Beschützt gebären - HebammenHandwerk

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Videostill: © Katja Baumgarten
Jede Gebärende hofft, dass sie achtsam behandelt wird
Beschützt gebären
Tara Franke | Dass eine traumatische Geburt Mutter und Kind und deren Bindung nachhaltig stören kann, ist inzwischen allgemein
anerkannt. Dennoch ist die gezielte Prävention bislang in den allerwenigsten Kreißsälen etabliert. Es gilt immer wieder, das eigene
Handeln zu reflektieren und die Sensibilität für mögliche Gefährdungen der seelischen Gesundheit von Mutter und Kind zu schulen
E
ine einfühlsame und informative Geburtsvorbereitung sollte Angst nehmen, Entscheidungshilfen und damit mehr Kontrolle über die Situation geben und Frauen und
Paare besser auf die Extremerfahrung Geburt
vorbereiten. Vielen Frauen hilft es, wenn sie die
Geburtsräume und die begleitende Hebamme
vor der Geburt kennen gelernt haben. Typisch
für eine traumatische Situation ist die Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit. Daher
kann eine angemessene vorherige Aufklärung
das Risiko senken, durch das Geburtserleben
traumatisiert zu werden.
Möglichst schon in der Schwangerschaft,
spätestens aber beim Beginn der Betreuung
während der Geburt sollten die Betreuenden
n nach den Wünschen und Bedürfnissen der
Gebärenden fragen
n die Möglichkeiten der Umsetzung in dieser
Einrichtung gemeinsam mit ihr abklären
n dies auch schriftlich dokumentieren
n und an alle an der Geburt Beteiligten weitergeben, insofern dies für die Umsetzung und
Einhaltung nötig ist.
Traumaprävention erfordert, dass alle Beteiligten
sich an diese Absprachen halten und nur nach
Rücksprache und im Einvernehmen mit der Frau
davon abweichen.
Wissen um die Ursachen
Es ist hilfreich zu wissen, welche Faktoren ein
Trauma kennzeichnen oder seine verletzende
Wirkung verstärken, um das eigene Handeln
(noch) achtsamer und sensibler zu gestalten. Ein
Trauma im Sinne einer seelischen Verletzung
durch ein überwältigendes Ereignis wird umso
dramatischer erlebt und hinterlässt umso nachhaltigere Folgen, je mehr die folgenden Faktoren
für die Situation zutreffen:
n Das Trauma wurde nicht durch das Schicksal
oder eine Naturkatastrophe, sondern durch
Zutun eines anderen Menschen (mit-)verursacht.
n Der Grad der Abhängigkeit: Der erlebte
Übergriff erfolgt durch eine oder mehrere
Vertrauensperson(en).
n Ein Machtverhältnis zu Ungunsten des Opfers wurde unangemessen eingesetzt oder
missbraucht.
n Das als Übergriff erlebte Ereignis findet in
einem sehr intimen Lebensbereich statt.
n Das Erlebte geht mit dem Gefühl extremer
Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit einher.
n Der Übergriff oder das als Bedrohung empfundene Ereignis wiederholt sich mehrfach
oder ist von langer Dauer.
Originalbeitrag aus: DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 5 | 2010 Seite 6ff.
n Die Absicht hinter der verletzenden Handlung ist nicht erkennbar oder wird als rücksichtslos oder gar böswillig empfunden.
n Der geäußerte Protest oder Widerstand wird
ignoriert oder niedergeschmettert.
n Der Übergriff oder das Trauma wird auch im
Nachhinein heruntergespielt oder verleugnet.
Einige dieser Faktoren sind teilweise schon
durch den Charakter der Geburt berührt: die
Hilflosigkeit, die Abhängigkeit, die Intimität
und das Überschreiten natürlicher Schamgrenzen. Das macht die Geburt zu einer besonders
sensiblen Lebenserfahrung, die höchste Vorsicht
seitens der professionellen BegleiterInnen gebietet, um nicht zum Drama und zum Trauma für
die Frau zu werden.
Sich einfühlen und reflektieren
Um eine Traumatisierung bei der Geburt zu
vermeiden, sind eine kritische Reflexion der
eigenen Haltung gegenüber der Gebärenden und
dem Kind und die Anerkennung der bestehenden Machtverhältnisse wichtige Voraussetzungen. Manchmal ist es hilfreich, sich noch einmal
in die Situation der Frauen einzufühlen.
1
Eine Frau, die sich zur Geburt in die professionelle Betreuung einer Hebamme oder eines
geburtshilflichen Teams begibt, bringt diesen
Menschen sehr viel Vertrauen entgegen sowie
die Hoffnung, hier die bestmögliche Unterstützung zu bekommen: Sicherheit, Zuwendung
und fachlich fundierte Hilfe. Nicht allen Frauen
fällt es leicht, sich in diese Abhängigkeit zu begeben, andere wiederum möchten am liebsten
an der Kreißsaaltür die gesamte Verantwortung
abgeben.
Egal, wie viel oder wenig Bedürfnis nach
Selbstbestimmung eine Frau in die Geburt mitbringt: Jede Gebärende hofft, dass sie achtsam
behandelt wird und ihre Grenzen respektiert
werden. Gleichzeitig befindet sie sich unter
Wehen in einer Situation höchster Abhängigkeit.
Sie betritt – außer bei einer Hausgeburt – mehr
oder weniger fremde Räume. Sie weiß nicht,
inwieweit sie sich hier frei bewegen kann, weiß
in der Regel auch nicht, wie viel Mitsprache ihr
zugestanden und wie viel Folgsamkeit von ihr
erwartet werden. Sie wird instinktiv versuchen,
dies durch die Beobachtung derer herauszufinden, die ihr hier begegnen. Sie weiß intuitiv, dass
sie es vielleicht schwer haben könnte, wenn die
Hebamme sie unsympathisch findet oder sie
ihr zu oft widerspricht. Sie hat medizinisches
Personal – Hebammen, ÄrztInnen, Pflegende – möglicherweise in anderen Situationen
erlebt und nicht immer die Erfahrung gemacht,
dass ihre Bedürfnisse erste Priorität haben und
angemessen beachtet werden. Jede Betreuungssituation ist eine Verhandlung: Beide Seiten
haben ein Bedürfnis und ein Recht darauf, dass
sie innerhalb dieses Rahmens sicher sind und
unbeschadet bleiben. Es darf dabei aber nicht
übersehen werden, dass allein durch die Hilfebedürftigkeit und damit die Abhängigkeit der Frau
ein ungleiches Machtverhältnis besteht.
Informationen über den Stand der Geburt
und mögliche Probleme helfen der Gebärenden,
ihre Situation realistisch einzuschätzen. Sie
schützen vor schockierenden Überraschungen.
Waldenström et al. (1996) konnten in einer
Studie auch die Einbeziehung der Frau in den
Geburtsprozess als einen der Faktoren identifizieren, die zu einem positiven Geburtserlebnis
beitragen.
Traumaprävention könnte hier bedeuten,
dass Hebammen und GeburtshelferInnen
n sich bewusst machen, dass sie durch ihre
Rolle und Aufgabe in einem Machtverhältnis zur Gebärenden stehen, das ihnen eine
besondere Verantwortung für ihr Handeln
– und ihre Unterlassungen – überträgt
n sich ihrer eigenen Bedürfnisse und Motivationen bewusst sind und diese für die Frau
klar und transparent machen. Sie haben ihre
Berechtigung, sind aber nicht wichtiger als
die Bedürfnisse der Frau
n sich jederzeit bewusst sind, dass die Frau sich
freiwillig in ihre Obhut begibt und jederzeit
das Recht hat, über sich und ihr Kind zu
entscheiden – auch wenn sie damit nicht
die Erwartungen der Professionellen erfüllt
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n die Aufklärung einer Frau im Sinne der fachlichen Information sachlich und angemessen
einsetzen und nicht benutzen, um eine Frau
zu etwas zu überreden oder quasi zu zwingen
n sich bewusst machen, dass die Geburt der
Frau, dem Kind, der werdenden Familie
gehört – nicht den Professionellen.
Geburt als intimes Ereignis
Nicht nur der Wegbereiter für die sanfte Geburt, Michel Odent, hat in seinen Büchern und
Vorträgen eindrücklich vermittelt, dass Geburt
die intimsten Seiten des Daseins berührt und
die gleiche geschützte Atmosphäre braucht
wie der Liebesakt. Auch Frauen, die durch die
Geburt traumatisiert wurden, betonen diesen intimen Charakter, indem sie nach traumatischen
Geburten häufig von einer „Vergewaltigung“
sprechen.
Starke Wehenschmerzen, die Unabwendbarkeit der Geburt und Gefühle von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit können an sich schon
traumatisch wirken. Jeder Übergriff von außen,
ob verbal oder körperlich, kann in dieser Situation bedrohlich und verletzend wirken.
Traumaprävention könnte hier bedeuten,
dass Hebammen und GeburtshelferInnen
n sich bewusst machen, dass Geburt auch ein
sexueller Akt ist, der die höchste Zurückhaltung und den größtmöglichen Schutz der
Intimität braucht
n der Frau so viele Möglichkeiten wie möglich
anbieten, um sich selbst helfen zu können
n im Bedarfsfall nach angemessener Aufklärung
der Frau die Kontrolle über jegliche Manipulation und Intervention überlassen; das bedeutet, immer zuerst das Einverständnis einzuholen, bevor untersucht oder interveniert wird
n jedes „Nein“ der Frau – auch nonverbale
Äußerungen wie Kopfschütteln oder abwehrende Bewegungen – als solches verstehen
und befolgen.
Der zeitliche Faktor
Eine kurze Unachtsamkeit einer Hebamme oder
ÄrztIn wirkt meistens nicht traumatisch, weil
die Frau die betreffende Person ja über längere
Zeit erlebt und das Geschehen in eine umfassende Wahrnehmung einbetten kann. Ist eine
Hebamme oder Ärztin jedoch dauerhaft oder
wiederholt unfreundlich, unkooperativ oder
gar übergriffig, steigen bei der Gebärenden der
Stress und die Belastung bis hin zu langfristigen
Traumafolgen.
Wenn eine betreuungsbedürftige Gebärende
über Stunden oder immer wieder allein gelassen
wird, kann das ein Trauma auslösen. Genauso
können unerträgliche Schmerzen über einen
langen Zeitraum wirken – beispielsweise nach
einer Überdosis Prostaglandin, das nicht mehr
vom Muttermund entfernt werden kann, oder
bei einer längeren Verzögerung bis zum Anlegen
einer gewünschten PDA. Ebenso kann es als
traumatisch erlebt werden, wenn sich schlechte
Geburtserfahrungen wiederholen.
Traumaprävention könnte hier bedeuten,
dass Hebammen und GeburtshelferInnen
n sich darum bemühen, der Frau jederzeit mit
Freundlichkeit, wenigstens aber mit Klarheit
und Respekt zu begegnen, und ihr signalisieren, dass sie sie grundsätzlich unterstützen
und schätzen – auch, wenn ihr Verhalten
nicht immer den Erwartungen entsprechen
sollte
n eine Gebärende nicht alleine lassen, wenn
sie nach einer Hebamme verlangt (was die
Forderung der Berufsverbände nach einer
Eins-zu-eins-Betreuung unterstützt)
n auf verbale und nonverbale Äußerungen der
Frau reagieren, die Unwohlsein, Überrumpelt-fühlen oder Verunsicherung signalisieren,
und die Betreuung entsprechend anpassen.
Schmerzen bei Mutter und Kind
Starker, manchmal auch beinahe unerträglicher
Schmerz über viele Stunden, zeichnet die meisten Geburten aus und fordert die Gebärende
und ihre Kompensationsmöglichkeiten. Ernst
genommen zu werden in ihrem Erleben und
ihren persönlichen Grenzen, Unterstützung und
Anerkennung für ihre Leistung zu erfahren, kann
die Frau stabilisieren und ihr helfen, die Geburt
aus eigener Kraft zu erleben, selbst wenn diese
am Ende trotzdem nicht mit einer Spontangeburt endet. Neben den Schmerzen ist jedoch
eine signifikant häufige Ursache für ein negatives
Geburtserlebnis die mangelnde Unterstützung
der Hebamme (Waldenström 2004).
„Weder der Einfluss von Wehenschmerz
oder Schmerzerleichterung noch der von medizinischen Interventionen unter der Geburt
ist für die spätere Zufriedenheit mit der Geburt
so offensichtlich, direkt und tiefgreifend wie
der Einfluss der Haltung und des Verhaltens
der Betreuenden.“ (Hodnett 2002). Damit die
Wehenerfahrung nicht zum Trauma wird
n können Hebamme und ÄrztIn darauf achten,
dass sie das individuelle Erleben der Geburt
durch Zuspruch und Mitgefühl anerkennen
n sollten Frauen schon vor der Geburt über
mögliche Hilfen und Schmerztherapien sowie
deren Vor- und Nachteile informiert werden
n sollten Entscheidungen über den Einsatz von
natürlichen oder medizinischen Schmerztherapien gemeinsam und sachlich getroffen
werden.
Lange Zeit wurde das seelische und körperliche
Schmerzempfinden ungeborener oder neugeborener Kinder ignoriert oder unterschätzt.
Heute wissen wir, dass das Kind hoch sensibel
auf Schmerzen und Alleingelassensein reagiert.
Traumaprävention sollte daher alle Aspekte berücksichtigen, die die seelische und körperliche
Gesundheit gefährden könnten. Dazu gehört
n auf alle invasiven Untersuchungen zu verzichten, die nicht unbedingt notwendig
Originalbeitrag aus: DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 5 | 2010 Seite 6ff.
sind, insbesondere schmerzhafte wie die
Kopfschwartenelektrode, Mikroblutuntersuchungen, Blutuntersuchungen, tiefes Absaugen und dergleichen
n bei Bedarf angemessen schmerzlindernde
Maßnahmen anzuwenden, beispielsweise
Lokalanästhetika oder das Stillen beim Blutabnehmen
n jede Trennung von Mutter und Kind zu
vermeiden, insbesondere direkt nach der
Geburt und in den ersten Tagen
n alle Routinemaßnahmen nach der Geburt
so durchzuführen, dass sie das Bonding von
Mutter und Kind unterstützen und nicht
behindern.
Prävention bei Komplikationen
Geburten, die wegen Komplikationen mit
zusätzlichem Stress einhergehen, bergen ein
erhöhtes Risiko, traumatisch zu wirken. Hier
können zusätzliche Schmerzen, Interventionen,
Hilflosigkeit, Angst um das eigene Leben oder
das Leben des Kindes hinzukommen und die
psychischen Kompensationsmöglichkeiten der
Frau überfordern. Gerade in solchen Situationen
sollten Hebamme und ÄrztIn versuchen, traumasensibel zu arbeiten. Besonders zu beachten
sind folgende Maßnahmen:
n Um auf die Geschehnisse vorbereitet zu
werden, sollte die Frau rechtzeitig über sich
anbahnende Komplikationen und die Möglichkeiten der Intervention aufgeklärt werden.
n Auch bei Stress und Hektik ist das Einvernehmen der Frau einzuholen. Das kann in
einem Notfall bedeuten, dass der Frau die
Dringlichkeit einer Intervention erklärt wird
und ihr Einverständnis ausnahmsweise für
eine ganze Interventionskette eingeholt wird.
Dennoch sollte jede einzelne Manipulation an
ihr oder dem Kind kurz angekündigt werden.
n Wenn die Frau zum Kaiserschnitt eine Begleitperson bei sich haben möchte, die sich
dazu in der Lage sieht, sollte dies unbedingt
möglich gemacht werden.
n Im OP ist darauf zu achten, dass die Frau sich
nicht in den Fensterscheiben gespiegelt sehen kann. Bei allen Maßnahmen sollte darauf
geachtet werden, dass auch die Begleitperson
nicht auf erschreckende Anblicke stößt, dass
beispielsweise der Partner sich am Kopfende
der Frau befindet, wenn eine Episiotomie
vorgenommen wird.
n Das Bonding ist zur Verarbeitung besonders
bei einer Sectio und anderen Komplikationen
wichtig für Mutter und Kind und sollte ermöglicht werden, soweit es die Gesundheit
der beiden zulässt. Einige Kliniken ermöglichen Mutter und Kind noch im OP einen
längeren Hautkontakt während der Naht.
n Konnte im akuten Notfall nicht umfangreich
aufgeklärt werden, ist es hilfreich für die
Mutter, ihr nachher ein ruhiges Gespräch
anzubieten, um ihr ein besseres Verständnis
für die Situation zu geben.
Achtung und Respekt
Alle Menschen haben ein grundsätzliches Bedürfnis nach Achtung durch ihre Mitmenschen.
Das gilt umso mehr, wenn sie sich in einer
verletzlichen Situation wie während der Geburt
befinden. Achtung vor ihren Grenzen, Respekt
für die Entscheidungen, die sie als erwachsene
und vollmächtige Person treffen – vor dem Hintergrund professioneller Aufklärung, aber auch
aufgrund eigener Erfahrungen, Einstellungen
und Biografie. Auch unter Wehen und gerade
dann, wenn ihre Gesundheit oder die ihres
ungeborenen Kindes davon betroffen sind.
Für viele Frauen und Paare geht es bei der
Geburt nicht nur darum, wie „die Werte“ nachher aussehen, sondern auch, wie sie die Herausforderung erlebt und bewältigt haben, und was
diese existenzielle und elementare Erfahrung
für sie bedeutet.
Eine Studie aus Schweden mit 295 frisch
entbundenen Frauen ergab, dass unter der
Geburt die Sensitivität der Hebamme für die
Bedürfnisse der Frau entscheidenden Einfluss
hatte auf das positive Erleben der Geburt (Waldenström 1996). Wird der geäußerte Wille der
Frau missachtet, verletzt das ihr Selbstbestimmungsrecht. Es erschüttert das Vertrauensverhältnis nachhaltig, kann Angst und Trauer und
schlimmstenfalls ein Trauma auslösen. Besonders schmerzhaft werden Handlungen oder
Grenzüberschreitungen empfunden, die mit
Lieblosigkeit oder als Bestrafung für mangelnde
Folgsamkeit erfolgen.
Entwürdigend und zutiefst verletzend ist
auch eine Haltung, die die Mutter als fötales
Umfeld betrachtet, oder die der Mutter signalisiert, möglichst kooperativ sein zu müssen, um
die Standards der Klinik oder die Philosophie des
Geburthauses nicht durcheinander zu bringen.
Hat die auf solche oder andere Art seelisch
Verletzte den Mut, direkt oder später ihre Gefühle, ihre Frustration, ihre Trauer und dergleichen
zu äußern, kann an dieser Stelle manchmal
noch durch besonnenes Reagieren nachhaltiger
Traumatisierung vorgebeugt werden. Zuhören,
Ehrlichkeit, der Mut, Unachtsamkeiten einzugestehen, und vor allem das Mitgefühl für den
Kummer und die Schwierigkeiten der Frau mit
diesem Erlebnis können – für beide Seiten –
heilsam wirken. Ignoranz, Herunterspielen oder
Verleugnen dagegen vertiefen oft den Schmerz
und das Trauma.
Traumaprävention könnte hier bedeuten,
dass Hebammen und GeburtshelferInnen
n durch die Geburt traumatisierte Frauen in
ihren Äußerungen ernst nehmen und eigene
Unzulänglichkeiten eingestehen, um ihnen
die Heilung zu erleichtern
n sich schulen und fortbilden in Kommunikation, Beratungskompetenz, traumasensibler
Arbeit und PatientInnenrechten
n sich um ihre eigene seelische und körperliche
Gesundheit kümmern, sich für gute Arbeitsbedingungen einsetzen und für eine Balance
zwischen Arbeit und Erholung sorgen, um
Originalbeitrag aus: DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 5 | 2010 Seite 6ff.
ausgeruht und achtsam arbeiten zu können
n im Austausch mit Kolleginnen, in Supervision
oder bei Fortbildungen ihre inneren Einstellungen, Bedürfnisse, Ängste, ihre eigenen
Blockaden oder Verletzungen reflektieren
und ihre Kompetenzen weiter entwickeln.
Der Schlüssel ist Vertrauen
Das Vertrauen der Gebärenden kann sich aufbauen, indem geburtsbegleitende Hebammen
und ÄrztInnen konsequent traumapräventiv
arbeiten und achtsam mit dem ihnen entgegen
gebrachten Vertrauen umgehen. Solange die
seelische Gesundheit von Mutter und Kind
und ihre gelingende Bindung nicht als ebenso
wichtig erachtet werden wie die körperliche
Seite – die medizinisch leichter messbar ist –,
solange wird es schwierig bleiben, flächendeckend eine traumapräventive Geburtshilfe zu
etablieren. Die Vorbeugung schützt auch die
Betreuenden, denn traumatische Ereignisse
im Kreißsaal treffen nicht nur Mütter und
l
Kinder.
Literatur
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„I Gotta Push. Please Let Me Push!“ Social Interactions
During the Change from First to Second Stage Labor.
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Gewalt in der Hebammenarbeit. Titelthema im Hebammenforum. November (2007)
Green, J. M.; Baston, H. A.: Feeling in control during
labor: concepts, correlates, and consequences. Birth. 30
(4): 235–47 (2003)
Odent, M.: Geburt und Stillen. Über die Natur elementarer
Erfahrungen. C.H. Beck (2000)
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Jungfermann. Paderborn (2007)
Waldenström, U.; Borg, I.-M.; Olsson, B.; Sköld, M.; Wall,
S.: The childbirth experience: A Study of 295 New Mothers.
Zentralblatt für Gynäkologie. 188: 448–452 (1996)
Waldenström, U., Hildingsson, I.; Rubertsson, C.; Rådestad,
I.: A negative birth experience: prevalence and risk factors
in a national sample. Birth. 31 (1): 17–27 (2004)
die autorin
Tara Franke ist Hebamme, Sexualpädagogin,
Autorin sowie Koordinatorin der Projektgruppe T.A.R.A. (siehe Seite 18) im Deutschen
Hebammenverband (DHV). Sie ist seit Januar
2009 Leiterin des Fortbildungsinstitutes
„Herztöne“, das von Marion Stüwe 2002 in
Bremen gegründet worden ist.
Kontakt:
[email protected]
www.herztoene.net,
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