zentren der Bewegung in Frankreich, der Schweiz oder Sachsen
einreisten, wurden von der Fremdenpolizei genauestens beobachtet. Als folgenreich erwies
sich das Versammlungs- und Vereinsgesetz von 1850, das die Tätigkeit aller politischen
Vereine deutlich einschränkte und öffentliche Versammlungen sogar rundweg verbat.361
Es war den politischen Vereinen ausdrücklich verboten, ihre Beschlüsse in Form von Gesetzen, Verordnungen oder Verlautbarungen zu fassen. Welskopp vermutet, dass es dem
Gesetzgeber dabei darum ging, den republikanischen Charakter der Volksversammlungen
zu unterdrücken.362 Ab 1859 gestaltete sich die bayerische Politik den politischen Vereinigungen gegenüber schließlich etwas gemäßigter, dennoch waren politische Vereine und
Presse weiterhin oft obrigkeitsstaatlicher Gängelung ausgesetzt.363
Besonders die Sozialisten wurden weiterhin rigiden Restriktionen unterworfen. Hierin ist
der Hauptgrund für die verhältnismäßig späte Ausbreitung der sozialistischen Bewegung in
der Pfalz zu sehen, denn die Ideen der Sozialdemokratie waren auch vor der ersten nachhaltigeren Expansionsphase der Bewegung anfangs der 1870er Jahre in der Pfalz zumindest in
Ansätzen vorhanden.364 Nach Artikel 17 des bayerischen Vereinsgesetzes konnten politi358
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 30.
Vgl. Fricke, S. 518.
360
Vgl. Nordblom, S. 297/298.
361
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 3/4.
362
Vgl. Welskopp, S. 297.
363
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S.3/4.
364
Die Hinweise sind nicht übermäßig zahlreich, jedoch durchaus vorhanden. So berichtet beispielsweise schon 1864 die
Kreis- Gewerbe- und Handelskammer der Pfalz in ihrem Jahresbericht davon, dass es im vergangenen Jahr vielfach zu Versu359
65
sche Vereine, die entweder anderen Vereinen unterworfen waren oder in gemeinsamen
übergeordneten Organen verbindliche Beschlüsse erarbeiteten, umstandslos verboten werden.365 Durch diese Regelung und ihre kompromisslose Anwendung insbesondere in der
Pfalz366 war schon die Gründung von Ortsvereinen unmöglich, wie das sofortige Verbot
der Neustädter Zweigstelle des ADAV 1864 beweist.
1866 wurde Gustav von Hohe, wegen seines kompromisslosen Vorgehens gegenüber allen
Liberalen berüchtigt, als Regierungspräsident durch den etwas offeneren Siegmund Heinrich von Pfeufer ersetzt (ab 1871 Paul von Braun). Schon eineinhalb Jahre früher, im
Sommer 1866, hatte der Staat eine allgemeine Amnestie für politische Vergehen von
1848/49 verabschiedet.367Aber erst nach der Reichsgründung 1871 kam es in der Pfalz
endgültig zu einer Lockerung,368 woraufhin prompt sozialistische Vereinsgründungen folgten. Die Legalisierung der Gewerkschaften durch Paragraph 152 der Gewerbeordnung des
norddeutschen Bundes, in Bayern ab 1872 Gesetz, hat in diesem Zusammenhang möglicherweise eine Rolle gespielt.369 Regional war die Intensität der polizeilichen Überwachung
sehr unterschiedlich. Aus Frankenthal findet sich über fast jede Versammlung ein äußerst
genauer Polizeibericht, während in Oggersheim und Ludwigshafen, wo regelmäßig deutlich mehr Personen zu den sozialdemokratischen Versammlungen kamen, weniger und
kürzere Berichte vorliegen. Daraus zu folgern, dass die Polizei in diesem Bezirk der Sozialdemokratie gegenüber freundlicher gesinnt war, erscheint aber zu kurz gegriffen. Viel
eher wird der ständige Personalmangel im Polizeiapparat in Ludwigshafen dafür verantwortlich sein. Nicht umsonst wurde dort vonseiten der Kommune regelmäßig die Ansiedlung einer Garnison gefordert.370
Zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. boten den Anlass zur Verabschiedung des Sozialistengesetzes 1878. Ebenau und Kuffler suchen in der Verteilung der Krisenlasten nach der
1873 einsetzenden wirtschaftlichen Depression die Gründe für die Einführung des Sozialistengesetzes: „Nun ging es Unternehmern und Regierung darum, die Krisenlasten auf die
Arbeiterklasse abwälzen zu können, ohne massive Gegenwehr befürchten zu müssen.“371
Mit den Stimmen von Konservativen und Nationalliberalen und gegen die Fraktionen der
chen gekommen sei, „die arbeitende Klasse als diejenige erscheinen zu lassen, welche von Arbeitgebern, vom Capital und der
Industrie ausgebeutet und zu einem neuen Sklaventhum erniedrigt wird […]“, zitiert nach Breunig, S. 140.
365
Vgl. Vereinsgesetz Artikel 17, bei Dietrich, Einigkeit, S. 223.
366
Im rechtsrheinischen Bayern waren die Behörden offenkundig nachlässiger, wie die Vereinsgründungen des ADAVs in
Augsburg 1864 und die frühen Hochburgen der SDAP Nürnberg und Fürth beweisen, vgl. Albrecht, Willy: Leonhard Tauscher und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in Bayern, in: Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der
bayerischen Sozialdemokratie 1892-1992 (Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5), München u.a. 1992,
S. 34-39, hier S. 34-36.
367
Vgl. Ziegler, Hannes: Pfälzer Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Ludwigshafen 2008 (Zitiert als: Ziegler,
Geschichte), S. 125/126.
368
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 30.
369
Vgl. Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (Zitiert als: GWO), am 7.3.2012 online unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gewerbeordnung_f%C3%BCr_den_Norddeutschen_Bund, vgl. auch Einführungsgesetz für Bayern, am
7.3.2012 online unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gesetz,_betreffend_die_Einf%C3%BChrung_der_Gewerbeordnung_des_Norddeutschen_Bundes_in_Bayern.
370
Vgl. Breunig, S. 66/67.
371
Siehe Ebenau/Kuffler, S. 18.
66
Fortschrittspartei, des Zentrums und der Sozialdemokraten wurde das Gesetz gegen die
gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie angenommen. Die Agitation der
Arbeiterpartei — Versammlungen, Zeitungen und Zeitschriften sowie Ortsvereine und
Gewerkschaftsgruppen — wurden mit dem Gesetz verboten. Nur das aktive und passive
Wahlrecht konnte den Sozialdemokraten nicht aberkannt werden.372 Viele vorher genossenschaftliche Unternehmen oder Parteiglieder wurden privat weitergeführt. 373 Ähnlich
traten die sozialdemokratischen Kandidaten für Reichstagswahlen einfach als parteilose
Einzelkandidaten an.
Als wichtiger Anker der Parteiarbeit erwiesen sich die Kranken- und Sterbekassen der
früheren Gewerkschaften. Deren Arbeit konnte nicht verboten werden. Trotz der starken
Überwachung dienten diese Institutionen als Ausgangsbasis für Aktionen der nun illegalen
Parteiorganisation. Daneben etablierte sich ein geheimes Club- und Vertrauensmännersystem. Die Sozialdemokraten beschränkten sich allerdings im Untergrund vor allem auf die
illegale Verbreitung von Zeitungen, Flugblättern und Schriften.374
b) Verhältnis zu liberalen Gruppierungen und bürgerlichen Kräften
aa) Liberale Parteien
Die Vereinigung der sozialistischen Parteien fiel in die 1870er Jahre, ein Jahrzehnt, das von
Karl Rohe zutreffend als „eigentliche Inkubationszeit des deutschen Parteienwesens“375
charakterisiert wurde. Im liberalen Spektrum war die Ausdifferenzierung der Parteien zu
diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht abgeschlossen. Seit 1866, als die großdeutsche Option nicht mehr realistisch erschien, erhielt die Fortschrittspartei, in der Pfalz maßgeblich
geführt vom Deidesheimer Kreis, einem umtriebigen politischen Zirkel um die Weingutbesitzer Franz Peter Buhl und Ludwig Andreas Jordan, regen Zulauf. Nur im Wahlkreis Kaiserslautern-Kirchheimbolanden konnte sich die linksliberale (zuvor großdeutsche) Volkspartei behaupten. Diese hatte ein grundsätzlich demokratisches Programm und pflegte Verbindungen zum sozialistischen Lager. Ansonsten dominierte der Fortschritt, in der Pfalz
schon 1868 vielfach als nationalliberale Partei bezeichnet, eine Terminologie die sich anfangs der 1870er Jahre endgültig durchsetzte. Der fraktionsinterne Konflikt zwischen Fortschritt und Nationalliberalen, der schließlich in die Spaltung mündete,376 hatte für die Pfalz
eine untergeordnete Bedeutung. Die Partei dominierte die Wahlen zum Zollparlament 1868
372
Vgl. Werner, Walter: 12 Jahre Unterdrückung unter dem Sozialistengesetz, in: 125 Jahre Sozialdemokratie in Speyer.
Beiträge zur Geschichte der SPD in Speyer, Speyer 1997, S. 16-20, hier S. 16.
373
So geschehen in Hamburg, im Fall des J.H.W.-Dietz-Verlag. Dieser Verlag hat den Namen des Käufers bis heute behalten.
Vgl. Graf, Angela: Wie alles begann. Von der Verlagsgründung bis zum Ende der Weimarer Republik, in: Empor zum Licht,
hrsg. v. Horst Heidermann und Rüdiger Zimmermann, Bonn 2006, S. 13-57, am 22.3.2012 online unter:
http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/04566.pdf, hier S. 16.
374
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 67.
375
Siehe Rohe, S. 57.
376
Hierzu ausführlich: Eisfeld, Gerhard: Die Entstehung der liberalen Parteien in Deutschland 1858-1870. Studie zu den
Organisationen und Programmen der Liberalen und Demokraten, Hannover 1969, S. 173-188.
67
sowie die ersten Reichstagswahlen. Lediglich im Wahlkreis Frankenthal-Speyer errangen
die Konservativen 1868 ein Mandat gegen die Nationalliberalen.377
Die pfälzischen Angehörigen der nationalliberalen Partei waren durchaus noch von 1848
beeinflusst, auch wenn die Liberalen spätestens ab 1866 der Einheitsfrage gegenüber Freiheitsideen ein stärkeres Gewicht zumaßen. Insgesamt neigten die Pfälzer im Hinblick auf
den Konflikt im preußischen Landtag eher dem nationalliberalen Flügel zu.378 Dieser arrangierte sich mit der restriktiven Verfassungspolitik und ertauschte sich damit in einem
Kompromiss mit der Regierung mehr wirtschaftliche Freiheit. Die ökonomische Doktrin
der Partei war weitestgehend bestimmt vom volkswirtschaftlichen Kongreß,379 einer Vereinigung liberaler Wirtschaftstheoretiker, die sich die „Agitation im Sinne des Freihandels
zur Aufgabe gestellt hatte“.380 Unter anderen war Hermann Schulze-Delitzsch Mitglied in
diesem Gremium.
Die Partei stützte sich fast ausschließlich auf bürgerliche Honoratioren. Arbeiter und
Handwerker waren zunächst kaum an der Parteiarbeit beteiligt,381 was in Anbetracht der
Tatsache, dass die nationalliberale Partei ihre Basis vor allem in der Landbevölkerung hatte, nicht verwundert.382 Die Partei versuchte zunächst erfolgreich, sich mittels der Arbeitervereine nach Schulzes Konzepten eine Massenbasis zu verschaffen. Die wenigen erhaltenen Quellen aus sozialdemokratischer Hand sind voll von Polemiken gegen die nationalliberale Partei.383 Diese war inhaltlich eindeutig der größte Gegner für die frühe Sozialdemokratie.
bb) Liberale Arbeitervereine
Allerdings konnten die Sozialdemokraten im Hinblick auf die Organisationsweise von der
Fortschrittspartei lernen. Diese schaffte mit der Gründung von Arbeitervereinen im Lauf
der 1860er Jahre das erste Mal seit 1848 Gremien, in denen Arbeiter und Handwerker politisch aktiv werden konnten.384 Der erste Arbeiterunterstützungsverein wurde am 5. September 1859 in Germersheim gegründet, über seine inhaltliche Tätigkeit ist wenig bekannt,
sehr wahrscheinlich ist nur, dass der Verein über eine Bibliothek verfügte. Insgesamt
kümmerte sich die Organisation aber vor allem um die Unterstützung von kranken Mitgliedern. Dietrich vermutet, dass örtliche Fabrikanten im Verein die Fäden zogen. Hier politische Motive zu vermuten, erscheint aber übertrieben. Wahrscheinlich stand vor allem die
377
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 53/54. Vgl. hierzu auch Schneider, Arbeiterbewegung, S. 9.
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 57.
379
Vgl. Eisfeld, S. 162/163.
380
Siehe: Volkswirtschaftlicher Kongreß, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 20, Leipzig 1909, S. 243, am
7.3.2012 online unter: http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Volkswirtschaftlicher+Kongre%C3%9F.
381
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 55/56.
382
Vgl. Ziegler, Geschichte, S. 127.
383
Die Quellen aus Wahlkampfmaterial der frühen Sozialdemokratie sind voll von Angriffen auf die „sogenannten Liberalen“,
hierfür als Beispiel mag ein Wahlaufruf von 1877, siehe „Wahlaufruf der Arbeiterpartei des Wahlkreises Speyer Frankenthal!“, in: LA SP, H-3 929-II.
384
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 30.
378
68
Schaffung eines Minimums an sozialer Fürsorge im Mittelpunkt. Auch in Annweiler und
dem Dorf Eußerthal entstanden bis 1862 derartige Unterstützungsvereine.385
Im Ganzen konzentrierte sich die Gründungswelle liberaler Arbeitervereine auf die Vorderpfalz und den Haardtrand, mit Ausnahme des Industriezentrums Kaiserslautern. Den
Anfang machte der Anwalt und spätere nationalliberale Reichtagabgeordnete Jacob Petersen mit seinem Engagement für die Gründung von Vorschussvereinen 1863 in Kaiserslautern und 1867 in Bad Dürkheim.386 Erfolgreich waren die Liberalen mit der Gründung des
Edenkobener Arbeitervereins ebenfalls im Jahr 1867, da dieser bis 1870 mehr als 370 Mitglieder anzog. Allerdings handelte es sich bei den Mitgliedern nicht nur um Arbeiter. Im
Januar 1870 kam es in Landau zur Gründung eines Arbeiterunterstützungsvereins, der immerhin bei der Gründungsversammlung gleich 88 Mitglieder gewinnen konnte.387
Die Stadt Kaiserslautern stellt im Hinblick auf die frühen Arbeitervereine durch die Dominanz der Volkspartei für die Pfalz einen Sonderfall dar. Es ist nicht klar, ob Petersens
Gründung von 1863 Bestand hatte, Herzog findet den ersten Hinweis für einen Arbeiterverein erst 1867 und beschreibt, dass sich dieser Verein 1869 in Konkurrenz zum demokratischen Arbeiterbildungsverein, der von Anfang an programmatisch einen offenen Kurs
gegenüber der SDAP verfolgte, neu gründete.388
In Ludwigshafen gründete die Fortschrittspartei 1868 einen Arbeiterbildungsverein, der bei
der Gründung 50, nach einigen Monaten sogar 200 Mitglieder anzog. Obwohl der Verein
ideologische Probleme mit staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsleben gehabt haben
muss, baute er mit finanzieller Unterstützung der liberal regierten Kommune eine Bibliothek, eine Sparkasse und eine Krankenkasse auf.389 Auch der Speyrer Arbeiterverein distanzierte sich 1869 noch deutlich von der Sozialdemokratie. Spätestens 1871, als sich die
Agitation der Lassalleaner in der Vorderpfalz verschärfte, konnten sich die Vereine der
Fortschrittspartei allerdings größtenteils nicht mehr halten.390 Nur in Edenkoben ist der
Fortbestand eines liberalen Vereins belegt, der 1893 immerhin noch 170 aktive Mitglieder
hatte.391 Die anderen Vereine verloren wahrscheinlich im Lauf der 1870er Jahre an Zuspruch und versanken mit der Zeit in der Bedeutungslosigkeit.
385
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 26-28.
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 31.
387
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 29/30.
388
Vgl. Herzog, S. 23-26
389
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 142-145.
390
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 31.
391
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 29.
386
69
cc) Arbeiterbewegungen und Arbeitgeber
Neben aktiven Angeboten zur politischen Bildung an die Arbeiterschaft reagierten Fabrikbesitzer und bürgerliche Honoratioren nicht selten mit direktem Druck auf die sozialistische
Bewegung. So ist bereits 1869 das Verbot für Arbeiter eines Kaiserslauterer Fabrikanten
überliefert, sich dem demokratischen Arbeiterverein anzuschließen.392
Der Nähmaschinenfabrikant Pfaff, ebenfalls in Kaiserslautern, bezahlte laut einem Bericht
der gewerkschaftlichen Zeitschrift Das Panier einige Arbeiter zusätzlich als Aufseher, um
etwaige sozialistische Tendenzen so früh wie möglich aufzuspüren. In mehreren Fällen
kam es zu Entlassungen. Die Gewerkschaftszeitung empfahl Gesinnungsgenossen aus der
entsprechenden
Branche,
die
Stadt Kaiserslautern zu meiden.393
In der Breite wurden die Kaiserslauterer Arbeitgeber im Nachgang
auf die Attentate vom Mai und
Juni 1878 gegen sozialistische
Tendenzen tätig. In einer Versammlung am 12. Juni 1878 vereinbarten Vertreter der führenden
Industriebetriebe der Stadt den
Ausschluss der Sozialisten aus
dem Wirtschaftsleben.394 Ab Juni
1878, noch vor der reichsweiten
Umsetzung des Sozialistengesetzes, wurden alle Kaiserslauterer
Arbeitnehmer, denen die Mitglied-
Abb. 5 2Unabhängig vom Sozialistengesetz ergriffen Arbeitgeber 1878 Maßnahmen gegen Sozialdemokraten. Karikatur aus
dem Pfälzisch-Badischen Volksblatt.
schaft zum Arbeiterverein — und sei es nur durch den Besuch einer sozialistischen Versammlung — nachgewiesen werden konnte, in einer zentralen Kartei erfasst und von jeglicher Beschäftigung ausgeschlossen.395
Trotz gleichem Wahlrecht im Reich, erfolgte die Stimmabgabe in weiten Teilen Deutschlands noch unter Zwang durch örtliche Eliten. Auf dem Land sorgten Gutsherrn — falls
wie in der Pfalz nicht vorhanden — Pfarrer oder Lehrer, für eine Stimmabgabe im Sinne
der bürgerlich-nationalen oder reaktionären Parteien. Die Wähler wurden in geschlossenen
Gruppen zur Wahlurne geführt, wo das Ergebnis vom Wahlleiter geprüft wurde. Bei einer
392
Vgl. Herzog, S. 26.
Vgl. Herzog, S. 47/48.
394
Vgl. Herzog, S. 51-53.
395
Vgl. Herzog, S. 52-54.
393
70
Wahlentscheidung für den falschen Kandidaten drohten harte Sanktionen. 396 Das Fehlen
gedruckter Wahlzettel397 machte die Identifikation der abgegebenen Stimmen im Nachhinein denkbar einfach. In Ludwigshafen kursierte das Sprichwort: „Wer nicht wählt den
Dr. Groß, der ist morgen arbeitslos!“398 Gerade in Ludwigshafen war aktive Wahlbeeinflussung durch Arbeitgeber bis in die 1890er Jahre gängige Praxis, wie eine Erörterung des
Themas in der bayerischen Kammer 1894 beweist. 399
c) Verhältnis zum katholischen Milieu
In der Rückschau auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt sich, dass das Verhältnis
von Sozialdemokraten gegenüber allen anderen politischen Richtungen überaus gespannt
war. Gegenüber dem politischen Katholizismus hielten sich diese Spannungen allerdings in
Grenzen. Dieser Befund mutet auf den allerersten Blick überraschend an, schließlich konnte die Sozialdemokratie in überwiegend katholischen Regionen — als Beispiel genannt
seien hier die katholischen südpfälzischen Bezirke Germersheim, Bergzabern, Landau und
Pirmasens400 — zunächst überhaupt nicht Fuß fassen.
Ursprünglich richtete sich die sozialdemokratische Idee auch unmittelbar gegen klerikale
Elemente. Schon beim Hambacher Fest 1832 hatte Philipp Jakob Siebenpfeiffer den Bundestag als „politischen Vatikan“401 verunglimpft. 1868 findet sich in der linksliberalen pfälzischen Volkszeitung diese Breitseite gegen den Klerus aus der Hand eines Arbeiters:
„Nicht so viel Gutes wie von den Lehrern lässt sich von einem dritten Stande von
Arbeitern, von den Herren Geistlichen aller Bekenntnisse, sagen. Der ist unentbehrlich die Priester geben sich dafür aus –der gerechte Mann- jedoch bedarf ihrer
nicht, der ungerechte wird selten besser, von Bettelmönchen und Kirchenfürsten
gar nicht zu reden, da deren Thun und Trachten fast immer nur auf ‚Wohlleben‘
hinausgeht.“402
Dem Priesterstand sprachen die frühen Sozialdemokraten die Eigenschaft zu arbeiten, und
damit das zentrale Moment der werdenden sozialdemokratischen Wertewelt, ab.
Jedoch sind sowohl inhaltlich als auch strategisch eindeutig Gemeinsamkeiten zwischen
Sozialdemokraten und Katholiken auszumachen. So entwickelte sich der, neben linksliberal-sozialistischen Ansätzen wichtigste Strang der Theoriebildung zur Sozialen Frage aus
der katholischen Kirche heraus. Zudem sei hier die Soziallehre des Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel Ketteler aufgeführt, die mit Lassalles Analyse der politisch-ökonomischen
396
Vgl. Grebing, Arbeiterbewegung, S. 69.
Vgl. Mergel, S. 47.
398
Siehe Schneider, Arbeiterbewegung, S. 55.
399
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 55.
400
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 53.
401
Siehe Nordblom, S. 289.
402
Siehe: Pfälzische Volkszeitung 5.10.1868: Arbeiter und Faulenzer. Zitiert nach: Herzog, S. 23-25.
397
71
Lage in Deutschland weitgehend übereinstimmte.403 Gerade in der Pfalz spricht die soziale
Schichtung der katholischen Gebiete für wenig Reibung mit der Sozialdemokratie. So war
die katholische Bevölkerung in der Pfalz überwiegend arm und, abgesehen von Geistlichen, in bürgerlichen Berufen kaum repräsentiert.404 Die weitgehende Proletarisierung der
katholischen Bevölkerung macht eine besondere Nähe des politischen Katholizismus in der
Pfalz zur Soziallehre wahrscheinlich. Ziel der katholischen Kirche war hierbei nie den Arbeitern zur Gleichberechtigung im politischen System zu verhelfen, jedoch stellte sie sich
eindeutig gegen grobe soziale Missstände.405
Strategisch verband Sozialisten und Katholiken die Ausgrenzung durch den herrschenden
Konservatismus im deutschen Reich. Bismarcks Taktik der „negativen Integration“406
baute bestimmte randständige Gruppen gezielt zu „Reichsfeinden“ auf, um so den schmalen Zusammenhalt innerhalb der „reichstreuen Elemente“ zu stärken. Neben Sozialisten
und Katholiken standen großdeutsch Gesinnte, nationale Minderheiten in Randgebieten
und Liberale unter ständigem Verdacht konkurrierender Loyalitäten gegenüber dem Kaiserreich. Diese gemeinsame Ausgrenzung brachte die gegensätzlichen Gruppierungen zusammen.
Nur wenige Jahre nach Aufhebung des Sozialistengesetzes kam es in der Pfalz schließlich
sogar zu weitreichenden Wahlbündnissen zwischen Sozialisten und politischem Katholizismus. Bei den Reichstagswahlen 1898 deutete sich eine gegenseitige Unterstützung bereits an, ein Jahr später schlossen sich beide Parteien für die Landtagswahlen zusammen.
Oberstes Ziel dabei war es, die übermächtige nationalliberale Partei zu schwächen. Tatsächlich schafften es immerhin sieben katholische und sozialdemokratische Abgeordnete in
den Landtag, was ohne das Wahlbündnis auch aufgrund der Zuschneidung der Wahlkreise
kaum möglich gewesen wäre.407
Zwar musste die sozialdemokratische Führung von Teilen der Basis heftige Kritik für diesen Kuhhandel einstecken, jedoch war diese Politik im Ergebnis überaus erfolgreich: Im
ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde die Vorherrschaft der Nationalliberalen in der
Pfalz endgültig gebrochen, SPD und Zentrum wurden vorerst zu den bestimmenden Parteien der Region.408
403
Ein kurzer Abriss der katholischen Soziallehre Kettelers bei Grebing, Arbeiterbewegung, S. 57-61.
Vgl. Stamer, S. 150.
405
Vgl. Stamer, S. 317.
406
Genauer zur negativen Integration im Zusammenhang mit der Sozialdemokratie, vgl. Groh, Dieter: Negative Integration
und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Frankfurt/Berlin 1973,
S. 36-39.
407
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 208-211.
408
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 212/213.
404
72
C Sozialdemokratie in den unterschiedlichen Landschaften
a) Wahlkreis 1: Ludwigshafen-Speyer
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Zu Beginn des Untersuchungszeitraums war Ludwigshafen noch gar keine Stadt. In der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts handelte es sich bei der Rheinschanze nur im eine kleine
Handelsniederlassung mit Ein- und Ausladestation für die Rheinschifffahrt. 1842 ging die
Station in staatlichen Besitz über, 1845 erfolgte der Anschluss an die Eisenbahn und infolge
dessen entstanden erste kleinere Industrieansiedlungen. Erst 1853 wurde die Gemeinde
Ludwigshafen gegründet, die allerdings bereits 1859 das Stadtrecht erhielt.409
Abb. 6 3Der Löwenanteil des Bevölkerungswachstums im Wahlkreis 1 ist auf die Stadt Ludwigshafen zurück zu
führen.
Von da an wuchs Ludwigshafen explosionsartig. Zwischen den 1850 und 1900 verdoppelte
sich die Einwohnerzahl pro Jahrzehnt. In absoluten Zahlen vervielfältigte sich die Einwohnerzahl von 2.296 Personen (1855) auf 72.286 (1905). Dies bedeutet ein Wachstum von
insgesamt 3048,3 Prozent. 410 Insbesondere die prosperierende chemische Industrie zog
Arbeitskräfte aus allen umliegenden Gebieten nach Ludwigshafen. Die ab Ende der 1860er
Jahre von der BASF aufgebaute Arbeiterkolonie Hemshof wuchs beständig.411 Aus der
409
Vgl. Breunig, S. 23/24.
Vgl. Breunig. S. 42/43.
411
Vgl. Breunig, S. 123.
410
73
Geburtenstatistik der Folgezeit schließt Breunig, dass sich vor allem jüngere Personen in
Ludwigshafen ansiedelten.412
Genaue Auskünfte über den Anteil der Zugewanderten in Ludwigshafen sind für das Jahr
1907 überliefert. Dabei zeigt sich, dass rund 28 Prozent der Bevölkerung von außerhalb der
Pfalz zugewandert waren, etwa 27 Prozent waren aus anderen pfälzischen Gemeinden zugewandert, nur 45 Prozent der Ludwigshafener Bevölkerung waren in der Stadt selbst geboren. In den Vorjahren muss der Anteil an Zugewanderten noch deutlich höher gewesen
sein, schließlich war 1907 das exponentielle Bevölkerungswachstum der Stadt bereits vorbei.413
Um 1890 gab es bereits etwa 5.000 Wochenendpendler, die unter der Woche in Ludwigshafen wohnten und das Wochenende in der ländlichen Umgebung verbrachten. Wirklich
bedeutend wurde dieses Phänomen allerdings erst im 20. Jahrhundert.414 Schon früher
wuchsen auch die Vororte Ludwigshafens beständig. In Oggersheim erhöhte sich die Einwohnerzahl von 2.403 1855 auf 6.639 im Jahr 1905. An der Gesamtgröße gemessen noch
gravierender war das Wachstum Rheingönnheims von 1.317 auf 3.757 im selben Zeitraum.415 Ab 1855 konnten auch Friesenheim von 1.665 auf 3.668 und Mundenheim von
1.827 auf 5.081 ihre Einwohnerzahl stetig erweitern, bis beide Gemeinden 1890 Teil der
Stadt Ludwigshafen wurden.416 Ansonsten waren die Wachstumsraten der kleineren Ortschaften im Bereich des Amtsgerichts Ludwigshafen stabil mit leicht steigender Tendenz.417
Auch in Frankenthal wuchs die Industrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beständig, was der Stadt ein starkes Bevölkerungswachstum — in leichtem Maß auch durch Zuwanderung — bescherte. 418 Bis 1850 hatte die Einwohnerzahl in Frankenthal noch unter
5.000 gelegen.419 Mit der industriellen Expansion vergrößerte sich die Einwohnerschaft.
1871 lag sie bereits bei 7.021, besonders ab 1875 erfolgte nochmals ein Sprung auf 9.050.
1885 wurde die Anzahl von 11.000 Einwohnern überschritten, 1895 wohnten bereits
14.445 Menschen in Frankenthal.420
In Speyer hinkte die industrielle Entwicklung zeitlich hinter den wachsenden Industriemetropolen Ludwigshafen und Frankenthal deutlich hinterher. Erst 1889 kam es zu einem verspäteten „Gründerjahr“.421 Entsprechend lässt sich für den eigentlichen Untersuchungszeit412
Vgl. Breunig, S. 43.
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 252/253.
Vgl. Breunig, S. 61.
415
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 145.
416
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 49.
417
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 49.
418
Die relativ starke Zuwanderung nach Frankenthal wurde teilweise durch die Abwanderung nach Ludwigshafen kompensiert, dennoch ist für das Bezirksamt Frankenthal zwischen 1855 und 1905 ein leichter Wanderungsgewinn verzeichnet, vgl.
Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 215.
419
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 14.
420
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 41.
421
Siehe Fenske, Speyer, S. 227.
413
414
74
raum nur ein vergleichsweise geringes Bevölkerungswachstum feststellen. Zwischen 1867
und 1871 schrumpfte die Bevölkerung sogar. Sowohl in der Stadt Speyer als auch im Bezirk. 1855 hatte die Stadt 11.725 Einwohner, bis 1867 erhöhte sich diese Zahl auf 14.806.
Von 13.223 Einwohnern 1871 wuchs die Bevölkerung der Stadt bis 1900 stetig auf 20.921
Einwohner.422
Auch Schifferstadt wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts moderat. Insgesamt
hat sich die Bevölkerungszahl hier zwischen 1855 (3.678 Einwohner) und 1955 (7.505
Einwohner) in etwa verdoppelt. Die Entwicklung verlief weitestgehend stetig, zwischen
1875 und 1880 kam es zu einem größeren Schub (von 4.112 auf 4.635 Einwohner), ansonsten wuchs diese Gemeinde um etwa 200 Einwohner alle fünf Jahre.423
Insbesondere die nördlichen Dorfgemeinden im Amtsbezirk Grünstadt verloren in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einwohner.424 Ähnlich verhielt es sich mit der Bevölkerungsentwicklung im südlichen Teil des ersten Wahlkreises, während sich um das Industriezentrum Ludwigshafen eine Art Speckgürtel bildete.
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung und soziale Zustände
Das Wachstum der Stadt Ludwigshafen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt
sich in zwei Perioden untergliedern. Zwischen 1850 und 1870 fußte das Wachstum auf
einer günstigen Entwicklung von Handel und Gewerbe, die sich bis 1910
fortsetzte, aber in dieser
Periode von einer äußerst
dynamischen industriellen
Expansion in den Schatten
gestellt wurde. 425 Bei der
Abb. 7 4Wachstum der BASF-Arbeiterschaft
Berufszählung 1882 waren
492 Ludwigshafener im Handel tätig, 4.144 arbeiteten in der Industrie, wobei die Chemieindustrie mit 2.627 Beschäftigten den größten Anteil stellte. Insgesamt gab es 1882 6.146
Berufstätige in Ludwigshafen, womit der prozentuale Anteil an Industriebeschäftigten gegenüber der Gesamtbevölkerung bei 67,4 Prozent liegt.426
422
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 42.
Lediglich zwischen 1895 und 1905 nahm das Wachstum der Gemeinde Schifferstadt nochmals größere Dimensionen an,
vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 52.
424
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 34/35.
425
Breunig listet für 1871 110 Handelsfirmen, 196 Werkstätten großer und kleiner Gewerbebetriebe und nur 12 Fabriken auf,
vgl. Breunig, S. 27/28.
426
Wobei hier alle Beschäftigten innerhalb der Industriebranchen in der Statistik verzeichnet sind, daher ist der geringe Anteil
der Verwaltungstätigen der Industrie nicht in die Zählung miteinbegriffen. Genauere Zahlen waren leider nicht verfügbar, vgl.
Berufsstatistik.
423
75
Zwischen 1872 und 1905 baute die BASF dort 663 Arbeiterwohnungen, die 1905 von
3.964 Personen bewohnt wurden. Dies entspricht einer Durchschnittszahl von ca. 5,57 Personen pro Haushalt. Ein Bericht von 1905 macht auf die enorm schwierige Wohnsituation
in der BASF-Siedlung Hemshof aufmerksam. Oft wohnten vier Familien in einem Stockwerk zusammen, mit jeweils zwei bis drei Räumen für jede der oft kinderreichen Arbeiterfamilien. Da im Normallfall pro Stockwerk nur eine Toilette verfügbar war, konnten sich
hier ansteckende Krankheiten auf schnellstem Weg verbreiten. Diese erschreckenden Zustände für 1905 lassen sich auch auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts übertragen,
waren in dieser Periode wohl eher noch stärker ausgeprägt, 427 insbesondere da die Soziale
Frage erst mit Eintritt der Sozialdemokraten ins politische Leben Mitte der 1870er Jahre
ernsthaft diskutiert wurde. Erst viel später wurden Gegenmaßnahmen von staatlicher Seite
in Angriff genommen.428 Räumlich blieb Hemshof durch die Bahnlinie vom bürgerlichen
Stadtkern im Süden klar abgegrenzt. Die Abgrenzung zum bürgerlichen Milieu drückt sich
auch in einem Telefonbuch von 1871 aus, das Hemshof gar ganz getrennt vom übrigen
Ludwigshafen als eigenen Ort behandelt.429
Neben den unzureichenden sanitären Gegebenheiten stellten auch Alkoholismus und Kriminalität ernsthafte Probleme im Arbeiterviertel dar. Die wenigsten Wohnbauten in Ludwigshafen wurden ohne Gaststätten errichtet, erst ab 1881 wurde vor Vergabe einer Wirtshauskonzession der Bedarf geprüft. Dabei spielte allerdings weniger die Eindämmung des
Alkoholismus eine Rolle als die Erwägung, sozialistischen Umtrieben durch die Verringerung von möglichen Veranstaltungsorten einen Riegel vorzuschieben.430 Die wiederholten
Versuche der Stadt Ludwigshafen eine ständige Armeegarnison in der Stadt zu postieren,
geben ein Zeugnis von der hohen Kriminalitätsrate in der Stadt. Immer wieder kam es zu
Exzessen. So wurde ab dem deutlicheren Zutagetreten sozialistischer Bestrebungen im
Vorlauf zur Reichstagswahl 1874 weniger der Alkoholismus als die sozialistische Agitation
für jede Art von Störung der öffentlichen Ordnung verantwortlich gemacht.431 Auch die
Tatsache, dass es in den nahen Industriestädten Mannheim und Frankfurt immer wieder zu
sogenannten Bierkrawallen kam, verdeutlicht das Abgleiten ganzer Stadtviertel in eine
äußerst spannungsgeladene soziale Situation.432 Die Intensität, mit der sich die Lage zuspitzte, erreichte in Ludwigshafen ein für die Pfalz einmaliges Ausmaß.
427
Vgl. Breunig, S. 69/70.
Erst ab 1879 wurden von Staatswegen regelmäßig Fabrikinspektionen vorgenommen. Ernsthafte Ansätze zu einer kommunalen Sozialpolitik, obwohl von sozialistischer Seite angemahnt, bestanden im 19. Jahrhundert zwar, von kommunal gestaltetem sozialem Wohnungsbau kann nicht die Rede sein. Vgl. Breunig, S. 86, S. 90-95 und bezüglich der Armenfürsorge,
S. 72-78.
429
Vgl. Breunig, S. 70.
430
Vgl. Breunig, S. 71.
431
Ein Beispiel hierfür findet sich im Wochenbericht vom 17. März 1873. Darin geht es um eine Schlägerei unter Friesenheimer Arbeitern, die in eine Messerstecherei mündete. Den Tätern wurde von der Behörde ohne weitere Belege rein aufgrund
der Gewalttätigkeit eine sozialistische Gesinnung attestiert, vgl. Wochenbericht vom 17.3.1873, in: BayHStA, Minn
30981/24.
432
Vgl. Breunig, S. 64-68.
428
76
Das Fürsorgewesen der Stadt konnte den hohen Ansprüchen durch die massenhafte Verelendung in Ludwigshafen nicht gerecht werden, obwohl die Kommune hier einen erheblichen Teil ihrer Gesamtausgaben tätigte. Die Armenfürsorge wurde nur Inhabern des Heimatrechts gewährt, weswegen die große Zahl der zugezogenen Arbeiter nicht in den Genuss städtischer Fürsorge kam.433
Gerade in den Fabriken der Chemieindustrie waren die Arbeitsbedingungen in der frühen
Industrialisierungsphase äußerst schlecht. Medizinische Erkenntnisse über die Auswirkungen der teils lebensgefährlichen Substanzen, mit denen die Chemiearbeiter tagtäglich zu tun
hatten, lagen damals nicht vor. Wirksame Arbeitsschutzvorschriften wurden erst 1873 mit
Einführung der Gewerbeordnung erlassen und deren Einhaltung nur unzureichend kontrolliert. 1881 waren 8,4 Prozent der BASF-Arbeiter von Verletzungen durch Arbeitsunfälle
betroffen. Dabei handelt es sich allerdings nur um die Fälle, die seitens der BASF der Unfallversicherung angezeigt wurden. Der wirkliche Anteil der Arbeiter, die durch mangelnden Arbeitsschutz gesundheitliche Probleme erlitten, lag wahrscheinlich, gerade im Hinblick auf Langzeitschäden, um einiges höher. Besonders die Rate von Lungen- und Atemwegserkrankungen bei Chemiearbeitern stieg in der Folgezeit deutlich an.434
Nach Ludwigshafen, Kaiserslautern und Pirmasens wurde Frankenthal der viertwichtigste
Industriestandort in der Pfalz im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bis 1843 lassen sich die
Wurzeln der Frankenthaler Zuckerfabrik zurückverfolgen. Begünstigt durch nahe gelegene
Rohstoffproduktion, aufgrund guter Anbaubedingungen für Zuckerrüben im nördlichen
Teil der pfälzischen Rheinebene,435 wuchs diese Fabrik schnell. Als das Unternehmen
1873 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, verfügte diese mit sechs Millionen
Mark Gründungskapital über deutlich mehr Liquidität als alle anderen Unternehmen der
Stadt.436 Außer der Zuckerfabrik und der 1871 aus Mannheim nach Frankenthal verlegten
Korkfabrik Bender & Co. wuchs vor allem die Frankenthaler Metallindustrie speziell in
den Bereichen Maschinen- und Apparatebau in starkem Maße.437
Die Firma Klein, Schanzlin und Becker (KSB) wurde 1871 mit etwa 20 Arbeitern gegründet und war zunächst auf die Reparatur von Dampfmaschinen ausgerichtet, verlegte sich
später hauptsächlich auf die Herstellung von Pumpen und Apparaten für die BASF in
Ludwigshafen. Die Belegschaft wuchs bis 1880 um das Zehnfache auf 200 Arbeiter, bis
1888 verdoppelte sich diese Zahl nochmals.
Bereits 1864 war die Albertsche Schnellpressenfabrik entstanden, später Albert & Cie., die
bis in die 1880er Jahre nur eine Belegschaft von ca. 20 Arbeitern hatte, dann aber bis 1886
433
Vgl. Breunig, S. 74.
Vgl. Breunig, S. 87-99.
Vgl. Wysocki, S. 247.
436
Vgl. Laux, Kurt: Die Entwicklung der Frankenthaler Maschinenindustrie, Gießen 1929, S. 19.
437
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 13.
434
435
77
bereits 160, 1892 395 und schließlich 1895 470 Arbeiter beschäftigte. Über die Beschäftigungszahlen in der Frühzeit der 1859 gegründeten Kühnleschen Maschinenfabrik sind
keine Zahlen erhalten. Das Werk wurde beständig erweitert. Anfang der 1890er Jahre arbeiteten 350 Personen für die Fabrik, in der schmiedeeiserne Behälter, Rührwerke, Dampfkessel, Räder, Riemenscheiben und Dampfmaschinen hergestellt wurden. Auch hier war
die BASF der Hauptabnehmer.438
Insgesamt entstanden in Frankenthal zwischen 1843 und 1890 fünf Maschinenfabriken,
vier Kesselschmieden, eine zweite Zuckerfabrik, eine Eisengießerei, eine Drahtstiftefabrik,
eine Fassfabrik, eine Korkfabrik, eine Kistenfabrik, eine Seifenfabrik, eine Eisenhütte, eine
Lackfabrik und eine größere Brauerei.439 1882 war die Industrie mit 1.686 (58,6 Prozent)
Beschäftigten der wichtigste Arbeitgeber in Frankenthal, gefolgt von Handwerksbetrieben
mit 677 Beschäftigten (58,6 Prozent).440
Die Stadt Speyer war als wichtigster Verwaltungsstützpunkt der Pfalz Heimat einer hohen
Zahl von Beamten. Daneben dominierten traditionelle Handwerks- und Kleinhandelszweige die Wirtschaft der Stadt. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung war 1871 noch landwirtschaftlich tätig, die Zahl stagnierte jedoch, und mit Blick auf die wachsenden Gesamtbevölkerung verlor der Berufszweig an Bedeutung.441 Bei Betrachtung der Ergebnisse der
Berufszählung von 1822 fällt zunächst die Konstanz gegenüber 1833 ins Auge. 44,8 Prozent der Erwerbstätigen waren 1882 in Industrie und Gewerbe tätig. Ansonsten verteilt sich
die Arbeitsbevölkerung zu etwa gleichen Teilen (ca. 12,5 Prozent) auf erstens Handel, Versicherungswesen und Verkehr, zweitens auf die Landwirtschaft, drittens auf den öffentlichen Dienst und freie Berufe. Auch die Anzahl der Erwerbslosen bewegt sich in dieser
Größenordnung (12,4 Prozent).442
Der relativ hohe Anteil an industriell-gewerblichen Berufen, der bis 1895 noch auf 50,3
Prozent anwuchs, kann allerdings nicht über die handwerkliche Struktur der Speyrer Wirtschaft hinwegtäuschen. Die Stadt war zwar mit der Ludwigsbahn schon sehr früh ans moderne Verkehrsnetz angeschlossen, der für den Warenverkehr essentielle Zugang zu den
wichtigen Industriegebieten rechts des Rheins war von Speyer aus zunächst aber nicht
möglich. Als im Dezember 1873 endlich mit Eröffnung der Bahnlinie nach Heidelberg der
Anschluss ans Schienennetz erfolgte, hatten die großen Verkehrsströme der expandierenden Industrie sich längst andernorts angesiedelt. Zwei größere Brauereien, drei bedeutendere Tabakfabriken und verschiedene Ziegelfabriken waren die wichtigsten frühindustriellen
Unternehmen der Stadt. Dabei ist insbesondere die Bedeutung der Tabakindustrie und der
438
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 13/14.
Vgl. Laux, S. 10/11.
Vgl. Berufsstatistik.
441
Vgl. Fenske, Speyer, S. 220.
442
Vgl. Fenske, Speyer, S. 222.
439
440
78
Ziegelproduktion hervorzuheben. Letztere wurde ab den 1870er Jahren überregional bedeutsam und beschäftigte zeitweise bis zu 1.000 Arbeiter.443
Insgesamt war die Sozialstruktur der Stadt Speyer im Untersuchungszeitraum vergleichsweise ausgeglichen. Die einzelnen Viertel der Stadt blieben das gesamte 19. Jahrhundert
hindurch soziologisch stark durchmischt.444 Zu einer weitergehenden industriellen Expansion kam es erst mit der Gründung einer Baumwollspinnerei 1889. Entsprechend fasste mit
Anwachsen sozialer Probleme kurz vor der Jahrhundertwende die Streikbewegung auch in
Speyer Fuß.445 Dennoch blieben die Industriearbeiter innerhalb der Unterschicht in der
Minderzahl. Noch 1894 lebten gerademal 304 Industriearbeiter in Speyer, sie bildeten mit
1.147 handwerklich Tätigen und 1.246 in sonstigen überwiegend traditionellen Arbeiterberufen die Unterschicht.446 Dennoch gab es auch in Speyer soziale Missstände. Die unzureichenden Wohnverhältnisse wurden 1873 als Hauptursache einer Cholera-Epidemie ausgemacht, die 202 Speyrer das Leben kostete. Im Folgejahr wurde das Wohnungsproblem
mit der Gründung einer Baugenossenschaft angegangen.447
Die Sozialstruktur der kleineren Landgemeinden der Vorderpfalz blieb bis ins ausgehende
19. Jahrhundert stabil und weitestgehend agrarisch dominiert. Nur diejenigen Orte, die an
einer Bahnlinie lagen, wurden teilweise von der Industrialisierung erfasst. Genauere Informationen liefert die Literatur über das Örtchen Schifferstadt, wo sich neben der Landwirtschaft auch Bahnarbeiter und mit der Zeit zunehmend Berufspendler nach Ludwigshafen ansiedelten. Die Mischerwerbstätigkeit zwischen kleinbäuerlicher Existenz auf dem
Land und Industriearbeitertätigkeit in der Stadt breitete sich in diesem Umfeld besonders
stark aus.448
ccc) Konfessionsstruktur
Der Wahlkreis 1 wies 1871 eine ausgeglichene Konfessionsstruktur auf. Insgesamt überwog die Anzahl der Protestanten (51.245 gegenüber 48.806 Katholiken) in dem Gebiet nur
leicht. Dabei waren die Protestanten eher im Norden angesiedelt, während die katholische
Bevölkerung im südlichen Teil der Vorderpfalz dominierte. Im Bezirksamt Speyer standen
1871 32.284 Katholiken (54,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) 25.446 Protestanten (42,9
443
Vgl. Fenske, Speyer, S. 223-226.
Vgl. Hartwich, S. 331.
445
Vgl. Fenske, Speyer, S. 227-233.
446
Wolfgang Hartwich hat die unterschiedlichen Berufe der Arbeiterbevölkerung anhand eines Adressbuchs von 1894 aufgeschlüsselt. Zu den industriellen Berufen wurden hier gezählt: Zigarrenarbeiter, Ziegeleiarbeiter, Brauereiarbeiter, Technische
Arbeiter, Metallarbeiter, Textilarbeiter. Zu den eher traditionellen Berufen rechnet er Arbeiter, die in der Rheinschifffahrt
tätig waren, Fuhrleute, Knechte, Kutscher, Tagelöhner, Landwirte, Gärtner, Aufseher, Kontrolleure, Diener, Näherinnen,
Kleidermacherin, Büglerinnen, Hausangestellte, Beschäftigte der privaten Verwaltungen. Druckereibeschäftigte sind in dieser
Auflistung den handwerklichen Berufen zugeordnet, vgl. Hartwich, S. 326.
447
Vgl. Alschner, Elisabeth: Klassenkampf und Cholera. Die Anfänge der sozialdemokratischen Partei in Speyer, in: 125
Jahre Sozialdemokratie in Speyer. Beiträge zur Geschichte der SPD in Speyer, Speyer 1997, S. 11-14, hier S. 13/14.
448
Vgl. Nestler, Gerhard: Zwischen nationaler Politik und lokalen Interessen. Die politische Entwicklung Schifferstadts von
1871 bis 1932, in: Schifferstadt. Geschichte und Geschichten, hrsg. v. Stadt Schifferstadt, Schifferstadt 1998, S. 181-214, hier
S. 186/187.
444
79
Prozent) gegenüber, im Amtsbezirk Frankenthal hingegen wohnten nur 16.522 Katholiken
(37,2 Prozent), dafür allerdings 25.799 Protestanten (58,1 Prozent).449
Für die Städte konnte im Rahmen dieser Arbeit nur auf Konfessionsdaten von 1911 zurückgegriffen werden. In Frankenthal dominierte die protestantische Konfession gegenüber
der katholischen (1911: 59,7 Prozent Protestanten, 37,1 Prozent Katholiken),450 in Ludwigshafen war die Konfessionsstruktur ausgeglichener (1911: 48,7 Prozent Protestanten,
47,5 Prozent Katholiken)451 und in Speyer dominierte zumindest im 20. Jahrhundert die
katholische Konfession (1911: 43,4 Prozent Protestanten, 54,4 Prozent Katholiken),452wobei ein starker Anstieg der Katholiken durch Zuzug in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu berücksichtigen ist.453
Gerade für Ludwigshafen ist hinzuzufügen, dass Einfluss der Kirchen dort vergleichsweise
sehr gering gewesen sein muss. Die kirchlichen Institutionen konnten schlicht die Masse
der Arbeiter nicht mehr bedienen. Schon 1882 wurden von 88 gemischten Ehen in Ludwigshafen 32 nur bürgerlich und nicht kirchlich getraut.454 Aus der mangelhaften Abdeckung der Arbeitsbevölkerung mit kirchlichen Dienstleistungen ergab sich das kulturelle
Vakuum, in das die Sozialdemokratie hineinstoßen konnte.
Abb. 8 Wirtschaftsstruktur der größeren Städte und Konfessionsstruktur im Wahlkreis 1
449
Vgl. Breunig, S. 16.
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 78.
451
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 92.
452
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 98.
453
Vgl. Fenske, Speyer, S. 250.
454
Vgl. Stamer, S. 318.
450
80
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie
Schon im Mai 1848 etablierte sich in Frankenthal neben dem Volksverein ein demokratischer Verein, der eine etwas radikalere Linie verfolgte und mit der Zeit im Volksverein an
Einfluss gewann. Wie Ruppert schreibt, haben sich die Frankenthaler Demokraten mittels
eines Arbeitervereins eine „sozialistische Hilfstruppe“455 geschaffen, um die konservativen
Elemente des Volksvereins unter Kontrolle zu halten.
Auch in Speyer war 1848/49 ein eigener Arbeitervereine entstanden.456 Mit der Trompete
von Speyer erschien neben dem Neustädter Pfälzer Volksmann die zweite linke Arbeiterzeitung der Pfalz von 1849 in Speyer.457 Die relativ starke Stellung der sozialdemokratischen
Arbeiterpartei unter den Handwerkern in den 1870er Jahren lässt den Schluss zu, dass sich
in der Stadt auch sozialrevolutionäre Elemente von 1848/49 überlebten.
Ein weiterer Hinweis auf den Einfluss der 48er-Generation auf die frühe Sozialdemokratie
in der Vorderpfalz findet sich in Mundenheim. Der dortige Schmied Franz Siegel war Neffe eines badischen Freischargenerals. Er gehörte neben einigen anderen zu den ersten Personen in der Region, die sich sozialistisch betätigten und bereits 1866 der sozialistischen
Internationale beitraten.458
Im Rahmen dieser Arbeit bereits erläutert, wurde das Geschehen im Gefolge des Streiks in
Oggersheim. Ansonsten sind aus der Region kaum Nachweise für härtere Arbeitskämpfe
überliefert. Allerdings kam es zu einigen Gewerkschaftsgründungen, durchaus auch vor der
Gründung von Parteigliederungen.
Wie in Ludwigshafen profitierten in Speyer die Sozialisten von der verkehrsgünstigen Lage
der Stadt. Von der eher ausgeglichenen Sozialstruktur her war die Stadt nicht unbedingt
prädestiniert für eine starke Sozialdemokratie, aber die leichte Verfügbarkeit von guten
Rednern für die wenigen lokal vorhandenen Anhänger und die von Ludwigshafen ausgehende Agitation machten hier ein Einwurzeln möglich.
bb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
In Frankenthal gründete sich bereits 1868, kurz nach der Formierung einer Gewerkschaftsbewegung aus dem ADAV heraus im September desselben Jahres in Berlin eine Zweigstelle der lassalleanischen Gewerkschaftsbewegung. Neben der günstigen Verkehrslage
war dies ein Grund für die regelmäßigen Stationen sozialistischer Wanderprediger in der
Stadt.459
455
Siehe Ruppert, S. 78.
Vgl. Ruppert, S. 221.
457
Zwei Ausgaben dieser Zeitung (Wahlspruch: „Alles durch und für das Volk“) sind gedruckt. Siehe: Die Pfälzische Revolution 1848/49, vgl. Quellen und Dokumente, S. 47-49.
458
Vgl. Sturm, S. 83.
459
Vgl. Breunig, S. 160.
456
81
Frankenthal, Ludwigshafen und Speyer lagen direkt auf der Route lassalleanischer Agitatoren, deren Tätigkeit ab 1869 „planmäßige Züge“460 annahm. Am 14. Februar kam es in
Oggersheim bei Ludwigshafen zu einer ersten Versammlung, die von 70 bis 80 Personen
besucht wurde. Die Veranstaltung kam auf Initiative Josef Quevas zustande, der in Mannheim Kontakt zu Vertretern des ADAV aufgenommen hatte.461 Die Agitatoren erschienen
in Begleitung. Laut Polizeibericht waren „circa 30 fremde Individuen“462 anwesend, was
darauf schließen lässt, dass die Agitatoren mit Anfeindungen rechneten. In der Tat wurde
der Vortrag über das eherne Lohngesetz und die Notwendigkeit des Arbeiterzusammenschlusses von ständigen Zwischenrufen unterbrochen. Die Veranstaltung endete in einem
Tumult. Für den darauffolgenden Samstag war die Gründung eines ADAV-Ortsvereins
Oggersheim geplant, weswegen diese Versammlung gänzlich verboten wurde.463 Stattdessen kam es am 21. Februar 1869 in Frankenthal zu einer ersten Versammlung, die allerdings nur von 25 bis 30 Personen besucht wurde. Die Referenten sollen sich im Anschluss
an den Vortrag über „den Mangel an Verständnis und die Lauheit der Arbeiter“ 464beklagt
haben.
Es folgten zwei Jahre, in denen die sozialistische Agitation in der Region stagnierte. Die
Misserfolge der ersten Veranstaltungen oder der strenge behördliche Zugriff mögen hier
eine Rolle gespielt haben. Willi Breunig führt das Ausbleiben weiterer Mobilisierungsschübe der sozialistischen Bewegung in der Vorderpfalz auf den Ausbruch des DeutschFranzösischen Krieges 1870 und die folgende nationale Begeisterung in der Grenzregion
zurück.465 In Anbetracht der Zeitspanne von 17 Monaten, die zwischen den ersten Versuchen der Lassalleaner im Februar 1869 in Ludwigshafen und Frankenthal Fuß zu fassen
und dem Ausbruch des Krieges im Juli 1870 lag, erscheint dies jedoch unwahrscheinlich.
Möglicherweise konnten der ADAV in dieser Phase einfach nicht mehr agitatorische Arbeit leisten. An Fahrt gewann die Bewegung erst wieder nach dem Ende des Kriegs mit
dem Streik in der Oggersheimer Samtfabrik. Die Gründung der lassalleanischen Ortsgruppe in Oggersheim erfolgte im November 1872 direkt im Anschluss an den Streik, bis Mai
1872 kamen in Frankenthal, Ludwigshafen und Mutterstadt drei weitere Vereine hinzu.466
Die Frankenthaler Ortsgruppe des ADAV zählte im Juli 1872 bereits 74 Mitglieder, damit
war Frankenthal für einige Zeit das Zentrum der sozialistischen Bewegung in der Pfalz. Im
Dezember 1872 erfolgte allerdings ein Verbot aufgrund des Vereinsgesetzes. Zu einem
Regionaltreffen der vorderpfälzischen ADAV-Gruppen im Frühjahr 1873 war allerdings
460
Siehe Breunig, S. 146.
Vgl. Breunig, S. 146.
462
Schreiben des Bürgermeisteramtes Oggersheim an das Bezirksamt Speyer vom 10.3.1869, siehe Breunig, S. 147.
463
Vgl. Breunig, S. 147.
464
Siehe Breunig, S. 147/148.
465
Vgl. Breunig, S. 148.
466
Vgl. Breunig, S. 150/151.
461
82
wieder eine Frankenthaler Delegation anwesend.467 Das Gründungsdatum des Ludwigshafener ADAV lässt sich nur schwer ermitteln, den ältesten Nachweis findet Breunig in einer
Zeitungsanzeige, die zur Mitgliederversammlung am 11. Dezember 1871 einlud. Der Verein hatte wahrscheinlich zwischen 50 und 100 Mitgliedern, von denen ein großer Teil aus
anderen Regionen Deutschlands stammte.468
Trotz erheblichem polizeilichen Druck konnte die Arbeiterpartei bei der Reichstagswahl
1874 ein ordentliches Ergebnis erreichen, in Ludwigshafen war die Partei schon fast so
stark wie die Zentrumspartei. 469 In der Folgezeit verlor die lassalleanischen Agitationen in
und um Ludwigshafen etwas an Intensität. Nachdem sich Dreesbach und Ehrhart im Sommer 1876 in Mannheim niederließen, wurde die Stadt allerdings endgültig zum Zentrum
der Partei in der Pfalz. Da bisher vor allem Handwerker in der Partei organisiert waren
wurde die Agitation unter den Arbeitern der chemischen Industrie verstärkt, zunächst nur
mit mäßigem Erfolg. Dennoch konnte sich die Partei in dieser Phase nochmals ausbreiten.
So fallen die Gründungen der Ortsvereine Mundenheim und Oppau in diese Phase.470
Im Wahlkampf 1877 entfaltete die Partei in den Zentren Frankenthal, Ludwigshafen, Oggersheim, Mutterstadt und Speyer eine bis dahin nie dagewesene Agitationstätigkeit, die
sich insbesondere gegen die nationalliberale Partei richtete. Diese reagierte über die klassischen Kanäle der Presseöffentlichkeit. Die nationalliberale Stadtverwaltung in Ludwigshafen versuchte, auch polizeilich Druck auf die Eigentümer von Versammlungslokalen auszuüben. Zwar konnte die nationalliberale Vormachtstellung bei der Reichstagswahl im
Januar 1877 noch nicht gebrochen werden, dennoch erreichte die Sozialdemokratie hier im
Wahlkreis I einen Achtungserfolg und konnte sich absolut und relativ deutlicher als alle
andere Parteien steigern. Die Arbeiter der Chemiebranche zu gewinnen war den Sozialdemokraten trotz einiger Ansätze in diese Richtung noch nicht möglich. Bei den meist eher
ungelernten Arbeitern der chemischen Industrie konnte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal
eine gewerkschaftliche Organisation etabliert werden.471
In Ludwigshafen hatte die Partei 1878 260 Mitglieder,472 in Mundenheim waren 161 Arbeiter in der sozialdemokratischen Tischlergenossenschaft organisiert, Zahlen zum Parteiverein liegen dort nicht vor. Ebenso verhielt es sich in Frankenthal, wo allerdings 52 Mitglieder der Metallarbeitergewerkschaft und sieben Mitglieder der Schuhmachergewerkschaft verzeichnet sind. Beide Organisationen galten als sozialistisch und wurden 1878 bei
467
Vgl. Ebenau/Kuffler, S. 17.
Vgl. Breunig, S. 152.
469
Zum Beispiel wurde der wichtigste sozialdemokratische Referent Meyer unter dem Vorwand befürchteter Ruhestörung
festgenommen, vgl. Breunig, S. 156.
470
Vgl. Breunig, S. 164/165.
471
Vgl. Breunig, S. 166-173.
472
Vgl. Breunig, S. 778.
468
83
Umsetzung des Sozialistengesetzes verboten.473 Im letzten Jahr vor dem Sozialistengesetz
kam es um Ludwigshafen insgesamt zu 49 sozialdemokratischen Versammlungen, davon
17 in Ludwigshafen (durchschnittlich 100 Besucher), 14 in Oggersheim (70), neun in
Mundenheim (300), vier in Mutterstadt (60), je drei in Friesenheim und Rheingönnheim
(80/100) und zwei in Maudach (55).474 In Frankenthal lockten die sechs Versammlungen
zwischen 1875 und 1878 durchschnittlich 120 Besucher.475 Auch in Roxheim hat mindestens eine Versammlung stattgefunden und es gab einige Parteimitglieder.476
In Speyer begann die Geschichte der Arbeiterbewegung mit Gründung des Arbeiterbildungsvereins 1868. Punktuell lassen sich in diesem Verein schon in der Anfangszeit sozialistische Tendenzen beobachten. So stimmte der Vorsitzende, ein Buchdrucker namens
Günzel, im September 1868 auf dem VDAV in Nürnberg, den sozialistischen Beschlüssen
zu. Allerdings wurde Günzel zurück in Speyer sofort das Vertrauen entzogen. Der Arbeiterbildungsverein wollte seine politische Unabhängigkeit wahren. Dennoch sind weitreichende Verbindungen zwischen dem Arbeiterbildungsverein und dem später gegründeten
ADAV festzustellen.477
Zur ersten sozialdemokratischen Arbeiterversammlung kam es am 27. Juni 1872. 478 Der
Wanderredner Hartmann aus Hamburg kam nach Speyer und sprach vor einer unbekannten Anzahl von Zuhörern über Richtungen und Ziele der lassalleanischen Arbeiterbewegung. Im Anschluss an die Veranstaltung trugen sich bereits 17 Arbeiter in die Listen der
Partei ein. Die Choleraepidemie 1873 stärkte die Position der Speyrer Sozialdemokratie, im
Dezember desselben Jahres hatte die Partei bereits rund 100 Mitglieder. Hauptträger der
Speyrer Sozialdemokratie waren Schuhmacher, Schneider und Zigarrenarbeiter.479 1878
wurden vier Arbeiterorganisationen mit mindestens 128 Mitgliedern aufgelöst.480
Das „Schmerzenskind“481 der vorderpfälzischen Sozialdemokratie war der Kanton Grünstadt. In Grünstadt selbst scheiterten alle Versuche, eine Versammlung abzuhalten, daran,
dass sich kein Wirt bereit erklärte, einen Saal zur Verfügung zu stellen.482 Eine Versammlung in Laumersheim wurde von Liberalen gesprengt.483 Ansonsten schafften es die Sozialdemokraten in ihrer Expansionsphase vor dem Sozialistengesetz, in den meisten größeren
Orten mindestens eine größere Versammlung abzuhalten. Ob sich daraus auch sofort eine
473
Vgl. Verzeichnis der sozialdemokratischen p. Vereine, in: BayHStA, Minn 66312.
Vgl. Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Bezirksamt Speyer, in: BayHStA, Minn 66312.
475
Vgl. Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Bezirksamt Frankenthal, in: BayHStA, Minn 66312.
476
Vgl. Queva, S. 46.
477
Zu nennen wäre an dieser Stelle der Stadteinnehmer Paulus, der eine konservativ-sozialdemokratische Linie vertrat und mit
verschiedenen Vorträgen noch vor der Gründung eines Ortsvereins dem ADAV den Boden bereitete, vgl. Alschner, S. 12
478
Bei Alschner werden, wahrscheinlich aufgrund eines Druckfehlers, die Daten 27. Mai und 27. Juni 1872 genannt. Aus dem
Wochenbericht vom 1. Juli 1872 ergibt sich die Datierung auf den 27. Juni 1872, vgl. Wochenbericht vom 1.7.1872, in:
BayHStA, Minn 30981/20.
479
Vgl. Alschner, S. 11-13.
480
Vgl. Verzeichnis der sozialdemokratischen Vereine, in: BayHStA, Minn 66312.
481
Siehe Queva, S. 47.
482
Vgl. Queva, S. 47/48.
483
Vgl. Queva, S. 49.
474
84
Anhängerschaft formierte, hing im Einzelnen von den lokal unterschiedlichen Voraussetzungen ab. In protestantischen Gebieten tat sich die Arbeiterpartei meist leichter, auch
wenn Liberale hier wie beispielsweise in Grünstadt oft den Sozialdemokraten entgegenarbeiteten. Jedoch lässt zumindest das Einsickern des Liberalismus selbst auf eine größere
Offenheit gegenüber neuen politischen Ideen schließen.
Noch effektiver wurde die sozialdemokratische Ausbreitung in den katholischen Gebieten
verhindert. Eine eingehendere Untersuchung der politischen Landschaft in der pfälzischen
Kleinstadt im Kaiserreich liegt für Schifferstadt vor. Dort dominierte bei Reichstagswahlen
noch lange die Zentrumspartei, auch wenn bei Kommunalwahlen der Interessenkonflikt
zwischen katholischen Honoratioren und Arbeitern deutlich wurde. Es kam auf Gemeindeebene zur Formierung einer christlichen Arbeiterpartei, die nach der Jahrhundertwende ein
Wahlbündnis mit der SPD einging. Die Anhängerschaft der frühen Sozialdemokratie beschränkte sich im Schifferstadt der 1870er Jahre weitestgehend auf Bahnarbeiter oder pendelnde Fabrikarbeiter, ansonsten blieb die katholische Mehrheit des Ortes bei den katholischen Parteien. Bei der Reichstagswahl 1878 wählten immerhin 24 Schifferstädter die sozialdemokratische Arbeiterpartei.484
cc) Ausblick
Geradezu archetypisch verkörpert die Stadt Ludwigshafen den Boden, auf dem die Sozialdemokratie im ausgehenden 19. Jahrhundert wachsen und gedeihen konnte. Die Stadt hatte
die höchsten Zuwanderungsraten in der Pfalz, und da die traditionellen Strukturen nicht in
entsprechendem Maße mitwuchsen, entstand ein kulturelles Vakuum, in das die Sozialdemokratie hineinstoßen konnte.
Im Lauf der 1880er Jahre schafften es die Sozialdemokraten, ihre Wählerbasis auch auf die
Chemiearbeiter auszuweiten, wobei diese bis 1890 bei der Gewerkschafts- und Parteiorganisation kaum eine Rolle spielten.485 Ungeachtet der Repressionen durch das Sozialistengesetz waren sowohl die sozialistische Arbeiterpartei als auch die Gewerkschaftsbewegung
auf dem Vormarsch. Noch unter dem Sozialistengesetz schaffte es mit Franz Josef Ehrhart
1889 der erste Sozialdemokrat in den Ludwigshafener Stadtrat.486
Ludwigshafen wurde in der Folgezeit das Zentrum der pfälzischen SPD und ist es bis heute
geblieben. Die dominante Stellung des Ortsvereins im 19. Jahrhundert zeigt sich ganz deutlich an den Mitgliederzahlen. Im Jahr 1900 kam mehr als ein Viertel aller Pfälzer Sozialdemokraten aus Ludwigshafen.487
484
Vgl. Nestler, Schifferstadt, S. 186-189.
Vgl. Breunig, S. 220.
486
Vgl. Breunig, S. 681/682.
487
Für das Jahr 1900 sind in der gesamten Pfalz 1.919 Sozialdemokraten verzeichnet, davon 515 aus Ludwigshafen, die
ebenfalls sehr starken Ortsvereine Friesenheim (120 Mitglieder) und Mundenheim (98 Mitglieder) nicht miteinbegriffen, vgl.
Breunig, S. 789.
485
85
Abb. 9 5Im Wahlkreis 1 wurde die SPD langsam aber sicher zur stärksten politischen Partei
In Frankenthal wirkte das Sozialistengesetz etwas länger nach, dennoch war die Sozialdemokratie in der Stadt schon fest verankert. Schon 1885 kam es zu erneuten Arbeitskämpfen
und gewerkschaftlicher Organisation, hier spielten fortan die Arbeiter der Maschinenindustrie gegenüber den Handwerkern zunehmend eine wichtige Rolle.488 Die Partei wurde
auch hier bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von der Handwerker- zur Arbeiterpartei.
Frankenthal darf als Hochburg der Arbeiterpartei gelten.
Auch wenn die Stadt industriell nicht sonderlich weit entwickelt war und die konfessionelle
Prägung mit hohem Katholikenanteil nicht unbedingt für eine sprunghafte Ausbreitung der
frühen Sozialdemokratie spricht, ist Speyer von Anfang an als Hochburg der sozialdemokratischen Bewegung zu betrachten. Hier zeigt sich einerseits, dass insbesondere die Verkehrsanbindung und entsprechend häufigere Verfügbarkeit von guten Rednern ein wichtiger Faktor für die Genese der Sozialdemokratie war, andererseits, dass die Bewegung zunächst vor allem unter den Handwerkern Fuß fasste. Schon 1881 hatte die Partei in Speyer
einen Stimmenanteil von 29,7 Prozent. In der Folgezeit blieb die Sozialdemokratie ein Faktor im politischen Leben der Stadt. 1898 erreichte sie erstmals die meisten Stimmen bei
einer Reichstagswahl.489
Für die ländlichen Räume des ersten Wahlkreises muss zunächst eine Unterscheidung zwischen dem protestantischen Norden und dem katholischen Süden getroffen werden. In den
488
489
Vgl. Ebenau/Kufler, S. 18-20.
Vgl. Fenske, Speyer, S. 234.
86
katholischen Gebieten wuchs in der Zentrumspartei eine starke Konkurrenz zur Sozialdemokratie, die gerade wegen ihrer Offenheit zur Auseinandersetzung mit der Sozialen Frage
in den klassisch-sozialistischen Wählerschichten wuchern konnte. Auf Gemeindeebene
etablierten sich eine christliche Arbeiterpartei, die jedoch noch vor der Zentrumspartei
Bündnisse mit der SPD einging.490 Etwas anders waren die Gegebenheiten in den protestantischen Gebieten, wo sich die vorherrschenden nationalliberalen Honoratioren gegenüber jeglichen sozialen Politikansätzen versperrten. Hier konnte die SPD erst später, dann
aber umso stärker an Einfluss gewinnen.
Insgesamt war der erste Wahlkreis von Anfang an das Zentrum der pfälzischen SPD mit
der höchsten Organisationsdichte. 1912 waren 6.285 der insgesamt 11.913 Mitglieder von
sozialdemokratischen Organisationen hier angesiedelt.491
b) Wahlkreis 2: Landau-Neustadt
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Neustadt wies in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur eine mittelmäßige inustrielle
Entwicklung auf. Aufgrund der zentralen Lage als Verkehrsknotenpunkt blieb es daneben
ein wichtiger Handelsstützpunkt. Die Stadt konnte ihre Einwohnerzahl von 1855 bis 1907
von 7.138 auf 18.576 annähernd verdreifachen. Währenddessen stagnierten die umliegenden Landgemeinden, wo sich die Einwohnerzahl im selben Zeitraum nur um 17,8 Prozent
erhöhte.492
Lambrecht wuchs deutlich weniger stark als Neustadt. Insgesamt hatte der Ort mit seinen
2.137 Einwohnern im Jahr 1855, die sich bis 1905 auf 3.700 erhöhten,493 keine allzu große
Bedeutung. Lambrecht darf in dieser Arbeit allerdings nicht ausgeklammert werden, weil
sich hier einer der ersten und in der Anfangsphase größten sozialdemokratischen Arbeitervereine der Pfalz gründete.
Das 19. Jahrhundert bescherte der Stadt Landau einen drastischen Bedeutungsverlust. 1817
war Landau hinter Zweibrücken noch die zweitgrößte Stadt im bayerischen Rheinkreis
gewesen. Wegen der fehlenden industriellen Entwicklung blieb Landau im Vergleich zu
den pulsierenden Industrieorten eine Kleinstadt.494 Für das Bezirksamt Landau ist in der
industriellen Expansionsphase zwischen 1867 und 1871 ein leichter Bevölkerungsrückgang
verzeichnet, der besonders in der Stadt drastisch ausfiel. Die Einwohnerzahl hatte sich 1867
gegenüber 1855 nur geringfügig (0,2 Prozent) erhöht, binnen vier Jahren verlor die Stadt
490
Vgl. Nestler, Schifferstadt, S. 188.
Vgl. Breunig, S. 791.
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 37.
493
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 49.
494
Vgl. Ziegler: Landau, S. 203.
491
492
87
dann 37,4 Prozent ihrer Einwohner.495 Die Gründe sind wahrscheinlich in der Abwanderung der Arbeitsbevölkerung in die expandierenden Industrieorte im Umland zu suchen.
Von den umliegenden Bezirken nahm Neustadt, gegenüber den anderen angrenzenden
Bezirken industriell am weitesten entwickelt, zwischen 1855 und 1905 die meisten Abwanderer aus Landau und Umgebung auf. Der Weggang von Arbeitskräften in die industriell noch stärker wachsenden Bezirke dürfte allerdings deutlich höher gelegen haben. Da
der Bezirk Landau nicht an die Industriezentren Kaiserslautern und Ludwigshafen grenzte,
sind hier keine genauen Zahlen verfügbar.496
Auch an Dürkheim ging die industrielle Entwicklung zunächst fast vorbei. Zwischen 1855
und 1905 erhöhte sich hier die Einwohnerzahl geringfügig von 5.552 auf 6.362.497 Nur
wenig stärker fiel das Bevölkerungswachstum in Haßloch aus, im selben Zeitraum stieg es
von 5.078 auf 7.115.498 Der frühe Anschluss ans Eisenbahnnetz (1847) könnte hierfür ein
wichtiger Faktor gewesen sein. Für das Wachstum im Amtsbezirk Neustadt war hauptsächlich die Stadt selbst verantwortlich, während die Einwohnerzahl der umliegenden Orte weitestgehend stagnierte.499
Abb. 10 6Die Bevölkerungsentwicklung des Wahlkreis 2 verhielt sich eher moderat.
495
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 33.
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 216.
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 41.
498
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 49.
499
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 49.
496
497
88
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung/Sozialstruktur
Der wichtigste Wirtschaftsfaktor am Haardtrand waren Weinanbau und -handel, letzterer
prosperierte besonders in Deidesheim, nur wenige Kilometer nördlich von Neustadt gelegen.500 Aber auch Neustadt selbst blieb gerade wegen der exzellenten Eisenbahnanbindung
ein wichtiger Handelsplatz. Neustadt war schon ab 1847 an die Ludwigsbahn angeschlossen, 1855 folgte eine Bahnlinie nach Landau im Sürden und 1865 der Anschluss nach
Monsheim im Norden.501 In einer Statistik über die Menge an transportierten Gütern auf
der Schiene von 1876 lag die Stadt pfalzweit an vierter Stelle.502 Für eine Stadt ohne Industrie ist dieser Umsatz beachtlich.
Auch in der Berufsstatistik taucht der Handel neben dem Bereich Bekleidung und Reinigung als der wichtigste Wirtschaftszweig in Neustadt auf. Dennoch beherbergte die Stadt
auch eine nicht geringe Masse an Industriearbeitern.503 Das wichtigste industrielle Unternehmen der Stadt war die Papierfabrik der Familie Knöckel, die ab 1858 mit einer
Dampfmaschine arbeitete.504 Das bei Neustadt gelegene Lambrechter Tal gehörte in den
1850er Jahren zu den ärmsten Gegenden in der Pfalz.505 Wichtigster Arbeitgeber war die
Textilindustrie. Es ist bereits angeklungen, dass in dieser Branche besonders schlechte Arbeitsbedingungen vorherrschten. Die Arbeitszeit lag hier 1872 noch bei 14 Stunden an
sechs Tagen in der Woche.506
Von Papier- und Textilindustrie abgesehen verlief die industrielle Entwicklung eher
schleppend, nur in den der Land- und Forstwirtschaft nahen Bereichen kam es in den
1860er und 1870er Jahren zu einer Entfaltung. Auch das relativ starke Druckereigewerbe in
Neustadt ist zu erwähnen. Die durch industrielle Konkurrenz überkommenen Handwerkszweige der Gerber, Schmiede, Töpfer, Uhrmacher und Seifensieder verloren stark an Bedeutung. Die Investitionsgüterindustrie, vor allem Eisen- und Metallverarbeitung, spielten
in Neustadt erst ab den 1880er Jahren eine Rolle. Über einen längeren Zeitraum betrachtet,
fällt vor allem der gleichbleibend große Anteil des Handels ins Auge. 1910 war noch mehr
als ein Fünftel aller Neustädter Erwerbstätigen in diesem Zweig beschäftigt.507
Landau darf nach den Ergebnissen der Berufszählung von 1882 mit einem Anteil von 22
Prozent der Bevölkerung in eher bürgerlichen Berufen und nur 37 Prozent in der Industrie
Beschäftigten (dies ist der niedrigste Anteil von Industriearbeitern von allen der elf größten
500
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 130.
Vgl. Zapp, S. 523.
Die Zahlen im Einzelnen:
1. Ludwigshafen mit 7.580.000 Zentnern
2. Kaiserslautern mit 2.540.000 Zentnern
3. St. Ingbert mit 1.600.000 Zentnern
4. Neustadt mit 1.380.000 Zentnern
5. Landau mit 1.000.000 Zentnern, vgl. Schlegel/Zink, S. 187.
503
Vgl. Berufsstatistik.
504
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 139.
505
Vgl. Stamer, S. 312
506
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 25.
507
Vgl. Zapp, S. 523-525.
501
502
89
Städte der Pfalz) als die bürgerlichste Stadt der Region in dieser Zeit gelten.508 Dominanter
Wirtschaftszweig war auch hier der Handel.
In der Berufsstatistik von 1882 weist Dürkheim hinter Landau den geringsten Teil an Industriebeschäftigten auf.509 Hier blieb der Wein das wichtigste Wirtschaftsgut. Insgesamt
behielten die ländlichen Gemeinden im zweiten Wahlkreis ihren agrarischen Charakter,
besonders der Weinbau am Haardtrand blieb wichtig, westlich davon spielte die Forstwirtschaft eine zentrale Rolle. Elmstein zum Beispiel war größtenteils eine Holzarbeitersiedlung.510
ccc) Konfessionsstruktur
In seiner Konfessionsstruktur war der Wahlkreis ausgeglichen mit leichtem protestantischen Übergewicht. Lediglich das Bezirksamt Landau weist eine katholische Mehrheit auf.
In Dürkheim und Neustadt dominierte die protestantische Konfession, in Landau die katholische nur leicht.511
Abb. 11 Wirtschaftsstruktur der größeren Städte und Konfessionsstruktur im Wahlkreis 2
508
Vgl. Berufsstatistik.
Nur die Zahlen für Pirmasens sind noch niedriger, was allerdings darin begründet liegt, dass sich die Schuhindustrie in
Pirmasens noch in der Übergangsphase zur industriellen Produktionsweise befand, die entsprechenden Berufsbilder in der
Statistik in den handwerklichen Bereich eingeordnet wurden. Vgl. Berufsstatistik.
510
Vgl. Queva, S. 37.
511
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 77, S. 90-93.
509
90
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie
Neustadt beheimatete die Speerspitze der revolutionären Bewegung in der Pfalz. Von hier
aus gründete sich bereits im März 1848 der erste Volksverein, der den Anstoß zur Gründung des Dachvereins in Kaiserslautern gab. Die Tradition des Hambacher Festes war in
Neustadt lebendig und verkörperte sich im Vorsitzenden Philipp Hepp, dem „erprobten
Kämpfer für wahre Freiheit“.512 Daneben entstand im Mai ein umtriebiger demokratischer
Verein, der maßgeblich an der Gründung des ersten pfälzischen Arbeitervereins beteiligt
war. Die beiden radikalen Zusammenschlüsse blieben das ganze Jahr 1848 hindurch im
Windschatten des Volksvereins. Erst im Januar 1849 spaltete sich der radikale Flügel ab,
nachdem der Volksverein die Nationalversammlung trotz deren Entscheidung für ein erbliches Kaisertum weiter unterstützte.513 Der hohe Organisationsgrad der Arbeiter in Neustadt
hatte auch eine vorrevolutionäre Geschichte. Schon im November 1846 hatte sich in dem
Städtchen an der Haardt ein Unterstützungsverein der Bauhandwerker gegründet.514
Der Arbeiterverein war mit 598 Mitgliedern, in etwa acht Prozent der Neustädter Bevölkerung,515 der größte Neustädter Verein und verfolgte unter Führung des Uhrmachers Josef
Valentin Weber einen republikanisch-kommunistischen Kurs.516 Die Stadt war also nicht
nur ein Zentrum der liberalen Revolution, sie war auch unbestritten die Hochburg des linken Flügels der Bewegung. Am 28. Februar 1849 wurde Neustadt zum Vorort der Arbeiterverbrüderung für die Pfalz bestimmt.517 Regierungspräsident Hohe (1850-1853) stellte
fest, die Bevölkerung bestehe nur aus Republikanern und Anarchisten, die Stadt sei „reich
an schreisüchtigen, prahlerischen, aber charakterlosen Originalen“.518
Erich Schneider vermutet, dass die sozialen Missstände um Neustadt herum, vor allem der
in Lambrecht angesiedelten Weber, dafür verantwortlich waren, dass sich gerade hier die
radikale Partei ausbreitete.519 Wirtschaftlich war die Stadt allerdings sehr gut durch die
Krise der 1840er Jahre gekommen. Die zentrale Verkehrslage machte Neustadt zum Knotenpunkt sowohl für den Wein- als auch für den Holzhandel. Daneben hatte sich ein solides
mittelständisches Gewerbe etabliert.520 Bernd Schwarzwälder vertritt sogar die Gegenposition und führt starke Position der egalitären Arbeiterbewegung gerade auf die geringen
sozialen Unterschiede zurück.521
512
Neue Speyrer Zeitung Nr. 59 v. 14.3.1848, zitiert nach Ruppert, S. 76.
Vgl. Ruppert, S. 76/77.
514
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 26.
515
Vgl. Schwarzwälder, S. 390.
516
Vgl. Ruppert, S. 217.
517
Vgl. Wunder: Arbeiterverein, S. 59.
518
Zitiert nach Wunder, Arbeiterverein 1848/49, S. 58.
519
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 2.
520
Vgl. Ruppert, S. 76.
521
Vgl. Schwarzwälder, S. 382/383.
513
91
Im Mai 1849 entstand in Landau neben dem demokratischen Verein auch ein Arbeiterverein.522 In Anbetracht der Tatsache, dass die Unterschicht in der Stadt recht klein war, ist
allein diese Tatsache schon beachtlich. Vor allem wirtschaftlich schwache Handwerker
bildeten den ärmsten Rand der Landauer Gesellschaft. 1847 wurden immerhin 247 Arbeitslose gezählt. Der Arbeiterverein verfolgte ein demokratisch-sozialistisches Programm und
hatte mindestens 60, wahrscheinlich sogar 155 Mitglieder. Obwohl die Reaktion allein
schon wegen der dort stationierten Garnison einen guten Zugriff auf Landau hatte, war die
revolutionäre Bewegung dort insgesamt sehr stark.523 Eigentlich waren dies sehr gute Voraussetzungen, dass tradierte sozialrevolutionäre Elemente bis in die 1870er Jahre hätten
überleben können.
bbb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
Über den gescheiterten Versuch 1864 eine Zweigstelle des ADAV in Neustadt zu gründen,
ist an anderer Stelle bereits berichtet worden. Der Verein Webers wurde weniger als ein
Monat nach Gründung durch polizeilichen Druck wieder aufgelöst. 1867 kam es zur Gründung eines wahrscheinlich liberalen Arbeiterbildungsvereins. 524 Erste Agitationsansätze
von Seiten der Eisenacher Richtung der Sozialdemokratie folgten im Februar 1872, die
erste Kandidatur eines Mitglieds im liberalen Arbeitervereins für ein öffentliches Amt ist
für 1873 überliefert. Im Mai desselben Jahres veranstalteten Eisenacher und Lassalleaner
zusammen eine Zusammenkunft in Neustadt, die im Streit endete. 525
Schon 1872 wurde vom Wachenheimer Schreinergesellen Anton Grabler der Versuch unternommen, eine lassalleanische Ortsgruppe in Neustadt zu gründen.526 Über den Erfolg
dieses Unterfangens ist weiter nichts bekannt. Mit Schumachern und Tischlern waren es
Handwerker, die 1874 und 1875 die ersten Gewerkschaften in Neustadt gründeten.527
Die ersten öffentlichen sozialdemokratischen Versammlungen Ende Januar 1875, wahrscheinlich mit Hilfe der Genossen aus Kaiserslautern organisiert, zogen 40 beziehungsweise 92 Personen an. Am 14. Februar 1875 wurde schließlich die erste Eisenacher Ortsgruppe
gegründet. Obwohl die Arbeiterbewegung in Neustadt schon 1848/49 alle gesellschaftlichen Schichten umfasst hatte, gehörten dieser Gründung ausschließlich Menschen aus der
Unterschicht an. Im Lauf des Jahres 1875 flaute die Aktivität der Ortsgruppe allerdings
langsam ab. So erschienen zu einer Sitzung im Mai lediglich zwei Mitglieder.528 Dennoch
522
Vgl. Bräunche, Landau, S. 59.
Vgl. Ziegler, Landau, S. 206-216.
524
Das Gründungsdatum dieses Vereins war der 19. September 1864, bereits am 9. Oktober 1864 wurde der Verein wieder
aufgelöst, vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 28.
525
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 21.
526
Vgl. Theisohn, S. 25.
527
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 21.
528
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 22-31.
523
92
geht aus der Delegiertenliste des Vereinigungskongresses in Gotha 1875 hervor, dass der
Verein immer noch 27 Mitglieder hatte.529
Aufgrund der zentralen Lage war Neustadt immer wieder Schauplatz von Zusammenkünften der gesamtpfälzischen Sozialdemokratie, wovon auch Impulse auf die örtliche Organisation ausgingen.530 Dennoch blieb diese bis 1878 eher schwach und verlor sogar Mitglieder. Inwiefern Repressionsmaßnahmen durch Arbeitgeber hier eine Rolle gespielt haben,
ist nicht überliefert. Kurz vor der Auflösung wegen der Umsetzung des Sozialistengesetzes
1878 hatte der Ortsverein gerade einmal noch zwei Mitglieder.531 Die mit Abstand am
stärksten in der Neustädter Sozialdemokratie vertretene Berufsgruppe war die der Schuhmacher, gefolgt von jener der Schreiner, Zigarrenarbeiter und Schneider.532 Die 1878 aufgelösten sozialdemokratischen Gewerkschaften hatten zu diesem Zeitpunkt insgesamt 23
Mitglieder.533
Auch in Deidesheim muss es einige Sympathisanten der Sozialdemokratie gegeben haben,
eine Versammlung kam allerdings nicht zustande, da die meisten Gastwirte ökonomisch
abhängig vom reichen Weinhändler Buhl waren und deshalb ihre Räume nicht zur Verfügung stellten.534
Bereits 1864 wurde in Lambrecht eine Konsumgenossenschaft gegründet, die sich allerdings nur wenige Monate halten konnte. Ein alle gesellschaftliche Schichten einschließender Arbeiterbildungsverein wurde schließlich im Herbst 1871 gegründet. Als dieser begann, sich zu politisieren, kam es vermehrt zu Austritten. Ende des Jahres folgte die Umbenennung in Konsum- und Arbeiterbildungsverein. Laut Werner Dietrich bezog der Verein
regelmäßig den Vorwärts,535 was in Anbetracht der Tatsache, dass diese Parteizeitung erst
ab Oktober 1876536 erschien, nicht möglich ist. Wahrscheinlich handelte es sich dabei entweder um den Eisenacher Volksstaat, angesichts der späteren ADAV-Gründung in Lambrecht aber eher um die lassalleanische Zeitschrift Der neue Socialdemokrat.
Infolge des Weberstreiks gründete sich im Mai 1872 eine lassalleanische Ortsgruppe, die
mit 150 Mitgliedern für einige Jahre die größte der Pfalz bleiben sollte.537 Unklar bleibt das
Verhältnis zwischen lassalleanischer Ortsgruppe und Arbeiterbildungsverein. Dietrich berichtet, dass im Juni 1872 die 300 Mitglieder des Lambrechter Arbeiterbildungsvereins in
die ADAV-Gruppe eintraten. Für einen Monat später weist der Autor allerdings den bereits
529
Vgl. Fricke, S. 141.
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 32.
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 36, vgl. auch Verzeichnis der sozialdemokratischen Vereine, Minn 66312.
532
Vgl. Theisohn, S. 26.
533
Vgl. Verzeichnis der sozialdemokratischen Vereine, in: BayHStA, Minn 66312.
534
Vgl. Queva, S. 35.
535
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 30.
536
Vgl. Fricke, S. 518.
537
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 24.
530
531
93
genannten Mitgliederstand von 150 aus. 1874 wurde in Lambrecht schließlich auch eine
Krankenkasse gegründet. 538
Auch im nahegelegenen Elmstein muss es unter den Holzarbeitern Anhänger der Sozialdemokratie gegeben haben. Zumindest fand dort mindestens eine sehr erfolgreiche Versammlung statt.539
In Lambrecht ging das Engagement der Sozialdemokratie bis 1878 zurück. Möglicherweise waren die meisten Weber zu sehr mit der nackten Lebenserhaltung beschäftigt, um
sich auch noch politisch zu engagieren. Das Verzeichnis sozial-demokratischer Agitatoren
von 1878 bezeichnet fünf Parteimitglieder als den harten Kern der Lambrechter Sozialdemokratie. Vier arme Tuchmacher und ein leicht vermögender Mechaniker leisteten hauptsächlich organisatorische Arbeit, traten aber kaum als Redner in Erscheinung. Zwei dieser
fünf Sozialdemokraten stammten nicht aus Lambrecht, sondern waren aus Preußen zugewandert.540
In Anbetracht der Wirtschaftsstruktur Landaus ist es kaum verwunderlich, dass die Sozialdemokratie hier gerade in der Frühzeit kaum Fuß fassen konnte. Ernst Otto Bräunche vertritt sogar den Standpunkt, dass aus soziologischen Gründen die Voraussetzungen für die
Sozialdemokratie in Landau so schlecht waren wie in „keiner anderen pfälzischen
Stadt“.541Im Hinblick auf abgelegenere Landstädte wie Kusel oder Homburg mag dieser
Eindruck ein wenig überzogen wirken. Dennoch ist es richtig, dass in Landau, wo die Wirtschaft zunächst auf dem Handel, daneben auf der starken Garnison aufbaute, kaum ein
Boden für die Partei vorhanden war. Die Größe von Handwerk und Industrie, den Branchen, in denen sich die frühe Sozialdemokratie regelmäßig am ehesten festsetzen konnte,
war in Landau sehr gering.542
1857 entstand ein Arbeiterunterstützungsverein, der neben Hilfe für Kranke und Bedürftige
auch gesellige Unterhaltung förderte. 1858 hatte dieser Verein bereits 276 Mitglieder. Der
unpolitische Charakter dieser Organisation wurde satzungsmäßig festgelegt, ab 1861 mussten gar alle vorgesehenen Vorträge vorab dem Vorstand vorgelegt werden, um möglichen
Gesetzesverstößen vorzubeugen. 1865 erfolgte der Zusammenschluss mit dem örtlichen
Männer- und Frauen-Hilfsverein.543
Im Januar 1871 schließlich wurde ein Arbeiterbildungsverein gegründet, aus dem sich
wahrscheinlich keine sozialistischen Gruppen entwickeln konnten. Dennoch muss es auch
in den 1870er Jahren in Landau Sozialdemokraten gegeben haben, was sich aus dem gescheiterten Versuch vom April 1873 erschließt, eine Versammlung im Englischen Garten
538
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 30/31.
Vgl. Queva, S. 37.
540
Vgl. Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren im Königreich Bayern, in: BayHStA, Minn 66312.
541
Siehe Bräunche, Landau, S. 59.
542
Vgl. Bräunche, Landau, S. 59.
543
Vgl. Bräunche, Landau, S. 59.
539
94
Landau abzuhalten, bei der Franz Josef Ehrhart sprechen sollte. Da die Veranstaltung nicht
angemeldet war, wurde sie von den Behörden untersagt. Viel Zuspruch hatte der Agitator
allerdings zumindest laut Zeitungsberichten nicht, als er zwei Jahre später am 24. April
1876 in der Brauerei Zum Hirsch auftrat. Im Dezember desselben Jahres schließlich hielt
dagegen August Dreesbach eine Rede vor immerhin 150 bis 180 Zuhörern. Dennoch kamen die Sozialdemokraten bei der Reichstagswahl vom 10. Januar 1877 in Landau gerade
mal auf 13 Stimmen.544
Das gesellschaftliche Klima in Landau war der Sozialdemokratie nicht zuträglich. Wer sich
dabei erwischen ließ, die Partei zu unterstützen, hatte schwere Folgen zu tragen. Dies traf
beispielsweise den Wirt der Gaststätte Zum Trifels, deren Besuch den Soldaten der Landauer Garnison verboten wurde, nachdem dort Anfang August 1878 ein Gast Soldaten sozialdemokratische Zeitungen angeboten hatte.545
Der Arbeiterbildungsverein beschloss in einer außerordentlichen Generalversammlung am
9. Dezember 1878, fortan Vereinsmitglieder auszuschließen, die sich für die Sozialdemokratie einsetzten. Die Sozialdemokraten Landaus organisierten sich fortan unter dem Decknamen eines Schneidervereins. Diese kleine Minderheit erhielt trotz ständiger Überwachung und staatlicher Kontrollen ihre Tätigkeit aufrecht.546 Dennoch hatten es die Sozialdemokraten in Landau schwer, noch 1890 scheiterte die Parteigründung an der Unmöglichkeit, ein Lokal für Versammlungen zu finden.547
Über die frühe Parteiarbeit in Dürkheim und Umland ist wenig bekannt, zur Parteigründung kam es dort erst 1898.548 Das behördliche Agitatorenverzeichnis von 1878 überliefert
lediglich zwei Personen. Oskar Scheiter stammte aus Sachsen und arbeitete in Dürkheim
als Schmiedegeselle. Bei politischen Versammlungen griff er in Diskussionen ein und
wurde für Flugblattaktionen verantwortlich gemacht. Ernst Bohlig lebte im nahe gelegenen
Freimersheim bei seiner Mutter, als Herkunftsort ist bei ihm New York angegeben. Möglicherweise handelte es sich bei ihm also um einen heimkehrenden 48er-Veteranen. Bohlig
war gelernter Pharmazeut, allerdings nach Behördenangaben „heruntergekommen“ und fiel
finanziell seiner „in Freimersheim lebenden Mutter zur Last.“549 Wahrscheinlich handelte
es sich bei beiden eher um Außenseiter in der dörflich-kleinstädtischen Gesellschaft von
Dürkheim beziehungsweise Freimersheim. Zumindest die weit entfernten Herkunftsorte
und ärmlichen Verhältnisse, in denen beide lebten, lassen darauf schließen.550
544
Vgl. Bräunche, Landau, S. 60.
Vgl. Bräunche, Landau, S. 61.
546
Vgl. Bräunche, Landau, S. 61.
547
Vgl. Weber, S. 134.
548
Vgl. Geis, Manfred: 80 Jahre SPD Bad Dürkheim (1898-1978), in: 1898-1978. 80 Jahre SPD Bad Dürkheim, o. O., o. J.
(1978), S. 13-31, hier S. 14.
549
Siehe Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren im Königreich Bayern, in: BayHStA, Minn 66312.
550
Vgl. Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren im Königreich Bayern, in: BayHStA, Minn 66312.
545
95
Außerdem muss es in Dürkheim zwischen 1875 und 1877 zu einer größeren Veranstaltung
mit Dreesbach als Hauptredner gekommen sein. Queva berichtet, dass sich im Anschluss
viele Zuhörer auf die sozialdemokratische Parteiliste eingetragen hätten.551 Aus den Akten
des Innenministeriums findet sich allerdings kein Nachweis einer so frühen sozialdemokratischen Vereinsgründung in Dürkheim.
Auch in Haßloch entfalteten die Sozialdemokraten eine rege Agitationstätigkeit. Ein Bericht aus der Stadt vermerkt, „daß die Social-Demokraten in hiesiger Gemeinde nicht nur
günstigen Boden gefunden haben, sondern denselben auch mit großem Geschick auszunützen verstehen“.552 Allerdings wurde die Bewegung vor Ort nur von zwei Personen getragen, einem Schuhmacher- und einem Schneidergesellen. Beide waren im März 1874 nach
Haßloch gekommen und stammten nicht aus der Pfalz. Dennoch fand ihre Tätigkeit Zuspruch in der Haßlocher Bevölkerung: Zu den drei größeren sozialdemokratischen Versammlungen zwischen September 1876 und September 1877 kamen im Schnitt 150 Besucher.553
ccc) Ausblick
Die Bedeutung Neustadts für die Sozialdemokratie der Pfalz ist vorwiegend in der absoluten Frühgeschichte der Bewegung zu sehen. Die SPD war zwar ab 1904 mit steigender
Mandatszahl ständig im Stadtrat vertreten, konnte aber bis 1914 die nationalliberale Vorherrschaft nicht brechen. Auch bei Reichstagswahlen unterlag die SPD regelmäßig, mit
einer Ausnahme 1909, wobei dies vor allem am umstrittenen liberalen Kandidaten gelegen
haben muss.554 Nach Fallen des Sozialistengesetzes 1890 wurde die SPD wirklich zur Partei der Industriearbeiter. Allerdings war die Industrie in Neustadt vergleichsweise klein,
besonders der Handel blieb ein wichtiger Posten in der Erwerbsstruktur der Stadt. Entsprechend dominierte eher ein linksliberales kleinbürgerliches Milieu in der Stadt.
Noch stärker zeigt sich die Abhängigkeit der Sozialdemokratie von der Industrie am Beispiel von Landau. Hier waren sowohl die industrielle Entwicklung als auch tradierte linke
Protestelemente noch schwächer vorhanden, entsprechend konnte die SPD nie eine breite
Anhängerschaft und politische Macht gewinnen.
Im protestantischen Norden des ländlichen Neustadter Wahlkreises tat sich die SPD noch
lange schwer. Im Gegensatz zum Wahlkreis 1 fehlte hier die Ausstrahlungswirkung einer
starken sozialdemokratischen Großstadtgemeinde. In Dürkheim schaffte es die Sozialde-
551
Vgl. Queva, S. 37/38.
Zitiert nach Theisohn, S. 19.
553
Vgl. Theisohn, S. 25.
554
Vgl. Wunder, Neustadt, S. 39-46.
552
96
mokratie 1909 beim ersten Versuch auf Anhieb in den Stadtrat, war dort allerdings noch
lange auf die Oppositionsrolle beschränkt.555
Bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Sozialdemokratie im Hinblick auf den Organisationsgrad selbst im Wahlkreis Neustadt-Landau von den Industriegebieten um Ludwigshafen,
Pirmasens und Kaiserslautern abgehängt.556 Es zeigt sich hier deutlich, dass die Sozialdemokratie zwar gerade in ihrer Entstehungszeit vor allem im Handwerk zu Hause war, in
ihrer nächsten Expansionsphase nach Fall des Sozialistengesetzes aber immer mehr in der
Industriearbeiterschaft eine Massenbasis fand. Insofern gelten die soziologischen Gründe,
die Bräunche für die Schwäche der Sozialdemokratie in Landau ausmacht, in schwächerem
Maß auch für Neustadt. Wo Industrie vorhanden war, hatte die SPD ihre Basis, wie der
Neustädter Industrievorort Lambrecht beweist. Dort wurde 1909 gar der erste sozialdemokratische Bürgermeister Bayerns gewählt.557
Abb. 12 7 Im Wahlkreis 2 blieb die Sozialdemokratie bis zum Ersten Weltkrieg hinter der nationalliberalen Partei
zurück.
555
Vgl. Geis, S. 17.
Vgl. Breunig, S. 789.
Vgl. Klemm, Claudia: Lambrecht wählt 1909 den ersten sozialdemokratischen Bürgermeister in Bayern, in: Die pfälzische
Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999,
S. 264-268.
556
557
97
c) Wahlkreis 3: Bergzabern-Germersheim
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Ähnlich wie in Landau kam es in Germersheim zu keiner Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit aus dem agrarischen in den industriellen Bereich. Entsprechend schrumpfte die Stadt
wegen mangelnder Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts erheblich. Zwischen 1855 und 1867 wuchs die Stadt Germersheim zwar noch
von 8.358 auf 10.181 Einwohner. Bis 1871 ist allerdings ein rapider Abfall auf 6.223 Einwohner verzeichnet. Ab dann blieb die Bevölkerungsentwicklung in Germersheim stabil,
erst zwischen 1890 und 1895 fiel die Einwohnerzahl unter 6.000.558
Die südlichen Bezirke Germersheim und Bergzabern verloren in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ebenfalls Einwohner, wenn auch insgesamt in nicht allzu starkem Maße. Hier
fand fast keine industrielle Entwicklung statt. Im Amtsbezirk Annweiler wuchs die Bevölkerung immerhin, allerdings auch nur auf schwachem Niveau.559
Abb. 13 8Im Wahlkreis 3 schrumpfte die Bevölkerung im Untersuchungszeitraum.
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung/Sozialstruktur
Germersheim behielt das gesamte 19. Jahrhundert hindurch einen ganz überwiegend agrarischen Charakter. Zwar wurde im Februar 1881 eine Kreditgenossenschaft nach SchulzeDelitz‘schen Grundlagen geschaffen, die damit finanzierten Unternehmungen kamen aber
nicht über kleinhandwerkliche Strukturen hinaus. Die bedeutendste Fabrik der Stadt war
558
559
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 42.
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 40/42.
98
eine 1875 gegründete Spiritus- und Presshefefabrik, die bis 1898 gerade einmal die überschaubare Anzahl von 26 Arbeitern beschäftigte. Noch um die Jahrhundertwende war in
Germersheim die überwiegende Mehrzahl der Bewohner in der Landwirtschaft beschäftigt,
auch die meisten Handwerker und sogar Kaufleute waren neben ihrem Haupterwerb meist
noch landwirtschaftlich tätig.560 In den gesamten Bezirken Bergzabern und Germersheim
spielte Industriearbeit eine untergeordnete Rolle.561
ccc) Konfessionsstruktur
In Germersheim dominierte die katholische Konfession deutlich, wie im gesamten Wahlkreis.562
Abb. 14 9Wirtschaftsstruktur der einzigen größeren Stadt Germersheim und Konfessionsstruktur im
Wahlkreis 3
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie
Auch in Germersheim bestand 1849 ein Arbeiterverein, mit wahrscheinlich etwa 100 Mitgliedern.563 Über den Arbeiterverein von Bergzabern sind keine genaueren Informationen
verfügbar.564
bbb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
In den südlichen katholischen Gebieten um Bergzabern und Germersheim kam es zu keinerlei sozialdemokratischen Ansätzen. Bis zum Ersten Weltkrieg fand im gesamten Bezirk
Germersheim nicht eine aktenkundige Maifeier oder Maidemonstration statt. Stattdessen
560
Vgl. Probst, Joseph: Geschichte der Stadt und Festung Germersheim, Nachdruck der 1. Auflage von 1898, Pirmasens
1974, S. 422/423.
561
Vgl. Berufszählung, ohne Städte.
562
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 80.
563
Vgl. Ruppert, S. 206
564
Vgl. Ruppert, S. 200.
99
stimmten die wenigen Sozialdemokraten hier im Rahmen des bereits erwähnten Wahlbündnisses für die Zentrumspartei. 565
ccc) Ausblick
Der Wahlkreis Germersheim-Bergzabern ist ein deutliches Beispiel für die Schwäche der
Sozialdemokratie in katholischen Regionen. Erst zwischen 1909 und 1912 kam es zu einer
kleinen Gründungswelle von SPD-Ortsvereinen,566 die Partei blieb in diesem Gebiet aber
weiterhin schwach.
d) Wahlkreis 4: Pirmasens-Zweibrücken
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Zu Beginn des Untersuchungszeitraums war Zweibrücken die größte Stadt in der Westpfalz, allerdings fiel hier zwischen 1867 und 1871 die Einwohnerzahl von 9.353 auf 8.395.
Pirmasens schrumpfte auch im gleichen Zeitraum von 8.675 auf 8.563 Einwohner weniger
stark, was vor allem an der prosperierenden Schuhindustrie lag. Diese sorgte dafür, dass
Pirmasens in der Folgezeit Zweibrücken als bevölkerungsreichste Stadt in der Region
überholte. Bis 1895 wuchs die Bevölkerung hier auf 24.548. Auch das 1855 5.041 Einwohner zählende St. Ingbert wuchs beständig, bis die Bevölkerungszahl schließlich zwischen 1880 und 1885 die 10.000 überschritt.567
Abb. 15 10Die Dynamik der Pirmasenser Schuhindustrie zeigt sich auch in der Bevölkerungsstatistik.
565
Vgl. Weber, S. 132/133.
Vgl. Weber, S. 135.
567
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 44, S. 49 sowie S. 52.
566
100
Im ländlichen Bereich war das kleine Dorf mit unter 1.000 Einwohnern die dominante
Siedlungsform in der Westpfalz. Im Wahlkreis Pirmasens-Zweibrücken gab es noch im
Jahr 1900 außer den drei Städten Pirmasens, Zweibrücken und St. Ingbert mit über 5.000
Einwohnern noch vier weitere Gemeinden mit über 2.000 Einwohnern. Mit einer Anzahl
von 113 bildeten die kleinen Gemeinden von unter 1.000 Einwohnern, aber die überwiegende Mehrzahl, davon hatten 58 über und 55 unter 500 Einwohner.568
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung/Sozialstruktur
In Zweibrücken existierten verschiedene relativ bedeutende Maschinenbauunternehmen
und eine Textilfabrik.569 Ansonsten war das Handwerk in der Stadt stark vertreten. Insgesamt war die Wirtschaftsstruktur Zweibrückens sehr ausgeglichen, alle unterschiedlichen
Bereiche lagen hier anteilig im pfalzweiten Vergleich nah am Durchschnitt, nur die forstnahen Erwerbszweige waren leicht überdurchschnittlich vertreten.570
St. Ingbert war Standort einer der bedeutendsten bayerischen Steinkohlegruben. Davon
profitierte besonders das nahegelegene Eisenwerk der Familie Kramer. Das Unternehmen,
1859 zur Kommanditgesellschaft auf Aktien mit 3,5 Millionen Gulden Stammkapital umgewandelt, wuchs sprunghaft, konnte sich aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr
gegen die preußische Konkurrenz auf dem Eisenmarkt behaupten.571 1882 war mehr als die
Hälfte (1.539 von 2.757) der Beschäftigten in St. Ingbert im Bergbau und Hüttenwesen
tätig, hinzu kommen 477 in der Industrie der Steine und Erden. Andere Wirtschaftszweige
spielten in der kleinen Stadt kaum eine Rolle.572
Ähnlich kleinteilig wie die in viele kleine Gemeinden verstreute Siedlungsstruktur zeigt
sich auch die Eigentumsstruktur der Region im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der nationalliberale Hüttendirektor Krämer drückte es 1875 gegenüber dem Bezirksamt folgendermaßen aus: „Der weitaus größte Teil der Arbeiter ist entweder hier oder in den benachbarten
Orten ansässig, besitzt [ein] Haus und etwas Land, gehört daher den konservativen Elementen zu.“573 Zwar gab ein Bericht des Pfälzischen Gewerbeverein-Verbandes durchaus
zu bedenken, dass es in der Region soziale Missstände gäbe, diese hielten sich aber immer
noch in einem Ausmaß, dass diese sie durch strenge Handhabe der bestehenden gesetzlichen Regelungen in den Griff zu bekommen seien.574
Statistisch genaue Angaben sind erst nach dem eigentlichen Untersuchungszeitraum verfügbar. Diese mögen an dieser Stelle aber dennoch als Indiz für die vergleichsweise relativ
geringe soziale Spaltung in der Westpfalz zumindest zu Beginn des Untersuchungszeit568
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 13.
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 135-137.
570
Vgl. Berufsstatistik.
571
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 133/134.
572
Vgl. Berufsstatistik.
573
Zitiert nach Staudt, Zweibrücken, S. 481.
574
Vgl. Staudt, Zweibrücken, S. 481.
569
101
raums dienen. So lag die Anzahl der von der Armenpflege unterstützten Personen pro
1.000 Einwohner in den Amtsbezirken St. Ingbert, Homburg, Kusel, Pirmasens und Zweibrücken 1911 mit zwölf bis 18 im pfalzweiten Vergleich äußerst niedrig. Von allen anderen
pfälzischen Amtsbezirken erreichte nur Rockenhausen eine ähnlich niedrige Armutsrate
(17 von 1.000 Einwohnern). Die Stadtbezirke selbst sind in dieser Statistik nicht miteinbegriffen. Hier liegt Zweibrücken mit 29 pro 1.000 Einwohner, die von der Armenhilfe abhängig waren, pfalzweit im unteren Mittelfeld. Pirmasens kam auf 34 Bedürftige pro 1.000
Einwohner.575
Der dynamischste Wirtschaftszweig der Westpfalz in der der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Pirmasenser Schuhindustrie. Eher zufällig hatte die Herstellung zunächst
billiger handgestrickter Wollschuhe im Familienverband und Hausierervertrieb im ausgehenden 18. Jahrhundert einige Bedeutung für das Dorf Pirmasens erlangt. Eine Wollmanufaktur zur Rohmaterialversorgung bestand ab 1791, in der französischen Zeit wurden neue
Absatzmärkte im Westen erschlossen. Zwischen 1815 und 1833/34 brach das Gewerbe wie
fast alle handwerklichen und gewerblichen Wirtschaftszweige in der Pfalz drastisch ein.
Erst mit Fallen der Zollschranken im deutschen Zollverein verbesserte die Situation sich
merklich. Auch der Straßenbau zwischen Zweibrücken und Landau über Pirmasens erleichterte den Export in die prosperierenden Wirtschaftszentren der preußischen Rheinprovinz. An Stelle der Familienverbände traten in den 1830er Jahren kleine Handwerksbetriebe mit einem Meister und wenigen Gesellen.576
Ab 1857 wurden Maschinen für die Herstellung von Schuhen eingeführt. 1864 zählte die
Handwerks- und Gewerbekammer in Pirmasens 13 größere und 63 kleinere Schuhfabriken,
in denen rund 1.700 Arbeiter tätig waren. Die Zahl der Nähmaschinen lag zu diesem Zeitpunkt gerade mal bei 66. Der Übergang von der Manufaktur zur Fabrik erfolgte ab den
1870er Jahren. Schon 1872 wurden 212 Nähmaschinen eingesetzt, daneben gab es 46 Sohlenschneidemaschinen, sechs Absatzpressen, zwei Lederwalzen, zehn Sohlenschraubmaschinen, zwei Montierungsmaschinen und 63 andere Hilfsmaschinen.577 Dennoch verfügten noch 1886 nur 25 der 65 Schuhfabriken über Maschinen mit Dampf- oder Gasantrieb.
Die Mehrzahl bildeten nach wie vor handwerkliche Kleinbetriebe, deren Arbeitsgerät mit
Körperkraft angetrieben wurde.578
Im Zuge der Maschinisierung wurde auch die Heimarbeit in den umliegenden ländlichen
Orten ausgeweitet. Für die Pirmasenser Handwerker und Arbeiter bedeutete dies mehr
Konkurrenz und folglich höheren Druck auf die Löhne. Auch die Einführung neuer Ma575
Vgl. Statistik Bayerns, Heimatwesen, S. 153.
Vgl. Wagner, S. 24-26.
Vgl. Seebach, Helmut: Industrialisierung und Soziale Frage. Arbeiterstreiks 1905-1907: Hauenstein, Ramberg, Herxheim,
Lambrecht, Annweiler, Annweiler-Queichhambach 2011, S. 13.
578
Vgl. Wagner, S. 27.
576
577
102
schinen löste regelmäßig Aufruhr unter den Arbeitern aus. Dennoch organisierte sich die
Pirmasenser Arbeiterschaft in der Frühphase der Industrialisierung noch nicht sozialdemokratisch, was auch an der patriarchalischen Struktur der Kleinunternehmen gelegen haben
mag.579 1891 kam es zu einer ersten Krise durch Überproduktion, die vielen Kleinbetrieben
mit geringem Eigenkapital und hohem Schuldenstand den Ruin brachte.580
Interessanterweise fällt der Aufbau der Sozialdemokratie in Pirmasens zeitlich mit diesem
Konzentrationsprozess in der Schuhindustrie zusammen. Es ist wahrscheinlich, dass die
Veränderung im sozialen Gefüge — weg vom handwerklichen Familienbetrieb, hin zur
industriellen Fabrikproduktion — das Einsickern sozialistischer Denkstrukturen erleichterte. Der einfache Geselle, der jeden Tag eng mit seinem Meister zusammenarbeitete und
dessen eigene wirtschaftliche Nöte aus erster Hand miterlebte, war weniger geneigt, die
marxistischen und lassalleanischen Grundthesen der Polarisierung der Gesellschaft durch
Ausbeutung im Klassenmaßstab anzunehmen, als der Fabrikarbeiter im Großbetrieb, der
räumlich und kulturell meilenweit vom Inhaber der Firma getrennt lebte.581
ccc) Konfessionsstruktur
Die Konfessionsstruktur der westlichen Pfalz war im 19. Jahrhundert durchmischt, ursprünglich mit leichtem katholischen Übergewicht. Bemerkenswert ist, dass im Bezirksamt
Pirmasens die Konfessionsmehrheit der Katholiken zwischen 1880 und 1885, bedingt
durch den Zuzug offenkundig überwiegend protestantischer Arbeitskräfte, wechselte.582 Im
Bezirk Zweibrücken hatten die Katholiken ein leichtes Übergewicht.583 Dabei waren beide
Städte selbst überwiegend protestantisch.584 Ähnlich verhielt es sich in Pirmasens.585
Schon der Emissär der provisorischen Regierung der Pfalz, Gottfried Kinkel, der 1849 den
Westrich bereiste, stellte heraus, dass die katholische Kirche eine strikt antirevolutionäre
Haltung förderte. Er schrieb:
„In den Walddörfern sind es überall Schullehrer, welche mit Begeisterung der Republik anhangen und die Seele der Volksvereine ausmachen. Im allgemeinen sind
die protestantischen Lehrer noch avancierter als die katholischen, weil die letzteren
zuweilen Rücksicht auf ihre Geistlichen nehmen. Sehr gewirkt hat die Flucht reactionärer [sic!] kathol. Priester.“586
579
Vgl. Feldmüller, S. 21.
Vgl. Wagner, S. 27.
581
Vgl. Feldmüller, S. 21.
582
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 15.
583
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 16.
584
1911 lag das Verhältnis in Zweibrücken bei 65,52 Prozent Protestanten gegenüber 31,65 Prozent Katholiken, in Homburg
bei 56,31 Prozent Protestanten gegenüber 41,45 Prozent Katholiken, vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 81/100.
585
In Pirmasens gehörten Mitte des 19. Jahrhunderts 5.180 der 6.257 Einwohner der protestantischen Konfession an, daneben
lebten 903 Katholiken und 174 Juden in der Stadt, vgl. Lehnung, Julius B.: Geliebtes Pirmasens. Heimatgeschichtliche
Erinnerungen Bd. 3, 1840-1875, Pirmasens 1980, S. 13.
586
Siehe Artikel Kinkels in der Rheinisch-Westphälischen Zeitung vom 6.9.1850, zitiert nach Kinkel, S. 128.
580
103
Daraus lässt sich, auch für die Zeit nach der Revolution, schließen, dass die katholischen
Gemeinden über eine stärkere Integrationsfähigkeit verfügten, die auch zur Abwehr der
meist von außen hereingetragenen politischen Emanzipationsbestrebungen diente.
Abb. 16 11Wirtschaftsstruktur der größeren Städte und Konfessionsstruktur im Wahlkreis 4
Gottfried Kinkel berichtete über Zweibrücken: „Die Reaction [sic!] ist hier besonders
stark.“ Nachdem er ausführt, dass die Stimmung in Blieskastel der Revolution gegenüber
noch aufgeschlossen war, berichtet Kinkel: „Dagegen sollen die sehr armen katholischen
Ortschaften von hier südlich, von Priestern gehetzt, wenig taugen. Allein da sie arm sind,
sind sie auch agitabel [sic!]. In St. Ingbert […] ist die Reaction [sic!] im Wachsen.“587 Die
Stärke der katholischen Kirchen verhinderte über die Revolutionszeit hinaus im südlichen
Teil der Westpfalz das Einsickern zunächst liberaler und später sozialdemokratischer Ideen.
Im Nachgang zur Revolution wurden die Aufständischen in der katholischen Zeitschrift
Christlicher Pilger als „Räuberbanden“588 verunglimpft.
587
Siehe Bericht von Kinkel an den Chef des pfälzischen Generalstabs, Bürger Techow in Lautern, zitiert nach Klein, S. 118.
Siehe Furtwängler, Martin: Die Katholische Kirche und die Revolution 1848/49 in der Pfalz, in: Die Pfalz und die Revolution 1848/49 Bd. 2, hrsg. v. H.Fenske u.a., Kaiserslautern 2000, S. 151-177, hier S. 176.
588
104
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie
Eigentlich konnten Homburg und Zweibrücken bereits 1848 auf eine revolutionäre Tradition zurückblicken. Das Hambacher Fest 1832 fand zwar nahe Neustadt statt, organisiert
wurde es aber von Zweibrücken aus. „Das pulsierende politische Leben“589 hatte den Journalisten Johann Georg August Wirth und andere nach Homburg gelockt. In Zweibrücken
artikulierte eine Gruppe liberaler Juristen offensiv demokratische Forderungen und verteidigte die Institutionen aus französischer Zeit bei jeder Gelegenheit. Gerade deswegen griff
der bayerische Staat im Gefolge der Ereignisse vom Mai 1832 hier besonders hart durch.
Durch die „Politik der verbrannten Erde als Konsequenz von Hambach“590 wurden die
Liberalen in der Region aufgerieben. Die meisten Köpfe von 1832 befanden sich 1848
entweder im französischen Exil oder waren bereits verstorben. 591 Die Revolution von
1848/49 hatte den westlichen Teil der Pfalz zwar erfasst, eine tiefe Verankerung innerhalb
der Bevölkerung dieses größtenteils ländlichen und katholischen Landsstrichs ist allerdings
nicht festzustellen. Nicht einmal die konservativ-katholischen Piusvereine vermochten im
Westrich richtig Fuß zu fassen.592
Nur im überwiegend protestantischen Zweibrücken konnte der Volksverein mit insgesamt
700 Mitgliedern eine stattliche Größe erreichen, dies allerdings erst sehr spät und höchstwahrscheinlich erst im März 1849, wobei Arbeiter, Handwerker und Gesellen keinen eigenen Verein gründeten.593 Die politische Inaktivität könnte allerdings auch in der wirtschaftlichen Misere begründet sein. Denn die Westpfalz war bis dahin die ärmste Region der
Pfalz. „Die wirtschaftliche Depression hemmt das politische Engagement“, 594 bemerkt
Ruppert dazu und führt weiter aus, dass der karge Boden in der Westpfalz nur wenig hergab, während die Absatzmärkte für Handwerk und Gewerbe sich ausschließlich auf die
Region konzentrierten.595 In und um Homburg litt die Bevölkerung wegen der Missernten
von 1847 im Revolutionsjahr noch Hunger und war folglich eher mit der nackten Lebenserhaltung als mit dem politischen Kampf für liberale Menschenrechte beschäftigt.596Auch
Pirmasens war von der rapiden Verteuerung der Lebensmittel infolge der Missernten stark
betroffen. Die Auswanderungswelle erreichte dort im Jahr 1849 einen neuen Höhepunkt.597
589
Siehe Baus, Martin: Die Revolution von 1848/49 und die Saarpfalz, in: Revolution an der Grenze. 1848/49 als nationales
und regionales Ereignis (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Bd. 4), St.
Ingbert 1999, S. 191-229, hier S. 191.
590
Siehe Baus, S. 194.
591
Vgl. Baus, S. 191-194.
592
Vgl. Furtwängler, S. 165.
593
Vgl. Ruppert, S. 80-82.
594
Siehe Ruppert, S. 80.
595
Vgl. Ruppert, S. 80.
596
Vgl. Baus, S. 196.
597
Vgl. Lehnung, S. 68-71.
105
Insgesamt fällt die Bilanz der Revolution im Westen der Pfalz sehr bescheiden aus. Selbst
Martin Baus, an anderer Stelle bemüht, das liberale Engagement in der Region in den Vordergrund zu rücken,598 beschreibt eine Situation, „in der die Märzrevolution und ihre Errungenschaften zwar positiv aufgenommen wurden, in der aber im Prinzip von revolutionärer Eigeninitiative nichts zu spüren war“.599 Eigene Zweigvereine von Handwerkern
oder Arbeitern waren in der Region gar nicht vorhanden,600 von daher konnten die Sozialdemokraten in der westlichen Pfalz, anders als zum Beispiel in Neustadt oder Kaiserslautern, an keine 48er-Tradition anknüpfen.
bbb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
Die Sozialdemokratie konnte in Pirmasens bis 1886601 nur in Ansätzen Fuß fassen, ein
sozialistischer Arbeiterverein bestand nicht. Die Arbeitgeber schafften es durch energisches
Durchgreifen, selbst die zaghaftesten Ansätze sozialistischer Ideen im Keim zu ersticken.
Nur zwei Arbeiter verbreiteten sozialdemokratische Schriften in Pirmasens. Peter Bühler
stammte aus Burrweiler am Rand der Haardt und war Arbeiter in einer Schuhfabrik, Andreas Kästner arbeitete als Gerber und stammte aus Lemberg. Die Polizei konnte nachweisen, dass beide im Frühjahr 1878 insgesamt zwölf Exemplare des badisch-pfälzischen
Volksblattes in der Stadt abgesetzt hatten. Beide zeigten sich allerdings „den Belehrungen
ihrer Arbeitgeber zugänglich und erh[ie]lten keine sozialdemokratischen Schriften
mehr“.602 Dennoch agitierten beide wohl inoffiziell weiter. So vermerkt der Bericht des
Bezirksamts Pirmasens, dass beide sich mit drei bis vier „Verführten“ regelmäßig in Wirtshäusern trafen.603 Weiterhin soll der „rote Bühler“ versucht haben, eine Schuhfabrikgenossenschaft zu gründen. Nach dem Scheitern dieses Vorhabens verließ er die Stadt.604
Außerdem versuchte im nahegelegenen Rodalben German Friedrich, von Beruf Schreiber
bei einem Notar, erfolglos, eine sozialdemokratische Versammlung einzuberufen. Friedrich
hatte vorher die ultramontane Partei unterstützt und hatte nach Behördenangaben nach wie
vor einen „christlich-sozialen Anstrich“.605 Insgesamt sind die sozialdemokratischen Bestrebungen in Pirmasens bis 1878 als äußerst schwach einzuschätzen.
Schon 1869 bekannte die Westricher Zeitung aus Zweibrücken ihre Anhänglichkeit an
Lassalle:
„Zu bedauern ist, daß die Ideen des großen Lassalle in unserer Pfalz zu wenig bekannt sind; sonst würde die Masse der Arbeiter, das Volk im eminenten Sinne des
Baus führt aus: „Der Raum Homburg-Zweibrücken-Blieskastel stellte mit fast 50 derartigen Organisationen [Anmerkung:
Volks- und Märzvereine] […] eine Art Verdichtungszone des demokratischen Vereinswesens dar.“ Siehe Baus, S. 199.
599
Siehe Baus, S. 203.
600
Zumindest sind in Rupperts Übersicht über die politischen Vereine der Pfalz von 1848/49 keine Arbeitervereine aus den
westlichen Kantonen verzeichnet, vgl. Ruppert, S. 199-226.
601
Vgl. Stein, Erwin: Aus dem Wahlverein wurde die SPD, in: Die Rheinpfalz, Ausgabe Pirmasens, Nr. 263 vom 10.11.1984.
602
Siehe Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Amtsbezirk Pirmasens, in: BayHStA, Minn 66312.
603
Siehe Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Amtsbezirk Pirmasens, in: BayHStA, Minn 66312.
604
Vgl. Feldmüller, S. 26.
605
Siehe Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Amtsbezirk Pirmasens, in: BayHStA, Minn 66312.
598
106
Wortes, schon längst die Führerschaft der Bourgeoisie sich verbeten und aufgehört
haben, berauscht durch Vorspiegelungen und Bethörungen gegen sich selber zu
wüthen.“606
Leider ist zu diesem Zeitungsausschnitt kein weiterer Aktenvermerk vorhanden. Es ist davon auszugehen, dass die Polizei die Ausgabe zensierte und auch sonst kompromisslos
gegen jegliche sozialistischen Bestrebungen in Zweibrücken vorging.
In der Stadt bestanden bis zur Abschaffung des Sozialistengesetzes keine sozialdemokratischen Organisation. Nur der nach Polizeiangaben zu schließen exzentrische Strohhutfabrikant David Stern wurde polizeilich als „Gesinnungsgenosse“ der Sozialisten ausgemacht.
Seine Gründung eines Filialvereins des deutschen Hutmachercentralvereins [sic!] 1874
war dann auch nur von kurzer Dauer. Infolge eines Streiks als Reaktion auf eine 15prozentige Lohnkürzung wegen schlechter Ertragslage im Oktober 1875 wurden die elf
Streikenden entlassen und verließen Zweibrücken in unbekannte Richtung.607
Dennoch gab es wenige Monate vor Erlass des Sozialistengesetzes immerhin zehn bis
zwölf sozialdemokratisch gesinnte Bürger in Zweibrücken. Sie organisierten eine Versammlung, bei der August Dreesbach und Moses Oppenheimer Vorträge vor insgesamt
300 Zuhörern hielten. Die Polizeiberichte von den Versammlungen betonen allerdings,
dass es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Besucher nicht um Sympathisanten der
Sozialdemokratie handelte. Eine Diskussion kam in Anschluss auf die Vorträge nicht zustande, insgesamt war der Anklang der sozialdemokratischen Redner wohl wirklich äußerst
bescheiden. Daneben gab es bis 1878 in Zweibrücken, von einem erfolglosen Versuch des
Vereins zur Erzielung volkstümlicher Wahlen in Pirmasens, ein Vereinslokal zur Durchführung von Versammlungen zu finden, einmal abgesehen, keine Ansätze zu sozialdemokratischer Agitation, geschweige denn Organisation.608
Schon Kinkel hatte St. Ingbert 1849 aufgrund der großen Arbeiterbevölkerung von „1000
Seelen“ für die Zukunft eine „Rolle in der Bewegung“609 zugesprochen. Allerdings sind aus
St. Ingbert für die Zeit vor dem Sozialistengesetz noch nicht einmal sozialdemokratische
Ansätze zu erkennen. Das Bezirksamt meldete 1875: „Eine sozialdemokratische Partei
existiert hier nicht.“610 Eine Arbeiterbevölkerung war zwar vorhanden, diese verfügte aber
meist über kleinen Grundbesitz und war eher der konservativen Richtung zugeneigt. Erst
im Reichstagswahlkampf 1887 kam es zu einer ersten heimlichen Flugblattaktion. Schließ-
606
Siehe Westricher Zeitung vom 13. Juni 1869, in BayHStA, Minn 46098.
Vgl. Staudt, Zweibrücken, S. 481/482.
608
Vgl. Staudt, Zweibrücken, S. 482-485.
609
Siehe: Artikel Kinkels in der Saarzeitung vom 17.9.1849, Stadtarchiv Saarbrücken, Zeitungsarchiv, zitiert nach Klein, S.
122.
610
Zitiert nach Staudt, Michael: Hugo Dullens und die Entstehung der saarpfälzischen Sozialdemokratie, in: Die pfälzische
Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999,
S. 176-183 (Zitiert als: Staudt, Dullens), hier S. 177.
607
107
lich wurde 1889 von Pirmasens aus versucht, die Arbeiter von St. Ingbert zu mobilisieren.
Ein Jahr später entstand ein Arbeiterwahlverein.611
ccc) Ausblick
Immer wieder Erwähnung in der Literatur findet — besonders im Hinblick auf Zweibrücken und St. Ingbert — die ausgeglichene Eigentumsstruktur in der Region, die den Großteil der Bevölkerung dem Konservatismus zutrieb. Auch wenn es in der Pfalz nicht zur
Gründung katholischer Arbeitervereine kam, ist davon auszugehen, dass die katholische
Kirche weiter einen starken Einfluss gerade auf die einfach Bevölkerung ausübte. Als Beleg für das hohe Potenzial für politische Einflussnahme vonseiten der Kirche darf an dieser
Stelle auf Ereignisse in St. Ingbert im August 1873 verwiesen werden. Nachdem der liberale St. Ingberter Anzeiger einen Artikel aus der Hamburger deutschen Reichsfackel abdruckte, worin die französische Armee aufgrund ihrer katholischen Bräuche verunglimpft wurde,
sorgte dies in St. Ingbert für einen Tumult. Rund 2.000 erboste Katholiken belagerten die
Redaktion der Zeitung. Der zuständige Redakteur Demetz musste die Stadt verlassen. Angeregt wurde der Tumult von katholischen Predigern. Allein die Zahl von 2.000 „Tumultanten“ 612 verdeutlicht die Mobilisierungskraft der Kirche, die das Potential der sozialdemokratischen Bewegung in der Pfalz selbst in der Hochburg Ludwigshafen deutlich überschritt.
Doch nicht nur die katholische Kirche engagierte sich für die Arbeiterschaft. Bereits 1853
entstand ein Protestantisch-Evangelisch-Christlicher Unterstützungsverein im protestantischen Pirmasens, in Zusammenarbeit mit der Stadt versuchten 16 Armenpfleger, die sozialen Missstände zu lindern. 1857 wurde in Pirmasens ein Rettungshaus der Diakonie errichtet. Die Schwerpunkte der in der Anfangszeit hauptsächlich durch ehrenamtliche Tätigkeit
gestützten diakonischen Arbeit waren christliche Missionsarbeit, Heimdiakonie und Arbeitervereine. Der Unterstützungsverein war Zweigverein des königlichen St. JohannisVereins, wurde also aus der bayerischen Staatskasse unterstützt.613
Erst 1889, als sich die Sozialdemokratie in Pirmasens bereits in Ansätzen formiert hatte,
kam es zum Bruch zwischen organisierten Arbeitern und dem amts- und unternehmerseitig
gut vernetzten protestantischen Unterstützungsverein. Zum 25. Todestags Lassalles hissten
sieben Arbeiter an einem Kirchturm eine rote Flagge. Der Rädelsführer dieser Aktion gab
vor Gericht an, zwar gläubig zu sein, aber die Kirche zu verachten, da diese für arme Menschen nur Almosen bereitstelle, anstatt die Rechte der Arbeiter zu stärken.614
611
Vgl. Staudt, Dullens, S. 177/178.
Vgl. Die Rheinpfalz vom 13.8.1873 und Pfälzische Post vom 14.8.1873, beide in LA SP, H-3 930.
613
Vgl. Brendel, Wolfgang Friedrich: „…Nicht nur die Not lindern, sondern aktiv ihre Ursachen bekämpfen helfen…“. Das
Wirken der Inneren Mission von 1833 bis 1918, in: Jahrbuch des historischen Vereins Pirmasens 18 (2010), S. 64-76, hier S.
69-72.
614
Vgl. Brendel, S. 73.
612
108
Auch die Wirtschaftsstruktur hat die Entwicklung der Pirmasenser Sozialdemokratie gehemmt. Die Pirmasenser Schuhbetriebe blieben im deutschlandweiten Vergleich auch längerfristig verhältnismäßig klein,615 verglichen mit anderen Branchen blieb die Tendenz
zum Großbetrieb ohnehin verzögert. Wie bereits aufgezeigt, konnten sich sozialistische
Denkansätze in den kleinen, patriarchalisch geprägten handwerklichen Unternehmen
schlechter entwickeln. In den größeren Pirmasenser Unternehmen wurden auswärtige sozialistische Arbeiter auch durch Beförderung von sozialistischen Positionen abgebracht.616
Auch die relativ schwache Zuwanderung war mit Sicherheit ein hemmender Faktor für die
frühe sozialdemokratische Ausbreitung. Anders als beispielsweise in Ludwigshafen kamen
weniger — meist besitzlose — Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Westpfalz.617
An sich war Pirmasens als Industriestandpunkt wegen der Verkehrslage nur sehr schlecht
geeignet. Vielleicht sorgte aber gerade dieser Standortfaktor für das starke Wachstum der
Pirmasenser Schuhindustrie. Denn die Standortfaktoren der Industrie waren auch die
Standortfaktoren für die Ausbreitung der Sozialdemokratie. Durch das Ausbleiben von
Lohnstreit und Arbeitskämpfen in den 1870er Jahren war jedenfalls der Produktionsfaktor
Arbeit in Pirmasens um einiges billiger als an anderen Standorten der Schuhindustrie.618
Abb. 17 12Nach Fall des Sozialistengesetzes 1890 konnte sich die SPD als politischer Faktor im Wahlkreis 4 etablieren.
615
1913 hatte eine Mehrzahl von 149 der 243 Pirmasenser Schuhfabriken eine Mitarbeiterzahl unter 20. 29 Firmen beschäftigten zwischen 20 und 100 Mitarbeitern, es bestanden nur 25 Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern. Die größte Firma war
Rheinberger mit 1.500 Beschäftigten. Damit lag der Durchschnitt bei 56 Mitarbeitern. In Hauenstein lag dieser Wert mit 80
Arbeitern pro Betrieb etwas höher und knapp über der deutschlandweiten durchschnittlichen Fabrikgröße in der Schuhindustrie von ca. 70 Beschäftigten pro Unternehmen, vgl. Wagner, S. 32.
616
Vgl. Feldmüller, S. 21.
617
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 216.
618
Vgl. Feldmüller, S. 25.
109
Allerdings währte die Schwäche der Sozialdemokratie in Pirmasens nur bis zum Ende des
Sozialistengesetzes. 1886 kam es zur heimlichen Gründung eines geheimen Komitees zur
Durchführung volkstümlicher Wahlen. 1890 entstand daraus der sozialdemokratische Ortsverein der Partei. Bei der Reichstagswahl 1890 erreichten die Sozialdemokraten im Wahlkreis 4 immerhin 1.800 Stimmen. 619 Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wies dieser
Wahlkreis die zweitgrößte Organisationsdichte der gesamten Pfalz auf.620
e) Wahlkreis 5: Homburg-Kusel
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Die Bevölkerungsstruktur des im Norden angrenzenden Wahlkreises Homburg-Kusel war
sehr dörflich. Dort kamen 1900 nur 20 Gemeinden über 1.000 Einwohner, eine Stadt mit
über 5.000 Einwohnern existierte hier gar nicht. Von den 153 übrigen Gemeinden hatte die
Mehrzahl (108) unter 500 Einwohner.621
Abb. 1813Die Bevölkerungsentwicklung im abgelegenen Wahlkreis 5 war moderat.
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung/Sozialstruktur
Der bedeutendste Industriezweig in Kusel war die Textilbranche. Schon 1847 waren in
Kusel 17 Tuchmacher beschäftigt. 1857 wurde dort auch eine Dampfmaschine angeschafft.
Insgesamt fällt dieser Zweig in dem kleinen Landstädtchen jedoch kaum ins Gewicht. 622
Bei der Berufszählung 1882 wurden im Bezirk Kusel, die Fabrik in Wolfstein miteinbegrif619
Vgl. Stein.
Vgl. Breunig, S. 789.
621
Vgl. Tabellen bei Bräunche, Parteien, S. 13.
622
Vgl. Schlegel/Zink, S. 170-172.
620
110
fen, gerade mal 210 Textilarbeiter gezählt.623 1868 wurde das Städtchen ans Eisenbahnnetz
angeschlossen,624 1874 wurde die Nagelfabrik aus Altenglan nach Kusel verlegt, zur Belegschaft dort gehörten zwischen 150 und 200 Personen.625
Obwohl Homburg bereits 1848 über einen Eisenbahnanschluss verfügte, kam es dort kaum
zu einer industriellen Entwicklung. Schon vor 1870 bestand mit einer Hufeisen- und Pflugscharmanufaktur, in der immerhin 200 Arbeiter beschäftigt waren, ein Großbetrieb. 1874
folgte mit den Chamotte- und Dinaswerken ein Zulieferer der Schwerindustrie, erwähnenswert ist auch die 1878 gegründete Karlsberg-Brauerei.626 Bei den Zahlen der Berufsstatistik von 1882 liegt der Bezirk Homburg in allen Bereichen sehr nah am gesamtpfälzischen Durchschnitt.627
ccc) Konfessionsstruktur
Ein deutliches Übergewicht hatten die Protestanten im Bezirksamt Kusel mit rund 88 Prozent der Bevölkerung. In Homburg dominierte die katholische Konfession mit knapp über
50 Prozent628
Abb. 19 14Da in der Berufsstatistik nur die elf größten Städte der Pfalz aufgeführt sind, sind für
Homburg und Kusel keine genaueren Zahlen vorhanden.
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie
Wie aufgezeigt, konnte sich die Bewegung 1848 in den ländlichen Gebieten wenn überhaupt nur pro forma, etablieren. Dies gilt insbesondere für den Raum um Homburg und
Kusel, über härtere Arbeitskämpfe in dieser Region gibt die Literatur keine Auskünfte.
623
Vgl. Berufszählung, S. 270-307.
Vgl. Schlegel/Zink, S. 186.
625
Vgl. Schlegel/Zink, S. 173.
626
Vgl. Thomes, Paul: Zwischen Landwirtschaft und Industrie. Soziale und wirtschaftliche Strukturen (1800-1970), in: Der
Saarpfalz-Kreis, Stuttgart 1993, S. 126-151, Zusammenfassung am 22.3.2012 online unter: http://www.saarpfalzkreis.de/buergerservice/informationen/auf_einen_blick/geschichte/1290.htm.
627
Vgl. Berufsstatistik.
628
Vgl. Bräunche, Parteien, S. 16.
624
111
bbb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
Nach Landstuhl richtete sich immerhin namentlich eine Einladung zu einer sozialdemokratischen Konferenz in Neustadt 1876, was auf das Bestehen zumindest einer kleinen sozialdemokratischen Gemeinde hindeutet. 629 Diese Gemeinde hatte aber offenkundig keine
Ausstrahlungswirkung auf das Umland.
Das abgelegene Städtchen Kusel wurde erst spät vom parteipolitischen System insgesamt
erfasst. Zwar existierten schon ab 1869 Arbeitervereine in der Region, diese dienten allerdings eher kulturellen als politischen Zwecken. Selbst die Nationalliberalen waren erst
1884 mit einem Wahlverein vertreten. 1890 kam es zu einem ersten zaghaften sozialistischen Agitationsversuch, als ein aus Posen stammender Schlossergeselle Flugblätter, die
zur Wahl von Franz Josef Ehrhart aufforderten, verteilte. Ein erster Wahlverein entstand
1897 in Altenglan, Kusel folgte 1902. Ab dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstanden weitere Vereine in den umliegenden Dörfern.630
Abb. 2015Trotz allem konnte die SPD sich im frühen 20. Jahrhundert im Wahlkreis Homburg-Kusel etablieren.
In Homburg tat sich die Sozialdemokratie auch nach dem Sozialistengesetz noch schwerer
als in Kusel. Das genaue Gründungsdatum des Homburger SPD-Ortsvereins lässt sich
nicht ermitteln. Wahrscheinlich ist, dass sich der Verein 1910 konstituierte. An Fahrt gewann die Bewegung in der Stadt 1912 mit dem Zuzug von 230 Glasmachern aus Stockheim, wo die Produktion von Sigwart & Mörhle vorher angesiedelt war.631 Die Partei erVgl. „Vermischte Nachrichten“ in: Pfälzer Zeitung vom 13.4.1876, in LA SP, H-3 929-I
Vgl. Kirsch, Hans: Sozialdemokratische Diaspora. Die Anfänge der SPD im Kuseler Land, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S.170-175,
hier S. 170-172.
631
Vgl. 60 Jahre SPD Homburg,o.S..
629
630
112
reichte im gesamten Wahlkreis 1912 3.645 Stimmen (17,4 Prozent), dabei kamen 1.862
aus dem Bezirk Kusel und 1.783 aus dem Bezirk Homburg. 1914 gab es im Wahlkreis
Homburg-Kusel immerhin 14 sozialdemokratische Vereine, mit zusammen mehr als 500
Mitgliedern.632
ccc) Ausblick
Der Wahlkreis 5 hatte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die niedrigste sozialdemokratische Organisationsdichte der gesamten Pfalz, was allerdings auch in der insgesamt verzögerten politischen Entwicklung dieser Region seinen Grund haben könnte.633
f) Wahlkreis 6: Kaiserslautern-Kirchheimbolanden
aa) Empirischer Rahmen
aaa) Bevölkerungsentwicklung
Kaiserslautern war im Untersuchungszeitraum die bedeutendste Industriestadt der Pfalz.
Zur Jahrhundertmitte überholte Kaiserslautern Zweibrücken in der Bevölkerungszahl und
blieb bis 1898 die größte Stadt der Pfalz.634 1855 lag die Einwohnerzahl Kaiserslauterns bei
10.076, 1905 bei 52.306, wobei die Stadt in den 1870er Jahren und nochmals kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts am stärksten wuchs.635 Das Bevölkerungswachstum des gesamten
Bezirks ist vor allem auf Kaiserslautern und die direkt umliegenden Orte zurückzuführen.636
Die Bevölkerungszahl der beiden nordpfälzischen Bezirksämter Kirchheimbolandens und
Rockenhausens stagnierte weitestgehend.637 Am stärksten wuchs noch die Gemeinde Eisenberg wegen des Bahnanschlusses und der Industrieansiedlung von 1.185 im Jahr 1855
auf 2.962 Einwohner 1905.638 Am stärksten schrumpfte die Einwohnerzahl derweil in den
abgelegen Orten Standebühl und Rittersheim, beide im Bezirk Kirchheimbolanden gelegen, sowie Dörrmoschel im Bezirk Rockenhausen.639 Die Stadt Kirchheimbolanden wuchs
im selben Zeitraum nur schwach von 3.038 auf 3.647 Einwohner.640
632
Vgl. Kirsch, S. 172-174.
Vgl. Breunig, S. 789.
634
Vgl. Herzog, S. 12.
635
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 45.
636
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 45. Am stärksten wuchsen die direkt anschließenden Orte Erfenbach, Hochspeyer,
Morlautern und Siegelbach. Bis auf Hochspeyer in der Nähe von Kaiserslautern außerdem an die Ludwigsbahn angeschlossen
und ab 1880 Standort einer chemischen Fabrik, sind diese Gemeinden inzwischen alle in die Stadt Kaiserslautern eingemeindet. Bezüglich der Chemiefabrik in Hochspeyer vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 31.
637
Die Einwohnerzahlen der Gesamtbezirke lagen in Rockenhausen 1855 bei 10.668, 1905 bei 9.966 und in Kirchheimbolanden 1855 bei 24.521, 1905 bei 26.742. Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 46/51.
638
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 47.
639
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S.148/149.
640
Vgl. Statistik Bayerns, Wanderungen, S. 46.
633
113
Abb. 21 16Das Bevölkerungswachstum im Wahlkreis 6 ging vor allem auf die industrielle Entwicklung in Kaiserslautern zurück.
bbb) Wirtschaftliche Entwicklung/Sozialstruktur
Die drei wichtigsten Handelsgüter in Kaiserslautern um 1840 waren Getreide, Steinkohle
und Holz. In der ersten Industrialisierungsphase erlangten allerdings bereits die Eisengewinnung- und Verarbeitung, die Textilerzeugung, eine Zuckerfabrik und eine Großbrauerei
eine gewisse Bedeutung für die Wirtschaftsstruktur der Stadt. Im Umland wären noch die
Eisenerzeugung in Trippstadt und eine Textilfabrik in Otterberg zu nennen. Dennoch handelte es sich bei den Dörfern um Kaiserslautern weitestgehend um Bauerndörfer, auch Kaiserslautern selbst hatte noch lange alle Kennzeichen einer Ackerbürgerstadt. Erst in den
1860er und 1870er Jahren wuchs die Industriearbeiterschaft in erheblichem Maße.641
Am Anfang dieses Prozesses stand der Bau der Ludwigsbahn 1848. Dominierend blieb
zunächst die Textilindustrie mit der Baumwollspinnerei Lampertsmühle direkt bei Kaiserslautern und der Leinenzwirnerei in Otterberg. Diese wurde 1860 in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt, weil sonst die Mittel zur Erfüllung steigender Nachfrage nicht zugänglich
gewesen wären. Daneben prosperierten in Kaiserslautern selbst die Kammgarnspinnerei
und die Buntweberei A. Orth.642 Ab 1870 gewann die Industrie endgültig das Übergewicht
in der Kaiserslauterer Wirtschaft, die Investitionsneigung der Unternehmer erreichte in der
Gründungszeit einen Höhepunkt.643
Eine Statistik von 1874 listet die Beschäftigungszahlen der Kaiserslauterer Industrie auf.
Dabei zeigt sich deutlich, dass die Textilindustrie das größte Gewerbe der Stadt war, hier
641
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 18-20.
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 21-24.
643
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 30.
642
114
waren 1.644 Menschen, in der Mehrzahl Frauen beschäftigt. Es folgt die eisenverarbeitende
Industrie mit 988 Arbeitern, die Ludwigsbahn-Werkstätten mit 300 und das Gienathsche
Stahlwerk mit 155 Beschäftigten. Schließlich waren weitere 130 überwiegend weibliche
Beschäftigte in der Tabakverarbeitung tätig. Leider unerwähnt bleibt in dieser Statistik die
Brauereiwirtschaft. Dies obwohl die Bierproduktion hier längst industrielle Züge angenommen hatte und Kaiserslautern mit über 20 Brauereien „eine der führenden Brauereistädte Südwestdeutschland“ war.644
Bis zum Ersten Weltkrieg hat sich die Gesamtzahl der in der Industrie Tätigen in Kaiserslautern von 2.800 auf 13.200 nochmals verfünffacht. Die Metallindustrie (5.500 Beschäftigte) konnte bis dahin die Textilindustrie (3.500 Beschäftigte) der Stadt noch übertrumpfen, an dritter Stelle rangierte die Holzwirtschaft (2.000 Beschäftigte), die 1870 noch stark
handwerkliche Züge aufwies. Ihren Status halten konnte die Tabakindustrie, während sich
im Brauereigewerbe ein Konzentrationsprozess vollzog, der viele kleinere Brauereien die
Existenz kostete. Insgesamt hatte die Industrialisierung in Kaiserslautern eine vielgestaltige
Form, in keiner anderen Stadt der Region waren so viele unterschiedliche Branchen vertreten. Die Firmen Pfaff und Kayser erlangten als Industrieunternehmen sogar weltweite Bekanntheit.645
Bevölkerungswachstum und Realteilung führten zu großer Armut in und um Kaiserslautern. Die Industrie schaffte zwar Arbeitsplätze, die Massenarmut konnte damit jedoch nicht
behoben werden. Das hohe Angebot an Arbeitskräften hatte sehr niedrige Einkommen zur
Folge. Im Vergleich zur Vorderpfalz waren die Verdienstmöglichkeiten sehr gering,646
allerdings lagen dort auch die Lebenshaltungskosten deutlich höher.647
In Kirchheimbolanden kam es zu keiner starken industriellen Entwicklung. Der Bahnanschluss erfolgte erst im Juli 1874,648 insgesamt behielten die Stadt sowie der gesamte Bezirk auch danach ihre überwiegend handwerklich und landwirtschaftlich geprägte Wirtschaftsstruktur.649 Lediglich in Eisenberg spielte die Eisenerzeugung eine größere Rolle.650
Dort gab es auch seit 1844 eine Papiermühle, die bis 1861 zur Fabrik ausgebaut wurde.651
Der Anschluss ans Eisenbahnnetz erfolgte 1876.652 Der Großteil der industriellen Berufe
im Bezirk Kirchheimbolanden entfiel auf Eisenberg, davon abgesehen hatte die Gegend
eine überwiegend agrarische Struktur.653
644
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 31.
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 34-43.
646
Vgl. Weidmann, Schwerpunkte, S. 26.
647
Vgl. Breunig, S. 72.
648
Vgl. Döhn, Hans: Kirchheimbolanden. Die Geschichte der Stadt, Kirchheimbolanden 1968, S. 373.
649
Vgl. Berufszählung, S. 270-307.
650
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 132.
651
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 139.
652
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 148.
653
Vgl. Berufszählung, S. 270-307.
645
115
Insbesondere die Nordpfalz, also der Raum um Kirchheimbolanden und Rockenhausen,
war noch sehr lange ganz überwiegend agrarisch geprägt, dabei allerdings mit keinen sonderlich fruchtbaren Böden ausgestattet.654 Für den Bezirk Kaiserslautern gilt — mit Ausnahme der Stadt selbst und den unmittelbar anschließenden Orten — weitestgehend dasselbe, wobei die Holzwirtschaft eine größere Rolle spielte. Zu nennen wäre noch die Eisenerzeugung in Trippstadt, Winnweiler und Eisenberg.655 Die in der zweiten Jahrhunderthälfte an Bedeutung gewinnenden Steinbrüche in Alsenz wären an dieser Stelle noch zu erwähnen.656
ccc) Konfessionsstruktur
Konfessionell war der gesamte Wahlkreis 6 protestantisch dominiert, wobei das Übergewicht in Rockenhausen und Kirchheimbolanden nochmals stärker ausfällt als in Kaiserslautern.657
Abb. 2217Wirtschaftsstruktur der größten Stadt Kaiserslautern und Konfessionsstruktur im Wahlkreis 6
bb) Deskriptiver Teil
aaa) Anknüpfungspunkte zur Sozialdemokratie : 1848
In Kaiserslautern entfaltete sich schon im Frühjahr 1848 ein reges Vereinsleben. Neben
dem eher konservativ-liberalen Vaterlandsverein gründete sich im Juli ein demokratischer
Verein, der allerdings nie mehr als 50 Mitglieder zählte. Dennoch etablierte sich besonders
in der Kaiserslauterer Presse die radikale Richtung. Der Bote für Stadt und Land, geleitet
654
Vgl. Rehberger, Anfang, S. 8/9.
Vgl. Kermann, Verkehr, S. 132.
656
Vgl. Rehberger, Gründung, S. 158.
657
Vgl. Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis, S. 85-87, S. 96-98.
655
116
vom Obmann des Pfälzischen Volksvereins Schmitt, verfolgte eine demokratische Richtung, daneben bekam das bis dahin harmlose Wochenblatt, wenn auch wahrscheinlich aus
finanziellem Interesse heraus, gar eine anarchistische Tendenz.658
Im Herbst 1848 kam es nochmals zu einer Umgestaltung des Vereinslebens. Im Sonntagskränzchen fanden sich etwa 120 Mitglieder der entschiedenen Linken, meist Angehörige
des Handwerkerstands oder kleine Gewerbetreibende. Akademiker waren in dieser Gruppierung nicht vertreten. Die Bürgerlichen der Stadt fanden in einem informellen Zirkel,
dem Bürgerclub, zusammen. Die Aufspaltung der revolutionären Bewegung in gemäßigte
Liberale und radikale Demokraten wurde zeitweise in kontroversen Sitzungen des Kaiserslauterer Volksvereins offenbar. Als die Situation sich Ende des Jahres 1848 zuspitzte und
ein Zusammenrücken geboten war, fanden beide Fraktionen allerdings wieder zusammen.659
Auch in Kirchheimbolanden hinterließ die Revolution ihre Spuren. Zwar kam es nicht zur
Gründung eines eigenen Arbeitervereins, jedoch war der Volksverein in der Stadt vergleichsweise radikal. Schon 1848 bildete sich hier eine Freischar, um die Revolution zu
verteidigen.660 Dennoch hielt sich die Mehrzahl der Bürger bei einem Scharmützel gegen
die anrückende preußische Armee am 14. Juni 1849 aus dem Konflikt heraus und hängte
von Anfang an weiße Fahnen aus dem Fenster.661
Nur wenig lässt sich über das Einwurzeln revolutionärer Ideen in der nordpfälzischen Provinz sagen. Immerhin berichtete ein preußischer Soldat 1849 aus dem Alsenztal, wo kurz
zuvor die Freischärler passiert waren, dass dort der „Geist der Unzufriedenheit“662 noch
weit verbreitet war. Genauere Untersuchungen zum Sachverhalt fehlen leider. Rehberger
führt die Dominanz der Nationalliberalen in der Nordpfalz auf den Nationalismus, vor allem aus „Franzosenhass“663 in der ehemals französisch regierten Pfalz zurück.
bbb) Lokale Organisation der Sozialdemokratie
Die einheitliche Organisation von Liberalen und frühen Sozialisten in der Revolution von
1848 wirkte in Kaiserslautern besonders lange nach. Hier kam es schon am 27. Februar
1867 zur Gründung eines Arbeitervereins. Ein Gastvortrag Herrmann Schultze-Delitzschs
am 8. Juli 1868 legt den Schluss nahe, dass dieser Verein der Fortschrittspartei nahe
stand.664 Am 26. April des darauffolgenden Jahres bildete sich schließlich ein Demokratischer Arbeiterbildungsverein (DABV), der bis Juni 1869 300 Mitglieder anzog. Die Füh-
658
Vgl. Ruppert, S. 74.
Vgl. Ruppert, S. 74-76.
660
Vgl. Döhn, S. 348.
661
Vgl. Döhn, S. 355-357.
662
Zitiert nach Wasem, Peter: Die Freischärler von 1848/49 in Langmeil, in: Nordpfälzische Geschichtsblätter 85 (2006 Nr.
1), S. 1-2, hier S. 1.
663
Siehe Rehberger, Anfang, S. 13.
664
Vgl. Herzog, S. 23.
659
117
rung des Vereins bestand aus sozialdemokratisch, allerdings nicht lassalleanisch gesinnten
Mitgliedern der deutschen Volkspartei.665 Aus dieser linksliberalen Gruppierung heraus
gründeten August Bebel mit anderen die sozialdemokratische Arbeiterpartei. Deren Eisenacher Parteiprogramm wurde nach Abdruck in der Pfälzischen Volkszeitung am 19. August
1869 auch in Kaiserslautern diskutiert.666
Der Vereinsvorsitzende Adolf Kröber versuchte, nachdem der Arbeiterverein der Fortschrittspartei Max Hirsch, den Nachfolger Schulze-Delitzschs als Gallionsfigur der liberalen Genossenschaftsbewegung, zu einem Vortrag nach Kaiserslautern geholt hatte, Bebel
für einen Auftritt in der Stadt zu gewinnen. In der Folge kam es zu heißen Diskussionen
über den Standpunkt des Vereins. Die Behörden stuften ihn als politische Organisation
ein.667 Das hatte zur Folge, dass er fortan unter verschärfter Beobachtung stand,668 andererseits aber auch ermächtigt war, in öffentlichen Angelegenheiten Stellung zu beziehen. Bei
den Wahlen zum Stadtrat im Dezember 1869 stellte der DABV gemeinsam mit der Volkspartei erfolgreich eine Kandidatenliste auf. Adolf Kröber war, wenn auch Mitglied der
Volkspartei, wahrscheinlich der erste Sozialdemokrat, der als Mitglied des Stadtrats in der
Pfalz ein öffentliches Amt bekleidete. Auch bei der Landtagswahl im Vormonat unterstützte der Arbeiterbildungsverein die Volkspartei.669
Neben dem wahlpolitischen Engagement entfaltete der DABV weitreichende Tätigkeiten.
Auf Betreiben des Vereins entstand im Februar 1870 eine Krankenkasse, bald darauf auch
ein Konsumverein, daneben veranstaltete er Diskussionsabende und Schulungen, an denen
unterschiedlichste politische Themen besprochen wurden. Insgesamt sorgte der Verein für
ein breites Bildungsangebot, so gehörten zum Beispiel auch Kurse in Buchhaltung zum
Programm. Einer für den 19. Juni 1870 angesetzten gesamtpfälzischen Delegiertenkonferenz der Arbeitervereine kam der Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs bevor. Aus
der Perspektive der parteigeschichtlichen Forschung ist dieser Ausfall besonders zu beklagen, stand doch die Klärung des Verhältnisses zwischen Arbeitern und den politischen
Parteien ganz oben auf der Tagesordnung.670
Mit dem deutsch-französischen Krieg erlahmte die Tätigkeit des DABV. Auf Krieg und
Reichsgründung folgte eine Welle des Patriotismus, die der kleindeutschen nationalliberalen Partei in die Hände spielten. Auch der Verlust Kröbers, der im Januar 1870 nach München zog, war ein Rückschlag für den Verein.671 Trotz dieser Widrigkeiten wurde der Arbeiterbildungsverein ernstzunehmender Faktor im politischen Leben Kaiserslauterns. Trotz
665
Vgl. Schreiben an Staatsminister von Braun vom 22. Juni 1869, in: BayHStA, Minn 66310.
Vgl. Herzog, S. 23-27.
667
Vgl. Herzog, S. 28-30.
668
Vgl. Schreiben an Staatsminister von Braun vom 22. Juni 1869, in: BayHStA, Minn 66310.
669
Vgl. Herzog, S. 30/31.
670
Vgl. Herzog, S. 31-34.
671
Vgl. Herzog, S. 34-36.
666
118
massiver Anfeindungen von bürgerlicher Seite verfolgte er mit Erfolg eine sozialdemokratische Ausrichtung. Bei der Nachwahl zum Reichstag 1873 erreichte der vom Arbeiterbildungsverein unterstützte sozialdemokratische Kandidat Johann Jacoby immerhin in den
Stadtgrenzen eine Mehrheit, allerdings gegen nur einen nationalliberalen Gegenkandidaten.672 Gegen die Volkspartei konnte der Verein in dieser Zeit allerdings noch nicht ankommen, wie das Ergebnis der Stadtratswahl im August 1873 deutlich zeigt.673
In der Folge zerbrach der DABV, ein Teil der Mitglieder schloss sich der seit Februar desselben Jahres bestehenden sozialdemokratischen Gruppierung Eisenacher Ausrichtung
unter der Führung von Franz Josef Ehrhart an. Dieser verließ Kaiserslautern allerdings
schon im Sommer 1873 aufgrund der starken polizeilichen Beobachtung in Richtung
Mannheim.674 Seine Tätigkeit blieb allerdings nicht wirkungslos, auch die Streikbewegung
gewann an Fahrt. So legten die Schreinergesellen Kaiserslauterns im Mai 1873 die Arbeit
mit der Forderung einer Lohnerhöhung um 25 Prozent nieder.675
Ständig von empfindlichen Haft- und Geldstrafen bedroht, gelang in den Folgejahren die
politische Arbeit nur schwerlich.676 Doch schon 1873 kann der harte Kern des Vereins
nicht wirklich groß gewesen sein. Die Wochenberichte des pfälzischen Regierungspräsidenten verzeichnen bei den Zusammenkünften zwischen dem 13. Februar und dem 19.
September 1873 jeweils nur drei bis 13 Besucher.677 Allerdings erreichten die Sozialdemokraten bei einer öffentlichen Versammlung im August 1874 immerhin 300 bis 400 Zuhörer.678 Unklar ist, ob der Verein nach Ehrharts Weggang formell weiter bestand. Es wurden
zwar Versammlungen abgehalten, eine Vereinigung bestand jedoch nach Behördenangaben im Januar 1874 und 1875 nicht.679 Herzog hält dem einen Zeitungsbericht entgegen,
der sich auf einen Mitgliedsausweis, datiert auf den 1. Juni 1875, bezieht.680 Weiterhin
findet sich auf der Delegiertenliste des sozialdemokratischen Vereinigungskongresses in
Gotha im Mai 1875 Ignaz Auer, der sein Mandat laut dieser Liste auch von 60 Parteimitgliedern aus Kaiserslautern erhielt.681 Es ist also wahrscheinlich, dass sich die Sozialdemo-
672
Jacoby überflügelte den nationalliberalen Kandidaten innerhalb der Stadt mit 674, gegenüber 435 Stimmen,
vgl. Herzog, S. 41.
673
Vgl. Herzog, S. 39-41.
674
Vgl. Herzog, S. 42/43. Herzog datiert die Gründung des Vereins auf den März 1873. Die erste Versammlung fand allerdings laut den Wochenberichten der pfälzischen Kammer des Inneren bereits am 13. Februar 1873 statt, vgl. Wochenbericht
vom 17.2.1873, in: BayHStA, Minn 30981/23.
675
Vgl. Wochenbericht vom 12.5.1873, in: BayHStA, Minn 30981/25.
676
Vgl. Herzog, S. 43.
677
Angegeben sind bei einer Versammlung am 13. Februar 1873 immerhin noch 13 Besucher, am 3. April 1873 waren es nur
noch drei, am 19. September 1873 immerhin wieder sechs, vgl. Wochenbericht vom 17.2.1873, in: BayHStA, Minn 30981/23,
Wochenbericht vom 7.4.1873, in: BayHStA, Minn 30981/24 und Wochenbericht vom 22.9.1873, in: BayHStA, Minn
30981/27.
678
Vgl. Wochenbericht vom 17.8.1874, in: BayHStA, Minn 30981/32.
679
Vgl. Rauland, Gerd: Der Beginn in der Westpfalz. Die Gründung der SPD in Kaiserslautern, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 118132, hier S. 120.
680
Die Kaiserslauterer Zeitung druckte eine Berichtigung, innerhalb derer sich der Cigarren-Fabrikant H. J. Theobald von der
Sozialdemokratie distanzierte und zum Beweis seinen Mitgliedsausweis vorzeigte, aus dem hervorgeht, dass er seine Beiträge
vom Januar 1876 nicht mehr bezahlte, vgl. Herzog, S. 44/45.
681
Vgl. Fricke, S. 141.
119
kraten schon vor dem Sozialistengesetz geheim, ohne formelle Anmeldung bei den Behörden organisierten.
Das Verzeichnis sozialdemokratischer Vereine in der Pfalz, angelegt im Zuge der Umsetzung des Sozialistengesetzes, verzeichnete 1878 im Bezirk Kaiserslautern nur drei Gewerkschaften mit zusammen 61 Mitgliedern.682 Bei der Reichstagswahl 1878 erreichte der sozialdemokratische Kandidat Dreesbach im gesamten Wahlkreis nur 173 Stimmen.683 Insgesamt war die Bekanntheit der Sozialdemokratie in der Stadt also noch relativ niedrig, was
auf Vereinstätigkeit im Untergrund hindeutet. Beispielhaft sei hier auf die Lebenserinnerungen von Daniel Leßwing verwiesen, der zwar schon auf Wanderschaft im Ausland gewesen war, aber als Arbeiter in Kaiserslautern erst 1878 im Zusammenhang mit einer Bekanntmachung zur Umsetzung des Sozialistengesetzes zum ersten Mal von der Existenz
einer sozialdemokratischen politischen Richtung erfuhr.684
In Otterberg wurden eher erfolglos Versuche unternommen, einen sozialdemokratischen
Arbeiterverein aufzubauen.685 Mehr ist über die frühe Ausbreitung der Sozialdemokratie
im nationalliberal dominierten Umland nicht bekannt.
Die Frühgeschichte der Sozialdemokratie in Kirchheimbolanden ist noch nicht geschrieben.
Eine Ortsgruppe der Eisenacher Richtung wurde im Jahr 1873 gegründet.686 Eine genauere
Untersuchung unter Heranziehung aller Akten der örtlichen Gendarmerie wäre angebracht,
die Akten der Landespolizei und die Wochenberichte der pfälzischen Regierung geben nur
am Rande Aufschluss über die sozialdemokratische Anhängerschaft in Kircheimbolanden.
Am 12. April 1876 rief der Neue Socialdemokrat zu einer Versammlung in Neustadt auf,
wobei die Einladung sich explizit auch an die Genossen in Kirchheimbolanden wendete.687
Als Schriftführer dieser Konferenz ist ein gewisser Berg in den Akten der Landespolizei
verzeichnet, der aus Kirchheimbolanden stammte, allerdings im April 1876 in Kaiserslautern wohnte.688 Im Juni 1878 waren der Polizei in Kirchheimbolanden sechs Sozialdemokraten bekannt.689 In den Verzeichnissen verbotener Vereine und sozialdemokratischer
Agitatoren, beide bei Umsetzung des Sozialistengesetzes erstellt, sind keinerlei Personen
oder Gruppierungen aus dem nordpfälzischen Landstädtchen eingetragen, genauere Mitgliederzahlen lassen sich also nicht ermitteln. Im September und Dezember 1877 fanden in
682
Verzeichnet ist die Mitgliedschaft der Braunschweiger Metallarbeitergewerkschaft (20 Mitglieder), der Gießener Schneidergenossenschaft (26 Mitglieder) und des Mannheimer Tischlerbundes (15 Mitglieder), vgl. Verzeichnis der sozialdemokratischen p. Vereine, in: BayHStA, Minn 66312.
683
Vgl. Herzog, S. 55.
684
Vgl. Leßwing, S. 70.
685
Der Wochenbericht der pfälzischen Regierung erwähnt eine Versammlung am 23. März 1873 in Otterberg, die allerdings
laut Behörden „keinen Anklang“ fand. Eine genaue Besucherzahl ist in dem Bericht nicht angegeben. Vgl. Wochenbericht
vom 30.3.1873, in: BayHStA, Minn 30981/24.
686
Vgl. Dietrich, Einigkeit, S. 24.
687
Vgl. „Vermischte Nachrichten“ in: Pfälzer Zeitung vom 13.4.1876, in: LA SP, H-3 929-I.
688
Vgl. Schreiben des Bezirksamts Neustadt an die Regierung der Pfalz vom 18.4.1876, in: LA SP H-3 929-I.
689
Vgl. Schreiben der Gendarmerie Kirchheimbolanden vom 6. Juni 1878, in: LA SP, H-3 929-II.
120
Kirchheimbolanden zwei Versammlungen jeweils mit Dreesbach als Redner statt. Die Besucherzahl lag bei 150, beziehungsweise 200.690
Schon in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre waren die ersten sozialistischen Wanderagitatoren in der Gegend aufgetaucht. Allerdings kam es erst 1887 unter dem Sozialistengesetz
zur Formierung der Arbeiter in den Steinbrüchen in Form von Gründung eines Steinmetzvereins.691 In Rockenhausen gründete sich gar erst 1920 ein sozialdemokratischer Ortsverein.692 Ansonsten gab es in der Nordpfalz keine Ansätze zu sozialistischen Gründungen.
ccc) Ausblick
Auch wenn vereinzelt bürgerliche Repräsentanten die Sozialdemokratie unterstützten, war
die einflussreichsten politischen Kräfte in Kaiserslautern der Sozialdemokratie gegenüber
doch feindlich gesinnt. Die Bandbreite der Gegenmaßnahmen umfasst sowohl von staatlicher als auch von bürgerlicher Seite das gesamte Spektrum von Verhaftungen, Berufsverboten bis zur massiven Anfeindung als „logisch-widersinnig“ und „umstürzlerisch“.693
Politische Arbeit war, nachdem die Sozialdemokratie ab 1873 einmal von der Volkspartei
gelöst war, nur äußerst bedingt möglich.
Dennoch konnte die Partei einen festen Mitgliederstamm von etwa 60 Personen halten und
die Parteiarbeit auch unter dem Sozialistengesetz fortführen. Als erstes gründete sich am
25. März 1882 eine sechs Personen umfassende sozialistische Gewerkschaft der Metallarbeiter. 694 Daneben konnte die Sozialdemokratie durch die linksliberale Zeitung Pfälzische
Freie Presse sowie der Tätigkeit des Wahlvereins in der Stadt an Boden gewinnen.695 Seit
dem Sozialistengesetz kam die Partei in der Stadt allerdings nur allmählich voran. An der
Maifeier der Partei 1891 nahmen nur 300 der geschätzt 12.000 Arbeiter teil. 1898 waren es
allerdings schon mehrere tausend. Ein Großteil der Arbeiter schloss sich noch zur Zeit des
Sozialistengesetzes der liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaft an.696 Es zeigt sich
erneut, dass in Kaiserslautern der Gegensatz zwischen Sozialisten und Linksliberalen nur
gering ausgeprägt war. Diese Tradition von 1848/49 hat sich also in der Barbarossastadt
sehr lange gehalten. 1905 lebte die Sozialdemokratie im gesamten Wahlkreis in sieben
Organisationen mit insgesamt 520 Mitgliedern, damit fiel der Wahlkreis bezüglich der Organisationsdichte hinter dem Wahlkreis Pirmasens-Zweibrücken zurück.697
690
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Kirchheimbolanden, in: BayHStA, Minn 66112.
Vgl. Rehberger, Reinhold: „Dem gedrückten Arbeiter zur Seite stehen“. Die Gründung der nordpfälzischen Sozialdemokratie, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und
G. Nestler, Speyer 1999, S. 158-169 (Zitiert als: Rehberger, Gründung), hier S. 158/159.
692
Vgl. Rehberger, Anfang, S. 46.
693
Vgl. Herzog, S. 39.
694
Vgl. Krämer, Reinhard: 125 Gewerkschaftsbewegung in Kaiserslautern. Die Metallarbeiter als Schrittmacher, in: Die
Rheinpfalz, Ausgabe Kaiserslautern, Nr. 99 vom 28.4.2007.
695
Vgl. Schneider, Arbeiterbewegung, S. 105/106.
696
Vgl. Krämer.
697
Vgl. Breunig, S. 789.
691
121
Im ländlichen Umkreis der Stadt war die Entwicklung unterschiedlich. Die verzögerte Parteibildung im nationalliberal dominierten abgelegenen Bezirk Rockenhausen ist bereits
angeklungen ebenso wie die relativ erfolgreiche Parteiarbeit im verkehrstechnisch wichtigen Alsenztal. Zusammenfassend lässt sich sagen, Kaiserslautern entwickelte sich zu einem
mittleren Zentrum der Partei, während die Partei den ländlichen Gebieten je nach Verkehrsanbindung Fuß fassen konnte.
Abb. 23 18Auch im Wahlkreis 6 wurde die SPD bis zum Ersten Weltkrieg die stärkste Kraft.
122
V Ausblick und Schlussbetrachtung
Obwohl die SPD phasenweise durch das Sozialistengesetz in die Illegalität abgedrängt
worden war, konnte sich die Partei behaupten und mit der Zeit als wichtiger politischer
Faktor in der Pfalz etablieren. In der Vorderpfalz, insbesondere in Ludwigshafen, wo die
Organisationsdichte schon 1878 am höchsten gewesen war, konnte sich die Parteiorganisation am schnellsten wieder sammeln. Illegal wurden Parteizeitungen verbreitet und Versammlungen organisiert. Nach Zusammenstößen des Militärs mit Arbeitern im Sommer
1884 in Ludwigshafen, mussten auch die Behörden erkennen, dass die Sozialdemokratie
durch polizeiliche Repressionen nicht einzudämmen war.
Abb. 25 2Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich die SPD zur stärksten Partei in der Pfalz.
In der Folgezeit war die Arbeit der Partei nur noch durch schwächere Repressionen belastet. Die Bildung von Arbeiterwahlvereinen wurde akzeptiert,698 auch in Kaiserslautern und
Pirmasens konnte die Partei nun wieder an Boden gewinnen. Spätestens ab der Legalisierung 1890 wurde die SPD zum ernstzunehmenden politischen Faktor in der Pfalz. Unter
der eher gemäßigten Führung Franz Josef Ehrharts, die sich auch in den zahlreichen Wahlbündnissen mit Linksliberalen und Katholiken zeigt, konnte die Partei immer weitere Teile
der Bevölkerung für ihre Ziele gewinnen. Auch in der provinziellen Westpfalz wuchs die
SPD nun beständig. Nur im katholischen Gebiet um Germersheim blieb die Partei
698
Vgl. Ehrhart, Franz Josef: 1884. Ein bewegtes Jahr, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von
den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 135-141.
123
schwach.699 Dennoch entwickelte sich die Sozialdemokratie insgesamt sehr stark, bei den
Reichstagswahlen 1912 erreichte sie erstmals die meisten Stimmen im gesamten Bezirk.
Dafür verantwortlich war vor allem die wachsende Anhängerschaft in immer breiteren
Schichten der Bevölkerung. Die SPD wurde letztlich zur Partei der Industriearbeiter —
ganz wie es ihrem Selbstverständnis entsprach. Dabei sind die eigentlichen Wurzeln der
Sozialdemokratie komplexer. In der Gesamtschau bestätigt sich zwar Rohes These, dass
sozialer und tradierter Zugang die wichtigsten Ansätze zur Herausbildung der sozialdemokratischen Bewegung wurden. In Ludwigshafen, Lambrecht und Pirmasens war besonders
die soziale Situation der wichtigste Faktor zur Parteigründung, auch der kulturelle Aspekt
macht sich speziell bei der Betrachtung der Parteigeschichte in Neustadt bemerkbar.
Dennoch ist dem, gerade in einer zumindest in Teilen sehr provinziellen Gegend wie der
Pfalz, der Aspekt der Verkehrswege700 hinzuzufügen. Eindruckvollstes Beispiel in diesem
Zusammenhang ist die verzögerte Entwicklung der Sozialdemokratie in Pirmasens. Nicht
zuletzt spielt demnach die Anbindung an die großen Industriezentren, von wo aus der radikalere Flügel der Sozialdemokratie in Deutschland eigentlich ausging, eine große Rolle.
Gerade die Beispiele Pirmasens, wo das praktisch überhaupt nicht gegeben war, und Ludwigshafen als gute angebundene SPD-Hochburg machen dies deutlich. Bezeichnend ist
auch das Beispiel des Wahlkreises Kusel-Homburg, wo die gesamte politische Entwicklung des 19. Jahrhunderts nur mit jahrzehntelanger Verspätung ankam. Es wäre in diesem
Zusammenhang eine interessante Forschungsfrage, ob dieser Faktor mit der zunehmenden
und flächendeckenden Verbreitung elektronischer Medien im 20. Jahrhundert an Bedeutung verlor.
Man ist leicht geneigt, die geringe frühe Ausbreitung der Sozialdemokratie in Pirmasens in
der handwerklich-kleinteilig-patriarchalischen Struktur der dort vorherrschenden Schuhindustrie zu begründen. Die Beispiele Ludwigshafen und Frankenthal zeigen aber deutlich,
dass es nicht die Fabrikarbeiter der großen chemischen und Metallindustrie waren, sondern
vor allem kleine Handwerker, insbesondere Schuhmacher,701 die zunächst Hauptträger der
ersten sozialdemokratischen Organisationen darstellten. Daher fasst dieser Erklärungsansatz zu kurz.
Vielmehr ist es das Zusammenkommen der unterschiedlichsten Faktoren, die das Entstehen
der Sozialdemokratie ermöglichte. Konfessionelle Aspekte und Enkulturationsmuster gehören ebenso dazu wie staatliche oder unternehmerische Gegenmaßnahmen, aber auch
Gegenangebote.
699
Vgl. Fenske, Hans: Jahre des steten Aufstiegs. Die pfälzische Sozialdemokratie 1900-1914, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 197220, hier: S. 200-210.
700
Bei Rohe ist wird Aspekt unter dem Stichwort „Organisationsfaktoren“ angedeutet, siehe Rohe, S. 86.
701
Vgl. Theisohn, S. 19.
124
Die auf die Parteigeschichte im engen Sinn gemünzte Literatur betont bei der Behandlung
der demokratischen Arbeitervereine in Edenkoben, Speyer, Neustadt und Kaiserslautern
die liberale Führung im Gegensatz zur Sozialdemokratie.702 Eine Unterscheidung, die in
Anbetracht des gerade in der Provinz nur ansatzweise ausgeformten Parteiwesens doch
äußerst zweifelhaft erscheint. Zumindest zwischen Linksliberalen und früher Sozialdemokratie bestand gerade in der Anfangszeit eine engere Beziehung als es im Nachhinein auf
den ersten Blick scheinen mag. Gerade an der Entwicklung in Kaiserslautern lässt sich dies
anschaulich belegen.
Hinzu kommt, dass die wichtigsten Vordenker des frühen Sozialismus, Lassalle und Marx,
selbst eindeutig einen bürgerlichen Hintergrund hatten, was sie noch lange nicht zu Vertretern des Liberalismus macht. Nur weil die Richtungskämpfe — wie der zwischen Bebel,
Liebknecht und bürgerlichen Volksparteilern — in der Provinz erst mit zeitlicher Verzögerung ausgetragen wurden, ist die Darstellung der Pfalz als terra incognita der frühen Sozialdemokratie Ende der 1860er Jahre unangebracht. Auch in Anbetracht des eher integrierenden Charakters der pfälzischen Linken, wie er sich bereits 1848 offenbarte, erscheint die
Verengung der Parteigeschichte auf statutenmäßig lassalleanische oder bebelianische Arbeitervereine überzogen. Besonders die demokratischen Arbeitervereine der Volkspartei
bedürfen also in der bis dato vorwiegend vorderpfälzisch-lassalleanischen sozialdemokratischen Parteigeschichte einer weitergehenden Berücksichtigung.
Auch was die Verteilung der Strömungen, die zur Sozialdemokratie hinführten, angeht,
erweist sich die Pfalz als repräsentatives Beispiel für Gesamtdeutschland. Die eher in linksliberale Gruppierungen eingehegte süddeutsche Bewegung erlangte in Kaiserslautern weitreichende Bedeutung, die krasse Abspaltung vom Bürgertum der in den preußischen Industriestädten starken Lassalleaner verbreitete sich in den wuchernden Elendsquartieren
Ludwigshafens.
Die unterschiedlichen innerpfälzischen Stränge der Sozialdemokratie lassen sich in Kontinuität zu 1848/49 gut fassen. Wie bei der Revolution zur Jahrhundertmitte war die Intensität der politischen Mobilisierung und Radikalität von West nach Ost unterschiedlich. In den
westlichen Städten Zweibrücken, Pirmasens und Homburg fanden die Sozialisten der
1870er Jahre ebenso wenig Anklang, wie die Revolutionäre 1849. In und um Kaiserslautern fasste eine gemäßigte Opposition Fuß. Die Vorderpfalz war nach wie vor der Brennpunkt der politischen Auseinandersetzung.
Nur die Gegenstrategien des Staates waren 1878 schwächer als 1849. So blieben die politischen Führer der Bewegung dieses Mal in der Region, um den Kampf der Sozialdemokratie aus dem Untergrund fortzuführen. Dabei hat die Vorgeschichte mit dem militärischen
702
Vgl. Schneider, Sozialdemokratie, S. 73.
125
Eingreifen Preußens und den ungleich gewaltsameren Repressalien durch das Vereinsgesetz der Reaktionsära der frühen Sozialdemokratie womöglich ein nützliches Narrativ geliefert, um sich als unterdrückte Avantgarde — ganz im Sinn der großen Erzählung des
Marxismus — zu präsentieren. Nicht nur in dieser Hinsicht darf der Sozialismus als kleiner
Bruder des Liberalismus gelten.
126
VI Anhang
VI.1 Tabellarischer Anhang
VI.1.1 Bevölkerungsstatistik 1855-1895
Bevölkerungsentwicklung der Gesamtbezirke
Bezirksamt:
Amtsgericht:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Bezirksamt:
Amtsgericht:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Bezirksamt:
Amtsgericht:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Bergzabern Dürkheim
Bergzabern Annweiler
24425
15214
24078
15430
23735
15708
23054
15164
22934
15854
23516
15765
22976
15468
22091
14990
21639
15828
39639
39508
39443
38218
38788
39281
38444
37081
37467
28485
28459
28561
28072
27929
29043
29135
29211
28696
Frankenthal
Frankenthal Grünstadt
19988
24011
20614
24116
21105
24298
21990
22378
23393
21665
25470
22230
28271
22093
30892
21417
33320
21494
Germersheim
Germersheim Kandel
27817 27173
29143 27373
29536 27076
25536 26750
26223 27323
26661 28223
25752 27314
25414 27045
25054 27194
St. Ingbert
9306
11863
13494
13984
14920
15789
16426
17431
19672
54990
56516
56612
52286
53546
54884
53066
52459
52248
43999
44730
45403
44368
45058
47700
50364
52309
54814
Homburg
Homburg
Landstuhl Waldmohr
9680
17621
15863
10155
18302
16863
10653
19227
17928
10693
18906
18216
10938
19856
18726
11840
20935
19760
11649
21255
19995
12333
21239
21154
12987
21840
23139
43164
45320
47808
47815
49520
52535
52899
54726
57966
St. Ingbert
Kaiserslautern
Blieskastel (1.Teil)
Kaiserslautern Otterberg
11636
20942
25127
11933
37060
12128
23991
28001
12778
40779
12643
26137
31618
13044
44662
12150
26134
33657
12626
46283
12861
27781
39201
12930
52131
13316
29105
43379
13507
56886
13388
29814
48849
13529
62378
13786
31217
55280
13855
69135
14412
34084
59791
14229
74020
I
Bezirksamt:
Amtsgericht:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Kirchheimbolanden
Kusel
Kusel
Lauterecken
Wolfstein
24521
17203
9706
11651
38560
24503
17777
9690
12038
39505
24179
18552
9612
12169
40333
24378
18582
9387
11744
39713
24268
19091
9470
11838
40399
25368
20161
9807
12452
42420
25310
19899
9792
12263
41954
25050
19982
9856
12147
41985
25488
20559
10083
12226
42868
Bezirksamt:
Landau Ludwigshafen Neustadt
Amtsgericht: Landau
Edenkoben
1855:
37907
25540
63447
25055
35770
1861:
39424
26295
65719
27253
36565
1867:
37955
25347
63302
29206
37764
1871:
33083
23805
56888
32666
39055
1875:
34089
23994
58083
38550
39944
1880:
35928
24728
60656
43871
42310
1885:
35940
25499
61439
51923
43678
1890:
37610
25582
63192
61478
45613
1895:
40429
26325
66754
70297
47351
Bezirksamt:
Amtsgericht:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Pirmasens
Rockenhausen
Pirmasens Dahn Waldfischbach
Rockenhausen Obermoschel Winnweiler
18684 9363
9766
37813
10668
14650
12979
38297
19985 9667
9996
39648
10650
14909
13041
38600
22241 9968 10594
42803
10794
14958
13054
38806
22260 9351 10486
42097
10557
15115
12936
38608
24902 9501 10817
45220
10581
15039
13014
38634
27297 9797 11106
48200
10747
15474
12982
39203
30244 9425 10714
50383
10442
15666
12863
38971
37349 9092 10919
57360
10186
15859
12509
38554
41850 9317 11293
62460
10037
16120
12358
38515
Bezirksamt: Speyer
Zweibrücken
Amtsgericht:
Zweibrücken Blieskastel (2. Teil)
1855:
24428
28382
1679
30061
1861:
25875
29328
1770
31098
1867:
28117
31139
1791
32930
1871:
26662
30085
1707
31792
1875:
28205
31521
1677
33198
1880:
30397
33576
1846
35422
1885:
31282
33633
1702
35335
1890:
32886
34311
1772
36083
1895:
34787
36357
1819
38176
II
Bevölkerungsentwicklung der elf größten Städte der Pfalz:
Stadt:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Dürkheim Frankenthal Germersheim St. Ingbert Kaiserslautern Landau
5552
5988
8358
5041
10076
11061
5540
6228
9673
6918
12029
12244
5541
6553
10181
7815
15289
11081
5572
7021
6223
8434
17896
6921
5841
7907
6455
9220
22669
7579
6089
9043
6449
9811
26323
8749
6110
1097
6128
10321
31449
9395
6080
13008
6137
10847
37047
11136
6055
14445
5736
12278
40828
13617
Stadt:
1855:
1861:
1867:
1871:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
Ludwigshafen Neustadt Pirmasens
Speyer
Zweibrücken
2296
7138
6376
11725
8585
3331
7611
7097
12810
8519
4887
8608
8675
14806
9353
7874
9320
8563
13223
8395
12093
10222
10136
14321
9248
15012
11411
12039
15589
10382
21042
12255
14938
16238
10665
33216
15016
21041
17587
11204
39799
15994
24548
19044
12000
Alle Zahlen sind entnommen aus Statistik Bayerns, Wanderungen S. 40-52.
III
VI.1.2.1 Berufsstatistik von 1882
Anmerkungen:
Aufgrund der Darstellung des Zahlenmaterials in der Originalquelle nach Berufsgruppen, nicht
nach Bezirken, war die Zitationsweise anhand der Originalquelle nicht praktikabel. Daher verweist
diese Arbeit an den entsprechenden Stellen auf die hier wiedergegebene Statistik (Zitiert als: Berufsstatistik).
Alle angegebenen Zahlen stammen aus:
Königl. statistisches Bureau (Hrsg): Die Ergebnisse der Berufszählung im Königreich Bayern vom
5. Juni 1882, Teil 3. Die bayerische Bevölkerung nach ihrer gewerblichen Thätigkeit = Beiträge
zur Statistik des Königreichs Bayern 50 (1886).
1882 bildete Dürkheim noch einen eigenen Bezirk, Ludwigshafen hingegen war noch Teil des
Bezirks Frankenthal. Die Angaben zu den Bezirksämtern beinhalten nicht die einzeln aufgelisteten
elf größten Städte der Pfalz.
Die Einteilung in Berufsgruppen orientiert sich an der Einteilung des königlich-bayerischen statistischen Büros. Die Berufe sind dort infolgende Gruppen untergliedert:
I = Kunst- und Handelsgärtnerei, Baumschulen
II = Gewerbsmäßige Tierzucht (ohne landwirtschaftliche Nutztiere)
III = Bergbau-, Hütten- und Salinenwesen, Torfgräberei
IV = Industrie der Steine und Erden
V = Metallverarbeitung
VI = Maschinen, Instrumente, Apparate
VII = Chemische Industrie
VIII = Forstwirtschaftliche Nebenprodukte, Leuchtstoffe, Fette, Öle und Firnisse
IX = Textilindustrie
X = Papier und Leder
XI = Holz- und Schnitzstoffe
XII = Nahrungs- und Genussmittel
XIII = Bekleidung und Reinigung
XIV = Baugewerbe
XV = Polygraphische Gewerbe
XVI = Künstler, künstlerische Betriebe für gewerbliche Zwecke
XVII = Handelsgewerbe
XVIII = Versicherungsgewerbe
XIX = Verkehrsgewerbe
XX = Beherbergung und Erquickung.
IV
Berufsstatistik nach Wahlkreisen:
Wahlkreis 1
Stadt Frankenthal
BA Frankenthal BA Speyer
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
6
6
2
11
120
576
161
257
87
110
14
35
8
19
85
86
48
139
236
308
324
498
937
1145
295
447
2
2
3
8
760
616
28
5
5
22
13
51
397
132
232
65
91
5
209
8
13
109
784
35
46
202
221
230
953
786
890
263
359
Stadt Ludwigshafen
Stadt Speyer
3
3
5
5
7
101
1
10
15
235
79
250
129
690
422
41
1
10
63
226
155
5
14
57
245
26
628
4
6
6
31
8
9
19
70
53
228
60
714
266
355
46
144
4
28
1
4
216
276
15
6
18
35
63
79
6
139
41
145
22
696
7
2627
5
35
9
259
21
38
52
135
60
240
313
484
51
468
6
56
1
2
299
492
23
10
31
154
72
159
13
103
58
148
32
62
8
187
7
22
25
37
37
86
98
170
105
747
516
766
66
141
14
78
2
6
341
475
16
1
41
52
80
134
4471
4854
2877
6146
3331
3603
2877
871
1022
1474
V
Wahlkreis 2
BA Landau
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
BA Neustadt
4
7
1
Stadt Dürkheim Stadt Landau
Stadt Neustadt
12
5
14
6
16
10
37
20
5
1
83
197
220
450
113
168
8
17
8
5
288
269
46
71
460
601
386
609
1157
1320
403
519
4
15
3
3
958
666
35
2
150
74
292
142
96
313
188
287
95
153
13
22
12
21
182
666
49
380
348
483
295
509
1015
1182
350
522
5135
4619
2
25
4
18
28
63
14
43
4
19
3
12
6
9
18
74
46
95
51
118
180
285
39
115
4
26
2
4
181
171
7
26
28
39
47
15
26
39
78
18
70
6
12
8
20
17
19
29
50
65
155
65
211
350
483
46
188
11
46
2
4
254
423
17
2
21
31
58
124
9
51
52
116
32
153
3
7
5
36
29
200
27
195
74
215
94
319
384
580
65
165
8
45
2
7
350
509
28
17
30
45
67
125
5545
1162
1979
2805
4112
659
1036
1265
1
1
952
730
31
3
167
93
301
164
VI
Wahlkreis 3
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
BA GermersBA GermersBA Bergzabern heim
heim
3
13
3
4
16
3
27
8
19
10
1
1
81
81
3
216
168
4
156
162
17
210
198
28
92
92
11
117
107
29
10
5
2
72
44
4
19
17
2
23
25
5
185
315
9
149
233
15
60
57
11
119
66
21
628
465
20
736
505
42
263
297
45
334
660
135
751
866
158
815
932
207
283
359
27
369
426
71
5
3
5
20
15
10
2
2
5
4
677
971
98
573
646
122
23
50
10
1
177
141
11
63
73
11
276
315
41
217
131
68
4042
4270
785
3692
4239
481
VII
Wahlkreis 4
BA Zweibrücken
BA Pirmasens
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
1
7
1
1
27
41
84
130
153
85
96
6
18
15
9
156
116
26
38
307
360
246
268
1327
1510
258
314
1
3
1
1
385
231
12
4
4
6
4
1
108
128
221
176
367
73
84
7
8
4
5
250
181
82
558
372
423
253
357
756
882
287
398
1
1
407
270
16
Stadt St. Ingbert
Stadt Pirmasens
2
2
Zweibrücken
2
6
6
20
2
1539
10
477
36
59
8
15
3
19
3
17
8
6
13
20
24
38
55
115
146
194
26
51
4
8
1
8
19
35
69
16
38
2
4
3
11
2
4
24
223
48
83
58
139
1264
2823
53
184
5
17
274
314
13
6
13
15
56
83
9
19
56
220
27
393
4
11
4
12
34
273
31
91
91
243
89
320
334
643
51
244
7
25
1
3
312
354
17
2
21
21
88
154
156
33
195
81
65
27
274
287
127
111
7
1
30
29
68
56
3343
4185
2757
4038
3048
3356
3162
572
1876
1183
VIII
Wahlkreis 5
BA Homburg
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
BA Kusel
1
1
4
1
6
362
64
216
234
404
106
116
9
10
20
26
177
160
49
71
362
419
380
457
857
980
268
423
3
5
4
5
644
446
28
1
4
55
122
670
238
402
136
184
5
5
17
20
152
210
46
112
257
310
273
357
838
963
336
609
4
8
5
14
512
387
21
165
55
268
92
78
19
274
159
4249
4484
3649
3311
2
IX
Wahlkreis 6
BA Kaiserslautern
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Betriebe
Beschäftigte
Hauptsumme
Beschäftigte
Hauptsumme
Betriebe
BA Kirchheimbolanden
Stadt Kaiserslautern
5
13
2
4
20
1
1
490
381
30
1
294
99
219
98
2
20
123
488
262
561
147
233
13
17
11
40
180
158
61
163
344
454
455
536
1155
1464
496
737
2
35
6
8
885
686
41
1
104
44
359
198
1
147
19
257
86
715
55
1031
11
154
5
36
35
1093
52
106
178
595
173
780
547
766
116
676
14
86
1
5
553
813
38
8
63
105
111
222
4852
5856
7615
3370
5653
2062
3
2
14
103
406
197
558
103
141
7
67
9
16
183
889
30
39
300
359
248
320
762
893
389
569
X
VI.1.2.2 Anzahl der BASF-Arbeiter (Ludwigshafen) von 1865 bis 1900
Zahlen nach Breunig, S. 29.
1865:
1870:
1875:
1880:
1885:
1890:
1895:
1900:
Anzahl der Arbeiter
30
520
835
1536
2377
3600
4450
6299
VI.1.3 Konfessionsstatistik 1911
Alle Zahlen entnommen von Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis.
VI.1.3.1 Konfessionen in Städten
Anmerkung: Aus unbekannten Gründen waren die Konfessionsdaten für die Stadt Landau nicht in
der Quelle abgedruckt.
Dürkheim
Frankenthal
Germersheim
St. Ingbert
Kaiserslautern
Katholisch:
1116
6970
3665
13540
19332
Protestantisch:
5093
11205
2107
3632
34005
Gesamt:
6523
18779
5838
17278
54659
Ludwigshafen
Neustadt
Pirmasens
Speyer
Zweibrücken
Katholisch:
39939
7423
12664
9996
4827
Protestantisch:
40895
11403
24599
12540
9992
Gesamt:
83391
19288
38463
23045
15250
VI.1.3.2 Konfessionen in gesamten Bezirksämtern (inklusive Städte)
Bergzabern
Dürkheim
Frankenthal
Germersheim
Homburg
Katholisch:
18198
9656
25889
36589
38324
Protestantisch:
20559
18915
40233
19767
36054
Gesamt:
39330
29110
67658
56958
74849
St. Ingbert
Katholisch:
Protestantisch:
Gesamt:
Kaiserslautern
Kirchheimbolanden
Kusel
Landau
37042
30537
6645
5033
30546
6393
59821
20162
41448
22870
43647
91573
27480
46730
54024
XI
Ludwigshafen
Neustadt
Pirmasens
Rockenhausen
Speyer
Katholisch:
52115
21023
41526
7912
30829
Protestantisch:
63093
31837
43867
29657
11873
118130
21023
86981
38429
43322
Gesamt:
Zweibrücken
Katholisch:
15045
Protestantisch:
31808
Gesamt:
47519
VI.1.4 Reichstagswahlergebnisse der Pfalz
Alle Zahlen entnommen von Bräunche, Parteien, S. 338-340.
Wahlkreis 1
SPD
NaLib
LiLib
DVP
Zentrum
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
1868
5026
5819
16350
10853
1871
7972
2889
18430
10871
21354
17024
1874
752
10839
5402
1877
1708
10012
5414
335
23619
17476
1878
1679
9482
5399
612
24096
17180
1881
2912
6541
47
3170
298
24306
13011
1884
4822
8516
1081
4752
25866
19183
1887
4052
12986
6793
27794
23848
1890
5993
10379
1088
6068
29222
23540
1893
7433
12103
407
6130
31289
26158
1898
12008
9304
398
6566
35365
28415
1903
16567
6990
8095
41754
36507
1907
18539
13708
8169
44931
40585
1912
21811
10786
10247
49440
43213
XII
Wahlkreis 2
SPD
NaLib
LiLib
DVP
Zentrum
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
1868
9701
1526
22009
11227
1871
9315
219
24121
9556
1874
14556
6150
25871
20766
1877
851
11392
4955
570
27154
17787
1878
327
11210
4818
1079
27823
17438
1881
127
7397
2794
236
27121
14956
1884
215
11114
5700
4751
27799
21789
1887
365
13776
10627
11187
28198
23848
1890
8799
11972
10266
4934
28360
23123
1893
1670
11582
4594
5623
29678
22849
1898
3502
8086
3838
5623
30610
21113
1903
5549
12295
8236
32680
26190
1907
6340
14613
8767
33485
29825
1912
8442
11652
34619
30569
3989
404
10369
Wahlkreis 3
SPD
NaLib
LiLib
DVP
Zentrum
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
1868
6893
6452
16653
13141
1871
7355
2114
17688
9471
1874
9645
7259
19217
16943
1877
9423
7740
274
20112
17442
1878
8684
6496
313
20140
15507
1881
5483
41
4255
121
19142
9915
1884
8606
84
7080
18714
15773
18931
16711
18484
14125
1887
9357
7319
1890
230
7615
137
6125
1114
1893
757
6700
5946
18656
14557
1898
1198
6432
6060
19348
13771
1903
1397
8225
8223
20632
17889
1907
1547
9102
8584
21414
19295
1912
2696
6295
8129
21731
19449
2188
XIII
Wahlkreis 4
SPD
NaLib
LiLib
DVP
Zentrum
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
1868
8199
4036
15852
12274
1871
7564
4112
18285
11985
1874
9308
8581
20339
17920
1877
9234
8319
22014
18033
1878
8347
8031
22219
17248
1881
7610
5605
21560
13245
1884
8911
8015
21742
17011
69
1887
27
11458
9264
22897
20755
1890
1995
9645
137
7364
23589
19168
1893
1845
9504
771
8296
25098
20485
1898
2865
9119
160
9259
29039
21483
1903
5323
10866
11471
31737
28142
1907
5720
12224
12467
33667
30493
1912
8564
10958
11722
36564
32620
411
1248
Wahlkreis 5
SPD
NaLib
1868
8988
1871
8290
1874
LiLib
DVP
Zentrum
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
15408
8993
284
16671
8619
10908
4189
17991
15099
1877
9521
3755
381
18742
13669
1878
8936
3402
62
19258
12407
1881
5998
2257
18581
10757
1884
7517
3562
18937
12835
19665
16125
19791
12321
20175
13121
22118
10834
24044
17106
25739
20523
27158
21064
1887
1752
11332
4786
1890
94
8238
33
1893
99
9095
1848
1898
580
6709
3502
1903
1744
5029
5026
5237
1907
1711
5236
11595
1912
3655
5897
3924
2044
11419
1898
XIV
Wahlkreis 6
SPD
NaLib
LiLib
DVP
1868
Zentrum
7217
1871
10576
1874
11209
1877
9611
421
162
BdL
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
442
19539
7760
54
21036
10630
3421
22984
15081
3098
1549
22592
14430
67
3165
1578
24486
14813
646
24298
11901
25165
14871
1878
173
9821
1881
117
5687
47
3642
1728
1884
335
7020
499
4833
2182
1887
616
12978
9045
26268
22639
1890
1659
10108
5916
2487
26627
20179
1893
2525
9948
4888
2551
27480
19948
1898
4993
784
4219
2855
6078
29391
19015
1903
7009
8024
4248
6114
32045
25450
1907
7629
273
4413
10979
33414
27475
1912
11306
8401
34863
29600
4072
44
9770
Pfalz
SPD
NaLib
1868
LiLib
DVP
38807
1871
Zentrum
752
66465
1877
2559
59193
1878
2179
56480
1881
3156
38716
1884
5372
1887
Sonstige
Wahlberechtigt
Wähler
7217
18277
105811
9399
116231
61200
421
35001
127756
102833
51072
1874
BdL
162
64248
33278
3585
134233
98837
67
31311
4500
138022
94593
4124
6513
19809
1301
135008
73785
51684
7433
6585
30342
138223
101461
5060
71887
15413
9045
23376
143753
124855
1890
10850
57957
11661
5916
25968
146073
112456
1893
14329
58932
5772
4888
29705
1114
152376
117118
1898
25146
40434
4396
4219
33865
6078
164871
114631
1903
37589
43404
8024
45299
16507
182892
151284
1907
41486
49647
273
47636
22574
192650
168197
1912
56474
45588
8401
30098
34994
204375
176515
4072
2044
1942
XV
VI.2 Bildnachweis
Abbildung 1
Deckblatt, Wahlkreisgrenzen nach Bräunche im Anhang (keine Seitenzahl). Einfärbung nach Organisationsdichte in den Wahlkreisen, vgl. Breunig S. 789, verrechnet mit Bevölkerungsdaten. Die einzelnen Gemeindegründungen ergaben
sich aus einer Gesamtschau der in diese Arbeit eingeflossenen Daten.
Abbildung 2
Jahreszahlen und Einzelheiten ergaben sich aus einer Gesamtschau der für diese
Arbeit verwendeten Literatur.
Abbildung 3
Konfessionskarte orientiert an: Karte über Verteilung der Konfessionen im deutschen Reich, auf den Internetseiten des Instituts für Mathematik der Universität
Augsburg, am 7.3.2012 online unter:
http://www.rosuda.org/~theus/Blog/wikimap.png
Die Bezeichnung als „hegemoniale Gemeinde“ folgt der Einteilung von Thomas
Welskopp, vgl. Welskopp, S. 138-144.
Abbildung 4
Die in der ersten Karte aufgezeigte naturräumlich Gliederung orientiert sich an
den Ausführungen von Weidmann, Schulgeschichte, S. 222-231.
Die Darstellung des Eisenbahnnetzes folgt dem Netzplan der Reichsbahndirektion Ludwigshafen, abgedruckt bei Kermann, Verkehr, S. 149.
Die Darstellung der industriellen Entwicklung in der Pfalz orientiert sich an
Kermann, Verkehr, S. 131-140.
Abbildung 5
Karikatur entnommen dem Pfälzisch-Badischen Volksblatt, No. 35 vom 31. August 1878, in: BayHStA, Minn 66312.
Abbildungen
Bevölkerungsentwicklung, vgl. Tabelle S. I-III.
6,10,13,16,19,22
Abbildung 7
Anzahl der BASF-Arbeiter, vgl. Tabelle, S. XI.
Abbildungen
Zur Karte: Einteilung in Wahlkreise wie Abb. 1. Konfessionskarte orientiert an
8,11,14,17,20,23 Bold, L.: Religions-Karte der Pfalz (Bayern) nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910, am 7.3.2012 online unter: http://daten.digitalesammlungen.de/bsb00006533/image_6.
Konfessionsstatistik, vgl. S. XI/XII.
Berufsstatistik, vgl. S. IV-X. Die Einteilung in Berufsgruppen erfolgte nach folgendem Schema:
Industrie:
III,IV,V,VI,VII,IX,X,XII
Handwerk und klassische
Berufe
Holz
Bürgerliche Berufe
I,II,XIII,XIV,XV,XIX,XX
VIII,XI
XVI, XVII,XVIII
Abbildungen
Vgl. Reichtagswahlergebnisse, S. XII-XV.
9,12,15,18,21,25
XVI
VII Literatur und Quellen
VII.1 Quellenverzeichnis
VII.1.1 Ungedruckte Quellen
VII.1.1.1 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (=BayHStA)
Wochenberichte der pfälzischen Regierungspräsidenten
Wochenbericht vom 1. Juli 1872, Minn 30981/20.
Wochenbericht vom 11. März 1872, Minn 30981/21.
Wochenbericht vom 22. September 1873, Minn 30981/27.
Wochenbericht vom 11. November 1872, Minn 30981/22.
Wochenbericht vom 25. November 1872, Minn 30981/22.
Wochenbericht vom 2. Dezember 1872, Minn 30981/22.
Wochenbericht vom 17. Februar 1873, Minn 30981/23.
Wochenbericht vom 17. März 1873, Minn 30981/24.
Wochenbericht vom 7. April 1873, Minn 30981/24.
Wochenbericht vom 12. Mai 1873, Minn 30981/25.
Wochenbericht vom 10. August 1874, Minn 30981/32.
Wochenbericht vom 17. August 1874, Minn 30981/32.
Statistik der sozialdemokratischen Vereine 1878
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren im Königreich Bayern, Minn 66312.
Verzeichnis der sozialdemokratischen p. Vereine, Minn 66312.
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Bezirksamt Speyer, Minn 66312.
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Bezirksamt Frankenthal, Minn 66312.
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Amtsbezirk Kirchheimbolanden, Minn 66112.
Verzeichnis der socialdemokratischen Agitatoren, Amtsbezirk Pirmasens, Minn 66312.
Schriftverkehr
Schreiben an das Innenministerium vom 11. September 1878, Minn 66312.
Schreiben an Staatsminister von Braun vom 22. Juni 1869, Minn 66310.
Zeitungsartikel
Westricher Zeitung vom 13. Juni 1869, MInn 46098.
Pfälzisch-Badisches Volksblatt, No. 34 vom 24. August 1878, Minn 66312.
Pfälzisch-Badisches Volksblatt, No. 35 vom 31. August 1878, Minn 66312.
XVII
VII.1.1.2 Landesarchiv, Speyer (=LA SP)
Schriftverkehr
Schreiben des Bezirksamts Neustadt an die Regierung der Pfalz vom 18.4.1876, H-3 929-I.
Schreiben der Gendarmerie Kirchheimbolanden vom 6. Juni 1878, H-3 929-II.
Flugblätter
„Wahlaufruf der Arbeiterpartei des Wahlkreises Speyer Frankenthal!“, H-3 929-II.
Zeitungsartikel
Mainzer Abendblatt, No. 35 vom 10. Februar 1865, H-3 929-II.
Speirer Zeitung vom 1. Juli 1870, H-3 929-I.
Pfälzer Zeitung vom 13. Juli 1872, H-3 929-I.
Die Rheinpfalz vom 13. August 1873, H-3 930.
Pfälzische Post vom 14. August 1873, H-3 930.
„Vermischte Nachrichten“ in: Pfälzer Zeitung vom 13.4.1876, H-3 929-I.
„Vermischte Nachrichten“ in: Pfälzer Zeitung vom 13.4.1876, H-3 929-I.
Pfälzisch-Badisches Volksblatt, Probenummer September 1877, H-3 929 II.
Pfälzisch-Badisches Volksblatt, Nummer 11, März 1878, H-3 929-II.
VII.1.2 Gedruckte Quellen
Biefang, Andreas (Hrsg.): Der deutsche Nationalverein 1859-1867. Vorstands- und Ausschußprotokolle, Düsseldorf 1995.
Grenner, Karl Heinz (Hrsg.): Katholizismus und wirtschaftlicher Liberalismus im 19. Und 20.
Jahrhundert (Beiträge zur Katholizismusforschung. Reihe A, Quellentexte zur Geschichte des Katholizismus, Bd. 12), Paderborn 1998.
Na’Aman, Shlomo (Hrsg.): der deutsche Nationalverein. Die politische Konstituierung des deutschen bürgertums 1859-1867, Düsseldorf 1987 (Zitiert als: Na’Aman, Konstituierung).
Rieß-Stumm, Susanne (Hrsg.): Die Pfälzische Revolution 1848/49. Quellen und Dokumente,
Speyer 1998.
VII.1.3 Statistische Quellen
Königliches statistisches Bureau (Hrsg): Die Ergebnisse der Berufszählung im Königreich Bayern
vom 5. Juni 1882, Teil 3. Die bayerische Bevölkerung nach ihrer gewerblichen Thätigkeit = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 50 (1886) (Zitiert als: Berufsstatistik, vgl. Fußnote 8).
Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.): Das Heimat- und Armenwesen in Bayern. Statistische
Unterlagen zur Reform der bayer. Heimat- u. Armengesetzgebung = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 83 (1911) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Heimatwesen).
XVIII
Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.): Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern.
Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910und dem Gebietsstand vom 1. Juni 1911 = Beiträge
zur Statistik des Königreichs Bayern 84 (1911) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Gemeindeverzeichnis).
Königliches statistisches Landesamt (Hrsg.): Bayern und seine Gemeinden unter dem Einfluß der
Wanderungen während der letzten 50 Jahre = Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern 69
(1912) (Zitiert als: Statistik Bayerns, Wanderungen).
VII.1.4 Internetquellen
Brief von Karl Marx an Arnold Ruge vom Mai 1843, am 22.3.2012 online unter:
http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_337.htm.
Eisenacher Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, am 6.10.2011 online unter:
http://www.marxists.org/deutsch/geschichte/deutsch/spd/1869/eisenach.htm.
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (Zitiert als: GWO), am 7.3.2012 online unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gewerbeordnung_f%C3%BCr_den_Norddeutschen_Bund.
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, Einführungsgesetz für Bayern, am 7.3.2012 online
unter:
http://de.wikisource.org/wiki/Gesetz,_betreffend_die_Einf%C3%BChrung_der_Gewerbeordnung
_des_Norddeutschen_Bundes_in_Bayern.
Volkswirtschaftlicher Kongreß, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig
1909, S. 243, am 7.3.2012 online unter: http://www.zeno.org/Meyers1905/A/Volkswirtschaftlicher+Kongre%C3%9F.
VII.1.5 Lebenserinnerungen
Ehrhart, Franz Josef: 1884. Ein bewegtes Jahr, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler,
Speyer 1999, S. 135-141.
Feldmüller, Jean: Die Arbeiterbewegung in der Pirmasenser Schuhindustrie, in: Bei Uns
Daheim 6 (1930), S. 21-134.
Leßwing, Daniel: Wie ich unter dem Sozialistengesetz Sozialdemokrat wurde. Erlebnisse von
Daniel Leßwing, Kaiserslautern (Aufgezeichnet im Jahre 1930), in: Weißt du noch. Ein Buch der
Erinnerung gewidmet unsern Jubilaren, hrsg. v. Sozialdemokratischen Partei Bezirk Pfalz, Ludwigshafen 1948, S. 70-82.
Sturm, Anton: Was mir die alten Mundenheimer erzählen, in: Weißt du noch. Ein Buch der Erinnerung gewidmet unsern Jubilaren, hrsg. v. Sozialdemokratischen Partei Bezirk Pfalz, Ludwigshafen 1948, S. 83-96.
Queva, Josef: Auf geht die Saat, in: Bei Uns Daheim 4 (1928), S.13-64.
XIX
VII.2 Sekundärliteratur
VII.2.1 Monographien
o.Verf.: 60 Jahre SPD-Ortsverein Homburg. Festschrift zu den Jubiläumstagen 3. Bis 10. Juni
1972, Homburg o. J. (1972) (Zitiert als: 60 Jahre SPD Homburg).
Bude, Heiner: Man nannte sie „rote“ Kapläne. Priester an der Seite der Arbeiter, Skizzen zur
christlichen Sozialtradition, Kevelaer 1989.
Dietrich, Werner A.: Anfänge gewerkschaftlicher Organisation im Lambrechter Tal. Ursprünge,
Entwicklung, Stabilisierung und erste Erfolge, Neustadt 1990 (Zitiert als: Dietrich, Gewerkschaftliche Organisation).
Dietrich, Werner A.: In der Einigkeit liegt die Kraft. Geschichte der Arbeiterbewegung in der Region Neustadt/ Südpfalz 1832-1984, Neustadt 1991 (Zitiert als: Dietrich, Einigkeit).
Döhn, Hans: Kirchheimbolanden. Die Geschichte der Stadt, Kirchheimbolanden 1968.
Ebenau, Michael / Kuffler, Alfred: Es gilt den Kampf. Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Frankenthal 1832-1949, Kösching 1984.
Eisfeld, Gerhard: Die Entstehung der liberalen Parteien in Deutschland 1858-1870. Studie zu den
Organisationen und Programmen der Liberalen und Demokraten, Hannover 1969.
Eschner-Becker, Stienke: Die Grube Dudweiler und die Berginspektion IV (1816-1919). Ein
Beitrag zur Geschichte des preußischen Staatsbergbaus an der Saar, Saabrücken 1988.
Fricke, Dieter: Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1869-1917, Berlin
(Ost), 1987.
Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Frankfurt 1975 (6. Aufl.) (Zitiert
als: Grebing, Arbeiterbewegung).
Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins
21. Jahrhundert, Berlin 2007.
Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie
am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Frankfurt/Berlin 1973.
Hegel, Georg F. W.: Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Berlin 1821.
Laux, Kurt: Die Entwicklung der Frankenthaler Maschinenindustrie, Gießen 1929.
Lehnung, Julius B.: Geliebtes Pirmasens. Heimatgeschichtliche Erinnerungen Bd. 3, 1840-1875,
Pirmasens 1980.
XX
Mergel, Thomas: Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990, Regensburg 2010.
Na’Aman, Shlomo: Lassalle, Hannover 1970 (2. Auflage) (Zitiert als: Na’aman, Lassalle).
Probst, Joseph: Geschichte der Stadt und Festung Germersheim, Nachdruck der 1. Auflage von
1898, Pirmasens 1974.
Rehberger, Reinhold: Am Anfang waren es Neun. Über die Geschichte des SPD-Ortsvereins
Rockenhausen und die politisch-wirtschaftliche Entwicklung der Nordpfalz (1850-1948), Rockenhausen 1976 (Zitiert als: Rehberger, Anfang).
Rohe, Karl: Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland. Kulturelle Grundlagen deutscher Parteien und Parteiensysteme im 19. Und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1992.
Schieder, Theodor: Die kleindeutsche Partei in Bayern. In den Kämpfen um die nationale Einheit
1863-1871, München 1936.
Schlegel, Wolfgang/ Zink, Albert: 150 Jahre Landkreis Kusel. Beiträge zur Verwaltungs- und
Wirtschaftsgeschichte von 1818-1968, hrsg. v. Landkreis Kusel, Otterbach 1968.
Schneider, Erich: Die Anfänge der sozialistischen Arbeiterbewegung in der Rheinpfalz 18641899. Ein Beitrag zur süddeutschen Parteiengeschichte, Mainz 1956 (Zitiert als: Schneider, Arbeiterbewegung).
Seebach, Helmut: Industrialisierung und Soziale Frage. Arbeiterstreiks 1905-1907: Hauenstein,
Ramberg, Herxheim, Lambrecht, Annweiler, Annweiler-Queichhambach 2011.
Sperber, Jonathan: The Kaiser’s voters. Electors and elections in Imperial Germany, Cambridge
1997.
Stamer, Ludwig: Geschichte des Speirer Bistums unter der Herrschaft der bayrischen Könige.
Kirchengeschichte der Pfalz 1801-1918 Bd. 4, Speyer 1964.
Theisohn, Hans: 110 Jahre Sozialdemokratie in Haßloch, Neustadt 1984.
Walter, Franz: Die SPD. Biographie einer Partei, Berlin 2011 (2. Aufl.).
Weidmann, Werner: Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz Bd. 1, Otterbach 1999
(Zitiert als: Weidmann, Schulgeschichte).
Wunder, Gerhard: Die Sozialdemokratie in Neustadt an der Weinstraße seit 1832. Zum hundertzehnjährigen Bestehen des Ortsvereins 1875 bis 1985, Neustadt 1985 (Zitiert als: Wunder, Neustadt).
Ziegler, Hannes: Pfälzer Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Ludwigshafen 2008
(Zitiert als: Ziegler, Geschichte).
XXI
VII.2.2 Reihen- und Serientitel
Albrecht, Willy: Leonhard Tauscher und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein in Bayern, in:
Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 18921992 (Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie, Bd. 5), München u.a. 1992, S. 34-39.
Baus, Martin: Die Revolution von 1848/49 und die Saarpfalz, in: Revolution an der Grenze.
1848/49 als nationales und regionales Ereignis (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft
der Stiftung Demokratie Saarland, Bd. 4), St. Ingbert 1999, S. 191-229.
Bräunche, Ernst Otto: Parteien und Reichstagswahlen in der Rheinpfalz von der Reichsgründung
1871 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer, Bd. 68), Speyer 1982 (Zitiert als: Bräunche,
Parteien).
Breunig, Willi: Soziale Verhältnisse der Arbeiterschaft und sozialistische Arbeiterbewegung in
Ludwigshafen am Rhein 1869-1919 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am
Rhein, Bd. 5), Ludwigshafen 1990 (2.Auflage).
Conze, Werner: Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung in Deutschland. Das
Beispiel Schulze-Delitzschs (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften),
Heidelberg 1965.
Conze, Werner / Groh, Dieter: Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung. Die deutsche
Sozialdemokratie vor, während und nach der Reichsgründung (Schriftenreihe des Arbeitskreises
für moderne Sozialgeschichte, hrsg. v. Werner Conze, Bd. 6), Stuttgart 1966.
Herzog, Gerhard: Die Anfänge der Arbeiterbewegung und die Gründung der SPD in Kaiserslautern. 1867-1905 (Schriften zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern, Bd. 13), Otterbach 1974.
Mörz, Stefan: Vom Westboten zur Rheinpfalz. Die Geschichte der Presse im Raum Ludwigshafen
von den Anfängen bis zur Gegenwart (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen, Bd.
19), Ludwigshafen 1994.
Na’Aman, Shlomo: Der deutsche Nationalverein. Die politische Konstituierung des deutschen
bürgertums 1859-1867 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 81), Düsseldorf 1987 (Zitiert als: Na’Aman, Konstituierung).
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München
1998 (Sonderausgabe) (Zitiert als: Nipperdey, 1800-1866).
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1890 Bd. 1. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998 (Sonderausgabe) (Zitiert als: Nipperdey, 1866-1890 I).
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1890 Bd. 2. Machtstaat vor der Demokratie,
München 1998 (Sonderausgabe) (Zitiert als: Nipperdey, 1866-1890 II).
XXII
Nipperdey, Thomas : Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918 (Beiträge zur Geschichte
des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 18), Düsseldorf 1961 (Zitiert als: Nipperdey, Parteien).
Schildt, Gerhard: Die Arbeiterschaft im 19. Und 20. Jahrhundert (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 36), München 1996.
Schulz, Manuela: Zeitungslektüre und Landarbeiterschaft. Eine kommunikationsgeschichtliche
Studie zur Verbreitung des Zeitungslesens im 19. Und 20. Jahrhundert (In Presse und Geschichte.
Neueste Beiträge, Bd. 18), Bremen 2005.
Welskopp, Thomas: Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz
bis zum Sozialistengesetz (Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Reihe
Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 54), Bonn 2000.
VII.2.3 Zeitschriftenaufsätze
Baumann, Kurt: Volkserhebung und Konspiration in der pfälzischen Bewegung von 1848/49, in:
MHVPf Bd. 68, Speyer 1970, S. 292-317 (Zitiert als: Baumann, Volkserhebung).
Baumann, Kurt: Proletarische Strömungen in der pfälzischen Bewegung von 1848/49, in: Bei Uns
daheim 5 (1929), S. 9-15, 22-23.
Brendel, Wolfgang Friedrich: „…Nicht nur die Not lindern, sondern aktiv ihre Ursachen bekämpfen helfen…“. Das Wirken der Inneren Mission von 1833 bis 1918, in: Jahrbuch des historischen
Vereins Pirmasens 18 (2010), S. 64-76.
Gall, Lothar: Sozialistengesetz und innenpolitischer Umschwung. Baden und die Krise des Jahres
1878, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 111 (1963), S. 473-577.
Haan, Heiner: Die Wirtschaftsstruktur der Stadt und des Landkreises vor 150 Jahren, in: Jahrbuch
zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 6 (1968), S. 1-12.
Hartwich, Wolfgang: Zur Sozialgeschichte Speyers unter besonderer Berücksichtigung des 19.
Jahrhunderts, in: MHVPf 77 (1979), S. 319-338.
Kermann, Joachim: Vorschriften zur Einschränkung der industriellen Kinderarbeit in Bayern und
ihre Handhabung in der Pfalz. Ein Beitrag zur Entwicklung der bayerischen Arbeitsschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 2 (1976), S. 311-374
(Zitiert als: Kermann, Vorschriften).
Kermann, Joachim: Wirtschaftliche und soziale Probleme in der bayerischen Pfalz an der Schwelle des Industriezeitalters, in: Sozialhistorische und produktionstechnische Probleme der Mechanisierung der Volkswirtschaft im 19. Und 20. Jahrhundert, in: Hefte zur Wirtschaftsgeschichte 4
(1991), S. 151-188 (Zitiert als: Kermann, Probleme).
Kessler, Rainer: „Die wandernde Barrikade“. Aus der Pfälzer Arbeiterbewegung von 1849, in:
Pfälzer Heimat 35 (1984), S. 154-161.
XXIII
Klein, Hanns: Gottfried Kinkel als Emissär der provisorischen Regierung der Pfalz im Frühjahr
1849 im Westrich. Bemerkungen zu neuentdeckten Kinkel-Briefen, in: Jahrbuch für westdeutsche
Landesgeschichte 8 (1982), S. 107-135.
Nordblom, Pia: Der „Sinai der Liberalität“? Die Pfalz und die Gemeinde Göllheim zwischen den
politischen koordinaten Paris, München und Frankfurt/Berlin (1792-1848/1871), In: MHVPf 101
(2003), S. 275-303.
Rothenberger, Karl-Heinz: Die Dampfmaschine in der Pfalz (1833-1996). Künstliche Energie
und Industrialisierung, in: MHVPf 95 (1997), S. 293-344.
Schneider, Erich: „Die Presse ist das Herzblut unserer Bewegung“. Der Sozialdemokrat Franz
Josef Ehrhart als Publizist und Zeitungsgründer und die „Pfälzische Post“ Ludwigshafen in der Ära
des ‚roten Pfalzgrafen‘, in: MHVPf 94 (1996), S. 367-460 (Zitiert als: Schneider, Presse).
Schneider, Erich: Friedrich Blauls Stimmungsberichte aus der Pfalz in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“, in: MHVPf 100 (2002), S. 399-425.
Schwarzwälder, Bernd: Frühe „Arbeiterbewegung” in Neustadt an der Hardt, in: MHVPf 81
(1983), S. 371-405.
Wasem, Peter: Die Freischärler von 1848/49 in Langmeil, in: Nordpfälzische Geschichtsblätter 85
(2006 Nr. 1), S. 1-2.
Weber, Sascha: Die Geschichte der Sozialdemokratie in Germersheim. Von ihren Anfängen am
Vorabend des Ersten Weltkrieges bis zu ihrem Untergang im NS-Staat, in: MHVPf 109 (2011), S.
129-168.
Weidmann, Werner: Schwerpunkte wirtschaftlicher Entwicklung in Stadt und Landkreis Kaiserslautern seit 1818, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 6 (1968), S.
17-45 (Zitiert als: Weidmann, Schwerpunkte).
Ziegler, Hans: Landau in der Vormärzzeit und im Jahre des pfälzischen Aufstandes 1849, in:
MHVPf 61 (1963), S. 201-223 (Zitiert als: Ziegler, Landau).
VII.2.4 Aufsätze in Sammelwerken
Alschner, Elisabeth: Klassenkampf und Cholera. Die Anfänge der sozialdemokratischen Partei in
Speyer, in: 125 Jahre Sozialdemokratie in Speyer. Beiträge zur Geschichte der SPD in Speyer,
Speyer 1997, S. 11-14.
Becker, Klaus: Die pfälzischen Arbeiterparteien in den Jahren 1930-1933, in: Vom Scheitern der
Demokratie. Die Pfalz am Ende der Weimarer Republik, hrsg. v. G. Nestler u.a., Stuttgart 2010, S.
229-261.
Beetz, Stephan: Der Streit zwischen Lassalle und Schulze-Delitzsch über das Wesen der Produktivgenossenschaften, in: Hermann Schulze-Delitzsch. Weg – Werk - Wirkung, hrsg. v. Förderverein Hermann Schulze-Delitzsch, Neuwied 2008, S. 123-134.
XXIV
Bräunche, Ernst Otto: Landauer Parteien, in: Landau 1900- Landau 2000. Menschen, Divisionen,
Visionen, hrsg. v. M. Martin, Edenkoben 2001, S. 59-68 (Zitiert als: Bräunche, Landau).
Dlubek, Rolf: Arbeiter in den Freischaren der badisch-pfälzischen Revolution, in: Das lange 19.
Jahrhundert. Personen – Ideen – Umwälzungen, hrsg. v. W. Küttler, Berlin 1999, S. 227-260.
Fenske, Hans: Deutschland 1848/49. Ereignisse und Probleme, in: Die Pfalz und die Revolution
1848/49 Bd. 1, hrsg. v. H. Fenske u.a., Kaiserslautern 2000, S. 9-54 (Zitiert als: Fenske, Deutschland 48/49).
Fenske, Hans: Jahre des steten Aufstiegs. Die pfälzische Sozialdemokratie 1900-1914, in: Die
pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v.
M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 197-220.
Fenske, Hans: Speyer im 19. Jahrhundert (1814-1918), in: Die Geschichte der Stadt Speyer Bd. 2,
hrsg. v. Stadt Speyer, Stuttgart 1982, S. 115-290 (Zitiert als: Fenske, Speyer).
Furtwängler, Martin: Die Katholische Kirche und die Revolution 1848/49 in der Pfalz, in: Die
Pfalz und die Revolution 1848/49 Bd. 2, hrsg. v. H. Fenske u.a., Kaiserslautern 2000, S. 151-177.
Geis, Manfred: 80 Jahre SPD Bad Dürkheim (1898-1978), in: 1898-1978. 80 Jahre SPD Bad
Dürkheim, o. O., o. J. (1978), S. 13-31.
Hofinger, Hans: Schulze-Delitzsch – Visionär und Stratege, in: Hermann Schulze-Delitzsch.
Weg – Werk - Wirkung, hrsg. v. Förderverein Hermann Schulze-Delitzsch, Neuwied 2008, S. 355366.
Kermann, Joachim: Wirtschaft und Verkehr im 19. Jahrhundert, in: Pfälzische Geschichte Bd. 2,
hrsg. v. K. Rothenberger u.a., Kaiserslautern 2001, S. 129-151 (Zitiert als: Kermann, Verkehr).
Kirsch, Hans: Sozialdemokratische Diaspora. Die Anfänge der SPD im Kuseler Land, in: Die
pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis 1948/49, hrsg. v.
M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S.170-175.
Klemm, Claudia: Lambrecht wählt 1909 den ersten sozialdemokratischen Bürgermeister in Bayern, in: Die pfälzische Sozialdemokratie. Beiträge zu ihrer Geschichte von den Anfängen bis
1948/49, hrsg. v. M. Geis und G. Nestler, Speyer 1999, S. 264-268.
Kreutz, Wilhelm: Anfänge der pfälzischen Arbeiterbewegung. Vom Hambacher Fest bis zur
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Lepsius, M. Rainer: Parteiensystem und Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisierung der
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Rauland, Gerd: Der Beginn in der Westpfalz. Die Gründung der SPD in Kaiserslautern, in: Die
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Staudt, Michael: „Königstreu und reaktionär“. Soziale Frage und Arbeiterbewegung in Zweibrücke 1870-1914, in: Zweibrücken 1793 bis 1918. Ein langes Jahrhundert, hrsg. v. C. GlückChristmann, Blieskastel 2002, S. 480-493 (Zitiert als: Staudt, Zweibrücken).
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XXVI
Werner, Walter: 12 Jahre Unterdrückung unter dem Sozialistengesetz, in: 125 Jahre Sozialdemokratie in Speyer. Beiträge zur Geschichte der SPD in Speyer, Speyer 1997, S. 16-20.
Wysocki, Josef: Die pfälzische Wirtschaft von den Gründerjahren bis zum Ausbruch des Ersten
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Wunder, Gerhard: „Kein Heil außer dem Sozialismus.“ Der Neustadter Arbeiterverein von
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Zapp, Hans Ulrich: Die wirtschaftliche Entwicklung Neustadts seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts. Von den Anfängen der Industrialisierung bis zur Währungsreform 1948, in: Neustadt an
der Weinstraße. Beiträge zur Geschichte einer pfälzischen Stadt, hrsg. v. der Stadt Neustadt an der
Weinstraße, Neustadt 1975, S. 523-550.
VII.2.5 Zeitungsartikel
Krämer, Reinhard: 125 Gewerkschaftsbewegung in Kaiserslautern. Die Metallarbeiter als
Schrittmacher, in: Die Rheinpfalz, Ausgabe Kaiserslautern, Nr. 99 vom 28.4.2007.
Stein, Erwin: Aus dem Wahlverein wurde die SPD, in: Die Rheinpfalz, Ausgabe Pirmasens, Nr.
263 vom 10.11.1984.
VII.2.6 Aufsätze im Internet
Graf, Angela: Wie alles begann. Von der Verlagsgründung bis zum Ende der Weimarer Republik,
in: Empor zum Licht, hrsg. v. Horst Heidermann und Rüdiger Zimmermann, Bonn 2006, S. 13-57,
am 22.3.2012 online unter: http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/04566.pdf.
Marx, Karl: Folgen des 13. Juli 1849, am 22.3.2012 online unter:
http://www.mlwerke.de/me/me07/me07_064.htm.
Tenfelde, Klaus: Arbeitsbeziehungen und gewerkschaftliche Organisation im Wandel, am 22.3.
2012 online unter:
http://www.bpb.de/publikationen/J3OYJX,2,0,Arbeitsbeziehungen_und_gewerkschaftliche_Organ
isation_im_Wandel.html.
Thomes, Paul: Zwischen Landwirtschaft und Industrie. Soziale und wirtschaftliche Strukturen
(1800-1970), in: Der Saarpfalz-Kreis, Stuttgart 1993, S. 126-151, Zusammenfassung am 22.3.2012
online unter: http://www.saarpfalzkreis.de/buergerservice/informationen/auf_einen_blick/geschichte/1290.htm.
XXVII
VII.2.7 Einleitungen zu Quellenbänden
Biefang, Andreas: Einleitung zum Quellenband: Der deutsche Nationalverein 1859-1867. Vorstands- und Ausschußprotokolle, Düsseldorf 1995.
Kermann, Joachim: Einleitung zum Quellenband: Texte zur Landesgeschichte. Soziale Lage im
19. Und beginnenden 20. Jahrhundert am Beispiel von Quellen aus dem Landesarchiv Speyer,
Speyer 1977.
XXVIII
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