Aufschwung durch LEADER

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Der Mezzogiorno: Unternehmerische Initiative
und neue Arbeitsplätze (Alto Casertano, Italien)
Aufschwung durch LEADER
In den Berggebieten Kampaniens, wie z.B. im Alto Casertano entsteht eine neue
Wirtschaftskultur. Heute bedeutet für junge Leute aus diesen lange vernachlässigten
wirtschaftsschwachen Gebieten berufliche Zukunft weder der Arbeitsplatz in der
Verwaltung noch der Weg in die Emigration, sondern Kreativität und Innovation.
zehnten in großer Zahl, wie man hier sagt: “untergegangen”, an die Küste oder gar ins Ausland abgewanEine neue Einstellung, ein neuer Sprachdert. “Aber die Dinge ändern sich, das ‘gelobte Land’ ist
gebrauch, die auch durch LEADER weiter
verschwunden, und somit wird unser Gebiet wieder attraktiver. Sinn und Zweck unserer Aktion besteht darin, von
Verbreitung finden.
diesen Änderungen zu profitieren”
Das meint Pietro Andrea Cappella, geschäftsführendes
Vorstandsmitglied und Direktor der lokalen Aktionsgruppe (LAG). Seit 1992 erhält der Alto Casertano
LEADER-Mittel, aber im Unterschied zu LEADER I, das
gleichermaßen Kleingebiete am Fuß des Gebirges und
auf der Höhe umfaßte, wurde LEADER II nur auf die
Höhenzüge konzentriert, auf 17 in einer “Berggemeinschaft” zusammengeschlossenen Kommunen, “für die
aufgrund ihrer isolierten Lage und ihrer besonderen
Schwierigkeiten vorrangig Fördermaßnahmen erforderlich
waren” erklärt der Koordinator für ländliche Entwicklungspolitik der Region Kampanien, Antonio Falessi.
Die besonderen Bestrebungen der Aktionsgruppe: Dieses
lange vernachläßigte Gebiet soll wieder attraktiver wer-
Ein Blick von dem Aussichtsturm des Festungsdorfes Caserta Vecchia, das etwa 10 km von der Provinzhauptstadt in den Bergen liegt, veranschaulicht
unmittelbar das sozio-demographische Spannungsfeld
Kampaniens: Unten, die ab dem Golf von Neapel durchgehend verstädterte Ebene unterbrochen von den
großen Obstplantagen rechts und links von der Autostrada del Sole; dahinter, auf der Höhe, das Berggebiet,
die Höhenzüge der Provinz Caserta und des Alto Casertano, die zu einer anderen Welt zu gehören scheinen.
Wie in den meisten ländlichen Gebieten des Rückgrats
der italienischen Halbinsel, des Appenin, ist auch die
Bevölkerung des Alto Casertano in den letzten Jahr-
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nennen, die aus der Schweiz oder anderen Ländern zurückgekommen sind, um wieder in der Heimat zu arbeiten.
Aber Realismus ist angesagt: In einem Kleingebiet mit
einer Arbeitslosenquote von mehr als 30% ist die Gründung eines Unternehmens keine unabhängig oder gar aus
ideologischen Gründen getroffene Entscheidung... An
erster Stelle wird man Unternehmer, weil man sich selbst
den Arbeitsplatz schaffen möchte, den die Stadt nicht
mehr anbieten kann. Die Gemeinschaftsinitiative für
ländliche Entwicklung trägt jedoch dazu bei, diese
anfänglich so schwierige Entscheidung der “Existenzgründer” im Alto Casertano zu vereinfachen. So zumindest äußert sich der Schneckenzüchter Francesco Ventriglia, der mit einer LEADER-Förderung in Höhe von
58 000 ECU tiefgefrorene Schnecken produziert. “Uns
bleibt gar keine andere Lösung, als unternehmerisch aktiv
zu werden, aber LEADER erleichtert die Dinge. Denn es ist
eines der wenigen Programme, das den Aktionsträgern
direkt zugute kommt”.
Der wichtigste Nutzen für die Aktionsträger: Aus- und Fortbildung. “Dieser Aspekt ist mit den meisten geförderten Projekten verbunden. Besonders, wenn Unternehmen gegründet oder Aktivitäten professioneller gestaltet werden sollen”, präzisiert der Vorsitzende der lokalen Aktionsgruppe
Ercole De Cesare. So nahmen zwischen März und Oktober
1998 zwanzig zukünftige Unternehmer an von der lokalen Aktionsgruppe organisierten, 360 Stunden dauernden
Lehrgängen zu Themen des Unternehmensmanagements
teil. Vier von ihnen erhalten LEADER II-Fördermittel für
folgende Tätigkeitsbereiche: Zucht von Freilandhühnern,
Schneckenzucht, Herstellung von Isolierglas, touristische
Angebote (Ausflüge, geführte Wanderungen und Aktivitäten im Rahmen von Extremsportarten).
“Anfangs waren wir sehr skeptisch, aber LEADER hat uns
überzeugt, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, und wir
sind sehr zufrieden mit unserer Entscheidung”, berichten
Pasquale Monaco und seine Frau Claudia Delle Femine.
Ihre Mutter besaß 10 ha Kastanienhaine, die Kastanien
wurden unverarbeitet verkauft. Davon konnte die Mutter leben, aber es reichte beiweitem nicht zur Sicherung
des Lebensunterhalts ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes aus, die beide im Kleingebiet bleiben wollten.
den, seine landwirtschaftlichen, handwerklichen, ökologischen und touristischen Ressourcen sollen wieder mehr
genutzt werden, um vielerlei Aktivitäten und Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei handelt es sich nicht nur um
eine Absichtserklärung: Wer die Fülle der hier umgesetzten LEADER-Projekte entdeckt, muß zahlreiche Vorurteile über den Mezzogiorno, dieses südliche Italien,
das unausweichlich als fatalistisch, archaisch und
unterentwickelt angesehen wird, fallen lassen.
“Seit einiger Zeit entsteht hier eine neue Wirtschaftskultur”, bestätigt Angelo Milo, der stellvertretende Vorsitzende der LEADER-Gruppe und Direktor des größten italienischen Bauernverbandes in der Provinz, der Federatione Coltivatori Diretti. “Die Bewohner des ländlichen
Raumes übernehmen mehr Eigenverantwortung. Die jungen
Leute interessieren sich nicht mehr für Arbeitsplätze in der
Verwaltung oder sehen ihre eigene Chance in der Emigration, sondern sie gründen Unternehmen.Die Rolle von
LEADER bei dieser Mentalitätsänderung, die nicht nur das
Denken, sondern auch die Bereitschaft gemeinsam Rsiken
einzugehen, betrifft, wird oft nicht ausreichend betont”.
Aufwertung von traditionellem Handwerk:
die Kunstkeramikerin Tania Del Giudice
“Nuova Imprenditorialità”
Daniele und Giovanni Antonucci, die eine mit LEADER-Mitteln in Leben gerufene und modernisierte handwerkliche
Metzgerei mit zwei neuen Arbeitsplätzen betreiben,
bestätigen, daß z.B. im Piedimonte Matese-Tal zahlreiche
neue Arbeitsplätze in den vielfältigsten Sektoren entstehen. Das gleiche ist auch von anderen Projektverantwortlichen zu hören, die sogar Beispiele für Migranten
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Das LEADER-Team konnte sie überzeugen, diese Kastanien zu veredeln. Für die Einrichtung von Produktionsräumen und den Bau eines Ofens waren etwa 26 000 EUR
erforderlich. Pasquale und Claudia übernahmen 15 500
EUR, den Restbetrag finanzierte LEADER. Inzwischen vermarktet das Unternehmen Maronen in Sirup, Maronencreme und Maronenlikör, lauter neue Erzeugnisse für dieses Gebiet, die in etwa 150 Feinkostgeschäften in ganz
Italien angeboten werden. Der Umsatz, der 1995 etwa
10 000 EUR betrug, stieg 1998 auf 50 000 EUR. “Damit
verdienen wir inzwischen unseren Lebensunterhalt, jetzt
möchten wir gern ins Exportgeschäft einsteigen. Wir haben
bereits Kontakte in Wien, London und Kopenhagen”.
Das LEADER-Programm von Alto Casertano setzt zwar auf
die “Nuova Imprenditorialità”, d.h. auf die Gründung von
Unternehmen, aber die meisten Förderprojekte zielen auf
die Entwicklung und Diversifizierung bestehender Unternehmen ab. So entstehen neue Stellen. Man schätzt, daß
LEADER I zu 80 neuen Arbeitsplätzen oder zusätzlichen
Aktivitäten geführt hat und daß LEADER II einen Beitrag zur Schaffung von 42 Arbeitsplätzen, davon 36 Vollzeitstellen in 14 Unternehmen leistet.
“Der Gedanke war verführerisch, aber so einfach war das
auch wieder nicht: Mit Ausnahme Apuliens ist der Hoftourismus im Mezzogiorno ganz neu, und wir hatten überhaupt kein Beispiel zur Hand... Nach langem Zögern haben
wir uns schließlich doch überzeugen lassen, und ich muß
sagen, wir sind angenehm überrascht.”
Kein Wunder: Knapp zwei Jahre nach dieser Entscheidung führt der Hoftourismus 1998 zu einem Umsatz von
155 000 EUR, d.h. zu einem Drittel der Einnahmen von
Lavoro & Salute. “Wir haben übrigens eine Zunahme des
Weinverkaufs um 20% festgestellt, denn zwischen beiden
Aktivitäten bestehen Synergieeffekte”, präzisiert Luigi
und fügt sofort hinzu, daß durch den Hoftourismus 4
Vollzeitarbeitsplätze entstanden sind. Die Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 310 000 EUR dienten zur
Einrichtung der drei Gebäude (24 Betten); LEADER übernahm 62% dieses Betrages. Der Erfolg dieses Diversifizierungsprojekts veranlaßte die Genossenschaft, sich
weiter im Tourismus zu engagieren und auf ihrem
Gelände eine Gaststätte sowie einen künstlichen See für
Angler anzulegen.
Denn Lavoro & Salute hat begriffen, wie wichtig es ist,
den Gästen während ihres Aufenthalts Programme anzubieten und hat Sport- und Spielveranstaltungen organisiert, die 1998 rund 20 000 Besucher angezogen haben:
einen Angelwettbewerb, ein Fußballturnier, ein ULMTreffen (Ultra Light Aircrafts),usw.
Arbeit & Gesundheit
Die Gebrüder Telaro sind ein ausgezeichnetes Beispiel für
den Aufschwung im Süden. 1987 interessierten sich diese
sechs jungen Winzer für Umweltmaßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und begannen mit dem ökologischen
Weinbau. Sie gründeten die Genossenschaft “Lavoro &
Salute” (Arbeit & Gesundheit), in der mittlerweile 13
Erzeuger zusammengeschlossen sind. Zum Betrieb der
Brüder Telaro am Fuß des Roccamonfina (63 ha, davon
35 ha Wein) gehörten unter anderem drei ungenutzte alte
Bauten, die der lokalen Aktionsgruppe aufgefallen waren:
“Die Leute von der Aktionsgruppe sagten uns: ‘Ihr erfüllt
alle Voraussetzungen für den Agrotourismus’”, erinnert
sich Luigi Telaro, der Vorsitzende der Genossenschaft.
Ehrenamtliche Berater
“Unser Erfolg hat mindestens zwei weitere landwirtschaftliche Betriebsleiter überzeugt, sich mit dem Tourismus auf dem Bauernhof zu befassen”, berichtet Luigi.
“Unsere Erfahrung ist ein gutes Beispiel, aber darüber hinaus sind wir ‘ehrenamtliche Berater’ und immer bereit, mit
den Landwirten zu sprechen, die touristische Aktivitäten
beginnen möchten. Uns konnte geholfen werden, jetzt
sind wird dran, den anderen zu helfen...”
Lavoro & Salute: ökologischer Weinbau und Ferien auf dem Bauernhof
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Lidia Bevilacqua begrüßt Kunden in ihrer Kunstglaserei
Dem von soviel Selbstlosigkeit überraschten Journalisten
erklärt Luigi: “Wir setzen uns für den Umweltschutz und
den Agrotourismus ein. Rein kommerziell gesehen, haben
wir keine Angst vor der Konkurrenz, denn die Nachfrage
nach diesen touristischen Angeboten übersteigt beiweitem
das Angebot. Wir müssen Kunden ablehnen... Je touristischer unser Gebiet wird, desto besser für uns und unser
Unternehmen.”
Auch Vincenzo Marsella ist ein überzeugter Anhänger des
ökologischen Landbaus: Er hat Rom verlassen, um den
Familienbetrieb zu übernehmen: 100 ha vollständig
bewässertes Ackerland, auf dem pro Jahr zwei Ernten
Bio-Gemüse und Dinkel möglich sind. 1995 hatte er bei
LEADER Fördermittel in Höhe von 22 000 ECU beantragt,
um eine Produktionsanlage zur Herstellung von in Öl eingelegtem Gemüse – Paprika, kleine Auberginen usw. –
einzurichten und hatte diese Mittel auch erhalten. Zwei
Jahre später begann er mit der Herstellung von Dinkelbrot, das v.a. in den drei 1998 eröffneten Verkaufsstellen angeboten wird. Inzwischen arbeiten auf der “Casa
Marsella” 7 Mitarbeiter, davon 5 Vollzeit. Das Unternehmen hat jetzt LEADER II-Mittel zum Ankauf von
Geräten beantragt, um mehr Dinkel verarbeiten zu können. “Mich hat LEADER doppelt unterstützt”, vertraut
Vincenzo seinen Zuhörern an: LEADER hat mir die Rückkehr in die Heimat erleichtert und gezeigt, daß ein Unternehmen, das auf traditionelle, aber ökologische Erzeugnisse setzt, entwicklungsfähig ist. In Italien ist es noch
nicht gang und gäbe, daß landwirtschaftliche Unternehmen die Produkte, die sie veredeln, auch selbst vermarkten. Aber wir haben schon Nachahmung gefunden: In Vairano und in Pietra Vairano haben zwei Frauengruppen
vergleichbare Aktivitäten gestartet.”
“LEADER zeigt auf, was uns im Süden besonders fehlt:
Dienstleistungen, durch die unsere Vorhaben unterstützt
werden”, erläutert Alberto Grillo, Begünstigter von LEADER
I-Mitteln, mit denen seine Druckerei einen leistungsfähigen Plotter anschaffen und vier neue Mitarbeiter einstellen konnte. “Unternehmen müssen sich zusam-
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menschließen, sich gegenseitig beistehen und Druck auf die
Öffentliche Hand und die Banken ausüben... Wußten Sie,
daß die Zinsen für Kredite für Unternehmen im Mezzogiorno im Schnitt 5% höher liegen als im übrigen Italien?”
Intelligenz gemeinsam nutzen
“Der LEADER-Beitrag besteht weniger in Fördermitteln als
in der Vermittlung von Einstellungen und Methoden”, hebt
Francesco Vespasiano hervor. Er ist einer der Vorreiter
von LEADER II-Maßnahmen zur Sensibilisierung für das
kulturelle Erbe, an der sich sechs Schulen aus dem Kleingebiet beteiligen. Jede Schule hat ein Denkmal oder eine
Kulturstätte ‘adoptiert’, um sie zu unterhalten. “Geld
können Unternehmer auch anderweitig finden. Was
LEADER an erster Stelle bietet, ist die Möglichkeit, sich
zusammenzuschließen und Intelligenz – und das Programm zwingt uns fast dazu – gemeinsam zu nutzen. Im
Rahmen dieses Programms haben wir die anfangs sehr
zurückhaltenden Schulen aufgrund der Vorbereitungsarbeit
der Aktionsgruppe und der “LEADER-Kaution” überzeugen
können, sich an dieser Aktion ‘Adozione Dei Monumenti’
(‘Wir adoptieren ein Denkmal’) zu beteiligen.”
In einem Kleingebiet mit zahlreichen, allerdings nur
ungenügend genutzten Attraktionen ist der Umweltschutz ein wichtiger Schwerpunkt der LEADER-Strategie.
Die höchste Erhebung des Alto Casertano ist der Monte
Miletto (2 050 m), an dessen Fuß sich das immense
Becken des Lago Matese befindet. Dieser in mehr als
1 000 m Höhe gelegene Ort ist von einer wilden Schönheit, die an das irische Connemara oder die schottischen
Highlands erinnert. Hier haben die Regionalbehörden
einen Naturpark geplant, aber die LEADER-Gruppe hat
schon jetzt ein Umweltzentrum vorgesehen, das u.a. die
lokalen sozio-ökonomischen Aktionsträger – Landwirte,
Handwerker, Touristikanbieter – zu Themen der Berücksichtigung von Umweltaspekten bei ihrer Arbeit fortbilden soll. Dieses Fortbildungszentrum soll im Lauf des
Jahres 1999 eröffnet werden und 5 Arbeitsplätze bieten.
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Sitzung von LEADER II- Projektverantwortlichen
rem Sektor und vor allem die Bürokratie.” Im Januar 1999
warteten sie immer noch auf die Zahlung der letzten
Tranche der 10 329 ECU, die ihnen im Rahmen von
LEADER I (!) für den Ankauf eines Ofens und eines Hochdrucksandstrahlgeräts zugebilligt worden waren. “Glücklicherweise verfügten wir über Eigenmittel”, erklärt Bruno,
“sonst weiß ich nicht, was wir gemacht hätten... Wie dem
auch sei, LEADER war die Weiche, das Element, das den
Ausschlag für neue Investitionen gegeben hat.”
“Italien, und besonders Süditalien, ist eine durchbürokratisierte Gesellschaft”, gibt Antonio Falessi, der Koordinator für ländliche Entwicklung in Kampanien, zu.
“Auch hier hat LEADER innoviert und nach und nach die
Verwaltungspraxis der Region flexibilisiert und modernisiert. Aber dies ist ein langfristiges Unterfangen, und Konflikte zwischen Pilotaktionen wie LEADER und paternalistischen Verwaltungstraditionen sind unvermeidlich... Ich
glaube jedoch persönlich, daß die Einführung von klaren
Zielvorgaben und präzisen Terminen einen Beitrag zur
Beschleunigung von Verwaltungsverfahren leisten kann.
Genau das möchten wir mit LEADER II erreichen.”
Die lokale Aktionsgruppe hatte diese Reportage zum Anlaß
genommen, etwa 20 Leute aus dem LEADER Umfeld, u.a.
zahlreiche Projektverantwortliche, an ihrem Sitz zusammenzuführen. Bei dieser Gelegenheit wurden die Dinge auf
den Punkt gebracht, Erwartungen und Schwierigkeiten
angesprochen und ein Gedankenaustausch über Entwicklungsperspektiven im Alto Casertano geführt. Eine
“Übung zur gemeinsamen Nutzung von Intelligenz”, eine
Form der “lokalen Vernetzung”, die zu einer Art allgemeiner Gelassenheit führt, wie Renato Delellis, der Verantwortliche eines Verbandes von Kunsthandwerkern, “Lo
Scudo” (Das Schild), der ein LEADER II-Projekt durchführt,
den Kern der Sache traf: “Die Geschichte dieses Kleingebietes macht mich optimistisch. Früher gab es hier hunderte
von Aktivitäten in den verschiedensten Sektoren. Der Mezzogiorno hat unter bestimmten wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des 20. Jahrhunderts gelitten. Aber
ich bin sicher, daß wir diese Tradition, dieses ‘Goldene Zeitalter’ wiederfinden können, wenn unternehmerische Initiative mit Förderinstrumenten wie LEADER und... weniger
Bürokratie verbunden wird.” <
Dieses Zentrum liegt aber nicht isoliert, sondern befindet sich in bester Nachbarschaft zu anderen lokalen Entwicklungsaktivitäten: Ein Teil des am Lago Matese liegenden Bodens (346 ha) wird seit 1982 von der Genossenschaft “Falode” bewirtschaftet. Sie züchtet Braunvieh
(200 bis 250 Kühe) sowie etwa tausend Schafe, deren
Milch ganz zu Käse verarbeitet wird. Da die Genossenschaft nolens volens ständig mit Strömen von Ausflüglern zu tun hat, die sich von der beeindruckenden Schönheit des Gebiets angezogen fühlen, hatten die 20 Mitglieder 1992 beschlossen, sich in den Agrotourismus zu
stürzen und eine ländliche Unterkunft sowie eine Hütte
mit vier Räumen einzurichten. 1994 wird diese Entwicklung durch LEADER beschleunigt: mit Hilfe von 200 000
ECU wird der gesamte Standort in eine ökotouristische
Anlage mit einem vollständig eingerichteten Campingplatz, neuen Unterkünften (36 Betten) und einem Picknickplatz umgebaut. Auch zahlreiche Sportmöglichkeiten
werden angeboten: Reiten, Mountainbike, Bergsteigen,
Gleitsegelfliegen, Bogenschießen usw. So entstanden 6
Teilzeitarbeitsplätze (Wochenende, Ferienzeiten und
Hochsaison). Es ist wohl nicht der Mühe wert, zu erwähnen, daß sich alle Gebäude aus Holz und Naturstein architektonisch perfekt in die Landschaft einfügen.
“Im Zusammenhang mit LEADER möchte ich noch auf
einen weiteren für uns wichtigen Aspekt verweisen”,
meint Marie Iuliano, die in der Genossenschaft für Tourismus zuständig ist: “Das Programm führte zur Gründung
eines ‘Regionalausschusses für den Agrotourismus’ (Commissione Regionale Per L_iscrizione Degli Operatori Agrotouristici), der den Hoftourismus sozusagen legalisiert
hat. Vorher bestanden wir einfach nicht. Die Anerkennung
durch die Regionalverwaltung erleichtert unsere Arbeit und
vermindert vor allem den Verwaltungsaufwand.”
LEADER ALTO CASERTANO
Gesamtfläche: 532,28 km2
Bevölkerung: 42 402 Einwohner
LEADER II: 2 291 921 ECU
EU: 1 482 371 ECU – Andere öffentliche Mittel: 522 399 ECU
Privat: 287 150 ECU
Bürokratie
GAL Alto Casertano
c/o Consorzio di Bonifica Alifano
Vialle della Libertà, 75c
I-81016 Piedimonte Matese
Tel: +39 0823 785 869 – Fax: +39 0823 785 075
E-mail: [email protected]
[email protected]
Denn genau dieser Verwaltungsaufwand wird von allen
anwesenden Unternehmern und Projektverantwortlichen
als Hauptproblem dargestellt.
Bruno Finelli und Lidia Bevilacqua sind Kunstglaser. Ihr
Unternehmen ist, wie in Italien üblich, in einer Werkstatt im Keller ihres Wohnhauses untergebracht, denn:
“Wie es in Süditalien so oft der Fall ist, gibt es in dieser
Kommune keine Beschäftigungsmöglichkeiten”. Aber das
ist nicht das Problem: “Viel problematischer sind die mangelhafte Qualifizierung potentieller Arbeitkräfte in unse-
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