Institut für angewandte Mathematik Sommersemester 2016 Dr. Sebastian Andres, Anna Kraut 9. Übungsblatt ,, Stochastik für Lehramt” Abgabe bis Mittwoch 15.06.16 vor der Vorlesung 1. (Negative Binomialverteilung, 4 Punkte) Wir betrachten das Ziehen von schwarzen und weißen Kugeln aus einer Urne mit Zurücklegen. Dabei sei der Anteil der schwarzen Kugeln p und der weißen entsprechend 1−p. Für r ∈ N beschreibt die Zufallsvariable X die Anzahl der Versuche bis insgesamt r schwarze Kugeln gezogen wurden. Wir schreiben X ∼ NB(r, p). (i) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeiten pn = P(X = n). Hinweis: X = n bedeutet, dass nach dem (n−1)-ten Versuch insgesamt r −1 Kugeln schwarz waren. (ii) Berechnen Sie den Erwartungswert von X. P p = 1 für beliebiges r. Hinweis: Nutzen Sie, dass ∞ n=0 n (iii) Berechnen Sie die Varianz von X. Hinweis: Nutzen Sie, dass der Erwartungswert für beliebiges r bereits bekannt ist. Lösung: (i) Es sei Yn ∼ Bin(n, p). Dann gilt für n ≥ r (sonst pn = 0) n − 1 r−1 n−1 r n−1−(r−1) pn = P(Yn−1 = r − 1) · p = p (1 − p) ·p= p (1 − p)n−r . r−1 r−1 (ii) Mit Indexshift und dem Hinweis folgt ∞ ∞ X X n−1 r n r n−r E(X) = n p (1 − p) = r p (1 − p)n−r r − 1 r n=r n=r ∞ r r X m − 1 r+1 = p (1 − p)m−(r+1) = . p m=r+1 r p 1 (iii) Mit Y ∼ NB(r + 1, p), Indexshift und Hinweis folgt ∞ ∞ X X n r 2 2 n−1 r n−r E(X ) = n p (1 − p) = rn p (1 − p)n−r r − 1 r n=r n=r ∞ m − 1 r+1 r X (m − 1) p (1 − p)m−(r+1) = p m=r+1 r r r r+1 = E(Y − 1) = −1 p p p und somit r Var(X) = p 2 r+1 r r(1 − p) −1 − = . p p p2 2. (Chebychev-Ungleichung; 4 Punkte) Betrachten Sie das Beispiel zur Herstellung von Computerchips aus der Vorlesung (Seite 65-66 im Skript von Prof. Bovier). Dort wurde mit Hilfe der Chebychev-Ungleichung eine untere Schranke für die Anzahl n der Computerchips gefunden, die produziert werden müssen damit mit 99% Wahrscheinlichkeit eine Million funktionsfähige Chips geliefert werden können. √ Finden Sie analoge Abschätzungen für die Wahrscheinlichkeit P(|Sn − n · 0, 8| ≥ δ n) ((5.4) im Skript) unter Verwendung (i) der Ungleichung: P(|X − E(X)| ≥ u) ≤ E((X−E(X))4 ) u4 für u > 0. (ii) der exponentiellen Chebychev-Ungleichung: P(X ≥ u) ≤ e−cu E(ecX ) für c, u > 0. Vergleichen Sie die erhaltenen Werte mit denen aus der Vorlesung. Lösung: a) Für X = Sn ∼ Bin(n, p) gilt !4 n X E (X − E(X))4 = E (Sn − np)4 = E (Xi − p) i=1 = n X E (Xi − p)2 (Xj − p)2 i,j=1 2 = nE (X1 − p)4 + n(n − 1)E (X1 − p)2 = np(1 − p)(p3 + (1 − p)3 ) + n(n − 1)p2 (1 − p)2 , wobei im dritten Schritt Unabhängigkeit der Xi ∼ Ber(p) benutzt wurde. √ Nun ergibt sich für u = δ n und p = 0, 8 √ np(1 − p)(p3 + (1 − p)3 ) + n(n − 1)p2 (1 − p)2 P(|Sn − n · 0, 8| ≥ δ n) ≤ δ 4 n2 p2 (1 − p)2 1 0, 0256 = +O ≈ 4 δ n δ4 2 Dies ist kleiner als 0.01√falls δ ≥ 1, 27. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% haben wir nun n · 0, 8 − 1, 27 n gute Chips. Aus √ ! 0.8n − 1.27 n ≥ 1000000 ergibt sich eine Mindestanzahl an Chips von n ≥ 1251776 was eine Verbesserung der 1255600 Chips aus der Vorlesung ist. √ b) Wir erhalten als Abschätzung für c > 0, u = δ n Pn √ √ √ P(|Sn − n · 0, 8| ≥ δ n) ≤ e−cδ n E ec|Sn −n·0,8| ≤ e−cδ n E ec i=1 |Xi −0,8| √ n = e−cδ n 0, 8ec·0,2 + 0, 2ec·0,8 . Für c > 0 ist der Faktor 0, 8ec·0,2 + 0, 2ec·0,8 immer größer als 1. Somit wächst der Term sehr schnell und ist keine gute Abschätzung für große n. 3. (Satz von de Moivre-Laplace; 4 Punkte) Wie im Beweis des Satzes von de Moivre-Laplace sei I(p, x) = ln (x/p)x [(1 − x)/(1 − p)]1−x = x ln(x/p) + (1 − x) ln((1 − x)/(1 − p)), mit p ∈ [0, 1], x ∈ [0, 1]. Zeigen Sie: (i) I(p, p) = 0 (ii) I(p, x) is konvex als Funktion von x ∈ (0, 1) und nimmt ihr einziges Minimum x = p an. (iii) ∂ 2 I(p,x) ∂x2 = 1 x + 1 1−x = 1 x(1−x) ≥ 4 für x ∈ (0, 1). Lösung: (i) Einsetzen. (ii) Berechne ∂I(p, x) = ln(x/p) + 1 − ln((1 − x)/(1 − p)) − 1 = ln(x/p) − ln((1 − x)/(1 − p)). ∂x Dann folgt 1 ∂ 2 I(p, x) 1 = + . 2 ∂x x 1−x ! Dies ist ≥ 0 für x ∈ (0, 1). Zudem ist ∂I(p,x) = 0 genau dann wenn x = p ist. Da ∂x ∂ 2 I(p,p) ≥ 0 , nimmt I(p, x) für x ∈ (0, 1) ihr einziges Minimum in p an. ∂x2 3 (iii) Es ist zu zeigen, dass für x ∈ (0, 1) gilt, dass x(1 − x) ≤ 41 . Mit Hilfe einer Variablentransformation folgt dies sofort aus der 3. binomischen Formel: 1 1 1 1 1 1 2 +y −y = −y ≤ , y ∈ − , , 2 2 4 4 2 2 da Quadratzahlen immer nichtnegative sind. Gleichheit gilt genau dann wenn y = 0. 4. (Normalapproximation; 4 Punkte) Die 200 Mitglieder des Tennis-Clubs möchten einen Pressesprecher wählen. Es melden sich nur zwei Bewerber, Hein und Johann. Es handelt sich um einfache Mehrheitswahl ohne die möglichkeit der Enthaltung. Die beiden Kandidaten haben bisher kein Profil erworben, sodass die Wahlchancen ausgeglichen erscheinen. Kurz vor der Wahl gewinnt Hein die Clubmeisterschaft. Das beeindruckt 20 Clubmitglieder so sehr, dass diese spontan beschließen, ihre Stimmen geschlossen für Hein abzugeben. Wie verändern sich dadurch die Wahlchancen der beiden Kandidaten? Lösung: Da ihm 20 Stimmen sicher sind benötigt Hein noch mindestens 81 der verbleibenden 180 Stimmen um gewählt zu werden. Mit X ∼ Bin(180, 1/2) und Z ∼ N (0, 1) gilt −10 X − 90 ≤q P(Hein wird gewählt) = P(X ≥ 81) = 1 − P(X ≤ 80) = 1 − P q 180 · 14 180 · 41 ≈ 1 − P(Z ≤ −1, 49) = P(Z ≤ 1, 49) ≈ 0, 9319; 10 X − 90 ≤q P(Johann wird gewählt) = P(X ≥ 101) = 1 − P(X ≤ 100) = P q 180 · 41 180 · 14 ≈ P(Z ≤ 1, 49) = P(Z ≤ −1, 49) ≈ 0, 0681. (Es kann auch direkt P(X ≥ 81) oder aber P(X ≥ 80, 5) approximiert werden, dann ergeben sich entsprechend andere Werte.) Die Wahlchancen verschieben sich also von 1:1 auf ca. 13:1 (genau: 13,68:1) zugunsten von Hein. 4