Psychische Erkrankungen bei Gefängnisinsassen Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald verfasst an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald (Direktor: Prof. Dr. H. J. Freyberger) vorgelegt von Daniel Kopp geboren am 5. August 1980 in Nürtingen Dekan: Prof. Dr. Alexander Wöll 1. Gutachter: Prof. Dr. Alfons Hamm 2. Gutachter: PD Dr. Manuela Dudeck Datum des Disputation: 06.08.2012 Bestandteil dieser kumulativen Dissertation sind die folgenden Artikel: 1. Dudeck, M., Kopp, D., Drenkhahn, K., Kuwert, P., Orlob, S., Lüth, H.J., Freyberger, H.J., Spitzer, C. (2009). Die Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen mit Kurzzeitstrafe. Psychiatrische Praxis, 36, 1-6. [Artikel A] 2. Kopp, D., Spitzer, C., Kuwert, P., Barnow, S., Orlob, S., Lüth, H.J., Freyberger, H.J., Dudeck, M. (2009). Psychische Störungen und Kindheitstraumata bei deutschen Strafgefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, 77, 152-159. [Artikel B] 3. Kopp, D., Drenkhahn, K., Dünkel, F., Freyberger, H.J., Spitzer, C., Dudeck, M. (2011). Psychische Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitstrafgefangenen in Deutschland. Nervenarzt, 82, 880-885. [Artikel C] 4. Dudeck, M., Drenkhahn, K., Spitzer, C., Barnow, S., Kopp, D., Freyberger, H.J., Dünkel, F. (2011). Traumatization and mental distress in long-term prisoners in Europe. Punishment & Society, 13(4), 403-423. [Artikel D] Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ................................................................................................................. 5 1. Einleitung......................................................................................................................... 7 2. Forschungsvorhaben und Fragestellungen ...................................................................... 9 3. Eigene Arbeiten: Methodik und Ergebnisse .................................................................. 11 3.1 Die Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen mit Kurzzeitstrafe.................................................................................................... 12 3.2 Psychische Störungen und Kindheitstraumata bei deutschen Strafgefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung ............................................................ 12 3.3 Psychische Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland ...................................................................................................... 13 3.4 Traumatisierung und psychische Symptombelastung bei Langzeitgefangenen in Europa........................................................................................................... 14 4. Diskussion...................................................................................................................... 14 5. Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 25 Anhang: Artikel der kumulativen Dissertation.................................................................... 32 Artikel A..................................................................................................................... 32 Artikel B..................................................................................................................... 39 Artikel C..................................................................................................................... 48 Artikel D..................................................................................................................... 55 Eidesstattliche Versicherung und Erklärung ....................................................................... 77 Danksagung ......................................................................................................................... 78 Zusammenfassung Studien belegen, dass Gefangene des regulären Strafvollzugs im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung in deutlich erhöhtem Ausmaß unter psychischen Erkrankungen und traumatischen Erfahrungen leiden. Im deutschsprachigen Raum existieren dennoch nur wenige Untersuchungen, welche sich evidenzbasiert mit der psychischen Gesundheit der Gefangenen befassen. Auch die offizielle Datenlage zur Auftretenshäufigkeit psychischer Erkrankungen sowie die psychiatrische Versorgung in den Gefängnissen werden dieser Problematik nicht gerecht. Die vorliegende Arbeit liefert vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Erfassung der Prävalenz psychischer Erkrankungen und traumatischer Erfahrungen bei Gefangenen in Deutschland und Europa, verdeutlicht die Folgen langfristiger Haftstrafen für die psychische Gesundheit und betont die Notwendigkeit adäquater psychiatrischer Versorgungsstrukturen in den Gefängnissen. In unseren Studien zeigten sich bei Gefangenen in Deutschland hohe Auftretenshäufigkeiten von psychischen Erkrankungen, vor allem hinsichtlich der substanzbezogenen Störungen und der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Daneben traten Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten in erheblichem Ausmaß auf. Drei Viertel der Gefangenen berichteten von traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend. Die Untergruppe der Straftäter mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung wies eine nochmals deutlich erhöhte psychische Belastung auf. Eine vergleichende Gegenüberstellung der psychischen Symptombelastung bei zwei Gefangenenstichproben in Deutschland mit unterschiedlich langen Freiheitsstrafen bildete in beiden Gruppen einen hohen psychiatrischen Behandlungsbedarf sowie eine signifikant erhöhte Belastung der längerfristig Inhaftierten ab. Der Vergleich ließ damit Annahmen über die Ursachen der erhöhten psychischen Belastung bei langjährig Inhaftierten zu. Der hohe psychiatrische Behandlungsbedarf bestätigte sich auch bei Gefangenen in 10 weiteren europäischen Ländern. Suizidales und selbstverletzendes Verhalten stellte europaweit ein noch größeres Problem dar als in Deutschland. Zusätzlich gab jeder europäische Gefangene durchschnittlich drei traumatische Erlebnisse an, bei ca. einem Siebtel der Befragten hatte sich aus den Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. 5 traumatischen Erfahrungen eine Aus den Ergebnissen folgt die Forderung nach einer konsequenteren Erfassung psychiatrischer Erkrankungen bei Gefangenen des regulären Strafvollzugs sowie einer Verbesserung der Versorgungsbedingungen im Sinne einer Angleichung an die allgemeine Psychiatrie. 6 1. Einleitung In Deutschland wurden im März 2011 knapp 10 000 Personen aufgrund einer psychiatrisch relevanten Störung durch eine strafrichterliche Anordnung in psychiatrischen Krankenhäusern und in Entziehungsanstalten (Maßregelvollzug) behandelt (Statistisches Bundesamt, 2011a). Zur selben Zeit waren 71 200 Gefangene im geschlossenen und offenen Strafvollzug untergebracht (Statistisches Bundesamt, 2011b). Studien belegen, dass es sich auch bei der zweitgenannten Gruppe um eine Population mit einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhten Prävalenz psychischer Erkrankungen und erlebter Traumata handelt (z.B. Fazel & Danesh, 2002; Goff, Rose, Rose & Purves, 2007; Schönfeld et al., 2006). Trotz dieser Befunde existieren im deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungen, welche sich mit der psychischen Gesundheit der Gefangenen befassen. Die Ursachen für die hohe Prävalenz psychischer Störungsbilder bei Gefängnisinsassen des regulären Strafvollzugs sind vielfältig: Psychische Erkrankungen und traumatische Erfahrungen können bereits vor Antritt der Haft vorhanden gewesen sein und die Ausführung der Straftat begünstigt haben. Andererseits kann der Freiheitsentzug unter möglicherweise ungünstigen Haftbedingungen und ohne hinreichende psychiatrische Versorgung dazu beitragen, dass sich das psychische Befinden auch während der Haft verschlechtert. Weiterhin besteht die Gefahr, dass bestimmte Erlebnisse im Haftverlauf traumatisierenden Charakter haben. Psychische Störungsbilder, welche nicht erkannt und behandelt werden, erhöhen das individuelle Leid der Inhaftierten, führen zu interaktionellen Schwierigkeiten mit dem Gefängnispersonal und anderen Gefangenen und stellen möglicherweise einen Risikofaktor für weitere psychische Erkrankungen, selbstverletzendes oder suizidales Verhalten dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass psychische Erkrankungen eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Delikt erschweren und somit nicht zu einer Senkung des Rückfallrisikos beitragen. Nicht zuletzt mindert das Vorhandensein psychischer Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit der sozialen Reintegration. Damit ist das Thema nicht nur von psychiatrischer, sondern auch von hoher volkswirtschaftlicher, gesellschaftlicher und ethischer Relevanz. Das Problem einer adäquaten psychiatrischen Behandlung im Strafvollzug ist eng verknüpft mit der Frage nach der Unterbringung psychisch kranker oder suchtkranker 7 Straftäter. Das entscheidende Kriterium im deutschen Rechtssystem ist hierbei die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Schuldunfähige Straftäter mit einer psychiatrisch relevanten Störung werden in forensisch-psychiatrischen Einrichtungen (Maßregelvollzug, gemäß § 63 bzw. § 64 StGB) untergebracht, in welchen sie in erster Linie als Patienten betrachtet werden. Es gilt hierbei der gesetzliche Auftrag der „Besserung und Sicherung“. Schuldfähig verurteilte Straftäter sind hingegen reguläre Insassen des Strafvollzugs. Auch sie können an psychischen Störungen leiden, unterliegen jedoch der allgemeinen medizinischen Versorgung in den Gefängnissen. Dies erschwert die Identifikation psychischer Erkrankungen und verringert die Wahrscheinlichkeit einer adäquaten Behandlung. Diversionsmöglichkeiten aus dem System des Strafvollzugs bestehen nur im Falle einer „Haftunfähigkeit“ durch eine „Geisteskrankheit“ (beispielsweise im Falle akuter Psychosen oder organischer Verwirrtheitszustände), welche eine angemessene – auch psychopharmakologische – Behandlung nicht mehr möglich erscheinen lässt (vgl. Konrad, 2000). Es besteht damit die Gefahr, dass psychisch erkrankte Gefangene des regulären Strafvollzugs keine der allgemeinen Psychiatrie vergleichbare Behandlung erfahren, was einer Diskriminierung und Vernachlässigung der betroffenen Personen gleichkommt. Laut einer Empfehlung des Europarates an seine Mitgliedstaaten sollen daher für psychisch erkrankte Gefängnisinsassen des regulären Strafvollzugs dieselben Behandlungsstandards gelten wie für die Allgemeinbevölkerung. Bisherige Studien belegen einen hohen psychiatrischen Behandlungsbedarf bei Gefängnisinsassen, weisen jedoch darauf hin, dass diesem Bedarf hinsichtlich einer gleichwertigen Behandlung häufig nicht oder nur in unzureichendem Ausmaß Rechnung getragen wird (z.B. Exworthy, Wilson & Forrester, 2011; Schönfeld et al., 2006; Wilson, 2004). Es ist davon auszugehen, dass im Strafvollzug nicht ausreichend Personal vorhanden ist um ein adäquates Angebot zur Behandlung psychischer Erkrankungen überhaupt bereitzustellen (Dünkel & Geng, 2007). Erschwerend hinzu kommt eine lückenhafte Datenlage hinsichtlich der Prävalenz psychischer Erkrankungen im Gegensatz zu klinischen Populationen und der Allgemeinbevölkerung. Diese Datenlücke ist zum einen auf die hohen administrativen Hürden für externe Untersucher, zum anderen auf die unzureichende oder fehlende psychiatrische Diagnostik innerhalb der Strafanstalten zurückzuführen und erschwert die Ermittlung des potenziellen 8 psychiatrischen Behandlungsbedarfs in den Justizvollzugsanstalten. Zumindest in Deutschland liegen keine offiziellen, zentral erhobenen Daten über die Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen, gefängnisinterne und -externe Behandlungskapazitäten oder die eigentliche psychiatrische Versorgung vor. Es fehlt somit auch eine empirische Grundlage zur Beantwortung der Frage, ob es zu einer Zunahme psychischer Störungen bei Inhaftierten gekommen ist (Konrad, 2003). Auch auf europäischer Ebene wird die Häufigkeit psychiatrisch erkrankter Gefängnisinsassen nur in einigen wenigen Ländern zentral erfasst (Salize, Dressing & Kief, 2007). 2. Forschungsvorhaben und Fragestellungen Wie bereits dargelegt, Gefängnisinsassen des liegt die regulären Prävalenz psychischer Strafvollzugs deutlich Erkrankungen höher als in bei der Allgemeinbevölkerung. Vor dem Hintergrund einer psychiatrischen Mangelversorgung in den Strafvollzugsanstalten wirkt sich dieser Umstand sowohl auf die psychische Gesundheit, die Entwicklung weiterer psychischer Erkrankungen als auch auf das Rückfallrisiko und die Resozialisierung der Inhaftierten negativ aus. Dennoch wird das Problem in Deutschland und Europa weder durch die Datenlage noch durch die psychiatrische Versorgung angemessen abgebildet (Salize & Dressing, 2008). Um das Ausmaß psychischer Erkrankungen und den psychiatrischen Behandlungsbedarf in den Strafvollzugsanstalten einschätzen zu können, ist man auf die Ergebnisse einer geringen Anzahl nationaler und internationaler Studien angewiesen, deren Stichproben in der Regel klein und nicht repräsentativ sind. Um zur Schließung dieser Wissenslücke beizutragen, bestand unser Forschungsvorhaben erstens in einer Untersuchung der Prävalenz psychischer Erkrankungen und traumatischer Erfahrungen bei Gefängnisinsassen und zweitens in einer vergleichenden Gegenüberstellung der psychischen Symptombelastung bei Gefängnisinsassen mit unterschiedlich langen Freiheitsstrafen. Die gewonnenen Befunde sollten einerseits einer besseren Abschätzung der Auftretenshäufigkeit psychischer Erkrankungen und des resultierenden psychiatrischen Behandlungsbedarfs dienen, andererseits sollten sie helfen, die Auswirkungen der Haft auf die psychische Gesundheit besser zu verstehen. 9 Die Umsetzung dieses Vorhabens erfolgte unter dem übergeordneten Thema „Psychische Erkrankungen bei Gefängnisinsassen“ in den vier Studien dieser Arbeit anhand folgender Fragestellungen: Auf einer deskriptiven Ebene interessierte zunächst die psychische Belastung von Kurzzeitgefangenen in Deutschland durch psychische Erkrankungen, selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität sowie biografisch frühe Traumatisierungen (Fragestellung bearbeitet in den unter 3.1 und 3.2 beschriebenen Studien). Die Untergruppe der Gefängnisinsassen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung (ASPS) zeigte hierbei eine auffällige Mehrbelastung durch psychische Störungen und biografisch frühe Traumatisierungen. Dieser Befund wurde durch die vergleichende Gegenüberstellung mit den Straftätern ohne Persönlichkeitsstörung bzw. mit der Gesamtstichprobe genauer beleuchtet (Fragestellung bearbeitet in der unter 3.2 beschriebenen Studie). Es stellte sich nachfolgend die Frage, ob sich psychische Belastungen im Vorfeld der Inhaftierung auf ausgewählte Kriminalitätsvariablen auswirken. Um dieser Frage nachzugehen, wurde der Einfluss der antisozialen Persönlichkeitsstörung und biografisch früher Traumatisierungen auf die Gesamthaftdauer bzw. das Alter bei der ersten Verurteilung untersucht (Fragestellung bearbeitet in der unter 3.2 beschriebenen Studie). Die Einbeziehung eines Datensatzes von Langzeitgefangenen deutscher Haftanstalten ermöglichte weiterhin einen Vergleich mit den Kurzzeitgefangenen hinsichtlich der psychischen Symptombelastung und des daraus resultierenden psychiatrischen Behandlungsbedarfs. Die Ergebnisse dieser Untersuchung ließen Rückschlüsse über mögliche Auswirkungen des langjährigen Freiheitsentzuges auf die psychische Gesundheit zu (Fragestellung bearbeitet in der unter 3.3 beschriebenen Studie). Die Daten der Gefängnisinsassen aus zehn weiteren europäischen Ländern erlaubten schließlich Behandlungsbedarfs eine sowie vergleichende der Prävalenz Darstellung traumatischer des psychiatrischen Erlebnisse und der Posttraumatischen Belastungsstörung über die Länder hinweg. Hierdurch gelang eine internationale Einordnung der in Deutschland gewonnenen Ergebnisse vor dem Hintergrund unterschiedlicher Strafgesetze und Behandlungskonzepte in den an der 10 Untersuchung beteiligten europäischen Ländern (Fragestellung bearbeitet in der unter 3.4 beschriebenen Studie). Grundlage der Analysen waren die Datensätze zweier Forschungsprojekte. Die Daten der Kurzzeitgefangenen entstammen einer Erhebung an 102 männlichen Gefängnisinsassen, welche im Zeitraum von November 2006 bis Juni 2007 als Querschnittsuntersuchung in der Justizvollzugsanstalt Stralsund (Mecklenburg- Vorpommern) durchgeführt wurde. Die Probanden mussten zwischen 18 und 65 Jahre alt und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren verurteilt sein. Als Ausschlusskriterien galten eine Intelligenzminderung sowie hirnorganische oder akut psychotische Störungen. Im Rahmen eines internationalen Projekts („Langstrafenvollzug und die Frage der Menschenrechte in Staaten der Europäischen Union“) wurden im Zeitraum von Oktober 2007 bis Juli 2008 ebenfalls im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung die Daten der Langzeitgefangenen erhoben. Bei den Befragten handelte es sich um insgesamt 1055 männliche Gefängnisinsassen aus 11 europäischen Ländern (Deutschland, Belgien, Kroatien, Dänemark, England, Finnland, Frankreich, Litauen, Polen, Spanien, Schweden). Sie waren zu Freiheitsstrafen von mindestens fünf Jahren oder einer zeitlich unbestimmten Sanktion wie der lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Sicherungsverwahrung verurteilt. Die 98 deutschen Gefangenen dieses Datensatzes wurden in den Justizvollzugsanstalten Celle, Luckau-Duben, Naumburg, Lübeck, Torgau und Waldeck befragt. Da es sich unter anderem um eine Erhebung der Lebensbedingungen und Menschenrechte handelte, wurden im Vorfeld keine psychiatrischen Ausschlusskriterien festgelegt. Die Gefängnisinsassen beider Untersuchungen wurden über Zweck und Ablauf der jeweiligen Studie aufgeklärt und nahmen freiwillig an den Erhebungen teil. 3. Eigene Arbeiten: Methodik und Ergebnisse Die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Fragestellungen wurden in den einzelnen Studien dieser Arbeit in folgender Weise bearbeitet 11 3.1 Die Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen mit Kurzzeitstrafe Ziel dieser Studie war die Erfassung psychischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Die Kurzzeitgefangenen wurden zudem soziodemografisch sowie hinsichtlich klinischer Merkmale einschließlich selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität charakterisiert. Es kamen die strukturierten klinischen Interviews für das DSM-IV (SKID I und SKID II; Wittchen, Zaudig, & Fydrich, 1997) zur Erfassung der psychischen Störungen sowie ein Fragebogen zur Erfassung der soziodemografischen und klinischen Merkmale zum Einsatz. Hinsichtlich der psychischen Erkrankungen zeigten sich hohe Auftretenshäufigkeiten. Die Lebenszeitprävalenz für eine psychische Störung (Achse-I, DSM-IV) lag bei 83%, den mit Abstand größten Anteil hieran hatten die substanzbezogenen Störungen. Insgesamt wiesen 80% der Gefängnisinsassen mindestens eine Persönlichkeitsstörung (Achse-II, DSM-IV) auf, den größten Anteil hieran hatte die antisoziale Persönlichkeitsstörung. Daneben traten Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten in erheblichem Ausmaß auf (15% bzw. 14%). 3.2 Psychische Störungen und Kindheitstraumata bei deutschen Strafgefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung In dieser Studie erfolgte eine Gegenüberstellung der Prävalenz psychischer Störungen und biografisch früher Traumatisierungen bei Straftätern mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu Straftätern ohne Persönlichkeitsstörung und der Gesamtstichprobe. Die Datengrundlage hierfür war erneut die Stichprobe deutscher Gefängnisinsassen mit Kurzzeitstrafe. Das Ausmaß biographisch früher Traumatisierungen wurde zudem für die gesamte Stichprobe erfasst. Weiterhin wurde mithilfe einer Regressionsanalyse der Einfluss der antisozialen Persönlichkeitsstörung und früher Traumatisierungen auf die Gesamthaftdauer bzw. das Alter bei der ersten Verurteilung untersucht. Als Instrumente dienten die strukturierten klinischen Interviews für das DSM-IV (SKID I und SKID II) zur Erfassung der psychischen Störungen sowie die Kurzform des Childhood Trauma Questionnaire (CTQ, Bernstein et al., 2003) in der 12 deutschen Bearbeitung von Rodewald (2005) zur retrospektiven Erfassung von Missbrauch und Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter. Zusammenfassend zeigte sich bei den Straftätern mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung eine signifikant erhöhte Prävalenz psychischer Erkrankungen gegenüber den Straftätern ohne Persönlichkeitsstörung. Hinsichtlich der frühen Traumatisierungen berichteten drei Viertel der Gefängnisinsassen von traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend. Erlittener körperlicher Missbrauch stellte sich als ein Prädiktor für eine längere Gesamthaftdauer dar, das Vorliegen einer antisozialen Persönlichkeitsstörung war mit einer früheren Erstverurteilung signifikant korreliert. 3.3 Psychische Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland Die Studie stellt eine vergleichende Gegenüberstellung der psychischen Symptombelastung einschließlich der Suizidalität und des selbstverletzenden Verhaltens sowie des resultierenden psychiatrischen Behandlungsbedarfs bei Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland dar. Die psychische Symptombelastung wurde bei den Langzeitgefangenen mithilfe des Brief Symptom Inventory (BSI), bei den Kurzzeitgefangenen mithilfe der Symptom-Checkliste (SCL-90-R) erfasst. Das BSI ist eine Kurzform der 90 Fragen umfassenden SCL-90-R und umfasst 18 Fragen. Zum Vergleich der Datensätze wurden die BSI-Items aus der SCL-90-R extrahiert, so dass eine Berechnung der BSI-Skalen aus den Daten der Kurzzeitgefangenen möglich wurde. Angaben über Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten wurden mittels eines Fragebogens erhoben und beruhen auf Selbstauskünften der Probanden. Die Ergebnisse belegen eine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um mehr als das Fünffache erhöhte psychische Symptombelastung der Gefängnisinsassen. Hierbei zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen Langzeit- und Kurzzeitgefangenen, wobei sich bei 65% der Langzeitgefangenen und bei 40% der Kurzzeitgefangenen eine auffällige psychische Behandlungsbedarf Symptombelastung abbildeten. Weiterhin und fand damit sich in ein der psychiatrischer Gesamtstichprobe anamnestisch eine hohe Prävalenz von Suizidversuchen (29,7%) und selbstverletzendem Verhalten (43,2%, Tätowierungen eingeschlossen). Die Studie weist – insbesondere bei den Langzeitgefangenen – auf einen hohen psychiatrischen Behandlungsbedarf hin. 13 3.4 Traumatisierung und psychische Symptombelastung bei Langzeitgefangenen in Europa Ziel dieser Untersuchung war die Erfassung der psychischen Symptombelastung einschließlich der Suizidalität und des selbstverletzenden Verhaltens bei Gefängnisinsassen im internationalen Vergleich in insgesamt 11 europäischen Ländern. Zusätzlich wurde die Prävalenz traumatischer Erlebnisse und der Posttraumatischen Belastungsstörung erfasst. Die Erhebung der psychischen Symptombelastung erfolgte mithilfe des Brief Symptom Inventory (BSI), die der Suizidversuche und des selbstverletzenden Verhaltens mithilfe eines Fragebogens. Zur Ermittlung traumatischer Erlebnisse und der Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung wurde die Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS; Foa, Cashman, Jaycox & Perry, 1997) herangezogen. Zusammenfassend zeigte sich bei den Gefängnisinsassen aller untersuchten Länder ein hoher psychiatrischer Behandlungsbedarf aufgrund der Belastung durch psychische Symptome (je nach Land bei 57% - 86% der Probanden). Ein Drittel der befragten Personen hatte vor oder während der Haft einen Suizidversuch unternommen, ebenso trat bei einem Drittel der Gefängnisinsassen selbstverletzendes Verhalten auf. Jeder Gefängnisinsasse berichtete durchschnittlich von drei traumatischen Erlebnissen, bei 14% der Befragten hatte sich aus den traumatischen Erfahrungen eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. 4. Diskussion Die Ergebnisse unserer Arbeiten bestätigen die Befunde bisheriger Studien, wonach es sich bei Gefängnisinsassen im regulären Strafvollzug um eine durch psychische Symptome stark belastete Population handelt. Hinsichtlich der psychischen Erkrankungen (Achse-I, DSM-IV) ergab sich bei den Kurzzeitgefangenen in Deutschland eine Lebenszeitprävalenz von 83%. Den größten Anteil hatten hieran die substanzbezogenen Störungen (Substanzabhängigkeit und –missbrauch, 75%), gefolgt von den Angsterkrankungen (23%) und den affektiven Störungen (12%). Psychotische Störungen wurden nicht gefunden, eine somatoforme Störung wurde lediglich bei einer Person diagnostiziert. Zum Untersuchungszeitpunkt lag bei 52% der Gefängnisinsassen eine psychische Störung vor. 14 Die hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen (Achse-I, DSM-IV) steht weitgehend in Übereinstimmung mit europäischen und internationalen Befunden bei Gefängnisinsassen (Butler et al., 2006; Driessen, Schroeder, Widmann, von Schönfeld & Schneider, 2006; Falissard et al., 2006; Fazel & Danesh, 2002; Fotiadou, Livaditis, Manou, Kaniotou & Xenitidis, 2006; Missoni, Utting & Konrad, 2003). Auffällig ist insbesondere die hohe Auftretenshäufigkeit substanzbezogener Störungen, welche auch in einer anderen Untersuchung an Gefängnisinsassen berichtet wird (Fazel, Bains & Doll, 2006). Zum Vergleich wird in einer europaweit durchgeführten epidemiologischen Studie die Lebenszeitprävalenz für eine Alkoholerkrankung in der Allgemeinbevölkerung lediglich mit 5,2% angegeben. Ebenfalls deutlich niedriger liegt in der Allgemeinbevölkerung die Auftretenshäufigkeit der Angsterkrankungen (14%). Die Auftretenshäufigkeit der affektiven Störungen weicht hingegen nicht deutlich von den in unserer Arbeit gefundenen Prävalenzraten ab (Alonso et al., 2004). Kein Proband unserer Studie erfüllte die Kriterien einer psychotischen Erkrankung oder war im Vorfeld der Untersuchung aufgrund psychotischer Symptome auffällig geworden. Hierfür sind mehrere Erklärungen vorstellbar: Möglicherweise führt die Auffälligkeit psychotischer Erkrankungen bereits frühzeitig zu einer Behandlung in psychiatrischen Einrichtungen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Delinquenz verringert wird. Im Falle krimineller Handlungen dürften die salienten Merkmale psychotischer Erkrankungen hingegen häufiger ausschlaggebend zur Feststellung einer Schuldunfähigkeit sein. Die erkrankten Personen würden folglich im Maßregelvollzug untergebracht. Zudem begehen psychotisch Erkrankte bei einem deutlich erhöhten Delinquenzrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung vielfach schwere Gewaltdelikte (Modestin & Ammann, 1996; Wessely, Castle, Douglas & Taylor, 1994). Eine besondere Schwere der Tat hätte damit im Falle einer Schuldfähigkeit eine Unterbringung im Langstrafenvollzug zur Folge. In Studien, welche bei Gefangenen deutlich höhere Prävalenzraten psychotischer Störungen von bis zu 13% berichten, waren entsprechend auch Gefangene mit langjährigen oder lebenslangen Haftstrafen eingeschlossen (vgl. Fazel & Danesh, 2002; Schönfeld et al., 2006). Nicht nur hinsichtlich der psychischen Erkrankungen nach Achse-I (DSM-IV), sondern auch hinsichtlich der Persönlichkeitsstörungen nach Achse-II (DSM-IV) ergaben sich hohe Prävalenzraten: Bei 80% der Kurzzeitgefangenen wurde mindestens eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Der Anteil der antisozialen Persönlichkeitsstörung 15 betrug hierbei 73% (bei einer durchschnittlichen Anzahl von 1,8 Achse-II-Störungen). Die zweithäufigste Achse-II-Störung war die Borderline-Persönlichkeitsstörung (16%). Vergleichbare Studien berichten bei Gefängnisinsassen geringere Auftretenshäufigkeiten von Persönlichkeitsstörungen, die antisoziale Persönlichkeitsstörung stellt jedoch stets die mit Abstand häufigste Störung dar (Fazel & Danesh, 2002; Schönfeld et al., 2006). Die Prävalenz der antisozialen Persönlichkeitsstörung ist damit angesichts des vorauszusetzenden delinquenten Verhaltes der Gefängnisinsassen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und zu klinischen Stichproben erwartungsgemäß um ein Vielfaches erhöht (Loranger et al., 1994; Samuels et al., 2002). Gefängnisinsassen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung wiesen in unserer Untersuchung signifikant häufiger einen Substanzmissbrauch oder eine Substanzabhängigkeit auf als solche ohne Persönlichkeitsstörung. Zwischen den hohen Auftretenshäufigkeiten der antisozialen Persönlichkeitsstörung und der substanzbezogenen Störungen besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang. Die antisoziale bzw. dissoziale Persönlichkeitsstörung ist laut DSM-IV (American Psychiatric Association, 1996) bzw. ICD-10 (World Health Organization, 1994) unter anderem gekennzeichnet durch Impulsivität, eine „sehr geringe Frustrationstoleranz“ sowie das „Versagen, vorausschauend zu planen“. Es ist anzunehmen, dass diese Persönlichkeitsvariablen einen missbräuchlichen Substanzkonsum bis hin zu einer Substanzabhängigkeit begünstigen. Umgekehrt senkt der Missbrauch von Alkohol und illegalen Drogen die Schwelle für kriminelle Handlungen. Der Zusammenhang zwischen antisozialer Persönlichkeitsstörung und substanzbezogenen Störungen ist dabei nicht auf delinquente Personen beschränkt, sondern findet sich ebenso in der Allgemeinbevölkerung und in klinischen Stichproben (Goodwin & Hamilton, 2003; Preuss & Wong, 2007). Die antisoziale Persönlichkeitsstörung und substanzbezogene Störungen stehen jedoch nicht nur in einem gegenseitigen Bezug, sondern zählen überdies zu den bedeutendsten Prädiktoren für delinquentes Verhalten und ein hohes Rückfallrisiko (Gendreau, Littlea & Goggin, 1996; Lipsey & Derzon, 1998; Stadtland & Nedopil, 2005). In unserer Studie konnte das Vorliegen einer antisozialen Persönlichkeitsstörung als Prädiktor für eine frühere Erstverurteilung identifiziert werden. Die Gefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung zeigten gegenüber der Vergleichsgruppe ohne Persönlichkeitsstörung außerdem mehr Gewaltdelikte, höhere Haftstrafen, eine höhere 16 Anzahl früherer Inhaftierungen sowie ein niedrigeres Alter bei der ersten Verurteilung und der ersten Inhaftierung. Zudem litten sie in erhöhtem Maße unter weiteren psychischen Erkrankungen sowie unter suizidalem und selbstverletzendem Verhalten. Im Vorfeld der Inhaftierung hatten sie sich häufiger in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden. Alle berichteten Ergebnisse waren statistisch signifikant. Zusätzlich zu den bereits genannten Mehrbelastungen berichteten die Gefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung deutlich mehr traumatische Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter als solche ohne Persönlichkeitsstörung. Es ist ein in der Literatur bekanntes Phänomen, dass Erlebnisse von Missbrauch und Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter in der Entwicklung antisozialer Verhaltensweisen eine wichtige Rolle spielen. Auch in bisherigen Studien berichten Personen mit antisozialen Persönlichkeitszügen in verstärktem Ausmaß von Missbrauch und Vernachlässigung (Cima, Smeets & Jelicic, 2008; Krischer & Sevecke, 2008; Smith, Ireland, Thornberry & Elwyn, 2008; Sousa et al., 2011). Aus einer Längsschnittstudie geht hervor, dass in der Kindheit und Jugend missbrauchte und vernachlässigte Personen früher straffällig werden als solche ohne traumatische Erfahrungen (Widom, 1989a). Das Risiko, als Jugendlicher bzw. Erwachsener inhaftiert zu werden, erhöht sich durch eine Traumatisierung im Kindesalter um etwa 50% (Widom, 1989a). In unserer Untersuchung an Kurzzeitgefangenen in Deutschland berichteten 73% der Gesamtstichprobe, 79% der Untergruppe mit antisozialer Persönlichkeitsstörung sowie 53% der Untergruppe ohne Persönlichkeitsstörung von mindestens einem traumatischen Erlebnis in Kindheit und Jugend. Körperlicher Missbrauch stellte sich dabei in der Gesamtstichrobe als Prädiktor für eine längere Gesamthaftdauer heraus. Die genannten Befunde weisen auf die Transmission der Opfer- in eine Täterrolle hin, wie sie in der Literatur an vielen Stellen diskutiert wird (u.a. Curtis, 1963; Dudeck et al., 2006; Neller, Denney, Pietz & Thomlinson, 2006; Widom, 1989b). Im Falle straffällig gewordener Personen besteht Grund zur Annahme, dass traumatische Erlebnisse - möglicherweise mittelbar über eine antisoziale Persönlichkeitsstörung – einen Prädiktor für antisoziale Verhaltensweisen darstellen. Delinquenz und antisoziale Persönlichkeitsstörung sind hierbei nicht eindeutig voneinander zu trennen, da kriminelles Verhalten in der Definition der antisozialen Persönlichkeitsstörung bereits enthalten ist. Es stellt sich zudem die Frage nach den beteiligten Wirkmechanismen 17 dieser Transmission bzw. weiteren Ursachen antisozialen Verhaltens. Eine Erörterung dieser Fragen ginge jedoch über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. Es bleibt anzumerken, dass traumatische Erlebnisse keinesfalls nur in ihrer Rolle als Prädiktor für delinquentes Verhalten von Bedeutung sind. Sie stellen vor allem auch einen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Folgeerkrankungen wie z.B. der Posttraumatischen Belastungsstörung oder depressiver Störungen dar. Diese Erkrankungen können wiederum mit Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten einhergehen (Spataro, Mullen, Burgess, Wells & Moss, 2004; Spitzer et al., 2001). Um das individuelle Leid der traumatisierten und psychisch erkrankten Häftlinge zu lindern und die Rückfallgefahr zu verringern, bedarf es einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung traumatischer Erfahrungen sowie der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Die substanzbezogenen Erkrankungen erfordern hingegen gezielt suchtspezifische Therapieangebote. Eine verstärkte psychotherapeutische Versorgung im Allgemeinen ist nicht nur angesichts der hohen Prävalenzraten des suizidalen und selbstverletzenden Verhaltens erforderlich. Während der Einfluss traumatischer Erfahrungen auf späteres delinquentes Verhalten häufig untersucht wurde, stellen die Auswirkungen der Haft auf die psychische Gesundheit einen in der Literatur bislang vernachlässigten Aspekt dar. Die Einbeziehung des Datensatzes der Langzeitgefangenen deutscher Haftanstalten ermöglichte uns einen Vergleich mit der Stichprobe der Kurzzeitgefangenen hinsichtlich der psychischen Symptombelastung sowie des resultierenden psychiatrischen Behandlungsbedarfs. Die vergleichende Gegenüberstellung ließ somit Annahmen über Auswirkungen eines längerfristigen Freiheitsentzuges zu. Hierbei bildete sich bei 65% der Langzeitgefangenen und bei 40% der Kurzzeitgefangenen ein psychiatrischer Behandlungsbedarf ab, womit das Vorliegen einer auffälligen psychischen Gesamtbelastung bei den Langzeitgefangenen um mehr als 50% erhöht ist. Die Häufigkeit des psychiatrischen Behandlungsbedarfs entspricht Befunden zweier weiterer Studien an Gefangenen in Deutschland (Blocher, Henkel, Ziegler & Rösler, 2001; Köhler, Hinrichs, Otto & Huchzermeier, 2004), übertrifft den Anteil psychisch auffälliger Personen einer männlichen Kontrollpopulation der Allgemeinbevölkerung um mehr als das Fünffache und bedeutet eine klare Annäherung an die Kennwerte klinischer Populationen (Franke, 1995). 18 Es ist anzumerken, dass das zur Erfassung der psychischen Symptombelastung eingesetzte Brief Symptom Inventory (BSI) keinen psychopathologischen Befund oder eine Diagnose im engeren Sinne erfasst. Als Selbstbeurteilungsinstrument und Screening-Verfahren misst es die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome in einem Zeitfenster von sieben Tagen. Oberhalb eines T-Wertes von 60 ist von einem psychiatrischen Behandlungsbedarf auszugehen, welcher eine weitere Diagnostik erforderlich macht. Ursachen für den deutlich erhöhten psychiatrischen Behandlungsbedarf der Langzeitgefangenen können sowohl in einer erhöhten Vulnerabilität dieser Population bereits vor Haftantritt als auch in den Auswirkungen des längeren Freiheitsentzuges auf die psychische Gesundheit begründet liegen. Im Zusammenhang mit der letztgenannten Hypothese liegen Erklärungsansätze vor allem in krankheitsfördernden Folgen ungünstiger Haftbedingungen (vgl. Drenkhahn & Dudeck, 2007) sowie in einer unzureichenden psychiatrischen Versorgung im Sinne fehlender Diagnose- und Behandlungsverfahren (vgl. Salize & Dressing, 2008). Auffällig hohe Werte der Langzeitgefangenen unserer Erhebung auf den BSISkalen „Depressivität“, „Paranoides Denken“ und „Psychotizismus“ sind möglicherweise Ausdruck einer langjährigen, von psychiatrischer Mangelversorgung und ungünstigen Lebensbedingungen geprägten Haftrealität. Sie stellen überdies einen Risikofaktor für weitere spezifische Haftreaktionen wie z.B. Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten oder die Entwicklung einer „Haftpsychose“ (Gößling & Konrad, 2004) dar. Erklärungen für eine Zunahme von Suiziden und Suizidversuchen in Haftanstalten diskutieren Frottier, Frühwald, Ritter und König (2001) unter der Überschrift „Deprivation versus Importation“: Als Aspekte der Importation führen sie eine – auf Schätzungen beruhende - generelle Zunahme psychisch erkrankter Gefangener an, wodurch zahlreiche Personen aus den Suizidrisikogruppen unter Haftbedingungen suizidal reagieren. Deprivationseffekte innerhalb der Gefängnisse ergeben sich den Autoren zufolge sowohl durch den Verlust des vertrauten sozialen Gefüges und der Autonomie als auch durch soziale Diskriminierung und die Hoffnungslosigkeit angesichts einer ungewissen Zukunft. Vermehrt eingerichtete Einzelhafträume können zu einer zunehmenden Isolation führen und die Durchführung suizidaler Handlungen erleichtern. Alle Aspekte der Deprivation dürften im Zuge längerer Haftstrafen an Bedeutung gewinnen. 19 In unserer Untersuchung zeigte sich dementsprechend bei den Langzeitgefangenen eine im Vergleich zu den Kurzzeitgefangenen signifikant erhöhte Prävalenz von Suizidversuchen (45% vs. 14%). Jeder vierte Langzeitgefangene hatte während der Haft einen Suizidversuch begangen, was für einen negativen Einflusses langjähriger Haftstrafen auf die psychische Gesundheit spricht (vgl. hierzu Ivanoff & Jang, 1991). Die Tatsache, dass jeder fünfte Langzeitgefangene mindestens einen der Haft vorangegangenen Suizidversuch berichtete, weist jedoch ebenfalls auf eine erhöhte psychische Belastung bereits vor Strafantritt hin (vgl. hierzu Ashraf, 1999). Demgegenüber steht eine signifikant erhöhte Prävalenz des selbstverletzenden Verhaltens bei den Kurzzeitgefangenen. Diese ist möglicherweise vor dem Hintergrund der hohen Auftretenshäufigkeit der Borderline-Persönlichkeitsstörung innerhalb dieser Population zu verstehen. Die bisher diskutierten Befunde entstammen ausschließlich den Erhebungen an Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland. Durch die Auswertung der Daten von Gefängnisinsassen aus zehn weiteren europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, England, Finnland, Frankreich, Kroatien, Litauen, Polen, Spanien, Schweden) konnte schließlich eine internationale Einordnung der in Deutschland gewonnenen Ergebnisse vorgenommen werden. Hierbei wurden die Prävalenz traumatischer Erlebnisse und der Posttraumatischen Belastungsstörung, die psychische Symptombelastung sowie Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten erfasst. Ein Hauptbefund war eine durchschnittliche Anzahl von drei klinisch relevanten Traumata je Gefangenem. Insgesamt gaben 88% der europäischen Gefangenen mindestens ein traumatisches Erlebnis an, bei 14% der Befragten hatte sich aus den traumatischen Erfahrungen zum Zeitpunkt der Erhebung eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. In drei Ländern (Finnland, Kroatien und England) betrug die Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung zum Teil deutlich über 20%, in keinem Land lag sie unter 7%. Die Traumata wurden am häufigsten in den Kategorien „Gewalttätiger Angriff durch eine fremde Person“ (49%), „Schwerer Unfall, Feuer oder Explosion“ (49%), „Gefangenschaft“ (48%) sowie „Gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis“ (39%) angegeben. Sexuelle Angriffe traten hingegen „nur“ bei 6% durch Fremde und bei 5% durch Personen aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis auf. Angesichts der hohen Anzahl berichteter Traumatisierungen ist davon auszugehen, dass unser Ergebnis die tatsächliche Prävalenz 20 der Posttraumatischen Belastungsstörung noch unterschätzt. Da Vermeidung ein zentrales Symptom der Posttraumatischen Belastungsstörung darstellt und die Teilnahme an der Untersuchung auf freiwilliger Basis erfolgte, waren die am schwersten betroffenen Personen der Untersuchung möglicherweise ferngeblieben. Die in unserer Studie gefundene Auftretenshäufigkeit der Posttraumatischen Belastungsstörung von 14% deckt sich mit den Ergebnissen einer international durchgeführten Metaanalyse, welche bei Gefangenen Prävalenzraten von 4–21% berichtet (Goff et al. 2007). Unter den deutschen Kurzzeitgefangenen unserer Untersuchung wiesen zum Zeitpunkt der Befragung lediglich 2,9% eine solche Traumafolgestörung auf, die Lebenszeitprävalenz betrug 5,9%. Von forensischen Patienten werden deutlich höhere Prävalenzraten berichtet (Garieballa et al., 2006; Spitzer et al., 2001). Die Auftretenshäufigkeit der Posttraumatischen Belastungsstörung in der Allgemeinbevölkerung liegt in europäischen Studien deutlich unter 5% (Alonso et al., 2004; Hapke, Schumann, Rumpf, John & Meyer, 2006; Maercker, Forstmeier, Wagner, Brähler & Glaesmer, 2008), in nordamerikanischen Studien stets unter 10% (Breslau et al., 1998; Kessler, Sonnega, Bromet, Hughes & Nelson, 1995). Die hohe Anzahl erlebter Traumata stützt – insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz traumatischer Erlebnisse durch gewalttätige Angriffe - die Hypothese des „Cycle of Violence“ (Widom, 1989b), wonach eine Viktimisierung im Kindes- oder Jugendalter das Risiko einer späteren Delinquenz erhöht. Auch die Inhaftierung an sich kann eine Traumatisierung darstellen bzw. ein Umfeld bieten, welches das Risiko weiterer Traumatisierungen erhöht. In unserer internationalen Studie bezeichnete durchschnittlich immerhin knapp die Hälfte der Befragten ihren Gefängnisaufenthalt als traumatisches Ereignis. Die Unterscheidung, ob die angegebenen Traumata vorrangig vor oder während der Haft erlitten wurden, wurde in unserer Studie nicht getroffen. Bereits die Langzeitgefangenen in Deutschland waren durch eine hohe psychische Symptombelastung aufgefallen. Bei 65% der Befragten ergab sich hieraus ein psychiatrischer Behandlungsbedarf. Auch im internationalen Vergleich bestand ein solcher Bedarf je nach Land bei 57% - 86% der Gefangenen. Analog zu den in Deutschland gewonnenen Befunden bildeten sich die höchsten Belastungswerte europaweit ebenfalls auf den BSI-Skalen „Depressivität“, „Paranoides Denken“ und „Psychotizismus“ ab. 21 Die Annahme, dass der Freiheitsentzug per se, möglicherweise in Verbindung mit ungünstigen Haftbedingungen und einer unzureichenden psychiatrischen Versorgung sich in depressiven Symptomen niederschlägt, erfährt also auch in anderen europäischen Ländern Bestätigung. Die hohe Ausprägung auf der Dimension „Paranoides Denken“ könnte auf das hohe Maß an Überwachung und Kontrolle im Strafvollzug zurückzuführen sein. Ebenfalls denkbar ist die Angst vor sozialer Diskriminierung bzw. körperlicher Gewalt in einer häufig von starken Hierarchien geprägten gefängnisinternen Sozialstruktur. Sowohl depressive als auch paranoide und psychotische Symptome erhöhen mit hoher Wahrscheinlichkeit das Risiko für suizidales und selbstverletzendes Verhalten. Diese Hypothese wird durch unsere Ergebnisse bestätigt: Europaweit hatte ein Drittel der Gefängnisinsassen vor oder während der Haft einen Suizidversuch unternommen, ebenfalls ein Drittel berichtete von selbstverletzendem Verhalten. Nur ein geringer Anteil der Häftlinge (4%) gab Suizidversuche sowohl vor als auch während der Haft an. Die übrigen Prozentsätze verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf die Zeiträume vor und nach der Inhaftierung, was sowohl die bereits erwähnten Theorien der „Importation“ als auch der „Deprivation“ stützt (Frottier et al., 2001). Abschließend ist zu konstatieren, dass auch die Gefangenen in anderen europäischen Ländern in hohem Maße durch Traumata sowie psychische Symptome und Störungen belastet sind. Die ausgeprägte psychische Belastung der Gefangenen in Deutschland scheint damit nicht ausschließlich Folge landestypischer Gegebenheiten zu sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich vor allem längerfristige Inhaftierungen moderiert jeweils durch die spezifischen Haftbedingungen sowie die psychiatrische Versorgung in den Haftanstalten – im Allgemeinen negativ auf das psychische Befinden auswirken. Die hohe Traumatisierungsrate der Gefangenen stellt dabei einen zusätzlichen Belastungsfaktor dar, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit das Risiko psychischer Folgerkrankungen und suizidaler Handlungen erhöht und die Bearbeitung des eigenen delinquenten Verhaltens erschwert. Die Folgen sind eine erhöhte Rückfallgefahr in kriminelles Verhalten sowie deutlich erschwerte Bedingungen für eine erfolgreiche soziale Reintegration. Die vorliegende Arbeit schließt vor diesem Hintergrund Lücken in der Datenlage zu psychischen Belastungen bei Gefangenen in Deutschland und Europa, verdeutlicht die Folgen der Haft für die psychische Gesundheit und betont die Notwendigkeit adäquater psychiatrischer Versorgungsstrukturen. Diese sind in personeller, inhaltlicher und 22 organisatorischer Hinsicht den Behandlungsstandards der Allgemeinen Psychiatrie außerhalb des Justizvollzugs anzugleichen. Andernfalls besteht die Gefahr einer Diskriminierung und Vernachlässigung der psychisch kranken Gefangenen, was einem Verstoß gegen das Strafvollzugsgesetz und die Menschenrechte gleichkommt. Es ist daher zuallererst notwendig, die Prävalenz psychischer Erkrankungen und deren tatsächliche Versorgung zentral zu erfassen. Hierzu wird ausreichend geschultes Personal benötigt. Weiterhin sind fundierte diagnostische Verfahren erforderlich, um psychische Erkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Die Behandlung sollte sowohl auf psychopharmakologischer als auch psychotherapeutischer Ebene erfolgen und - unseren Befunden zufolge - verstärkt auf Suchterkrankungen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen sowie die Suizidprophylaxe ausgerichtet sein. Die Befunde über eine hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Gefangenen geben neben den Überlegungen zu einer gefängnisinternen Verbesserung der Versorgungsbedingungen auch Anlass, über die bestehende Verteilung der psychiatrischen Versorgung zwischen Strafvollzug, Maßregelvollzug („Forensik“) und Allgemeinpsychiatrie nachzudenken. Wie bereits eingangs erwähnt, entscheidet die Frage der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt darüber, ob Straftäter im Straf- oder Maßregelvollzug untergebracht werden. Für psychisch kranke Straftäter des regulären Strafvollzugs existiert in Deutschland nur in sieben Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz) eine justizeigene, also sich innerhalb der Justizvollzugsanstalten befindliche psychiatrische Abteilung. In Bundesländern ohne eigene Justizvollzugspsychiatrie erfolgt die ambulante und stationäre psychiatrische Versorgung dagegen mit der Hilfe externer Institutionen (z.B. der Allgemeinen Psychiatrie) oder konsiliarischen Fachkräften (Missoni & Rex, 1997). In Europa setzen lediglich Belgien und Litauen vollständig auf eine gefängnisinterne psychiatrische Versorgung; in England, Wales, Irland, Norwegen und Zypern erfolgt die Versorgung ausschließlich durch Dienste der Allgemeinpsychiatrie. Die übrigen Staaten, wie auch die meisten deutschen Bundesländer, praktizieren eine „Mischversorgung“, also eine Behandlung psychisch kranker Straftäter sowohl durch interne Gefängnisdienste als auch durch allgemeinpsychiatrische Einrichtungen (Salize & Dressing, 2008). Eine genaue Erfassung der psychiatrischen Prävalenz und der erbrachten Leistungen wird hierdurch zusätzlich erschwert. Zudem stößt die stationäre Behandlung psychisch 23 kranker Straftäter in allgemeinpsychiatrischen Einrichtungen häufig auf Sicherheitsbedenken sowohl von Seiten der Vollzugsbehörden als auch der Allgemeinen Psychiatrie. Kliniken lehnen die Behandlung Gefangener folglich entweder vollständig ab oder genehmigen sie nur in seltenen Fällen. In der Praxis zeigt sich außerdem, dass insbesondere chronisch psychisch Kranke sich im Alltagsbetrieb eines Gefängnisses häufig nicht auffällig bemerkbar machen und somit selten einem internen oder externen Psychiater vorgestellt werden. Die psychiatrische Versorgung von Gefangenen ist also nicht nur von der Verfügbarkeit der Versorgung, sondern vor allem auch vom Grad der Verhaltensauffälligkeit abhängig (Konrad, 2003). Dies hat zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit einer adäquaten Behandlung weiter reduziert wird. Die Frage, ob die Versorgung strafrechtlich verurteilter und psychisch erkrankter Personen zwischen den Institutionen sinnvoller aufgeteilt werden kann, ist damit Inhalt einer innerpsychiatrischen Debatte. Die Aufgabe zukünftiger Forschung besteht hingegen weiterhin in einer Erfassung psychiatrischer Erkrankungen bei Gefangenen des regulären Strafvollzugs, einer Gegenüberstellung der Befunde mit klinischen und allgemeinpsychiatrischen Stichproben sowie der Formulierung von Handlungsrichtlinien hinsichtlich einer angemessenen, der allgemeinen Psychiatrie gleichgestellten psychiatrischen Versorgung. Abschließend sind die Limitationen der Arbeit zu erwähnen. Die Ergebnisse der durchgeführten Querschnittstudien sind repräsentativ für die Populationen der an der Erhebung beteiligten nationalen und internationalen Justizvollzugsanstalten. Eine Generalisierbarkeit auf die Gesamtpopulation der Gefangenen ist nur eingeschränkt möglich. Zur Erfassung traumatischer Erfahrungen und der psychischen Symptombelastung kamen Selbstbeurteilungsinstrumente zum Einsatz, die Angaben zu Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten entstammen Selbstauskünften. Die auf diese Weise gewonnenen Daten können damit Erinnerungsfehlern, Vermeidungstendenzen sowie Faktoren sozialer Erwünschtheit unterliegen. 24 5. Literaturverzeichnis Alonso, J., Angermeyer, M. C., Bernert, S., Bruffaerts, R., Brugha, T. S., Bryson, T. S. H., de Girolamo, G., de Graaf, R., Demyttenaere, R. K., Gasquet, R. K. I., Haro, J. M., Katz, J. M. S. J., Kessler, R. C., Kovess, R. C. V., Lépine, J. P., Ormel, J., Polidori, J. G., Russo, L. J., Vilagut, G., Almansa, J., Arbabzadeh-Bouchez, S., Autonell, J., Bernal, M., Buist-Bouwman, M. A., Codony, M., Domingo-Salvany, A., Ferrer, M., Joo, S. S., Martínez-Alonso, M., Matschinger, H., Mazzi, F., Morgan, Z., Morosini, P., Palacín, C., Romera, B., Taub, N. & Vollebergh, W. A. M. (2004). 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Freyberger und Carsten Spitzer Psychiatrische Praxis, 36, 1-6 2009 32 7".8.'%&%"9#./ :;< 5-% 6&7./8%#9 ,3:(;-3(;%& <&)&/#)'#=%# >%- ?%*7#=#-3-#3/33%# @-0 A'&99%-030&/*% !"#$%&'(($ )*( $'&$" &+",,$*-(./$& 0)1-)&(-)2- !"#$%&' B/#'%8/ 5'$%()CD 5/#-%8 A",,CD 6;-8-,, A'2%&0CD AE 5&%#);/;#FD !E G&8">HD IE JE K+0;HD I/&/8$ JE L&%:>%&=%&CD M/&30%# !,-09%&N (')#*#"#& :'$ ;&(-'-*-()&#)%$& ('&, )5 !&,$ ,$( <$'-")#( #$2'(-$-= +,-./))&.01%#&% ! >-")1#$1)&#$&$ ! ! ?./($@;@>-A"*&#$& ! ! 6$"(A&2'./B$'-((-A"*&# ! ! >*'C',)2'-D! ! )22#$5$'&$ 6(9./+@ ! E)-/+2+#'$ >")8??&'98))"'7 2&3 0$%4) ! E"'(+&$"( ! ! 5$&-)2 ,'(+",$" ! ! E$"(+&)2'-9 ,'(+",$" ! ! (*'.',$ ! ! #$&$")2 E(9./+E)-/+2+#9 ! 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Freyberger und Manuela Dudeck Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, 77, 152-159 2009 39 152 Originalarbeit Psychische Störungen und Kindheitstraumata bei Strafgefangenen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung Psychiatric Disorders and Childhood Trauma in Prisoners with Antisocial Personality Disorder Autoren Institute b Schlüsselwörter Sonderdruck für private Zwecke des Autors ▶ antisoziale ● ▶ ● ▶ ● ▶ ● Persönlichkeitsstörung Traumata Gefängnis Kriminalität Key words ▶ antisocial personality ● disorder ▶ childhood trauma ● ▶ prison ● ▶ criminality ● Bibliografie DOI 10.1055/s-0028-1109150 Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ∙ New York ∙ ISSN 0720-4299 Korrespondenzadresse Dipl.-Psych. Daniel Kopp Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald am Hanseklinikum Stralsund Rostocker Chaussee 70 18435 Stralsund [email protected] D. Kopp1, C. Spitzer2, P. Kuwert1, S. Barnow3, S. Orlob4, H. Lüth5, H. J. Freyberger1, M. Dudeck1 Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet. Zusammenfassung Abstract ! ! Bisherige Studien belegen bei Gefängnisinsassen hohe Prävalenzraten psychischer Störungen und traumatischer Erlebnisse. Basierend auf einer Stichprobe von 102 männlichen deutschen Strafgefangenen wurden die Komorbidität sowie biografisch frühe Traumatisierungen von 72 Straftätern mit antisozialer Persönlichkeitsstörung (ASPS) erfasst. Weiterhin wurde der Einfluss der ASPS und früher Traumatisierungen auf die Gesamthaftdauer bzw. das Alter bei der ersten Verurteilung als Indikatoren für die Delinquenz untersucht. Es fanden sich hohe Komorbiditätsraten psychischer Störungen sowie eine hohe Prävalenz von Kindheitstraumatisierungen. Körperlicher Missbrauch stellte einen Prädiktor für eine längere Gesamthaftdauer dar, das Vorliegen einer ASPS war mit früher Erstverurteilung signifikant korreliert. Die Studienergebnisse bestätigen die Hypothese, wonach es sich bei Strafgefangenen mit ASPS um eine erheblich traumatisierte Population mit schwerwiegenden psychischen Problemen handelt. Traumatische Kindheitserlebnisse bzw. Antisozialität haben einen Einfluss auf Kriminalitätsvariablen. Die Studienergebnisse unterstreichen die Bedeutung präventiver Maßnahmen sowie therapeutischer Konsequenzen seitens der Strafvollzugsbehörden. Previous studies indicate high prevalence rates of mental disorders and trauma among prisoners. Based on a sample of 102 male German prisoners, the comorbidity and childhood trauma experiences in 72 criminals with antisocial personality disorder were investigated. Furthermore, associations of antisocial personality disorder and early traumatic experiences with the age at first conviction and the lifetime months of imprisonment were examined. Subjects had high rates of comorbid lifetime and current disorders as well as childhood trauma experiences. Physical abuse in childhood and adolescence was identified as a predictor for lifetime months of imprisonment, antisocial personality disorder was found to be a predictor for the age at first conviction. Our findings confirm the hypothesis of prisoners with antisocial personality disorder being a severely traumatized population with serious mental disorders. Traumatic childhood experiences and antisocial personality disorder are associated with criminality variables. This has important implications on preventive treatments as well as on how prison services are addressing these problems. Einleitung Bei Strafgefangenen deutscher Haftanstalten lagen die Auftretenshäufigkeiten psychiatrisch relevanter Diagnosen zwischen 40 % [11] und 81,6 % [10]. Den größten Anteil hieran hatten in letztgenannter Studie die Suchterkrankungen (67,1 %), gefolgt von Angsterkrankungen (36,8 %), affektiven (19,7 %) und psychotischen Störungen (13,2 %). Die häufigste Persönlichkeitsstörung war die antisoziale Persönlichkeitsstörung (32,9 %). ! Laut Statistischem Bundesamt [1] befanden sich im März 2007 in Deutschland 75 719 Personen im geschlossenen oder offenen Justizvollzug. Bisherige Studien belegen, dass es sich bei Strafgefangenen und forensischen Patienten um eine erheblich traumatisierte Population [2 – 8] mit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhten Prävalenzraten psychischer Störungen handelt [9 – 12]. Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 40 Originalarbeit 2. Wie unterscheiden sich Strafgefangene mit ASPS hinsichtlich Art und Schwere früher Traumatisierungen von Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung? 3. Welche Bedeutung haben antisoziale Persönlichkeitsstörung und Traumata für die Gesamthaftdauer (frühere und aktuelle Haftstrafen zusammengefasst)? 4. Welche Bedeutung haben antisoziale Persönlichkeitsstörung und Traumata für das Alter bei der ersten Verurteilung? b Methode ! Die vorliegende Untersuchung wurde mit Zustimmung der Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommerns (Reg.-Nr.: III UV 58 /06) und des Justizministeriums in der Justizvollzugsanstalt Stralsund (M-V) durchgeführt. Diese Einrichtung hat eine Belegungsfähigkeit von 140 Haftplätzen (20 für Untersuchungsgefangene und 120 für Strafgefangene) und ist zuständig für männliche Erwachsene mit Haftstrafen von bis zu 3 Jahren. Die aktuelle Haftstrafe lag daher bei allen Teilnehmern unter dieser Grenze. Die Probanden mussten zwischen 18 und 65 Jahre alt sein und durften keine Intelligenzminderung aufweisen. Der Intelligenzquotient wurde mittels MWT-B [21] bestimmt. Personen mit hirnorganischer oder akuter psychotischer Störung wurden anhand der Gesundheitsakte identifiziert und ebenso wie Strafgefangene in Untersuchungshaft oder ohne Kenntnis der deutschen Sprache von der Studie ausgeschlossen. Die Erhebung der Daten an 102 männlichen, deutschen Strafgefangenen erfolgte als Querschnittsuntersuchung im Zeitraum von November 2006 bis Juni 2007. Für jeden Probanden wurden 2 Testtermine im Abstand einer Woche angesetzt. Die beiden Untersuchungstermine dienten der Durchführung der Interviews, die Zwischenzeit war für die Bearbeitung der Selbstbeurteilungsinstrumente vorgesehen. Alle Testsitzungen wurden unter Ausschluss dritter Personen in abgeschlossenen Besuchsräumen der JVA Stralsund durch geschulte Interviewer des Forschungsprojekts durchgeführt. Die Probanden wurden entweder vom Gefängnispersonal oder von Mitarbeitern der Studie geworben und über Sinn und Ablauf der Untersuchung aufgeklärt. Bereits im Erstkontakt wurde betont, dass die Untersuchung nicht mit der Möglichkeit therapeutischer Maßnahmen in Verbindung steht. Es erfolgte eine schriftliche Datenschutz- sowie Einverständniserklärung zur Teilnahme an der Studie. Alle Probanden nahmen freiwillig an der Untersuchung teil. Als Aufwandsentschädigung erhielten die Probanden nach erfolgter Teilnahme 40 Gramm Tabak. Insgesamt konnten 102 Personen in die Studie eingeschlossen werden. Die Teilnehmer beteiligten sich vollzählig an dem zur Erfassung der Achse-I-Störungen notwendigen Interview des ersten Testtermins. Das Interview zur Erfassung der Persönlichkeitsstörungen während des zweiten Testtermins konnte hingegen nur bei 99 Strafgefangenen durchgeführt werden, da drei Probanden einen zweiten Termin ablehnten. Die Fragebogen, die zur Erfassung der Kindheitstraumata dienten, wurden von 92 Strafgefangenen vollständig bearbeitet. Die Diagnostik psychischer Störungen der DSM-IV-Achsen I und II wurde mithilfe der strukturierten klinischen Interviews für DSM-IV (SKID I und SKID II [22]) durchgeführt. Dem SKID II Interview wurde konzeptionsgemäß ein Screening-Fragebogen vorgeschaltet. Sowohl für das SKID I als auch für das SKID II Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 41 Sonderdruck für private Zwecke des Autors Die Prävalenzraten traumatischer Erfahrungen bei Strafgefangenen sind ebenfalls durchgängig hoch und schwanken in internationalen Studien je nach eingesetztem Erfassungsinstrument zwischen 41 % und 69,7 % [3 – 5]. In einer Untersuchung an deutschen Strafgefangenen [2] berichteten 50 % der männlichen Inhaftierten von emotionalem Missbrauch (z. B.: „Als ich aufwuchs, sagten Personen aus meiner Familie verletzende oder beleidigende Dinge zu mir“ [13]), ebenfalls 50 % von körperlichem Missbrauch und 15,8 % von sexuellem Missbrauch in Kindheit oder Jugend. Emotional vernachlässigt wurden 76,3 %, körperlich vernachlässigt 43,4 % der Befragten. Strafgefangene mit ASPS stellen eine zahlenmäßig bedeutsame Untergruppe der Gefangenenpopulation mit hoher Therapieresistenz und Rückfallquote dar. Es werden Prävalenzraten von 32,9– 47% berichtet [10, 12]. Untersuchungen zur Komorbidität der ASPS mit anderen psychischen Störungen bei Strafgefangenen bzw. zur Traumaprävalenz von Häftlingen mit ASPS sind bislang nicht publiziert worden. Ebenso wenig wurde nach unserem Kenntnisstand der Frage nachgegangen, ob sich antisoziale Strafgefangene hinsichtlich ihrer traumatischen Erfahrungen, der Art und Häufigkeit ihrer psychischen Störungen oder bestimmter Kriminalitätsvariablen von Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung (PS-) unterscheiden. Die ASPS ist sowohl über das Vorliegen bestimmter Persönlichkeitseigenschaften als auch über kriminelles Verhalten definiert [14]. In einer Studie an 472 Strafgefangenen [15] zeigten Personen mit ASPS mehr und schwerwiegenderes kriminelles Verhalten als solche ohne diese Diagnose. Es liegen jedoch kaum Untersuchungen darüber vor, wie sich das Vorliegen dieser Störung auf Delinquenzindikatoren, beispielsweise auf die Haftdauer, die Schwere und Art des Delikts oder das Alter bei der ersten Verurteilung auswirkt. Einige Untersuchungen haben sich außerdem mit dem Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen im Kindesalter und späterem delinquenten Verhalten befasst. Mögliche Variablen sind hierbei einerseits Art und Schwere der Traumatisierung, andererseits die Haftdauer, die Anzahl früherer Verurteilungen oder der Beginn der kriminellen Aktivität. In einer Studie an deutschen Strafgefangenen [2] wurde keine Assoziation zwischen der Schwere der Traumatisierung und der Anzahl früherer Verurteilungen sowie der Dauer der Haftstrafe gefunden. Ein signifikant negativer Zusammenhang bestand jedoch zwischen der Schwere der Traumatisierung und dem berichteten Alter bei der ersten Straftat. Auch aus einer prospektiven Studie [16] geht hervor, dass missbrauchte und vernachlässigte Personen früher straffällig werden als solche ohne traumatische Erfahrungen. Weiterhin erhöhte eine Traumatisierung im Kindesalter das Risiko, als Jugendlicher bzw. Erwachsener inhaftiert zu werden, um etwa 50 %. Aus dem deutschen Sprachraum liegen bislang einige Studien zur Art und Schwere von Traumata und psychischen Erkrankungen bei Strafgefangenen und forensischen Patienten vor [2, 10, 11, 17 – 19]. Ein Großteil der deutschen Strafgefangenen (86 %) [20] verbüßt Haftstrafen mit einer Dauer unter 5 Jahren. Keine uns bekannte Studie befasst sich explizit mit der Untersuchung dieser Population oder der Untersuchung von Strafgefangenen mit ASPS. Vor dem Hintergrund der genannten Befunde untersuchten wir ausschließlich Kurzzeitstrafgefangene mit ASPS hinsichtlich folgender Fragestellungen: 1. Wie unterscheiden sich Strafgefangene mit ASPS hinsichtlich Art und Häufigkeit psychiatrischer Erkrankungen von Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung? 153 Sonderdruck für private Zwecke des Autors 154 Originalarbeit (bzw. seine Vorgängerversionen) kann von befriedigenden psychometrischen Befunden ausgegangen werden [23 – 27]. Zur Erfassung von Traumatisierungen im Kindes- und Jugendalter wurde die Kurzform des Childhood Trauma Questionnaire [28] in der deutschen Bearbeitung von Rodewald [13] angewandt. Der CTQ ist ein Selbstbeurteilungsinstrument zur retrospektiven Erfassung von Missbrauch und Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter. Die Skalen des CTQ umfassen Missbrauch (mit 3 Subskalen: emotional, körperlich und sexuell) und Vernachlässigung (mit 2 Subskalen: emotional und körperlich). Die Subskalen bestehen aus jeweils 5 Items. Der Proband beurteilt das Auftreten traumatischer Erfahrungen auf einer 5-stufigen Likert-Skala, die von „gar nicht“ (1) bis „sehr häufig“ (5) reicht. Der Score jeder Subskala reicht von 5 Punkten (kein Missbrauch oder Vernachlässigung in der Vergangenheit) bis zu 25 Punkten (extreme Erfahrungen von Missbrauch oder Vernachlässigung). Anhand von Cut-off-Werten kann zudem eine Schweregradbeurteilung der Traumatisierung vorgenommen werden. Hierbei wird zwischen 4 Kategorien („keine“, „leicht“, „mäßig“ und „schwer“) unterschieden. In bisherigen Untersuchungen zeichnet sich eine gute psychometrische Qualität des Fragebogens ab [29 – 32]. Als Delinquenzindikatoren wurden die Gesamthaftdauer und das Alter bei der ersten Verurteilung im Rahmen einer mündlichen Befragung anhand eines standardisierten Behandlerbogens erhoben und darüber hinaus nach Entbindung von der Schweigepflicht mit den Auskünften des Bundeszentralregisters (BZR) abgeglichen. In der Gesamthaftdauer sind sowohl die aktuelle Haftstrafe als auch alle in der Vergangenheit verbüßten Haftstrafen zusammengefasst. Alle statistischen Auswertungen wurden mithilfe des Statistical Package for the Social Sciences (SPSS for Windows, Version 11,5) erstellt. Um Gruppenunterschiede bei kategorialen Daten zu testen, wurde der Chi-Quadrat-Test angewandt. Waren die Voraussetzungen für diesen Test bei einer Zellhäufigkeit kleiner als 5 nicht erfüllt, wurde Fishers exakter Test gerechnet. Mittelwertsunterschiede zweier unabhängiger Stichproben wurden mithilfe des t-Tests auf Signifikanz überprüft. Der Einfluss der Prädiktoren „Antisoziale Persönlichkeitsstörung“ und „Kindheitstraumata“ (getrennt für 3 Arten des Missbrauchs und 2 Arten der Vernachlässigung) auf das Kriterium „Gesamthaftdauer“ bzw. „Alter bei der ersten Verurteilung“ wurde mittels Regressionsanalyse bestimmt, wobei das aktuelle Alter kontrolliert wurde. Um die kategoriale Variable „Antisozialität“ einführen zu können, wurde diese zunächst mittels einer Dummy-Kodierung dichotomisiert. Als Verfahren kam die Methode „Einschluss“ zur Anwendung. b Ergebnisse ! häufiger aufgrund von Gewaltdelikten inhaftiert (33,8 %) als die Vergleichsgruppe ohne PS (5,3 %). Die große Mehrheit der Strafgefangenen mit ASPS (95,8 %) hatte in ihrem bisherigen Leben irgendeine Achse-I-Störung, wobei sich die durchschnittliche Anzahl der Achse-I-Störungen auf 1,3 (SD = 0,7), die der Achse-II-Störungen auf 2,2 (SD = 1,5) ▶ Tab. 2). Substanzabhängigkeiten stellten mit 76,4 % belief (● die häufigste Störungsgruppe dar, gefolgt von Angst- (26,4 %) und affektiven Störungen (13,9 %). ▶ Tab. 3 hervorgeht, war die häufigste komorbide Wie aus ● Achse-II-Störung die Borderline-Persönlichkeitsstörung (19,4 %). Im Vergleich zu Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung wurde bei Probanden mit ASPS mehr als doppelt so häufig eine Achse-I-Störung und fast 4-mal so häufig eine Substanzabhängigkeit diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung wiesen 61,1 % der Strafgefan▶ Tab. 4). genen mit ASPS eine Achse-I-Störung auf (PS-: 30,0 % ● Vorherrschend war auch bei den aktuellen Störungen die Substanzabhängigkeit (ASPS: 40,3 % vs. PS-: 20,0 %). Angststörungen traten unter den antisozialen Strafgefangenen bei 20,8 % (PS-: 10,0 %) der Befragten auf, affektive Störungen bei 8,3 % (PS-: 5,0 %). Annähernd drei Viertel der Strafgefangenen berichteten trau▶ Tab. 5). matische Erfahrungen in Kindheit und Jugend (● 78,8 % der antisozialen Strafgefangenen gaben mindestens ein Trauma an und unterschieden sich damit signifikant von den Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung (52,6%). Unter emotionalem Missbrauch litten 39,4 %, unter körperlichem Missbrauch 34,9 %, unter sexuellem Missbrauch 15,8 %, unter emotionaler Vernachlässigung 66,7 % und unter körperlicher Vernachlässigung 48,5 % der antisozialen Strafgefangenen. Hinsichtlich der Bedeutung der beiden unabhängigen Variablen ASPS und Traumata (einzelne Berücksichtigung der 5 verschiedenen Arten von Vernachlässigung und Missbrauch) für die Gesamthaftdauer leisteten die Variablen körperlicher Missbrauch (β = 0,329; p = 0,048) und körperliche Vernachlässigung (β = –0,371; p = 0,015) einen signifikanten Beitrag zur ▶ Tab. 6). Insgesamt wurVorhersage der Kriteriumsvariablen (● den 21 % der Varianz bezüglich der Gesamthaftdauer aufgeklärt. Zur Vorhersage des Alters bei der ersten Verurteilung leistete nur die Variable ASPS (β = –2,249; p = 0,004) einen ▶ Tab. 7). Insgesamt wurden 50,1 % der signifikanten Beitrag (● Varianz bezüglich des Alters bei erster Verurteilung aufgeklärt. Von den 102 untersuchten Studienteilnehmern wiesen 72 Probanden eine antisoziale (ASPS) und 20 Probanden keine Persönlichkeitsstörung (PS-) auf. Die antisozialen Strafgefangenen waren signifikant jünger (28,7 ± 7,2 Jahre) als die Häftlinge ▶ Tab. 1). ohne Persönlichkeitsstörung (38,2 ± 9,1 Jahre, ● Probanden mit ASPS befanden sich in der Vergangenheit signifikant häufiger in stationärer psychiatrischer Behandlung (36,6 vs. 5,3 %), wiesen eine signifikant höhere aktuelle Haftstrafe (21,6 vs. 11,2 Monate) und ein signifikant niedrigeres Alter bei der ersten Verurteilung auf (17,7 vs. 25,8 Jahre) als Studienteilnehmer ohne PS. Außerdem waren sie aktuell signifikant Diskussion ! In der vorliegenden Studie wurden psychische Komorbidität und biografisch frühe Traumatisierungen Kurzzeitstrafgefangener mit ASPS erfasst und mit denen der Strafgefangenen ohne Persönlichkeitsstörung verglichen. Weiterhin überprüften wir den Einfluss der ASPS und der Traumata auf die Gesamthaftdauer und das Alter bei der ersten Verurteilung als Indikatoren für die Delinquenzschwere. Als wesentlicher Befund ist die außerordentlich hohe Lebenszeitprävalenz komorbider Störungen bei Strafgefangenen mit ASPS zu nennen: 95,8 % berichteten von mindestens einer Achse-I-Störung. In Übereinstimmung mit einer anderen Studie an Strafgefangenen [10] machten Suchterkrankungen den größten Anteil aus (76,4 %). Der Zusammenhang zwischen ASPS und Substanzabhängigkeit beschränkt sich dabei nicht auf deliquente Personen, sondern findet sich auch in der Allgemeinbe- Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 42 Originalarbeit 155 Tab. 1 Demografische und Kriminalitätsvariablen.1 demografische Variablen Alter (MW, SA) total ASPS PS- (n = 102) (n = 72) (n = 20) 31,2 (9,0) 28,7 (7,2) 38,2 (9,1) 7,9 8,3 10,5 Familienstand (%) verheiratet/mehr als ein Jahr zus. getrennt lebend 4,0 1,4 10,5 geschieden 5,0 2,8 15,8 83,2 87,5 63,2 8,9 9,7 5,3 mindestens 8 Klassen 52,5 55,6 47,4 mindestens 10 Klassen 37,6 33,3 47,4 1,0 1,4 0 2,0 2,8 0 ledig p –4,176 0,000** 9,60 0,022* b höchster Schulabschluss (%) Sonderschule oder weniger als 8 Kl. Abitur χ2 /t 1,61 Beruf (%) in Ausbildung Universität/Fachhochschule 0,658 13,83 0,008** 1,0 1,4 0 ungelernt 39,6 51,4 10,5 Arbeiter mit Lehre 53,5 41,7 89,5 4,0 2,8 0 früherer Aufenthalt in psych. Klinik 31,0a 36,6 c 5,3 7,02 0,008** frühere ambulante psych. Behandl. 20,0 a 19,7 c 21,1 g 1,000 Selbstverletzung (Ritzen, Brandw.) 13,9 16,7 0 g 0,064 Suizidalität in der Anamnese 15,0 a 16,9 c 0 g 20,8 a (18,5) 21,6 c (17,9) 11,2 (10,0) –2,43 0,017* Gewaltdelikt 30,0 a 33,8 c 5,3 6,09 0,014* Eigentumsdelikt 64,0 a 64,8 c 68,4 0,09 0,767 1,0 a 1,4 c 0 g 1,000 Angestellter aktuelle Haftstrafe in Monaten (MW, SA) 0,111 aktueller Inhaftierungsgrund (%) Brandstiftung 6,0a 4,2 c 10,5 g 0,284 Verkehrsdelikt 23,0 a 25,4 c 21,1 g 1,000 Substanzeinfluss 22,0 a 21,1 c 15,8 g 0,754 Beschaffungskriminalität 12,0 a 16,9 c 0 g 0,064 Gesamtanzahl Verurteilungen (MW, SA) 7,8 a (4,7) 8,3 c (4,9) 6,5 (3,4) 1,48 0,142 Alter bei 1. Verurteilung (MW, SA) 19,9 a (7,7) 17,7 d (5,7) 25,8 (9,4) –3,74 Anzahl früherer Inhaftierungen (MW, SA) 2,1 a (3,6) 2,1 c (3,2) 1,6 (2,7) 0,64 0,526 Alter bei 1. Inhaftierung (MW, SA) 23,7 b (8,6) 21,7 e (6,6) 31,0 f (10,3) –1,76 0,092 42,9 a (35,6) 46,3 c 35,8) 30,1 (36,6) 1,75 0,084 Sexualdelikt Gesamthaftstrafe in Monaten (MW, SA) 1 0,001** * p < 0,05; ** p < 0,01; an = 100; bn = 85; cn = 71; dn = 69; en = 64; fn = 16 (abweichende Fallzahlen aufgrund fehlender Daten); gExakter Test nach Fisher. völkerung und in klinischen Stichproben [33 – 35]. In einer amerikanischen Studie [36] erfüllten 28,6 % der Alkoholabhängigen aus der Allgemeinbevölkerung die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung, wobei die Beziehung zwischen Alkoholabhängigkeit und ASPS mit 12,3 % am stärksten ausgeprägt war. Aus klinischen Stichproben geben die Autoren zweier deutscher Studien die Prävalenz der ASPS bei alkoholabhängigen Patienten mit 4,4 % [37] bzw. 19,1 % [38] an. Ungefähr jeder vierte antisoziale Häftling hatte in seinem bisherigen Leben eine Angststörung, jeder siebte eine affektive Störung. Die häufigste komorbide Achse-II-Störung stellte die Borderline-Persönlichkeitsstörung dar. Die Befunde decken sich weitgehend mit den Ergebnissen einer vergleichbaren Studie an deutschen Strafgefangenen [10]. Studien aus klinischen Settings berichten hingegen deutlich höhere Prävalenzraten komorbider Persönlichkeitstörungen der ASPS [39, 40]. Es wird davon ausgegangen, dass antisoziale Personen in stationären Einrichtungen primär aufgrund anderer Störungen behandelt werden [39]. Zusammenfassend litten die antisozialen Strafgefangenen der vorliegenden Stichprobe signifikant häufiger an psychischen Achse-I-Erkrankungen und hatten durchschnittlich signifikant mehr Achse-I-Störungen als Häftlinge ohne Persönlichkeitsstörung. Für die aktuellen psychischen Störungen ergab sich in dieser Hinsicht ein ähnliches Bild, allerdings mit insgesamt niedrigeren Auftretenshäufigkeiten der psychischen Störungen in beiden Gruppen. Die Erfassung früher Traumatisierungen bestätigte die hohen Prävalenzraten einer früheren Studie an deutschen Strafgefangenen [2]. Knapp 4 von 5 Strafgefangenen mit ASPS litten in ihrer Kindheit und Jugend unter mindestens einem traumatischen Erlebnis. Hinsichtlich der beiden untersuchten Gruppen Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 43 Sonderdruck für private Zwecke des Autors psychiatrische Variablen (%) 156 Originalarbeit Tab. 2 Prozentuale Häufigkeiten bzw. Mittelwerte der (komorbiden) Lifetime-Störungen (Achse-I) nach DSM-IV.1 psychische Achse-I-Störung gemäß DSM-IV (%) PS- (n = 102) (n = 72) (n = 20) 100 χ2 /t p 0,000** irgendeine psychische Störung 88,2 40,0 a 83,3 95,8 40,0 a Anzahl Achse-I-Störungen (MW, SA) 1,2 (0,8) 1,3 (0,7) 0,7 (0,9) Bipolar-II-Störung 1,0 1,4 0 a 1,000 Major Depression 7,8 9,7 5,0 a 0,681 substanzinduzierte affekt. Störung 1,0 0 5,0 a 0,217 11,8 13,9 10,0 a 1,000 psychotische Störung NNB 1,0 1,4 0 a 1,000 irgendeine psychotische Störung 1,0 1,4 0 a 45,1 51,4 20,0 0,000** 3,11 0,005** b Alkoholabhängigkeit 1,000 6,24 0,021* Alkoholmissbrauch 19,6 22,2 20,0 a Substanzabh. (Alk. + Drogen) 63,7 76,4 20,0 21,64 0,000** Substanzmissbr. (Alk. + Drogen) 10,8 9,7 15,0 a 0,449 1,000 Panikstörung 2,9 2,8 5,0 a 0,525 soziale Phobie 4,9 6,9 0 a 0,582 11,8 13,9 5,0 a 0,445 Zwangsstörung 2,9 2,8 5,0 a 0,525 PTBS 5,9 6,9 0 a 0,582 22,5 26,4 10,0 a 0,145 Bulimia Nervosa 1,0 1,4 0 a 1,000 Störung mit Essanfällen 1,0 1,4 0 a 1,000 irgendeine Essstörung 1,0 1,4 0 a 1,000 Anpassungsstörung 6,9 5,6 5,0 a 1,000 spezifische Phobie irgendeine Angststörung Sonderdruck für private Zwecke des Autors ASPS irgendeine Achse-I-Störung irgendeine affektive Störung 1 total Aufgeführt werden nur mindestens einmal diagnostizierte Störungen. a Exakter Test nach Fisher; * p < 0,05; ** p < 0,01. Tab. 3 Prozentuale Häufigkeiten bzw. Mittelwerte der (komorbiden) LifetimeStörungen (Achse-II) nach DSM-IV. psychische Achse-II-Störung gemäß DSM-IV total (%) (n = 99) ASPS (n = 72) Irgendeine Achse-II-Störung 79,8 100 Anzahl Achse-II-Störungen (MW, SA) 1,8 (1,6) 2,2 (1,5) selbstunsichere Persönlichkeitsstörung 9,1 11,1 dependente Persönlichkeitsstörung 5,1 5,6 zwanghafte Persönlichkeitsstörung 14,1 13,9 negativistische Persönlichkeitsstörung 10,1 13,9 depressive Persönlichkeitsstörung 5,1 6,9 paranoide Persönlichkeitsstörung 14,1 16,7 schizotypische Persönlichkeitsstörung schizoide Persönlichkeitsstörung 3,0 2,8 12,1 13,9 histrionische Persönlichkeitsstörung 7,1 6,9 narzisstische Persönlichkeitsstörung 9,1 9,7 Borderline-Persönlichkeitsstörung 16,2 antisoziale Persönlichkeitsstörung 72,7 19,4 100 (ASPS vs. PS-) ließ sich ein Trend hin zu schwereren und häufigeren Traumatisierungen unter den antisozialen Häftlingen ablesen (ausgenommen die Kategorie sexueller Missbrauch). Befunden von Driessen und Mitarbeitern [2] zufolge gehen schwerere Traumatisierungen mit höheren Prävalenzraten für die antisoziale Persönlichkeitsstörung einher. Interessanterweise leisteten nur die beiden CTQ-Kategorien körperlicher Missbrauch und körperliche Vernachlässigung, jedoch nicht die Diagnose einer ASPS einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage der Gesamthaftdauer. Eine hohe Ausprägung auf der Dimension körperlicher Missbrauch stellte hierbei einen Prädiktor für eine längere Gesamthaftdauer dar. Dies be- stätigt die Hypothese des „Cycle of violence“ [16], wonach Opfer von Gewalt in ihrem späteren Leben selbst gewalttätig werden, was für schwerere Straftaten und damit längere Haftstrafen sprechen könnte. Hingegen konnte die Arbeitsgruppe um Driessen [2] keinen Zusammenhang zwischen der Schwere der Traumatisierung und der Gesamthaftdauer finden, jedoch einen Trend hin zu einer längeren Gesamthaftstrafe bei schwereren Traumatisierungen. Der Befund einer niedrigen Ausprägung körperlicher Vernachlässigung als Prädiktor einer längeren Gesamthaftdauer bedarf weiterer Untersuchungen. Das Vorliegen einer ASPS war der einzige signifikante Prädiktor für ein früheres Alter bei der ersten Verurteilung. Dieses Ergebnis ist vor allem vor dem Hintergrund des Diagnosekriteriums der antisozialen Persönlichkeitsstörung im DSM-IV [14] plausibel, wonach ein tief greifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer seit dem 15. Lebensjahr auftreten muss. Dies legt einen frühen Beginn delinquenten Verhaltens nahe. Kein Zusammenhang konnte in der vorliegenden Studie zwischen Art und Schwere der Traumata und dem Alter bei der ersten Verurteilung gefunden werden. Andere Autoren postulieren hingegen einen negativen Zusammenhang zwischen der Schwere der Traumata und dem Alter bei der ersten Straftat [2] bzw. einen früheren Beginn des delinquenten Verhaltens bei traumatisierten im Vergleich zu nicht traumatisierten Personen [16]. Eine Stärke und gleichzeitige Begrenzung der Studie liegt in der ausschließlichen Fokussierung auf Kurzzeitstrafgefangene, die unseres Wissens bislang nicht untersucht worden sind. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Langzeitstrafgefangene muss jedoch offen bleiben. Obwohl die Befunde für die JVA Stralsund repräsentativ sind, schränkt die relativ geringe Stichprobengröße die Generalisierbarkeit auf andere Kurzzeitstrafgefangene ein. Hinsichtlich der Erfassung kindlicher Traumati- Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 44 Originalarbeit 157 Tab. 4 Prozentuale Häufigkeiten bzw. Mittelwert der (komorbiden) aktuellen Störungen nach DSM-IV.3 ASPS PS- (n = 102) (n = 72) (n = 20) irgendeine Achse-I-Störung 52,0 61,1 30,0 6,12 0,013* Anzahl Achse-I-Störungen (MW, SA) 0,8 (0,8) 0,8 (0,8) 0,4 (0,8) –1,99 0,050 Bipolar I-Störung 4,9 6,9 0 a 0,582 Major Depression 3,9 5,6 5,0 a 0,573 Depression NNB 1,0 0 5,0 a 0,217 irgendeine affektive Störung 6,9 8,3 5,0 a 1,000 Psychotische Störung NNB 1,0 1,4 0 a 1,000 Irgendeine psychotische Störung 1,0 1,4 0 a 1,000 Alkoholabhängigkeit 20,6 23,6 20,0 Substanzabh. (Alk. + Drogen) 34,3 40,3 20,0 Panikstörung 2,0 1,4 5,0 a 0,389 soziale Phobie 3,9 5,6 0 a 0,573 spezifische Phobie 7,8 9,7 5,0 a 0,681 Zwangsstörung 2,9 2,8 5,0 a 0,525 PTBS 2,9 4,2 0 a 1,000 16,7 20,8 10,0 a 0,346 Hypochondrie 1,0 1,4 0 a 1,000 irgendeine Somat.störung 1,0 1,4 0 a 1,000 Bulimia Nervosa 1,0 1,4 0 a 1,000 Störung mit Essanfällen 1,0 1,4 0 a 1,000 irgendeine Essstörung 1,0 1,4 0 a 1,000 Anpassungsstörung 6,9 5,6 5,0 a 1,000 p b irgendeine Angststörung 1 χ2 /t total a 1,000 2,80 0,094 Aufgeführt werden nur mindestens einmal diagnostizierte Störungen. a Exakter Test nach Fisher; * p < 0,05. Tab. 5 Art und Schwere früher Traumatisierungen (gemessen mit dem CTQ). total ASPS PS- (n = 92) (n = 66) (n = 19) Gesamtscore (MW, SA) 41,9 (16,5) 42,9 (16,6) 37,4 (16,1) mind. ein traumat. Erlebnis (%) 72,8 78,8 52,6 64,1 16,3 9,8 9,8 60,6 18,2 10,6 10,6 73,7 10,5 5,3 10,5 69,6 5,4 12,0 13,0 65,2 7,6 15,2 12,1 84,2 0 5,3 10,5 87,0 3,3 6,5 3,3 90,9 4,5 4,5 0 78,9 0 10,5 10,5 42,4 30,4 8,7 18,5 33,3 37,9 7,6 21,2 78,9 5,3 10,5 5,3 53,3 18,5 14,1 14,1 51,5 19,7 15,2 13,6 57,9 15,8 15,8 10,5 emotionaler Missbrauch (%) keiner leicht mäßig schwer körperlicher Missbrauch (%) keiner leicht mäßig schwer sexueller Missbrauch (%) keiner leicht mäßig schwer emotionale Vernachlässigung (%) keine leicht mäßig schwer körperliche Vernachlässigung (%) keine leicht mäßig schwer χ2 /t p –1,27 0,207 5,11 0,024* 1,37 0,713 3,36 0,340 8,95 0,030* 14,47 0,002** 0,35 0,951 * p < 0,05; ** p < 0,01. Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 45 Sonderdruck für private Zwecke des Autors psychische Achse-I-Störung gemäß DSM-IV (%) 158 Originalarbeit Tab. 6 Regressionsanalytische Ergebnisse bezüglich der Gesamthaftdauer als abhängige Variable (n = 90). B SE 37,246 28,668 Alter 0,716 0,472 ASPS 7,283 4,966 emotionaler Missbrauch –1,141 körperlicher Missbrauch (Konstante) sexueller Missbrauch T β p 1,299 0,198 0,177 1,515 0,134 0,181 1,466 0,146 1,411 –0,141 –0,808 0,421 2,539 1,265 0,329 2,007 0,048* 0,081 –3,864 2,185 –0,210 –1,768 emotionale Vernachlässigung 0,740 0,906 0,115 0,816 0,417 körperliche Vernachlässigung –3,633 1,457 –0,371 –2,494 0,015* b * p < 0,05. Tab. 7 Regressionsanalytische Ergebnisse bezüglich des Alters bei der ersten Verurteilung als abhängige Variable (n = 90). B SE 10,827 4,548 0,399 0,074 0,509 5,396 0,000** –2,249 0,754 –0,293 –2,982 0,004** emotionaler Missbrauch 0,147 0,214 0,097 0,689 körperlicher Missbrauch –0,124 0,192 –0,084 –0,645 0,521 0,304 0,350 0,082 0,869 0,388 emotionale Vernachlässigung –0,022 0,138 –0,019 –0,162 0,872 körperliche Vernachlässigung –0,010 0,223 –0,005 –0,045 0,964 (Konstante) Alter ASPS Sonderdruck für private Zwecke des Autors sexueller Missbrauch β T p 2,381 0,020 0,493 * p < 0,05; ** p < 0,01. sierungen ist methodenkritisch zu berücksichtigen, dass alle Daten auf Selbstauskünften (CTQ) beruhen. Vor allem bei schambehafteten und emotional belastenden Themen wie sexuellem oder körperlichem Missbrauch kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Faktoren wie soziale Erwünschtheit oder Externalisierungs- und Verleugnungstendenzen zu Verzerrungen führen. Zudem liegen die berichteten Ereignisse oft viele Jahre zurück, womit die Angaben u. U. zusätzlich Erinnerungsfehlern unterliegen. Schließlich handelt es sich bei den antisozialen Häftlingen um eine definitionsgemäß [14] zur „Falschheit und zur Lüge“ neigende Untergruppe der Strafgefangenen. Die gemessene Belastung durch Kindheitstraumata dürfte die tatsächliche Intensität und Häufigkeit dieser Erfahrungen daher noch unterschätzen. Zusammenfassend belegt unsere Studie die außerordentlich hohe psychische Belastung von Strafgefangenen mit ASPS. Damit verbunden ist eine deutlich erhöhte Rate an Gewaltdelikten, ein niedrigeres Alter zum Zeitpunkt der ersten Verurteilung sowie höhere Prävalenzraten psychischer Störungen und früher Traumata. Die Dichotomie zwischen antisozialen Strafgefangenen und forensischen Patienten kann hiermit hinsichtlich der psychischen Erkrankungen infrage gestellt werden. Die Befunde unterstützen weiterhin Forderungen nach einer frühzeitigen Erkennung und gezielten Behandlung der ASPS und weisen auf die Bedeutsamkeit der Bearbeitung von traumatischen Kindheitserlebnissen hin. Das Training sozialer Kompetenzen [41], die dialektisch-behaviorale Therapie nach Linehan [42], die „Multisystemic Therapy“ nach Henggeler et al. [43] und das Empathietraining stellen in diesem Zusammenhang mögliche Therapieformen dar. Die hohen Prävalenzraten der Substanzabhängigkeiten erfordern suchtspezifische Therapieangebote bereits in Haft, beispielsweise mithilfe des „Motivational interviewing“ [44]. Die ASPD stellt die bis heute am schlechtesten zu behandelnde Persönlichkeitsstörung dar. Deshalb muss offen bleiben, ob eine gezielte Traumabehandlung emotionale Prozesse in Gang setzen kann, die den Weg für weitere Therapieformen ebnen können. Ein Vergleich der genannten Therapieformen erfordert randomisierte Kontrollstudien, eine Ausweitung der Untersuchung auf weitere Kurzbzw. Langzeitstrafgefangene bleibt weiteren Studien vorbehalten. Take Home Message Die untersuchte Stichprobe Kurzzeitstrafgefangener mit ASPS bewegt sich mit hohen Prävalenzraten psychischer Störungen (v. a. Suchterkrankungen), einer hohen Rate erlittener Traumatisierungen und vielfachen Voraufenthalten in psychiatrischen Einrichtungen im Grenzbereich zwischen Gefängnis, Psychiatrie und Forensik. Dies hat Behandlungsimplikationen hinsichtlich der Traumata sowie der ASPS und deren komorbider Erkrankungen. Die vorliegenden Ergebnisse indizieren außerdem eine psychiatrische Begutachtung antisozialer Strafgefangener abhängig vom Schweregrad der psychischen Erkrankung und nicht ausschließlich von der Schwere des Delikts. Institute 1 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-MoritzArndt Universität Greifswald am Hanseklinikum Stralsund 2 Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Klinikum Eilbeck (Schön Kliniken) 3 Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Psychologisches Institut 4 Praxis für forensisch-psychiatrische Begutachtung, Stralsund 5 Justizvollzugsanstalt Stralsund Kopp D et al. Psychische Störungen und… Fortschr Neurol Psychiat 2009; 77: 152 – 159 46 Literatur 1 Statistisches Bundesamt Deutschland. Zahl der Anstalten, Belegungsfähigkeit und Belegung am 31.3.2007. 22.03.2008. Verfügbar unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/ DE/Content/Statistiken/Rechtspflege/Justizvollzug/Tabellen/Content75 /Belegungskapazitaet,templateId = renderPrint.psml 2 Driessen M, Schroeder T, Widmann B et al. Childhood trauma, psychiatric disorders, and criminal behavior in prisoners in Germany: A comparative study in incarcerated women and men. J Clin Psychiatry 2006; 67: 1486–1492 3 Timmerman IG, Emmelkamp PM. The relationship between traumatic experiences, dissociation, and borderline personality pathology among male forensic patients and prisoners. J Personal Disord 2001; 15: 136–149 4 Weeks R, Widom CS. Self reports of early childhood victimization among incarcerated adult male felons. 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Freyberger, Carsten Spitzer und Manuela Dudeck Nervenarzt, 82, 880-885 2011 48 Originalien Nervenarzt 2010 DOI 10.1007/s00115-010-3066-9 © Springer-Verlag 2010 D. Kopp1 · K. Drenkhahn2 · F. Dünkel2 · H.J. Freyberger1 · C. Spitzer3 · S. Barnow4 · M. Dudeck1 1 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald am Hanseklinikum Stralsund, Stralsund 2 Lehrstuhl für Kriminologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald 3 Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Klinikum Eilbeck (Schön Kliniken), Hamburg-Eppendorf 4 Psychologisches Institut, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg Psychische Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland Zahlreiche Studien belegen, dass es sich bei Gefangenen um eine Population mit einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhten Prävalenz psychischer Störungen handelt. Langzeitgefangene sind in besonderem Maße den negativen Wirkungen des Freiheitsentzugs ausgesetzt, was je nach individuellen und institutionellen Voraussetzungen zu erheblichen psychischen Beeinträchtigungen führen kann [18]. Die Belastung durch psychische Symptome einschließlich Suizidalität und selbstverletzendem Verhalten wurde in diesem Zusammenhang nur in wenigen Studien untersucht. Vor diesem Hintergrund stellt die vorliegende Untersuchung eine vergleichende Gegenüberstellung der subjektiven Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome bei Lang- und Kurzzeitgefangenen dar. Am 31.08.2009 befanden sich in Deutschland 72.043 Personen im geschlossenen oder offenen Strafvollzug [22]. Für die Unterbringung psychisch kranker oder suchtkranker Straftäter ist der rechtlich entscheidende Faktor im zweispurigen deutschen System aus Strafen (§§ 38 ff. Strafgesetzbuch, StGB) und Maßregeln (§§ 61 ff. StGB) die Schuldfähigkeit bzw. ein Hang zu berauschenden Mitteln. Sofern die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt aufgrund einer seelischen Störung erheblich vermindert oder aufgehoben war bzw. der Täter einen Hang zu berauschenden Mitteln hat, die Tat aufgrund dieses Hangs oder im Rausch begangen wurde und aufgrund der seelischen Störung bzw. des Hangs weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, kann unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet werden. Für Straftäter mit einer psychiatrisch relevanten Störung existiert demzufolge im Maßregelvollzug („Forensik“) ein strafrechtliches Behandlungssystem, in welchem sie in erster Linie als Patienten betrachtet werden. Es gilt hierbei der gesetzliche Auftrag der „Besserung und Sicherung“. Im Fall verminderter Schuldfähigkeit ist ein „Neben-“ bzw. Nacheinander von Maßregel und Strafe möglich. Psychisch kranke Straftäter, bei denen die genannten Voraussetzungen im Strafverfahren nicht festgestellt werden, sind – sofern sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden – reguläre Insassen des Strafvollzugs. Auch diese Personen können bereits vor Haftantritt unter psychischen Störungen leiden oder im Verlauf des Gefängnisaufenthaltes psychisch erkranken. Die psychiatrische Versorgung dieser Personen soll in Deutschland sowohl in- tern über medizinische oder psychologische Gefängnisdienste und Vollzugskrankenhäuser als auch extern über allgemeinpsychiatrische Einrichtungen erfolgen. Zentral erhobene Daten liegen weder über interne und externe Behandlungskapazitäten (z. B. Anzahl der Psychiater und Psychologen im Strafvollzug oder psychiatrischen Betten) und die eigentliche psychiatrische Versorgung (z. B. Diagnoseund Behandlungsverfahren, Konsiliardienste externer Psychiater oder Psychologen, Anzahl der Überweisungen von Gefangenen an psychiatrische Krankenhäuser) noch über die Prävalenz psychiatrischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen vor. Es ist davon auszugehen, dass das Personal im Strafvollzug bei weitem nicht ausreicht, um ein adäquates Angebot zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen bereitzustellen. So teilten sich 2006 (31.01.) im deutschen Jugendvollzug durchschnittlich 67 Gefangene einen Psychologen, welcher dann vor allem Verwaltungsaufgaben wie die Entscheidung über Lockerungen wahrnimmt [7]. Bei der Einschätzung der psychiatrischen Morbidität ist man folglich auf Forschungsdaten angewiesen [17]. Bisherige Studien berichten in diesem Zusammenhang im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung übereinstimmend deutlich erhöhte Prävalenzraten psychiatrischer Erkrankungen bei Gefängnisinsassen [5, 6, 9, 14, 16, 19, 20]. In zwei UnterDer Nervenarzt 2010 49 | 1 Originalien suchungen an deutschen Gefangenen lag die Lebenszeitprävalenz psychiatrischer Achse-I-Störungen bei männlichen Delinquenten zwischen 81,6% [19] und 83,3% [5], die Auftretenshäufigkeit von Persönlichkeitsstörungen zwischen 43,4% [19] und 79,8% [5]. Den größten Anteil hieran hatten in zweitgenannter Studie die substanzbezogenen Störungen (63,7%), gefolgt von den Angsterkrankungen (22,5%) und den affektiven Störungen (11,8%). Bei 72,7% aller Untersuchten wurde eine antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die Messung der psychischen Symptombelastung mittels der Symptomcheckliste SCL-90-R [10] (Langform des Brief Symptom Inventory, BSI [3]) ergab in einer deutschen Studie [2] eine behandlungsbedürftige Belastung bei 54,9% der 239 untersuchten Gefangenen. Bei jugendlichen und heranwachsenden Häftlingen (zu 86% in Untersuchungshaft) zeigte sich in einer weiteren deutschen Studie [12] eine psychische Gesamtbelastung, welche in ihrer Ausprägung zwischen der Belastung Gefangener [2] und einer klinischen Gruppe von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen [10] liegt und sich damit den Kennziffern klinischer Populationen annähert. Vergleichende Untersuchungen zwischen kurz- und längerfristig Inhaftierten, welche Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Haft zulassen, wurden unseres Wissens bislang nicht durchgeführt. Die Ursachen für eine erhöhte Prävalenz psychischer Störungsbilder unter Gefängnisinsassen des regulären Strafvollzugs sind vielfältig: Psychische Erkrankungen können einerseits bereits vor Haftantritt bestehen und aufgrund mangelhafter Screening- und Diagnoseverfahren nicht diagnostiziert werden oder zum Zeitpunkt der Inhaftierung remittiert sein. Insbesondere affektive Störungen, Angsterkrankungen und die unter Gefangenen hoch prävalenten Persönlichkeitsstörungen führen möglicherweise nicht oder nur in kumulativem Zusammenwirken zu einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit und damit nicht zu einer Unterbringung im Maßregelvollzug. Andererseits ist davon auszugehen, dass Anpassungsstörungen als direkte Reaktion auf die psychosoziale Belastungssituation bei der Inhaftierung auftreten oder psy- 2 | chische Störungen sich im Verlauf des Gefängnisaufenthaltes erst entwickeln. Ungünstige Haftbedingungen [8] und unzureichende psychiatrische Versorgungskapazitäten fördern die Entstehung psychischer Störungen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit psychiatrischer Rückfälle und verschärfen das Suizid- und Selbstverletzungsrisiko. Anpassungsstörungen werden bei Untersuchungsgefangenen deutlich häufiger beobachtet als bei Strafgefangenen [1, 13]. Die längerfristigen Auswirkungen der Haft auf die Entwicklung psychopathologischer Symptome stellen jedoch einen in der psychiatrischen Literatur bisher vernachlässigten Aspekt dar. Untersuchungsziel. Die vorliegende Studie untersuchte vor dem Hintergrund der Mangelversorgung von Strafgefangenen mit psychischen Störungen die psychische Symptombelastung bei Langzeitgefangenen im Vergleich zu Kurzzeitgefangenen. Zusätzlich wurden Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten erfasst. Vor dem Hintergrund der postulierten Mangelversorgung psychisch Kranker im Strafvollzug [17] und erkrankungsförderlicher Haftbedingungen (z. B. Isolation, fehlende Rückzugsmöglichkeiten, psychischer Druck durch Mitarbeiter oder Mithäftlinge) wurde bei Langzeitgefangenen sowohl von einer höheren psychischen Belastung als auch einer höheren Suizidalität ausgegangen. In der multizentrisch angelegten Studie werden somit erstmals vergleichend Befunde zur psychischen Symptombelastung und Suizidalität zwischen Langzeit- und Kurzzeitgefangenen dargestellt, sodass differenzielle Aussagen darüber möglich sind, inwieweit Langzeitgefangene tatsächlich eine höhere Belastung aufweisen. Methode Die der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegenden Daten wurden im Rahmen zweier Forschungsprojekte erhoben. Die Daten der Kurzzeitgefangenen entstammen einer Erhebung an 94 männlichen deutschen Gefangenen, welche mit Zustimmung der Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommerns (Reg.-Nr.: III UV 58/06) und Der Nervenarzt 2010 50 des Justizministeriums im Zeitraum von November 2006 bis Juni 2007 als Querschnittsuntersuchung in der Justizvollzugsanstalt Stralsund (M-V) durchgeführt wurde. Diese Einrichtung hat eine Belegungsfähigkeit von 140 Haftplätzen und ist zuständig für männliche Erwachsene mit Haftstrafen von bis zu 3 Jahren. Die Probanden mussten zwischen 18 und 65 Jahre alt und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von höchsten 3 Jahren verurteilt sein. Personen mit hirnorganischer oder akuter psychotischer Störung wurden anhand der Gesundheitsakte identifiziert und ebenso wie Gefangene mit Intelligenzminderung von der Studie ausgeschlossen. Der Intelligenzquotient wurde mithilfe des Mehrfach-Wortschatz-Intelligenztests [15] bestimmt. Die Teilnehmer wurden über Ablauf und Zweck der Untersuchung aufgeklärt und nahmen freiwillig an der Erhebung teil. Die Daten der Langzeitgefangenen wurden im Rahmen des internationalen Projekts „Langstrafenvollzug und die Frage der Menschenrechte in Staaten der Europäischen Union“ erhoben. Befragt wurden männliche Gefangene mit einer zeitigen Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren oder einer zeitlich unbestimmten Sanktion wie der lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Sicherungsverwahrung. Die Probanden wurden über Ablauf und Zweck der Studie aufgeklärt und nahmen freiwillig an der Untersuchung teil. Die hier analysierten Ergebnisse wurden aus den Daten von 98 Gefangenen in 6 deutschen Justizvollzugsanstalten (Celle, Luckau-Duben, Naumburg, Lübeck, Torgau und Waldeck) im Zeitraum von Oktober 2007 bis Juli 2008 gewonnen. Das Alter der deutschen Probanden lag zwischen 23 und 71 Jahren. Da es sich vorrangig um eine Erhebung der Lebensbedingungen und Menschenrechte handelte, wurden im Vorfeld keine psychiatrischen Ausschlusskriterien festgelegt. Die psychische Symptombelastung wurde bei den Langzeitgefangenen mithilfe des Brief Symptom Inventory (BSI) [3], bei den Kurzzeitgefangenen zugunsten einer ausführlicheren Erfassung der psychischen Symptombelastung für weitere Fragestellungen mithilfe der Symptomcheckliste SCL-90-R [4] erfasst. Das BSI ist eine Kurzform der 90 Fragen um- Zusammenfassung · Summary fassenden SCL-90-R, deren deutsches Handbuch von Franke [10] publiziert wurde. Zum Vergleich der Datensätze wurden die BSI-Items aus der SCL-90-R extrahiert, sodass eine Berechnung der BSI-Skalen aus den Daten der Kurzzeitgefangenen möglich wurde. In der vorliegenden Studie wird nur auf die Ergebnisse des BSI Bezug genommen. Das BSI erfasst die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome in einem Zeitfenster von 7 Tagen. Anhand von 53 Items bietet es die Möglichkeit einer mehrdimensionalen Auswertung mit 9 Skalen und 3 globalen Kennwerten. Insgesamt kann für dieses Instrument von guten psychometrischen Befunden ausgegangen werden [3]. Die Transformation der Rohwerte in TWerte ermöglicht die orientierende Einordnung der Stichprobe in Bezug auf eine Normstichprobe männlicher Erwachsener, deren Mittelwert auf 50 und Standardabweichung auf 10 festgesetzt ist. Bei T-Werten, die zwischen 40 und 60 liegen, kann nicht von klinischer Auffälligkeit gesprochen werden, da sich in diesem Wertebereich zwei Drittel der Normgruppe befinden. Bei einem T-Wert von 60 befindet sich der Proband im 84. Zentil, bei einem T-Wert von 70 im 98. Zentil. Die Auffälligkeit nimmt also mit der Höhe des T-Wertes zu. Das BSI ist als Screeninginstrument konzipiert. Hohe T-Werte weisen auf einen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsbedarf hin und verdeutlichen die Notwendigkeit einer weitergehenden differenzierten psychiatrischen Diagnostik. Der Globale Kennwert (Global Severity Index, GSI) misst die psychische Gesamtbelastung aus den Unterskalen. Ein Proband gilt als psychisch auffällig belastet, wenn der T-Wert des GSI größer oder gleich 63 ist [3]. Angaben über Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten wurden mittels eines Fragebogens erhoben und beruhen auf Selbstauskünften der Probanden. Im Falle der Langzeitgefangenen wurde hinsichtlich der Suizidversuche zusätzlich zwischen „vor der Haft“ und „während der Haft“ unterschieden. Alle statistischen Auswertungen wurden mithilfe des Statistical Package for the Social Sciences (SPSS for Windows, Versi- Nervenarzt 2010 DOI 10.1007/s00115-010-3066-9 © Springer-Verlag 2010 D. Kopp · K. Drenkhahn · F. Dünkel · H.J. Freyberger · C. Spitzer · S. Barnow · M. Dudeck Psychische Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitgefangenen in Deutschland Zusammenfassung Bisherige Studien belegen hohe Prävalenzraten psychischer Störungen bei Gefängnisinsassen. Basierend auf Stichproben von 94 männlichen deutschen Kurzzeitgefangenen und 98 männlichen deutschen Langzeitgefangenen wurde mittels des Brief Symptom Inventory (BSI) vergleichend die psychische Symptombelastung erfasst. Die Studie belegt eine hohe psychische Gesamtbelastung, vor allem im Hinblick auf die Langzeitgefangenen. Hierbei zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen Langzeit- und Kurzzeitgefangenen (p<0,01), wobei sich bei 65% der Langzeitgefangenen und 40% der Kurzzeitgefangenen eine auffällige psychische Gesamtbelastung abbildete. Weiterhin fand sich in der Gesamtstichprobe anamnestisch eine hohe Prävalenzrate von Suizidversuchen (29,7%) und selbstverletzendem Verhalten (43,2%). Aus der Studie leiten sich die folgenden klinischen Implikationen ab: Es besteht während der Haft eine generelle Behandlungsbedürftigkeit, speziell hinsichtlich der Langzeitgefangenen. Die hohe Rate an Suizidversuchen und selbstverletzendem Verhalten erfordert außerdem einen stärkeren Fokus auf ein elaboriertes Krisenmanagement sowie eine bessere psychotherapeutische Behandlung dieser Personengruppe. Schlüsselwörter Strafvollzug · Gefangene · Psychische Symptombelastung · Brief Symptom Inventory · Symptomcheckliste SCL-90-R Psychiatric symptoms in German short-term and long-term prisoners Summary Previous studies have indicated high prevalence rates of mental disorders among prisoners. Based on a sample of 98 male German long-term prisoners and 94 male German short-term prisoners, psychiatric symptoms were comparatively assessed by means of the brief symptom inventory (BSI). The study showed a considerable increased in psychological stress, especially with regard to long-term prisoners. In this context a significant difference (p<0.01) was found between short-term and long-term prisoners where 65% of long-term prisoners and 40% of short-term prisoners showed a noticeable increase in the amount of psychological stress. Furthermore, high prevalence rates of a history of attempted suicide (29.7%) and self-injurious behavior (43.2%) were found. The following clinical implications are deduced from this study: there is a general need for treatment during imprisonment, especially with respect to long-term prisoners. In addition, the high rates of attempted suicide and selfinjurious behavior require a focus on a more elaborated crisis management as well as psychotherapeutic treatment for this population. Keywords Prison · Prisoners · Psychiatric symptoms · BSI · SCL-90-R Der Nervenarzt 2010 51 | 3 Originalien Tab. 1 Demographische und Kriminalitätsvariablen bei Kurz- und Langzeitgefangenen Alter (Jahre) MW (SD) Familienstand (%) Verheiratet/in fester Partnerschaft Geschieden Verwitwet Ledig Höchster Schulabschluss (%) Kein Abschluss Hauptschule Realschule Abitur Berufsausbildung (%) Aktuelle Haftstrafe (Monate) MW (SD) Verbüßte Haftstrafe (Monate) MW (SD) Anzahl früherer Inhaftierungen MW (SD) Aktueller Inhaftierungsgrund (%) Gewaltdelikt Eigentumsdelikt Sexualdelikt Verkehrsdelikt Drogendelikt Gesamt (n=192) 36,6 (11,3) KZG (n=94) 31,1 (8,9) LZG (n=98) 41,8 (11,0) χ2/F (DF=1) 55,01 p 17,7 16,7 2,6 63,0 7,4 7,4 1,1 84,0 27,6 25,5 4,1 42,9 a 0,000** 0,001** 0,369 0,000** 27,1 50,0 18,8 4,2 64,1 51,9 (51,6) 44,5 (60,6) 2,5 (3,3) 48,9 51,1 0,0 0,0 59,6 20,6 (18,7) 6,1 49,0 36,7 8,2 68,4 107,3b (44,0)b a 270,92 0,000** 0,885 0,000** 0,007** 0,230 0,000** 7,5 (10,3) 81,1 (67,1) 109,32 0,000** 2,3 (3,7) 2,9 (2,5) 1,32 0,253 52,1 38,3 16,0 12,2 14,9 30,1 63,4 6,5 22,6 22,6 73,7 31,6 25,3 2,1 7,4 a 0,000** 0,000** 0,001** 0,000** 0,004** a a a a a a a a a a a 0,000** KZG Kurzzeitgefangene, LZG Langzeitgefangene, MW Mittelwert, SD Standardabweichung. aExakter Test nach Fisher, bohne lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung, *p<0,05, **p<0,01. Tab. 2 Psychische Symptombelastung (BSI-Skalen) bei Kurz- und Langzeitgefangenen BSI-Skalen (T-Werte) Somatisierung Zwanghaftigkeit Unsicherheit im Sozialkontakt Depressivität Ängstlichkeit Aggressivität/Feindseligkeit Phobische Angst Paranoides Denken Psychotizismus GSI (Gesamtwert) Gesamt (n=192) 56,2 53,8 59,0 63,8 58,7 58,0 56,1 63,0 62,5 62,8 KZG (n=94) 54,1 51,6 56,2 61,0 57,3 55,3 53,0 59,2 57,7 58,3 LZG (n=98) 58,3 55,8 61,8 66,6 60,1 60,7 59,0 66,6 67,0 67,1 F (DF=1) 5,40 4,65 10,35 10,30 1,85 10,12 11,88 26,95 25,16 19,87 p 0,021* 0,032* 0,002** 0,002** 0,175 0,002** 0,001** 0,000** 0,000** 0,000** BSI Brief Symptom Inventory, GSI Global Severity Index, KZG Kurzzeitgefangene, LZG Langzeitgefangene. *p<0,05, **p<0,01. on 17) erstellt. Um Gruppenunterschiede bei kategorialen Daten zu testen, wurde der χ2-Test angewandt. Waren die Voraussetzungen für diesen Test bei einer Zellhäufigkeit kleiner als 5 nicht erfüllt, wurde Fishers exakter Test gerechnet. Mittelwertsunterschiede zweier unabhängiger Stichproben wurden mithilfe der Varianzanalyse auf Signifikanz geprüft. 4 | Ergebnisse Wie aus . Tab. 1 hervorgeht, waren Kurzzeitgefangene im Durchschnitt signifikant jünger (31,1±8,9 Jahre vs. 41,8±11,0 Jahre), signifikant häufiger ledig (84,0% vs. 42,9%) und signifikant häufiger ohne Schulabschluss (48,9% vs. 6,1%) als Langzeitgefangene. Diese befanden sich signi- Der Nervenarzt 2010 52 fikant häufiger in festen Partnerschaften (27,6% vs. 7,4%), waren signifikant häufiger geschieden (25,5% vs. 7,4%) und konnten signifikant häufiger einen Realschulabschluss oder ein Abitur vorweisen (36,7% vs. 0,0%/8,2% vs. 0,0%). In Bezug auf die Kriminalitätsvariablen waren die Langzeitgefangenen im Durchschnitt definitionsgemäß zu längeren Haftstrafen verurteilt als Kurzzeitgefangene (107,3±44 Monate vs. 20,6±18,7 Monate) und hatten durchschnittlich bereits 81,1 Monate ihrer Strafe verbüßt (Kurzzeitgefangene: 7,5 Monate). Hinsichtlich der Anzahl früherer Inhaftierungen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Den Inhaftierungsgrund stellten bei den Langzeitgefangenen signifikant häufiger ein Gewalt- oder Sexualdelikt (73,7% vs. 30,1%/25,3% vs. 6,5%), bei den Kurzzeitgefangenen signifikant häufiger ein Eigentums-, Verkehrs- oder Drogendelikt dar (63,4% vs. 31,6%/22,6% vs. 2,1%/22,6% vs. 7,4%). Hinsichtlich der psychiatrischen Variablen (. Abb. 1) wiesen die Kurzzeitgefangenen in der Anamnese signifikant häufiger Selbstverletzungen (53,2% vs. 33,7%), die Langzeitgefangenen signifikant häufiger Suizidversuche auf (44,9% vs. 13,8%). In 24,5% der Fälle fand(en) der bzw. die Suizidversuch(e) bei den Langzeitgefangenen dabei während der Haft, in 20,4% der Fälle vor der Haft statt. In . Tab. 2 sind die Unterschiede in der psychischen Symptombelastung bei Lang- und Kurzzeitgefangenen dargestellt. Mit Ausnahme der Skala „Ängstlichkeit“ wiesen die Langzeitgefangenen sowohl hinsichtlich aller weiteren Unterskalen als auch in Bezug auf den Gesamtwert (GSI) signifikant höhere T-Werte auf. Die Langzeitgefangenen lagen mit einem T-Wert des GSI von 67,1 oberhalb des Grenzwertes für eine auffällige psychische Belastung. Die prozentuale Verteilung Kurz- und Langzeitgefangener auf die klinisch relevanten Wertebereiche zeigt . Abb. 2. Hierbei wiesen 65,3% der Langzeitgefangenen und 40,4% der Kurzzeitgefangenen eine auffällige psychische Gesamtbelastung mit einem T-Wert des GSI größer als 63 auf. 60 40 50 30 Prozent Prozent 40 30 20 10 20 Langzeitgefangene Kurzzeitgefangene Selbstverletzung 10 0 Suizidalität in der Anamnese Abb. 1 8 Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten bei Lang- und Kurzzeitgefangenen Diskussion Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen bei Gefangenen eine erwartungsgemäß hohe Belastung durch psychische Symptome. Insgesamt ergab sich bei 53% der untersuchten Probanden eine auffällige psychische Gesamtbelastung. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen einer deutschen Studie [2] an 239 Gefangenen (54,9%), übertrifft den Anteil behandlungsbedürftiger Personen einer männlichen Kontrollpopulation der Allgemeinbevölkerung [10] um mehr als das 5fache und bedeutet eine klare Annäherung an die Kennwerte klinischer Populationen [10]. Die hohen Ausprägungen der beiden untersuchten Stichproben auf der Skala „Depressivität“ können als Ausdruck des Freiheitsentzugs und depressionsfördernder Haftbedingungen interpretiert werden. Sie erhöhen mit großer Wahrscheinlichkeit das Suizid- und Selbstverletzungsrisiko. Vor allem die Langzeitgefangenen weisen auffällig hohe Werte auf den Skalen „paranoides Denken“ und „Psychotizismus“ auf. Dies kann einerseits als Ausdruck der Haftrealität ohne krankheitsspezifische Bedeutung interpretiert werden, andererseits sind hohe Psychotizismuswerte als Risikofaktor für die Ent- 60-69* > 79 50-59 70-79 Psychische Belastung (GSI, T-Werte) 0 Langzeitgefangene Kurzzeitgefangene < 50 Abb. 2 8 Kategorien psychischer Belastung bei Lang- und Kurzzeitgefangenen. GSI Global Severity Index, *„auffällige psychische Gesamtbelastung“ ab einem T-Wert ≥63 wicklung spezifischer Haftreaktionen oder sogar einer „Haftpsychose“ [11] vorstellbar. Mögliche Erklärungsansätze für die genannten Befunde sind sowohl in einer erhöhten psychischen Symptombelastung von Straftätern vor Haftantritt als auch in den Auswirkungen der Haft auf die psychische Gesundheit zu suchen. Besondere Bedeutung kommt dem Vergleich der psychischen Symptombelastung bei Kurz- und Langzeitgefangenen zu. In diesem Zusammenhang wurde die Hypothese überprüft, wonach Langzeitgefangene aufgrund der längeren Unterbringungsdauer mit möglicherweise ungünstigen Haftbedingungen und unzureichenden psychiatrischen Versorgungskapazitäten unter einer erhöhten Belastung durch psychische Symptome leiden. Obwohl es sich nicht um eine Längsschnittuntersuchung handelt, sprechen die deutlichen Unterschiede bei Kurz- und Langzeitgefangenen für diese Hypothese. Die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer auffälligen psychischen Gesamtbelastung bei Langzeitgefangenen ist in unserer Untersuchung im Vergleich zu Kurzzeitgefangenen um mehr als 50% erhöht. Inwieweit hierbei individuelle Merkmale dieser besonderen Vollzugspopulation, die Dauer des Freiheitsentzugs, ungünstige Haftbedingungen oder eine unzureichende psychiatrische Versorgung aus- schlaggebend sind, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten. Hinsichtlich der Suizidalität bestätigte sich unsere Hypothese, wonach Langzeitgefangene im Vergleich zu Kurzzeitgefangenen anamnestisch deutlich mehr Suizidversuche aufweisen. Jeder 4. Langzeitgefangene führte einen Suizidversuch während der Haft durch, was für einen krankheitsfördernden Einfluss der Langzeitunterbringung spricht. Die Tatsache, dass jeder 5. Langzeitgefangene mindestens einen der Haft vorangegangenen Suizidversuch berichtete, weist zudem auf eine erhöhte psychische Belastung dieser Gruppe bereits vor Strafantritt hin. Die hohe Rate selbstverletzenden Verhaltens bei den Kurzzeitgefangenen deutet hingegen möglicherweise auf eine hohe Prävalenz der Borderline-Persönlichkeitsstörung in dieser Gruppe hin, kann aber im Hinblick auf das Auftreten in frühen Phasen der Inhaftierung auch Folge schwerer depressiver Episoden oder einer narzisstischen Kränkung sein. Psychiatrische Patienten im Strafvollzug dürfen nach den Strafvollzugsgesetzen im Hinblick auf die medizinische Versorgung nicht schlechter gestellt werden als die Allgemeinbevölkerung. Die geringe Aufmerksamkeit, die der Versorgung psychisch kranker Personen im Strafvollzug beigemessen wird, erhöht jedoch das inDer Nervenarzt 2010 53 | 5 Originalien dividuelle Leid der Betroffenen, belastet deren Umfeld und erhöht möglicherweise das Suizid- und Selbstverletzungsrisiko. Eine deutsche Studie [21] berichtet bei straffällig gewordenen psychisch Kranken überdurchschnittlich häufige kriminelle Rückfälle der Personen mit Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. Eine adäquate Behandlung könnte hier zu einer Senkung der kriminellen Rückfälligkeit beitragen. Darüber hinaus beeinträchtigt eine mangelhafte Krankenversorgung im Strafvollzug faktisch die (Grund-)Rechte (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz, Recht auf körperliche Unversehrtheit). Eine Angleichung an die personellen, räumlichen und organisatorischen Behandlungsstandards der allgemeinen Psychiatrie ist aus diesem Grund dringend erforderlich. Die Behandlung psychiatrischer Erkrankungen bei Straftätern senkt zwar nicht per se das Rückfallrisiko, verbessert aber die psychische Befindlichkeit und setzt somit möglicherweise mehr Ressourcen zur Deliktbearbeitung frei. Zu berücksichtigen sind in der vorliegenden Untersuchung die folgenden inhaltlichen und methodischen Einschränkungen: Die untersuchte Stichprobe der Langzeitgefangenen war signifikant älter als die Stichprobe der Kurzzeitgefangenen. Aus dieser deutlichen Altersdifferenz lassen sich möglicherweise die Unterschiede hinsichtlich der hohen Prävalenz suizidaler Handlungen bei Langzeitgefangenen erklären. Weiterhin ist anzumerken, dass das BSI keinen psychopathologischen Befund im engeren Sinne, sondern als Selbstbeurteilungsinstrument die aktuelle, subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome erfasst. Als Screeninginstrument weist es bei vergleichsweise geringer Spezifität eine hohe Sensitivität auf. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind repräsentativ für die Populationen der an der Erhebung beteiligten Justizvollzugsanstalten, eine Generalisierbarkeit auf die Gesamtpopulation der Kurz- und Langzeitgefangenen ist aufgrund der Stichprobengröße jedoch nur eingeschränkt möglich. Der Umfang der psychiatrischen Versorgung von Straftätern hängt in Deutschland erheblich von der Beurteilung der 6 | Schuldfähigkeit ab. Zusammenfassend stellt sich die Frage, ob die Trennung zwischen Straf- und Maßregelvollzug einer adäquaten Versorgung der Gefangenen im regulären Strafvollzug angesichts der hohen psychischen Belastung dieser Population gerecht wird. Fazit für die Praxis Kurz- und Langzeitgefangene stellen eine durch psychische Symptome stark belastete Population dar. 65% der Langzeitgefangenen und 40% der Kurzzeitgefangenen weisen eine auffällige psychische Gesamtbelastung auf, bei fast der Hälfte der Langzeitgefangenen fand sich ein Suizidversuch in der Anamnese. Dies bedeutet eine klare Annäherung an die Kennwerte klinischer Populationen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sprechen für einen krankheitsfördernden Einfluss der Langzeitunterbringung. Als ursächliche Faktoren kommen hierfür neben der Dauer des Freiheitsentzugs mit möglicherweise ungünstigen Haftbedingungen vor allem unzureichende psychiatrische Versorgungskapazitäten in Frage. Aus den Befunden folgt die Forderung nach einer Angleichung der psychiatrischen Versorgung im Strafvollzug an die Behandlungsstandards der allgemeinen Psychiatrie. Neben der Psychopharmakotherapie stehen ausreichend wirksame psychotherapeutische Behandlungsverfahren zur Verfügung, welche sowohl gefängnisintern als auch -extern durchgeführt werden können. Korrespondenzadresse Dipl. Psych. D. Kopp Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald am Hanseklinikum Stralsund Rostocker Chaussee 70, 18437 Stralsund [email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Der Nervenarzt 2010 54 Literatur 1. Andersen HS, Sestoft D, Lillebaek T et al (2000) A longitudinal study of prisoners on remand: psychiatric prevalence, incidence and psychopathology in solitary vs. non-solitary confinement. Acta Psychiatr Scand 102:19–25 2. Blocher D, Henkel K, Ziegler E, Rösler M (2001) Zur Epidemiologie psychischer Beschwerden bei Häftlingen einer Justizvollzugsanstalt. Recht Psychiatrie 19:136–140 3. 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Freyberger und Frieder Dünkel Punishment & Society, 13(4), 403-423 2011 55 Article Traumatization and mental distress in long-term prisoners in Europe Punishment & Society 13(4) 403–423 ! The Author(s) 2011 Reprints and permissions: sagepub.co.uk/journalsPermissions.nav DOI: 10.1177/1462474511414782 pun.sagepub.com Manuela Dudeck University of Greifswald, Germany Kirstin Drenkhahn Free University of Berlin, Germany Carsten Spitzer University Medical Centre Hamburg-Eppendorf, Germany Sven Barnow University of Heidelberg, Germany Daniel Kopp University of Greifswald, Germany Philipp Kuwert University of Greifswald, Germany Harald J. Freyberger University of Greifswald, Germany Frieder Dünkel University of Greifswald, Germany Abstract This article investigates the prevalence of traumatization and mental distress in a sample of 1055 male European long-term prisoners as part of a wider study of the living conditions of prisoners serving sentences of at least five years in Belgium, Croatia, Denmark, England, Finland, France, Germany, Lithuania, Poland, Spain and Sweden. Data were collected in a written survey using the Posttraumatic Diagnostic Scale Corresponding author: Manuela Dudeck, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald am Hanseklinikum Stralsund, Rostocker Chaussee 70, 18435 Stralsund, Germany. Email: [email protected] Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 56 404 Punishment & Society 13(4) (PDS), the Brief Symptom Inventory (BSI) as well as questions on attempted suicide and auto-aggressive behaviour. Participants experienced a mean of three traumatic events, with 14 per cent developing a Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) subsequently. In each national sample, more than 50 per cent of the participants were in need of treatment because of psychological symptoms and nearly one-third had attempted suicide. Keywords long-term imprisonment, mental health, psychopathology, PTSD, suicide Introduction Traumatic experiences are a basic part of human life and have intensive effects. In spite of the human ability to survive and to adapt, traumatic incidents may change a person’s psychological, physiological and social balance to such a degree that the memory of a particular event overshadows all other experiences and affects the ability to cope with reality (Van Der Kolk et al., 2000). The definition of ‘trauma’ is much debated in medical and legal literature. In the diagnostic sense of the International Classification of Diseases (ICD-10; WHO, 2007), a trauma is an event or a situation of either brief or long duration and of an exceptionally threatening or catastrophic nature that is likely to cause pervasive distress in almost anyone (ICD-10, F43.1). These events include natural disasters, physical or sexual abuse, war, imprisonment and life-threatening diseases. Thus, ‘trauma’ means a vital experience of discrepancy between threatening aspects of the situation and the individual’s ability to cope (Fischer and Riedesser, 1998). This differs from the meaning of ‘trauma’ or ‘traumatic’ in everyday language. The derived concept of Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) as well as the reliability and validity of its diagnostic criteria are still controversial. According to the ICD10, PTSD comprises a range of defined symptoms such as intrusions, avoidance and numbing as well as a constant hyperarousal. Findings from epidemiological research on traumatization and PTSD suggest that PTSD is an important health problem. Nearly 95 per cent of all people experience a trauma at least once in their lifetime. In the general population, 2–14 per cent develop a PTSD (Kessler et al., 1995; Maercker et al., 2008). The high prevalence of 14 per cent has been found in a representative survey in the USA where many participants named regional natural catastrophes such as hurricanes in Florida as well as serving in the armed forces deployed in an armed conflict as a cause. However, Maercker et al. (2008) were able to show that the prevalence of PTSD in a German population where those experiences are not relevant is considerably lower. Where prisoners are concerned, it is by now undisputed that their prevalence rates are distinctly higher at 4–21 per cent (Breslau et al., 1998; Goff et al., 2007; Maercker et al., 2008). Beyond the development of Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 57 Dudeck et al. 405 Table 1. Prevalence of mental disorders in prisoners in Europe Mood Substance Psychotic (affective) Anxiety Personality abuse disorders disorders disorders disorders (%) (%) (%) (%) (%) Author Country N Andersen et al. (1996) DK 228a 44 7 10 16 17 Birmingham et al. (1996) GB 569a – 24 27 34 38 Brooke et al. (1996) Carrá et al. (2004) GB IT 750a 38 990 47 5 1 22 5 18 2 11 4 Dudeck et al. (2009) DE 102 64 0 12 22 80 Falissard et al. (2006) FR 800 14 12 21 21 – Farrell et al. (2002) GB 503 29 10 – – – Fotiadou et al. (2006) GR 80a 53 11 28 38 38 – Harsch et al. (2006) DE 56 68 11 3 34 Joukamaa (1995) FI 283 44 3 – 6 17 Konrad (2004) DE Langeveld and Melhus (2004) NO 100b 57 40 90 9 32 34 – 10 – – 80 Missoni et al. (2003) DE 108a 13 6 48 20 – Von Schönfeld et al. (2006) DE 76 64 4 12 17 43 33 33 21 6 7 26 Sørland and Kjelsberg (2009) NO 42c 74 Watzke et al. (2006) 366 60 DE – 0.5 Note: aPre-trial detention; bImprisonment for fine defaulters; cPre-trial detainees younger than 20 years; – not explored. Country abbreviations: DE: Germany, DK: Denmark, FI: Finland, FR: France, GB: Great Britain, GR: Greece, IT: Italy, NO: Norway. PTSD, traumatization is a risk factor for many mental disorders often connected with suicidality (Peleikis et al., 2005; Spataro et al., 2004; Spitzer et al., 2008). Previous surveys show a considerably increased prevalence of mental disorders in prisoners as compared to the general population. Frequencies vary from 38 per cent to 98 per cent (see Table 1). Irrespective of the research design (sample size, methodology or instruments) the most frequent diagnoses are substance abuse and personality disorders (antisocial and/or borderline). There is also a link to traumatization because persons with antisocial personality traits or even an antisocial personality disorder report significantly more experience of neglect and abuse (Cima et al., 2008; Krischer and Sevecke, 2008). Considering that antisocial behaviour, personality pattern and cognition and substance abuse have been identified as among the most important risk factors for delinquent behaviour (Andrews et al., 2006; Gendreau et al., 1996; Hanson and Morton-Bourgon, 2004; Lipsey and Derzon, 1998), traumatization therefore adds to this risk. As neglect and abuse would most probably have happened in the family or the immediate social environment, these psychiatric findings also reflect criminological findings on the importance of caring and monitoring in the family. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 58 406 Punishment & Society 13(4) While there are several studies on the prevalence of particular diagnoses, there is little comparative research on the broader concept of the psychological well-being of prisoners. Three German surveys found mental distress requiring treatment in 55–86 per cent of the participants. Suicidality was increased by a factor of 10 compared to the general population. Children were more stressed than adults (Blocher et al., 2001; Köhler et al., 2004; Missoni and Konrad, 2008; for North America see Brink et al., 2001; Hodgins and Cote, 1992; Powell et al., 1997; Teplin et al., 1994). Given that there are several studies where diagnostic criteria are unclear, samples are small and strongly selected or professional standards are not adhered to in the diagnostic process, one might question some of the conclusions of these studies (Drenkhahn and Dudeck, 2007; Konrad, 2000). In addition, there are no internationally comparative data on provisions for offender treatment in general and mental health care in particular, or on the prevalence of specific mental disorders in prisoners, even though European rules on imprisonment stipulate the same standard of treatment for prisoners as for the general population. Consequently, this study is the first to use self-report instruments to investigate the prevalence of trauma and of PTSD as well as psychological problems of prisoners in 11 European countries. It is part of an international project on long-term imprisonment and human rights in ten member states of the European Union (Belgium, Denmark, Finland, France, Germany, Lithuania, Poland, Spain, Sweden and the United Kingdom) and one candidate country (Croatia). The overall aim of this research is a description of living conditions of male long-term prisoners and an analysis of whether or not these conditions are in accordance with the European Convention on Human Rights and its accompanying recommendations for prisons and prisoners: that is, Rec(2006)2 on the European Prison Rules (below: EPR) and Rec(2003)23 on the management by prison administrations of life sentence and other long-term prisoners (below: Recommendation on long-term prisoners). The data presented in this article are part of a data set derived from this research. European recommendations on health care in prison With regard to mental health care, the EPR set explicit requirements in Part III on health: according to Rule 42.3, the duties of the medical practitioner at the examination after admission cover the diagnosis and treatment of mental illness as well as the identification of psychological or other stress caused by the deprivation of liberty. The medical practitioner is responsible for ensuring that mental health care meets the standards that apply in the community (Rule 43.1). Furthermore, the importance of mental health care in prison is emphasized by Rule 47 of the EPR. It states that prisoners with mental disorders or abnormalities shall be observed and treated in specialized institutions under medical control and that special attention shall be paid to suicide prevention. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 59 Dudeck et al. 407 In Section 27 of the Recommendation on long-term prisoners, there is an explicit reference to the treatment of mentally disturbed prisoners. There should be provisions that allow for early and specialist diagnosis and adequate treatment of mental distress. In addition, Section 24 of the same Recommendation points out the importance of access to counselling in order to prevent suicide and to help counteract the adverse effects of long-term imprisonment. Data collection and methodology Data were gathered in a written survey conducted with male long-term prisoners from Belgium, Croatia, Denmark, England, Finland, France, Germany, Lithuania, Poland, Spain and Sweden. Prisoners were eligible to participate if they were serving one or more prison sentences totalling at least five years or a sentence of life imprisonment (see the definition in Section 1 of the Recommendation on long-term prisoners). This also included prisoners serving a custodial sanction for public protection. The aim was to survey 100 prisoners per country and 1100 prisoners in total. Project partners in the participating countries were asked to identify prisons that could be regarded as typical places of long-term imprisonment in their national prison system. Considering that there are more than 190 prisons in Germany alone, this pre-selection was necessary to maintain a feasible research design. All eligible prisoners in the selected institutions were informed that there would be a survey about their everyday life and well-being and were asked to participate. Thus, the sample consists of all those who volunteered. The researchers would meet with a group of prisoners, hand out the questionnaires and explain the survey to the participants, and point out that they were not obliged to answer any of these questions. As the researchers were present during the whole session, they were able to help participants with literacy problems. In some prisons, officers were present, but they did not see the answers. Participants were not promised any kind of incentive. The groups of prisoners varied in size depending on the rooms where the sessions were held. The data collection took place between October 2007 and February 2009 in two to six prisons per country. Altogether, 1101 prisoners in 36 prisons took part under the given conditions. The data of 1055 participants were analysed for this article. Forty-six participants either reported sentences that were too short to be eligible or did not complete the questionnaires on mental health. There are limits to generalizability in a study like this because of the small percentage of eligible prisoners from each country who participated. In this sense, the study is exploratory and tentative. The findings need cautious interpretation in the light of national, regional and local particularities. On the other hand, it provides a first systematic comparison of traumatization and distress in European penal systems. The Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS) and the Brief Symptom Inventory (BSI) were included in the questionnaire. Both are self-report instruments that were Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 60 408 Punishment & Society 13(4) developed for and tested with psychiatric in-patients. To date, there are no such instruments for the specific situation of forensic populations, especially prisoners. The PDS represents a 49-item self-report instrument for the assessment of PTSD (Foa et al., 1997). Part 1 is a checklist of 12 stressful and ‘traumatic’ events (‘serious accident, fire or explosion’; ‘natural disaster’; ‘non-sexual assault by a family member or someone you know’; ‘non-sexual attack by a stranger’; ‘sexual assault by a family member or someone you know’; ‘sexual assault by a stranger’; ‘military combat or war zone’; ‘sexual contact when you were younger than 18 with someone who was five or more years older than you’; ‘imprisonment’; ‘torture’; ‘lifethreatening illness’; ‘other traumatic event’). It asks about life-time incidence. This questionnaire does not ask about the specific circumstances of the experience. In case of more than one trauma, participants were asked to refer to the most distressing event when completing the subsequent sections (five symptoms of reexperiencing the traumatic situation/intrusions, seven symptoms of avoidance and five symptoms of arousal). The frequency of each of these 17 symptoms in the past month was rated on a four-point scale (0 = not at all or only one time; 1 ¼ once a week or less/once in a while; 2 ¼ two to four times a week/half the time; 3 ¼ five or more times a week/almost always). The presence of two or more symptoms within each of the PTSD criteria led to the self-rated diagnosis of PTSD. The duration of the PTSD and subsequent impairment in different parts of life were then assessed. Additionally, the scale allows quantification of symptom severity by summing the participant’s responses corresponding to the PTSD symptom clusters of intrusions, avoidance and arousal. The BSI is a short version of the Symptom Checklist-90 (SCL-90) and identifies clinically relevant psychological symptoms presented by adults during the previous seven days. It consists of 53 items covering nine symptom dimensions: somatization; obsession-compulsion; interpersonal sensitivity; depression; anxiety; hostility; phobic anxiety; paranoid ideation; and psychoticism. In addition, three global indices of distress can be calculated. The psychometric properties are good (Cronbach’s alpha .85, test–retest reliability .92; Derogatis, 1993). We used the BSI because it is short, covers the same symptoms as the SCL-90 and is easy to understand. A problem is that it comprises some items that do not make sense in a custodial setting, especially in long-term imprisonment: feeling afraid to travel on buses, subways or trains (item 28) and feeling uneasy in crowds, such as while shopping or at the movies (item 43). Prisoners were asked to think of a comparable situation or to leave out these items. In addition, participants were asked about attempted suicide before and during imprisonment (number of attempts and methods) as well as about auto-aggressive behaviour. These questions specified typical behaviour patterns and also provided an open category. Participants were asked to indicate how often they self-harmed. Data were analysed using SPSS version 17.0. The results are presented as absolute numbers (N) and corresponding percentages (%), or as group means (M) and standard deviations (SD). Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 61 Dudeck et al. 409 Results Socio-demographic and forensic characteristics of the sample Socio-demographic and forensic characteristics are presented in Table 2. There are significant differences for all variables. Concerning age, there is a wide range of means from 35.5 years in the Lithuanian sample to 44.4 years in the English sample. With an overall mean age of 40, this sample is relatively old – older, for example, than the participants in our study of living conditions of adult prisoners in prisons in countries around the Baltic Sea (Dünkel, 2009: 184). For the variables on professional qualifications, we were not able to control whether participants included any certificate that they had received while in prison. That 100 per cent of the Croatian participants had achieved some sort of graduation from school is probably due to the national education system where there is traditionally a very high percentage of graduates. The type of the current offence reflects only the most serious offence that participants indicated (homicide as the most serious, drug offence the least serious, see Table 2). Not surprisingly – given the criteria for eligibility – homicide is the most frequent offence in most national samples. As there are more persons sentenced for drug offences than for those against the person in the small long-term prisoner populations in Denmark and Sweden, drug offences are the predominant type of offence in these national samples. The high percentage of sex offences in the English sample (and the older average age) is due to the fact that one of the participating English prisons was exclusively for sex offenders. The percentages of prisoners serving indeterminate sentences varied greatly. In four national samples there were no such prisoners and in three there were more than 35 per cent. This reflects differences in the sanctioning systems and the selection of prisons. In Croatia and Spain, the penal system does not provide for indeterminate sanctions, such as life imprisonment or preventive detention. Although the Polish and the Lithuanian systems have provisions for life imprisonment, this sanction is rarely used. Therefore, there are very few lifers in these countries. In England, Finland and Germany, however, indeterminate sentences are imposed more frequently and the survey took place in institutions that specialized in prisoners serving such sentences. Traumatization The frequency of traumata in the whole sample and the national samples is reported in Table 3. The most frequent is a non-sexual assault by a stranger (49.4%), followed by serious accident, fire or explosion (49.3%) and imprisonment (48.2%). Almost a quarter of the participants stated that they had experienced sexual contact when under 18 with a person at least five years older. Sexual assault by a family member or by a stranger was reported by 5.4 per cent and 5.7 per cent respectively. About one-fifth had experienced some life-threatening illness. Among Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 62 42.0 5.0 47.9 9.2 6.7 0.8 105.0 (47.5) 3.4 (3.6) 60.2 3.5 (3.1) 10.0 38.7 13.7 19.4 79.2 55.7 67.2 38.6 17.0 25.0 86.9 57.5 52.8 36.4 9.1 4.5 9.1 14.8 48.9 108.2 (43.6) 123 44.4 (13.2) 89 37.2 (10.6) 33.7 7.6 18.5 91.0 76.1 56.2 45.4 11.3 17.5 94.8 69.1 58.3 92 98 46.2 41.8 (11.8) (11.1) 63 Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 38.5 5.2 (3.7) 16.3 3.2 (3.9) 45.4 2.9 (2.5) 71.2 53.6 47.4 7.7 10.7 21.1 3.8 21.8 25.3 23.1 10.7 22.1 13.5 15.5 13.7 32.7 4.8 7.4 114.2 243.0 107.3 (32.2) (92.0) (44.0) 39.2 15.7 11.8 96.2 57.7 57.1 52 37.5 (9.1) 0 2.6 (1.9) 34.6 21.5 5.7 15.1 24.9 7.8 99.9 (38.1) 32.4 21.4 31.9 88.8 75.3 53.4 212 35.5 (9.0) 51.3 16.7 24.4 92.2 47.3 56.4 78 41.1 (9.0) 0 2.6 (1.8) 0 3.4 (3.9) 38.7 38.0 43.4 31.6 4.8 16.5 24.5 7.6 33.0 17.7 2.8 22.8 156.4 211.9 (73.8) (83.6) 52.4 17.1 11.4 98.1 69.5 50.5 105 37.6 (11.2) Belgium Croatia Denmark England Finland France Germany Lithuania Poland Spain N 47 96 Age 39.8 41.8 (M/SD) (13.0) (9.9) Marital status (%) Single 43.9 30.5 Married 22.0 29.5 Relationship 17.1 14.7 Graduation (%) 82.9 100.0 Vocational training (%) 62.5 74.7 Children (%) 56.1 57.3 Type of current offence (%) Homicide 52.5 63.7 Robbery 15.0 13.2 Sexual offence 7.5 11.0 Assault 15.0 3.7 Property crime 25.0 11.0 Drug offence 7.5 7.7 202.7 157.8 Length of current (123.1) (64.2) imprisonment, months M ! SD (range) 2.6 1.9 Number of (2.2) (0.9) prior incarcerations M ! SD (range) Indeterminate 14.6 0 sanctions (%) Country Table 2. Socio-demographic and forensic characteristics 15.6 4.8 (5.5) 34.4 17.2 0 14.1 6.3 54.7 114.1 (46.3) 50.8 17.5 25.4 96.9 50.8 60.9 63 38.9 (9.8) Sweden 17.2 3.1 (3.1) 44.2 18.7 14.5 13.9 17.4 15.1 142.4 (79.1) 40.1 17.4 21.2 91.2 59.5 56.6 1055 39.9 (12.9) Total .000 .000 .000 .000 .000 .000 .000 .004 .013 .001 .000 .000 .478 3.89 .000 48.98 82.60 145.35 35.09 47.27 230.22 48.22 25.61 24.50 29.28 49.21 41.93 9.58 10.98 .000 !2 / F p 410 Punishment & Society 13(4) 6.2 54.6 9.3 35.1 14.4 13.4 10.4 4.8 19.0 19.0 61.9 23.8 23.8 23.8 36.1 38.1 4.1 12.4 44.3 19.0 23.8 7.1 41.2 42.9 Serious accident, fire or explosion Natural disaster Non-sexual assault – family member Non-sexual assault – stranger Sexual assault – family member Sexual assault – stranger Military combat or war zone Sexual contact under 18 Imprisonment Torture Life-threatening illness Other traumatic event Croatia Belgium Trauma 64 18.9 57.8 8.9 18.9 16.7 10.0 5.6 3.3 45.6 5.6 18.9 38.9 Denmark Table 3. Prevalence of traumata in national samples (%) 27.4 60.5 7.3 21.8 21.8 7.3 5.6 8.9 62.1 16.9 50.8 56.5 England 26.6 29.1 32.9 29.1 30.4 11.4 5.1 6.3 53.2 17.7 45.6 49.4 Finland 22.8 42.4 13.0 22.8 13.0 15.2 7.6 10.9 37.0 22.8 29.3 46.7 France 38.8 54.1 14.3 27.6 16.3 12.2 13.3 7.1 62.2 9.2 49.0 59.2 Germany 21.1 39.2 30.2 17.0 1.4 9.4 5.6 4.2 54.9 3.3 45.1 44.6 Lithuania 30.5 43.8 13.3 24.8 5.7 3.8 1.9 1.9 43.8 20.0 37.1 59.0 Poland 17.3 73.1 23.1 23.1 26.9 3.8 1.9 1.9 55.8 1.9 50.0 48.1 Spain 4.8 61.9 17.5 12.7 23.8 9.5 1.6 3.2 36.5 7.9 17.5 55.6 Sweden 22.5 48.2 18.4 20.9 14.4 13.9 5.7 5.4 49.4 11.8 39.4 49.3 Total Dudeck et al. 411 Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 412 Punishment & Society 13(4) Figure 1. Trauma and PTSD in the whole sample. the other traumatic events, we coded only the loss of caring others and the prisoner’s own offence. One out of six participants reported such an event. Figure 1 shows the prevalence of traumata in the whole sample. Participants indicated a mean of three traumata; four of them listed the maximum of ten traumata. Only 11.8 per cent did not report any trauma in the life course at all. Almost one out of six participants had developed PTSD. The highest prevalence was found in the Finnish sample with 27.8 per cent, the Croatian with 20.6 per cent and the English with 20.2 per cent. Figure 2 shows the prevalence of PTSD in all national samples. Other psychological symptoms The percentage of participants with psychological symptoms at a level that requires treatment is presented in Figure 3 for the national samples. A total of 58–86 per cent were in need of treatment. This means that they felt psychological strain with regard to one or more symptoms. Thus, their needs did not differ fundamentally from those of the general population. There are high scores for depressive symptoms as well as for paranoid ideation, anxiety and hostility in all national samples. In the Polish sample, all nine symptom dimensions were at a level that required treatment. Suicidality and other auto-aggressive behaviour Nearly one-third of the participants had attempted suicide (29.7%, see Table 4). Most of them had done so either before or during imprisonment. There were few (N ¼ 41) who had attempted suicide both before and during imprisonment. The highest prevalence of suicide attempts was found in the Finnish sample (24.3%), followed by the Lithuanian and German samples (18.7% and 17.2% respectively). Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 65 Dudeck et al. 413 Figure 2. Prevalence of PTSD in national samples (%). Figure 3. Need of treatment in the national samples (%). About one-third of the whole sample reported self-harming. In the Lithuanian and Finnish samples, we found auto-aggressive behaviour in about half of the participants (54.1% and 48.6% respectively, see Table 5). Discussion In the present study, we examined the prevalence rates of traumata and PTSD as well as psychological distress in long-term prisoners in European countries. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 66 414 Punishment & Society 13(4) Table 4. Suicidality in the whole sample (%) Attempted suicide % Before incarceration During incarceration Both before and during incarceration 12.1 13.4 4.2 Table 5. Auto-aggressive behaviour in the whole sample Behaviour Rarely, N (%) Sometimes, N (%) Often, N (%) Cutting Burning Tattooing Swallowing objects 92 40 60 39 44 20 42 6 22 7 31 5 (13.5) (5.4) (8.8) (5.7) (6.5) (2.7) (6.2) (0.9) (3.2) (0.9) (4.6) (0.7) In a separate project, we examined German male prisoners with a prison sentence of up to three years using the same psychiatric instruments (survey of short-term prisoners, Dudeck et al., 2009). These results are a useful comparator for interpreting the findings from the survey of long-term prisoners. A key finding of the present study is that there is a mean of three relevant traumata per long-term prisoner. It is uncontested that offenders experience significantly more frequent and more serious traumatizations than the general population (Breslau et al., 1998; Goff et al., 2007; Maercker et al., 2008). This is true even when comparing with similar age groups (Maercker et al., 2008: 242 traumata in 1230 persons aged 30 to 59 years). But our findings show that the prevalence of traumata in long-term prisoners is actually six times higher than in the general population and that they undergo significantly more traumata than forensic psychiatric in-patients (Maercker et al., 2008; Spitzer et al., 2001) and than short-term prisoners in our earlier study (Dudeck et al., 2009). This means that long-term prisoners, like all traumatized persons but probably more intensively, try to live down past victimizations by unconsciously re-enacting them and that they persistently seek out similar situations in order to relive them over and over again. In addition, long-term imprisonment probably provides a traumatizing setting and increases the risk of new traumatizations. Neller et al. (2006) found that 67 per cent of prisoners experience violence traumatically. The participants in the current study are significantly older than Spitzer et al.’s (2001) forensic psychiatric sample and the short-term prisoners in our earlier study (Dudeck et al., 2009). The difference in age of about ten years might explain some of the other differences. An in-depth discussion of all findings of trauma experience and an analysis of all differences between national samples would go beyond the scope of this article. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 67 Dudeck et al. 415 Thus, we limit this analysis to findings that strike us as particularly interesting. The rates of imprisonment as a trauma are one such finding: 73 per cent of the Spanish sample and 62 per cent of the Swedish and the Belgian samples indicated imprisonment as a trauma. We expected that many Croatian participants would indicate detention as a prisoner of war as a trauma, but only relatively few, 35 per cent, did so. Answers to questions about living conditions suggested that many Finnish participants were in solitary confinement. Therefore, we expected a high percentage of imprisonment as a trauma here as well, but only 29 per cent reported experiencing their detention as traumatic. These findings illustrate that the PDS does not distinguish between current and past imprisonment. So far, there is no instrument that does so. Non-sexual assault has been indicated frequently in all national samples with percentages ranging from 36 per cent (Croatia) to 62 per cent (Germany). Here again, we expected a higher rate in Croatia, but it seems as if Croatian participants either did not experience violence during the war as traumatic or perceived it as ‘normal’. Presumably, it is important if the war was felt to be ‘just’. The item ‘other traumatic event’ provoked a wide range of answers of which we have only included the minor stressor ‘loss of caring others’ and the prisoner’s own offence. As many prisoners have experienced some sort of broken home in their childhood (Enzmann and Greve 2001; Habermeyer et al., 2007; Von Schönfeld et al., 2006), it might be assumed that this is true for our sample of long-term prisoners as well. From a mental health perspective, the loss of a stabilizing person is traumatic. Concerning the prisoner’s own offence, this might be experienced as traumatic, like other serious incidents, generating feelings of loss of control of reality and self-doubt about one’s sanity. In order to neutralize intolerable affects, a PTSD might occur. In this context, one has to bear in mind that the construct of PTSD was developed with veterans from the Vietnam War who could be described as perpetrators, although their actions were justified by political authorities. Almost one out of six long-term prisoners had developed a PTSD because of their traumatic experiences. This is consistent with the findings of other authors who report prevalences of 4–21 per cent (Breslau et al., 1998; Goff et al., 2007; Maercker et al., 2008). These surveys used a variety of questionnaires and did not consider different lengths of detention. The prevalence of 14 per cent of current PTSD – at examination – in our sample was lower than in a sample of forensic inpatients (17%; Spitzer et al., 2001), but three times higher than in a short-term sample (4%; Dudeck et al., 2009). Forensic in-patients by definition have a mental illness and there is a high comorbidity of psychiatric diagnoses. This may explain the more frequent diagnosis of PTSD in forensic patients. The short-term prisoners were significantly younger and incarcerated for a shorter period for less serious offences, both of which may be crucial in the development of PTSD. Nevertheless, a prevalence of only 14 per cent in the whole sample is astonishing when there is a mean of three traumata per participant and considering that prevalences of 2–14 per cent have been found in the general population (Kessler et al., 1995; Maercker et al., 2008). Perhaps our findings underestimate the real Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 68 416 Punishment & Society 13(4) occurrence of PTSD. As avoidance is one of the basic symptoms of the PTSD, seriously traumatized individuals are less likely to participate in studies such as this. As participation was voluntary and there were no incentives, we may not have persuaded those most affected to participate. The fact that participants had to be literate might also have influenced the findings. There are, however, other explanations for why only 26 per cent of those who indicated a trauma developed a PTSD. Participants may be resilient when confronted with traumatic stress (Brewin et al., 2000). This means that they have the capability – due to specific individual dispositions – to resist or overcome the potential for impairment of diverse bio-psycho-social risk factors (Antonovsky, 1987; Morrison and Bennett, 2009). Another possible explanation is psychopathy/antisocial personality characteristics, although conclusions drawn from psychiatric research are ambiguous (Cima et al., 2008; Krischer and Sevecke, 2008). Psychopathy is – in short – characterized by an arrogant style of interaction, affective deficits and impulsivity, and thus overlaps with the definition of antisocial personality disorder. Forensic research indicates that traumatic childhood experiences correlate with antisocial and aggressive behaviour (Cima et al., 2008; Poythress et al., 2006). In their study of female and male prisoners aged 14 to 19 Krischer and Sevecke (2008) found a correlation of emotional, physical or sexual abuse and psychopathy among the males. Concerning general psychopathology, an important finding is the high percentage of participants in need of treatment. Percentages in all national samples are higher than 50 per cent. It should be noted that the BSI does not generate a psychopathological result or a sound diagnosis, but as a self-report instrument records subjective feelings of distress by physical and mental symptoms during a short period of seven days. As a screening instrument, it has a relatively low specificity and a high sensitivity. Therefore, it does not allow for definite conclusions about actual treatment needs because, from a psychiatric perspective, most symptoms need only to be treated if the individual feels psychological distress. However, the values found in our sample correspond with those of psychiatric patients. Compared to our sample of short-term prisoners, the treatment needs of long-term prisoners are increased by 50 per cent – not only for eight of the nine BSI dimensions, but also for the global index. To what extent this is due to characteristics of this particular prison population, to the length of incarceration, to adverse living conditions or to insufficient mental health care, is open to further investigation. Our findings do not support the hypothesis that symptoms will be reduced when prisoners adapt to prison life and accept their sub-cultural roles (Kopp et al., 2010). The high values for the dimension ‘depression’ in all national samples may be related to the deprivation of liberty and to living conditions that promote depressive symptoms. It is highly probable that high values for depression increase the risk of suicide and self-harm. Long-term prisoners presented high values on the dimensions ‘paranoid ideation’ and ‘psychoticism’. While the first would be expected, given the high level of Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 69 Dudeck et al. 417 surveillance and control in prison, and may not relate directly to mental illness, high values of psychoticism might be a risk factor for specific reactions to the deprivation of liberty and even for a ‘prison psychosis’ (Haftpsychose), a concept that is discussed in the German literature (Gößling and Konrad, 2004). Probable explanations for this are an increased occurrence of psychiatric symptoms in offenders before incarceration as well as the effects of imprisonment on mental health. The findings for phobic anxiety probably underestimate the actual frequency. In one of the French prisons, questions on this symptom were blocked by the prison governor. Questions about being in a cinema or taking the bus were not customized for long-term prisoners. Here again, it is evident that there is a need for further research including the adaptation to prison populations of questionnaires that are designed for the general population. In the daily routine of a psychiatric clinic, we have met prisoners who have developed a phobic anxiety disorder (phobia related to certain places or situations) in response to being imprisoned. Nearly every third participant stated that he had attempted suicide at least once in his life. Participants did this either before or during imprisonment. There was only a small overlap (of 4%) of prisoners who did so both before and during imprisonment. This is not consistent with the explanatory model of importation of suicidality. The hypothesis of this model is that suicidal prisoners have already had psychological problems or even mental disorders, such as substance abuse, compulsive behaviour, major depression or schizophrenia, before incarceration. These psychological problems that go along with a high risk of suicide are still present after incarceration. The fact that one out of six participants attempted suicide at least once during imprisonment corresponds with the model of deprivation according to which the loss of social structure and relations may lead to isolation and suicidality (Ashraf, 1999; Backett, 1987; Frottier et al., 2001; Ivanoff and Jang, 1991). There is clearly interaction of importation and deprivation factors. Auto-aggressive behaviour such as cutting and burning was found considerably less often than in the sample of short-term prisoners. It might be that more shortterm prisoners had a borderline disorder – there are no such data for the sample of long-term prisoners. But during long terms of imprisonment, self-harming may escalate to suicidal behaviour – that has been suggested by those who self-harm – which would correspond with the extent of depressive symptoms that we found in our sample. For this project, it was important to use well-established self-report instruments. To the best of our knowledge, this is the first survey of psychiatric morbidity where prisoners were not granted any incentives for their participation. The questionnaires were completed with researchers present. Still, there are some critical matters that limit the validity of our findings. Selfreport instruments tend to overestimate the severity of symptoms and are prone to intentional deceit. Items in self-report instruments are unidimensional, meaning that high values reflect high degrees of symptom severity, and there is no liescale. Using retrospective self-reports of past traumata is another important Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 70 418 Punishment & Society 13(4) limitation. Self-report instruments are vulnerable to defective memory, inaccuracy, denial and inclination to externalize. Weeks and Widom (1998) pointed out that in cases of serious traumata retrospective data collection is prone to social desirability as well as to unconscious denial and thus to bias. Furthermore, it has to be noted that only prisoners who understood the questions were eligible for participation. It may be assumed that a large proportion of those who could not participate were also traumatized at least once in their life, but we do not know whether they suffer the same amount of distress or more. We collected data only at one point in time, so this study is cross-sectional. Every participant had completed diverse prison terms and/or treatment measures. Thus, it is not possible to draw firm conclusions from our data as to the chronological sequence or any changes of psychopathological phenomena. Nonetheless, the levels of mental distress that we found are relatively high. Although the rate of self-reported PTSD is low given the high rate of multiple trauma experience, this finding still is alarming because trauma experience is also a risk factor for many other mental disorders (Peleikis et al., 2005; Spataro et al., 2004; Spitzer et al., 2008). In addition, prisoners reported high scores for psychological symptoms in the BSI and a high rate of suicide attempts in prison. This suggests that the recommendations of the Council of Europe on mental health care in prison mentioned above are not implemented well (Melzer et al., 2002; Singleton et al., 1999), although the same therapeutic standards should apply for prisoners as for the general population. In addition to psychopharmacotherapy, there are other effective forms of psychotherapeutic treatment that could be used (Salize and Dressing, 2008). Acknowledgements This research was supported by the European Commission (AGIS-Programme, grant no. JSL/2006/AGIS/161), the Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung and the Friedrich Ebert Stiftung. References Andersen HS (2004) Mental health in prison populations: A review with special emphasis on a study of Danish prisoners on remand. Acta Psychiatrica Scandinavica 110(424): 5–59. Andersen HS, Sestoft D, Lillebaek T, et al. (1996) Prevalence of ICD-10 psychiatric morbidity in random samples of prisoners on remand. International Journal of Law and Psychiatry 19(1): 61–74. Andrews DA, Bonta J and Wormith JS (2006) The recent past and near future of risk and/or need assessment. Crime & Delinquency 52(1): 7–27. Antonovsky A (1987) Unraveling the Mystery of Health. San Francisco, CA: JosseyBass. Ashraf H (1999) Suicides in U.K. prisons increases in the past 10 years. Lancet 354(9176): 404. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 71 Dudeck et al. 419 Backett SA (1987) Suicide in Scottish prisons. 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Carsten Spitzer is associate professor for psychiatry, psychotherapy and psychosomatic medicine at the Department of Psychosomatic Medicine and Psychotherapy, University Medical Centre Hamburg-Eppendorf. He is interested in dissociation, traumatic stress and psychotherapy research. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 75 Dudeck et al. 423 Sven Barnow is Professor of Clinical Psychology and Psychotherapy, Head Section Clinical Psychology, University of Heidelberg. Research interests include emotion (dys)regulation, personality and personality disorders (borderline, in particular), PTSD and psychotherapy. Daniel Kopp is a psychologist at the Clinic for Psychiatry and Psychotherapy of the University of Greifswald. He is doing empirical research in prison. Philipp Kuwert is a senior psychiatrist at the Department of Psychiatry, University of Greifswald. His main research interest is traumatization during war-time. Harald J. Freyberger is Professor of Psychiatry, Psychotherapy and Psychosomatic Medicine and Director of the Clinic for Psychiatry and Psychotherapy of the University of Greifswald. Frieder Dünkel is Professor of Criminology at the University of Greifswald. He has been doing research on various aspects of imprisonment, recently with a focus on human rights of prisoners. Downloaded from pun.sagepub.com at Universiteatsbibliothek Greifswald on November 1, 2011 76 Eidesstattliche Versicherung und Erklärung Eidesstattliche Versicherung Hiermit erkläre ich, dass die Dissertation von mir selbstständig angefertigt wurde und alle von mir genutzten Hilfsmittel angegeben wurden. Ich erkläre, dass die wörtlichen oder dem Sinne nach anderen Veröffentlichungen entnommenen Stellen von mir kenntlich gemacht wurden. Greifswald, 07. Mai 2012 Daniel Kopp Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich mich bisher keiner weiteren Doktorprüfung unterzogen habe. Ich habe die Dissertation in der gegenwärtigen oder einer anderen Fassung an keiner anderen Fakultät eingereicht. Greifswald, 07. Mai 2012 Daniel Kopp 77 Danksagung Diese Dissertation entstand im Rahmen der Forschungsprojekte „Die Prävalenz psychischer Erkrankungen und der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung bei Gefängnisinsassen“ sowie „Langstrafenvollzug und die Frage der Menschenrechte in Staaten der Europäischen Union“. Ich möchte zunächst all denjenigen danken, die an diesen Projekten beteiligt waren und zu ihrem Gelingen beigetragen haben. Zu großem Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Hamm für die Übernahme der Betreuung dieser Arbeit. Herzlich danken möchte ich außerdem Herrn Prof. Freyberger für die Unterstützung meiner wissenschaftlichen Arbeit in seiner Klinik und für sein Vertrauen in meine klinische Tätigkeit. Mein ganz besonderer Dank gilt Frau PD Dr. Manuela Dudeck, welche mir diese Arbeit ermöglichte und mich bis zu deren Abschluss in ihrer ganz eigenen Weise mit unermüdlicher Motivation und großem Vertrauen animiert und unterstützt hat. Nicht nur hierbei habe ich vieles lernen dürfen. Ein weiterer Dank geht an Frau Prof. Kirstin Drenkhahn und an Herrn Prof. Dünkel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen des zweiten Forschungsprojektes. Frau Prof. Kirstin Drenkhahn danke ich überdies für ihre Unterstützung in juristischen Fragen. Danken will ich außerdem Herrn PD Dr. Georg Schomerus und Herrn Dr. Markus Krüger für ihre hilfreichen Anmerkungen und Ratschläge. Meinen Eltern, Silvia und Eliza danke ich für die Liebe und Unterstützung, die ich erfahren durfte und erfahren darf. 78