Web-Service zu Fragen – Antworten – Glossar 2 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Wilhelm Schmeisser / Maike Andresen /Stephan Kaiser Personalmanagement Unter Mitarbeit von: Edith Teschner Anja Dittmann Lydia Clausen Doreen Menzel Patrick Struzik 3 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Fragen – Antworten – Glossar 4 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Kapitel I Theorien zum Personalmanagement – von der Produktivität zum wert- und wissensbasierten Humankapital Fragen 1. Arbeiten Sie die Bedeutung des Taylorismus bzw. der Wissenschaftlichen Betriebsführung stichwortartig heraus. 2. Schildern Sie die Hawthorne-Experimente und deren Bedeutung für das verhaltenswissenschaftliche und arbeitspsychologische Personalmanagement. 3. Welche Ziele verfolgt die Personalwirtschaft bzw. das Personalmanagement? Begründen Sie die Ziele bzw. welche theoretischen Anliegen des Managements mit den Zielen verfolgt. 4. Stellen Sie die Logik der Finanzorientierten Personalwirtschaft, des arbeitspsychologischen und verhaltenswissenschaftlichen Personalmanagements und der Personalökonomie vor, evtl. mittels Skizzen. 5. Geben Sie mittels einer Abbildung einen Überblick über die personalwirtschaftlichen Denkschulen. Welche Prämissen bzw. Denkvorstellungen liegen diesen Paradigmen zugrunde? 6. Wieso spielt die Produktivität und das Humankapital in allen personalwirtschaftlichen Ansätzen eine derart herausgehobene Rolle? Antworten Zu 1. Die wissenschaftliche Betriebsführung (The Principles of Scientific Management) von 1911 ist das erste, englischsprachige Managementbuch und wird, trotz massiver Kritik am Taylorismus, das Erfolgsbuch für die traditionelle und moderne Managementlehre weltweit. Hintergrund ist, das Taylor herausstellt, dass durch extreme Arbeitsteilung in der Produktion, durch das Herausfinden des „besten Weges“ für den Mitarbeiter durch das Management, das Anlernen des Mitarbeiters für diese Tätigkeit im Arbeitsablaufprozess und die Spezialisierung des Mitarbeiters auf diese eine Tätigkeit Arbeitsproduktivitätssteigerungen von 300–400 Prozent erzielt werden können. Motiviert werden soll der Arbeiter durch ein „gerechtes“ Akkordlohn- 5 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar system, das auf der Philosophie des homo oeconomicus (heute modern gesprochen auf den Shareholder Value) beruht. Durch die Erzielung der Arbeitsproduktivität können die Personalkosten pro Mitarbeiter gesenkt werden. Doch darüber hinaus, konsequent den Taylorismus angewandt, bei gegebener Arbeitsmenge und hoher Arbeitsproduktivität, können 50–75 Prozent der Mitarbeiter entlassen und die Personalkosten extrem gesenkt werden. Taylor wendet sein Managementsystem bei Ford mit Hilfe des Fließbandes bei der Produktion des Modells T erfolgreich an. Seitdem gilt es als Erfolgsmodell für alle Unternehmen weltweit bis heute. Zu 2. Der Taylorismus und der Fordismus führten nicht zum erhofften, nachhaltigen Erfolg und zur dauerhaften Disziplinierung der Mitarbeiter in Unternehmen. In der Folge des Einsatzes der wissenschaftlichen Betriebsführung in anderen Unternehmen setzt sich die Einsicht durch, dass dieses Managementsystem nicht ausreicht, Mitarbeiter durch Geld zu motivieren und damit die Erhaltung und die Erhöhung der Produktivität der Unternehmung abzusichern. Dies beweisen nicht zuletzt die Hawthorne-Experimente. Das anfängliche Ziel der Hawthorne-Experimente war, die wissenschaftliche Betriebsführung anzuwenden, eventuell arbeitsorganisatorisch und ergonomisch zu verbessern, letztendlich aber empirisch zu verifizieren. Unter anderen war es das anfängliche Ziel, empirische Zusammenhänge zwischen Arbeitsbeleuchtung und Arbeitsproduktivität zu untersuchen. Zuerst wurde die Beleuchtung immer mehr erhöht, und es stieg die Produktivität im Sinne der wissenschaftlichen Betriebsführung. Aber als die Beleuchtung zurückgefahren wurde und die Arbeitsproduktivität von den Arbeiterinnen immer noch stieg, widersprach dass dem Taylorismus. Eine der naheliegenden Überlegungen zu den Hawthorne-Experimenten war, die Ergebnisse psychologischen Faktoren wie Motivation und Führungsverhalten zuzuschreiben. Spätestens mit den Hawthorne-Experimenten ist die Denkschule des verhaltenswissenschaftlichen, arbeitspsychologischen und organisationspsychologischen Personalmanagements entstanden. Zu 3. Die drei grundsätzlichen personalwirtschaftlichen Ziele der „Finanzorientierten Personalwirtschaft“ sind die permanente Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Senkung der Personalkosten (Personalaufwendungen bzw. des Anteils der Personalkosten an den Produktstückkosten) sowie die Verbesserung und Erhöhung des Humankapitals (Ertragsseite an der Personalarbeit). Eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität hilft immer, die Personalkosten zu senken. Eine Verbesserung, Erhöhung und/oder Neuausrichtung des Humankapitals durch Innovationen (Ertragsanteil der Personalarbeit) erhöht laut empirischen Studien auch gleichzeitig die Arbeitsproduktivität bis zu 50%. 6 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Das „Funktionsorientierte Personalmanagement“ hat als engere generelle, notwendige Zielsetzung“ dafür zu sorgen, dass alle Unternehmensbereiche mit einer ausreichenden Mitarbeiteranzahl ausgestattet sind, so dass die Betriebsbereitschaft und der laufende Leistungsprozess in der Unternehmung nie gefährdet ist. Hinzu kommen noch weitere hinreichende Nuancen, nämlich dass die Mitarbeiter zum bedarfsgerechten Zeitpunkt/Zeitraum zur Verfügung stehen, mit einer entsprechenden Qualifikation respektive Humankapital, und dies zu bezahlbaren bzw. einkalkulierten Personalplankosten gemäß der Plankostenträgerrechnung, damit die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit und der Unternehmensbestand zu keinem Zeitpunkt gefährdet wird (siehe Personalrisiken). Alle Personalfunktionen dienen dieser generellen Zielsetzung. Das „Verhaltenswissenschaftliche, organisationspsychologische und arbeitspsychologische Personalmanagement“ hat eine implizite, betriebswirtschaftliche Zielsetzung, die komplementär/ergänzend zu den beiden obigen Ansätze zu verstehen ist, nämlich mit allen psychologischen, arbeitswissenschaftlichen und organisatorischen Erkenntnissen die Arbeitsproduktivität zu erhalten und zu erhöhen. Mittel hierzu sind die Motivation auf der individuellen Mitarbeiterebene, das Führungsverhalten gegenüber den Mitarbeitern, Maßnahmen der Personalbindung, Schaffung eines angenehmen Betriebsklimas und einer entsprechenden Unternehmenskultur, eine humane Gestaltung von Arbeitsplätzen, Organisationsstrukturen und -prozessen (Job Enrichment, teilautonome Arbeitsgruppen, innovative Unternehmenskultur usw.). Zu 4. Siehe Abb. 1.2, S. 22, Abb. 1.4, S. 30, Abb.1.5, S. 33 und den Text dazu. Zu 5. Siehe dazu Abb. 1.6 und die Prämissen zu der Finanzorientierten Personalwirtschaft auf S. 21 unten bis S. 23 oben, Annahmen zum Funktionenorientierten Personalmanagement S. 19–21, Prämissen zum verhaltenswissenschaftlichen und arbeitspsychologischen Personalmanagementansatz findet man auf S. 29–31, und schließlich zur Personalökonomie auf den S. 35f. Zu 6. Explizite und implizite Zielsetzung aller personaltheoretischen Ansätze ist die Produktivität von Unternehmen, Branchen und Sektoren und Volkswirtschaften, weil man sich davon verspricht, die Personalkosten bei Tariferhöhungen auf gleichem Niveau zu belassen und sogar Personalkostensenkungen zu erzielen. Gleichzeitig wird dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften mitbestimmt. 7 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Implizit hat man erst langsam seit über 50 Jahren erkannt, dass die Qualifikation und besonders das Humankapital die Ertragsseite des Unternehmens durch Qualitätsprodukte und innovative Produkte und Prozesse stärkt. Technologiebasiertes Humankapital steht für die kontinuierliche Verbesserung bestehender Produkte und Prozesse durch permanente Personalentwicklung. Wissensbasiertes Humankapital steht für Innovationen, die durch entsprechende Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen von der Forschung und Entwicklung in einen standardisierten Produktions- und Absatzprozess überführt werden müssen. Bereits heute werden in Unternehmen 80% des Umsatzes durch Produkte erzielt, die nicht älter als fünf Jahre sind. 8 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Kapitel II Funktionsorientiertes Personalmanagement 1 Zur Funktion der Personalplanung Fragen Die folgenden Kontrollfragen dienen der eigenständigen Überprüfung der gelernten Inhalte des voranstehenden Kapitels sowie der kritischen Reflexion über das Gelernte. 1. Weshalb legt die Personalplanung die informatorische Grundlage für alle weiteren Funktionen des Personalmanagements? Was würde geschehen, wenn es keine Personalplanung gäbe? 2. Wie können die qualitativen und quantitativen organisationalen Anforderungen ermittelt werden? 3. Mit welcher Güte lassen sich zukünftige Anforderungen an die Organisation bestimmen? 4. Auf welche Beurteilungsfelder sollte sich das Personalmanagement im Rahmen der individuellen Mitarbeiterbeurteilung konzentrieren? 5. Denken Sie darüber nach, in welchen Situationen welche Parameter der Leistungsbeurteilung jeweils als besonders sinnvoll zu erachten sind. 6. Nehmen sie kritisch Stellung zu der Aussage, dass sich das kollektive Leistungsniveau der Personalausstattung nicht beurteilen lässt. Antworten Zu 1. Dass die Personalplanung informatorische Grundlage für alle Funktionen des Personalmanagements legt, lässt sich durch Beispiele verdeutlichen: Für die Personalbeschaffung ergeben sich aus der Personalplanung Hinweise für die Art und Anzahl der Mitarbeiter, die beschafft werden sollen. Für die Personalentwicklung liefert die Personalplanung Informationen zu notwendigen Weiterbildungen. 9 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Für den Personaleinsatz generiert die Personalplanung Informationen bezüglich notwendiger Stellenbesetzungen und möglichen beruflichen Laufbahnen für einzelne Mitarbeiter oder bestimmte Gruppen von Mitarbeitern. Die Personalplanung ist somit grundlegende Orientierungshilfe für das zielorientierte Personalmanagement. Durch sie wird die Verschwendung von Ressourcen vermieden, da das Unternehmen seine Wertschöpfungsaufgaben mit einer minimalen Ausstattung von Personal verrichtet. Ferner stellt eine korrekte Personalplanung sicher, dass das strategisch geplante Wertschöpfungsprogramm des Unternehmens tatsächlich durchgeführt werden kann und nicht aufgrund einer Unterausstattung mit personellen Ressourcen scheitert. Zu 2. Die organisatorischen Anforderungen leiten sich aus der Gesamtaufgabe eines Unternehmens ab, die seitens der Personalplanung in einem ersten Schritt zu beschreiben ist. In einem zweiten Schritt wird die Gesamtaufgabe durch die Aufgabenanalyse in kleiner werdende Teilaufgaben zerleget. Am Ende dieser Zerlegung in Teilaufgaben stehen die sogenannten Stellen, die sich als kleinste organisatorische Einheit auf Personen zuteilen lassen. Konkrete Methoden zur qualitativen Stellenbeschreibung sind: Die Beobachtung und Beschreibung der im Fokus stehenden Tätigkeit. Das Führen von Interviews mit Mitarbeitern, die ähnliche Aufgaben verrichten. Das Lesen und Sichten von Arbeitsprotokollen bzw. Tagebüchern von Mitarbeitern, die ähnliche Stellen innehaben. Der Einsatz strukturierter Fragebögen bei Mitarbeitern, die vergleichbare Positionen besetzen. Hinsichtlich der quantitativen Anforderungen existieren diverse Verfahren; zum einen Methoden, die sich primär auf einzelne Stellen und Aufgabenbereiche konzentrieren, zum anderen Instrumente, die vorwiegend auf die Anzahl bestimmter Mitarbeitergruppen abstellen. Als Besonderheit ist zu beachten, dass es sich bei den quantitativen Verfahren häufig um prognostische Verfahren handelt, d.h. sie beziehen sich auf den quantitativen Personalbedarf der Zukunft. Zu 3. Die Verfahren, die der Prognose zukünftiger Anforderungen dienen, sind grundsätzlich kritisch zu betrachten, da sie zum einen fehleranfällig sind und zum anderen mit einem hohen organisatorischen und zeitlichen Aufwand einhergehen. 10 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Ein bekanntes Sprichwort besagt, dass Planung den Zufall durch Irrtum ersetzt. Vor dem Hintergrund einer offenen Zukunft sind Prognosen per se fehlerbehaftet. Je detaillierter die Vorhersage organisationaler Anforderungen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die prognostizierten Ergebnisse sich als falsch oder zumindest ungenau bewahrheiten. Andererseits sind für die konkrete Abbildung des Personalbedarfs jedoch detaillierte Analysen notwendig. Daher ist eine allgemeine, abstrakte Bestimmung zukünftiger Anforderungen wenig zielführend in Bezug auf die Empfehlung notwendiger und möglichst konkreter Handlungsoptionen für das operative Personalmanagement. Es ergibt sich ein Spannungsfeld, das nur unternehmensspezifisch und situativ gehandhabt werden kann. Neben dem Kritikpunkt der Ungenauigkeit von Prognosen ist anzumerken, dass Projektionsverfahren grundsätzlich sehr zeitaufwändig sind. So entspricht es kaum der Realität, vorauszusetzen, dass alle Aufgaben einer Organisation permanent in die Zukunft prognostiziert werden. Daher empfiehlt sich die Vorschaltung zusätzlicher Verfahren, mit deren Hilfe eine Auswahl der wichtigsten zu prognostizierenden Tätigkeitsbereiche getroffen werden kann. Hierfür lassen sich zwei zentrale Selektionskriterien nennen: Zum einen die strategische Relevanz der Tätigkeitsbereiche, zum anderen die Veränderungsdynamik, die in den entsprechenden Tätigkeitsbereichen vorliegt. Zu 4. Die Beurteilungsfelder können grundlegend in die drei Kategorien Ergebnisse, Verhalten und Eigenschaften differenziert werden, sind aber dennoch interdependent. Beispielsweise wird ein Mitarbeiter mit bestimmten Eigenschaften in einer spezifischen Situation ein bestimmtes Verhalten zeigen. Bei unveränderten, ähnlichen Rahmenbedingungen wird dieses Verhalten zu korrespondierenden Arbeitsergebnissen führen. Das impliziert, dass die Beurteilungsfelder Eigenschaften, Verhalten und Ergebnisse kausal miteinander verknüpft sind. Die Nutzung der drei unterschiedlichen Beurteilungsfelder weist jeweils differenzierte Vor- und Nachteile auf. Diese sind im Buch detailliert beschrieben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wahl der Beurteilungsfelder neben situationsund unternehmensspezifischen Aspekten insbesondere von den Intentionen der Zukunftsorientierung sowie der Beurteilungskomplexität abhängt. Während ergebnisbezogene Kriterien tendenziell wenig komplex sind, weisen sie keine Zukunftsorientierung auf. Eigenschaftsorientierte Kriterien dagegen sind meistüberaus komplex, weisen jedoch eine hohe Zukunftsorientierung auf. Verhaltensbezogene Kriterien können im Hinblick auf beide Dimensionen im Mittelfeld verortet werden. Je größer die Relevanz der Zukunftsorientierung der Beurteilung für die einzelne personalwirtschaftliche Entscheidung ist, desto höher sollte die Bereitschaft sein, sich mit komplexen Beurteilungskriterien auseinanderzusetzen. 11 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 5. Dies ist eine Transferaufgabe, für die es keine Musterlösung gibt. Prinzipiell lassen sich alle personalwirtschaftlichen Entscheidungssituationen als Beispiele heranziehen. Diskutiert werden können unterschiedliche Beurteilungsfelder, wenn man diese als Parameter ansehen möchte, der Rhythmus der Beurteilung, den Beurteiler und den Formalisierungsgrad. Ein Beispiel wäre die fallweise, halb-standardisierte Beurteilung nach Eigenschaften (da Bezug zur Zukunft) durch den Vorgesetzten im Falle einer Beförderungsentscheidung zur Führungskraft. Ein anderes Beispiel wäre die standardisierte, regelmäßige Beurteilung durch ein Erfassungssystem zur Auszahlung von leistungsbezogenen Prämien, die auf persönlichen Verkaufserfolgen basieren (z.B. Versicherungsverkäufer). Zu 6. Grundsätzlich existiert eine Schwierigkeit, kollektives Leistungsniveau zu beurteilen, da es sich bei kollektiver Leistung um ein emergentes Phänomen handelt (siehe hierzu die Ausführungen im Buch). Trotzdem existieren Messkonzepte, wie z.B. das Workonomics-Konzept oder die Saarbrücker Formel, die beide „Humankapital“ aggregiert messen wollen. Sowohl das Workonomics-Konzept als auch die Saarbrücker Formel als sind innovative Ansätze zu bezeichnen, die es dem Personalmanagement erlauben, Aussagen über das kollektive Leistungsniveau der Personalausstattung zu treffen. Des Weiteren helfen sie, die Personalarbeit zu legitimieren und eine fundierte Grundlage für Gespräche mit dem finanzorientierten Management zu generieren. Konkrete Handlungsempfehlungen für detaillierte Aktivitäten des Personalmanagements liefern beide Ansätze nicht. Hierzu sind die Ergebnisse noch intensiver respektive zusätzlich auch qualitativ zu untersuchen und entsprechend zu interpretieren. Interessant sind die Ergebnisse insbesondere, wenn sie in Form einer Zeitreihe erhoben werden bzw. wenn vergleichbare Einheiten mit den Ansätzen untersucht wurden, so dass ein Benchmarking stattfinden kann. 2 Zur Funktion der Personalbeschaffung Fragen Die folgenden Kontrollfragen dienen der eigenständigen Überprüfung der gelernten Inhalte des voranstehenden Kapitels und sollen helfen, kritisch über das Gelernte zu reflektieren. 1. Inwiefern ist die Personalbeschaffung durch eine Wettbewerbsorientierung geprägt? 12 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar 2. Warum ist die Beachtung der strategischen Situation des Unternehmens am Arbeitsmarkt bedeutend? 3. Welche strategischen Handlungsoptionen lassen sich unterscheiden? 4. Weshalb sind die Kommunikations- und Positionierungsstrategie aufeinander abzustimmen? 5. Welche Inhalte lassen sich im Rahmen der Kommunikationsstrategie transportieren? 6. Welche Schritte sind für die Personalauswahl typisch? Antworten Zu 1. In Zeiten des demografischen Wandels wird es zunehmend notwendig, Personal am externen Arbeitsmarkt zu beschaffen. Dadurch wird die Wettbewerbsorientierung auf dem Markt für Mitarbeiter forciert. Wettbewerbsorientierung impliziert, dass dem potenziellen Kandidaten Anreize geboten werden, die über die erwarteten zukünftigen Belastungen hinausgehen. Gleichzeitig muss auch der Kandidat eine Arbeitsleistung in Aussicht stellen, die die zu zahlende Vergütung übersteigt. Nur wenn beides zutrifft, kommt in einem auf Konkurrenz ausgerichteten Arbeitsmarkt ein Arbeitsverhältnis zustande. Darüber hinaus ist mit der Wettbewerbsorientierung die Forderung verbunden, dass die Personalbeschaffung auf strategische Erfolgspotenziale ausgerichtet werden sollte. Das bedeutet, dass das Personalmanagement geeignete Strategien zur Beschaffung entwickeln muss. Die Eignung der Strategien ist davon abhängig, wie sich die Wettbewerbssituation im relevanten Arbeitsmarktsegment darstellt. Zu 2. Die Beachtung der strategischen Situation am Arbeitsmarkt ist deshalb wichtig, da sich hieraus die adäquate Beschaffungsstrategie ableitet. Handelt das Unternehmen gegen die Situation am Arbeitsmarkt, werden Ressourcen verschwendet. Grundsätzlich sind vier Situationen zu differenzieren: Nach der Analyse wird festgestellt, dass das Unternehmen aufgrund seiner Akquisitionskraft im bisherigen Zielarbeitsmarktsegment keine oder lediglich geringe Chance zur Beschaffung geeigneter Kandidaten hat. Als Konsequenz ist das Arbeitsmarktsegment neu zu definieren. Es kann zum einen in seiner Abgrenzung vergrößert werden, zum anderen kann sich das Unternehmen auch auf ein komplett neues Arbeitsmarktsegment konzentrieren. 13 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Mithilfe der Analyse wird diagnostiziert, dass das Zielarbeitsmarktsegment sehr klein bzw. kaum vorhanden ist. In diesem Fall wird versucht, die Entstehung neuer Marktsegmente zu fördern oder sehr kleine Marktsegmente im Wachstum zu unterstützen. Ergebnis der Analyse ist, dass zwar ein relevantes Marktsegment vorhanden ist, das Unternehmen jedoch keinen kommunikativen Zugang zu den Kandidaten hat, die sich innerhalb dieses Marktsegments befinden. Folglich sollten die Kommunikationsmöglichkeiten des Unternehmens umfassend verbessert werden. Nach Durchführung der Analyse zeigt sich, dass ein ausreichend großes Marktsegment vorhanden ist, zu dem das Unternehmen auch kommunikativen Zugang besitzt. Allerdings sind sowohl Position als auch Attraktivität als Arbeitgeber so schwach, dass die Kandidaten des relevanten Arbeitsmarktsegments keinen Anreiz verspüren, sich zu bewerben. Um dem entgegenzuwirken, sollte sich das Unternehmen um eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität bemühen. Zu 3. Marktentwicklungsstrategie: Mithilfe der Analyse wird diagnostiziert, dass das Zielarbeitsmarktsegment sehr klein bzw. kaum vorhanden ist. In diesem Fall wird versucht, die Entstehung neuer Marktsegmente zu fördern oder sehr kleine Marktsegmente im Wachstum zu unterstützen. Kommunikationsstrategie: Ergebnis der Analyse ist, dass zwar ein relevantes Marktsegment vorhanden ist, das Unternehmen jedoch keinen kommunikativen Zugang zu den Kandidaten hat, die sich innerhalb dieses Marktsegments befinden. Folglich sollten die Kommunikationsmöglichkeiten des Unternehmens umfassend verbessert werden. Positionierungsstrategie: Nach Durchführung der Analyse zeigt sich, dass ein ausreichend großes Marktsegment vorhanden ist, zu dem das Unternehmen auch kommunikativen Zugang besitzt. Allerdings sind sowohl Position als auch Attraktivität als Arbeitgeber so schwach, dass die Kandidaten des relevanten Arbeitsmarktsegments keinen Anreiz verspüren, sich zu bewerben. Um dem entgegenzuwirken, sollte sich das Unternehmen um eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität bemühen. Zu 4. Die Kommunikation des Angebots attraktiver Arbeitsplätze und die gleichzeitige Positionierung als attraktiver Arbeitgeber gehören inhaltlich wie logisch untrennbar zusammen. Nur Unternehmen, die in beiden Feldern, d.h. sowohl in der Kommunikation als auch in der Positionierung erfolgreich sind, werden auch langfristig die für die Wertschöpfung notwendigen Mitarbeiter rekrutieren können. Dies lässt sich 14 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar anhand von zwei Beispielen verdeutlichen: Zum einen ist es möglich, dass ein Unternehmen zwar hoch attraktive Arbeitsplätze anbieten, jedoch dies nicht entsprechend an potenzielle Kandidaten vermitteln kann. Im umgekehrten, noch häufigeren Fall können viele Unternehmen zwar potenzielle Kandidaten kommunikativ erreichen, jedoch sind die angebotenen Arbeitsplätze tatsächlich wenig attraktiv. Dies führt oft dazu, dass Unternehmen ihre Arbeitsplätze gegenüber den Bewerbern als interessanter anpreisen, als sie dies in Wirklichkeit sind. Als Folge kann es bei neuen Mitarbeitern innerhalb kurzer Zeit zu einem Bruch des psychologischen Vertrags und infolgedessen zu einer inneren Kündigung kommen. Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, sind demotiviert und unproduktiv. Das Wecken falscher Erwartungen im Rahmen des Bewerbungsprozesses hat folglich auch für das Unternehmen negative Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund ist es unbedingt notwendig, sowohl tatsächlich attraktive Arbeitsplätze zu schaffen als auch deren Existenz in das relevante Arbeitsmarktsegmente zu kommunizieren. Zu 5. Finanzielle Themen: Wenn auch oftmals nur indirekt angesprochen, stellen die finanziellen Anreize in Form der Vergütungspolitik des Unternehmens dennoch einen zentralen Kommunikationsinhalt dar. Zu den monetären Stimuli zählen nicht nur die aktuelle Grundvergütung, sondern auch zusätzliche leistungsorientierte Bestandteile, Sozialleistungen sowie insbesondere auch die Zukunftsaussichten im Hinblick auf mögliche Vergütungssteigerungen. Arbeitsbezogene Aspekte: Neben den finanziellen Themen sind vor allem jene Inhalte relevant, die im weitesten Sinne die tägliche Arbeit beeinflussen. Unter diesen Bereich fallen beispielsweise Entwicklungsmöglichkeiten und Karriereoptionen, aber auch die zentralen Arbeitsbedingungen sowie das Arbeitsumfeld. Hierunter sind z.B. die Reichhaltigkeit der Arbeit (Job Enrichment), die vorhandene Entscheidungsautonomie oder auch die Ästhetik des Arbeitsplatzes und seine Ausstattung zu subsumieren. Soziale Anreize: Zu diesem Bereich rechnet man Themen wie beispielsweise die Ausprägung der Unternehmenskultur, die Art und Weise der Kommunikation und den ausgeübten Führungsstil. Derartige Inhalte werden indirekt kommuniziert und häufig in Form von Image-Filmen ins Netz gestellt. Sozioökonomische Komponenten: Unter diesen Aspekt fallen zum einen das Unternehmensimage, zum anderen aber auch Themen wie das Freizeit- und Kulturangebot am Standort des Arbeitgebers sowie das grundsätzliche Ansehen des Arbeitsplatzes in der Öffentlichkeit. 15 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 6. Sichtung und Sortierung der Bewerbungsunterlagen Gegebenenfalls ein Background-Check, der online oder offline stattfinden kann Bewerbungsgespräche (telefonisch und/oder persönlich) Gegebenenfalls Testverfahren und Assessment-Center Rückmeldung einer Zu- oder Absage Im Falle einer Einstellung die organisatorische Eingliederung in das Unternehmen 3 Zur Funktion der Personalentwicklung Fragen Die folgenden Kontrollfragen dienen der eigenständigen Überprüfung der gelernten Inhalte des voranstehenden Kapitels sowie der kritischen Reflexion über das Gelernte. 1. An welchen Stellhebeln kann die individuelle Mitarbeiterentwicklung ansetzen? 2. Warum ist das Lernen aus eigenen Erfahrungen aus strategischer Sicht besonders relevant? 3. Welche Maßnahmen der Personalentwicklung werden praxisorientiert unterschieden? 4. Wie lässt sich die Entstehung kollektiver Leistungsfähigkeit durch das Personalmanagement unterstützen? 5. Was verstehen Sie unter Karriere? 6. Wie lassen sich Führungs- und Fachlaufbahn voneinander abgrenzen? Antworten Zu 1. Wenn man sich auf die lerntheoretischen Grundlagen der Personalentwicklung konzentriert (was sinnvoll ist, da der Entwicklung von Fähigkeiten naturgemäß Lernprozesse zugrunde liegen), lassen sich drei Ebenen der Entwicklung von individuellen Fähigkeiten identifizieren: 16 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Das Lernen aus eigenen, unmittelbaren Erfahrungen. Das Lernen durch fremde Erfahrungen sowie anhand von Modellen. Das Lernen durch die Nutzung synthetischer Erfahrungen (Weiterbildung). An allen drei Ebenen kann die individuelle Mitarbeiterentwicklung ansetzen. Zu 2. Beim Lernen durch eigene Erfahrungen kommt es zu unternehmensspezifischen Lernprozessen, die wiederum in sogenannten idiosynkratrischen Fähigkeiten resultieren. Aus Sicht des strategischen Managements sind es genau diese Fähigkeiten, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten generieren und sichern, da sie schwer imitierbar sind. Mehr zu diesem Thema findet sich im Buch auch im Abschnitt „Strategische Funktionen des Personalmanagements“. Diesem Kapitel können Sie entnehmen, weshalb bzw. unter welchen Umständen Mitarbeiter als strategische Ressource aufzufassen sind. Zu 3. Bezüglich der individuellen Mitarbeiterentwicklung existieren in der personalwirtschaftlichen Literatur und der Praxis des Personalmanagements zahlreiche Instrumente. Diese werden praxisorientiert in zwei Dimensionen differenziert: Zum einen nach dem Ort und der Nähe zur eigentlichen Arbeitstätigkeit und zum anderen nach dem Lernzeitpunkt. Im Ergebnis wird deshalb unterschieden: Into-the-job: Aktivitäten, die vor oder zu Beginn des Eintritts ins Unternehmen stattfinden, werden als Into-the-job-Instrumente bezeichnet. Zu diesen Instrumenten zählen insbesondere die duale Berufsausbildung und Trainee-Programme. On-the-job und Along-the-job: Durch eine besondere Nähe zum Arbeitsalltag sind Instrumente geprägt, die als On-the-job- und Along-the-job-Maßnahmen umschrieben werden. Unter On-the-job-Instrumente fallen alle Methoden, durch die das Lernpotenzial während der Ausübung der Arbeit erhöht wird, z.B. Jobrotationen (Aufgabenwechsel), Job Enlargement (Aufgabenerweiterung) und Job Enrichment (Aufgabenanreicherung). Der Begriff Along-the-job ist ein Ausdruck für Maßnahmen, die sich auf die Laufbahn des Mitarbeiters beziehen, z.B. Assistenten- und Stellvertretertätigkeiten. Außerdem bereiten sie auf spätere Tätigkeiten vor. Near-the-job und Parallel-to-the-job: Hierzu zählen alle Instrumente, die einen mittleren bzw. indirekten Bezug zur Kerntätigkeit des Mitarbeiters besitzen. Beispiele hierfür sind Qualitätszirkel und Projektgruppen, aber auch Coaching und Mentoring. 17 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Off-the-job: Die klassischen Instrumente der Humanressourcen-Entwicklung sind die sogenannten Off-the-job Instrumente. Sie besitzen keinen direkten Bezug um Arbeitsalltag. Als Beispiele für derartige Instrumente können Seminare, Vorträge, aber auch innovative Formen der Kompetenzvermittlung wie Outdoor-Trainings angeführt werden. Eine Besonderheit stellen Out-of-the-job-Instrumente dar. Ihr Bezug zur Tätigkeit ist definitionsgemäß gering. Sie dienen dazu, den Austritt des Mitarbeiters in den Arbeitsmarkt (Outplacement) oder den Ruhestand vorzubereiten. Zu 4. Aus der funktionsorientierten Perspektive des Personalmanagements lassen sich drei wesentliche Stellhebel identifizieren, mit deren Hilfe die kollektive Leistungsfähigkeit gesteigert werden kann. Zunächst ist die Unterstützung der organisationalen Sozialisation der Mitarbeiter anzuführen. Durch diese wird das Zusammenspiel der Fähigkeiten erleichtert, da die Sozialisation zu gemeinsamen Orientierungsmustern führt. Ein zweiter Stellhebel besteht im Einüben des Zusammenspiels von Fähigkeiten in kleinen Gruppen und Teams. Zum dritten ist die systematische Neukombination von einzelnen Fähigkeiten anzumerken, durch die neue Problemlösungsfähigkeiten entstehen. Zu 5. Diese Frage lässt sich nur individuell beantworten, da Sie gegebenenfalls eine sehr persönliche Vorstellung von Karriere haben. Im Buch ist Karriere wie folgt definiert: Karriere ist die objektiv oder subjektiv positiv bewertete berufliche Entwicklung eines Menschen. Sie ist gekennzeichnet durch berufliche Veränderungen, die für den betroffenen Mitarbeiter mit einem Mehrwert verbunden sind. Dieser Mehrwert kann sich dabei auf Vergütungssteigerungen, die Zunahme der Entscheidungsautonomie und Machtfülle, auf Statussymbole oder aber auch auf die Erfüllung spezifischer Berufsvorstellungen beziehen. Zu 6. Führungslaufbahnen verknüpfen Positionen auf verschiedenen hierarchischen Ebenen im Unternehmen. Sie entsprechen damit der klassischen Vorstellung einer vertikalen Karriere. Nicht alle Mitarbeiter sind für eine Führungskarriere geeignet bzw. nicht jedem geeigneten Mitarbeiter kann eine solche angeboten werden. Daher haben sich in der Praxis alternativ zur Führungslaufbahn seit den achtziger Jahren sogenannte Fachlaufbahnen (auch Parallel- und Spezialistenlaufbahnen genannt) herausgebildet. In diesen Laufbahnen werden Aufstiegsmöglichkeiten geboten, die den fachspezifischen Qualifikationen eines Mitarbeiters entsprechen. Die Fachlauf- 18 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar bahn ist durch ein hierarchisches Positionsgefüge von Spezialisten mit bestimmten Bezeichnungen, Titeln und Vergütungen gekennzeichnet. Eine Karriere in der Fachlaufbahn bedeutet typischerweise nicht die Übernahme disziplinarischer Personalverantwortung, sondern die Übernahme fachlicher Führungsaufgaben. 4 Strategische Funktionen des Personalmanagements Fragen Die folgenden Kontrollfragen dienen der eigenständigen Überprüfung der gelernten Inhalte des voranstehenden Kapitels sowie der kritischen Reflexion über das Gelernte. 1. Wie lässt sich begründen, dass Mitarbeiter eine strategische Ressource für das Unternehmen selbst sind? 2. Weshalb müssen die Funktionen des Personalmanagements intern aufeinander abgestimmt werden? 3. Welche Funktionen kann das Personalmanagement in Bezug auf die Unternehmensstrategie besitzen? 4. Ist ein zentrales oder ein dezentrales Personalmanagement zu präferieren? 5. Welche Unterformen des Personalcontrollings können unterschieden werden? Welche Aggregationsebenen sind denkbar? 6. Mit welchen Herausforderungen und Problemen muss gerechnet werden, wenn ein Personalcontrolling-System im Unternehmen eingeführt wird? Antworten Zu 1. Diese Aussage lässt sich durch den ressourcenorientierten Ansatz, begründen. Es wird davon ausgegangen, dass Mitarbeiter immaterielle Ressourcen eines Unternehmens darstellen. Mitarbeiter erzeugen dann einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie zu einer im Wettbewerb relevanten Ressourcenasymmetrie führen. Voraussetzung hierfür sind folgende Merkmale: Werthaltigkeit: Mitarbeiter müssen einen bestimmten Wert für das Unternehmen darstellen. Dies trifft zu, wenn sie mit ihren Fähigkeiten bestimmte organisatorische Anforderungen besonders gut erfüllen. 19 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Knappheit und Seltenheit: Ein weiteres Kriterium für die strategische Relevanz der Mitarbeiter ist deren Knappheit und Seltenheit. Geht man von einer normalen Verteilung der Fähigkeiten einer Bevölkerung aus, so sind insbesondere hochqualifizierte Mitarbeiter als knapp bzw. begrenzt vorhanden zu beurteilen. Nicht-Imitierbarkeit: Für die Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils ist ferner die Nicht-Imitierbarkeit ein besonderes Charakteristikum. Diese ist immer dann gegeben, wenn sich eine Ressource, d.h. die Fähigkeiten der Mitarbeiter, im Laufe einer bestimmten geschichtlichen Entwicklung ergeben haben. Zur NichtImitierbarkeit trägt weiterhin die Tatsache bei, dass sich die Fähigkeiten der Mitarbeiter nicht ohne weiteres identifizieren lassen. Außerdem lassen sich nichtimitierbare Ressourcen durch die sie auszeichnenden komplexen Zusammenhänge nicht nur mit großem Aufwand durch Wettbewerber im Eigenaufbau erstellen. Nicht-Substituierbarkeit: Schließlich sind Mitarbeiter nur dann eine wettbewerbsrelevante und nachhaltige Ressource, wenn sie sich nicht ohne weiteres/ bedingungslos durch Technologien oder andere Ressourcen ersetzen lassen. Es ist auch in absehbarer Zukunft davon auszugehen, dass wesentliche Bestandteile des menschlichen Leistungsvermögens nicht durch künstliche Intelligenz oder ähnliche Entwicklungen austauschbar sind. Zu 2. Der Ruf nach einem horizontalen Fit bedeutet, dass eine wechselseitige Abstimmung und Konsistenz der Funktionen des Personalmanagements erforderlich ist. Horizontaler Fit soll dafür sorgen, dass das Personalmanagement insgesamt konsistent und widerspruchsfrei ist und alle Funktionen einer gemeinsamen strategischen Zielsetzung folgen. Es wäre z.B. unsinnig, Mitarbeitern aus motivationalen Gründen Karriereoptionen in Aussicht zu stellen und gleichzeitig neue Führungspositionen aufgrund intensiven Personalmarketings extern zu besetzen. Zu 3. Es werden zwei Funktionen unterschieden: die Implementierungs- und die Beitragsfunktion: Im Rahmen der Implementierungsfunktion dient das Personalmanagement der Umsetzung der Unternehmensstrategie. Diese wird weitgehend ohne Beteiligung der Personalmanager entwickelt. Diese haben nachfolgend die Aufgabe, die personalwirtschaftlichen Anforderungen der Unternehmensstrategie abzuleiten und entsprechend umzusetzen. 20 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Im Rahmen der Beitragsfunktion ist das Personalmanagement frühzeitig in die Entwicklung der Unternehmensstrategie involviert. Erstens können Personaler bereits vor der Implementierung und Verabschiedung der Unternehmensstrategie hinzugezogen werden, um die Unternehmensstrategie auf personalwirtschaftliche Umsetzbarkeit zu überprüfen. Zweitens können Personaler direkt in Prozess der Entwicklung und Formulierung der Unternehmensstrategien mit einbezogen werden. Sie haben folglich die Möglichkeit, als gleichberechtigte Partner mitzuwirken. So können sie eigene strategische Vorschläge, die beispielsweise auf spezifische personalbezogene Stärken des Unternehmens abstellen, generieren und unterbreiten. Zu 4. Ob ein zentrales oder ein dezentrales Personalmanagement zu präferieren ist, lässt sich nicht pauschal, sondern nur unternehmensspezifisch beantworten. Sowohl Zentralität als auch Dezentralität haben klare Vor- und Nachteile. Für die zentrale Personalarbeit sprechen beispielsweise die Einheitlichkeit und das pure/reine Expertentum dieses Bereichs. Dezentralität führt hingegen zu größerer Problemnähe und sichert die Akzeptanz der Mitarbeiter. Zu 5. Personalcontrolling ist die erfolgsorientierte Steuerung ist Leistungsniveaus der Personalausstattung. Typische Bezugspunkte sind die Kosten, die Effektivität und Effizienz des Personalmanagements, woraus sich letztlich drei Unterformen des Personalcontrollings ergeben: Das Controlling der Kosten ist aufgrund der hohen Kosten personalwirtschaftlicher Aktivitäten notwendig. Hierbei soll eruiert werden, welche Kosten durch Aktivitäten des Personalmanagements entstehen. Das Controlling der Effektivität zielt darauf ab, den Output personalwirtschaftlicher Aktivitäten zu steuern. Hierbei geht es um die Beantwortung der Frage: Tun wir das Richtige? Das Controlling der Effizienz untersucht die Wirtschaftlichkeit des Personalmanagements und seiner Aktivitäten. Dabei wird das Augenmerk gleichzeitig auf den Input und den Output gelegt. Die zuletzt beschriebenen Formen des Personalcontrollings können an verschiedenen Ebenen ansetzen: Ebene der einzelnen Instrumente und Maßnahmen des Personalmanagements: z.B. Transfererfolg einer konkreten Weiterbildungsmaßnahme. 21 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Ebene einzelner Funktionen des Personalmanagements: z.B. Kosten der Personalbeschaffung. Ebene des gesamten Personalmanagements: z.B. Humankapitalmessung. Zu 6. Es bestehen mindestens drei zentrale Problemfelder des Personalcontrollings. Viele Daten im Personalmanagement sind qualitativer Natur. Ihre Erhebung ist zeitaufwändig und methodisch kompliziert. Sie werden deshalb in der Praxis nicht umfangreich genug ermittelt. Ferner wirken personalwirtschaftliche Aktivitäten zeitverzögert. Die Ursache (personalwirtschaftliche Aktivität) der Maßnahme und ihre Wirkung fallen somit weit auseinander, die relevanten Zusammenhänge entziehen sich daher weitestgehend dem Controlling. Auch sind in der Unternehmenspraxis nur selten wissenschaftliche Untersuchungsdesigns mit z.B. Kontrollgruppen möglich. Jenseits dessen stößt das Personalcontrolling generell auf wenig Akzeptanz im Unternehmen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass personenbezogene Daten erhoben werden und somit das Individuum/der einzelne Mitarbeiter zum gläsernen Menschen wird. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erfordert das Personalcontrolling den Einbezug der Arbeitnehmervertretungen. 22 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Kapitel III Finanzorientierte Personalwirtschaft Teil A: Erfassung und Berechnung ausgewählter personalwirtschaftlicher Instrumente und Kennzahlen des Personalcontrollings aus dem Jahresabschluss unter zur Hilfenahme des Berliner Balanced Scorecard Ansatzes Fragen 1. Nennen und beschreiben Sie drei grundsätzliche personalwirtschaftliche Ziele. 2. Vergleichen Sie den Harvard BSC-Ansatz mit dem Berliner BSC-Ansatz. 3. Beschreibung und skizzieren Sie den ROIC-Ansatz. Wie wirken sich Personalkostensenkungen auf den ROIC-Ansatz aus? 4. Beschreiben Sie den EVA-Ansatz. Wie wirken sich Personalkostensenkungen auf ein wertorientiertes Personalmanagement aus? 5. Beschreiben Sie die Wertschöpfungsrechnungen und ausgewählte Kennzahlen davon. Welche Schlussfolgerungen können Sie aus einem zeitlichen und branchenorientierten Benchmark von Wertschöpfungsrechnungen als Personaler und Gewerkschaftler ziehen? 6. Zeigen Sie, wie einzelne Produktivitätskennzahlen in der Wertschöpfungsrechnung zusammenwirken. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie als Personaler daraus? 7. Zeigen Sie, wie eine Berliner Humankapitalbewertungsrechnung aus dem Berliner Balanced Scorecard Ansatz deduziert werden kann. Antworten Zu 1. Die drei grundsätzlichen personalwirtschaftlichen Ziele sind die permanente Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Senkung der Personalkosten (Personalaufwendungen bzw. des Anteils der Personalkosten an den Produktstückkosten) sowie die Verbesserung und Erhöhung des Humankapitals (Ertragsseite an der Personalarbeit). 23 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 2. Der Harvard BSC-Ansatz von Kaplan/Norton ist der klassische, konzeptionelle Ansatz, der Strategien implementieren will, aber an dem Rechenansatz der BSC scheitert. Darum möchten Kaplan/Norton nur über die Strategie, die implementiert werden soll, kommunizieren. Der Berliner BSC kann theoretisch und empirisch nachweisen, dass die BSC mit den Methoden des internen und externen Rechnungswesens rechenbar ist. Sie entwickelt ein mathematisches und betriebswirtschaftliches hierarchisches Kennzahlensystem für jede BSC-Perspektive. Der Berliner BSC-Ansatz kann konzeptionell zeigen, dass die Perspektiven ebenso mathematisch-betriebswirtschaftlich sinnvoll verknüpft werden können. Mittels einer shareholder-value-orientierten Unternehmensbewertung kann der BSC-Ansatz darüber hinaus auch noch dynamisiert werden, und damit in ein strategisches und operatives Managementsystem eines Unternehmens unproblematisch integriert werden. Damit schafft der Berliner BSC-Ansatz die rechenbare Implementierung von Strategien, eine konzeptionelle Forderung des Harvard-Ansatzes von Kaplan und Norton, die diese aber nie haben einlösen können. Zu 3. Der ROIC-Ansatz, zurückzuführen auf den ROI-Ansatz von 1919 von DuPont, ist der bekannteste finanzwirtschaftliche Controllingansatz bis heute. Hintergrund ist, dass in einer einzigen Kennzahl der Jahresabschluss mit seinen zwei wichtigsten Rechenwerken, der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, abgebildet werden kann. Der ROIC-Ansatz besteht aus der Umsatzrentabilität und dem Kapitalumschlag. Kann das Unternehmen eine Personalkostensenkungen bewirken, dann erhöht dies die Umsatzrentabilität und damit den ROIC (vgl. hierzu ausführlich das Kapitel III B). Zu 4. Economic Value Added-Ansatz (EVA-Ansatz): Im Rahmen der wertorientierten Investitionsrechnung bzw. der Shareholder-Value-orientierten Unternehmensbewertungsrechnung kann gezeigt werden, dass eine Investition dann werterhöhend ist, wenn der Kapitalwert der Investition positiv ist. Personalkostensenkungen erhöhen den Kapitalwert. Ein wertorientiertes Entgeltmanagementsystem mit variabler Vergütung über ein Aktienoptionsprogramm basiert oft auf dem EVA-Ansatz. Ein positiver Kapitalwert würde ein wertorientiertes Managergehalt erhöhen. 24 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 5. Wertschöpfungsrechnungen zeigen, wie die Wertschöpfung im Unternehmen erfolgt und wie die Wertschöpfung auf Kapitalgeber (Eigen- und Fremdkapitalgeber), Mitarbeiter und auf die öffentliche Hand (Staat durch Steuerzahlung) verteilt ist. Schaut man sich die Verteilung über die Jahre an, dann können Ungleichgewichte zwischen den Interessengruppen entstehen. Z.B. wenn die Eigenkapitalgeber immer mehr jährlich von der Unternehmenswertschöpfung als Dividende erhalten haben, dann sind Gewerkschafter aufgerufen, bei der nächsten Tarifrunde höhere Gehaltsforderungen zu stellen, um ein „gerechteres“ Gleichgewicht zwischen der Verteilung der Interessengruppen zu erzielen. Zu 6. Wenn ein entsprechender Plan-ROIC erzielt werden soll, dann muss in die Kapitalintensität investiert werden, d.h. neben der Sachinvestition auch in das Humankapital, um eine höhere Arbeitsproduktivität zu erzielen. Personaler müssen auf diese Sachverhalte hinweisen (siehe Kapitel III, Teil B, S. 147). Zu 7. Das Berliner Humankapitalbewertungsmodell entspricht der Lern- und Wachstumsperspektive der BSC von Kaplan/Norton, die aber nicht berechenbar ist. Da der Berliner Balanced Scorecard Ansatz rechenbar ist und dynamisiert werden kann, gilt dies für alle Perspektiven, d.h. auch für die Mitarbeiterperspektive. Die Mitarbeiterperspektive kann auch separat als Berliner Humankapitalbewertungsmodell bezeichnet sowie deduziert untersucht, analysiert und gestaltet werden (vgl. hierzu Schmeisser/Clausen, 2009: Controlling und Berliner Balanced Scorecard Ansatz, Kapitel III). Teil B: Personalrisiken und Personalcontrolling: Herausforderungen an die Finanzorientierte Personalwirtschaft Fragen 1. Wie könnte man Personalrisiken beschreiben und charakterisieren? 2. Wie kann man die Arbeitsproduktivität, die Personalkosten und die Humankapitalbewertung mit Personalrisiken verknüpfen? 3. Welche drei Generationen von Frühwarnsystemen kennen Sie? 25 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar 4. Was versteht man unter schwachen Signalen und wie stehen diese mit den Personalrisiken in Verbindung? 5. Welche Arten, Dimensionen und Methoden des Personalcontrollings kennen Sie? Antworten Zu 1. Grundsätzlich treten Personalrisiken auf, wenn Personalziele nicht erreicht werden. Personalrisiken werden dann virulent, wenn diese durch das Verfehlen von Personalzielen die Wettbewerbsfähigkeit und die Gesamtexistenz des Unternehmens gefährden. Werden keine Innovationen im Unternehmen eingeleitet und damit kein Humankapital gebildet, erreicht man auch keine adäquate Arbeitsproduktivität und erzielt keinen Return on Investment. Das Unternehmen ist nun akut Existenz gefährdet. Zu 2. Wenn keine Erhöhung der Arbeitsproduktivität erzielt wird, können auch die Personalkosten nicht gesenkt werden, und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist gefährdet. Die Personalrisiken entstehen oft bei einer Innovationsunfähigkeit und fehlender Innovationsbereitschaft der Unternehmung. Bei fehlenden Innovationen entsteht kein neues Humankapital, das auch die Arbeitsproduktivität hätte erhöhen können, die Personalkosten werden nicht gesenkt und die Existenz des Unternehmens ist gefährdet. Zu 3. Frühwarnsysteme der 1. Generation setzen sich überwiegend mit Kennzahlen des externen und internen Rechnungswesens auseinander. Plan-Personalaufwendungen/Planpersonalkosten und die sonstigen Personalziele der drei betriebswirtschaftlichen Personalmanagementansätze gehören dazu, wenn diese zu Kennzahlen umdefiniert werden, um Personalrisiken aufzuzeigen. Frühwarnsysteme der 2. Generation sind Indikatorenmodelle; sie ergänzen und erweitern die Frühwarnsysteme der 1.Generation. Beim Indikatorenmodell wird indirekt gemessen, insbesondere dann, wenn man sich eines hypothetischen Konstruktes wie der „Arbeitszufriedenheit“ bedient. Wenn die Mitarbeiter unzufrieden sind, verweigern sie offen oder verdeckt, eine entsprechende Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeitsproduktivität sinkt und die Personalkosten steigen. 26 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Frühwarnsysteme der 3. Generation verstehen sich als Strategische Frühaufklärung. Hintergrund ist, dass sich ein Indikatorenmodell nur auf vorher festgelegte, als relevant erachtete Beobachtungsbereiche konzentriert, weil es dort die Personalrisiken vermutet. Innovationen kommen aber diskontinuierlich aus den unterschiedlichsten Technikfeldern und bestimmen das wissensbasierte Humankapital, das personell im Unternehmen neu zu bewältigen ist. Hier spricht man oft von schwachen Signalen, da sie für das Unternehmen nicht offensichtlich sind. Zu 4. Schwache Signale gehören zu den Personalrisiken der 3. Generation von Frühwarnsystemen, die Personaler und Unternehmen oft übersehen. Diese Risiken, die durch Innovationen anderer Unternehmen ausgelöst werden und das unternehmerische Humankapital systematisch oder unsystematisch negativ betreffen können, stürzt ein Unternehmen normalerweise in eine Existenzkrise bzw. in einen Sanierungs-, wenn nicht sogar in einen Insolvenzfall. Zu 5. Arten von Personalcontrolling: Es werden das qualitative und quantitative sowie das operative und strategische Personalcontrolling unterschieden. Rechen-Dimensionen und Methoden vgl. die Abb. 3.24, auf S. 151 und Abb. 3.25 auf S. 153. Teil C: Zum Entgeltmanagement aus der Sicht einer finanzorientierten Personalwirtschaft Fragen 1. Was versteht man unter Shareholder Value? 2. Was versteht man unter wertorientierten Entgeltmanagementsystemen? 3. Üben Sie Kritik an den traditionellen Entgeltmanagementsystemen. 4. Was versteht man unter der Principal-Agency-Theory? 5. Woran macht sich der Konflikt zwischen Principalen und Agenten bemerkbar? 6. Was versteht man unter Aktienoptionsprogrammen und wie stellt man sich die Motivation der Führungskräfte dazu vor? 7. Was versteht man unter realen und virtuellen Aktienoptionen? 27 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Antworten Zu 1. Unter dem Shareholder Value versteht man die marktorientierte Unternehmensbewertung des Eigenkapitals einer Unternehmung. Zu 2. Wertorientiertes bzw. shareholder-value-orientiertes Entgeltmanagement versucht Zusammenhänge zwischen Unternehmensergebnissen, gemessen an den EBIT, Free Cashflow und den positiven Kapitalwert einer Unternehmensbewertung, und dem Managergehalt zu konstruieren. Steigt z.B. der Unternehmenswert gemessen am EVA-Ansatz, dann steigen die Aktienkurse des Unternehmens und der Wert des Aktienoptionsprogramms jedes einzelnen Managers. Der leistungsorientierte, variable Entgeltmanagementanteil des Managers, das Aktienoptionsprogramm ist somit das wertorientierte Entgeltmanagementsystem. Theoretisch wird behauptet, dass mit diesem wertorientierten Managementsystem das Prinzipal-Agent-Problem zu lösen sei, aber es konnte noch nicht empirisch bestätigt werden. Zu 3. Das traditionelle Entgeltmanagement ist nicht leistungs- und shareholder-valueorientiert. Es ist schwer, das traditionelle Entgeltmanagement konzeptionell/theoretisch oder empirisch zu begründen, da es keinen Zusammenhang zwischen Unternehmensergebnissen (Umsatz, Bilanzsumme, Free Cashflow, Wertschöpfung, Aktienkurs etc.) und dem Managemententgelt aufweist. Zu 4. Bei Aktiengesellschaften/Publikumsgesellschaften sind die Eigentumsrechte des Eigenkapitals, also Aktienbesitz bei den Aktionären, getrennt von der Unternehmensleitung, d.h. von Vorstand und Management. Gemäß der Mikroökonomie bei einem idealen/vollkommenen Markt muss der Unternehmer Eigentümer, Geschäftsführer, Kontrolleur und Mitarbeiter für ausführende Arbeiten in einer Person sein. Eine Trennung zwischen Eigentümer einer Unternehmung und Geschäftsführung/Management in einer Unternehmung, wie dies seit fast 200 Jahren in Aktiengesellschaft der Fall ist, darf es nach idealem volkswirtschaftlichem Verständnis per se überhaupt nicht geben. Diese Trennung von Eigentum und Führung in Unternehmen und deren negativen Auswirkungen behandelt die Principal-Agency-Theory. Die Principale (principals) sind die Eigentümer bzw. Aktionäre und die Agency (agents) ist das Management. 28 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 5. Der Konflikt entsteht dadurch, dass gemäß mikroökonomischer Theorie Agenten, sprich das Management, nicht derartig handeln, wie ein Unternehmer in einem idealen Markt gehandelt hätte. Unternehmer versuchen den größtmöglichen Gewinn zu erzielen, also einen hohen Unternehmenswert, Free Cashflow oder EBIT. Manager sind nicht risikofreudig, gehen deshalb risikoreichen, aber höchsten Free Cashflow erzielenden Investitionen aus dem Wege und handeln oft gegen die Interessen der Aktionäre. Manager sind nur an hohem Entgelt interessiert und an Prestigeinvestitionen (z.B. Geschäftshaus in Form eines Hochhauses der Firma wird zu einem Denkmale ihrer Führung). Alle diese Aktivitäten der Manager verringern den Free Cashflow und verstoßen gegen die Interessen der Eigentümer, die dadurch eine geringere oder keine Dividende erhalten. Der Konflikt wird dann bei der nächsten Hauptversammlung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre ausgetragen. Zu 6. Das Aktienoptionsprogramm ist Teil einer wertorientierten Entgeltpolitik. Man möchte Mitarbeiter und Manager am zukünftigen Erfolg und am Eigenkapital der Unternehmung in Form von Optionen und damit durch Aktien beteiligen. Konzeptionelle Motivation, die hinter Aktienoptionsprogrammen steht, ist es, den PrincipalAgency-Konflikt zu entschärfen, evtl. sogar zu beseitigen. Der Grundgedanke ist, Mitarbeiter und Manager durch Aktienoptionsprogramme zu Mitunternehmern zu machen. Dadurch müssten Manager wie Unternehmer gemäß der mikroökonomischen Theorie reagieren und handeln, und der Prinzipal-Agent-Konflikt ist dadurch behoben. Bis heute konnte diese Konfliktbewältigung der Principal-Agency-Theory durch Aktienoptionsprogramme nicht empirisch bestätigt werden. Zu 7. Bei realen Aktienoptionen hat der Manager im Rahmen eines Aktienoptionsprogramms einen tatsächlichen Anspruch auf Aktien der Unternehmung oder mit einer Verrechnung der Erlöse des Aktienoptionsprogramms mit seinem variablen Entgelt. Bei virtuellen Aktienoptionen besteht kein Anspruch auf Aktien vom Unternehmen. Die virtuellen Aktienoptionen werden fiktiv berechnet und mit dem variablen Entgelt des Managers verrechnet. 29 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Kapitel VI Mitarbeitermotivation, -führung, Management von Karrieren und Personalbindung Teil A: Motivation von Mitarbeitern Fragen 1. Ist Motivation eine Persönlichkeitseigenschaft oder ist sie das Ergebnis der Situation? Erklären Sie! 2. Die Vertriebsmitarbeiterinnen Frau Alpha im Verkaufsgebiet Nord und Frau Omega im Gebiet Süd unterhalten sich über ihre leistungsabhängige Entlohnung. Frau Alpha beklagt sich über ihren geringen Verdienst, denn wenngleich sie hochmotiviert ist, war ihre Arbeitsleistung im letzten Jahr schlecht. Frau Omega hat hingegen, obwohl sie unzufrieden und unmotiviert ist, hervorragende Leistungen erbringen und eine hohe Entlohnung erwirtschaften können. Warum kann eine hochmotivierte Person schlechte Arbeitsleistungen zeigen? Warum kann eine Person mit geringer Motivation hervorragende Leistungen erbringen? 3. „Glückliche Mitarbeiter sind leistungsstärker als zufriedene Mitarbeiter.“ Analysieren Sie diese Aussage unter Bezugnahme auf aktuelle Forschungsbefunde zum Zusammenhang zwischen subjektivem Wohlbefinden, Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung. Nennen Sie weitere Faktoren, welche die Arbeitsleistung beeinflussen. 4. Die Mitarbeiterin Frau Ebraham ist von ihrem Arbeitgeber für das „Talent Management Programm“ ausgewählt worden, um sie weiter zu fördern und ihre eigene Karriere weiter voranzubringen. Sie weiß, dass sie die notwendigen Kompetenzen besitzt, das Förderprogramm erfolgreich zu bewältigen. Dennoch lehnt sie das Angebot ab. Frau Ebraham hat gehört, dass weibliche im Unterschied zu männlichen Programmteilnehmern in diesem Unternehmen selten anschließend befördert werden. Erklären Sie die motivationalen Prozesse, die bei Frau Ebraham vor ihrer Entscheidung abgelaufen sind, anhand des Erwartungs-ValenzModells von Vroom. Nennen Sie drei Möglichkeiten (in Anlehnung an das Modell von Vroom), die der Vorgesetzte hat, um die Motivation seiner Mitarbeiterin für eine Teilnahme an dem Förderprogramm zu erhöhen. 5. Können Mitarbeiter durch Geld motiviert werden? Diskutieren Sie! 30 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Fallstudie Die SchmAnKa AG wurde 2003 von Herrn Wilhelm gegründet. Zwecks Finanzierung einer regionalen Expansion ist Herr Wilhelm in Verhandlung mit privaten Investoren getreten. Sie sind seit 2003 als Finanzmanager in der Firma tätig und spielen diesbezüglich eine zentrale Rolle im Unternehmen. Sie haben ein Diplom in BWL mit einem Schwerpunkt auf Klein- und Mittelstandsunternehmen. Herr Wilhelm hat Sie beauftragt, einen Strategieplan für die Geschäftsexpansion zu entwickeln (Personal- und Finanzbedarf, Akquisition neuer Verkaufsstellen, Zeitplan der Umsetzung) und Ihnen signalisiert, dass Sie ein aussichtsreicher Kandidat für die im Zuge der Expansion neu zu schaffende Managementposition sind. Vor 3 Jahren wurde Frau König zu Ihrer Unterstützung eingestellt. Sie ist aufgeweckt, kompetent und hat hohes Verhandlungs- und Problemlösegeschick. Sie steht kurz vor Beendigung ihres BWL-Studiums an einer Fernhochschule und hat sich ebenfalls auf die in Frage stehende Position beworben. Sie ist die Ehefrau eines der potentiellen Investoren. Die Stellenanforderungen der Managementposition umfassen Finanz- und Finanzmarktwissen sowie Kompetenzen in Kommunikation, Verhandlung und Konfliktlösung, um mit Problemen und Konflikten im Wandel- und Expansionsprozess der Firma effektiv umgehen zu können. Sie haben in den letzten Monaten Gespräche mit mehreren Investoren geführt, um deren Ideen in den Expansionsplan aufzunehmen. Ihren Strategieplan haben Sie gerade in einer formalen Präsentation dem Gründer, den Mitarbeitern und der Investorengruppe vorgestellt. Einige Investoren übten deutliche Kritik z.B. bezüglich der Wahl der Verkaufsstellen und des unnötig langen Zeitplans. Frau König verteidigte den Plan vehement in der Diskussion. Wo immer es Dissens gab, schlug sie Alternativen vor und verhandelte Lösungen, die letztlich für alle akzeptabel waren. Der Expansion wurde zugestimmt. Für die Besetzungsentscheidung der TopPosition im Gremium wurden Sie und Frau König gebeten, das Meeting zu verlassen. Das Gremium sprach sich für eine interne Stellenbesetzung aus und entschied sich für Frau König. (Quelle: In Anlehnung an Stecher & Rosse, 2007) 1. Wie reagieren Sie auf die Entscheidung für Frau König? 2. Bestimmen Sie die Verteilungsgerechtigkeit, indem Sie Ihr eigenes ErgebnisBeitrags-Verhältnis mit demjenigen von Frau König vergleichen! 3. Wie ist die Prozessgerechtigkeit zu beurteilen? Fall A: Die Zeugnisse, Qualifikationen und Erfahrungen von Ihnen und Frau König wurden sorgfältig gegenübergestellt. Die Verhandlungs- und Problemlösefähigkeiten von Frau König 31 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar wurden als wichtiger angesehen als Ihre Ausbildung und Ihre Erfahrung im Finanzbereich. Die Tatsache, dass Frau König die Ehefrau eines der Investoren ist, hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung (die Investoren wussten nicht um diesen Tatbestand, und der betreffende Investor hat sich bei dieser Abstimmung enthalten). Fall B: Die Entscheidung fiel sehr schnell; die Bewerbungsunterlagen wurden nicht ausgewertet. Es spielte eine Rolle, dass Frau König mit einem der Investoren verheiratet ist. Wie verhalten Sie sich in Reaktion auf die getroffene Stellenbesetzungsentscheidung in jeder der beiden Szenarien? Antworten Zu 1. Es ist ein Irrglaube, dass Motivation eine Persönlichkeitsvariable ist, d.h. dass einige Personen Motivation haben und andere nicht. Motivation ist das Ergebnis der Interaktion des Individuums und der Situation. Die Motivation erklärt die Richtung, Stärke und zeitliche Dauer des individuellen Verhaltens. Die Richtung des Verhaltens gibt an, für welches Verhalten sich eine Person angesichts der zahlreichen Handlungsoptionen entscheidet. Die Stärke des Verhaltens indiziert, mit welcher Energie und Kraft eine Person ein gewähltes Verhalten ausführt. Die zeitliche Dauer beschreibt, wie stark eine Person angesichts von Hindernissen und Abwehr das gewählte Verhalten weiter erfolgreich auszuführen versucht. Zu 2. Das Leistungsverhalten ist das Produkt aus dem Können und Wollen einer Person. Das Wollen umfasst die individuelle Motivation, d.h. die Ausrichtung der individuellen Ressourcen auf ein Handlungsziel (Heckhausen & Heckhausen, 2005), und die individuelle Volition, d.h. der unbedingte Wille, ein Ziel trotz Hindernissen zu erreichen und die Einleitung entsprechender Handlungen (Scheffer & Kuhl, 2010). Das Können wird bedingt durch die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person sowie 32 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar das soziale Dürfen und Sollen (d.h. die soziale Umwelt muss ein bestimmtes Verhalten zulassen) und ob das Verhalten situativ ermöglicht wird. Aufgrund der multiplikativen Verknüpfung sinkt/steigt das Leistungsniveau, sobald bereits nur einer der Teilfaktoren niedrig/hoch ist. Eine hochmotivierte Person kann somit schlechte Leistungen erbringen, wenn beispielsweise eine oder mehrere der folgenden Bedingungen vorliegen: Es mangelt Frau Alpha an Volition, der Schwierigkeitsgrad der Vertriebsaufgabe ist zu hoch für sie, d.h. sie verfügt nicht über die erforderlichen Vertriebsfähigkeiten und -fertigkeiten, das Generieren hoher Verkaufszahlen ist aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Kunden oder langer Anfahrtswege (situative Ermöglichung) nicht möglich. Obwohl Frau Omega nur wenig motiviert ist, kann sie hervorragende Leistungen erbringen, wenn sie beispielsweise über hohe Vertriebsfähigkeiten und -fertigkeiten verfügt, die sie bei den Kunden als kompetenten Partner wahrnehmen lässt, und die Arbeitssituation günstig ist, indem viele Kunden ohne Akquise auf sie zukommen, um das Produkt abzukaufen. Zu 3. Der in der Forschung gefundene Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung ist eher gering (r=.30). Es ist anzunehmen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung durch Drittvariablen wie dem subjektiven Wohlbefinden moderiert wird. Subjektives Wohlbefinden bezeichnet das Wohlergehen aus der subjektiven Perspektive des Befragten (Cropanzano & Wright, 2001), das heißt seine individuellen kognitiven und affektiven Reaktionen auf sein Leben als Ganzes sowie auf spezifische Lebensdomänen wie Arbeit und Freizeit (Diener & Lucas, 1999). Die kognitive Bewertung des Wohlergehens beinhaltet die Lebenszufriedenheit und die emotionale Bewertung das Vorliegen positiver Stimmung und Fehlen von Missmut (Diener, Suh, Lucas, & Smith, 1999). Das subjektive Wohlergehen bezieht sich folglich im Gegensatz zur Arbeitszufriedenheit nicht nur auf den Arbeitskontext, sondern auf das Leben im Allgemeinen. Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung wird durch die Variable subjektives Wohlergehen moderiert in dem Sinne, dass die Arbeitsleistung von Personen, die sowohl eine hohe Arbeitszufriedenheit als auch ein hohes subjektives Wohlergehen aufweisen, höher ist als die Arbeitsleistung von Personen, die eine hohe Arbeitszufriedenheit, aber ein geringes subjektives Wohlergehen aufweisen. Das heißt, nicht nur die Arbeitszufriedenheit ist zur Erklärung der Arbeitsleistung wichtig, sondern auch das subjektive Wohlergehen der Arbeitnehmer. Weitere Faktoren, welche die Arbeitsleistung beeinflussen, sind beispielsweise die Arbeitsmotivation, System & Technologie (trotz hoher Arbeitszufriedenheit und 33 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar -motivation kann eine Person ihre optimale Arbeitsleistung nicht erbringen, da die notwendigen technischen Geräte (z.B. ein schneller Arbeitslaptop) fehlen oder Arbeitsbedingungen (z.B. Großraumbüro) die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, oder Persönlichkeit (z.B. Gewissenhaftigkeit). Literatur Cropanzano, R., & Wright, T. A. (2001). When a “happy” worker is a “productive” worker: A review and further refinement of the happy-productive worker thesis. Consulting Psychology Journal: Practice and Research, 53(3), 182-199. Diener, E., & Lucas, R. (1999). Personality and subjective well-being. In D. Kahneman, E. Diener, & N. Schwarz (Hrsg.), Well-being: The foundations of Hedonic Psychology (S. 213-229). New York: Russell Sage Foundation. Diener, E., Suh, E. M., Lucas, R. E., & Smith, H. L. (1999). Subjective Well-Being: Three Decades of Progress. Psychological Bulletin, 125(2), 276-302. Zu 4. Das Erwartungs-Valenz-Modell von Vroom differenziert drei Variablen, die multiplikativ miteinander verknüpft sind, d.h. ist eine Variable im Modell gleich Null, ist die gesamte Gleichung, d.h. die Motivation gleich Null. Die Erwartung beschreibt, wie hoch Frau Ebraham die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass sie eine bestimmte Leistung durch ihre Anstrengung erbringen kann. Die Instrumentalität gibt an, für wie wahrscheinlich sie es hält, dass auf ihre Leistung ein bestimmtes Ergebnis folgt. Die Valenz bezeichnet die persönliche Bedeutung, die das Ergebnis für Frau Ebraham hat. Frau Ebraham hat eine hohe Erwartung, d.h. sie geht davon aus, dass sie die notwendigen Kompetenzen besitzt, um das Talent Programm erfolgreich zu bewältigen. Die Valenz ist hoch, d.h. Frau Ebraham stuft den Karriereerfolg, der sich aus der Programmteilnahme ergeben kann, als persönlich bedeutsam ein. Die Instrumentalität wird jedoch als gering eingeschätzt, d.h. eine erfolgreiche Teilnahme am Talent Programm führt in diesem Unternehmen bei Frauen selten zum erwünschten Karriereaufstieg. Der Vorgesetzte hat verschiedene Möglichkeiten, um die Motivation von Frau Ebraham zu erhöhen. Die Erwartung, das Talent Programm erfolgreich zu bewältigen, ist bereits hoch. Karriereerfolg (Beförderung) scheint Frau Ebraham persönlich bedeutsam zu sein (Wert). Die geringe Instrumentalität stellt das entscheidende (Motivations-)Hindernis dar. Maßnahmen sollten hier ansetzen. Der Vorgesetzte kann Frau Ebraham glaubhaft (!) versichern, dass sie nach erfolgreicher Bewältigung 34 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar des Programms auf eine höhere Position versetzt wird. Er kann Frau Ebraham zusichern, dass ihr Gehalt nach erfolgreicher Absolvierung des Förderprogramms erhöht wird. Er kann Frau Ebraham Fälle (Personen) aufzeigen, die nach erfolgreicher Programmteilnahme in diesem Unternehmen befördert wurden. Er kann auf entsprechende Frauenförderprogramme im Unternehmen hinweisen, um die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen zusätzlich zu unterstreichen. Zu 5. Pro: Geld ist für Mitarbeiter wichtig, indem sie das Gehalt als Austauschmedium nutzen, um ihr Leben zu finanzieren. In diesem Falle motiviert nicht das Geld selbst, sondern die Dinge, welche man mit dem Geld erwerben kann. Die Equity-Theorie verdeutlicht, dass Geld über den Austauschwert zusätzlich einen symbolischen Wert hat. Das Gehalt dient als Ergebnisgröße, gegen die wir unsere Beiträge abwägen, um festzustellen, ob wir gerecht behandelt werden. Der Equity-Theorie zufolge wird die Motivation nicht durch die objektive Höhe der Beiträge und Ergebnisse determiniert, sondern vielmehr darüber, wie ein Arbeitnehmer sein Ergebnis-BeitragsVerhältnis im Vergleich zum wahrgenommenen Ergebnis-Beitrags-Verhältnis einer Referenzperson einschätzt. Wenn ein Unternehmen einem Manager 60.000 Euro Jahresgehalt zahlt und einem anderen 75.000 Euro, dann verdient Zweiterer nicht lediglich 15.000 Euro mehr, sondern die Organisation verdeutlicht beiden Mitarbeitern durch die Differenzierung, wie sie die Beiträge der beiden Personen wertschätzt. Auch der Erwartungstheorie zufolge ist Geld ein Motivator, wenn es von den Individuen als Mittel angesehen wird, persönliche Ziele zu verwirklichen (hohe Valenz) und als abhängig von der erbrachten Leistung angesehen wird (hohe Instrumentalität). Contra: Die Frage ist nicht, ob Geld eine motivierende Wirkung hat oder nicht. Geld kann einige Personen unter bestimmten Bedingungen motivieren. Die relevantere Frage ist, ob Geld die meisten Mitarbeiter motivieren kann. Mehrere Argumente verneinen dies. Damit Geld Mitarbeiter motiviert, eine hohe Arbeitsleistung zu erbringen, müssen gemäß der Erwartungstheorie bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss Geld für die Person wichtig sein (hohe Valenz). Dies ist jedoch nicht bei allen Menschen der Fall. Hoch leistungsmotivierte Menschen sind beispielsweise intrinsisch motiviert. Geld hat einen geringeren Einfluss auf die Motivation. Zweitens muss Geld als direkte Belohnung für eine Leistung von den Individuen wahrgenommen werden (hohe Instrumentalität), um motivierend zu wirken. Dies ist nicht der Fall, wenn Gehaltserhöhungen von Kriterien wie dem Alter oder der Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig sind. Zudem müssen Gehaltsanstiege vom Indi- 35 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar viduum als signifikant wahrgenommen werden, um motivierend zu wirken (Gneezy & Rustichini, 2000; Mitra, Gupta, & Jenkins, 1995). Auch Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie zufolge sind intrinsische Faktoren wesentlich für die Motivation, wohingegen Geld lediglich eine Unzufriedenheit verringern, aber keine Arbeitszufriedenheit bewirken kann. Literatur Gneezy, U., & Rustichini, A. (2000). Pay enough or don't pay at all. Quarterly Journal of Economics, 115(2), 791-810. Mitra, A., Gupta, N. & Jenkins Jr., G. D. (1995). The Case of the invisible merit raise: How people see their pay raises. Compensation & Benefits Review, May-June, 71–76. Fallstudie Ad (a) Die Reaktion wird sich interindividuell unterscheiden. Tendenziell wird ohne Kenntnisse der Prozesse eher eine (Verteilungs-)Ungerechtigkeit wahrgenommen. Ad (b) Das Ergebnis für Sie ist keine Beförderung; das Ergebnis von Frau König eine Beförderung. Die Beiträge von Ihnen bestehen in einem BWL-Diplom (bestandener Abschluss), Zugehörigkeit zum Unternehmen seit Gründung, Erarbeitung und Präsentation eines Strategieplans, Aufbau von Kontakten mit Investoren, fundierte Kenntnisse und Erfahrungen im Finanzmanagement. Die Beiträge von Frau König bestehen aus einem ausstehenden BWL-Studienabschluss, geringere Betriebserfahrung, Verteidigung und erfolgreiche Durchsetzung des Strategieplans, Unterstützungsleistungen bei der Ausarbeitung des Plans, Kompetenzen in Verhandlungen und Problemlösungen. Je nach Gewichtung der Kriterien könnte die Beförderung von Frau König als ungerecht empfunden werden. Ad (c) Die Beurteilung der Verfahrensgerechtigkeit kann anhand der sechs Regeln nach Leventhal (1980) erfolgen. Demnach sollen Verfahren konsistent über Personen und über die Zeit angewendet werden, die Entscheidung sollte frei von Verzerrungen sein, die vom Selbstinteresse des Entscheiders herrühren, die Entscheidung muss auf genauer Information basieren, Mechanismen für die Korrektur schlechter Entscheidungen müssen verfügbar sein, die Belange aller Parteien sollten vollständig 36 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar repräsentiert sein und Verfahren müssen mit den vorherrschenden ethischen und moralischen Standards konform sein. Die Entscheidung des Gremiums ist in Fall B verzerrt. Die Entscheidung basiert in B nicht auf genauer Information, da die Bewerbungsunterlagen nicht oder nur oberflächlich ausgewertet wurden und lediglich das Verhalten im Meeting einbezogen wurde, wohingegen in Fall A mehrere Kriterien und Bewertungsgrundlagen herangezogen wurden. Die Belange aller Partien sind in B nicht vollständig repräsentiert, da der Gründer, der die Leistungsbeiträge von Ihnen kennt, dieses Wissen nicht mit dem Auswahlgremium geteilt hat. In A wird die Leistung in der Vergangenheit beider Kandidaten einbezogen, so dass auch die Interessen des Gründers vertreten sind. In B liegt Vetternwirtschaft vor, welche die Stellenbesetzungsentscheidung verzerrt, um einen machtvollen Investor zu beschwichtigen. Die ist in Fall A nicht gegeben, zumal sich der betreffende Investor bei der Abstimmung enthält. Das Verfahren verletzt ethische Regeln in B, da die Beförderungsentscheidung nicht mit der gebührenden Sorgfalt erfolgt. In Fall B herrscht Prozessungerechtigkeit, in Fall A ist Prozessgerechtigkeit gegeben. Die Reaktion auf beide Fälle ist unterschiedlich. In Fall A werden die Reaktionen positiver sein als in Fall B. Die Prozessgerechtigkeit in A stärkt die Erwartung, dass einem positiven Verhalten angemessene und gerechtfertigte Ergebnisse folgen, und erhöht die Valenz der Ergebnisse. Mögliche Reaktionen sind die Frage nach einer Gehaltserhöhung oder einer Position, die vergleichbar im Status mit der neuen Managementposition ist, die Vereinbarung von Karriereschritten oder die Beibehaltung bzw. Erhöhung des Anstrengungs- und Leistungsniveaus. Die Prozessungerechtigkeit in B senkt die Erwartung der Beschäftigten, dass positives Arbeitsverhalten von verdienten oder rechtfertigbaren Ergebnissen gefolgt werden. Folglich sinkt die Motivation, positives Verhalten zu zeigen. Das zur Reduktion der Verteilungsungerechtigkeit gezeigte Verhalten kann negative Implikationen für die Organisation haben: Kündigung, reduzierter Arbeitseinsatz, Verweigerung von Unterstützung der Referenzperson in der neuen Position, um deren Ergebnisse zu mindern, Schlechtreden der Leistungen von Frau König, um ihre Ergebnisse in den Augen der Vorgesetzten zu schmälern, Einschlagen rechtlicher Schritte gegen den Gründer. Teil B: Mitarbeiterführung Fragen 1. Eigenschaften gelten als teils angeboren und teils erlernt. Welche Implikationen hat dies für die Aussagen der Eigenschaftstheorien? 2. Welche Implikationen hat die LMX Theorie für die Praxis? 3. Benötigen wir Führungskräfte? Argumentieren Sie! 37 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Fallstudie Klaus Müller war in den letzten 3 Jahren Leiter des Bereichs Einkauf in der Bamberg GmbH. Er ist fachlich sehr gut qualifiziert und gilt als introvertiert. Seine zurückhaltende Art wurde jedoch sehr von seinen Mitarbeitern im Bereich Einkauf geschätzt. Des Weiteren bestätigten die Mitarbeiter, dass durch die große Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, die ihnen Herr Müller einräumt, die Motivation stark stieg. Im Zuge betrieblicher Umstrukturierungen übernahm Herr Müller eine andere Führungsposition in einer anderen Abteilung innerhalb der Bamberg GmbH. Nach einem Monat kommt es zu Problemen, da sich die Mitarbeiter von Herrn Müller von ihrem Vorgesetzten alleine gelassen fühlen. Die Mitarbeiter beschweren sich bei Frau Margarete Dronning, der Geschäftsführerin, über ihren Vorgesetzten: „Herr Müller lässt uns weitgehend selbstständig arbeiten, er kontrolliert unsere Arbeitsweise in keinster Form. Jedoch braucht der eine oder andere von uns klare Handlungsanweisungen und Aufträge. Seit Herr Müller da ist, kommt es in unserem Team häufiger zu Konflikten und Unklarheiten darüber, wer welche Aufgabe zu erledigen hat.“ 1. Analysieren Sie den Erfolg bzw. Misserfolg der Führung von Herrn Müller unter Bezugnahme auf die situative Führungstheorie von Hersey und Blanchard. 2. Welche Maßnahmen würden Sie Frau Dronning, der Geschäftsführerin der Bamberg GmbH, empfehlen, um das Führungsproblem zu bewältigen? Bitte nehmen Sie dabei Bezug auf die Begriffe Selektion, Platzierung, Diagnosefähigkeit, Flexibilität und Training. Antworten Zu 1. Vertreter der Eigenschaftstheorien postulieren, dass Führungskräfte „geboren“ werden. Sie beschreiben Führungskräfte häufig hinsichtlich ihrer persönlichen Merkmale wie Charisma oder Antrieb. Verhaltenswissenschaftler hingegen gehen davon aus, dass Führung entwickelt bzw. erlernt werden kann. Der Frage, ob Führungskräfte geboren oder entwickelt werden, wird u.a. in Untersuchung eineiiger und zweieiiger Zwillinge nachgegangen. Die vorläufigen Belege verhaltensgenetischer Ansätze zeigen, dass etwa 30 Prozent der Unterschiede im Führungsstil und Hervortreten von Führungskräften durch erbliche Faktoren erklärbar sind; wesentlich bedeutsamer als die Erblichkeit ist folglich der Lebenskontext, in dem eine Person aufwächst und später arbeitet, wie z. B. der Einfluss durch unterschiedliche Rollenmodelle und frühe Möglichkeiten für die Führungsentwicklung (Arvey, Zhang, Avolio, & Krueger, 2007). 38 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Literatur Arvey, R. D., Zhang, Z., Avolio, B. J., & Krueger, R. F. (2007). Developmental and genetic determinants of leadership role occupancy among women. Journal of Applied Psychology, 92, 693-706. Zu 2. Vertreter der Leader-Member Exchange (LMX) Theorie argumentieren, dass eine Führungskraft aufgrund von Zeitknappheit besondere Beziehungen mit einer kleinen Gruppe von Geführten aufbaut. Diese Individuen bilden die ‚In-Group‘. Ihnen wird vertraut, sie erhalten eine disproportional höhere Aufmerksamkeit seitens des Führenden und erhalten mit höherer Wahrscheinlichkeit spezielle Privilegien. Der Theorie zufolge erfolgt die Zuordnung zur In- bzw. Out-Group relativ früh in der Interaktionsgeschichte zwischen Führungskraft und Geführtem und ist relativ stabil im Zeitverlauf. Zu 3. Führungskräfte leisten mehrere Beiträge: Sie sorgen für Ordnung und Fokus. Auch wenn einzelne Gruppenmitglieder gemeinsame Ziele haben können, so haben sie doch individuelle Bedürfnisse und verfolgen eigene Ziele. Führungskräfte werden benötigt, um die Individuen zusammen zu halten, zu organisieren, und die Anstrengungen zu koordinieren. Führungskräfte helfen zudem, der Tätigkeit Sinn zu geben. Sie leiten die Wahrnehmung. Führungskräfte werden zudem Idealen gerecht, denen zufolge der Mensch sich nach Personen orientieren, die sie repräsentieren und symbolisieren. Ad (a) Das Führungsmodell von Hersey und Blanchard zählt zu den Kontingenztheorien II und stellt eine Weiterentwicklung der Kontingenztheorie I dar. Der Theorie zufolge ist eine Führungskraft in der Lage, die jeweilige Führungssituation richtig einzuschätzen und ihr Führungsverhalten entsprechend anzupassen. Es gilt folglich nicht mehr, die „richtige“ Führungspersönlichkeit auf die „richtige“ Situation zu platzieren oder die Situation zu verändern (Kontingenztheorie I), sondern die Diagnosefähigkeit für Führungssituation und Flexibilität im Führungsverhalten der Führungskräfte zu trainieren. Es wird zwischen einem aufgaben- und mitarbeiterorientierten Führungsverhalten unterschieden, das in vier verschiedene Führungsstile mündet. Herr Müller praktiziert einen delegierenden Führungsstil; er überlässt seinen Mitarbeitern Handlungsund Entscheidungsspielräume. Die Wahl des Führungsstils soll vom Reifegrad des Mitarbeiters abhängig gemacht werden. 39 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Situation 1 (vor Versetzung): Die Mitarbeiter haben einen höheren Reifegrad (M3, M4) und sind zum Selbstmanagement fähig. Es lag eine Passung zwischen dem delegierenden Führungsstil und dem Reifegrad der Mitarbeiter vor. Situation 2 (nach Versetzung): Es liegt keine Passung zwischen dem delegierenden Führungsstil und dem Reifegrad der Mitarbeiter (evtl. eher M1, M2) vor. D.h. die Mitarbeiter brauchen stärkere aufgabenorientierte Führung (klare Zielsetzungen, Handlungsanweisungen). Ad (b) Den Kontingenztheorien I zufolge läge die Lösung in einer geeigneten Platzierung, d.h. Herr Müller wäre in eine andere Abteilung zu versetzen, in der eine größere Passung zwischen Führungsstil und Reifegrad der Mitarbeiter vorherrscht; für diese (unzufriedene) Abteilung wäre eine neue Führungskraft auszuwählen (Selektion). Den Kontingenztheorien II zufolge, denen der Ansatz von Hersey und Blanchard zuzuordnen ist, läge die Lösung darin, Herrn Müller ein Führungskräftetraining oder -coaching anzubieten (Training), in dem auf Basis der Analyse der Interaktion zwischen Herrn Müller und seinen neuen Mitarbeitern Lösungsansätze für ihn aufzeigt werden bzw. er diese selbst erarbeitet (z.B. klare Handlungsanweisungen geben, Ziele deutlich formulieren). Hierdurch soll die Diagnosefähigkeit von Herrn Müller geschult werden, so dass dieser in Zukunft flexibel auf Führungssituationen reagieren kann. Teil C: Management von Karrieren Fragen 1. Wie sollte die Karriereentwicklung in Organisationen mit flachen Hierarchien und geringeren Aufstiegsmöglichkeiten gestaltet sein? 2. Recherchieren Sie, wie der Karriereweg von Wissenschaftlern bis zur Professur an Hochschulen verläuft. Welcher Karriereperspektive (traditionell vs. grenzenlos) lässt sich die Karriere zuordnen und warum? Was denken Sie über den Prozess? Welche Verbesserungsvorschläge würden Sie machen? 3. Nehmen Sie Stellung zu folgender These: „Die Fluktuation kann durch Weiterbildung erhöht und durch organisationales Karrieremanagement gesenkt werden.“ 4. Welche Rolle übernehmen die Beschäftigten im Karriereentwicklungsprozess? Welche Rolle haben die Vorgesetzten? Welche Rolle nimmt der Arbeitgeber ein? 40 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar 5. Welche Maßnahmen können Organisationen in den verschiedenen Karrierestadien zur Unterstützung der Karriereentwicklung ergreifen? 6. Wie viel Verantwortung hat ein Unternehmen für das Karrieremanagement der Beschäftigten zu tragen? Kann ein Arbeitgeber zu viel Verantwortung für die Karriereentwicklung übernehmen? Inwiefern kann dies nachteilige Effekte auf die Beschäftigten haben? Antworten Zu 1. Wenn es weniger Aufstiegsmöglichkeiten gibt, müssen Organisationen in ihren Karriereentwicklungsaktivitäten kreativer sein. Mögliche Ansätze, um dies zu erreichen, bieten Job Enlargement, Job Rotation, Job Enrichment und ähnliche Ansätze. Auch ist an die Förderung von Fach- und Projektkarrieren zu denken. Zahlreiche weitere Möglichkeiten können genannt werden. Zu 2. Der Karriereweg ist der grenzenlosen Karriere zuzuordnen, da die Karrierebewertung außerhalb des aktuellen Arbeitgebers erfolgt. Eine Positionsverbesserung erfordert einen externen Ruf und ggf. einen Hochschulwechsel. Zur Beantwortung der weiteren Unterfragen sind die Rollen der Beschäftigten und des Arbeitgebers im Karrieremanagement zu diskutieren. Zu 3. Weiterbildung zielt darauf ab, dass Mitarbeiter spezifische Fähigkeiten erlernen und Leistungsdefizite korrigieren können wohingegen das Karrieremanagement im Vergleich zur Weiterbildung einen breiteren Fokus, einen längeren Zeitrahmen und einen breiteren Wirkungsbereich hat. Während mittels der Weiterbildung das Ziel einer Leistungsverbesserung angestrebt wird, geht es im Karrieremanagement um die Entwicklung einer leistungsfähigen und kompetenten Belegschaft, die als entscheidende organisationale Ressource anerkannt wird, in einem fortlaufenden organisierten und formalisierten Prozess. Setzt eine Organisation einen Schwerpunkt ausschließlich auf Weiterbildung, kann sich die Fluktuation erhöhen, da Mitarbeiter dieser Organisation beitreten, um ein Bündel an Wissen und Fähigkeiten aufzubauen, dann aber zu einem Arbeitgeber wechseln, der einen längerfristigen Fokus auf die Karriereentwicklung setzt, um dort das aufgebaute Humankapital einzubringen. Mitarbeiter, die einen längerfristigen Fokus auf die Karriereentwicklung innerhalb einer Organisation sehen, zeigen mit höherer Wahrscheinlichkeit ein dauerhaftes Commitment gegenüber dem Arbeitgeber. 41 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 4. Mitarbeiter müssen verstehen, dass ihnen die Verantwortung zukommt, sich um ihre eigene Karriereentwicklung selbst und unabhängig zu kümmern. Ein Karriereselbstmanagement impliziert unter anderem, dass die Beschäftigten ein Portfolio an Wissen und Kompetenzen entwickeln, Netzwerke aufbauen und sich selbst vermarkten. Die Vorgesetzten sollten die Karriereentwicklung des Mitarbeiters jedoch zusätzlich mit Maßnahmen unterstützen. Beispielhaft anzuführen sind regelmäßige Leistungsbeurteilungen, die Verdeutlichung der eigenen Erwartungen und ein Abgleich der derzeitigen Fähigkeiten und Leistungen mit den Karrierezielen. Die Arbeitgeberrolle hängt von der Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers in der Organisation ab. Wesentlich ist, dass ein Prozess und eine Struktur für die Entwicklung der Karriere der Mitarbeiter bereitgestellt werden. Zu 5. In der frühen Karriere stehen die Etablierung in einem Karrierefeld und das Erfolgsstreben im Vordergrund. Organisationale Unterstützung erhalten die Individuen in Form der Sozialisierung in die Organisation, Leistungsfeedback, Übertragung von Verantwortung und Herausforderungen, Angebot flexibler Karrierepfade sowie der Unterstützung bei der Formulierung von Karrieremanagementplänen. Die Individuen selbst entwickeln Strategien zur Beeinflussung der Arbeitssituation, setzen und überdenken ihre Karriereziele und sichern ihre Leistungsfähigkeit. In der mittleren Karrierephase ist der Erhalt der Produktivität wesentlich. Die Produktivität kann durch das Erreichen eines Karriereplateaus behindert werden, wenn das Plateau mit geringen Chancen für zukünftige Beförderungsmöglichkeiten oder Zuwächse in der Arbeitsverantwortung verbunden ist. Organisationale Unterstützung des Karrieremanagements kann beispielsweise über die Bereitstellung von Mobilitätsmöglichkeiten einschließlich lateraler und abwärts gerichteter Versetzungen, die Übertragung von Herausforderungen und Verantwortung in der derzeitigen Stelle oder das Angebot von Weiterbildungsmöglichkeiten erfolgen. In der späten Karriere kann es zu negativen Effekten auf die Motivation und Leistung der Beschäftigten kommen beispielsweise aufgrund der Folgen des Erreichens eines Plateaus in der mittleren Karriere oder von Altersdiskriminierung, die eine kontinuierliche Entwicklung im Job verhindern. Eine Bandbreite von Arbeitsalternativen nach Pensionierung wie ehrenamtliche Tätigkeit, stufenweiser Ruhestand oder Überbrückungstätigkeiten können genutzt werden. Mögliche Beiträge von Unternehmen in der späten Karriere betreffen die Entwicklung eindeutiger Leistungsstandards und -rückmeldungen, die Zuteilung herausfordernder Aufgaben sowie die Einräumung von Weiterbildungsangeboten zwecks Aufrechterhaltung der Motivation, die Vermeidung altersdiskriminierender Praktiken und die Entwicklung effektiver Vorruhestandsprogramme. 42 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Zu 6. Die Bereitstellung eines Karriereentwicklungsplans für die interne Karriere der Beschäftigten ist Teil eines guten Personalmanagements. Dennoch muss ein Arbeitgeber von den Beschäftigten erwarten, dass diese auch selbst einen Teil der Verantwortung für das Management ihrer eigenen Karriere übernehmen. Die Gefahren eines zu stark organisational gesteuerten Karrieremanagements sind ein Motivationsverlust und Eigenantrieb der Mitarbeiter, eine Verstimmung seitens der Beschäftigten bei Verlust von Auswahlmöglichkeiten oder ein Ausnutzen der gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten (wie eine Auslandsentsendung), um die erworbenen Kompetenzen und dokumentierbaren objektiven Karriereerfolge dann im Zuge eines Arbeitgeberwechsels gewinnbringend einzusetzen. Teil D: Personalbindung Fragen 1. Inwiefern unterscheiden sich die Konsequenzen der Fluktuation auf ein Unternehmen in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen? 2. Könnte ein Arbeitgeber ein Interesse haben, die Fluktuationsrate der Mitarbeiter zu erhöhen? Begründen Sie! 3. Die Privatbank Hop, Top, Flop & Co. leidet unter einer im Branchenvergleich hohen Mitarbeiterfluktuation in Höhe von 20 Prozent. Sie sind als Unternehmensberater der Firma Andresen Consulting engagiert worden, um potenzielle Ursachen für die Fluktuation zu ergründen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Fallstudie Nach acht Jahren Tätigkeit als Firmenkundenbetreuer in der Zentrale einer großen Bank bekommt Herr Abraham mitgeteilt, dass infolge der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der Bank durch eine Rating-Agentur und daraus resultierender finanzieller Konsequenzen der Bank bei der Refinanzierung nunmehr Sparmaßnahmen in Form eines weiteren Personalabbaus umgesetzt werden sollen. Herr Abraham wird vor folgende Wahl gestellt: Er kann entweder eine Kündigung erhalten mit einer entsprechenden Abfindung oder bleiben und eine – von ihm bislang abgelehnte – Position im EDV-Bereich übernehmen. Da Herr Abraham nach dem Kauf eines Eigenheims hohe Kreditraten zu zahlen hat, entscheidet er sich für ein Bleiben. Nachdem er sich jedoch sechs Monate lang sehr unwohl fühlt, kündigt er. Wie ist die Fluktuation hinsichtlich der Freiwilligkeit, Vermeidbarkeit und Funktionalität 43 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar einzustufen? In welchen Situationen ist eine freiwillige Fluktuation in Wirklichkeit eine unfreiwillige Trennung? Welche Managementimplikationen lassen sich ableiten? Antworten Zu 1. In Abhängigkeit vom Wirtschaftszweig unterscheiden sich die Konsequenzen der Mitarbeiterfluktuation für ein Unternehmen. So ist der Verlust von Humankapital und sozialem Kapital problematischer in Organisationen, die ein hohes Qualifikationsniveau oder hohe Wissensanforderungen haben, als in Organisationen mit standardisierten Systemen und Technologien. Beispielsweise entsteht im Gastronomiebereich oder Einzelhandel ein vergleichsweise geringerer Wettbewerbsvorteil durch das Humankapital. Auch bedarf es in Wirtschaftszweigen mit niedrigeren Wissensniveaus und Qualifikationsanforderungen geringerer Ressourcen zur Rekrutierung von Mitarbeitern. So konnten Sacco und Schmitt (2005) für Schnellrestaurants zeigen, dass kein Zusammenhang zwischen der Mitarbeiterfluktuation und der Unternehmensleistung besteht. Dies kann teilweise darauf zurückgeführt werden, dass diese Organisationen Mechanismen entwickelt haben, um mit der Fluktuation besser umzugehen und derart den negativen Einfluss der Fluktuation auf die Organisationsleistung auffangen können (Shaw, Duffy, et al., 2005). Dazu im Unterschied werden im Falle der Notwendigkeit hohen Wissens und hoher Qualifikationen, wie in der Hochtechnologie-, Gesundheits-, Finanzbranche, mehr Ressourcen für die Rekrutierung, das Training und die Entwicklung neuer Mitarbeiter benötigt. Literatur Sacco, J. M., & Schmitt, N. (2005). A dynamic multi-level model of demograhic diversity and misfit effects. Journal of Applied Psychology, 90, 203-231. Shaw, J. D., Dufy, M., Johnson, J., & Lockhart, D. (2005). Turnover, social capital losses and performance. Academy of Management Journal, 48, 594-606. Zu 2. Arbeitgeber könnten die Mitarbeiterfluktuation im Unternehmen erhöhen wollen, um die Arbeitskosten zu senken, Schlechtleister zu ersetzen, Innovationen über die Verpflichtung neuer Mitarbeiter mit „frischem Blut“, neuem Wissen und neuen Ideen zu erhöhen, und um Möglichkeiten für eine höhere Diversität im Unternehmen zu schaffen. Wenn die Fluktuationsrate zu niedrig ist, werden nur wenige neue Mitarbeiter eingestellt und die Zahl der Beförderungsmöglichkeiten ist stark limitiert. Zudem kann eine dauerhaft niedrige Fluktuationsrate negative Effekte auf die Leistung haben, wenn die Belegschaft selbstzufrieden wird und versäumt, innovative Ideen zu generieren. 44 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Eine zu hohe Fluktuation hingegen führt zu erhöhten Kosten im Rahmen der Rekrutierung, des Trainings und der Trennung von Mitarbeitern und führt zu unersetzbaren Verlusten von Humankapitel und sozialem Kapital. Zu 3. Zwei unterschiedliche Typen von Gründen für eine freiwillige Fluktuation können grob unterschieden werden: a) Ein Arbeitnehmer will einem anderen Unternehmen beitreten. b) Ein Arbeitnehmer will das aktuelle Unternehmen verlassen. Allerdings liegen zahlreiche Fluktuationsursachen, wie das Erreichen der Altersgrenze, außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitgebers. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Ursachen für eine mitarbeiterinduzierte Fluktuation und mögliche Personalbindungsmaßnahmen. URSACHEN Private Faktoren Wohnortwechsel im Zuge des Jobwechsels des Partners Ausübung privater Interessen (z.B. Reisen, künstlerische Ambitionen) und Umsetzung gefasster Pläne (Absolvierung eines weiterführenden Hochschulstudiums) Reduktion des Drucks im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen) Krankheit Arbeitsbedingte Push-Faktoren Arbeitsbedingte PullFaktoren Unbefriedigender Personaleinsatz: Langeweile oder Überforderung im Tätigkeitsbereich, Nicht-Erfüllung von Erwartungen (Aufgabengestaltung), mangelnde Konzentrationsmöglichkeit im Großraumbüro (Arbeitsplatzgestaltung), Gesundheitsbelastung (Arbeits- und Gesundheitsschutz), Überstunden, Arbeit zu unsozialen Zeiten, starre Arbeitszeiten, Urlaubslänge/-lage (Arbeitszeitgestaltung) Unzureichende Entwicklungsmöglichkeiten: Einschränkungen bzgl. karrierebezogenem Aufstieg und Weiterbildung Ineffiziente Personalführung: unbefriedigende Zusammenarbeit und Kommunikation, Kompetenz- und Aufgabenverteilung, geringer Partizipationsgrad, persönliche Konflikte Personalentlohnung: verbesserte Höhe von Entgelt und Leistungsbezügen, Sozialleistungen Karriereentwicklung: Übernahme neuer Arbeits- und Aufgabenbereiche, Berufswechsel, Selbständigkeit; Möglichkeit der Zusammenarbeit mit bestimmten Personen Höhere regionale Anziehungskraft und Attraktivität der Branche, besseres Unternehmens- und Arbeitgeberimage bessere Infrastruktur, Reduktion der Pendelzeit Tab. 1: Ursachen mitarbeiterinduzierter Fluktuation Quelle: Unterteilung in Anlehnung an Lee, Gerhart, Weller, & Trevor, 2008 Hinsichtlich der Erklärungsfaktoren für eine freiwillige Fluktuation wird wie folgt unterschieden: 1. arbeitsbezogene Einstellungen, wie Arbeitszufriedenheit und organisationales Commitment, 2. wahrgenommene Leichtigkeit eines Arbeitgeberwechsels, die in wahrgenommenen Jobalternativen und im Arbeitsplatzsuchverhalten zum Ausdruck kommt. 45 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar 3. Grad der Einbettung, d.h. das Maß in dem sich Individuen in soziale Netzwerke am Arbeitsplatz, in der Organisation und der Gemeinde eingebunden fühlen. Die jeweiligen Gründe bedürfen unterschiedlicher Personalbindungsansätze: Während (b) mittels einer Blockierungsstrategie begegnet werden kann, bedarf es für das Management von (a) einer Bindungsstrategie, die den Arbeitnehmern Herausforderungen bietet. Typische Maßnahmen der Mitarbeiterbindung sind: Faktor Ziele Maßnahmen Arbeitsbedingungen und -erfahrungen Übertragung von Verantwortung, Wertschätzung Empowerment Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit, Schaffung von Anreizen Betriebliche Gesundheitsförderung Work-Life-Balance Sabbatical, flexible Arbeitszeitmodelle, Telearbeit, betriebliche Kitas etc. Arbeitsinhalt Zufriedenheit und Auslastung mit Arbeitsaufgabe, aber Vermeidung von Belastungen Aufgaben autonom und vielfältig gestalten, Setzen herausfordernder Ziele Aufstiegsmöglichkeiten Individualisierte Karriereplanungen Regelmäßige Entwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräche Berufliche Beziehungen Förderung sozialer Netzwerke und der Team-Zusammenarbeit Betriebliche Sportaktivitäten, Team-Workshops und Team-Events Integration und Sozialisation Voraussetzungen einer erfolgreichen Integration schaffen Realistische Kommunikation der Ziele / möglichen Karriereverläufe im Vorstellungsgespräch; Auswahl eines Mitarbeiters, der zur Stelle und der Unternehmenskultur passt Unterstützung im Sozialisationsprozess Einarbeitungsprogramme, Mentoring, regelmäßiges Feedback Job Embeddedness Berufliche u. private Einbettung erhöhen Persönliche und langfristige Entwicklungs- und Karrierepläne, Mentoring, Cafeteria-Systeme, Informationsübermittlung über regionale Aktivitäten und Vereine etc. Personalführung Führungskräfte für ihre Rolle bei der Bindung von MA sensibilisieren Effektive Führungskräfteentwicklung, regelmäßige Evaluationen des Erfolgs ihrer Mitarbeiterbindung Persönlichkeitsmerkmale Auswahl neuer Mitarbeiter mit Merkmalen, die eine Fluktuation unwahrscheinlicher machen Einsatz von Persönlichkeitstest in Auswahlphase Vergütung Faires Belohnungssystem Erfolgsabhängige Entlohnung, z.B. Prämien Weiterbildung Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit Angebot von Weiterbildungsprogrammen, vorrangig job-spezifisch, evtl. gekoppelt an Beschäftigungsdauer; bei generellen Weiterbildungen in Verbindung mit Aufstiegsmöglichkeiten Weiterbildung, Arbeitsinhalt Abwechslung im Job und Erweiterung sozialer Netzwerke Job Rotation Tab. 2: Maßnahmen der Mitarbeiterbindung Quelle: Allen et al., 2010; Benson, 2006; Kraimer, Seibert, Wayne, Liden,& Bravo, 2011; Mitchell, Holtom, & Lee, 2001a; Stührenberg, 2004; Zimmerman, 2008 46 Schmeisser et al., Personalmanagement: Fragen – Antworten – Glossar Fallstudie Bei Herrn Abrahams Kündigung handelt es sich um eine freiwillige Fluktuation. Eine unfreiwillige Mitarbeiterfluktuation ist gegeben, wenn diese von der Organisation initiiert wird, wie im Falle von beispielsweise (Massen-)Entlassungen, und die Mitarbeiter zum Gehen gezwungen werden. Anders verhält es sich in Situationen, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlässt in der Folge von Belästigung oder intolerablen Arbeitsbedingungen. In diesen Fällen haben Gerichte teilweise geurteilt, dass die Trennung tatsächlich unfreiwillig erfolgte. Gelegentlich versuchen Unternehmen, einen Mitarbeiter dazu zu bewegen, freiwillig zu gehen, um Kosten zu sparen. Diese Taktik gilt es zu vermeiden. Die Kündigung von Herrn Abraham wäre vermeidbar gewesen, da die Organisation die Möglichkeit der Einflussnahme hatte. So hätte das Alternativangebot besser mit den Interessen und Karrierezielen von Herrn Abraham abgestimmt werden müssen (vgl. Kapitel „Karrieremanagement“). Die Fluktuation ist dysfunktional, insofern Herr Abraham Humankapital und soziales Kapital besitzt, dass nur unter vergleichsweise hohen Kosten erneut vom Markt eingekauft werden kann.