Die Ileum-Neoblase bei Frauen: Eine retrospektive Analyse des

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Universitätsklinikum Ulm
Abteilung: Klinik für Urologie und Kinderurologie
Kommissarischer Ärztlicher Direktor: PD Dr. med. F. Jentzmik
Die Ileum-Neoblase bei Frauen:
Eine retrospektive Analyse des onkologischen Outcomes
anhand histopathologischer Parameter
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades
der Medizin der Medizinischen Fakultät
der Universität Ulm
Von
Johannes Dötterl
aus Marktredwitz
2014
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth
1. Berichterstatter: PD Dr. Florian Jentzmik
2. Berichterstatter: Prof. Dr. Katharina Hancke
Tag der Promotion: 18.06.2015
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung:
Seite
1.1. Das Harnblasenkarzinom
1
1.2. Indikationen der radikalen Zystektomie
10
1.3. Geschichte und Entwicklung des orthotopen Harnblasenersatzes
11
1.4. Kontinente und inkontinente Harnableitungen
12
1.5. Orthotoper Harnblasenersatz – Die Ileum-Neoblase
14
1.6. Kontraindikationen des orthotopen Harnblasenersatzes
14
1.7. Historische Problematik der Ileum-Neoblase bei Frauen und
17
moderne Operationsmethoden zur Verbesserung der Funktionalität
1.8. Einfluss der Entwicklung des orthotopen Harnblasenersatzes auf
19
das postoperative Überleben
1.9. Fragestellung
20
2. Material und Methoden
2.1.
Patientenkollektiv
21
2.2.
Datenerhebung
21
2.3.
Operationstechnik der Ileum-Neoblase nach Hautmann
28
2.4.
Statistische Analyse
30
3. Ergebnisse
3.1.
Anzahl der Operationen pro Jahr
31
3.2.
Präoperative Daten
32
3.3.
Histologische Aufarbeitung der TUR-B, der Zystektomiepräparate 38
und der entnommenen Lymphknoten
3.3.1. Histopathologische Klassifikation der Tumore
38
3.3.2. Histopathologie der TUR-B-Resektionspräparate
39
3.3.3. Histopathologie der Zystektomiepräparate
40
3.3.4. Lymphknotenstatus zum Zeitpunkt der Zystektomie
41
3.3.5. Histopathologisches Grading in TUR-B und Zystektomie
42
I
3.3.6. Resektionsstatus
42
3.3.7. Vergleich von Grading und Lymphknotenstatus bei Zystektomie 43
3.3.8. Vergleich von Staging und Lymphknotenstatus bei Zystektomie 44
3.3.9. Genauere Betrachtung der onkologischen Ergebnisse
3.4.
Mortalität
46
47
3.4.1. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Kaplan-Meyer-Methode
48
3.4.2. Bivariate Korrelationsanalyse
55
3.4.3. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Cox-Regression
56
3.4.4. Tumorlokalisation
59
3.5.
Progression
60
4. Diskussion
4.1.
Altersverteilung, TUR-B-Daten und Einfluss des Zeitraums von
64
Erstdiagnose bis Operation auf die Überlebensrate
4.2.
Onkologische Parameter
66
4.2.1. Histopathologische Klassifikation
66
4.2.2. Grading, Lymphknotenstatus und Tumorstaging
66
4.3.
Kumulative Überlebensrate
70
4.3.1. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Kaplan-Meier-Methode
71
4.3.2. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Cox-Regression
74
4.4.
Progression
75
5. Zusammenfassung
79
6. Literaturverzeichnis
81
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Danksagung
II
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AP
Alkalische Phosphatase
ASA
American Society of Anesthesiologists
BCG
Bacillus-Calmette-Guerin
bds.
Beidseits
BMI
Body-Mass-Index
CA
Carcinom
CIS
Carcinoma-in-situ
CRP
C-reaktives Protein
CT
Computertomographie
Cx
Zystektomie
Dx
Diagnose
EK
Erythrozytenkonzentrate
et al.
Et alii
FFP
Fresh-frozen-plasma
G
Grading
GFR
Glomeruläre Filtrationsrate
Hb
Hämoglobin
5 (10)-JÜR
5 (10)-Jahres-Überlebensrate
Krea
Kreatinin
LDH
Lactat-Dehydrogenase
LK
Lymphknoten
MRT
Magnetresonanztomographie
MVAC
Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin, Cisplatin
n
Anzahl
NAT
N-Acetyl-Transferase
p
Wahrscheinlichkeit
pN
Lymphknotenstadium
pT
Tumorstadium
III
pTis
Carcinoma – in – situ
SAP
Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung (Software)
Sig.
Signifikanz
Tab.
Tabelle
TNM
Tumor – Node – Metastases
T-Tod
tumorspezifisches Überleben
TU-Tod
am Tumor verstorben
TUR
Transurethrale Resektion
TUR-B
Transurethrale Resektion der Harnblase
TUUC
Transureteroureterocutaneostomie
UC
Ureterocutaneostomie
UICC
Union Internationale contre le cancer
IV
1. Einleitung
1.1. Das Harnblasenkarzinom
1.1.1. Epidemiologie
In
Deutschland
erkranken
jährlich
etwa
28800
Menschen
an
einem
Harnblasenkarzinom, wie aus dem 2013 veröffentlichten Bericht des Robert-KochInstituts hervorgeht, der die Datenerhebung für das Jahr 2010 beschreibt. Bei Männern
ist das Harnblasenkarzinom mit einer Inzidenz von 21550 (4,5%) pro Jahr der
vierthäufigste Tumor, bei Frauen mit einer Inzidenz von 7240 (1,8%) pro Jahr der
vierzenthäufigste Tumor. In Deutschland sterben jährlich ca. 5500 Menschen an einem
Harnblasenkarzinom. Zudem nimmt die Inzidenz des Harnblasenkarzinoms mit
steigendem Alter stark zu. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 72
Jahren und bei Frauen bei 74 Jahren (Robert Koch-Institut und die Gesellschaft der
epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. 2013). Seit Anfang der 80er Jahre
ist die Mortalität bei Frauen um 20%, bei Männern um 40% gesunken. Als Gründe
hierfür gelten die Weiterentwicklung von Operationstechniken und Medikamenten
sowie die Etablierung von Präventionsprogrammen. Im Zuge des demographischen
Wandels steigt jedoch auch der relative und absolute Anteil der Bevölkerung
Deutschlands, der sich im Altersbereich mit höherer Inzidenz befindet. Während noch
im Jahre 2008 16,7% der Männer und 20% der Frauen über 65 Jahre alt waren (16,7
Millionen), werden es Schätzungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden
zufolge im Jahre 2030 bereits 22,3% der Männer und 29% der Frauen sein (22,3
Millionen) (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2011). Aus diesem Grund ist
die Prävalenz des Harnblasenkarzinoms seit 1990 um 40% bis 60% gestiegen (Robert
Koch-Institut und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland
e.V. 2010).
1
Abbildung 1: Altersspezifische Erkrankungsraten für das Harnblasenkarzinom in Deutschland nach
Geschlecht, für 1980, 1990 und 2006 pro 100000 Einwohner (Robert Koch-Institut und
die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. 2010)
1.1.2. Ätiologie und Risikofaktoren
Als wichtigster Risikofaktor für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms gilt der
Konsum von Tabak, der das Risiko um das Drei- bis Vierfache erhöht, wobei auch
Passivrauchen einen Risikofaktor darstellt (Tao et al. 2010). Es konnte ein linearer
Zusammenhang zwischen der Anzahl der „pack years“ und der Wahrscheinlichkeit für
die Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms festgestellt werden. Ebenso korreliert die
2
Zigarettenmenge bis zu einer Menge von 15-20 Zigaretten pro Tag mit einer Erhöhung
des Risikos. Darüber konnte kein höheres Risiko mehr nachgewiesen werden. Durch
absolute Abstinenz können Raucher das Risiko für ein Harnblasenkarzinom um
mindestens 30% in den ersten 4 Jahren und um mindestens 60% nach 25 Jahren
reduzieren. Jedoch sank dieses auch danach nicht mehr auf das Niveau von
Nichtrauchern (Brennan et al. 2000). Insgesamt gesehen sind 30-40% aller
Blasentumorerkrankungen
mit
einem
Nikotinabusus
vergesellschaftet
(U.S.
Department of Health and Human Services 2004).
Des Weiteren wird eine Exposition gegenüber einigen Chemikalien, wie zum Beispiel
aromatische Amine, Phenacetin, Benzidin, Benzol, 2-Naphtylamin und Zytostatika wie
Cyclophosphamid als Risikofaktor aufgeführt. Wenngleich ein Großteil der Schadstoffe
aus den Arbeitsprozessen der Gummi-, Leder-, Textil- und chemischen Industrie
entfernt wurden, kommen heute trotzdem noch berufsbedingte Harnblasenkarzinome
vor. Als Grund hierfür wird die hohe Latenzzeit zwischen Exposition und dem Auftreten
eines malignen Tumors angesehen, die zwischen 10 und 40 Jahren betragen kann. Es
wird vermutet, dass insgesamt ca. 25% aller Harnblasenkarzinome auf kanzerogene
Chemikalien zurückzuführen sind (Hakenberg 2007).
Darüber hinaus werden chronische Zystitiden mit ihrer entzündlichen Schädigung der
Blasenschleimhaut und eine Strahlentherapie der Beckenregion als kausale Ursache
angegeben (Duncan et al.1977; Mostafa et al. 1999; Chrouser et al. 2006).
Die durch eine Infektion von Schistosoma haematobium ausgelöste Erkrankung
Bilharziose, die in großen Teilen Afrikas und arabischen Ländern endemisch ist, stellt
ebenfalls einen gesicherten ätiologischen Faktor für das Harnblasenkarzinom dar
(Mostafa et al.1999; Gouda et al. 2007).
Genetische Faktoren, die im Metabolismus von Karzinogenen des Tabaks eine wichtige
Rolle spielen, können die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms begünstigen und
auch einer familiären Inzidenzhäufung zu Grunde liegen. Hierbei sind sowohl
Kombinationen von verschiedenen Phänotypen der Gluthation-S-Transferase und der
N-Acetyltransferase (NAT) 1, als auch der NAT 2 und des Cytochrom-P-450-Komplexes
3
1A2 von Bedeutung. Bei keiner oder langsamer Aktivität dieser Enzyme kann sich das
Risiko einer malignen Entartung des Urothels je nach veränderter Enzymfunktion um
20-100% erhöhen (Yuan et al. 2008).
Ein häufig diskutierter Zusammenhang zwischen Alkohol bzw. Kaffee und der
Entstehung von Blasenkarzinomen konnte in epidemiologischen Studien nicht
nachgewiesen werden (Pelucchi et al. 2012; Zhou et al. 2012).
1.1.3. Klinische Leitsymptome
Das
typische
Erstsymptom
des
Harnblasenkarzinoms
ist
die
schmerzlose
Makrohämaturie (75%), bei der meist sämtliche Urinportionen betroffen sind (totale
Makrohämaturie). Etwa 15% der Patienten mit einer Makrohämaturie und 2-22% der
Patienten mit einer Mikrohämaturie haben ein Harnblasenkarzinom, wobei der
Zeitpunkt und die Ausprägung des Auftretens der Hämaturie nicht mit dem Ausmaß
der Tumorerkrankung zusammenhängen (Simon u. Gschwend 2010; Kausch u. Jocham
2007).
In
den
Intervallen
ohne
Makrohämaturie
kommt
häufig
eine
konstante
Mikrohämaturie vor. Etwa 20% der Urothelkarzinome bleiben lange asymptomatisch.
Grundsätzlich sollte bei Männern jede und bei Frauen jede wiederholte Hämaturie
abgeklärt werden. Für den Fall, dass ein Carcinoma in situ (Cis) oder ein primär
intramural wachsender Harnblasentumor vorliegt, kann auch die Dysurie das einzige
Symptom sein. Diese ist in ca. 30% der Fälle das Erstsymptom (Kausch u. Jocham
2007). Aus diesem Grund sollte bei persistierenden dysurischen Beschwerden, aber
auch bei einer anhaltenden Urge-Symptomatik, ureteraler Obstruktion, Nykturie,
Leukozyturie oder Pollakisurie ein Harnblasenkarzinom ausgeschlossen werden (Metts
et al. 2000). Zu den Spätsymptomen gehören Flanken-, Rücken- und suprapubische
Schmerzen, eine Abnahme der Blasenkapazität, Anämie, Appetitlosigkeit und
Gewichtsverlust (Kausch u. Jocham 2007).
4
1.1.4. Histologische Klassifikation
Mit 90% stellen die Urothelkarzinome den größten Anteil an Harnblasenkarzinomen.
5% entfallen auf Plattenepithelkarzinome, deren Auftreten eng mit chronischentzündlichen Harnblasenveränderungen (chron. Urozystitis) im Rahmen von
Blasensteinen und langjährigen Dauerkatheterträgern korreliert ist (Wittekind u.
Nenning 1997). Pathogenetisch gesichert ist auch der Zusammenhang zwischen der
Bilharziose und der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen, wobei hier nicht nur die
mechanisch-entzündliche Reizung der Schleimhaut, sondern auch vom Parasiten
gebildete Nitrate und Nitrosamine die maligne Entartung des Epithels auslösen sollen
(Obafunwa 1991). Seltener sind die Adenokarzinome, die zu 0,2-2% auftreten.
Zugeschrieben wird deren Entstehung metaplastischen Reaktionen der Urothelzelle,
wie bei chronischen Entzündungen und Urachusresiduen (Wittekind u. Nenning 1997).
1.1.5. Diagnostik
Nach ausführlicher Anamnese und klinischer Untersuchung wird der Urogenitaltrakt
sonographisch beurteilt. Hierbei wird gezielt nach Raumforderungen in der Niere oder
der Harnblase gesucht, aber auch nach pelvinen, lumbalen und inguinalen
Lymphknoten- und hepatischen Metastasen (Karl et al. 2008).
Bei Verdacht auf ein Harnblasenkarzinom wird eine Zystoskopie durchgeführt, die als
„Goldstandard“ zur Diagnostik und Nachsorge für Urothelkarzinome gilt. Bei der
Examination der Blase kann hierbei die Lage, Größe und Anzahl von Tumoren
beschrieben und durch eine Biopsie gesichert werden. Die Sensitivität wird mit über
90% angegeben (Sharma et al. 1999; vom Dorp et al. 2009; Kamat et al. 2013). Im
Vergleich dazu untersuchten Herr et al. 2002 die Sensitivität der Zystoskopie und
verglichen den Zystoskopiebefund und den histopathologischen Befund von 144
papillären Ta/T1-Tumoren. 93% aller Ta G1-Urothelkarzinome wurden als solche richtig
erkannt, wobei durch die urinzytologische Untersuchung, mit der maligne Zellen
nachgewiesen werden können, die Sensitivität auf 99% gesteigert werden konnte. Bei
Ta G3-Tumoren lag die Sensitivität nur bei 59%, bei 78% mit Urinzytologie. T1-Tumore
5
wurden in 60% der Fälle makroskopisch richtig diagnostiziert, wobei hier durch die
kombinierte Urinzytologie eine Sensitivität von 100% erreicht werden konnte (Herr et
al. 2002; vom Dorp et al. 2009).
Die Urinzytologie dient der Detektion und Charakterisierung von High-gradeRisikotumoren und ist umso besser, je schlechter der Differenzierungsgrad ist. Die
Sensitivität für G2-Tumore beträgt 75-80%, für G3-Tumore sogar 85-95% (Gregoire et
al.1997; vom Dorp et al. 2009). Insbesondere beim Carcinoma-in-situ (Cis) spielt die
Urinzytologie eine wichtige Rolle, da aufgrund des flachen und intraepithelialen
Wachstums die Zystoskopie falsch negativ sein kann. Mian und seine Kollegen konnten
2005 eine Detektionsrate des Carcinoma-in-situ durch die Urinzytologie von 100%
feststellen (Mian et al. 2005; vom Dorp et al. 2009).
Bei unklarem Befund oder bestehendem Verdacht auf ein Harnblasenkarzinom in der
Zystoskopie oder Urinzytologie erfolgt eine transurethrale Blasenresektion (TUR-B).
Hierbei wird Gewebe für die histopathologische Aufarbeitung gewonnen und in
gleicher Sitzung eine vollständige Extraktion des Tumors angestrebt. Bei Verdacht auf
ein Rezidiv und nach unvollständiger oder unklarer Tumorentfernung sind
Nachresektionen indiziert (Kausch u. Jocham 2007; Kamat et al. 2013).
Bei gesichertem Harnblasenkarzinom ist eine umfangreichere Ausbreitungsdiagnostik
durch weitere bildgebende Verfahren indiziert. Die Röntgenthoraxuntersuchung wird
zur Abklärung thorakaler Metastasen routinemäßig bei Diagnose und im Follow-up von
muskelinvasiven Tumoren eingesetzt. Die Computertomographie (CT) dient dem
Nachweis von ausgedehnten Wandüberschreitungen des Tumors (>pT3b) oder
Infiltrationen von Nachbarorganen, großen Lymphknotenmetastasen (>2cm) und
Lebermetastasen und sollte bei Verdacht auf einen höhergradigen, soliden oder
muskelinvasiven Tumor in der Zystoskopie durchgeführt werden. (Kausch u. Jocham
2007; Kamat et al. 2013). Vergleichende Studien zeigen eine Überlegenheit des MRT
zum CT in der Genauigkeit des präoperativen Staging (MRT: 78-90% versus CT: 67-85%)
(Fernandez Mena und Moreno-Torres 2001; Akmangit et al. 2003). Bei
symptomatischen Patienten, mit Schmerzen, neurologischer Symptomatik oder
erhöhter
alkalischer
Phosphatase,
sollte
6
das
Skelett
durch
eine
Ganzkörperszintigraphie auf Knochenmetastasen hin untersucht werden (Kausch u.
Jocham 2007).
1.1.6. Therapie und Tumorstaging
In Deutschland wird bei jedem Tumorstaging das TNM-System angewandt, das alle 5
Jahre mit neuen Forschungsergebnissen verglichen, bestätigt oder überarbeitet wird.
Dabei wird das Ziel verfolgt, durch die Einteilung des Tumors in Entwicklungsgrade eine
Aussage über die Prognose des Patienten treffen zu können, welche die
Entscheidungsfindung für eine geeignete Therapie unterstützen soll (Volkmer 2004).
Bereits 1997 konnte bestätigt werden, dass es auch beim Harnblasenkarzinom für eine
valide Prognose keinen bedeutenderen Prädiktor als das pathologische Staging gibt
(Lapham et al 1997). Abgesehen vom TNM-System, orientiert sich die Therapie am
Differenzierungsgrad (Grading), an der Tumorhistologie und –anzahl, sowie am Alter,
dem Allgemeinzustand und der Patientencompliance. Das Grading hilft bei der
Einstufung des Tumors in Bezug auf seine maligne Potenz (May 2001; Kausch u.
Jocham 2007).
Für die Therapie nicht muskelinvasiver Tumore (pTis, pTa, pT1) gilt als „Goldstandard“
die komplette und ggf. wiederholte transurethrale Resektion (TUR) des Tumors und
eine Kontrollzystoskopie nach 3 Monaten. Dabei soll die Blasenmuskulatur trotz
oberflächlichem Tumor miterfasst werden, um einen muskelinvasiven Tumor
auszuschließen (vom Dorp et al. 2008). Nachresektionen sind notwendig, wenn keine
Blasenmuskulatur im pathologischen Präparat nachgewiesen werden konnte, bei
inkompletter Primärresektion und bei Ta/T1-High-risk-Karzinomen, da letztere in 10%
der Fälle mit einer Muskelinvasion einhergehen (Miladi et al. 2003; vom Dorp 2008).
Da die Rezidivraten innerhalb eines Jahres trotz TUR bei 50% liegen (Shelly et al. 2001)
und auch nicht vom Tumorgrad bestimmt werden (Millan-Rodriguez et al. 2000),
sondern vor allem von der Multifokalität, der vorhergehenden Rezidivrate, dem
Tumorstatus in der Kontrollzystoskopie sowie der Tumorgröße (Oosterlinck et al.
2005), sollte anschließend an die TUR eine intravesikale Chemotherapie zum Beispiel
7
mit Mitomycin oder eine Immuntherapie mit BCG (Bacillus-Calmette-Guerin)
durchgeführt werden, um eine Tumorzellimplantation im Zusammenhang mit der TUR
und Tumorrezidive zu vermeiden oder zu verzögern (Böhle 2005; Kausch u. Jocham
2007; Burger et al. 2013).
Für rezidivierende Karzinome bis T1 GIII oder muskelinvasive Karzinome gilt, sofern
noch keine Fernmetastasen vorhanden sind, die radikale Zystektomie mit pelviner
Lymphadenektomie als Therapie der Wahl mit kurativer Zielsetzung (Gallagher 2009,
Birli 2009). Hierbei muss – die individuelle Situation des Patienten betrachtend –
erörtert werden, ob dieser von einer neoadjuvanten oder/und adjuvanten
systemischen
Chemotherapie
profitieren
würde.
Das
bereits
metastasierte
Harnblasenkarzinom wird mit radikaler Zystektomie und – wenn es der
Allgemeinzustand des Patienten erlaubt – mit adjuvanter Chemotherapie in Form des
MVAC-Schema (Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin, Cisplatin) oder in Form von einer
Kombination der Zytostatika Gemcitabine/Cisplatin therapiert. Besonders letzteres
wird häufig verwendet, da es im Vergleich zu anderen Chemotherapieschemata
deutlich weniger Nebenwirkungen
zeigt (v.a. bzgl. Mukositis, Myelo- und
Neurotoxizität) (Huland u. Friedrich 2006; Goebell et al. 2006). Wenngleich bei der
systemischen
Chemotherapie
beim
metastasierten
Harnblasenkarzinom
eine
verbesserte Remissionsrate durch eine Intensitätssteigerung des MVAC-Protokolls
erreicht werden konnte, gab es keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Zeit des
Überlebens oder bis zur Progression (Sternberg et al. 2001).
Nach Auswertung einer Meta-Analyse stellten Goebell et al. fest, dass Chemotherapien
beim Harnblasenkarzinom nur einen geringen Überlebensvorteil bieten (Neoadjuvant
5%, Adjuvant 9-11%) (Goebell et al. 2006). Diese Metaanalyse besitzt den höchsten
derzeit vorhandenen Evidenzgrad in Hinblick auf adjuvante Chemotherapien beim
invasiven Harnblasenkarzinom. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es bislang
keinen ausreichenden Nachweis für den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie beim
invasiven Harnblasenkarzinom gibt, der eine Therapie rechtfertigen würde. Daher stellt
die adjuvante Chemotherapie zurzeit kein Standardverfahren dar (Advanced Bladder
cancer (ABC) meta analysis collaboration 2005).
8
Tabelle 1: TNM-Klassifizierung: Einteilung maligner Tumoren anhand ihrer anatomischen Ausdehnung
(T=Tumorstadium, N=Lymphknotenbefall, M=Fernmetastasen) (vom Dorp et al. 2010)
Tx
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Primärtumor vorhanden
Ta
Nicht invasiver, exophytischer Tumor
Tis
Carcinoma in situ: nicht invasiver, nicht exophytischer Tumor
T1
Infiltration in die Lamina propia
T2
Infiltration in die Muskulatur
T2a Infiltration der inneren Hälfte der Lamina muscularis propria (oberflächlich)
T2b Infiltration der äußeren Hälfte der Lamina muscularis propria (tief)
T3
Infiltration ins perivesikale Fettgewebe
T3a Mikroskopische Infiltration
T3b Makroskopische Infiltration
T4
Infiltration in Nachbarorgane
T4a Infiltration von Prostata, Uterus oder Vagina
T4b Infiltration von Becken- oder Bauchwand
Nx
Lymphknoten nicht beurteilbar
N0
Tumorfreie regionäre Lymphknoten
N1
1 regionäre Lymphknotenmetastase < 2 cm
N2
Regionäre Lymphknotenmetastasen: solitär > 2 cm, aber < 5 cm oder multiple
< 5 cm
N3
Regionäre Lymphknotenmetastasen > 5 cm
Mx Fernmetastasen nicht beurteilbar
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Organmetastasen oder extraregionäre Lymphknotenmetastasen
9
Tabelle 2: G-Klassifikation, histopathologisches Grading (vom Dorp et al. 2010)
Gx
Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden
G1
Gut differenziert
G2
Mäßig differenziert
G3
Schlecht differenziert/undifferenziert
Abbildung 2: Ausdehnung der Tumorstadien beim Harnblasenkarzinom
(TNM-Klassifikation der UICC 2002) (http://www.uroonkologen.de/21.0.html)
1.2. Indikationen der radikalen Zystektomie
Die radikale Zystektomie mit pelviner Lymphadenektomie und konsekutiver
Harnableitung gilt als „Goldstandard“ bei muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen mit
dem Stadium ≥pT2a – bei Fehlen von Fernmetastasen. Des Weiteren bei
oberflächlichem, gering differenziertem Urothelkarzinom im Stadium pTa-, pT1-, pTisGIII, bei Rezidiven nach intravesikaler Rezidivprophylaxe, aber auch beim
oberflächlichen Urothelkarzinom bei gleichzeitig vorliegender defunktionalisierter
Blase (Volkmer 2004). Bei der Indikationsstellung muss jedoch die Komorbidität der
Patienten mit berücksichtigt werden. 2006 konnte aufgezeigt werden, dass trotz
umfassender operativer Erfahrung, modernster medizinischer Kenntnisse und
optimaler intensivmediziner Betreuung die Sterblichkeitsrate nach der radikalen
Zystektomie in den ersten 90 Tagen mit zunehmendem Alter ansteigt (Hautmann et al.
2006). Dennoch belegte Hollenbeck, dass selbst unter geriatrischen Patienten die
radikale Zystektomie die Therapie der Wahl ist, um die tumorspezifische Mortalität zu
senken. Daher sind objektive Einteilungen für das präoperative Risiko entscheidend,
10
um die Patienten zu identifizieren, die von einer weniger aggressiven Behandlung
profitieren würden (Hollenbeck et al. 2004; Lughezzani et al. 2011).
1.3. Geschichte und Entwicklung des orthotopen Harnblasenersatzes
Die Entwicklung einer Harnableitung begann 1851, als Simon bei einem Patienten, der
an Blasenekstrophie litt, eine Ureterosigmoidostomie durchführte. Lange Zeit war
diese Operationstechnik die einzig existierende Möglichkeit für eine kontinente
Harnableitung (Rowland 1995). 36 Jahre später – 1887 – operierte Bardenheuer die
erste Zystektomie, wobei er jedoch die Harnleiter ohne weitere Maßnahmen in der
Wunde beließ und der Patient kurz nach dem Eingriff verstarb. Die erste Zystektomie,
bei der der Patient mehrere Jahre überlebte, gelang Pawlik 1888, wobei er aber die
Harnleiter in die Vagina implantierte und die Patientin daraufhin an einer
permanenten Inkontinenz litt. Aufgrund von metabolischen Komplikationen, der
Gefahr
der
Sepsis
und
des
Aufkommens
von
Karzinomen
an
der
Ureterimplantationsstelle wurde die Medizin jedoch vor die Notwendigkeit gestellt,
eine bessere Harnableitung zu entwickeln. Als „Goldstandard“, der von Bricker 1950
entwickelt wurde, galt bis in die Mitte der 1980er Jahre das Ileum-Conduit („BrickerBlase“) – eine Uretero-Ileo-Cutaneostomie (Bricker 1950), die jedoch langfristig mit
einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 50% zu einer Schädigung des oberen Harntraktes
führt (Smith 1972). Im gleichen Jahr wird von Gilchrist ein kontinenter
katheterisierbarer Ileocaecal-Pouch beschrieben – wobei das Caecum das Reservoir
darstellt, die Ileocaecalklappe wie ein Antirefluxmechanismus fungiert und die
Appendix als nicht getunneltes, katheterisierbares Stoma dient. Diese Technik wurde
zwar 1908 von Verhoogen in einem experimentellen Versuch dargestellt (Verhoogen
1908) und von Makkas 1910 erstmals erfolgreich an einem Patienten verwendet,
jedoch bis 1950 nicht weiterentwickelt. Der Ileozaekal-Pouch erbrachte auch gute
Ergebnisse im Langzeit-Follow-up und wurde in seinen Weiterentwicklungen, dem
Kock-Pouch, dem Indiana-Pouch und dem Mainz-Pouch I, häufig angewandt. Nur ein
Jahr später, 1951, wurde von Couvelaire erstmals ein Urinreservoir an die Harnröhre
angeschlossen (Hendren 1997). Diese Operationstechnik wurde von Camey Ende der
11
1970er Jahre verbessert (Lilien u. Camey 1984), wobei das Ileum-Segment mit der
Harnröhre auf der einen Seite und mit den beiden Ureteren auf der anderen
verbunden wurde. Anfang der 1980er Jahre stellte man fest, dass die unerwünschten
Begleiterscheinungen, wie die Inkontinenz aufgrund des Druckaufbaus im Rahmen der
Darmperistaltik und der niedrigen Blasenkapazität aufgrund des tubularisierten
Darmsegments, durch eine Detubularisierung vermieden werden können. Dadurch
erhält man ein kugelförmiges Reservoir, das eine hohe Volumenkapazität bei
gleichzeitigem geringem Druckaufbau besitzt (Kock et al. 1982). Von da an bis heute
gilt der orthotope Harnblasenersatz, je nach Abwandlung der Operationstechnik auch
bekannt
als „Hautmann-Blase“,
„Padua-Blase“
oder
„Studer-Blase“
als der
„Goldstandard“, da dadurch Körperbild und Miktionsverhalten aufgrund guter
Kontinenz und Reservoirfunktion aufrechterhalten werden können (Volkmer 2004; Lee
et al. 2014).
1.4. Kontinente und inkontinente Harnableitungen
Man unterscheidet die kontinenten von den inkontinenten, sog. „nassen“
Harnableitungen.
Zu
den
inkontinenten
Harnableitungen
zählen
die
Ureterocutaneostomie (UC), die Transureteroureterocutaneostomie (TUUC), das
Ileum- und das Kolonconduit. Die UC und die TUUC benötigen kein Darmsegment und
werden primär in Palliativ- oder Notfallsituationen angewandt. Aufgrund der hohen
Stenoserate im Hautniveau (60%) ist jedoch eine Dauerschienung der Ureteren
notwendig (Albers 2004; Bader 2009; Gschwend et al. 2004).
Das Ileumkonduit wird vorwiegend bei Patienten eingesetzt, die aufgrund eines
körperlichen oder geistigen Defizits nicht mehr in der Lage sind, mit kontinenten
Reservoirs umzugehen (Katheterismus, Miktionskontrolle) oder in palliativen
Situationen bei inoperablen und weit fortgeschrittenen Karzinomen des kleinen
Beckens, häufig gynäkologischer Genese. Auch für pflegende Angehörige ist das Stoma
leicht zu handhaben (Albers 2004; Bader 2009). Die häufigste Komplikation im
Langzeit-follow-up ist eine Verschlechterung der Nierenfunktion bei >50% der
12
Patienten. Dies ist zurückzuführen auf rezidivierende Harnwegsinfekte, Urinreflux und
Engstellen der ureteroilealen Anastomose, die zu einer Dilatation des oberen
Harntraktes mit Schrumpfnierenbildung und Nephrolitiasis führen (Madersbacher el al.
2003; Bader 2009).
Zu
den
kontinenten
Harnableitungen
zählen
die
Ureterosigmoidostomie,
katheterisierbare Harnableitungen (Pouches) und der orthotope Harnblasenersatz mit
einer Ileum-Neoblase (siehe Kapitel 1.5.). Aufgrund der hohen Komplikationsrate der
Ureterosigmoidostomie gibt es hierfür nur noch zwei Indikationen: Frauen, bei denen
ein orthotoper Blasenersatz aufgrund von Kontraindikationen nicht durchgeführt
werden kann und die ein inkontinentes oder katheterisierbares Stoma ablehnen und
Männer, bei denen im Zuge der radikalen Zystektomie wegen des Tumorbefalls
ebenfalls eine Urethrektomie durchgeführt werden muss (Simon u. Gschwend 2010).
Pouches werden vor allem dann verwendet, wenn das Reservoir aus onkologischen
Gründen nicht an die Harnröhre angeschlossen werden kann oder kein ausreichender
Sphinkter vorhanden ist. Große Bedeutung kommt ihnen daher bei paraplegischen
Patienten zu, die – sofern sie manuell und mental dazu in der Lage sind – dadurch
wieder einen Teil ihrer Selbstständigkeit zurückerlangen können (Bader 2009; Simon u.
Gschwend 2010).
Allen
OP-Methoden
gemeinsam
ist
das
Ziel,
den
oberen
Harntrakt
vor
Harntransportstörungen und Reflux des Urins zu schützen, da es dadurch zu
rezidivierenden Entzündungen oder einer Druckschädigung der Niere kommen kann,
was zu einer terminalen Niereninsuffizienz mit konsekutiver Dialysepflicht führt. Dies
gilt es zu vermeiden. Grundsätzlich hervorzuheben ist, dass es keine Option gibt, die
man für alle Patienten verwenden kann, sondern dass die Vor- und Nachteile der
einzelnen Harnableitungsformen für jeden Patienten individuell erörtert werden
müssen, um für jeden die geeignete Therapieoption zu finden (Albers 2004). Die Form
der Harnableitung hat keine Auswirkung auf die Tumorkontrolle, weshalb die
Tumorexpansion kein primäres Auswahlkriterium für die Art der Harnableitung ist
(Madersbacher u. Studer 2002).
13
1.5. Orthotoper Harnblasenersatz – Die Ileum-Neoblase
Die Ileum-Neoblase gilt inzwischen bei Frauen und Männern als Therapie der Wahl
nach radikaler Zystektomie, wenn alle Kontraindikationen ausgeschlossen wurden
(siehe Kapitel 1.6.), und ist mit 66% die am häufigsten verwendete Harnableitung
(Hautmann 2003; Hautmann et al. 2007). Bei dieser Operationstechnik wird ein 4060cm langes Ileumsegment aus der Darmkontinuität ausgeschaltet und nach
Detubularisierung zu einem möglichst großen Hohlraum neu verbunden, an dessen
proximalem Ende die Ureteren nicht-antirefluxiv implantiert werden und das an
seinem distalen Ende mit der Urethra verbunden wird. Auf diese Weise entsteht ein
Niedrigdruckreservoir, das mittels Bauchpresse entleert wird und das sicherstellt, dass
das wichtigste Ziel einer Harnableitung, nämlich der Schutz des oberen Harntrakts vor
Druck und aszendierenden Infektionen, gewährleistet ist (Albers 2004). Nach der
Entfernung der Harnleiterschienen und des Harnröhrenkatheters sollte der SäureBase-Haushalt kontrolliert werden, um eine metabolische Azidose, die durch die
Rückresorption von Chlorid seitens der Neoblase entsteht, rechtzeitig z.B. mit
Zitronensäurepräparaten wie Uralyt-U behandeln zu können (Schrader u. Miller 2007).
Die hohe Lebensqualität einer orthotopen Harnableitung und damit der sichtbare
Erfolg der Operation für den Patienten hängt im Wesentlichen von der postoperativen
Kontinenzrate ab (Bader 2009) und beträgt tagsüber ca. 90% und nachts 80%
(Hautmann et al. 1999; Studer et al. 2006; Hautmann et al. 2013). Dies ist einer
verbesserten Operationstechnik zu verdanken (siehe Kapitel 1.7.) (Hautmann et al.
2007).
1.6. Kontraindikationen des orthotopen Harnblasenersatzes
Kontraindikationen
werden
unter
onkologischen,
anatomisch-funktionellen,
psychosozialen und altersbedingten Gesichtspunkten gestellt (Schrader u. Miller 2007).
14
1.6.1. Kontraindikationen aus onkologischer Sicht
Die bedeutendste Kontraindikation des orthotopen Harnblasenersatz ist ein positiver
urethraler
Absetzungsrand,
der
bei
einer
intraoperativen,
routinemäßig
durchgeführten Schnellschnittuntersuchung festgestellt wird (Stenzl et al. 2009; Lee et
al. 2014). Wenn bei der Schnellschnittuntersuchung nachgewiesen wird, dass der
Tumor bereits tiefer in die Urethra vorgedrungen ist und damit die Gefahr eines
Lokalrezidivs besteht, ist eine Nachresektion mit vollständiger Tumorexstirpation
indiziert. Sollte bei der tiefergehenden Nachresektion der externe Rhabdosphinkter
oder dessen nervale Versorgung verletzt werden oder dieser wegen des Tumorbefalls
vollständig entfernt werden müssen, ist ebenfalls von einem orthotopen
Harnblasenersatz abzusehen, da dann das Risiko eines Lokalrezidivs erhöht bleibt und
eine kontinente Harnableitung über eine Ileum-Neoblase ohne den willkürlich
kontrollierbaren externen Sphinkter unmöglich geworden ist (Gakis et al. 2011).
Ein vermehrtes Risiko für eine Tumorinfiltration der distalen Harnröhre besteht ferner
bei Patientinnen mit vergrößerten inguinalen Lymphknoten im präoperativen Staging,
einer größeren Anzahl von positiven Lymphknoten, einem höheren Tumorstadium
oder bei Patientinnen mit einer Lokalisation des Tumors am Blasenhals (Stein et al.
1995; Stein et al. 2007). Umgekehrt besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen
einem malignen urethralen Tumor und einem urothelialen Karzinom am Blasenhals.
Diese Problematik wird im Kapitel 4.4. eingehend erörtert. Generell liegt die
Wahrscheinlichkeit eines urethralen Tumorbefalls bei der Erstdiagnose des
Harnblasenkarzinoms jedoch nur bei 2% (Stenzl u. Draxl 1995; Stein et al. 1998; Gakis
et al. 2011).
1.6.2. Anatomisch-funktionelle, psychosoziale und altersbedingte Gesichtspunkte
Komplexe Harnröhrenstrikturen sind als anatomische Ausschlusskriterien zu werten,
da diese den sterilen Einmalkatheterismus sehr erschweren und im fortgeschrittenen
Stadium eine restharnfreie Entleerung der Ileum-Neoblase unmöglich machen (Gakis
und Stenzl 2011). Eine frühere Hochdosisbestrahlung im kleinen Becken, zum Beispiel
15
aufgrund ehemaliger gynäkologischer Malignome, stellt eine relative Kontraindikation
dar, da daraus ein gesteigertes Risiko resultiert, postoperativ an Inkontinenz zu leiden.
Neuesten Erkenntnissen zufolge betragen die Kontinenzraten ca. 50% nachts und ca.
60% tagsüber (Chiva et al. 2009; Hautmann et al. 2009). Grundsätzlich ist es aber
möglich, Patientinnen mit vorausgegangenem gynäkologischen Malignom und neu
aufgetretenem Urothelkarzinom einer radikalen Zystektomie mit einer orthotopen
Ileum-Neoblase als Harnableitung zuzuführen. Präoperativ sollte hierfür ein Rezidiv
ausgeschlossen, Ort und Dosis der Bestrahlung eruiert und die Funktionsfähigkeit des
Rhabdosphinkters und des Dünndarms nachgewiesen werden. Letzteres um das Risiko
einer Malabsorptionsstörung zu senken (Hautmann et al. 2009; Gakis et al. 2011).
Als Ausschlusskriterien gelten vorhergegangene größere Dünndarmresektionen wegen
der Gefahr eines Absorptionsdefizits, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
(Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn) wegen des Risikos von Malabsorptionsstörungen und
Fistelbildungen und eine verringerte Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate
<60ml/min) (Mills u. Studer 1999; Simon u. Gschwend 2010). Bei letzterer kann eine
postoperative
metabolische
(hyperchlorämischen)
Azidose,
welche
aus
der
Rückresorption von sauren Valenzen durch die Neoblase resultiert, aufgrund der dann
nicht ausreichenden Eliminierung nicht kompensiert werden. Besonders hoch ist das
Risiko in den ersten Monaten nach der Operation, weswegen eine engmaschige
Kontrolle des Säure-Base Status erforderlich ist (Skinner et al. 1995; Stenzl et al. 2009).
Außerdem wird neben sauren Valenzen auch in höherem Maße Ammoniak
rückresorbiert und normalerweise durch die Leber entgiftet. Ist jedoch die
Leberfunktion eingeschränkt, besteht die Gefahr einer Hyperammoniämie gefolgt von
einer hepatischen Enzephalopathie. Aus diesem Grund ist auch eine höhergradige
Leberinsuffzienz als absolute Kontraindikation anzusehen (Mills u. Studer 1999).
Des Weiteren sind psychosoziale Faktoren, wie kognitive und motorische
Einschränkungen zu erwähnen. Eine gute Compliance gilt als Voraussetzung, da es bei
der orthotopen Neoblase zur Notwendigkeit einer mehrmals täglichen Anwendung des
sterilen Einmalkatheterismus kommen kann, welcher selbstständig durchgeführt
werden muss. (Hautmann 1989). Schließlich stellen eine deutlich eingeschränkte
16
Lebenserwartung und ein hohes Alter der Patienten Indikationseinschränkungen für
die Ileum-Neoblase als kontinente Harnableitungsform dar, da die nächtliche
Kontinenz bei über 80-jährigen mit 25-38% ohnehin stark erniedrigt ist und die
Wahrscheinlichkeit einer postoperativen Inkontinenz mit zunehmendem Alter
aufgrund der deutlichen Abnahme des urethralen Verschlussdruckes steigt. Folglich
würden diese Patienten von einem orthotopen Harnblasenersatz weniger profitieren
als von einer anderen Form der Harnableitung mit geringerem Umfang der Operation
wie dem Ileum-Conduit – wenngleich die Morbidität und perioperative Mortalität der
beiden Harnableitungsformen identisch ist (Sogni et al. 2008; Takenaka et al. 2009;
Bader 2009; Minervini et al. 2013; Hautmann et al. 2013).
1.7. Historische Problematik der Ileum-Neoblase bei Frauen und moderne
Operationsmethoden zur Verbesserung der Funktionalität
Obwohl die Ileum-Neoblase, wie in Kapitel 1.3. bereits dargestellt, beim Mann seit
Ende der 70er Jahre verwendet wird, galt sie bei Frauen bis Anfang der 90er Jahre als
kontraindiziert. Eine radikale Zystektomie mit orthotoper Ileum-Neoblase wurde erst
ab 1985 und ausschließlich bei Frauen mit benigner Grunderkrankung durchgeführt.
Anlass dazu war die Vermutung, dass das Rezidiv-Risiko im Vergleich zu Männern
erhöht wäre, da die kürzere Urethra bei Frauen eine kontinuierliche Ausbreitung des
Tumors in die Harnröhre ermöglichen würde. Des Weiteren nahm man an, dass der
nach Zystektomie zurückbleibende Teil des willkürlich innervierten externen
Rhabdosphinkters nicht genügen würde, um eine postoperative Kontinenz zu
gewährleisten (Gerber 1990; Gakis et al. 2011). Nachdem jedoch Hubner im
Tierexperiment nachwies, dass die Funktion des externen Sphinkters in keiner
Abhängigkeit zur Kontinuität von Blase und Harnröhre steht (Hubner 1993) und
DeLancey belegte, dass die proximalen 20% der Urethra – umgeben vom Blasenhals –
vor allem Anteile des internen Sphinkters beinhalten, in den distalen 20% keinerlei
Sphinkterfunktion vorhanden ist und in den mittleren 60% der externe Sphinkter
(Sphinkter urethrae, urethrovaginale Sphinkter, M. compressor urethrae) befindlich ist
(De Lancey 1986), vermutete man, dass der verbleibende Teil des Rhabdosphinkters
17
für eine Kontinenz ausreichen würde. Dies wurde schließlich bestätigt, als Colleselli et
al. darlegten, dass für eine vollständige Kontinenz lediglich die Aufrechterhaltung der
distalen
zwei
Drittel
der
Harnröhre
mit
dem
quergestreiften
Teil
des
Schließmuskelapparates und dessen willkürlicher Innervierung durch Nervenfasern des
Nervus pudendus essentiell ist (Colleselli et al. 1994).
Da sich nach diesen
Erkenntnissen die Befürchtungen als überholt herausstellten, wird seit 1993 auch bei
Frauen mit maligner Grunderkrankung die Urethra-erhaltende radikale Zystektomie
mit Anlage einer orthotopen Ileum-Neoblase durchgeführt (Volkmer 2004).
Weiterführenden anatomischen Studien war die Erkenntnis zu verdanken, dass der
proximale Teil der Harnröhre von glatter Muskulatur umringt und von autonomen
Nervenfasern innerviert wird, die entlang der vorderen und lateralen Wand der Vagina
verlaufen. Seither kann durch sorgfältige Freipräparation der proximalen Harnröhre
eine Mehrheit der autonomen Nervenfasern erhalten werden, wenn dies auch unter
onkologischen Gesichtspunkten vertretbar ist (Colleselli et al. 1998; Stenzl et al. 1998;
Gakis et al. 2013). Auf diese Weise kann die Funktionalität des externen
Schließmuskelapparates besser erhalten (Stenzl u. Colliselli 1995) und damit gute
Kontinenzraten von 82-96% tagsüber und 57-72% nachts gewährleistet werden. Die
Gefahr einer Hyperkontinenz mit erforderlichem Einmalkatheterismus, zu der es auch
durch eine zu proximale Absetzung der Urethra mit konsekutiver Knickbildung der zu
langen Harnröhre kommen kann (Arai et al. 1999; Stenzl et al. 2010), wird durch
moderne nervschonende Operationstechniken mit 4-25% nach 9 Jahren gering
gehalten (Stenzl et al. 2001; Granberg et al. 2008; Meyer et al. 2009; Minervini et al.
2013). Im Vergleich dazu beträgt die Wahrscheinlichkeit einer postoperativen
Hyperkontinenz bei einer Operation ohne ausdrücklichen Nervenerhalt nach 9 Jahren
70% (Hautmann et al. 1996; Gakis et al. 2011).
18
1.8. Einfluss der Entwicklung des orthotopen Harnblasenersatzes auf das postoperative Überleben
Seit der Einführung des orthotopen Harnblasenersatzes als kontinente Harnableitung
kann, wie in Kapitel 1.3. bereits erwähnt, das Körperbild und Miktionsverhalten
weitestgehend aufrechterhalten werden, woraus ein hohes Maß an Lebensqualität
resultiert. Dies hat auf die Entscheidung der Therapiewahl nach Diagnose eines
Harnblasenkarzinoms einen enormen Einfluss. Bevor die Operationstechnik des
orthotopen Harnblasenersatzes ausgereift war, benötigten die Patienten eine lange
Bedenkzeit für diesen gravierenden Einschnitt in ihre Lebensqualität oder es wurde ein
Therapiekonzept mit organerhaltender Intention verfolgt. Dies belegt eine Studie, die
das
Zeitintervall
zwischen
der
Diagnosestellung
eines
muskelinvasiven
Harnblasenkarzinoms und der Durchführung einer radikalen Zystektomie miteinander
verglich. Daraus ging hervor, dass dieses Zeitintervall bei Patienten mit Ileum-Conduit
signifikant länger war, als bei Patienten mit Neoblase (Hautmann u. Paiss 1998). Der
Zeitverlust zwischen Diagnose und Therapie wirkt sich wiederum negativ auf das
tumorspezifische Überleben aus, da ein Aufschub einer radikalen Zystektomie von
mehr als 12 Wochen nach Diagnosestellung direkt mit einem signifikanten Rückgang
des tumorspezifischen Überlebens korreliert ist (Chang et al. 2003). Daraus resultiert,
dass die Entschlossenheit von Arzt und Patient, sich möglichst frühzeitig für das
Therapiekonzept
der
radikalen
Zystektomie
Harnblasenersatz
zu
entscheiden,
mit
einer
mit
konsekutivem
Verbesserung
zusammenhängen kann (Hautmann u. Paiss 1998; Gakis et al. 2013).
19
der
orthotopen
Prognose
1.9. Fragestellung
Das Patientenkollektiv der Universitätsklinik Ulm gehört mit 121 Patientinnen zu einer
der umfassendsten Langzeitstudien über Frauen, die aufgrund eines Urothelkarzinoms
mit einer radikalen Zystektomie und nachfolgender Anlage einer orthotopen IleumNeoblase therapiert worden sind. Obwohl seit vielen Jahren geforscht wird, fehlen von
Frauen
bislang
detaillierte
Langzeit-follow-ups
über
ausreichend
große
Patientenkollektive.
Ziel dieser Arbeit ist es, durch detaillierte, retrospektive Analyse der onkologischen
Parameter die Überlebens- und Rezidivrate bei Frauen in Relation zum Tumorstadium,
Lymphknotenbefall, Grading und weiteren Einflussfaktoren zu ermitteln. Hierdurch soll
eine valide Aussage über Langzeitergebnisse dieser komplexen Operationstechnik bei
Frauen getroffen werden können. Es soll auch spezifisch die Frage beantwortet
werden, inwiefern die Tumorlokalisation am Blasenhals und an der Urethra Einfluss auf
den weiteren Therapieverlauf und die Lokalrezidivrate bei Frauen hat.
20
2. Material und Methoden
2.1. Patientenkollektiv
Die retrospektive Erhebung beinhaltet Daten von insgesamt 121 Patientinnen, bei
denen
ein
Harnblasenkarzinom
vorlag
und
die
mittels
Zystektomie
und
anschließendem orthotopen Harnblasenersatz im Sinne einer Ileum-Neoblase nach
Hautmann therapiert worden sind. Wenngleich in der Universitätsklinik Ulm im
Zeitraum zwischen September 1995 und August 2010 138 Frauen auf diese Weise
operiert worden sind, wurden jedoch 17 Patientinnen nicht in die Studie mit
eingeschlossen. Der Grund hierfür war, dass diese an chronischer Zystitis mit
konsekutiver Schrumpfblase erkrankt waren und in die Studie nur Daten von
Patientinnen einfließen sollten, die aufgrund eines Harnblasenkarzinoms mit
Zystektomie und konsekutiver Ileum-Neoblasenanlage therapiert worden sind.
Patientinnen, die zwar mit Zystektomie, jedoch auf Basis einer anderen
kontinenzerhaltenenden oder auch nicht-kontinenzerhaltenden Methode operiert
worden sind, wurden ebenfalls nicht mit in die Studie aufgenommen.
2.2. Datenerhebung
Um eine detaillierte Datenerhebung zu gewährleisten, wurden vorher genau
definierte Parameter in sämtlichen verfügbaren Akten (Arztbriefe, Ambulanzakten,
Archivierte Akten, SAP) für alle Patientinnen recherchiert und in Form einer großen
Datentabelle in Excel gesammelt.
Hierbei handelt es sich um folgende Parameter:

Persönliche Daten: Name, Vorname, Geburtsdatum, Gewicht, Größe, BMI,
abdominelle Operationen präoperativ, Todesdatum- und Ursache, betreuende
niedergelassene Ärzte

Datum der Operation, der Erstdiagnose und der letzten TUR-B vor OP

Alter zum Zeitpunkt der Operation und zum Zeitpunkt der Erstdiagnose
21

Charlson-Komorbiditätsindex: Definitionsgemäß ist die Komorbidität die
Summe der physischen und psychischen Erkrankungen, an denen ein Patient
neben dem Tumor leidet (Senninger u. Preusser 2001). Ein Fragebogen, mit
dem relevante Begleiterkrankungen des Tumorpatienten registriert werden
können und das operative Risiko bezüglich der Komorbidität gut eingeschätzt
werden kann, ist der Charlson-Komorbiditätsindex (Charlson et al. 1987).
Dieser anhand einer Längsschnittstudie mit 684 Brustkrebspatientinnen für
onkologische Patienten validierte Test soll eine Vorhersage ermöglichen, wie
hoch das Risiko ist, neben den tumorspezifischen Einflussgrößen an
Komorbiditätsfaktoren zu versterben bzw. dass die Lebenserwartung
hinsichtlich der Summe der Begleiterkrankung eingeschränkt ist. Zur
vereinfachten Auswertung des Index teilten Charlson et al. die Erkrankungen
der Patienten in vier Kategorien ein (siehe Tabelle 4) (Müller 2006).
22
Tabelle 3: Charlson-Komorbiditätsindex (Charlson et al. 1987)
Erkrankung:
Punkte:
Herzinfarkt
1
Herzinsuffizienz
1
Periphere vaskuläre Verschlusskrankheit
1
Hirngefäßerkrankung
1
Demenz
1
Chronische Lungenerkrankung
1
Bindegewebserkrankung
1
Ulkuserkrankung
1
Leichte Lebererkrankung
1
Diabetes (ohne Endorganschäden)
1
Hemiplegie
2
Mittelschwere bis schwere Nierenerkrankung
2
Diabetes mit Endorganschäden
2
Tumorerkrankung
2
Leukämie
2
Lymphdrüsenkrebs
2
Mäßig schwere od. schwere Lebererkrankung
3
Metastasierter solider Tumor
6
AIDS
6
Summe:
Tabelle 4: Einteilung der Komorbidität in 4 Krankheitsgrade (Charlson et al. 1987)
Charlson-Index
0
1-2
3-4
>= 5
Komorbiditätsgrad:
1
2
3
4
Vier
Krankheitsgrade:
Keine
Zweiterkrankung
Leichte –
mittelschwere
Erkrankungen
Mittelschwere –
schwere
Erkrankungen
Sehr schwere
Erkrankungen
Punktwert:
23

ASA-Score (American Society of Anesthesiologists): Dieser Score dient der
Beschreibung des Gesundheitszustandes von Patienten vor einer Operation zur
Risikoabschätzung.
Tabelle 5: ASA-Score (American Society of Anesthesiologists) (Walch et al. 2011)
ASA I:
Keine Erkrankungen – gesunder Patient
ASA II:
Leichte Systemerkrankung, Patient ohne Einschränkungen
(z.B.: essentieller Hypertonus, mäßige Anämie, chron. Bronchitis,
extremes Alter, Adipositas, Allergie, Alkohol-/Nikotinabusus)
ASA III:
Schwere Systemerkrankung mit Leistungseinschränkung
(z.B.: Diabetes mellitus mit Gefäßschäden, chron. Lungenerkrankung
mit Leistungseinschränkung, Angina pectoris, älterer Herzinfarkt,
schlecht eingestellter Hypertonus)
ASA IV:
Systemerkrankung mit schwerer Leistungseinschränkung die mit und
ohne OP lebensbedrohlich ist
(z.B.: manifeste Herzinsuffizienz, fortgeschrittene Lungen-, Leber- oder
Nierenschädigung, instabile Angina pectoris)
ASA V:
Moribunder Patient, dessen Tod in den nächsten 24h mit oder ohne OP
angenommen wird. OP als letzter Therapieversuch
(z.B.: rupturiertes Aortenaneurysma, schweres Schädel-Hirn-Trauma,
fulminante Pulmonalarterienembolie)
Zusatz E“:

Kennzeichnet Notfalloperationen (z.B.: ASA I E)
Laborparameter präoperativ:
- Hämoglobin (Hb): Mit Hilfe von Hb-Kontrollen kann eine Anämie
ausgeschlossen bzw. das Risiko einer intraoperativen Blutarmut gesenkt und
durch vorbereitete Bluttransfusionen schnell therapiert werden.
- Alkalische Phosphatase (aP): Diese dient der Auffindung von Metastasen im
Staging (zusammen mit der Bestimmung der LDH und der Leberwerte) (Böhle
et al. 2008).
- Glomeruläre Filtrationsrate (GFR): Die GFR dient der globalen Beurteilung der
Nierenfunktion und wird über die Clearance als die Plasmamenge definiert, die
24
durch die Nieren innerhalb einer bestimmten Zeit von einer bestimmten
Substanz
befreit
werden
kann.
Sie
unterliegt
tageszeitabhängigen
Schwankungen (vormittags ist sie am höchsten, nachts am geringsten), ist
altersabhängig und sinkt ab dem 50. Lebensjahr um ca. 13ml/min(/1,73m²
Körperoberfläche). Für Erwachsene liegt der Referenzbereich bei 90 – 140
ml/min/1,73m² (Duarte u. Preuss 1993; Fornara und Fischer 2007).
- Kreatinin (auch postoperativ) (Krea): Durch das Kreatinin kann die
Nierenfunktion eingeschätzt und im Verlauf beurteilt und überwacht werden.
Ein messbarer Anstieg des Serumkreatinins bedeutet jedoch, dass bereits
mindestens 50% der Nephrone untergegangen sein müssen, d.h. dass die GFR
auf 40-60 ml/min/1,73m² verringert ist. Als „Kreatinin-blinder Bereich“ gilt
somit die Spannbreite, in der die Einschränkung der GFR anhand des
Serumkreatinins nicht erkannt wird. Der Normalbereich liegt bei Frauen bei <
1,0 mg/dl (< 90 ymol/l) und bei Männern bei <1,2 mg/dl (< 106 ymol/l)
[Umrechnungsfaktor: mg/dl x 88,4 = ymol/l] (Fornara und Fischer 2007).
- C-reaktives Protein (CRP): Als Akute-Phase-Protein signalisiert ein Anstieg des
CRP eine entzündliche Erkrankung oder dient, sollte dies ausgeschlossen sein,
als Hinweis auf einen Tumor, der inflammatorische Zytokine produziert und
damit eine Akute-Phase-Antwort auslöst. Es kann jedoch auch zur Beurteilung
einer Krankheitsaktivität und zum Therapiemonitoring herangezogen werden.
Dabei steht die Höhe des CRP in direktem Zusammenhang mit der Masse des
entzündeten Gewebes oder dem Ausmaß der Gewebeschädigung (z.B. nach
einer Operation) und bei akuten Entzündungen und Infektionen mit der
Entzündungsaktivität. Der Referenzbereich hierfür liegt bei < 5mg/l. Eine CRPKonzentration von 10-50 mg/l lässt auf eine milde Entzündung schließen (z.B.
lokale
bakterielle
Infektionen,
Zystitis,
Abszess,
OP-Trauma,
tiefe
Venenthrombose, virale Infektionen), eine Konzentration von >100 mg/l auf
eine schwere Erkrankung, oft in Zusammenhang mit einer bakteriellen
Infektion. In den ersten 6 Stunden nach einer Operation kommt es zu einem
CRP-Anstieg. Bei einem komplikationslosen Verlauf fällt das CRP nach dem 3.
postoperativen Tag ab und erlangt den Referenzbereich nach dem 7.-10.
25
postoperativen Tag (Fischer et al. 1976). Infektionen, Gewebsnekrosen,
Hämatome und Thrombosen können eine längere CRP-Erhöhung bis hin zu
einem Zweitanstieg hervorrufen (Fornara und Fischer 2007).

Harnstauniere prä- & postoperativ und Schienung

Pathohistologischer Befund: Tumorstadium, -art, -größe, und -lokalisation,
Lymphknotenstatus und Lymphgefäßinvasion, Resektionsstatus, Histologie der
Absetzungsränder der Harnröhre und der Harnleiter im Schnellschnitt und im
Paraffinpräparat, präoperativer radiologischer Befund, Tumorstadium zum
Zeitpunkt der Erstdiagnose

BCG-
(Bacillus-Calmette-Guerin)
(Immunprophylaxe)
oder
Mitomycin-
instillation (Chemoprophylaxe), neo-adjuvante und/oder adjuvante Radiatio
oder systemische Chemotherapie
Um nach einer transurethralen Resektion der Blase (TUR-B) die verbliebenen
Tumorzellen noch abzutöten und einem Rezidiv vorzubeugen, wird den
Patientinnen Bacillus-Calmette-Guerin (BCG) in die Blase instilliert, um eine
lokale Immunreaktion auszulösen, welche die verbliebenen Tumorzellen
abtöten
soll.
Hierzu
kann
alternativ
auch
Mitomycin
–
ein
Chemotherapeutikum – verwendet werden.

Spontanmiktion und Restharn postoperativ

Früh- (bis 30 Tage postoperativ) & Spätkomplikationen (bis 90 Tage
postoperativ) und deren Einteilung in die Clavien-Klassifikation nach dem
Schweregrad
26
Tabelle 6: Clavien-Klassifikation (Dindo et al. 2004)
Grad 0:
Keine Komplikationen
Grad I:
Abweichung vom normalen postoperativen Verlauf ohne die
Notwendigkeit einer Intervention (evtl. orale medikamentöse
Behandlung/pflegerische Maßnahmen)
Grad II:
Leichte Komplikationen, die eine medikamentöse intravenöse Therapie,
parenterale Ernährung oder Transfusionstherapie erforderten
Grad
.
III: Die Komplikationen erforderten chirurgische, endoskopische oder
radiologische Therapie
Grad IIIa: ohne Vollnarkose
Grad IIIb: mit Vollnarkose
Grad IV: Lebensbedrohliche Komplikationen, die eine intensivmedizinische
.
Behandlung erforderten
Grad IVa: Versagen eines Organs
Grad IVb: Versagen mehrerer Organe
Grad V:

Die Komplikationen waren aufgrund ihres Schweregrades mit dem
Leben nicht vereinbar und endeten tödlich
Perioperative Daten: Operateur, OP-Zeit, Netzplombe, Extraperitonealisierung,
Erythrozytenkonzentraten (Ek), Fresh Frozen Plasma (FFP), geschätzter
Blutverlust

Aufenthaltsdauer stationär und Re-Operationen

Follow-up: CT/MRT, Datum und Zeit seit Operation, Lokalrezidiv oder
Metastasen mit Lokalisation und Therapie
Außerdem wurden die behandelnden Ärzte aller Patientinnen telefonisch befragt, um
ein möglichst vollständiges Follow-up zu erhalten.
Dabei wurden folgende Parameter ermittelt:

Verstorben – wenn ja mit Todesdatum und –ursache

Aktuelles Follow-up mit Befund

Spätkomplikationen
27

Bicarbonatbedarf aufgrund eines kritischen Säure-Base-Haushalts
Schließlich wurden auch die Einwohnermeldeämter aller Patientinnen angeschrieben,
um möglichst exakt den Parameter „Verstorben“ und das eventuelle Todesdatum zu
bestimmen.
In den meisten Fällen konnte so ein Follow-up bis zum Tod oder bis zum 06.05.2011
erhoben werden.
Auf diese Weise wurde eine umfangreiche Datenbank angelegt, auf die auch in
zukünftigen Studien zurückgegriffen werden kann.
2.3. Operationstechnik der Ileum-Neoblase nach Hautmann
Bei der Ileum-Neoblase nach Hautmann wird nach Einlage eines transurethralen
Katheters transperitoneal eine radikale Zystektomie über eine mediane Laparotomie
von
der
Symphyse
bis
zum
Nabel
durchgeführt.
Nach
anschließender
Lymphadenektomie kann dann über diesen Zugangsweg auch der orthotope
Harnblasenersatz erfolgen.
Bei Frauen werden routinemäßig auch die Ovarien, der Uterus und das vordere
Vaginaldach mitreseziert, wobei, wie in Kapitel 1.7. bereits beschrieben,
nervenschonend vorgegangen wird.
Nach Resektion der Harnblase wird immer eine Schnellschnittuntersuchung des
urethralen Absetzungsrandes durchgeführt, um, wie in Kapitel 1.6.1. dargelegt, eine
Tumorinfiltration der Harnröhre auszuschließen.
Für die Bildung des Reservoirs wird ein ca. 60cm langes Darmsegment 15-20cm
proximal der Ileozökalklappe aus der Darmkontinuität ausgeschaltet. Für eine gute
Mobilität und ausreichende Länge des Mesenterialstiels wird das Mesenterium distal
sehr tief inzidiert. Dies erfolgt unter der Verwendung der Gegenlicht-Diaphanoskopie
in der avaskulären Region zwischen der A. ileocolica und den terminalen Ästen der A.
mesenterica
superior.
Deutlich kürzer
28
erfolgt die proximale Inzision
des
Mesenteriums, um eine möglichst große Gefäßversorgung des ilealen Segmentes zu
erhalten. Für eine spannungsfreie Anastomose an den Harnröhrenstumpf sollte der
distale Teil des Dünndarmsegments bis zur Symphyse gut mobilisierbar sein. Nach
Durchtrennung proximal und distal des ausgewählten Segments und sorgfältiger
Reanastomosierung der beiden Ileum-Absetzungsränder wird der Mesenterialschlitz
mit
einer
resorbierbaren
Naht
verschlossen, um
eine
Einklemmung von
Darmschlingen zu vermeiden.
Anschließend wird das Dünndarmsegment W-förmig angeordnet und mit dem
Elektrokauter vollständig antimesenterial detubularisiert, mit Ausnahme von zwei
etwa 4cm langen tubulären Enden. Diese werden auf jeder Seite des W kranial
belassen und für die späteren ileo-ureteralen Anastomosen benötigt. Für die ileourethrale Anastomose wird im lateralen U-förmigen Teil des Reservoirs rechtsseitig so
inzidiert, dass sich eine runde, im Durchmesser ca. 5mm messende Öffnung bildet.
Daraufhin wird transurethral ein Katheter in den neuen Neoblasenausgang eingeführt.
Der Boden der Neoblase wird gebildet, indem nun die drei antimesenterialen Ränder
des W mit fortlaufender Naht adaptiert werden. Mithilfe einer speziellen
Anastomosierungstechnik der Urethra an den Neoblasenboden wird der Blasenauslass
trichterförmig. Nach fortlaufender Naht des distalen Teils der Neoblasenvorderwand
wird die Ileum-Neoblase ins kleine Becken geführt und der Katheter auf den
Harnröhrenstumpf gezogen.
Da bei Frauen aus onkologischen Gründen bei der radikalen Zystektomie ein ca. 2cm
breiter Streifen der vaginalen Vorderwand mitentfernt wird, darf dieser Schnittrand
wegen der Gefahr einer Fistelbildung nicht mit dem urethralen Absetzungsrand
übereinander liegen.
Abschließend werden die Ureteren an die auf jeder Seite kranial verbliebenen
tubulären Segmente refluxiv in der Technik nach Wallace anastomosiert und zur
postoperativen Harnableitung und zum Schutz der Anastomosen mittels Single-Stent
(Mono-J-Katheter) geschient.
29
Die Neoblasenvorderwand wird nun endgültig verschlossen. Das Peritoneum wird an
die Hinterwand der Neoblase adaptiert und die Neoblase extraperitonealisiert, um die
Gefahr von gastrointestinalen Komplikationen zu vermindern. Abschließend erfolgen
die Einlage von Silikondrainagen und der schichtweise Wundverschluss (Hautmann
1987; Liske 2005; Gschwend 2006; Hautmann 2010).
2.4. Statistische Analyse
Auf der Basis der vorher beschriebenen Datensammlung wurden mit Hilfe der
Softwareprogramme Microsoft-Excel 2010, SPSS 20 und SAS 9.2 alle unter dem
Ergebnisteil aufgeführten statistischen Berechnungen durchgeführt und Abbildungen
erstellt.
Neben deskriptiver Statistik wurden hierbei die bivariaten Korrelationsanalysen nach
Pearson und der Spearman-Rho verwendet, um Zusammenhänge zwischen
verschiedenen Faktoren zu untersuchen.
Für die Bestimmung der Überlebenswahrscheinlichkeiten des Gesamtkollektivs und
genau differenzierter Untergruppen wurde die Kaplan-Meier-Methode eingesetzt und
mit Hilfe des Log-Rank-Tests (Mantel-Cox-Test) und des Breslow-Tests (generalisierter
Wilcoxon-Test) auf dem Niveau von 95% signifikanzstratifiziert (Ziegler et al. 2007 a).
Der Log-Rank-Test bewertet alle Ereignisse gleich, während der Breslow-Test die
frühen
Ereignisse
stärker
gewichtet.
Letzterer
wurde
berechnet,
da
die
Überlebensrate von Patienten mit höheren Tumorstadien bereits in den ersten Jahren
nach Therapiebeginn geringer ist. Die gesamte Auswertung ist explorativ, daher wird
auch keine Korrektur für multiples Testen durchgeführt.
Abschließend wurde die multivariate Regressionsanalyse (Cox-Regression) zur Analyse
von Überlebensdaten verwendet, um den Effekt mehrerer Einflussgrößen auf die
Überlebenszeit zu untersuchen (Ziegler et al. 2007 b).
30
3. Ergebnisse
3.1. Anzahl der Operationen pro Jahr
Im Zeitraum September 1995 bis August 2010 wurden insgesamt 121 Patientinnen in
der
urologischen
Abteilung
der
Universitätsklinik
Ulm
aufgrund
eines
Harnblasenkarzinoms mit Zystektomie und orthotopem Harnblasenersatz (IleumNeoblase) therapiert.
Durchschnittlich
wurden
7,6
Operationen
pro
Jahr
durchgeführt.
Als
Standardabweichung wurde der Wert 3,5 ermittelt. Der Median lag bei 8. Das
Maximum lag in den Jahren 2004 und 2008 mit 14 Operationen pro Jahr.
Abbildung 3: Anzahl der Zystektomien mit orthotopem Harnblasenersatz pro Jahr im
Universitätsklinikum Ulm (n=121)
31
3.2. Präoperative Daten
3.2.1. Altersverteilung
Am Häufigsten wurde die Operation in der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren
durchgeführt (33,9%). Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation betrug 59,7
Jahre, der Median 61 Jahre. Für die Standardabweichung konnte ein Wert von 11,0
Jahren ermittelt werden. Insgesamt lag das Patientenalter zwischen 34 und 82 Jahren.
Abbildung 4: Altersverteilung der Patientinnen zum Zeitpunkt der Zystektomie (n=121) (Urologische
Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.2.2. BMI (Body-Mass-Index)
Als normalgewichtig gelten Frauen, die einen BMI zwischen 19 und 24,9 aufweisen. Im
vorliegenden Kontingent traf dies auf 60 Patientinnen (50,4%) zu. 6 Patientinnen (5%)
hatten einen BMI unter 19 und waren somit untergewichtig. 53 (44,5%) hatten einen
BMI ≥25 und galten somit als übergewichtig, 16 davon (13,5%) als adipös (BMI ≥30).
Die Patientin mit dem geringsten Gewicht-Körpergrößenverhältnis hatte einen BMI
von 15, die mit dem Größten einen BMI von 42. Der durchschnittliche BMI lag bei 24,7
und die Standardabweichung bei 4,5. Als Median konnte ein BMI von 24 ermittelt
werden. Bei 2 Patientinnen war es nicht möglich den BMI zu bestimmen.
32
Abbildung 5: Anzahl der Patientinnen in den jeweiligen BMI-Einteilungsgruppen (n=119)
(BMI: Body-Mass-Index) (Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.2.3. Bauchoperationen in der Vorgeschichte
Insgesamt hatten sich 69 Patientinnen (57%) bereits vor dem orthotopen Blasenersatz
einmal einer Operation unterzogen. 28 davon (23,1%) wurden hysterektomiert und bei
wiederum 10 (8,3%) wurde simultan eine Ovarektomie durchgeführt. Eine
vorausgehende Nephrouretektomie war bei keiner Patientin vorgenommen worden.
31 Patientinnen wurden an anderen Organen (z.B. Appendix) operiert.
Abbildung 6: Anzahl der Patientinnen mit vorausgegangener Bauchoperation (n=69)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
33
3.2.4. Altersgekoppelter Charlson-Score
Bei der Analyse der Komorbidität fiel auf, dass 38 Patientinnen (31,4%) einen CharlsonScore von ≥3 aufwiesen, der auch für die Prognose relevant ist. Diese litten also bereits
präoperativ unter mäßig bis schweren, davon 11 (9,1%) unter sehr schweren
Begleiterkrankungen (Charlson-Score ≥5), die sich auch auf andere Parameter, die in
dieser Studie noch untersucht werden, auswirken können. 20 Patientinnen (16,5%)
hatten einen Charlson-Score von 0 und somit keine Vor- oder Begleiterkrankungen.
Leichte Vorerkrankungen und damit einen Charlson-Score von 1 bzw. 2 wiesen 63
Patientinnen (52,1%) auf. Die Berechnung des arithmetischen Mittels des CharlsonScors ergab 2,1 bei einer Standardabweichung von 1,8. Der Median liegt bei 2.
Abbildung 7: Anzahl an Patientinnen mit dem jeweiligen Charlson-Score (n=121)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.2.5. ASA-Score (American Society of Anesthesiologists)
Für die OP-Risikostratifizierung wurde von jeder Patientin routinemäßig kurz vor der
Operation der ASA-Score bestimmt. Bei 40 Patientinnen (34,2%) lag dieser bei ≥3.
Folglich
litten
diese
zum
Zeitpunkt
der
Operation
unter
schweren
Systemerkrankungen, woraus ein erhöhtes Operationsrisiko resultierte. Bei 63
34
Patientinnen (53,9%) betrug der ASA-Score 2, womit aber nur ein gering erhöhtes
Operationsrisiko einhergeht. 14 Patientinnen (12%) hatten einen ASA-Score von 1, was
bedeutet, dass die Patientin an keiner Erkrankung litt und das Operationsrisiko somit
nicht erhöht war. Bei 4 Patientinnen konnte kein ASA-Score ermittelt werden. Der
Mittelwert des ASA-Score lag bei 2,2, der Median bei 2. Die Standardabweichung
betrug 0,7.
Abbildung 8: Anzahl der Patientinnen mit dem jeweiligen ASA-Stadium (n=117)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.2.6. Chemotherapie, Bestrahlung und Immunprophylaxe
Einer lokalen BCG-Instillation unterzogen sich 17 Patientinnen (14,1%), einer
Mitomycin-Instillation 16 (13,2%). Insgesamt wurde bei 27 Patientinnen (22,3%) durch
lokale intravesikale Anwendung von Chemo- und Immunprophylaxe versucht, etwaige
nach der TUR-B verbliebene, disseminierte Tumorzellen abzutöten, um somit eine
Kuration oder ein starkes Hinauszögern der Zystektomie zu erreichen. Bei 2
Patientinnen (1,7%) wurde eine neoadjuvante Chemotherapie und bei einer (0,8%)
eine neoadjuvante Radiatio durchgeführt. Eine adjuvante Radiatio wurde in keinem
Fall angewendet, jedoch adjuvante Chemotherapien, denen sich 24 (19,8%)
Patientinnen unterzogen.
35
Die lokale Anwendung von Zytostatika und Chemotherapeutika geht mit einer
Verlängerung
des
Zeitraums
zwischen
Diagnose
eines
aggressiven
Harnblasenkarzinoms und einer Zystektomie einher. Dies wiederum kann in Hinblick
auf die kumulative Überlebensrate eine wichtige Rolle spielen, wie im Kapitel 3.4.2.
dargelegt wird.
Abbildung 9: Anzahl der Patientinnen mit prä- und/oder postoperativer Therapie (n=45)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010) * Bacillus-Calmette-Guerin
3.2.7. Transurethrale Resektionen (TUR) der Harnblase (B) vor Zystektomie
Die ersten transurethralen Resektionen, mit denen die Diagnose bei jeder Patientin
validiert und deshalb dieser Zeitpunkt als solides Erstdiagnosedatum verwendet
worden war, wurden im durchschnittlichen Alter von 58,4 Jahren durchgeführt, mit
einer Standardabweichung von 11 Jahren. Als Median konnte ein Alter von 60 Jahren
ermittelt werden. Die jüngste Patientin war bei der Erstdiagnose 33 Jahre, die älteste
82 Jahre alt. Mit Ausnahme von 3 Patientinnen, bei denen keine Daten vorlagen,
unterzogen sich alle 118 Patientinnen vor der Zystektomie mindestens einer TUR-B.
Bei 72 Patientinnen (61%) wurde direkt nach der primären TUR-B die Indikation zur
Zystektomie gestellt. Bei 46 (39%) Patientinnen konnte aus pathologischer Sicht eine
Zystektomie aufgeschoben werden. Diese wurden im Verlauf aufgrund eines lokal36
progredienten Tumorgeschehens zwei oder mehrfach reseziert, bevor schließlich die
Indikation zur Zystektomie gegeben war. 10 Patientinnen (8,5%) wurden ≥5 mal
reseziert.
Die Darstellung der histopathologischen Aufarbeitung der TUR-Resektionspräparate
erfolgt im Kapitel 3.3.2..
Abbildung 10: Anzahl der TUR-B´s (Transurethrale Resektionen der Blase) vor Zystektomie (n=118)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
37
3.3. Histopathologische Aufarbeitung der TUR-B, der Zystektomiepräparate
und der entnommenen Lymphknoten
3.3.1. Histopathologische Klassifikation der Tumore
Unmittelbar nach der Operation wurden die Zystektomiepräparate zusammen mit
sämtlichen entnommenen Lymphknoten in die Abteilung Pathologie gesendet, um die
histologische
Tumorart,
das
Tumorstadium,
die
Lokalisation
und
den
Differenzierungsgrad zu bestimmen sowie die entnommenen Lymphknoten auf
Tumorbefall zu untersuchen.
Am Häufigsten trat das Urothelkarzinom auf. Dieses konnte bei 103 Patientinnen
(85,1%) nachgewiesen werden. Die übrigen 18 Patientinnen wiesen entweder ein
Plattenepithelkarzinom
(6,6%),
ein
sarkomatoides
Karzinom
(5%)
oder
ein
Adenokarzinom (2,5%) auf. Bei einer Patientin trat ein Karzinom mit neuroendokriner
Differenzierung auf (0,8%).
Abbildung 11: Verteilung der Patientinnen auf die jeweilige histopathologische Tumorklassifikation
(CA: Carcinom) (n=121) (Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
38
3.3.2. Histopathologie des TUR-B-Resektionspräparates
In den 46 Fällen (39%), in denen mehrfach TUR-Bs durchgeführt worden waren, wurde
die histopathologische Bewertung der letzten TUR-B vor Zystektomie angegeben. In
den 72 Fällen (61%), in denen die Indikation zur Zystektomie bereits nach der ersten
TUR-B gestellt worden war, galten diese als letzte TUR-B vor Zystektomie und flossen
somit direkt in die Abbildung 12 mit ein. Insgesamt konnte bei 3 Patientinnen kein
Ergebnis der histopathologischen Beurteilung der TUR-B-Resektionspräparate ermittelt
werden.
Der durchschnittliche Zeitraum zwischen letzter TUR-B und der radikalen Zystektomie
betrug 63,8 Tage (9,1 Wochen) bei einer Standardabweichung von 108,8 Tagen (15,5
Wochen). Der Median lag bei 32 Tagen (4,6 Wochen) (Range: 0,1-121 Wochen). Im
Durchschnitt
wurden
2,5
TUR-Bs
vor
der
Zystektomie
durchgeführt
(Standardabweichung 4,4). Der Median betrug 1 (Range:1-35).
Abbildung 12: Gegenüberstellung des histopathologischen Stagings (pT: Tumorstadium) der letzten
TUR-B (Transurethrale Resektion der Blase) vor Zystektomie und des
Zystektomiepräparats (Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Die histopathologische Begutachtung der Resektionspräparate ergab folgende
Befunde:
1. Bei einer Patientin (0,8%) ergab das TUR-B-Resektionspräparat keine Malignität.
39
2. Bei 36 Präparaten (30,5%) konnte ein pT1-Urothelkarzinom nachgewiesen werden.
3. In 4 Fällen (3,4%) konnte ein alleiniges Carcinoma in situ diagnostiziert werden,
wohingegen 22 (18,6%) weitere Patientinnen ein an andere Tumorstadien
assoziiertes Carcinoma in situ aufwiesen.
4. Insgesamt wuchsen 40 der Urothelkarzinome (33,9%) superfiziell (pTa, pTis, pT1).
5. In 77 Präparaten (65,3%) wurde ein invasives Urothelkarzinom (pT2-pT4)
festgestellt.
3.3.3. Histopathologie des Zystektomiepräparats
Abbildung 13: Häufigkeit der Tumorstadien (pT) der Zystektomiepräparate (n=120)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Die Aufarbeitung der Zystektomiepräparate ergab folgende Befunde:
1. Bei 14 Zystektomiepräparaten (11,7%) konnte kein Tumor nachgewiesen werden.
2. Bei 12 der Patientinnen (10%) lag ein alleiniges Carcinoma in situ vor.
3. Ein pT1-Urothelkarzinom der Harnblase konnte bei 18 Patientinnen (15%)
diagnostiziert werden.
4. Insgesamt wuchsen zum Zeitpunkt der Zystektomie 44 der Urothelkarzinome
(36,7%) superfiziell (pTa, pTis, pT1).
5. Bei
37
Zystektomiepräparaten
(30,8%)
Urothelkarzinom festgestellt werden.
40
konnte
ein
muskelinvasives
6. In weiteren 37 Fällen (30,8%) hatte das Urothelkarzinom bereits das perivesikale
Fettgewebe infiltriert.
7. Bei 2 Patientinnen (1,7%) drang das Urothelkarzinom bereits in Nachbarorgane
ein.
8. Bei
insgesamt
76
Patientinnen
(63,3%)
lag
ein
invasiv
wachsendes
Urothelkarzinom der Harnblase (pT2-pT4) vor.
9. In 17 Zystektomiepräparaten (14,2%) konnte ein assoziiertes Carcinoma in situ
nachgewiesen werden.
Bei einer Patientin konnte kein Ergebnis der histopathologischen Beurteilung des
Zystektomiepräparates ermittelt werden.
3.3.4. Lymphknotenstatus zum Zeitpunkt der Zystektomie
Insgesamt war zum Zeitpunkt der Zystektomie bereits bei 28 Patientinnen (23,3%) ein
maligner Lymphknotenbefall vorhanden. Davon konnte bei 13 Patientinnen (10,9%)
jeweils nur eine kleine Lymphknotenmetastase diagnostiziert werden (pN1). In 15
Fällen (12,5%) war der Lymphknotenbefall stärker ausgeprägt (pN2 & pN3). 92
Patientinnen (77%) waren frei von Lymphknotenmetastasen (pN0). Bei einer Patientin
(0,8%) konnte der Lymphknotenstatus histologisch nicht ermittelt werden (pNX).
Abbildung 14: Anzahl der Patientinnen im jeweiligen Lymphknotenstatus (pN) (n=121)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
41
3.3.5. Histopathologisches Grading in TUR-B und Zystektomie
Bei der Betrachtung des Differenzierungsgrades zum Zeitpunkt der letzten TUR-B und
des Zystektomiepräparates fällt eine sehr ähnliche Verteilung auf die unterschiedlichen
Differenzierungsgrade auf. Des Weiteren kann man eine starke Verschiebung hin zu
schlecht- oder undifferenzierten Tumoren erkennen. Insgesamt hatten 95 Patientinnen
(80,5%) zum Zeitpunkt der TUR-B und 88 bei der Zystektomie (73,3%) einen G3differenzierten Tumor. Bei nur 2 Patientinnen (1,7%) war der Tumor gut differenziert
(G1). Ein mäßig differenzierter Tumor (G2) lag bei 20 Patientinnen (17%) im TUR-BPräparat, bei 17 (14,2%) zum Zeitpunkt der Zystektomie vor. Die mit GX bezeichnete
Anzahl an Präparaten stellt die Befunde mit pT0 im Staging dar, bei denen kein Tumor
mehr vorhanden war (13 Fälle, 10,8%). Es wurde jeweils immer das histopathologisch
schlechteste Grading berücksichtigt.
Abbildung 15: Verteilung der Differenzierungsgrade (G) zum Zeitpunkt der TUR-B (Transurethrale
Resektion der Blase) und der Zystektomie (Urologische Universitätsklinik Ulm
1995-2010)
3.3.6. Resektionsstatus
Aus den histopathologischen Berichten ergab sich folgende Aufteilung der
Zystektomiepräparate auf die Resektionsstadien. 110 Präparate wurden R0-reseziert,
42
was bedeutet, dass die Absetzungsränder außerhalb des Tumors liegen und der Tumor
damit komplett entfernt ist. Bei zwei Fällen konnte der R-Status nicht ermittelt werden
und in keinem Fall wurde R2-reseziert.
Bei 4 Patientinnen (3%) betrug der Resektionsstatus R1. In diesen Fällen konnte ein
mikroskopischer Residualtumor an den Schnitträndern festgestellt werden, wodurch
man auf einen möglichen Verbleib von Tumorzellen im Körper schließen kann. 2 der 4
Patientinnen sind in der Folgezeit an einem Lokalrezidiv verstorben. Bei einer Patientin
konnte die Todesursache nicht eruiert werden. Die 4. Patientin lebt noch und ist
tumorfrei.
Abbildung 16: Prozentuale Aufteilung der Zystektomiepräparate auf die Resektionsstadien (R) (n=119)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.3.7. Vergleich von Grading und Lymphknotenstatus bei Zystektomie
Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Lymphknotenstatus und dem
Differenzierungsgrad festgestellt werden. (Spearman-Rho-Korrelationskoeffizient: rs=0,022)
Wie unten aus der Darstellung ersichtlich ist, trat bei keinem gut differenzierten Tumor
(G1) eine Lymphknotenmetastase auf. In der G2-Gruppe kam es bei 5 Patientinnen
43
(29,4%) zu Lymphknotenbefall. Bei den G3-Tumoren lagen in 20 Fällen (22,7%)
Lymphknotenmetastasen vor. In der GX-Gruppe, welche die pT0-Stadien repräsentiert,
traten in 3 Fällen Lymphknotenmetastasen auf (21,4%).
Abbildung 17: Verteilung der Lymphknotenstadien (pN) auf die Differenzierungsgruppen (G) (n=121)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
3.3.8. Vergleich von Staging und Lymphknotenstatus bei Zystektomie
Wie aus der Abbildung 18 zu ersehen ist, konnte ein Zusammenhang zwischen der
Infiltrationstiefe des Tumors und dem Befall von Lymphknoten erstellt werden. Je
höher das Tumorstadium und damit je tiefer die Infiltration, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit
für
einen
malignen
Lymphknotenbefall.
(Spearman-Rho-
Korrelationskoeffizient: rs=0,284)
Beim lokalen oberflächlichen Tumorstadium pTis war kein Lymphknoten betroffen. Im
Stadium pT1 kam es in einem Fall (5,6%), beim muskelinvasiven Karzinom (pT2) in 9
Fällen (24,3%) zu einer Lymphknoteninfiltration. Bei Karzinomen, die bis ins
perivesikale
Fettgewebe
eindrangen
(pT3),
waren
13
Patientinnen
von
Lymphknotenmetastasen betroffen (35,1%) und bei vorhandener Organinfiltration
(pT4) lag die lymphogenen Streuung des Tumors bei 100%. In der pT0-Gruppe kamen
in 3 Präparaten positive Lymphknoten vor (21,4%).
44
Abbildung 18: Verteilung der positiven Lymphknoten (pN+) auf die Tumorstadien (pT) (n=120)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Der Zusammenhang zwischen pT- und pN-Stadium wird anhand der Abbildung 19
detaillierter dargestellt. Während bei der pN1-Gruppe das Tumorstadium pT3 zu 30,8%
(4 Fälle) vertreten ist, liegt dessen Anteil bei 57,1% (8 Fälle) in der pN2-Gruppe. Das
rein muskelinvasive Stadium pT2 hingegen liegt zu 46,2% (6 Fälle) in der pN1-Gruppe
und zu 21,4% (3 Fälle) in der pN2-Gruppe vor. Das höchste Lymphknotenstadium pN3
wiederum ist ausschließlich bei stark invasiven Tumoren zu finden, die bereits das
perivesikale Fettgewebe infiltriert haben.
Abbildung 19: Verteilung der Tumorstadien (pT) auf den jeweiligen Lymphknotenstatus (pN) (n=120)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
45
3.3.9. Genauere Betrachtung der onkologischen Ergebnisse
In Tabelle 7 lässt sich noch differenzierter die Wahrscheinlichkeit für positive
Lymphknoten stratifiziert nach Tumorstadien ablesen. Während diese beim Carcinoma
in situ bei 0 % und bei den ebenfalls oberflächlichen Tumoren im Stadium pT1 bei 5,7%
liegt, beträgt sie bei oberflächlich-muskelinvasiven Tumoren (pT2a) bereits 20%. Zu
einer erneuten Zunahme der Wahrscheinlichkeit für Lymphknotenmetastasen kommt
es bei makroskopisch sichtbarer Mukelinvasion (pT2b) (33,3%). Bei tieferer Infiltration
unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit für Lymphknotenmetastasen zwischen
mikroskopischer und makroskopischer Invasion nur noch geringfügig (pT3a 34,8% vs.
pT3b 35,7%). Bei den pT4-Tumoren waren in jedem Fall Lymphknoten befallen (100%).
Insgesamt waren bei 28 Patientinnen (23,3%) Lymphknotenmetastasen zu finden.
Bei den organbegrenzten Tumoren (≤pT2) trat in 13 Fällen (16,1%) ein maligner
Lymphknotenbefall auf und damit deutlich seltener als bei den nicht-organbegrenzten,
auch extravesikal infiltrativ wachsenden Karzinomen (>pT2) (15 Fälle - 38,5%).
Tabelle 7: Verteilung der Tumorstadien (pT) auf die Lymphknotenstadien (LK)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Pathologisches
Tumorstadium
Anzahl Total
(%)
Anzahl LK neg
Anzahl LK pos
pT0
pTis
pT1
pT2a
pT2b
pT3a
pT3b
pT4
Organbegrenzt
(≤pT2)
Extravesikal
(>pT2)
Total
14 (11.6)
12 (9.9)
18 (14.9)
25 (20,8)
12 (9.9)
23 (19.0)
14 (11.6)
2 (1.7)
81 (67.5)
11
12
17
20
8
15
9
0
68
3
0
1
5
4
8
5
2
13
21,4
0
5,7
20
33,3
34,8
35,7
100
16,1
39 (32.2)
24
15
38,5
120 (100)
92
28
23,3
46
LK pos in %
3.4. Mortalität
Insgesamt konnte bei 109 Patientinnen eine Follow-up-Zeit berechnet werden. Diese
lag im Mittel bei 66,2 Monaten bei einer Standardabweichung von 43,1 Monaten. Als
Median wurde eine Follow-up-Zeit von 57 Monaten ermittelt. (Range: 1-171 Monate).
Bei der Bestimmung der Todesursache wurde unterschieden, ob die Patientinnen am
Tumor bzw. in Verbindung mit dem Haupttumor durch ein Rezidiv verstorben sind
oder ob die Todesursache unabhängig vom Tumorgeschehen war. Dabei wurden 106
Patientinnen in die Erhebung einbezogen. Bei den übrigen 15 Patientinnen konnte
keine Todesursache ermittelt werden, wenngleich gesichert ist, dass 11 davon nicht
mehr am Leben sind. Von den übrigen 4 Patientinnen konnten keine Überlebensdaten
ermittelt werden.
Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren bereits 34 Patientinnen (32,1%) verstorben.
27 dieser Patientinnen (25,5%) verstarben aufgrund des Tumors. 8 (7,6%) verstarben
eines Todes, der nicht kausal mit dem Tumorgeschehen in Verbindung stand.
Abbildung 20 stellt die Mortalität in Abhängigkeit von der Todesursache und
stratifiziert nach dem Tumorstadium dar. Ersichtlich ist, dass bei steigendem
Tumorstadien die tumorspezifische Mortalitätsrate (rot unterlegt) zunimmt. Bei den
oberflächlichen Tumorstadien pTis und pT1 verstarben 2 (18%) bzw. 3 (20%)
Patientinnen aufgrund des Tumorgeschehens, im Stadium pT2 8 Patientinnen (24%).
Bei Tumoren die bereits das perivesikale Fettgewebe infiltriert hatten (pT3) betrug der
Anteil 35,5% (11 Patientinnen). In der Gruppe der pT4-Tumoren verstarben beide
Patientinnen in Folge des Tumors (100%).
47
Abbildung 20: Mortalität je Tumorstadium (pT) (TU: Tumor) (n=120)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Das Gesamtkollektiv wurde genauer differenziert und in 3 Patientengruppen aufgeteilt,
die für das Überleben prognostische Relevanz besitzen. Wie unter 3.3.3. beschrieben,
konnte bei einer Patientin kein Tumorstadium eruiert werden, sodass hier ein Kollektiv
von 110 Patientinnen betrachtet wird.
Die
erste
Patientengruppe
fasste
alle
Fälle
mit
organbegrenzten,
lymphknotennegativen Tumoren (organ-confined ≤ pT2 N0) (61 Patientinnen, 55,5%),
die Zweite mit organüberschreitenden, lymphknotennegativen Tumoren (extravesikal
≥ pT3 N0) (21 Patientinnen, 19,1%) und die Dritte mit lymphknotenpositiven Tumoren
jeglichen Tumorstadiums zusammen (pTx N+) (28 Patientinnen, 25,5%).
3.4.1. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Kaplan-Meier-Methode
Mit der Kaplan-Meier-Methode wurde das Gesamtüberleben und das tumorspezifische
Überleben der Patienten allgemein und für oben definierte Prognosegruppen
berechnet.
48
Abbildung 21: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=111) – „Gesamtüberleben“
(Kaplan-Meier-Methode) (Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten des Gesamtkollektivs betrugen 69,9% (95%Konfidenzintervall: 60,7-79,1%) bzw. 56,0% (43,7-68,4%). Die mediane Überlebenszeit
liegt bei 13,1 Jahren, der Mittelwert bei 9,3 Jahren.
4 Patienten wurden als Lost-to-follow-up gewertet, sodass 117 Patienten betrachtet
werden konnten.
In
2
Fällen
wurde
bei
fehlendem
Todesdatum
für
den
fehlenden
Beobachtungszeitraum die mediane Überlebenszeit der Personen verwendet, die sich
bei Zystektomie im selben Tumorstadium befanden. Somit war der statistische Fehler
kleiner, als wenn beide zum Zeitpunkt 0 zensiert worden wären.
In 5 Fällen konnte zwar das Todesdatum, nicht jedoch die Todesursache ermittelt
werden. Um auch in diesem Fall den statistischen Fehler so gering wie möglich zu
halten, wurden hier in einer Sensitivitätsanalyse beide Extreme betrachtet. Das eine
Mal nahmen wir an, dass alle 5 Patienten am Tumor selbst verstorben wären –
49
insgesamt also 31, das andere Mal, dass es in allen Fällen eine andere Todesursache
gewesen wäre – also 26 tumorbedingte Todesfälle. 8 Patienten waren definitiv nicht
am Tumor selbst verstorben.
Bei 6 Patienten konnte die Todesursache weder eruiert, noch statistisch mit einer
Sensitivitätsanalyse erfasst werden, da auch das Todesdatum nicht ermittelt werden
konnte. Dadurch wurden auch diese zensiert und die kumulative Überlebensrate für
111 Patienten berechnet. (siehe oben)
Nun wurde das Gesamtkollektiv nach den im Kapitel 3.4. definierten 3
Prognosegruppen (61x ≤pT2N0; 21x >pT2N0; 28x pTxN+) aufgeteilt und die
Überlebensrate für jede Gruppe ermittelt.
Abbildung 22: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler Zystektomie –
„Gesamtüberleben“, differenziert in 3 Patientengruppen (Kaplan-Meier-Methode) (1blau: organ-confined ≤ pT2 N0; 2-grün: extravesikal ≥ pT3 N0; 3-braun:
lymphknotenpositiv pTx N+) (Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Für diese Patientengruppen wurden die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten (JÜR) und
die 95%-Konfidenzintervalle jeweils separat ermittelt:
50
Gruppe 1 mit 5 – JÜR von 83,3% (72,5-94,1%), 10 – JÜR von 70,3% (55-85,6%)
Gruppe 2 mit 5 – JÜR von 70,2% (50,2-90,2%), 10 – JÜR von 61,4% (37,5-85,3%)
Gruppe 3 mit 5 – JÜR von 42,3% (23,9-60,7%), 10 – JÜR von 17,6% (0-44,1%)
Beim Vergleich der Gruppen wird deutlich, dass die Überlebensraten mit der Zunahme
des lokalen Tumorwachstums abnehmen (Gruppe 1 und 2) und stark einbrechen,
sobald Lymphknotenmetastasen vorhanden sind (Gruppe 3). Im Vergleich der Gruppen
wurden die Unterschiede statistisch betrachtet, da sie großen Einfluss auf die Prognose
haben.
Tabelle 8: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit Hilfe des
Log-Rank- und Breslow-Tests („Gesamtüberleben“) (1: organ-confined ≤ pT2 N0; 2:
extravesikal ≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv pTx N+)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Prognosegruppen
1
Chi-
2
Sig.
Quadrat
(Mantel-Cox)
Breslow
(Generalized
Wilcoxon)
Sig.
Quadrat
1
Log Rank
Chi-
3
2,602
2
2,602
,107
3
24,108
,000
1
2
6,115
,013
3
27,720
,000
Chi-
Sig.
Quadrat
,107
24,108 ,000
3,636 ,057
3,636
,057
6,115
,013
27,720 ,000
2,541 ,111
2,541
,111
Ausgehend von einem Signifikanzniveau von 95% ist aus der Tabelle zu ersehen, dass
im Log-Rank-Test, der alle Ereignisse gleich bewertet, ein hochsignifikanter
Unterschied zwischen der 1. und 3. Prognosegruppe besteht, jedoch nicht zwischen
der 1. und 2. oder zwischen der 2. und 3.. Im Breslow-Test jedoch, der die frühen
Ereignisse stärker gewichtet, besteht neben dem hochsignifikanten Unterschied
zwischen der 1. und 3. Prognosegruppe ein signifikanter Unterschied zwischen der 1.
und 2. Prognosegruppe, jedoch ebenfalls nicht zwischen der 2. und 3. Personengruppe.
Für die tumor-spezifische Mortalität wurden ausschließlich die Ereignisse verwendet,
bei denen der Tumor auch für den Tod verantwortlich war. Da, wie oben bereits
51
beschrieben, eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt wurde, wurden nun zwei KaplanMeier-Kurven für die beiden Extreme berechnet.
Abbildung 23: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler Zystektomie –
„tumorspezifisches Überleben“ (mit n=31 Ereignissen), differenziert in 3
Prognosegruppen (Kaplan-Meier-Methode) (1-blau: organ-confined ≤ pT2 N0; 2-grün:
extravesikal ≥ pT3 N0; 3-braun: lymphknotenpositiv pTx N+)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Analog des Gesamtüberlebens wurden die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten (JÜR)
und die 95%-Konfidenzintervalle für die jeweiligen beschriebenen Gruppen in Hinblick
auf das tumorspezifische Überleben ermittelt:
Gruppe 1 mit 5 – JÜR von 87,3% (77,7-96,9%), 10 – JÜR von 78,5% (65,6%-91,4%)
Gruppe 2 mit 5 – JÜR von 77,8% (58,6-97%), 10 – JÜR von 68,1% (43,6-92,6%)
Gruppe 3 mit 5 – JÜR von 51,2% (32-70,4%), 10 – JÜR von 21,3% (0-52,9%)
Beim Vergleich des Gesamtüberlebens mit dem tumorspezifischen Überleben wird
deutlich, dass die Überlebensraten bei letzterem in allen Gruppen deutlich höher sind.
Dies veranschaulicht den statistischen Einfluss der Patienten, die aus einem anderen
Grund verstorben sind.
52
Tabelle 9: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit Hilfe des
Log-Rank- und Breslow-Tests („tumorspezifisches Überleben“ mit n=31 Ereignissen) (1:
organ-confined ≤ pT2 N0; 2: extravesikal ≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv pTx N+)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Prognosegruppen
1
Chi-
2
Sig.
Quadrat
(Mantel-Cox)
Breslow
(Generalized
Wilcoxon)
Sig.
Quadrat
1
Log Rank
Chi-
3
1,500
2
1,500
,221
3
21,246
,000
1
2
3,290
,070
3
23,240
,000
Sig.
Quadrat
,221
4,116
,042
3,290
,070
3,625
Chi-
21,246
,000
4,116
,042
23,240
,000
3,625
,057
,057
Ebenso wie beim Gesamtüberleben stellt sich auch beim tumorspezifischen Überleben
heraus, dass in beiden Tests signifikante Unterschiede zwischen der 1. und 3.
Prognosegruppe bestehen. Darüberhinaus besteht im Log-Rank-Test auch ein
signifikanter Unterschied zwischen der 2. und 3. Prognosegruppe.
Abbildung 24: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler Zystektomie –
„tumorspezifisches Überleben“ (mit n=26 Ereignissen), differenziert in 3
Prognosegruppen (Kaplan-Meier-Methode) (1-blau: organ-confined ≤ pT2 N0; 2-grün:
extravesikal ≥ pT3 N0; 3-braun: lymphknotenpositiv pTx N+)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
53
Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten (JÜR) und die 95%-Konfidenzintervalle:
Gruppe 1 mit 5 – JÜR von 87,3% (77,7-97%), 10 – JÜR von 84,7% (74,1-95,3%)
Gruppe 2 mit 5 – JÜR von 77,8% (58,6-97%), 10 – JÜR von 68,1% (43,6-92,6%)
Gruppe 3 mit 5 – JÜR von 56,0% (36,2-75,8%), 10 – JÜR von 23,3% (0-57,8%)
Beim Vergleich der beiden Gruppen fällt auf, dass durch die Sensitivitätsanalyse, die
zur Einschätzung der Stabilität des Ereignisses gemacht wurde, der statistische Fehler
vor allem in der 3. Gruppe sichtbar wird. In dieser steigt die 5 – JÜR von 51,2% bzw. die
10 – JÜR von 21,3% (n=31) auf 56% bzw. 23,3% (n=26). Daraus erschließt sich, dass ein
Großteil der betrachteten Fälle aus der lymphknotenpositiven Patientengruppe
stammen und somit auch die berechnete Überlebensrate dieser Gruppe verfälscht
hätten.
Tabelle 10: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit Hilfe des
Log-Rank- und Breslow-Tests („tumorspezifisches Überleben“ mit n=26 Ereignissen) (1:
organ-confined ≤ pT2 N0; 2: extravesikal ≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv pTx N+)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Prognosegruppen
1
Chi-
2
Sig.
Quadrat
Chi-
1
(Generalized
2
4,227
,040
Wilcoxon)
3
19,278
,000
4,227
1
(Mantel-Cox)
Sig.
Quadrat
Breslow
Log Rank
3
2
3,349
,067
3
19,658
,000
Sig.
Quadrat
,040
2,385
,122
3,349
,067
2,935
Chi-
19,278
,000
2,385
,122
19,658
,000
2,935
,087
,087
Analog zur Signifikanztestung beim Gesamtüberleben oben findet man beim
tumorspezifischen Überleben die gleichen signifikanten Unterschiede zwischen den
Prognosegruppen.
54
Schließlich wurden diverse weitere Faktoren analysiert, die möglicherweise Einfluß auf
die Überlebensrate haben:
Tabelle 11: 5-Jahres-Überlebensraten bei der gesonderten Betrachtung verschiedener Einflussfaktoren
(pTis: Carcinoma-in-situ; ED: Erstdiagnose; Zyst.: Zystektomie)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Einflussgröße:
5-Jahres-Überlebensrate:
Alter < 50 Jahre
Alter 50-60 Jahre
Alter > 60 Jahre
Unifokalität
Multifokalität
pTis-assoziiert
Kein pTis-assoziiert
Ektomierte Lymphknoten: <11
Ektomierte Lymphknoten: 11-20
Ektomierte Lymphknoten: >20
Zeitraum Erstdiagnose-Zystektomie: 0 Monate
Zeitraum ED-Zyst.: 1-3 Monate
Zeitraum ED-Zyst.: 4-6 Monate
Zeitraum ED-Zyst.: 7-15 Monate
Zeitraum ED-Zyst.: >15 Monate
Grading GII
Grading GIII
95,5 %
73,3 %
57,4 %
69,5 %
69,9 %
78,3 %
68,1 %
70,7 %
75,9 %
68,2 %
70,1 %
67,7 %
76,2 %
77,1 %
65,6 %
81,3 %
67,1 %
3.4.2. Bivariate Korrelationsanalyse
Mit Hilfe des Korrelationskoeffizienten nach Spearman-Rho wurde der Einfluss obiger
Faktoren auf die Überlebenszeit des gesamten Kollektivs analysiert.
Tabelle 12: Korrelation verschiedener Faktoren mit der Überlebensrate
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Dx*: Diagnosezeitpunkt letzte TUR-B - Indikation einer Zystektomie; nur pT2N0M0-pT4N0M0
T-Tod*: Tumorspezifisches Überleben (mit n=26 Ereignissen)
Faktor:
Spearman-Rho:
Alter
Entnommene Lymphknoten
Zeitraum Dx*-Zystektomie
rs=-0,259
Schwach-negativer Zusammenhang
rs=0,072
Kein Zusammenhang
rs=0,036 bzw. 0,750 bei Kein
–
bzw.
deutlicher
T-Tod*
Zusammenhang
rs=-0,147
Kein Zusammenhang
rs=-0,310
Schwach-negativer Zusammenhang
rs=-0,298
Schwach-negativer Zusammenhang
55
Grading
Tumorstadium
Lymphknotenstadium
Interpretation:
3.4.3. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Cox-Regression
Mit Hilfe der Cox-Regression kann der Effekt mehrerer Einflussgrößen auf die
Überlebenszeit untersucht werden. Zunächst wurde jede potentiell wichtige Variable
einzeln betrachtet (univariat) und im finalen Modell nur diejenigen Variablen
verwendet, die einzeln betrachtet im Cox-Modell einen p-Wert von ≤ 0,1 hatten
(Variablenselektion). Dieses Vorgehen war nötig, um die Anzahl der Variablen zu
senken, damit das multiple Modell nicht überladen wird.
Folgende Variablen wurden nur univariat betrachtet (p ≥ 0,1):
-
Anzahl TUR-B vor Zystektomie
- pTis – assoziiert bei Erstdiagnose
-
ASA – Score
- pTis – assoziiert bei Zystektomie
-
Multifokalität
- Grading bei Erstdiagnose
-
Tumorart
- Grading bei Zystektomie
-
BCG/Mitomycin – Instillation
- Zeitraum Erstdiagnose – Zystektomie
Das finale Modell beinhaltet die Variablen „Alter zum Zeitpunkt der Zystektomie“,
„Charlson-gruppiert“ (wobei Charlson-Index 0 ≙ 0; 1-2 ≙ 1; ≥3 ≙ 2)“ und
„Prognosegruppen“ (Definition wie unter 3.4.). Wie bei der Berechnung der KaplanMeier-Kurven wurde auch hier eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt und das Modell
wie oben bereits beschrieben für den Status 1 (26 tumorbedingte Todesfälle) und
Status 2 (31 tumorbedingte Todesfälle) berechnet.
Bei Variablen mit mehr als 2 Klassen wird der Vergleich zur Referenzklasse
durchgeführt. Bei „Charlson-gruppiert“ ist dies der Vergleich der Codierung 1 zu 0 und
2 zu 0, bei „Prognosegruppen“ ist es der Vergleich von Codierung 2 zu 1 und 3 zu 1.
56
Status 1: 26 tumorbedingte Todesfälle
Tabelle 13: Übersicht über das Gesamtkollektiv (mit n=26 Ereignissen)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Gesamtkollektiv
117
Ereignisse
26
Zensiert
91
Zensiert in %
77,78
Tabelle 14: Gemeinsamer p-Wert für Variablen mit mehr als 2 Klassen (mit n=26 Ereignissen)
Variable
Alter
p-Wert
Charlson-gruppiert
0,0004
Prognosegruppen
0,0003
0,0107
Wie aus Tabelle 14 zu ersehen ist, sind alle p-Werte ≤ 0,05 und damit die Variable
„Alter“ als signifikant bzw. „Charlson-gruppiert“ und „Prognosegruppen“ als
hochsignifikant zu klassifizieren, da diese einen p-Wert von ≤0,01 aufweisen.
Tabelle 15: Ergebnisse des Cox-Modells (mit n=26 Ereignissen)
Variable
Hazard Ratio
95% Konfidenzintervall
für das Hazard-Ratio
p-Wert
Alter
1,054
1,012 – 1,098
0,0107
Charlson-gruppiert
1 versus 0
Charlson-gruppiert
2 versus 0
Prognosegruppe
2 versus 1
Prognosegruppe
3 versus 1
0,256
0,057 – 1,153
0,0759
7,125
2,278 – 22,285
0,0007
4,375
1,314 – 14,565
0,0162
7,210
2,768 – 18,780
<0,0001
In Tabelle 15 zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter ein leicht erhöhtes Risiko
vorliegt, an der Erkrankung zu versterben (Wahrscheinlichkeit 1,05-fach). Das
Konfidenzintervall, in dem mit 95% Wahrscheinlichkeit der Wert auch liegt, bestätigt
diesen Sachverhalt (1,012 – 1,098). Beim Charlson-Score konnte in der Gruppe 1 noch
kein Unterschied zur Gruppe 0 gezeigt werden. Im Vergleich der Gruppe 2 mit der
Gruppe 0 jedoch wird ein deutlich höheres Risiko sichtbar (Wahrscheinlichkeit 7,125fach), das auch als hochsignifikant zu werten ist (p= 0,0007). Im 95%-Konfidenzintervall
wird klar, dass der Wert in dieser Gruppe auch deutlich über dem der Gruppe 0 liegen
57
kann (2.278 - 22.285). Bei den „Prognosegruppen“ ist der Anstieg des Risikos zwischen
den einzelnen Gruppen ebenfalls sehr deutlich zu erkennen. Die Gruppe 2 hat
gegenüber der Gruppe 1 ein 4,375-faches Risiko (95%-Konfidenzintervall 1.314 14.565), die Gruppe 3 ein 7,21-faches Risiko an der Erkrankung zu versterben (95%Konfidenzintervall 2.768 - 18.780). Für den ersten Vergleich lässt sich ein signifikanter
Unterschied feststellen (p= 0,0162), für den Zweiten ist dieser hochsignifikant (p<
0,0001).
Status 2: 31 tumorbedingte Todesfälle
Tabelle 16: Übersicht über das Gesamtkollektiv (mit n=31 Ereignissen)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Gesamtkollektiv
117
Ereignisse
31
Zensiert
86
Zensiert in %
73,50
Tabelle 17: Gemeinsamer p-Wert für Variablen mit mehr als 2 Klassen (mit n=31 Ereignissen)
Variable
Alter
p-Wert
Charlson-gruppiert
0,0006
Prognosegruppen
0,0001
0,0014
Tabelle 18: Ergebnisse des Cox-Modells (mit n=31 Ereignissen)
Variable
Hazard Ratio
95% Konfidenzintervall
für das Hazard-Ratio
p-Wert
Alter (in Jahren)
1,062
1,024 – 1,102
0,0014
Charlson-gruppiert
1 versus 0
Charlson-gruppiert
2 versus 0
Prognosegruppe
2 versus 1
Prognosegruppe
3 versus 1
0,204
0,046 – 0,900
0,0358
5,386
1,808 – 16,043
0,0025
3,226
1,045 – 9,954
0,0417
6,457
2,753 – 15,143
<0,0001
Die unterschiedliche Betrachtung dieser Varianten führt zu keiner wesentlichen
Veränderung, was positiv für die Stabilität des Modells zu werten ist. Aus diesem
Grund kann an dieser Stelle auf eine detailliertere Beschreibung verzichtet werden.
58
3.4.4. Tumorlokalisation
Die histopathologische Untersuchung ergab, dass bei 100 Patientinnen (84%) die
Tumore unifokal auftraten und nur bei 19 (16%) multifokal. Bei 2 Patientinnen war es
nicht
möglich,
die
Tumorlokalisation
zu
ermitteln.
Auf
ausgewählte
Tumorlokalisationen soll nun genauer eingegangen werden.
Abbildung 25: Verteilungsmuster der Tumore – histopathologischer Befund nach Zystektomie (n=119)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Insgesamt infiltrierte der Tumor bei 2 Patientinnen (1,7%) die proximale Urethra, bei
einer im Zuge des multilokulären Befalls, bei der anderen lag der Haupttumor an der
rechten Seitenwand der Harnblase. Bei beiden war mit dem Ergebnis eines
tumorfreien Absetzungsrandes nachreseziert worden. Bei keiner der beiden lag eine
maligne Infiltration des Blasenhalses vor. Während sich eine in der Prognosegruppe 1
befand, kein Rezidiv hat und noch lebt, litt die zweite unter einem fortgeschrittenen,
metastasierten Harnblasenkarzinom. Sie befand sich zum Operationszeitpunkt in
Prognosegruppe 3 und verstarb 9 Monate nach der Zystektomie.
In 6 Zystektomiepräparaten (5%) war der Tumor im Bereich des Trigonums zu finden,
in 7 (5,9%) am Ureterostium. Bei 2 Patientinnen (1,7%) konnte eine Infiltration des
Blasenhalses festgestellt werden, wobei bei beiden die Infiltration des Blasenhalses im
59
Zuge eines multilokulären Befalls erfolgte. Während sich eine in Prognosegruppe 3
befindet und noch lebt, traten bei der zweiten, die sich ebenfalls in Prognosegruppe 3
befand, ein Lokalrezidiv und Fernmetastasen kombiniert auf. Sie ist 10 Jahre nach der
Zystektomie aufgrund ihrer Tumorerkrankung verstorben.
Des Weiteren wurde bei der Untersuchung der Harnleiterabsetzungsränder ein
Urothelkarzinom in 4 Fällen (3,4%) festgestellt. Bei einem der Fälle war die
Hauptlokalisation des Tumors am Ureterostium, bei einem anderen im Bereich des
Trigonums. Die beiden Übrigen waren an der Harnblasenhinterwand bzw. am
Übergang zwischen Blasenhinterwand und Blasenboden lokalisiert.
3.5. Progression
Bei der Erhebung des Progressionsstatus der Patientinnen konnte aufgrund der
Datenlage nicht eruiert werden, wann es zum ersten Auftreten der Progression des
Tumors kam, sodass sich die folgende Darstellung auf die deskriptive Aufarbeitung der
diagnostizierten Rezidive oder Metastasen beschränkt.
Bei 97 der 121 Patientinnen konnte ein Follow-up erhoben werden (80,2%). 24
Patientinnen gelten als Lost-to-Follow-up in Bezug auf die Progression.
Insgesamt kam es in 33 Fällen (34%) zu einer Progression des Tumors nach
Zystektomie entweder durch ein Lokalrezidiv oder durch Fernmetastasen. Wie aus der
Abbildung 26 (unten) zu ersehen ist, litten 7 Patientinnen (7,2%) unter einem solitären
Lokalrezidiv, wovon eine Patientin (1%) ein urethrales Rezidiv hatte. 19 Patientinnen
(19,6%) wiesen ausschließlich Fernmetastasen auf und in 6 Fällen (6,2%) traten
Lokalrezidiv und Fernmetastasen kombiniert auf. In einem Fall (1%) konnte die Art der
Progression nicht eruiert werden.
60
Abbildung 26: Verteilung der Patienten nach Progression – Lokalrezidiv und Fernmetastasen (n=32)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Das arithmetische Mittel für die Follow-up Zeit beträgt 39,1 Monate, bei einer
Standardabweichung von 34 Monaten. Als Median wurde ein Wert von 29 Monaten
ermittelt (Range: 2-149 Monate).
In insgesamt 15 Fällen (60%) traten die Fernmetastasen multilokulär auf, in 10 Fällen
(40%) kam es zu einer solitären Fernmetastase.
Wie aus der Abbildung 27 (unten) zu entnehmen ist, trat mit 48% (12 Fälle) am
häufigsten eine Metastasierung in die Lymphknoten auf, gefolgt von 44% (11 Fälle) in
die Lunge und 40% (10 Fälle) in die Leber. Deutlich seltener und nur im Rahmen eines
multilokulären Befalls manifestierten sich Gehirn- (8%) und Brustmetastasen (8%).
Unter den solitären Fernmetastasen kam es in 6 Fällen (60%) zu einem Befall von
Lymphknoten, bei 2 Patientinnen (20%) zu einer Streuung in die Lunge und jeweils
einmal (10%) zu einer Infiltration der Leber und des skelettalen Systems.
61
Abbildung 27: Lokalisation und Anzahl aller Fernmetastasen
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
Bei der differenzierten Betrachtung des Tumorstadiums und der Progression (siehe
Tabelle 19 unten) lässt sich ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Parametern
ableiten. Beim oberflächlichen pT1-Stadium liegt der Anteil an Patienten mit
Tumorprogression bei 16,7% (3 Fälle), beim muskelinvasiven Stadium pT2 bei 21,6% (8
Fälle) und beim pT3-Stadium bei 40,5% (15 Fälle). Im pT4-Stadium beträgt er
schließlich 50% (1 Fall).
Die Progressionsrate bei organüberschreitenden, lymphknotennegativen Tumoren
(>pT2, N0) ist mit 33,3% (8 Fälle) mehr als doppelt so hoch wie bei organbegrenzten,
lymphknotennegativen Tumoren (≤pT2, N0) (16,2%; 11 Fälle).
Während
1,5%
der
68
Patientinnen
(1
Fall)
mit
organbegrenzten,
lymphknotennegativen Tumor ein Lokalrezidiv entwickelten, waren es in der Gruppe
mit organüberschreitenden, lymphknotennegativen Tumor (24 Patientinnen) 8,3% (2
Fälle). Die Wahrscheinlichkeit für Fernmetastasen beläuft sich in der Gruppe mit einem
Tumorstadium ≤pT2 (68 Patientinnen) auf 14,7% (10 Fälle), wohingegen der Anteil in
der Gruppe mit einem Staging von ≥pT3 (24 Patientinnen) bei 8,3% (2 Fälle) liegt.
62
Differenzierter betrachtet, beträgt die Fernmetastasenwahrscheinlichkeit bei den pTisTumoren 33,3% (8 Fälle), während die Wahrscheinlichkeit im Stadium pT1 & pT2 bei
nur 16,7% (3 Fälle) bzw. 10,8% (4 Fälle) liegt. Insgesamt beträgt der Anteil an reinen
pTis-Tumoren, die nach der Operation progredient sind, 41,7% (5 FälleFernmetastasen und Lokalrezidiv).
Im Verlauf trat bei der Hälfte aller Patientinnen mit positiven Lymphknoten zum
Zeitpunkt der Operation ein progredientes Tumorgeschehen auf (14 Fälle). 14,3% (4
Fälle) entwickelten ein Lokalrezidiv, 25% Fernmetastasen (7 Fälle) und bei 10,7% (3
Fälle) kam es zu einem kombinierten Auftreten von Lokalrezidiv und Fernmetastasen.
Tabelle 19: Verteilung der Rezidive und Metastasen auf die Tumorstadien (pT)
(Urologische Universitätsklinik Ulm 1995-2010)
(pN: Lymphknotenstatus, pN0/+: unauffälliger Lymphknotenstatus/Lymphknotenbefall)
Isoliertes
Lokalrezidiv
pT0 (n=14)
pTis (n=12)
pT1 (n=18)
pT2 (n=37)
pT3 (n=37)
pT4 (n=2)
Organbegrenzt
≤pT2 & pN0
(n=68)
Organüberschreitend
≥pT3 & pN0
(n=24)
pN+ (n=28)
Gesamt
N
0
1
0
1
4
1
1
%
Fernmetastasen
Lokalrezidiv
und Fernmetastasen
n
%
0
0
0
3
8,1
3
8,1
0
0
Lokalisation
unbekannt
2,7
10,8
5
1,5
n
1
4
3
4
7
0
10
%
7,1
33,3
16,7
10,8
18,9
2
8,3
2
8,3
3
12,5
1
4
7
14,3
7
19
25
3
6
10,7
0
1
8,3
14,7
63
n
0
0
0
0
1
0
0
%
2,7
4,2
Progression
gesamt
n
1
5
3
8
15
1
11
%
7,1
41,7
16,7
21,6
40,5
50
16,2
8
33,3
14
33
50
34
4. Diskussion
4.1. Altersverteilung, TUR-B-Daten und Einfluss des Zeitraums von Erstdiagnose bis
Operation auf die Überlebensrate
Bei den Patientinnen, die zwischen 1995 und 2010 im Universitätsklinikum Ulm
zystektomiert und mit orthotopem Harnblasenersatz versorgt worden sind, ergab das
durchschnittliche Alter 59,7 Jahre (Range: 34-82 Jahre). Damit ist das Ulmer IleumNeoblasenkollektiv mit anderen Erhebungen vergleichbar, wie sie auch von Granberg et
al. und Volkmer et al. veröffentlicht worden sind. In deren Studien lag das
Durchschnittsalter zum Operationszeitpunkt bei 62 bzw. 63,8 Jahren (Granberg et al.
2008; Volkmer et al. 2009).
Die Erstdiagnose des Harnblasenkarzinoms wurde im Rahmen der ersten TUR-B jeder
Patientin gestellt und daraus das durchschnittliche Alter bei der Erstdiagnose berechnet.
Dieses betrug 58,4 Jahre. Bei einem mittleren Alter von 59,7 Jahren zum Zeitpunkt der
Zystektomie resultiert eine durchschnittliche Latenzzeit zwischen Erstdiagnose und
Zystektomie von 1,3 Jahren. Durchschnittlich wurden 2,5 TUR-Bs vor Zystektomie
durchgeführt. Dies ist vergleichbar mit der Studie von Hautmann und Paiss, die eine
Latenzzeit von 11,8 Monate und einen Mittelwert von 2,1 TUR-Bs vor Zystektomie
beschrieben (Hautmann und Paiss 1998).
Die Latenzzeit zwischen der letzten TUR-B vor Zystektomie, bei der die Indikation
gestellt wurde, und der Operation betrug durchschnittlich 62,6 Tage bei einer
Standardabweichung von ±65,35 Tagen. Der Median lag bei 34 Tagen. Hierbei wurden
ausschließlich muskelinvasive, lymphknoten-negative Tumore betrachtet (pT2N0M0pT4N0M0). Die Latenzzeit lag in unserem Kollektiv damit deutlich unter der von
Hautmann und Paiss mit 4,1 Monaten (Hautmann und Paiss 1998) und ist vergleichbar
mit der von Chang (63 Tage) (Chang et al. 2003). Wie im Kapital 1.8. dargelegt, haben
bereits Hautmann und Paiss, Chang et al., aber auch Sánchez-Ortiz et al. und Gore et al.
festgestellt,
dass
mit
zunehmender
Latenzzeit
zwischen
der
Diagnose
des
Harnblasenkarzinoms und der Zystektomie die tumorspezifische Überlebensrate
abnimmt und somit eine frühzeitige Entscheidung zur Therapie mit einer Verbesserung
64
der Prognose zusammenhängen kann. (Hautmann u. Paiss 1998; Chang et al. 2003;
Sánchez-Ortiz 2003; Gore et al. 2009; Gakis et al. 2013).
Dies konnte in unserem Kollektiv jedoch nicht nachgewiesen werden. Wenn auch ein
deutlicher Zusammenhang zwischen der Zeit zwischen der Indikationsstellung (letzte
TUR-B) und der Zystektomie einerseits und der tumorspezifischen Überlebenszeit
andererseits errechnet wurde (Spearman-Rho-Korrelationskoeffizient rs=0,750), so war
der Zusammenhang doch positiv. Dieses Ergebnis ist jedoch aufgrund der geringen
Fallzahl nicht aussagekräftig. Nur 7 Patientinnen erfüllten die Einschlusskriterien für die
Berechnung (Tumorstadium zwischen pT2N0M0 und pT4N0M0, tumorspezifische
Überlebensrate).
Beim
Vergleich
Gesamtüberlebensrate konnte
bei
des
beschriebenen
Zeitraums
mit
der
einer Fallzahl von 46 Patientinnen
kein
Zusammenhang festgestellt werden (rs=0,036). Wenngleich in den Studien von Chang et
al. sowie Hautmann und Paiss nicht die Fallzahlen für diese Berechnung erwähnt
werden, kann man aus dem Vergleich der Anzahl von Patientinnen mit
muskelinvasivem, lymphknoten-negativem Urothelkarzinom (95 bei Chang et al., 135 bei
Hautmann und Pais versus 52 in unserem Kollektiv) schließen, dass auch die Fallzahlen
durchschnittlich höher liegen müssten als in unserer Studie, wodurch Zusammenhänge
leichter errechnet werden können (Hautmann und Paiss 1998; Chang et al. 2003).
In unserem Kollektiv wurde bei 61% der Patientinnen nach der ersten TUR-B die
Indikation zur Zystektomie gestellt. Bei 39% wurde vor der Operation zwei oder
mehrfach reseziert, bevor eine Zystektomie notwendig wurde. In 10% der Fälle sogar
≥5x. Vaidya et al. fanden in ihrem Kollektiv von 184 Zystektomien vergleichbare Werte
vor. Unter allen Patienten, die aufgrund eines muskelinvasiven Blasenkarzinoms
zystektomiert wurden, hatten 57% den Muskelbefall bereits bei Erstvorstellung, sodass
die Indikation zur Zystektomie gestellt wurde. 43% waren ursprünglich als nichtmuskelinvasive
Urothelkarzinome
diagnostiziert,
organerhaltender Maßnahmen fort (Vaidya et al. 2001).
65
schritten
jedoch
trotz
4.2. Onkologische Parameter
4.2.1. Histopathologische Klassifikation
Bei der histopathologischen Klassifikation der Harnblasenkarzinome hat sich in unserer
Studie folgende Aufteilung ergeben. Mit 85,1% (103 Patientinnen) am häufigsten trat
das Urothelkarzinom auf. Die übrigen 18 Patientinnen hatten entweder ein
Plattenepithelkarzinom (8 Fälle, 6,6%), ein sarkomatoides Karzinom (6 Fälle, 5%), oder
ein Adenokarzinom (3 Fälle, 2,5%). Einmal konnte ein Karzinom mit neuroendokriner
Differenzierung nachgewiesen werden (0,8%). Wittekind und Nenning aus dem Institut
für Pathologie der Universität Leipzig gelangten in ihrer umfangreichen Recherche zu
beinah deckungsgleichen Werten. Auch bei ihnen wird das Urothelkarzinom als
häufigste Entität mit ca. 90% beschrieben (Wittekind u. Nenning 1997; Rosai 1996). Die
Inzidenz von Plattenepithelkarzinomen wird in westlichen Ländern mit 1-5% angegeben.
Nur
in
Endemiegebieten
der
Schistosomiasis
kann
der
Anteil
von
Plattenepithelkarzinomen bei Blasenkarzinomen bis zu 75% betragen (El-Bolkainy et al.
1981, Obafunwa 1991). Das Adenokarzinom tritt mit einer Häufigkeit von 0,2-2% auf
(Anderström et al. 1983; Rosai 1996; Wittekind u. Nenning 1997).
4.2.2. Grading, Lymphknotenstatus und Tumorstadium
Zum Zeitpunkt der Zystektomie wiesen 73,3% unserer Patientinnen ein schlecht
differenziertes Karzinom auf (Grading-G3), zum Zeitpunkt der TUR-B 80,5%. Das mäßig
differenzierte Stadium G2 wurde in 14,2% der Zystektomiepräparate und in 17% der
TUR-B-Präparate gefunden. Wenngleich die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patientinnen
mit Grading 2 deutlich höher lag als bei Grading 3 (81,3% versus 67,1%), konnte jedoch
kein Zusammenhang des Gradings mit der Überlebensrate statistisch belegt werden
(Spearman-Rho: rs=-0,147). Hara und Miyake beschrieben für ihr Kollektiv von 154
Patienten (131 Männer, 23 Frauen), die aufgrund eines Urothelkarzinoms einer
Zystektomie zugeführt wurden, eine vergleichbare Häufigkeit des Gradings 2 (13,6%),
jedoch ein deutlich häufigeres Grading 3 (85,7%) (Hara und Miyake 2001). Ein möglicher
66
Grund der Divergenz liegt in der Häufigkeit des Gradings Gx in unserem Kollektiv (13
Fälle, 10,8%), welches bei Hara und Miyake nicht beschrieben wird. Es resultiert aus
einer erfolgreichen TUR-B, bei der kein Restgewebe des Tumors im Zystektomiepräparat
verblieb.
Die histopathologische Beurteilung unseres Kollektivs ergab einen Lymphknotenbefall
bei 28 Patientinnen (23,3%). Dies geht mit den Angaben von Herr et al. und Shariat et al.
konform, die einen Anteil von 21% bzw. 23% an positiven Lymphknoten angaben (Herr
et al. 2004; Shariat et al. 2006). In unserer Studie trat bei 13 (10,9%) Patientinnen
jeweils eine solitäre Lymphknotenmetastase auf (pN1). In den übrigen 15 (12,5%) Fällen
lagen bereits die Stadien pN2 und pN3 vor. Zu vergleichbaren Werten gelangten auch
Fang et al., als diese die histopathologischen Befunde eines Kollektivs von 349 Patienten
(267
Männer,
82
Frauen)
nach
Zystektomie
hinsichtlich
einer
Lymphknotenmetastasierung und dessen Auswirkung auf das Überleben analysierten.
Bei ihnen trat ein Lymphknotenbefall in 27,5% der Fälle auf, wobei das Stadium pN1 in
11,5%, pN2 und pN3 in 16% vorlagen (Fang et al. 2010).
Es konnte kein Zusammenhang von Grading und Lymphknotenstatus festgestellt werden
(Spearman-Rho-Korrelationskoeffizient:
rs=-0,022).
Während
bei
keinem
gut
differenzierten Tumor (G1) Lymphknotenmetastasen auftraten, kam es in der G2Gruppe bei 5 Patientinnen (29,4%) zu einem Lymphknotenbefall. Bei den G3-Tumoren
lagen in 20 Fällen (22,7%) Lymphknotenmetastasen vor. Im Gegensatz dazu konnte
Heberling in einer Serie von 470 Patienten darstellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer
Lymphknotenmetastasierung
steigt, je schlechter der Differenzierungsgrad des
Urothelkarzinoms ist. In ihrem Kollektiv, das beide Geschlechter und verschiedene
Formen der Harnableitung beinhaltet, traten ebenfalls bei keinem gut differenzierten
Tumor, jedoch bei 17,5% der G2-Tumore und bei 30,9% der G3-Tumore
Lymphknotenmetastasen auf (Heberling 2007). Angesichts des um den Faktor 4
größeren Kollektiv in ihrer Studie, ist dies als Ursache für das unterschiedliche
statistische Ergebnis anzunehmen.
67
In der GX-Gruppe unseres Kollektivs, welche die pT0-Stadien repräsentiert, traten in 3
Fällen Lymphknotenmetastasen auf (21,4%). Ursächlich hierfür könnte sein, dass es bei
der letzten TUR-B vor Zystektomie gelungen ist, den gesamten Tumor zu entfernen,
dieser jedoch bereits in die Lymphknoten metastasiert war. Diese Annahme wird durch
die Tatsache gestützt, dass diese 3 Fälle im Zystektomiepräparat das Tumorstadium pT0
aufwiesen und im TUR-B-Präparat in 2 Fällen das Stadium pT2 (muskelinvasiv) vorlag
und erfolgreich reseziert wurde. Im 3. Fall konnte kein Tumorstadium eruiert werden.
Dieser Zusammenhang spiegelt sich auch bei der Darstellung der tumor-spezifischen
Mortalität gegenüber dem Tumorstadium wieder. Eine Patientin mit dem pathohistologischen Befund von pT0 im Zystektomiepräparat verstarb aufgrund des
Tumorgeschehens und sollte daher in die Gruppe derer gezählt werden, bei denen die
letzte TUR-B erfolgreich war und die Tumormasse komplett entfernt werden konnte, es
jedoch bereits zu Lymphknotenmetastasen gekommen war.
Bei der Untersuchung der histologischen Präparate aller Patientinnen ergab sich die im
Kapitel 3.3.9. in Tabelle 7 dargestellte Aufteilung auf die Tumorstadien und den
Lymphknotenbefall. Stein et al. beschrieben in ihrer Studie 2009 ein Patientenkollektiv,
das vergleichbar mit unserem ebenfalls 120 Patientinnen einschließt und nur Frauen
beinhaltet, die aufgrund eines Urothelkarzinoms zystektomiert und mit einem
orthotopen Harnblasenersatz versorgt worden sind. Die Anzahl der auf die Blase
begrenzten Tumore (≤pT2) und die Anzahl der blasenwandüberschreitenden Tumore
(>pT2) sind hierbei nahezu identisch (68% und 32%). Unterschiede zeigen sich jedoch bei
der genaueren Betrachtung der Tumorstadien. Während die pT0-Gruppe mit 8% (10
Fälle) nur geringfügig kleiner war als in unserer Studie, wiesen 25% der Patientinnen (30
Fälle) ein pTis/pTa-Stadium auf (versus 10% in unserer Serie). Der Grund für die
Differenz kann darin begründet sein, dass einerseits das pTa-Stadium hier zum pTisStadium gezählt und in unserer Studie zum pT1-Stadium gerechnet wurde und
andererseits in unserer Serie ausschließlich die reinen pTis-Tumore (12 Patientinnen,
9,9%) betrachtet wurden. Wenn ein assoziiertes pTis auftrat (17 Patientinnen, 14,1%),
so wurde definitionsgemäß das höhere Tumorstadium angegeben. Wenn reine und
68
assoziierte pTis zusammengerechnet werden, ergibt dies 24% und liegt somit in unserer
Serie ebenso hoch wie bei Stein et al. (Stein et al. 2009).
Im pT2-Stadium ist eine deutliche Divergenz zwischen deren und unserer Studie zu
beobachten. Während in ihrem Kollektiv 28 Patientinnen (23%) das pT2-Stadium
aufwiesen, lag in unserer Studie der Anteil bei 31,7% (37 Patientinnen). Hierbei liegt die
Tatsache zu Grunde, dass die meisten assoziierten pTis unserer Studie ebenfalls das
Tumorstadium pT2 aufwiesen und somit dazu gezählt wurden. Während das pT3Stadium erneut in beiden Kollektiven gleichhäufig vertreten war, wurde das pT4Stadium in der Serie von Stein et al. nicht erwähnt, konnte jedoch zweimal in unserem
Kollektiv nachgewiesen werden (1,7%) (Stein et al. 2009).
Es konnte ein Zusammenhang zwischen der Infiltrationstiefe des Tumors und dem Befall
von Lymphknoten festgestellt werden. Je höher das Tumorstadium und damit je tiefer
die Infiltration, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für einen malignen
Lymphknotenbefall (Spearman-Rho-Korrelationskoeffizient: rs=0,284). Während beim
Carcinoma in situ kein Lymphknoten betroffen war und die Wahrscheinlichkeit für
positive Lymphknoten bei den ebenfalls oberflächlichen Tumoren im Stadium pT1 bei
5,7% lag, kam es bei oberflächlich-muskelinvasiven Tumoren (pT2a) bereits in 20%, bei
makroskopisch
sichtbarer
Mukelinvasion
(pT2b)
bereits
in
33,3%
zu
einer
Lymphknoteninfiltration (pT2 gesamt: 24,3%). Bei einer Infiltration über die Blasenwand
hinaus (pT3) unterschied sich die Wahrscheinlichkeit für positive Lymphknoten nicht
mehr hinsichtlich mikroskopischer und makroskopischer Invasion (pT3a 34,8% vs. pT3b
35,7%; pT3 gesamt: 35,1%) Bei den pT4-Tumoren waren in jedem Fall Lymphknoten
befallen (100%). Takahashi et al. konnten ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang
zwischen dem Lymphknoten- und dem Tumorstadium belegen. In ihrem Kollektiv von
518 Patienten beschrieben sie einen Anstieg der Inzidenz von Lymphknotenmetastasen
von 5,9% bei oberflächlichen Tumoren auf 32,5% im Stadium pT4 (Takahashi et al.
2004). Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangten auch Stein et al., in deren Serie von
1054 Patienten 23% einen malignen Lymphknotenbefall aufwiesen. Auch sie stellten
einen Anstieg der Lymphknoteninfiltration von 5% bei oberflächlichen Tumoren (pT0,
pTis, pTa, pT1) über 18% bei pT2-Tumoren hin zu 26% im pT3a-Stadium fest. Bei pT3b –
69
Tumoren lag die Infiltrationsrate bei 46%, im pT4-Stadium bei 42% (Stein et al. 2001).
Auch in der bereits beschriebenen Studie von Hara und Miake konnte dieser
Zusammenhang belegt werden (Hara und Miyake 2001).
Mit zunehmender Infiltrationstiefe steigt jedoch nicht nur die Wahrscheinlichkeit für
positive Lymphknoten, sondern es nimmt auch die Anzahl und Größe der positiven
Lymphknoten mit steigendem Tumorstadium zu. Während das Tumorstadium pT3 zu
30,8% (4 Fälle) in der pN1-Gruppe unserer Serie vertreten war, lag dessen Anteil bei
57,1% (8 Fälle) in der pN2-Gruppe. Das rein muskelinvasive Stadium pT2 hingegen lag zu
46,2% (6 Fälle) in der pN1-Gruppe und nur zu 21,4% (3 Fälle) in der pN2 Gruppe vor. Das
höchste Lymphknotenstadium pN3 wiederum war ausschließlich bei stark invasiven
Tumoren zu finden, die bereits das perivesikale Fettgewebe infiltriert haben (pT3).
Aus diesen Gegenüberstellungen von unserer Studie mit anderen Serien wird deutlich,
dass unser Kollektiv von 121 Patientinnen in vielen aus onkologischer Sicht relevanten
Parametern vergleichbare Werte aufweist wie andere teilweise größere, aber
gemischtgeschlechtliche Serien. Damit stellt die hiesige Erhebung eine repräsentative
Serie dar, durch die von unserem exklusiven Patientenkollektiv ausgehend Aussagen
bezüglich der Überlebensrate und der Progression von Urothelkarzinomen bei Frauen
getroffen werden können.
4.3. Kumulative Überlebensrate
Insgesamt konnte eine mediane Follow-up-Zeit von 56 Monaten ermittelt werden
(Range: 1-171 Monate). Damit war diese im Ulmer Patientenkollektiv deutlich länger als
in vielen anderen Serien. Bei Madersbacher et al. lag die mediane Follow-up Zeit bei 45
Monaten, bei Granberg et al. bei 29,2 Monaten und bei Rink et al. bei 41 Monaten
(Madersbacher et al. 2003; Granberg et al. 2008; Rink et al. 2012). Dies ist von großer
Bedeutung, da die hiesige Erhebung eine der Umfassendsten ist, die ausschließlich
Frauen beinhaltet und somit valide Langzeitergebnisse beschrieben werden können.
70
4.3.1. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Kaplan-Meier-Methode
Die Berechnung des Gesamtüberlebens ergab eine 5-Jahres-Überlebensrate (5-JÜR) von
69,9% und eine 10-Jahres-Überlebensrate (10-JÜR) von 56%. Die in der internationalen
Literatur angegebenen Werte variieren zwischen 57-72% für die 5-JÜR und zwischen 3747% für die 10-JÜR (Stein et al. 2001; Madersbacher et al. 2003; Takahashi et al. 2004;
Hautmann 2006; Heberling 2007; Stein et al. 2009; Fang et al. 2010).
Mit Hilfe einer differenzierteren Darstellung und Aufteilung des Gesamtüberlebens nach
den im Kapitel 3.4. bereits beschriebenen Prognosegruppen (Gruppe 1: ≤pT2N0, Gruppe
2: >pT2N0, Gruppe 3: N+), konnte detailliert die Veränderung der Überlebensrate in
Abhängigkeit zum Tumor- und Lymphknotenstadium dargestellt werden. Die 5-JahresÜberlebensrate lag in Gruppe 1 bei 83,3%, in Gruppe 2 bei 70,2% und in Gruppe 3 bei
42,3%. Die 10-Jahres-Überlebensrate betrug in Gruppe 1 70,3%, in Gruppe 2 61,4% und
in Gruppe 3 17,4%. Im Log-Rank-Test waren die Unterschiede zwischen Gruppe 1 und 3
hochsignifikant (p<0,001). Ebenso im Breslow-Test, wobei darüber hinaus hier auch die
Unterschiede zwischen Gruppe 1 und 2 signifikant waren (p<0,001; p=0,013). Daraus
wird ersichtlich, dass das Überleben direkt mit dem Tumorstadium und dem
Lymphknotenstatus
korreliert.
Insbesondere
Patientinnen
mit
tumorpositiven
Lymphknoten hatten deutlich schlechtere Überlebensraten als solche mit tumorfreien
Lymphknoten. Dies wird auch durch die Arbeiten von Stein et al. und Shariat et al.
gestützt (Stein et al. 2001; Shariat et al. 2006; Stein et al. 2009).
Während Stein et al. über ein vergleichbares Patientenkollektiv verfügten, wie unserer
Studie zu Grunde liegt, beschrieben Shariat et al. eine Serie von 826 Patienten
gemischten Geschlechts. Die Aufteilung der Patienten auf die Prognosegruppen war in
allen 3 Studien nahezu identisch (Gruppe 1 (≤pT2N0): 51-55%, Gruppe 2 (>pT2N0): 1925%, Gruppe 3 (pTxN+): 24-28%). In ihrer im Kapitel 4.2. bereits aufgeführten Studie
lagen bei Stein et al. die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten stratifiziert nach
Prognosegruppen mit 75% bzw. 59% in Gruppe 1, mit 56% bzw. 37% in Gruppe 2 und
mit jeweils 20% in Gruppe 3 niedriger als in unserer Serie. Die Unterschiede in der
Überlebensrate zwischen den einzelnen Patientengruppen sind jedoch auch hier
71
deutlich zu sehen. Patienten mit organüberschreitendem Tumor wiesen hier wie auch in
unserer Studie signifikant geringere Überlebensraten auf, als Tumore im Stadium ≤pT2.
Der Faktor „positiver Lymphknotenstatus“, den Gruppe 3 repräsentiert, hatte ebenfalls
einen signifikanten, negativen Einfluß auf die Überlebensrate (p< 0,001) (Shariat et al.
2006; Stein et al. 2009).
Madersbacher et al. und Hautmann et al. fanden in ihren großen Serien von 507 und
788 Patienten ebenfalls signifikante Unterschiede im Gesamtüberleben zwischen den 3
Prognosegruppen und hoben das signifikant schlechtere Überleben von Patienten mit
lymphknotenpositven
gegenüber
lymphknotennegativen
Tumoren
hervor
(Madersbacher et al. 2003; Hautmann et al. 2006).
Bei Betrachtung der Gruppe 3 wird deutlich, dass trotz malignen Lymphknotenbefalls in
unserer Serie 42,3% der Patientinnen nach 5 Jahren und 17,4% nach 10 Jahren nach
Zystektomie noch leben (bei Stein et al. jeweils 20%). Es ist wahrscheinlich, dass das
Überleben vieler dieser Patienten einer sorgfältigen, erweiterten pelvinen und iliakalen
Lymphknotendissektion zuzuschreiben ist (Poulsen et al. 1998; Stein et al. 2001, Gakis et
al. 2013).
Herr
untersuchte
2003
den
Zusammenhang
zwischen
dem
Umfang
der
Lymphknotendissektion und der Überlebensrate. In seiner Studie mit 270 Patienten
zeigte
sich,
dass
die
Lymphknotendissektion
5-Jahres-Überlebensrate
mit
60%
deutlich
bei
höher
Patienten
lag
als
mit
bei
pelviner
limitierter
Lymphknotendissektion des Obturator-Bereichs (46%) oder bei Verzicht auf
Lymphknotendissektion (33%). Auch die Anzahl der entnommenen Lymphknoten spielte
eine entscheidende Rolle. Die Überlebensrate bei einer Entfernung von >10
Lymphknoten lag signifikant höher, als von <10 Lymphknoten (61% versus 44%). In einer
multivariaten Analyse stellten das Ausmaß der Lymphknotendissektion und die Anzahl
der entfernten Lymphknoten in Hinblick auf das Überleben neben der Erfahrung des
Chirurgen die signifikantesten Faktoren dar (Herr 2003; Stein und Skinner 2006; Gakis et
al. 2013). In unserer Erhebung konnte ebenfalls gezeigt werden, dass der
Lymphknotenstatus
direkt
mit
der
Überlebensrate
72
korreliert
(Spearman-Rho-
Korrelationskoeffizient von rs=-0,298). Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen
der Anzahl ektomierter Lymphknoten und der Überlebenszeit festgestellt werden
(Spearman-Rho-Korrelationskoeffizient von rs=0,072).
Bei der Berechnung des tumorspezifischen Überlebens wurde wie im Kapitel 3.4.1.
bereits beschrieben eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Beim Vergleich der beiden
hierfür neu definierten Kollektive fiel auf, dass die Unterschiede vor allem die Gruppe 3
betrafen, die alle Patientinnen mit positiven Lymphknoten beinhaltet. In dieser steigt
die 5 – JÜR von 51,2% bzw. die 10 – JÜR von 21,3% (jeweils bei n=31) auf 56% bzw.
23,3% (bei n=26). Daraus wird ersichtlich, dass ohne die Sensitivitätsanalyse vor allem
die berechnete Überlebensrate der Gruppe 3 verfälscht worden wäre. Zur
Vereinfachung werden nun nur die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten des Kollektivs mit
n=31 dargestellt. Diese lagen in der Gruppe 1 bei 87,3% bzw. 78,5% und in der Gruppe 2
bei 77,8% bzw. 68,1%. Vergleichbar mit dem Gesamtüberleben zeigten beide
statistische Tests hochsignifikante Unterschiede zwischen der 1. und 3. Gruppe (p<
0,001). Darüber hinaus war im Log-Rank-Test auch der Unterschied zwischen der 2. und
3. Gruppe signifikant (p= 0,042). Dadurch wird erneut der negative Einfluss eines
steigenden Tumor- und Lymphknotenstadiums auf das Überleben deutlich.
Cheng et al. beschrieben eine 10-JÜR in Gruppe 1 von 78%, die identisch mit unserem
Kollektiv ist. Bei der Gruppe 2 waren es jedoch nur 47%, was deutlich unter unserem
Wert liegt. In Gruppe 3 gleichen sich die Werte wieder (21%) (Cheng et al. 2000). In der
Serie von Shariat et al. fand sich die gleiche Gegebenheit. Die 10-JÜR wurde mit 77,8% in
Gruppe 1 und mit 25,5% in Gruppe 3 angegeben. Lediglich Gruppe 2 unterschied sich
erneut von unserem Kollektiv (50%) (Shariat et al. 2006). Als Grund hierfür kann die
unterschiedliche Häufigkeit des pT4-Stadiums angesehen werden. Während in unserer
Serie dieses Stadium nur zu 1,7% auftrat, lag der Anteil bei Cheng et al. mit 14% und bei
Shariat et al. mit 12% deutlich höher. Dadurch, dass das pT4-Stadium auch unabhängig
vom Lymphknotenstadium mit einer höheren Mortalitätsrate einhergeht, kann darin die
niedrigere Überlebensrate der Gruppe 2 in deren Serien begründet sein. Beide Studien
beinhalten zu einem Großteil Patienten, die vor 1995 behandelt worden sind. Es ist
naheliegend, dass verbesserte Untersuchungsmethoden eine frühere Diagnosestellung
73
in unserer Serie (von 1995-2010 therapiert) ermöglichten und somit die Überlebensrate
der Gruppe 2 in unserer Studie auch repräsentativ für zukünftige Patientenkollektive ist.
Unsere Studie zeigt eindeutig, dass bei Frauen mit Urothelkarzinom die Zystektomie mit
konsekutiver orthotoper Harnableitung insgesamt mit sehr guten Gesamt- und
tumorspezifischen Überlebensraten einhergeht, die mit größeren Serien überwiegend
männlicher Patienten vergleichbar sind.
4.3.2. Überlebenszeitanalyse mit Hilfe der Cox-Regression
Mit Hilfe der multivariaten Regressionsanalyse (Cox-Regression) konnten die Faktoren
ermittelt werden, die unabhängig von anderen einen entscheidenden – negativen –
Einfluss auf die Überlebensrate haben. Dies sind die Faktoren „Alter“ (p= 0,0107),
„Charlson-Score“ (p= 0,0004) und „Prognosegruppen“ (p= 0,0003), wobei die erste
Variable signifikant, die letzten beiden hochsignifikant sind. Während die 5-JahresÜberlebensrate in unserer Studie für Patientinnen der Altergruppe <50 Jahr noch 95,5%
betrug, lag sie in der Altergruppe zwischen 50 und 60 Jahre bei 73,3% und bei über 60Jährigen bei 57,4%. Cheng et al., Resorlu et al., Koppie et al. sowie Lughezzani et al.
kamen bereits zu vergleichbaren Ergebnissen (Cheng et al. 2000; Koppie et al. 2008;
Resorlu et al. 2009; Lughezzani et al. 2011).
Die beiden Parameter „Tumorstadium“ und „Lymphknotenstatus“ sind auch durch Hara
und Miyake als signifikant bzw. hochsignifikant in Hinblick auf die Überlebenszeit
nachgewiesen worden (p<0,05 und p<0,005). Da sie jedoch im Parameter
„Patientengruppen“ zusammengefasst enthalten sind, werden sie hier nicht näher
erläutert. Bezüglich des Alters ergab ihre Berechnung keine Signifikanz (Hara und
Miyake 2001). Zu konkordanten Ergebnissen gelangten auch Hautmann et al. sowie Fang
et al., welche in ihren Kollektiven die Parameter „Alter“, „Lymphknotenstatus“ und
„Tumorstadium“
als
signifikante
unabhängige
Prognosefaktoren
für
das
Gesamtüberleben nachweisen konnten (Hautmann et al.: p=0,0007, p=0,004, p=0,0047)
(Hautmann et al. 2006; Fang et al. 2010).
74
Somit untermauert unsere Studie die bislang vorbeschriebenen Erkenntnisse über
Faktoren, welche einen prognostischen Wert für das Überleben von Patienten bei
Harnblasenkarzinom besitzen.
4.4. Progression
In unserem Kollektiv entwickelten 33 Patientinnen (34%) ein Rezidiv des Tumors. 7
Patientinnen erlitten ein Lokalrezidiv (21,2%), wobei es in einem Fall (1%) zu einem
urethralen Rezidiv kam. In 19 Fällen (57,6%) traten Fernmetastasen und in 6 Fällen
(18,2%) Lokalrezidiv und Fernmetastasen kombiniert auf. Diese Werte sind vergleichbar
mit den Ergebnissen von Stein und Lieskovsky, die in einer großen Serie von 1054
Männern und Frauen eine Rezidivrate von 30% beschrieben. Davon entwickelten 75%
Fernmetastasen und 25% Lokalrezidive (Stein und Lieskovsky et al. 2001). Der
divergente Anteil an Fernmetastasen könnte in unserer Differenzierung in
Fernmetastasen mit und ohne Lokalrezidiv begründet liegen. Würde diese aufgehoben,
läge auch in unserer Studie der Anteil an Fernmetastasen bei 75,8%. In einer aktuelleren
Publikation von Stein et al., die bereits im Kapitel 4.3.1. beschrieben wurde, findet sich
ebenfalls eine vergleichbar Rezidivrate (36%). Hierbei traten in 81% der Fälle
Fernmetastasen und in 17% Lokalrezidive auf. Wie in unserer Studie konnte in einem
Fall (2%) ein urethrales Rezidiv nachgewiesen werden (Stein et al. 2009).
Die Progressionsrate wurde nach Prognosegruppen stratifiziert und beträgt bei
organbegrenzten,
lymphknotennegativen
Tumoren
(≤pT2N0)
16,2%,
bei
organüberschreitenden, lymphknotennegativen Tumoren (>pT2N0) 33,3% und bei
lymphknotenpositiven Tumoren (pTxN+) 50%. Daraus wird ersichtlich, dass die
Wahrscheinlichkeit für ein Fortschreiten der Erkrankung nach der Operation umso höher
liegt, je fortgeschrittener das Tumorstadium zum Operationszeitpunkt ist. Nur 1,5% der
68 Patientinnen von Gruppe 1 entwickelten ein Lokalrezidiv. In Gruppe 2 lag dieser
Anteil bereits bei 8,3% und in Gruppe 3 bei 14,3%. Stein und Lieskovsky beschrieben
etwas höhere Lokalrezidivraten für lymphknotennegative Tumorstadien (6% in Gruppe
1, jeweils 13% in Gruppe 2 und 3 (Stein und Lieskovsky et al. 2001). Auch in der Serie
75
von Madersbacher et al. wurde eine enge Korrelation zwischen Tumorstadium einerseits
und
Lokal-
oder
Fernmetastasen
andererseits
nachgewiesen.
Während
in
Prognosegruppe 1 nur 3% der Patienten an einem isolierten Lokalrezidiv erkrankten, lag
der Anteil in Gruppe 2 bereits bei 11% (Madersbacher et al. 2003). Auch Hautmann et al.
bestätigten diesen Zusammenhang (4% in Gruppe 1 versus 15,9% in Gruppe 2)
(Hautmann et al. 2006).
Während in unserer Studie in Gruppe 1 noch bei 14,7% der Patientinnen
Fernmetastasen auftraten, lag der Anteil in der Gruppe 2 nur noch bei 8,3%. Dies
widerspricht auf den ersten Blick der als gesichert angenommenen Korrelation zwischen
Tumorstadium und Progression. Ursächlich hierfür ist jedoch, dass das Tumorstadium
pTis zwar einen oberflächlichen Tumor darstellt, dieser jedoch wesentlich aggressiver ist
als Tumore im Stadium pT1 und pT2. Veranschaulichen lässt sich dies bei der getrennten
Betrachtung der Fernmetastasenwahrscheinlichkeit. Diese beträgt bei den pTisTumoren 33,3%, während die Wahrscheinlichkeit im Stadium pT1 & pT2 bei nur 16,7%
bzw. 10,8% liegt. Insgesamt beträgt der Anteil an reinen pTis-Tumoren, die nach der
Operation progredient sind, 41,7% und liegt damit über dem der pT3-Tumoren.
Des Weiteren wurde in unserem Kollektiv ein kombiniertes Auftreten von Lokalrezidiv
und Fernmetastasen als eigene Entität betrachtet, was aufgrund der fehlenden
Zuordnungsmöglichkeit zwar notwendig ist, jedoch die jeweilige Wahrscheinlichkeit von
Lokalrezidiven oder Fernmetastasen in Gruppe 2 im Vergleich zu anderen Studien
zwingend geringer erscheinen lässt. In Gruppe 2 betrug die Wahrscheinlichkeit für ein
kombiniertes Auftreten 12,5%. Selbiges trifft auch für die Gruppe 3 zu, bei der es in
10,7% der Fälle zu einem kombinierten Auftreten von Lokalrezidiv und Fernmetastasen
und in 25% der Fälle nur zu Fernmetastasen kam.
Stein und Lieskovsky gelangten für Gruppe 1 mit 13% zu einem beinahe gleichen
Ergebnis bezüglich der Wahrscheinlichkeit für Fernmetastasen. Die Werte für Gruppe 2
und 3 hingegen, die bei ihnen mit 32% und 52% angegeben werden, unterscheiden sich
stark von unserem Kollektiv. Möglicherweise ist dies teilweise der vorher beschriebenen
unterschiedlichen
Zuordnung
zuzuschreiben.
76
Andererseits
könnten
Selektionsunterschiede im Patientenkollektiv ursächlich sein. Dieses beinhaltet bei Stein
und Lieskovsky Patienten, die zwischen 1971 und 1997 operiert worden sind, während
unser Patientenkollektiv zwischen 1995 und 2010 therapiert worden ist (Stein und
Lieskovsky et al. 2001). In den letzten 30 Jahren konnten jedoch in Hinblick auf
Operationstechnik und Tumormanagement bedeutende Fortschritte gemacht werden,
wodurch sich auch die Anzahl der Patienten deutlich erhöht hat, die kurativ behandelt
werden konnten und kein Rezidiv aufwiesen.
Eine Hauptproblematik des orthotopen Harnblasenersatzes bei Frauen ist das Risiko
eines urethralen Rezidivs. Daher wird nach Prädiktoren für dieses Lokalrezidiv gesucht,
um die Selektion von passenden Patientinnen für die Ileum-Neoblase zu erleichtern. Ein
Tumorbefall des Blasenhalses wird seit langem als solcher Marker diskutiert. Stein et al.
reevaluierten ein Zystektomiekollektiv von 71 Frauen und berichteten über einen
Tumorbefall am Blasenhals und der Urethra in 14 (19%) bzw. 5 (7%) Fällen. Alle
Patientinnen mit urethraler Beteiligung hatten begleitend einen Blasenhalsbefall und
umgekehrt hatte keine der Patientinnen mit tumorfreiem Blasenhals einen malignen
Befall der Harnröhre. Bei 9 der 14 Patientinnen (64%) mit Blasenhalsbeteiligung konnte
jedoch kein Befall der proximalen Urethra nachgewiesen werden (Stein et al. 1998). In
einer Studie von Chen et al. über 115 Patientinnen mit invasivem Blasentumor kam es in
9 Fällen (8%) zu urethraler Tumorbeteiligung. Während der Blasenhalsbefall signifikant
mit urethraler Tumorbeteiligung assoziiert war, hatten 2 Patientinnen mit urethraler
Beteiligung keinen Blasenhalsbefall (Chen et al. 1997).
In unserem Kollektiv wiesen 2 Frauen (1,5%) eine Tumorbeteiligung des Blasenhalses
und 6 Frauen (5%) eine Beteiligung des Trigonums auf. Hierbei ist hervorzuheben, dass
keine
dieser
Patientinnen
einen
urethralen
Befall
in
der
intraoperativen
Schnellschnittuntersuchung oder der definitiven histo-pathologischen Aufarbeitung
hatte oder ein urethrales Rezidiv entwickelte. Bei 2 Frauen (1,5%) trat in der
Schnellschnittuntersuchung ein positiver Tumorabsetzungsrand an der proximalen
Urethra auf. In der Nachresektion konnte jedoch eine weitere Urethrabeteiligung
ausgeschlossen werden. Keine dieser Patientinnen hatte einen positiven urethralen
Absetzungsrand in der definitiven histo-pathologischen Analyse oder entwickelte ein
77
urethrales Rezidiv. Interessant ist hierbei auch, dass keine dieser Frauen eine
Blasenhalsbeteiligung hatte. Ein sekundärer Tumor an der Urethra trat in unserer Studie
bei einer Patientin auf (1%), bei welcher der Tumor nicht am Blasenhals oder am
Trigonum, sondern zwischen Hinter- und Seitenwand lag.
Auch wenn Patientinnen mit einer Tumorlokalisation am Blasenhals oder mit inguinaler
Lymphknotenvergrößerung ein erhöhtes Risiko für einen Tumorbefall der distalen
Harnröhre aufwiesen, korreliert ein Tumorbefall des Blasenhalses jedoch nicht regelhaft
mit einem erhöhten Risiko für ein urethrales Rezidiv (Stein et al. 1995; Stein et al. 1998;
Stein et al. 2007; Gakis und Jentzmik 2011). Das Vorhandensein eines Tumors am
Blasenhals allein stellt somit keine Kontraindikation für eine Ileum-Neoblase dar.
Lediglich die Ausdehnung des Tumors in die Urethra ist für das weitere Vorgehen von
Bedeutung (Gakis et al. 2011).
Die hiesigen Befunde bestätigen somit retrospektive Langzeitbeobachtungen von Frauen
mit Urothelkarzinom, bei denen die urethrale Rezidivrate mit unter 4,5% angegeben
wird. Dies ist auch vergleichbar mit den Befunden bei Männern (Bell et al. 1999; Stenzl
et al. 2001; Akkad et al. 2006; Stein et al. 2009). Somit unterstützt unsere Studie die
Empfehlung, dass Patientinnen mit primärer Tumorlokalisation am Blasenhals oder am
Trigonum nicht von einem orthotopen Harnblasenersatz ausgeschlossen werden sollten
– mit der Ausnahme, wenn in der intraoperativen Schnellschnittuntersuchung ein
tumorpositiver Absetzungsrand der distalen Harnröhre nachgewiesen wird (Stein et al.
1995; Stein und Skinner 2006; Gakis und Stenzl 2011; Nagele et al. 2012; Lee et al.
2014). Somit hat die intraoperative Schnellschnittuntersuchung entscheidenden Einfluss
auf die Anlage einer Ileum-Neoblase, wenngleich diese in Einzelfällen unsicher sein
kann, besonders bei der Differenzierung einer urethralen Dysplasie von einem
Carcinoma in situ (Gakis und Stenzl 2011; Jentzmik et al. 2012).
78
5. Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden retrospektiv die Krankheitsverläufe von 121 Frauen
untersucht, die in der Abteilung für Urologie an der Universitätsklinik Ulm im Zeitraum
von September 1995 bis August 2010 aufgrund eines Urothelkarzinoms der Harnblase
zystektomiert und konsekutiv mit einer Ileum-Neobase versorgt worden sind. Der
Beobachtungszeitraum erstreckte sich vom Zeitpunkt der Operation bis zum 06.05.2011
bzw. bis zum Eintreten des Todes. Auf diese Weise konnte eine mediane Follow-up-Zeit
von 57 Monaten ermittelt werden (Mittelwert: 66,2 Monate). Das Durchschnittsalter
zum Zeitpunkt der Operation lag bei 59,7 Jahren. Alle Patientinnen unterzogen sich
mindestens einer transurethralen Resektion der Harnblase (TUR-B), 39% mehrfach. Die
durchschnittliche Latenzzeit zwischen Indikationsstellung der Zystektomie durch eine
TUR-B und der Operation betrug 62,6 Tage (Median: 34 Tage). Wenngleich ein
Zusammenhang zwischen dieser und der Überlebensrate in anderen Studien festgestellt
wurde, konnte der Nachweis in unserer Serie nicht erbracht werden.
Die histo-pathologische Aufarbeitung der Zystektomiepräparate ergab zu 85,1%
Urothelkarzinome und entspricht damit Werten der internationalen Literatur. 61
Patientinnen (55,5%) befanden sich in Prognosegruppe 1 (organ-confined ≤ pT2 N0), 21
(19,1%) in Gruppe 2 (extravesikal ≥ pT3 N0) und 28 (25,5%) in Gruppe 3 (Lymphknotenpositiv pTx N+). Bei 14 Patientinnen lag ein pT0-Stadium im Zystektomiepräparat vor,
was auf eine erfolgreiche TUR-B schließen lässt. In 12 Fällen (10%) konnte ein reines
Carcinoma-in-situ (CIS) festgestellt werden, in weiteren 17 (14,2%) ein an andere
Tumorstadien assoziiertes CIS. Ein invasiv wachsendes Urothelkarzinom wurde bei 76
Patientinnen (63,3%) nachgewiesen, ein maligner Lymphknotenbefall bei 28 (23,3%) und
ein schlecht bzw. undifferenzierter Tumor (G3-Stadium) bei 88 Patientinnen (73,3%).
Beim Vergleich unseres Kollektivs mit größeren, gemischtgeschlechtlichen Studien
konnte somit eine Repräsentativität bezüglich onkologischer Parameter festgestellt
werden. Zudem wurde ein Zusammenhang zwischen der Infiltrationstiefe und dem
Lymphknotenbefall nachgewiesen.
Die mit Hilfe der Kaplan-Meier-Methode berechneten 5- und 10-Jahres-Überlebensraten
des Gesamtkollektivs lagen bei 69,9% bzw. 56% und damit am oberen Ende im Vergleich
79
mit der internationalen Literatur. Stratifiziert nach den Prognosegruppen betrug das 5bzw. 10-Jahres-Gesamtüberleben 83,3% bzw. 70,3% in Gruppe 1, 70,2% bzw. 61,4% in
Gruppe 2 und 42,3% bzw. 17,4% in Gruppe 3. Im Log-Rank- und im Breslow-Test waren
die Unterschiede zwischen Gruppe 1 und 3 hochsignifikant (p<0,001). Im Breslow-Test
bestand darüber hinaus auch Signifikanz für das Gesamtüberleben zwischen Gruppe 1
und 2 (p=0,013). Zu ersehen ist daraus der Zusammenhang zwischen dem Überleben
einerseits und dem Tumor- und Lymphknotenstadium andererseits. Dies bestätigte sich
auch bei der Berechnung der tumorspezifischen Überlebensrate stratifiziert nach den
Prognosegruppen. Insbesondere Patienten mit tumorpositiven Lymphknoten hatten
signifikant schlechtere Überlebensraten als solche mit tumorfreien Lymphknoten.
Wenngleich
ein
positiver
Zusammenhang
zwischen
dem
Umfang
der
Lymphknotendissektion und der Überlebensrate in der Literatur beschrieben wird,
konnte dieser Nachweis in unserer Serie nicht erbracht werden. In der Cox-Regression
wurde ein unabhängiger, signifikanter Einfluss der Variablen „Alter“, „Charlson-Score“
und „Prognosegruppen“ auf die Überlebensrate statistisch belegt.
33 Patientinnen (34%) entwickelten im Verlauf eine Progression des Tumors, wobei es in
7 Fällen (21,2%) zu einem Lokalrezidiv, in 19 Fällen (57,6%) zu Fernmetastasen und in 6
Fällen (18,2%) zu einem kombinierten Auftreten beider Progressionsformen kam.
Stratifiziert nach Prognosegruppen erlitten in Gruppe 1 16,2%, in Gruppe 2 33,3% und in
Gruppe 3 50% der Patientinnen ein Fortschreiten des Tumors. Daraus wird die
Bedeutung des Tumor- und Lymphknotenstadiums für die Progression der Erkrankung
ersichtlich. Eine Hauptproblematik des orthotopen Harnblasenersatzes bei Frauen ist
das Risiko eines urethralen Rezidivs. Dieses trat bei einer Patientin (1%) auf.
Unsere Studie zeigt, dass die Anlage einer Ileum-Neoblase bei Frauen ebenso sicher ist
wie bei männlichen Patienten, mit sehr gutem onkologischen Outcome im Langzeitfollow-up, einschließlich einer geringen Inzidenz von lokalen und urethralen Rezidiven.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Frauen mit primärer Tumorlokalisation am
Trigonum oder am Blasenhals nicht von einem orthotopen Blasenersatz ausgeschlossen
werden sollten, solange die intraoperative Schnellschnittuntersuchung keinen malignen
Befall des urethralen Absetzungsrandes zeigt.
80
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: TNM-Klassifizierung: Einteilung maligner Tumoren anhand ihrer anatomischen
Ausdehnung
Tabelle 2: G-Klassifikation, histopathologisches Grading
Tabelle 3: Charlson-Komorbiditätsindex
Tabelle 4: Einteilung der Komorbidität in 4 Krankheitsgrade
Tabelle 5: ASA-Score
Tabelle 6: Clavien-Klassifikation
Tabelle 7: Verteilung der Tumorstadien (pT) auf die Lymphknotenstadien (LK)
Tabelle 8: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit
Hilfe des Log-Rank- und Breslow-Tests („Gesamtüberleben“)
Tabelle 9: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit
Hilfe des Log-Rank- und Breslow-Tests („tumorspezifisches Überleben“ mit
n=31 Ereignissen)
Tabelle 10: Vergleich der Prognosegruppen in Hinblick auf signifikante Unterschiede mit
Hilfe des Log-Rank- und Breslow-Tests („tumorspezifisches Überleben“ mit
n=26 Ereignissen)
Tabelle 11: 5-Jahres-Überlebensraten verschiedener Einflussfaktoren
Tabelle 12: Korrelation verschiedener Faktoren mit der Überlebensrate
Tabelle 13: Übersicht über das Kollektiv (mit n=26 Ereignissen)
Tabelle 14: Gemeinsamer p-Wert für Variablen mit mehr als 2 Klassen
(mit n=26 Ereignissen)
Tabelle 15: Ergebnisse des Cox-Modells (mit n=26 Ereignissen)
Tabelle 16: Übersicht über das Kollektiv (mit n=31 Ereignissen)
Tabelle 17: Gemeinsamer p-Wert für Variablen mit mehr als 2 Klassen
(mit n=31 Ereignissen)
Tabelle 18: Ergebnisse des Cox-Modells (mit n=31 Ereignissen)
Tabelle 19: Verteilung der Rezidive und Metastasen auf die Tumorstadien (pT)
92
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Altersspezifische Erkrankungsraten für das Harnblasenkarzinom in
Deutschland nach Geschlecht, für 1980, 1990 und 2006 pro 100000
Einwohner
Abbildung 2: Ausdehnung der Tumorstadien beim Harnblasenkarzinom
(TNM-Klassifikation der UICC 2002)
Abbildung 3: Anzahl der Zystektomien mit orthotopem Harnblasenersatz pro Jahr im
Universitätsklinikum Ulm (n=121)
Abbildung 4: Altersverteilung der Patientinnen zum Zeitpunkt der Zystektomie (n=121)
Abbildung 5: Anzahl der Patientinnen in den jeweiligen BMI-Einteilungsgruppen (n=119)
(BMI: Body-Mass-Index)
Abbildung 6: Anzahl der Patientinnen mit vorausgegangener Bauchoperation (n=69)
Abbildung 7: Anzahl an Patientinnen mit dem jeweiligen Komorbiditätsgrad (n=121)
Abbildung 8: Anzahl der Patientinnen mit dem jeweiligen ASA-Stadium (n=117)
Abbildung 9: Anzahl der Patientinnen mit prä- und/oder postoperativer Therapie (n=45)
Abbildung 10: Anzahl der TUR-B´s (Transurethrale Resektionen der Blase) vor
Zystektomie (n=118)
Abbildung 11: Verteilung der Patientinnen auf die jeweilige histopathologische
Tumorklassifikation (CA: Carcinom) (n=121)
Abbildung 12: Gegenüberstellung des histopathologischen Stagings (pT: Tumorstadium)
der letzten TUR-B (Transurethrale Resektion der Blase) vor Zystektomie
und des Zystektomiepräparats
Abbildung 13: Häufigkeit der Tumorstadien (pT) der Zystektomiepräparate (n=120)
Abbildung 14: Anzahl der Patientinnen im jeweiligen Lymphknotenstatus (pN) (n=121)
Abbildung 15: Verteilung der Differenzierungsgrade (G) zum Zeitpunkt der TUR-B
(transurethrale Resektion der Blase) und der Zystektomie
Abbildung 16: Prozentuale Aufteilung der Zystektomiepräparate auf die
Resektionsstadien (R) (n=119)
93
Abbildung 17: Verteilung der Lymphknotenstadien (pN) auf die
Differenzierungsgruppen (G) (n=121)
Abbildung 18: Verteilung der positiven Lymphknoten (pT+) auf die Tumorstadien (pT)
(n=120)
Abbildung 19: Verteilung der Tumorstadien (pT) auf den jeweiligen
Lymphknotenstatus (pN) (n=120)
Abbildung 20: Mortalität je Tumorstadium (pT) (TU: Tumor) (n=120)
Abbildung 21: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=111) –
„Gesamtüberleben“ (Kaplan-Meier-Methode)
Abbildung 22: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler
Zystektomie – „Gesamtüberleben“, differenziert in 3 Prognosegruppen
(Kaplan-Meier-Methode) (1: organ-confined ≤ pT2 N0; 2: extravesikal
≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv pTx N+)
Abbildung 23: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler
Zystektomie – „tumorspezifisches Überleben“ (mit n=31 Ereignissen),
differenziert in 3 Prognosegruppen (Kaplan-Meier-Methode) (1: organconfined ≤ pT2 N0; 2: extravesikal ≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv
pTx N+)
Abbildung 24: Kumulative Überlebensrate des Gesamtkollektivs (n=110) nach radikaler
Zystektomie – „tumorspezifisches Überleben“ (mit n=26 Ereignissen),
differenziert in 3 Prognosegruppen (Kaplan-Meier-Methode) (1: organconfined ≤ pT2 N0; 2: extravesikal ≥ pT3 N0; 3: lymphknotenpositiv
pTx N+)
Abbildung 25: Verteilungsmuster der Tumore – histopathologischer Befund nach
Zystektomie (n=119)
Abbildung 26: Verteilung der Patienten nach Progression –
Lokalrezidiv und Fernmetastasen (n=32)
Abbildung 27: Lokalisation und Anzahl aller Fernmetastasen
94
Danksagung
Ich möchte mich herzlich bei PD Dr. F. Jentzmik, Kommissarischer Ärztlicher Direktor der
Urologischen Abteilung der Universitätsklinik Ulm, für die freundliche Überlassung dieses
Themas und für die umfassende und intensive Betreuung in den letzten Jahren bedanken.
Besonders gilt auch meiner Familie und sehr guten Freunden unendlicher Dank für die
stetige Unterstützung und Motivation in dieser Zeit.
95
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