Abschnitt 2. Öffentlich-rechtlicher Vertrag

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Verwaltungskooperationsrecht
(Public Private Partnership)
Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums des Innern
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Ø Gesetzliche Regelungen zur Strukturierung von Verwaltungskooperationen sollten
ausschließlich im Verwaltungsverfahrensgesetz verankert werden.
Ø Als Vorgabe zu beachten ist dabei, dass
• die Speicherkapazität der vertypten Bausteine groß genug zur Erfassung variierender Problemkonstellationen sein muss und
• für die aus Ziel- und Interessendivergenzen drohenden Konfliktfelder im Gesetz
Merkposten bezeichnet werden sollen, die bei der Gestaltung der konkreten Verwaltungskooperation abgearbeitet werden.
II.
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(VII 1)
Ø Bei einer Novellierung des Rechts des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist anzustreben,
die zu einer Bevorzugung des Verwaltungsakts führenden Vorteile dieser Handlungsform hinsichtlich Form, Berücksichtigung betroffener Drittinteressen, Fehlerfolgenregime und Durchsetzbarkeit soweit wie möglich abzubauen.
2.
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VI 2)
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Ø Der Selbstand des Vertragsrechts der Verwaltung gegenüber dem Vertragsrechtsregime des Zivilrechts ist zu beachten. Ein Rückgriff auf zivilistische Lösungsmodelle
ist nur unter Beachtung der strukturellen Besonderheiten des öffentlichen Rechts
möglich.
3.
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Ø Auch bei einer Novellierung der §§ 54 ff. VwVfG sollte die Differenzierung zwischen
öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag im Grundsatz erhalten bleiben.
Einzufügende Regelungen von Verwaltungskooperationen können sich auf die Statuierung von Maßstäben für das Kooperationsverhalten der Verwaltung und ggf. von
Folgen bei Nichtbeachtung dieser Maßstäbe beschränken. Die Beurteilung, ob es sich
dabei um einen öffentlich-rechtlichen oder einen privatrechtlichen Vertrag handelt,
kann dem Einzelfall überlassen bleiben.
4.
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4)
Ø Die bisher in § 54 S. 2 VwVfG verankerte Kategorie des „subordinationsrechtlichen“
Vertrages sollte aufgegeben werden. Statt dessen sollte den öffentlich-rechtlichen
II
Bindungen der Verwaltung in unterschiedliche Schutzbedürfnisse aufnehmenden Regelungen Rechnung getragen werden.
5.
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(VII 55))
Ø Unter den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechtsstaatsgebots bedarf es einer
Prüfung der Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde für die Fälle zweiseitiger
Verträge zwischen Behörde und Privaten, die inhaltlich an die Stelle eines einseitigen
Hoheitsakts der Behörde treten oder bei denen der Erlass eines solchen Hoheitsaktes
Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist.
Ø Ein solche strikte Prüfung ist jedoch erst dann geboten, wenn die Behörde den Vertragspartner nicht umfassend über die Vor- und Nachteile des Vertrages sowie die
Maßstäbe für die Angemessenheit der Gegenleistung aufgeklärt hat. Hat die Behörde
ihrer Aufklärungspflicht genügt und ihr Vertragspartner sich in Kenntnis der Nachteile
zu dem Vertragsschluss entschlossen, so ist es gerechtfertigt und der privatautonomen
Willensentscheidung des Privaten angemessen, die Beachtung von Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot zu vermuten. Es ist dann Sache des Privaten, diese Vermutung zu widerlegen und darzutun, weshalb gleichwohl gegen die genannten Grundsätze verstoßen worden sein soll.
Ø Für alle anderen vertraglichen Kooperationen wird ein den rechtsstaatlichen Vorgaben
genügendes Schutzniveau durch die genannte Aufklärungs- und Beratungspflicht sichergestellt, die allein geeignet ist, komplexe Einigungsstrukturen unter Angemessenheits- und Koppelungsgesichtspunkten zu vernetzen.
6.
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Ø Die Schriftform sollte als Regelform für den öffentlich-rechtlichen Vertrag aufgegeben werden.
Ø Für einen formbedürftigen Hoheitsakt ersetzende oder betreffende Verträge ist das
Schriftformerfordernis unter Verzicht auf die Notwendigkeit der Urkundeneinheit aufrechtzuerhalten.
Ø Multipolare Vertragssituationen und durch den Vertrag erzeugte Drittbetroffenheiten
legen ebenfalls die Beibehaltung des Schriftformerfordernisses nahe.
Ø Im übrigen ist eine Option beider Vertragspartner zur Wahl der Schriftform für den
Vertrag vorzuziehen.
7.
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Ø Die in § 55 VwVfG für den Vergleichsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten intersubjektiver Sachverhaltskonkretisierung sollten erweitert werden. Dabei ist zu beachten,
dass der Untersuchungsgrundsatz nicht aufgebbar ist.
III
Ø Die Verantwortung der Behörde für die Sachverhaltsobjektivität kann durch normative Vorordnung der kooperativen Sachverhaltskonkretisierung und eine nachvollziehende Amtsermittlung sichergestellt werden.
Ø Eine weitergehende Verfügung über den Sachverhalt in Form von intersubjektiven
Sachverhaltsvereinbarungen dürfte unzulässig sein. Insoweit bezeichnet die bestehende Regelung des § 55 VwVfG die Zulässigkeitsgrenze zutreffend. Die Beschränkung
des Anwendungsbereichs der Regelung auf „subordinationsrechtliche“ Verträge ist
aufzugeben, da § 55 VwVfG lediglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes
ist. In koordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen gelten diese Beschränkungen regelmäßig nicht.
8.
Ste
Stellun
llun
llungg Dr
Drittbe
ittbe
ittbettroffener (VI 8)
Ø Im Interesse eines aktiven Interessenmanagements sollte den Vertragsparteien eine
möglichst frühzeitige Ermittlung aller von dem Vertragsschluss möglicherweise berührten Interessen nahegelegt werden. Eine solche Interessensammlung wäre ebenso
fakultativ wie die möglichst frühzeitige Benachrichtigung und Verfahrenseinbeziehung eventuell betroffener Dritter. Die Benachrichtigung und Verfahrenseinbeziehung
Dritter bedarf der Zustimmung aller Vertragsparteien.
Ø Die zum Schutz von Drittinteressen bisher in § 58 Abs. 1 VwVfG vorgesehene
schwebende Unwirksamkeit sollte im Interesse der Vertragsparteien, möglichst bald
Gewissheit über den Bestand des Vertrages zu haben, durch eine schwebende Wirksamkeit ersetzt werden.
Ø Zu diesem Zweck ist ein binnen eines Monats nach Bekanntgabe der sie möglicherweise belastenden Vertragsregelungen auszuübendes Widerspruchsrecht Drittbetroffener vorzusehen. Die Erhebung eines begründeten Widerspruchs führt zur Unwirksamkeit der drittbelastenden Vertragsregelung mit Wirkung ex tunc. Ob sich hieraus
eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ergibt, bemisst sich nach den Grundsätzen des § 59 Abs. 3 VwVfG. Die Formanforderungen für den Widerspruch orientieren
sich an § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Ø Die Bekanntgabe erfolgt nach den für Verwaltungsakte geltenden Bestimmungen. Es
ist der Behörde freizustellen, nach Zustimmung durch alle Vertragspartner eine öffentliche Bekanntgabe zu veranlassen. Mit der Bekanntgabe ist auf die fristgebundene
Geltendmachung des Widerspruchsrechts hinzuweisen. Für den Fall der fehlenden oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung kann auf § 58 Abs. 2 VwGO verwiesen werden.
Ø Klarstellend sollte darauf hingewiesen werden, dass sich das Widerspruchsrecht sowohl auf Verfügungs- als auch auf Verpflichtungsverträge bezieht.
9.
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VI 9 a)
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Verrtrage
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Ø Es wird vorgeschlagen, die Vorschrift des § 59 Abs. 1 VwVfG beizubehalten.
IV
Ø Die Regelungen des § 59 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG sollten dem Grundsatz nach beibehalten werden, jedoch an die vorliegend vorgeschlagene Fassung des § 56 Abs. 2 S.
1 angepasst werden.
Ø Das bisher in § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG enthaltene Kriterium der Rechtswidrigkeit
sollte durch eine auf die Bedrohung des Bestands des Verwaltungsakts oder Hoheitsakts abstellende Regelung ersetzt werden.
a)
a)
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Ø Die bisher in § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG angeordnete strikte Nichtigkeit des Vergleichsvertrages bei Fehlen der Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleichsvertrages ist im Vergleich zu den für Verwaltungsakte geltenden Regelungen nicht
sachangemessen.
Ø Ist eine Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage zu Unrecht angenommen worden, so muss zunächst das zur Verfügung stehende Aufklärungspotential ausgeschöpft
werden. Wird dabei der Vergleich inhaltlich bestätigt, so besteht für die Anordnung
der Nichtigkeit kein Grund. Neu entstehende Ungewissheit ist durch Anpassung des
Vergleichs zu beseitigen. Nur wenn eine solche Anpassung nicht möglich oder nicht
zumutbar ist, ist der Vergleich nichtig.
Ø Für das Verhältnis zwischen Vergleichsvertrag und ggf. bestehenden anderen Vertragsteilen ist die bisher in § 59 Abs. 3 VwVfG enthaltene Regelung über die Teilnichtigkeit durch eine Vermutung für die Gültigkeit des Restvertrages mit einer Anpassungspflicht an das Schicksal des Vergleichsvertrages zu ersetzen. Eine Nichtigkeit
des Restvertrages sollte ebenfalls auf die Fälle der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung beschränkt werden.
Ø Zur Harmonisierung der Fehlerfolgenregime ist § 60 VwVfG dahingehend zu ändern,
dass die Vorschrift ausdrücklich auch einen bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Irrtum der Parteien über die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse erfasst.
In § 59 VwVfG ist die Geltung des § 779 BGB für den öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag auszuschließen.
b)
Unz
Unzuulässi
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(VII 99aa dd)
Ø Anknüpfend an die vorgeschlagenen Änderungen des § 56 ist für die Folgen der Vereinbarung einer unzulässigen Gegenleistung zwischen multipolaren und bipolaren
Verträgen zu unterscheiden.
Ø Genügt die Behörde bei multipolaren Verträgen ihrer Hinweispflicht, so ist der Vertrag wirksam, ohne dass Raum für eine Angemessenheitsprüfung oder Vertragsanpassung bliebe. Eine Verletzung der Hinweispflicht führt zu einem Anpassungsanspruch
der übergangenen Vertragspartei, wenn ihr das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Ist die Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei
nicht zuzumuten, so ist der Vertrag nichtig. Entsprechend sind bipolare Verträge zu
behandeln, die nicht verwaltungsaktersetzend oder hoheitsaktbezogen sind.
V
Ø Bei verwaltungsaktersetzenden oder hoheitsaktbezogenen bipolaren Verträgen führt
eine Verletzung der Hinweispflicht durch die Behörde zu einem Anspruch des privaten Vertragspartners auf Vertragsanpassung mit Eintritt der Nichtigkeit bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Anpassung. Die Erfüllung der Hinweispflicht begründet eine Vermutung für die Beachtung von Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot. Ein diesbezüglicher gemeinsamer Irrtum der Parteien ist nach § 60
VwVfG zu behandeln.
Ø Sofern eine entsprechende Belehrung des Vertragspartners der Behörde in dem Vertrag erfolgt ist, sollte für die Geltendmachung des Anpassungsanspruchs eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Vertragsschluss gelten.
Ø Um Leitlinien für die Vertragsanpassung zur Verfügung zu haben, sollte auf die Aufnahme der von der Behörde gegebenen Bewertungshinweise in den Vertragstext hingewirkt werden. Einschlägiger Regelungsort wäre insoweit § 56.
10.
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(VII 9 b)
Ø Eine gesetzliche Regelung der Sanktionierung der (einfachen) Rechtswidrigkeit des
öffentlich-rechtlichen Vertrages unterhalb der Nichtigkeitsebene sollte nicht vorgenommen werden.
Ø In § 60 VwVfG könnte das Angebot von Vertragsklauseln verankert werden, die von
den Parteien situationsadäquat modifiziert und als konsentiertes Regime von Reaktionsmöglichkeiten auf Fehler des Vertrages im Vertrag selbst verankert werden können.
11.
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(VII 9c)
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Ø Da die vorgeschlagenen Änderungen die Situation einer bereits erbrachten, nicht mehr
rückabwickelbaren Leistung der Behörde nahezu ausschließen, ist eine Aufnahme einschlägiger Regelungen in das Verwaltungsverfahrensgesetz entbehrlich.
12.
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Veert
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(VII 10)
Ø Zur Erleichterung der Entwicklung von Routinen sollte in § 61 VwVfG auch auf andere Instrumente zur Sicherung der Vertragsdurchführung als die Unterwerfung unter
die sofortige Vollstreckung hingewiesen werden.
Ø Die bisherige Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vollstreckungsunterwerfung auf den „subordinationsrechtlichen“ Vertrag sollte aufgegeben werden.
Ø Hinsichtlich der Verankerung der Vereinbarung von Sicherheitsleistungen im Gesetz
muss der Geltung des Angemessenheitsgebots Rechnung getragen werden.
Ø Bei der Normierung des Versprechens einer Vertragsstrafe sollte die entsprechende
Anwendung der §§ 339-344 BGB und die Möglichkeit der Vertragsparteien, Abweichendes zu vereinbaren, verdeutlicht werden. § 343 BGB kann dabei nach allgemei-
VI
nen Grundsätzen nicht abbedungen werden. Dem Versprechen muss eindeutig entnehmbar sein, für welchen Fall die Strafe verwirkt sein soll. Wegen der Problematik
des sog. hinkenden Austauschvertrages ist klarzustellen, dass sich die Vertragsstrafe
nur auf im Vertrag selbst vereinbarte Leistungen beziehen kann.
13.
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(VII 11)
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(VII 1111 b)
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gelun
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Ø In das Verwaltungsverfahrensgesetz sollten Regelungen über Vorfeld-Kooperationen
aufgenommen werden, die diese informalen Kooperationsverhältnisse zielbezogen zu
optimieren und mit ihnen verbundene Gefahren zu minimieren vermögen.
Ø Eine Formalisierung des Informalen darf hiermit nicht verbunden sein. Die vorzusehenden Regelungen dürfen deshalb nur empfehlenden Charakter haben.
Ø Die Normierungen haben sich auf eine Strukturierung des Kooperationssystems ohne
Rücksicht auf einen Kooperationserfolg zu beschränken.
Ø Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist durch einen Hinweis auf das Nichtvorliegen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 VwVfG abzugrenzen.
Ø Die Strukturierungsleistung sollte auf den vier identifizierten Phasen Kooperationsanbahnung, Kooperationsscoping, Kooperationsverfahren und Kooperationsformalisierung aufbauen und auf die Vermeidung der durch informale Kooperationen drohenden
Gefahren hinwirken.
Ø Um eine Verwechslung mit dem vorliegend verwendeten Begriff der Verwaltungskooperation zu vermeiden, sollte statt von „Kooperation“ von „Zusammenarbeit mit Privaten“ gesprochen werden.
Ø Da die §§ 54 ff. VwVfG nur den öffentlich-rechtlichen Vertrag regeln, die Zusammenarbeit mit Privaten aber nicht notwendig im Vorfeld eines Vertragsschlusses erfolgen muss, wäre eine Regelung im Rahmen des öffentlichen Vertragsrechts systemfremd. Auch die noch zu behandelnde Verwaltungskooperation muss nicht zwingend
in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gefasst sein. Daher könnte als neuer
Oberbegriff des Teils IV des Verwaltungsverfahrensgesetzes von „Zusammenwirken“
gesprochen werden. Die Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit Privaten, öffentlich-rechtlichem Vertrag und Verwaltungskooperation könnten dann als Abschnitte 1, 2 und 3 ausdifferenziert werden.
b)
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(VII 11 cc))
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(VII 1111 c aa)
Ø Die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts im Verwaltungsverfahrensgesetz ist erforderlich, damit Verwaltungskooperation aufgabenadäquat initiiert, gestaltet
und begrenzt werden kann.
VII
bb)
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(VII 11 c bb)
Ø Die in Verwaltungskooperationen in Form der Gewährleistungsverantwortung fortbestehende Verantwortung des öffentlichen Kooperationspartners für die Erfüllung der
öffentlichen Aufgabe ist durch die Entwicklung eines Rechtsrahmens hinsichtlich der
Struktur und Durchführung von Verwaltungskooperationen umzusetzen.
Ø Da die Intensität der zur Realisierbarkeit der Gewährleistungsverantwortung erforderlichen Steuerung der kooperativen Aufgabenerfüllung wesentlich von dem aufgabenabhängigen Verantwortungsniveau determiniert wird, ist dem öffentlichen Kooperationspartner die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Verantwortungsbilanzierung zu verdeutlichen.
Ø Die zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung benötigten Instrumente
sind aus der Verantwortungsbilanzierung zu entwickeln. Insoweit sind dem öffentlichen Kooperationspartner durch das Verwaltungskooperationsrecht Muster zur Verfügung zu stellen, in Relation zu denen für die einzelne Kooperation die jeweiligen instrumentellen Anpassungen erfolgen können.
Ø Soweit eine Auffangverantwortung des Staates fortbesteht, erfordert es die Sicherung
der Aufgabenerfüllung, dem öffentlichen Kooperationspartner die Vorhaltung von Erfüllungsalternativen aufzugeben.
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VI 11 c cc)
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Verwaltun
rwaltun
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Ø In das Verwaltungsverfahrensgesetz sollte ohne weitere Typendifferenzierung ein
Verwaltungskooperationsvertrag als ausfüllungsbedürftiger Rahmen aufgenommen
werden, der
•
dem öffentlichen Kooperationspartner die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Verantwortungsbilanzierung verdeutlicht,
•
die Kooperation strukturiert und
•
zur Sicherstellung des erforderlichen Verantwortungsniveaus und der Interessen
der Kooperationspartner geeignete Instrumente anbietet.
Ø Dem Anliegen der Einziehung einer mittleren Konkretisierungsebene kann dadurch
Rechnung getragen werden, dass auf exemplarische Anwendungsfelder des Verwaltungskooperationsvertrags, insbesondere
•
die Übertragung der Verantwortung für die Erfüllung einer bisher öffentlichen
Aufgabe auf einen Privaten,
•
die ganz oder teilweise Übertragung der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privaten sowie
•
die partnerschaftliche Zusammenarbeit von der Behörde und Privaten bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ohne Gründung einer Gesellschaft des Privatrechts
hingewiesen wird.
VIII
dd)
Strukturierun
waltung
dd)
Strukturie
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Verw
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skooperatione
ratione
rationenn (V
(VII 11 c dd)
Ø Durch Verweis auf die in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmenden Vorschriften über die Vorfeld-Kooperation ist sicherzustellen, dass diese Vorschriften
auch für die Anbahnung von Verwaltungskooperationen gelten.
Ø Die Phase nach Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages ist vertraglich zu
gestalten, wobei der Verwaltung die Aufnahme bestimmter Klauseln in den Vertrag
aufzugeben oder freizustellen ist.
Ø Zur Strukturierung komplexer Kooperationen sind die Instrumente des Vorvertrages,
des Teilvertrages, des Rahmenvertrages und des Durchführungsvertrages zur Verfügung zu stellen. Soweit solche Verträge einen selbständig realisierbaren Inhalt haben,
dürfen sie nur nach einer Bewertung im Rahmen der geplanten Gesamtkooperation
geschlossen werden.
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ee
grenzuung von V
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(VI 11 c ee
ee)
Ø Zur Umsetzung der Gestaltungs- und der Begrenzungsfunktion des Verwaltungskooperationsrechts sollten Klauselkataloge in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen werden, welche die Vertragsgestaltung vorordnen.
Ø Es kann zwischen Mindestinhaltsklauseln, die das „Ob“ der Verwirklichung und für
das „Wie“ einen Mindeststandard vorgeben, Berücksichtigungsklauseln, die das „Ob“
vorschreiben und das „Wie“ zur Disposition der Vertragspartner stellen, sowie fakultativen Klauseln, die „Ob“ und „Wie“ den Partnern überlassen, unterschieden werden.
Ø Als Mindestinhaltsklauseln werden empfohlen:
•
Definition der Kooperationsziele;
•
genaue Bestimmung von Inhalt, Umfang und Qualität der von den Kooperationspartnern zu erbringenden Leistungen;
•
Ergebnis der Verantwortungsbilanzierung und Verpflichtung der Kooperationspartner auf die Sicherung dieses Verantwortungsniveaus;
•
Recht zur Rückholung der Aufgabenerfüllung bei Auffangverantwortung der
Verwaltung;
•
Pflicht zur Einhaltung für die Aufgabenerfüllung maßgebender gesetzlicher Bestimmungen;
•
Pflicht der Kooperationspartner zu gegenseitiger Information, Rücksichtnahme
und kooperativer Verwirklichung der Kooperationsziele.
Ø Berücksichtigungsklauseln können lediglich Problemfelder benennen und Musterklauseln anbieten, anhand derer die Kooperationspartner ihre konkrete Problemlösungsstrategie entwickeln können. Von Bedeutung sind vor allem:
•
Definition einzelner Leistungs- und Betriebspflichten;
IX
•
Definition von Leistungs- und Qualitätsstandards;
•
Einrichtung eines Vertragscontrollings und -managements;
•
Informations-, Kontroll- und Aufsichtsrechte der Verwaltung;
•
Entwicklung eines Fehlerfolgen- und Leistungsstörungsregimes;
•
Bestimmungen über die Vertragslaufzeit;
•
Sicherung von Drittinteressen.
Ø Gegenstände fakultativer Klauseln könnten sein:
•
Durchsetzungsklauseln;
•
Übertragung hoheitlicher Befugnisse;
•
Einrichtung besonderer Kooperationsgremien mit Vetorecht jedes Kooperationspartners gegen die Fassung bindender Beschlüsse;
•
Verteilung der Realisierungskosten.
Ø Das Unterlassen der Aufnahme fakultativer Klauseln in den Kooperationsvertrag
bleibt folgenlos. Wird einer Berücksichtigungsklausel nicht eine durch eine ausdrückliche oder durch Auslegung zu entnehmende Vereinbarung über das Problem Rechnung getragen, so trifft die Kooperationspartner die Pflicht zu Nachverhandlungen.
Scheitern diese, so ist die Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen. Die unterbliebene vertragliche Umsetzung einer Mindestinhaltsklausel begründet einen Anspruch jedes Kooperationspartners auf Einfügung einer
entsprechenden Klausel.
X
Gliederung
I.
I.
Kooper
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Veerw
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altun
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aktiviereenden Sta
Staaat
Koop
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1. Neue Verantwortungsteilung zwischen Bürger und Staat
2. Kooperation als Verwirklichungsmodus einer Verantwortungsteilung
1
2
4
II
II..
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recchtlic
tlichhen Ve
Verrtrag
zum öff
1. Entstehungsbedingungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages
a) Begriff und Abgrenzung zu anderen Handlungsformen
b) Handeln in Vertragsform
c) Normative Zugriffe auf den Vertragsinhalt
d) Auf den Vertragsschluss gerichtetes Verwaltungsverfahren
e) Auslegung
2. Abgrenzung öffentlich-rechtlicher/privatrechtlicher Vertrag
3. „Subordinationsrechtlicher“ Vertrag
a) Vergleichsvertrag
aa) Begriff
bb) Zulässigkeit
b) Austauschvertrag
aa) Begriff und Zweck der Regelungen
bb) Zulässigkeit
aaa) Bestimmtheitserfordernis
bbb) Aufgabenbezug
ccc) Koppelungsverbot
ddd) Angemessenheitsgebot
eee) Anspruch auf die Leistung der Behörde
4. „Koordinationsrechtlicher“ Vertrag
a) Verhältnis zum „subordinationsrechtlichen“ Vertrag
b) Drei Arten öffentlich-rechtlicher Verträge
5. Schriftformerfordernis
a) Inhalt
b) Notwendigkeit der Urkundeneinheit?
c) Abweichende Regelungen
6. Erfordernis der Zustimmung von Drittbetroffenen und Behörden
a) Drittbetroffene
b) Mitwirkung von Behörden
7. Rechtswidrigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages
8.
Nichtigkeit
6
6
6
8
10
13
14
16
18
20
20
22
23
23
24
24
25
26
27
28
28
29
31
31
32
33
34
35
35
37
38
40
XI
Vorschri
rschri
rschriften
ften des BGB
a) Entspr
Entsprech
ech
echende
ende Anwend
Anwenduung von Vo
aa) § 134 BGB
bb) Andere Vorschriften
b) Nichtigkeitsgründe des § 59 Abs. 2 VwVfG
c) Teilnichtigkeit
d) Nichtigkeitsfolgen
aa) Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
bb) Folgen für einen Erfüllungs-Verwaltungsakt
cc) Vertragsinterne Lösungen
9. Leistungsstörungen
a) Änd
rungg ddeer für di
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raggsinhalts
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Veerhältnisse
ma
b) Anpassung oder Kündigung des Vertrages
c) Besonderes Kündigungsrecht der Behörde
10. Durchsetzung vertraglicher Pflichten
III.
II.
III
IV.
IV
Empiriiiee de
gsvertr
ag
sre
Empir
dess V
Veerwaltun
ltung
trag
agsre
srecchts
1. Bedeutung vertraglichen Handelns
2. Einsatzfelder
a) Baurecht
aa) Bauplanungsrecht
bb) Durchführungsvertrag beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan
cc) Erschließungsvertrag
dd) Vorauszahlungs- und Ablösungsvertrag
ee) Folgekostenvertrag
b) Umweltrecht
c) Sozialrecht
d) Wirtschaftsrecht
3. Motive für die Präferierung der Vertragsform
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1. Strukturen von Kooperationsbeziehungen
a) Kooperation und Privatisierung
b) Public Private Partnership in gemischtwirtschaftlichen
Unternehmen
c) Zur Schwierigkeit einer Definition von Public Private
Partnership
d) Verwaltungskooperation als sektorenübergreifende Zusammenfügung von Handlungsrationalitäten
2. Referenzkooperationen
a) Stadtentwicklung
b) Infrastrukturleistungen
c) Umweltschutz
d) Sozialwesen
e) Innere Sicherheit
3. Ziel- und Interessenbewertungen in Verwaltungskooperationen
a) Vorteile und Risiken für die Verwaltung
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XII
b) Vorteile und Risiken für die Privaten
c) Systematisierung der Vorteile und Risiken
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1. Funktionale Unterscheidung von allgemeinem und besonderem
Verwaltungsrecht
2. Verwaltungsverfahrensrecht und materielles Recht
3. Überlegungen zur Zuordnung von Regelungselementen von
Verwaltungskooperationen
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1. Der Verwaltungsakt als Vergleichsmaßstab
2. Der privatrechtliche Vertrag als Vergleichsmaßstab
a) Die Privatautonomie des Bürgers
b) Die fehlende Vertragsfreiheit der Verwaltung
c) Übertragbarkeit zivilrechtlicher Wertungen auf das Vertragsrecht der Verwaltung
3. Einheitlicher Verwaltungsvertrag als gebietsübergreifender Typus?
4. Unterscheidung zwischen „subordinationsrechtlichen“ und anderen Verträgen
a) Ungeeignetheit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur gebotenen Bestimmung der Schutzwürdigkeitsgrenze
b) Keine Festlegung der Schutzbedürftigkeit nach den faktischen Machtverhältnissen
c) Schutzwürdigkeitsermittlung unter dem Gesichtspunkt
funktionaler Äquivalenz
5. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Austauschvertrages
a) Verfassungsrechtliche Vorgaben für ein Schutzregime
b) Entwicklung eines abgestuften Systems von Schutzanforderungen
6. Schriftformerfordernis
7. Ausweitung des Anwendungsbereichs des Vergleichsvertrages
durch Modifizierung des Amtsermittlungsgrundsatzes
8. Stellung Drittbetroffener
a) Geltung des Verbots des Vertrages zu Lasten Dritter für
den öffentlich-rechtlichen Vertrag?
b) Notwendigkeit eines aktiven Interessenmanagements
c) Schutzmechanismen
9. Überarbeitung des Fehlerfolgenregimes
a) Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages
aa) Entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Nichtigkeitsvorschriften
bb) Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts mit entsprechendem Inhalt
cc) Fehlen der Voraussetzungen für den Abschluss eines
Vergleichsvertrages
dd) Unzulässigkeit der Gegenleistung
b) Novellierung der Behandlung des schlicht rechtswidrigen
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XIII
öffentlich-rechtlichen Vertrages?
c) Aufnahme von Regelungen betreffend die Rückabwicklung hoheitlicher Leistungen der Behörde?
10. Instrumente zur Sicherung der Vertragsdurchführung
11. Normativierung von Kooperationsverhältnissen zwischen der
Verwaltung und Privaten im Verwaltungsverfahrensgesetz
a) Ebenen der Regelung von Kooperation
b) Regelung von Kooperationen im Vorfeld von Verwaltungsverfahren
aa) Sinnhaftigkeit einer Regelung informaler Kooperationsverhältnisse
bb) Möglichkeiten der Strukturierung informaler Kooperationen
c) Die Aufnahme von Vorschriften über die Verwaltungskooperation
aa) Sinnhaftigkeit und Funktionen eines Verwaltungskooperationsrechts
bb) Das Konzept gestufter Verantwortung
cc) Anforderungen an die Typisierung von Verwaltungskooperationen
aaa) Verwaltungskooperation und öffentlichrechtlicher Vertrag
bbb) Formale und informale Verwaltungskooperationen
ccc) Typisierungstiefe eines Verwaltungskooperationsrechts
dd) Strukturierung von Verwaltungskooperationen
ee) Gestaltung und Begrenzung von Verwaltungskooperationen durch Klauselkataloge
aaa) Mindestinhaltsklauseln
bbb) Berücksichtigungsklauseln
ccc) Fakultative Klauseln
ddd) Folgen unterbliebener Umsetzung von Klauseln
VII.
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Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die „Verankerung verwaltungsrechtlicher
Kooperationsverhältnisse (Public Private Partnership) im VwVfG“. Ausgehend von einer
kritischen Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Regelungen zum öffentlich-rechtlichen
Vertrag in den §§ 54 ff. VwVfG sollen Vorschläge zu Regelungsstandort und rechtlicher
Ausgestaltung erarbeitet werden. Zur Umsetzung dieser Vorschläge sollen abschließend
Regelungsvorschläge zur entsprechenden Änderung der Vorschriften insbesondere über
den öffentlich-rechtlichen Vertrag formuliert werden.
Die Untersuchung ist eingebettet in das Leitprojekt „Rechtliche Regelungen für Public
Private Partnership“ des Programms der Bundesregierung zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung unter dem Leitbild des aktivierenden Staates. Das Konzept des aktivierenden Staates ist als holistischer Ansatz einer Staats- und Verwaltungsmodernisierung zu
verstehen.1 Es soll den Blick über die Binnenmodernisierung hinaus auf einer Partnerschaft zwischen Staat und Gesellschaft zur Aktivierung spezifisch bürgerschaftlicher
Problemlösungskompetenzen richten.2 Der aktivierende Staat dynamisiert diese Partnerschaft im Sinne einer Anregung und Förderung der Wahrnehmung von Aufgaben für das
Gemeinwohl.3 Er bezieht die Perspektiven der Bürgeraktivierung und Bürgerorientierung,
der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung auf mehrere Verwaltungsebenen sowie der
Reorganisation des administrativen Binnenbereichs in ein Gesamtbild des Zusammenwirkens zur Erreichung gemeinsamer Ziele ein.4
Der Bürger ist nicht allein Nachfrager, Kunde staatlicher Leistungen, sondern seinerseits
verantwortlicher Träger von Entscheidungs- und Leistungsressourcen.5 Die Aktivierung
dieser Ressourcen durch staatliche Initiierung, Förderung und Moderation gibt einer Verantwortungsteilung zwischen Staat und Bürgern Raum, die bürgerschaftliche Verantwortungsbereitschaft und Staatsmodernisierung synergetisch vernetzt.6 Der Staat beschränkt
1
Vgl. dazu und zum folgenden: Moderner Staat – Moderne Verwaltung. Das Programm der Bundesregierung, 1999, S. 7 ff.
2
Vgl. Malte Spitzer, Bürgeraktivierung und Verwaltungsmodernisierung, in: Blanke/von Bandemer/Nullmeier/Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, 1998, S. 131.
3
Vgl. Moderner Staat- Moderne Verwaltung (Anm. 1) S. 8 f.; Stephan von Bandemer/Josef Hilbert, Vom
expandierenden zum aktivierenden Staat, in: Blanke/von Bandemer/Nullmeier/Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, 1998, S. 25 (29).
4
Vgl. Moderner Staat- Moderne Verwaltung (Anm. 1) S. 8 ff.
5
Spitzer (Anm. 2) S. 132 f.
6
Bernhard Blanke/Henning Schridde, Bürgerengagement und Aktivierender Staat, APuZ B 24-25/99, S.
3 ff.
2
sich nicht darauf, die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung zu akzeptieren, sondern fördert sie,7 aktiviert die selbstregulativen Potentiale der Gesellschaft.8 Öffentliche
und private Leistungserbringung werden durch den Staat zusammengefügt, der die für die
Selbststeuerungsfähigkeit erforderlichen Mechanismen bereitzustellen hat.9 Der Selbstentlastung des Staates in der Aktivierung von privaten Leistungserbringungskapazitäten
korrespondiert seine Pflicht zur aufgabengerechten Steuerung und Kanalisierung privaten
Engagements.10 Zur Moderierung dieser Balance bedarf es der Schaffung rechtlicher
Rahmenbedingungen für einen bürgerorientierten und partnerschaftlichen Staat mit einer
effizienten Verwaltung.11
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Ausdruck der Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger im aktivierenden Staat ist eine Verantwortungsteilung:
„Zum einen bleibt es bei der Verpflichtung des Staates, Freiheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger als Kernbereich in seiner alleinigen Verantwortung zu schützen (z.B. Innere Sicherheit, Rechtsschutz, Finanzverwaltung). Daneben
gibt es einen großen Bereich anderer, bisher als öffentlich angesehener Aufgaben, die sichergestellt, aber nicht unbedingt
durch staatliche Organe selbst durchgeführt werden müssen. In
diesem Bereich muss der Staat jedenfalls die Erfüllung der
Aufgaben gewährleisten.“12
Ist danach „Verantwortung“ die Grundkategorie, so lässt sich die Verantwortung des
Staates wie folgt fassen:
„Staatliche Verantwortung umfaßt in diesem Sinne als Fundament der Freiheit sowohl die Garantie als auch den Schutz und
die Entfaltung der individuellen und gesellschaftlichen Autonomieentscheide.“13
7
Moderner Staat – Moderne Verwaltung (Anm. 1) S. 8.
8
Gerhard Schröder, Der aktivierende Staat aus der Sicht der Politik: Perspektiven für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Politik, in: Behrens/Heinze/Hilbert/Stöbe/Walsken (Hrsg.), Den Staat neu denken, 1995, S. 277 (290); Stephan von Bandemer/Bernhard Blanke/Josef Hilbert/Josef Schmid,
Staatsaufgaben – Von der „schleichenden Privatisierung“ zum „aktivierenden Staat“, in: a.a.O., S. 41
(59).
9
Von Bandemer/Hilbert (Anm. 3) S. 29.
10
Von Bandemer/Hilbert (Anm. 3) S. 29 f.
11
Moderner Staat – Moderne Verwaltung (Anm. 1) S. 9.
12
Moderner Staat – Moderne Verwaltung (Anm. 1) S. 8.
13
Rainer Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, 1990, S. 236.
3
Die Verantwortung des Staates ist ein legitimatorischer Bezug wesensimmanent, verbindet
Bürger und staatliche Organisation.14 Einstehenmüssen für das Erfüllen der Staatsaufgaben
in rechtlicher Verfasstheit kann als das rechtliche Substrat staatlicher Verantwortung angesehen werden.15 Kernelemente von Verantwortung sind dementsprechend die Aufgabe, die
Eigenständigkeit und die Einstandspflicht im Sinne einer Kontroll- und Steuerungsabhängigkeit.16 Im konstitutionell gegliederten Funktionengefüge lässt sich Verantwortung daher
nur mit Blick auf den Aufgabengehalt kompetenzieller Zuweisung erfassen – ohne sich
allerdings hierauf zu beschränken.17 Der Konnex zwischen Funktion und Verantwortung ist
unabdingbar.18
Da als Funktion, auf die sich eine Verantwortungsteilung zwischen Staat und Bürgern
beziehen kann, für die vorliegende Untersuchung allein die Verwaltung in Rede steht, geht
es um deren spezifische Verantwortung. Unter Verwaltungsverantwortung werden diejenigen Verantwortlichkeiten und Verfahren, Zuständigkeiten und spezifischen Handlungsspielräume verstanden, die das System „öffentliche Verwaltung“ rechtlich und politisch
verfassen.19 Substantiell bestimmt wird sie durch den Verwaltungszweck, die rechtlich und
politisch beauftragte Gemeinwohlverantwortung der Verwaltung.20 Diese Gemeinwohlverantwortung gewinnt Realität im Verfahren als Konkretisierungsmodus. Es eröffnet den
Blick auf die Erfassung von Verwaltungsverantwortung als Prozessstruktur, als gegliederten Entscheidungsprozess der Rechts- und Zweckkonkretisierung.21 Insoweit lässt sich von
einer Realisierungsverantwortung sprechen, die die Verwaltung erstens für das zur Aufgabenerfüllung beitragende zweckbewusste Entscheiden und zweitens für die Ausführung
des hierdurch entstandenen Verwirklichungsauftrags in die Pflicht nimmt.22
14
Pitschas (Anm. 13) S. 253.
15
Pitschas (Anm. 13) S. 254.
16
Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34
(1976), S. 221 (227 f.).
17
Vgl. Pitschas (Anm. 13) S. 254; Rupert Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 272.
18
Pitschas (Anm. 13) S. 255.
19
Rupert Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S.
145 (149); zustimmend Pitschas (Anm.13) S. 10; Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft,
2000, S. 400.
20
Scholz (Anm. 19) S. 151.
21
Pitschas (Anm. 13) S. 255 f.; Scholz (Anm. 19) S. 149 f.
22
Pitschas (Anm. 13) S. 256 f.
4
Parameter dieses Konkretisierungsprozesses sind die Zweckrichtigkeit, die Situativität und
die Interessengerechtigkeit des Verwirklichungshandelns.23 Sowohl die Generierung von
Sachverstand und Information als auch die notwendige Interessenkoordination sind eingebunden in die spezifische Entscheidungssituation. Die situative Prägung verlangt es der
Verwaltung ab, ihre Konkretisierungsleistung in Initiative, Informationssuche, Abwicklung, Folgenberücksichtigung und Zusammenarbeit an den Bedingungen sach- und interessengerechter Wirklichkeitsgestaltung auszurichten.24 Dabei ist zu beachten, dass der vom
Grundgesetz verfasste Staat in einer Gesamtverantwortung mit der Gesellschaft zur Erfüllung der zu bewältigenden Aufgaben steht.25 Insoweit lässt sich von einer Verantwortungsgemeinschaft von Staat und Bürgern sprechen.26
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Staatliche Aktivierung durch Verantwortungsteilung beinhaltet mithin ein Zweifaches:
eine Arbeitsteilung zwischen staatlichen, halbstaatlichen und privaten Akteuren bei der
Erledigung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben sowie die Organisation von
Kooperationsarenen zur Realisierung dieser Arbeitsteilung.27 Verantwortungsteilung ist
daher nicht statisch auf die einmalige Zuweisung von Aufgaben, sondern dynamisch auf
Koordinierung von durch unterschiedliche Handlungsrationalitäten geprägte Rollen angelegt.28
Verantwortungsteilung ist daher kein Rückzug des Staates von der Aufgabenerfüllung,
vielmehr ein „Formwandel staatlicher Machtausübung“, der durch „das Zusammenwirken,
die Kombination von gesellschaftlicher Selbstregelung und politischer Steuerung“ bestimmt ist.29 Modus zur Verwirklichung dieses Formwandels ist die Kooperation zwischen
23
Pitschas (Anm. 13) S. 265 ff.
24
Pitschas (Anm. 13) S. 268.
25
Pitschas (Anm. 13) S. 237 f.; Peter Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, 1984, S. 161; Jan Ziekow,
Über Freizügigkeit und Aufenthalt, 1997, S. 386 ff.
26
Pitschas (Anm. 13) S. 237 f.
27
Wolfgang Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff moderner Staatlichkeit, in:
Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Klaus Vogel zum 70. Geb., 2001,
S. 47 (52); Hans-Heinrich Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden
Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung
und „schlankem“ Staat, 1999, S. 13.
28
Trute (Anm. 27) S. 13 f.
29
Renate Mayntz, Politische Steuerung: Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie, in: von
Beyme/Offe (Hrsg.), Politische Theorien in der Ära der Transformation, 1996, S. 148 (163). Vgl. hierzu
noch Udo Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung
und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 235 ff.; Matthias Schmidt-Preuß, Verwaltung und
5
selbstregulativen Potentialen und Steuerungsinstanzen, zwischen Privaten und Verwaltung.
Ohne eine solche Kooperation ist eine steuernde Beeinflussung von gesellschaftlicher
Selbstregulierung kaum möglich.30 Verantwortungsteilung im aktivierenden Staat und
Kooperation zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren sind unmittelbar aufeinander bezogen. Neben die Steuerung durch hoheitliches Gebot tritt die Steuerung durch
Kooperation.31 Aufgabe des Rechts ist es dabei, das zur Strukturierung dieses Prozesses
Erforderliche bereitzustellen.32
Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL
56 (1997), S. 160 ff.
30
Hoffmann-Riem (Anm. 27) S. 50.
31
Vgl. aus der umfangreichen Literatur nur Peter Arnold, Kooperatives Handeln der nicht-hoheitlichen
Verwaltung, in: Dose/Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht, 1995, S. 211 ff.; Arthur Benz, Kooperative
Verwaltung, 1994; Nicolai Dose, Die verhandelnde Verwaltung, 1997; Helge Rossen, Vollzug und Verhandlung, 1999.
32
Schuppert (Anm. 19) S. 444.
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Das Verwaltungsverfahrensgesetz definiert den Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht, sondern setzt ihn voraus. § 54 S. 1 VwVfG stellt lediglich klar, dass ein
Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden kann, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Immerhin lässt sich hieraus entnehmen, dass das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages die Erfüllung von zwei Voraussetzungen fordert: erstens die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
und zwar zweitens gerade in der Form des Vertrages.
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Funktional weisen diese beiden Voraussetzungen eine unterschiedliche Zielrichtung auf:
Während die Notwendigkeit, den Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen, der Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen vom privatrechtlichen Vertrag dient33 (dazu II 2), grenzt die Beschreibung als Vertrag den Rechtsakt von anderen Handlungsformen ab34: Vertrag ist nur die durch übereinstimmende Willenserklärungen herbeigeführte
Willenseinigung zweier oder mehrerer Rechtssubjekte.35 Die herbeigeführte Rechtsfolge
muss beiderseitig gewollt, insbesondere mit Erklärungsbewusstsein und Rechtsbindungswillen herbeigeführt sein.36 Sofern sich unter diesen Voraussetzungen mit hinreichender
Deutlichkeit ein Erklärungsinhalt ermitteln lässt, müssen die Willenserklärungen nicht
ausdrücklich, sondern können auch konkludent abgegeben werden.37 Das Schriftformgebot des § 57 VwVfG ist Wirksamkeitserfordernis des öffentlich-rechtlichen Vertrages,
nicht dessen begriffliche Voraussetzung.
33
Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 14 Rn. 7.
34
Vgl. Hans-Uwe Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht,
11. Aufl. 1998, § 23 Rn. 1.
35
Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 54 Rn.
28; Kopp/Ulrich Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2000, § 54 Rn. 18.
36
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 28 f.
37
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 33; Erichsen (Anm. 2) § 22 Rn. 3 A.A. Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 19.
7
In Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zum Verwaltungsakt im Sinne des §
35 VwVfG gilt ein numerus clausus der Handlungsform: Derselbe Gegenstand kann entweder durch Vertrag oder durch Verwaltungsakt, nicht aber durch beides gleichzeitig
geregelt werden.38 Die in concreto gewählte Handlungsform muss daher exklusiv typologisiert werden. Ein sog. konsentierter Verwaltungsakt, dessen Erlass der Betroffene – ggf.
sogar schriftlich zugestimmt hat – ist nicht auch öffentlich-rechtlicher Vertrag. Dies gilt
selbst für den mitwirkungs- bzw. zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakt, bei dem die
Mitwirkung des Adressaten Wirksamkeitsvoraussetzung ist.39 Ob zwischen den Beteiligten eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden oder eine einseitige Anordnung
seitens der Behörde erfolgen sollte, ist eine Frage der Bewertung der Gesamtumstände
des Einzelfalls.40 Anhaltspunkte sind u.a. die gewählte Bezeichnung, die Entstehung des
Rechtsakts sowie dessen äußere Form.41 Charakteristisch für die Wahl der Vertragsform
ist das Führen von Verhandlungen über den Inhalt der Regelung.42 Allerdings lässt weder
das Verhandeln als solches auf den Abschluß eines Vertrages43 noch umgekehrt das Unterbleiben von Verhandlungen auf eine fehlende Vertragsqualität schließen.44 Erst dann,
wenn eine einseitige Vorprägung rechtlich keinen Spielraum für eine konsentierte Optionssuche mehr lässt, fehlt es von vornherein an einer für einen Vertragsabschluß geeigneten Situation.45
Dementsprechend kein Problem des Vorliegens eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ist
die Situation des sog. unfreiwilligen Vertrages, bei dem „der Bürger nur die Wahl zwischen dem Angebot der öffentlichen Hand und dem Verzicht auf seine Nachfrage hat und
... dieser Verzicht ihn aufgrund der starken Stellung der öffentlichen Hand bzw. ihres spezifischen Trägers besonders trifft“46. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher „unfreiwilliger“ Vertrag „seiner Natur nach ein einseitiges Rechtsgeschäft“ ist47, handelt es sich
38
Vgl. HessVGH NVwZ 1990, S. 879.
39
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 39; Carl Hermann Ule/Hans-Werner Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht,
4. Aufl. 1998, § 68 Rn. 3.
40
HessVGH NVwZ 1990, S. 879 (880); BVerwGE 60, S. 208 (210); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn.
21.
41
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 3.
42
HessVGH NVwZ 1990, S. 879 (880).
43
BVerwGE 25, S. 72 (78 ff.); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 22.
44
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 32a.
45
HessVGH NVwZ 1990, S. 879 (880).
46
Theodor Schilling, Der „unfreiwillige“ Vertrag mit der öffentlichen Hand, VerwArch 1996, S. 191
(200).
47
So Schilling (Anm. 14) S. 203.
8
jedenfalls um die freiwillige Wahl gerade der Handlungsform des Vertrages. Sofern der
Inhalt des Vertrages nicht rechtlich indisponibel ist, ist der faktischen Übermacht einer
Vertragspartei im Rahmen eines Anpassungs- und Fehlerfolgenregimes Rechnung zu tragen.48
Abgrenzungsbedarf besteht schließlich zwischen dem öffentlich-rechtlichen Vertrag im
Sinne der §§ 54 ff. VwVfG und Formen informeller Kooperation. Informalität meint dabei nicht das Fehlen der nach § 57 VwVfG erforderlichen Schriftform, sondern den fehlenden Willen der Kooperationsbeteiligten, eine für beide Seiten verbindliche Regelung
zu treffen.49 Derartige Kooperationsverhältnisse sind zwar Regelungsgegenstand des
Verwaltungsverfahrensgesetzes. So ist die gesamte, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag
vorbereitende außenwirksame Tätigkeit der Behörde Verwaltungsverfahren im Sinne des
§ 9 VwVfG und unterliegt damit den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen (dazu
II 1 d). Hinzuweisen ist ferner auf das noch vor Stellung eines Antrags einsetzende VorAntragsverfahren des § 71c Abs. 2 VwVfG. Jedoch fehlt es bei solchen Vorfeldkooperationen wie auch anderen Formen informeller Kontakte wie Absprachen u.ä. typischerweise an einem auf die vertragliche Verbindlichkeit zielenden Rechtsbindungswillen.50 Ungeachtet des Problems der sich aus solchen Kontaktverhältnissen möglicherweise ergebenden rechtlichen Folgen handelt es sich jedenfalls nicht um einen Vertrag im von § 54
VwVfG gemeinten Sinne. Verdichten sich hingegen informelle Kooperationen dahingehend, dass das Abgesprochene beiderseitig als verbindlich gewollt wird, so ist die Stufe
der Informalität verlassen und es liegt ein Vertrag vor, der – seine Verortung im öffentlichen Recht vorausgesetzt – nach den §§ 54 ff. VwVfG zu beurteilen ist.
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Allein die Zuordenbarkeit der konkret gewählten Handlungsform zum Typus des (öffentlich-rechtlichen) Vertrages eröffnet mithin das Normenregime der §§ 54 ff. VwVfG. Dies
ist deshalb von Bedeutung, weil der Verwaltung grundsätzlich die Wahlfreiheit zukommt,
in welchen Handlungsformen sie ihre Aufgaben erfüllen will. Diese Formenwahlfreiheit
ist nicht auf die Alternative zwischen Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlichem Vertrag
beschränkt, sondern schließt insbesondere auch schlicht-hoheitliches Handeln wie infor-
48
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 32.
49
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 25 f.
50
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 42.
9
melle Kooperationen ein.51 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wahl einer bestimmten
Handlungsform rechtlich gerade geboten oder verboten ist.
Diesen Grundsatz greift § 54 S. 1 VwVfG auf und stellt die Wahl der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages in das Ermessen der Behörde, soweit Rechtsvorschriften nicht
entgegenstehen. Ungeachtet der Frage, ob der Vorbehalt entgegenstehender Rechtsvorschriften nur auf Vertragsformverbote52 oder darüber hinaus auch auf Inhaltsverbote53 zu
beziehen ist, liegt es in dem durch § 40 VwVfG begrenzten Ermessen der Behörde, durch
öffentlich-rechtlichen Vertrag zu handeln.54 Das Formenwahlermessen leitende Gesichtspunkte ergeben sich aus der Sachgerechtigkeit und Effektivität der Aufgabenerfüllung.55
Eine Reduzierung dieses Ermessens zu einer Pflicht der Behörde, einen öffentlichrechtlichen Vertrag abzuschließen, lässt sich nicht bereits aus dem Übermaßverbot ableiten.56 Nach allgemeinen Grundsätzen kommt eine Ermessensreduzierung insbesondere
unter dem Gesichtspunkt einer durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Gleichbehandlung in
Betracht. Im übrigen kann ein Kontrahierungszwang normativ vorgegeben sein.57
Umgekehrt kann das Handeln gerade durch Vertrag durch Rechtsvorschrift verboten sein.
Ein solches Vertragsformverbot besteht nicht bereits dann, wenn normativ allein ein Handeln durch „Bescheid“, „Verfügung“ o.ä. vorgesehen ist.58 Die §§ 54 ff. VwVfG ermöglichen in diesen Fällen vielmehr, statt durch Verwaltungsakt durch öffentlich-rechtlichen
Vertrag zu handeln.59 Im einzelnen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob das Handeln in einer anderen Form als der des Vertrages zwingend vorgeschrieben ist.60 Beispiele
für Vertragsformverbote im beschriebenen Sinne sind die beamtenrechtliche Ernennung
(§ 5 Abs. 2 BRRG), die Regelung der Besoldung (§ 2 Abs. 2 BBesG) oder die Einbürgerung (§ 16 Abs. 1 StAG).
51
Paul Stelkens/Heribert Schmitz, in: Stelkens/Bronk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998,
§ 1 Rn. 122.
52
Nachw. bei Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 41.
53
Nachw. bei Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 41.
54
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 14; Erichsen (Anm. 2) § 26 Rn. 3; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 15.
55
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 14; Erichsen (Anm. 2) § 26 Rn. 3.
56
Erichsen (Anm. 3) § 26 Rn. 3 m. N. auch zur a.A.
57
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 15.
58
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 42 m. N. Weitergehend Erichsen (Anm. 2) § 26 Rn. 4: zumindest
indizielle Wirkung.
59
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 104.
60
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 42; Erichsen (Anm. 2) § 26 Rn. 4.
10
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Materielle Standards für den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge ergeben sich aus § 54
S. 1 VwVfG nicht. Selbst wenn man § 54 S. 1 Hs. 2 VwVfG auch auf Inhaltsverbote erstreckt, richten sich die Voraussetzungen und Folgen von Inhaltsverstößen allein nach §
59 VwVfG61 (dazu II 8). Im übrigen unterliegt das Handeln in Vertragsform in vollem
Umfang dem Grundsatz oder Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten stehen der Verwaltung im öffentlichen Recht nicht offen.62 Der Behörde ist es verwehrt, von zwingenden Rechtsvorschriften abzuweichen. Die Grenzen von
normativ eingeräumten Ermessens- und Beurteilungsspielräumen müssen eingehalten
werden. Die §§ 55 f. VwVfG enthalten zusätzliche Regelungen.
Werden diese Grenzen eingehalten, so ist der Vertragsinhalt rechtlich nicht zu beanstanden. Einer Vorgabe der inhaltlichen Entscheidungsmaßstäbe durch Rechtsvorschrift bedarf es für vertragliche Abreden nicht.63 Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht eine
durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründete Verpflichtung des Bürgers zur Einhaltung von Anforderungen, die über das immissionsschutzrechtlich Geforderte hinausgehen, für bedenkenfrei erachtet.64
Hiervon zu unterscheiden ist die normative Vorordnung von Vertragsinhalten in den
Fachgesetzen des Besonderen Verwaltungsrechts. Eines der zentralen Beispiele ist § 11
BauGB:
(1) 1 Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. 2 Gegenstände
eines städtebaulichen Vertrages können insbesondere sein:
1. die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch
den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige
vorbereitende Maßnahmen sowie die Ausarbeitung der städtebaulichen
Planungen; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt;
2. die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten
Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, die Durchführung des
Ausgleichs im Sinne des § 1a Abs. 3, die Deckung des Wohnbedarfs
von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung;
61
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 45.
62
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 95, 108; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 44.
63
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 44 m. N. A.A. Erichsen (Anm. 2) § 26 Rn. 10 m. N.
64
BVerwGE 84, S. 236 (238).
11
3. die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind
und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu
gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken.
(2) 1 Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach
angemessen sein. 2 Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf
die Gegenleistung hätte.
(3) Ein städtebaulicher Vertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch
Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist.
(4) Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt.
Der Zweck dieser Vorschrift besteht in erster Linie darin, vertraglichem Handeln im
Städtebau eine verstärkte legitimatorische Stütze zu geben und seine Akzeptanz in der
Praxis zu erhöhen.65 Die Regelung bezieht sich einheitlich auf privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Verträge und sichert das von Rechtsprechung und Wissenschaft erarbeitete Typologisierungs- und Zulässigkeitsregime normativ ab.66 Soweit es sich um öffentlich-rechtliche Verträge handelt, kommen ergänzend die §§ 54 ff. VwVfG zur Anwendung.67
Eingehende Regelung erfahren hat auch der Erschließungsvertrag in § 124 BauGB, wonach die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen kann.
Normiert sind insbesondere der mögliche Vertragsgegenstand (§ 124 Abs. 2 BauGB), das
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung (§ 124 Abs. 3 S. 1 BauGB) sowie die Schriftform (§ 124 Abs. 4 BauGB). Auf den Erschließungsvertrag als öffentlich-rechtlichen
Vertrag sind die §§ 54 ff. VwVfG ergänzend anwendbar.68 Die Fassung der Vorschrift
beruht vor allem auf dem Ziel einer Erweiterung des Anwendungsbereichs von Erschließungsverträgen.69
Der Durchführungsvertrag beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 Abs. 1 S.
1 BauGB enthält die Verpflichtung des Vorhabenträgers zur fristgerechten Durchführung
der Maßnahme und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten. In der Kombination mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan soll der Durchführungsvertrag eine
65
Michael Quaas, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 6. Aufl. 1998, § 11 Rn. 1.
66
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 136b; Rolf-Peter Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl.
1999, § 11 Rn. 1.
67
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 138.
68
Löhr (Anm. 34) § 124 Rn. 3.
69
Bernhard Stüer/Claas-Dietrich König, Städtebauliche Verträge, ZfBR 2000, S. 528 (530)
12
beschleunigte und bedarfsgerechte Planung von Investitionsvorhaben ermöglichen.70 Der
Durchführungsvertrag ist öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 54 VwVfG.71
Außerhalb des Städtebaurechts finden sich explizite bundesrechtliche Normierungen zur
Wahl der vertraglichen Handlungsform beispielsweise im Naturschutz- und im Bodenschutzrecht. § 3a BNatSchG fordert die Länder auf sicherzustellen, dass bei Maßnahmen
zur Durchführung der im Rahmen des Bundesnaturschutzgesetzes erlassenen Rechtsvorschriften geprüft werden soll, ob der Zweck auch durch vertragliche Vereinbarungen erreicht werden kann. Im Rahmen der Ausweisung von Schutzgebieten nach § 19b Abs. 2
und 3 BNatSchG kann die Schutzerklärung u.a. dann unterbleiben, wenn durch vertragliche Vereinbarungen ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist (§ 19b Abs. 4
BNatSchG). Beide Regelungen betonen die Möglichkeit der Verfolgung von Naturschutzzwecken durch Vertrag und sollen hierdurch dem Gedanken eines Vertragsnaturschutzes breiteren Raum eröffnen.72 Bei Altlasten, bei denen nach § 13 Abs. 1 BBodSchG
die Vorlage eines Sanierungsplans verlangt wird, kann mit dem Sanierungsplan der Entwurf eines Sanierungsvertrages über die Ausführung des Plans vorgelegt werden, der die
Einbeziehung Dritter vorsehen kann (§ 13 Abs. 4 BBodSchG). Die Vorschrift hat lediglich klarstellenden Charakter und soll durch den Hinweis auf das Instrument des Vertrages zu dessen Aufwertung beitragen.73
In der Gesamtschau dienen normative Vorordnungen des Abschlusses öffentlichrechtlicher Verträge in den Fachgesetzen in erster Linie dem Zweck, die rechtsanwendenden Fachbehörden besonders auf ihr Ermessen zur Auswahl der vertraglichen Handlungsform anhand der in den Rechtsvorschriften erwähnten möglichen Vertragsinhalte hinzuweisen. Hierdurch soll die Bereitschaft gefördert werden, sich der Form des Vertrages zu
bedienen. Das Normenregime der §§ 54 ff. VwVfG modifizierende inhaltliche Zulässigkeitsanforderungen finden sich selten. Sofern sie vorhanden sind, dienen sie zur Anpassung an die Besonderheiten des betreffenden Rechtsbereichs.
70
Vgl. André Turiaux, Der Vorhabenbezogene Bebauungsplan gem. § 12 BauGB: Beschleunigungpotential, Durchführungsverpflichtung und praktische Probleme, NJW 1999, S. 391 ff.
71
Quaas (Anm. 33) § 12 Rn. 25.
72
Vgl. BTDrucks. 13/6441 S. 43.
73
Jürgen Fluck, in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzgesetz, 2001, § 13
BBodSchG Rn. 227 f.
13
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Die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf den Abschluß eines öffentlichrechtlichen Vertrages gerichtet ist – einschließlich des Abschlusses des Vertrages – ist
Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG. Obwohl das auf den Abschluß eines
öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtete Verfahren ebenso Verwaltungsverfahren ist
wie die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines
Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit, gelten die verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht ohne Einschränkungen für das vertragsbezogene Verwaltungsverfahren. Ausweislich des § 62 S. 1 VwVfG gelten die übrigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nur, soweit sich aus den §§ 54 ff. VwVfG nichts Abweichendes ergibt.
Einer Anwendung anderer Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes hinderlich
sind dabei nicht allein explizite Sonderregelungen in den §§ 54 ff. VwVfG, sondern ebenso eine auf vertragliche Abreden nicht passende Ausrichtung von Vorschriften auf den
Erlass eines Verwaltungsakts.74
Von Bedeutung für die Anwendbarkeit der an das Vorliegen eines Verwaltungsverfahrens
im Sinne des § 9 VwVfG anknüpfenden Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes
ist insbesondere der Zeitpunkt des Beginns des Verfahrens. § 9 VwVfG stellt insoweit
darauf ab, dass eine nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde erfolgen muss, die auf
den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Problematisch ist die
Abgrenzung insbesondere dann, wenn zunächst informelle Vorgespräche begonnen werden, in denen ein eventueller Kooperationsrahmen ausgelotet, Fragen des zugrunde zu
legenden Sachverhalts oder der Rechtslage besprochen oder andere im Vorfeld eines zielgerichtet auf einen Vertragsabschluß gerichteten Verfahrens liegende Kontakte gepflegt
werden. Ebenso ist es denkbar, dass ein Kontakt zwischen Behörde und Bürger zunächst
auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet war, dann aber Schwierigkeiten auftauchten, die es den Beteiligten ratsam erscheinen ließen, von einer Verfolgung des Vertragsabschlusses zunächst abzusehen und die offenen Fragen nach einer
„Abstufung“ in die Informalität weiter zu verfolgen.
Das letztgenannte Beispiel macht deutlich, dass es für das Vorliegen eines Verwaltungsverfahrens keinen „point of no return“ geben kann, ab dem der Kontakt zwischen Bürger
und Behörde nur noch in der Form eines Verwaltungsverfahrens bestehen kann oder abgebrochen werden muss. Andererseits haben Behörde und Bürger nicht die Wahl zwi-
14
schen Formalität und Informalität, wenn am Ende eine verbindliche öffentlich-rechtliche
Regelung stehen soll:75 Die verfahrensrechtlichen Bindungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes stehen einer Nutzung informeller Kooperationsformen entgegen, wenn diese
zum Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages
führen sollen.76 Unterhalb dieser Ebene bleibende Verständigungen sind hingegen auch
neben einem laufenden Verwaltungsverfahren möglich.77 In diesen Grenzen kann der
Kontakt zwischen Behörde und Bürger zwischen informeller Kooperation und Verwaltungsverfahren changieren, können die Übergänge fließend sein.78
Der rechtliche Status einer Handlung kann daher nur im Einzelfall bestimmt werden.79
Maßgebend ist der Verfahrensgegenstand, wie er sich aus der außenwirksamen Tätigkeit
der Behörde ergibt.80 Eine final auf die Regelung dieses Gegenstands in der Form eines
öffentlich-rechtlichen Vertrages bezogene Handlung stuft die Kooperation zum Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG auf.81 Die Einordnung als finale Tätigkeit im
beschriebenen Verständnis oder als Ausprägung eines informellen Kooperationsverhältnisses hängt davon ab, ob die Behörde mit dem Willen gehandelt hat, rechtlich Erhebliches zu bewirken.82
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Beendet wird das Verwaltungsverfahren durch den Abschluss des öffentlich-rechtlichen
Vertrages. Er erfolgt durch die, auf die Herbeiführung einer beiderseitig gewollten
Rechtsfolge gerichteten übereinstimmenden – schlicht-hoheitlichen83 - Willenserklärungen, die erforderlichenfalls auszulegen sind.84 Nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB85 ist maßgebend nicht der innere,
74
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 62 Rn. 4. Zu den anwendbaren Vorschriften im einzelnen Bonk (Anm. 3) §
62 Rn. 7 ff.
75
Vgl. Stelkens/Schmitz (Anm. 19) § 9 Rn. 171.
76
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 9 Rn. 5.
77
Stelkens/Schmitz (Anm. 19) § 9 Rn. 170.
78
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 16; Stelkens/Schmitz (Anm. 19) § 9 Rn. 165.
79
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 40.
80
Stelkens/Schmitz (Anm. 19) § 9 Rn. 98.
81
Vgl. Stelkens/Schmitz (Anm. 19) § 9 Rn. 121.
82
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 16.
83
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 36 m.N.; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 17 m.N.
84
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 28.
85
BVerwGE 74, S. 15 (17); 106 S. 187 (189).
15
sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung aller maßgeblichen Begleitumstände verstehen konnte. Auszugehen ist von dem Standpunkt dessen, für den die Erklärung bestimmt ist.86
Die Auslegungsgrundsätze gelten nach den zivilrechtlichen Regeln der §§ 133, 157 BGB
auch für die Vertragsauslegung.87 Danach ist nicht bei dem Buchstaben des Vertragstextes
stehenzubleiben, sondern der Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der
Verkehrssitte zu erforschen.88 Zu berücksichtigen ist der gesamte Wortlaut der getroffenen Vereinbarung.89 Außerhalb des Vertragestextes liegende Umstände dürfen zur Auslegung herangezogen werden, wenn sich hierfür in der Vertragsurkunde selbst zureichende
Anhaltspunkte finden lassen.90 Im Zweifelsfall ist einer die Nichtigkeitsfolge vermeidenden Auslegung der Vorzug zu geben, sofern sie nicht dem objektiven Willen der Vertragsparteien widerspricht.91
Zulässig ist darüber hinaus eine ergänzende Vertragsauslegung, wenn eine vertragliche
Regelungslücke besteht.92 Voraussetzung ist, dass die Vertragspartner einen regelungsbedürftigen Punkt nicht geregelt haben, wobei es keine Rolle spielt, ob die Vertragschließenden eine Regelung lediglich versehentlich unterlassen oder ob sie einen bestimmten
Punkt bewusst offengelassen haben in der Erwartung, ihn später einvernehmlich klären zu
können. Erforderlich ist, dass die Parteien ungeachtet der fehlenden Einigung über den
offenen Punkt bereits einen unbedingten vertraglichen Bindungswillen besaßen.93 Für die
Schließung einer solchen Lücke ist maßgebend, was die Parteien bei einer angemessenen
Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall entschieden hätten.94 Eine Lückenschließung scheidet allerdings aus, wenn feststeht, dass eine Partei eine bestimmte
Regelung keinesfalls akzeptiert haben würde; der wirkliche Parteiwille steht der Annah-
86
BVerwGE 74, S. 15 (17); 102, S. 81 (84); 106, S. 129 (132); BWVGH NVwZ 2000, S. 1304 (1305).
87
Helmut Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, § 157 Rn. 1.
88
BVerwGE 84, S. 257 (264).
89
BVerwGE 84, S. 257 (265).
90
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 34.
91
NWOVG NVwZ 1992, S. 988 (989); BayVGH BayVBl. 1977, S. 246 (247); Bonk (Anm. 3) § 54 Rn.
34.
92
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304); Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 34.
93
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304).
94
BVerwG NJW 1980, S. 2826 (2828); NVwZ-RR 1998, S. 302 (304).
16
me eines hypothetischen Parteiwillens prinzipiell entgegen.95 Weiterhin ist eine ergänzende Vertragsauslegung nicht geeignet, Gesetzesverstöße zu korrigieren. So lässt sich im
Falle einer nach § 56 VwVfG unangemessenen Gegenleistung nicht im Wege der Vertragsauslegung eine angemessenen Gegenleistung festsetzen.96
2. A
Ab
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Verrtrag
Die §§ 54 ff. VwVfG gelten allein für den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Wie § 11
BauGB, der gleichermaßen für dem öffentlichen wie dem privaten Recht zuzuordnende
städtebauliche Verträge gilt97, deutlich macht, ist die Setzung einheitlicher rechtlicher
Standards für die vertragliche Kooperation zwischen der Verwaltung und Privaten nicht
zwingend von der Zuordnung des konkreten Vertrages zu einer der beiden Teilrechtsordnungen abhängig. Ob die jeweilige Rechtsvorschrift nur für öffentlich-rechtliche oder nur
für privatrechtliche Verträge oder für beide gilt, hängt allein von der Fassung der Vorschrift ab. De lege lata ist die Unterscheidung vor allem für die Eröffnung des Normenregimes der §§ 54 ff. VwVfG und der Rechtswegzuweisung von Bedeutung98.
Die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen oder privaten Recht erfolgt anhand des
Gegenstandes des Vertrages.99 Maßgebend ist insoweit nicht der Vorstellungshorizont der
Parteien, sondern die objektive Zuordnung des durch den Vertrag geregelten Rechtsverhältnisses.100 Dabei ist ein Vertrag dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn er sich
auf Sachverhalte bezieht, die von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelt
werden.101 Ausschlaggebend ist, ob die den Vertrag prägenden Rechte und Pflichten der
Vertragspartner, die durch den Vertrag begründet, geändert, aufgehoben oder bindend
festgestellt werden, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegen.102 Im Zweifelsfall ist
95
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304).
96
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304).
97
Quaas (Anm. 33) § 11 Rn. 6 f.
98
Dazu und zu weiteren Gründen Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 73.
99
GSOGB BVerwGE 74, S. 368 (370); BayVGH BayVBl. 2000, S. 595 (596); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) §
54 Rn. 27.
100
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 75.
101
BVerwGE 92, S. 56 (59); 96, S. 326 (329 f.); BVerwG NJW 1980, S. 2538; 1985, S. 989; DVBl. 2000,
S. 1853 (1854); BayVGH BayVBl. 2000, S. 595 (596).
102
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 28.
17
eine Bewertung des Gesamtcharakters des Vertrages anzustellen, die sich auch am Vertragszweck sowie dem Sachzusammenhang orientiert.103
Hinsichtlich der Zuordnung zu öffentlichem oder privatem Recht problematisch sind die
Fälle der äußerlich indifferenten Leistungsverpflichtungen, beispielsweise von vertraglich
begründeten Zahlungsansprüchen, der Verbindung privatrechtlich zu erfüllender Leistungsverpflichtungen mit öffentlich-rechtlichen Leistungselementen und der Zusammenfassung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsverhältnissen in einer äußeren Vertragseinheit. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass eine Aufspaltung von
Rechtsverhältnissen in einen öffentlich-rechtlichen und einen privatrechtlichen Teil nicht
erfolgt. Selbst wenn ein einheitliches Rechtsverhältnis sowohl öffentlich-rechtlich als
auch privatrechtlich zu beurteilende oder äußerlich indifferente Rechte und Pflichten umfasst, ist es insgesamt entweder dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zu unterstellen.104
Enthält das Rechtsverhältnis indifferente oder privatrechtlich zu erfüllende Leistungsverpflichtungen, so gehört es daher gleichwohl insgesamt dem öffentlichen Recht an, wenn
die vertraglichen Vereinbarungen ihren Schwerpunkt im öffentlichen Recht haben.105 Dies
ist jedenfalls dann der Fall, wenn die im Vertrag geregelte öffentlich-rechtliche Verpflichtung von mehr als nur unwesentlicher Bedeutung ist und in einem engen Zusammenhang mit den übrigen Leistungsverpflichtungen steht.106 Hierfür erforderlich ist weder
eine synallagmatische Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung noch ein Rechtsanspruch des Vertragspartners der Behörde auf deren in Aussicht gestellte Leistung. Um
die Vereinbarung insgesamt öffentlich-rechtlich zu prägen, reicht es vielmehr aus, wenn
die behördliche Leistung als Geschäftsgrundlage vorausgesetzt wird.107
Besteht ein solcher enger Zusammenhang nicht, so liegt ein einheitliches, dem Aufspaltungsverbot unterfallendes Rechtsverhältnis nicht vor. Es ist nicht ausgeschlossen, in einer äußeren Vertragseinheit mehrere Rechtsverhältnisse zusammenzufassen, von denen
die einen öffentlich-rechtlicher, die anderen privatrechtlicher Natur sind.108 Voraussetzung
für eine unterschiedliche Zuordnung der verschiedenen Rechtsverhältnisse ist deren Teil103
BayVGH BayVBl. 2000, S. 595 (596); Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 76.
104
Bonk (Anm. 3)§ 54 Rn. 77; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 29; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 11.
105
BVerwGE 42, S. 331 (333 f.); BGH DVBl. 1992, S. 615 (616); Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 77.
106
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854); Maurer (Anm. 1) § 74 Rn. 11; Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 77.
107
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854).
108
BVerwG NJW 1980, S. 2538; DÖV 1981, S. 878; NJW 1990, S. 1679 (1680); NVwZ 1994, S. 1012.
18
barkeit in dem Sinne, dass sie einer voneinander unabhängigen Beurteilung zugänglich
sind.109 Ausschlaggebend ist auch hier, ob ein Teil den Schwerpunkt des Vertrages darstellt und damit diesen insgesamt prägt.110
3. „„S
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Ein dem Bürgerlichen Gesetzbuch vergleichbares System von Verträgen wird in den §§
54 ff. VwVfG nicht entwickelt. Als normativer Anknüpfungspunkt wird lediglich zwischen öffentlich-rechtlichen Verträgen im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG und anderen öffentlich-rechtlichen Verträgen unterschieden. Während die §§ 57, 58, 59 Abs. 1 und 3, 60
und 62 VwVfG für alle öffentlich-rechtlichen Verträge gelten, sind die §§ 55, 56, 59 Abs.
2 und 61 VwVfG nur auf Verträge im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG anwendbar. Herkömmlicherweise werden als abkürzende Kennzeichnungen für diese vorgegebene Unterscheidung die Begriffe „subordinationsrechtlicher“ und „koordinationsrechtlicher“ Vertrag gebraucht.111
Als „subordinationsrechtlich“ wird der öffentlich-rechtliche Vertrag im Sinne von § 54 S.
2 VwVfG bezeichnet. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an
die sonst den Verwaltungsakt richten würde. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden,
dass die Begriffe „Subordination“ als Kennzeichnung einer einseitigen Anordnungsgewalt und „Vertrag“ als Bezeichnung konsensualen Zusammenwirkens sich grundsätzlich
ausschließen.112 Die Fassung des § 54 S. 2 VwVfG suggeriert in der Tat, dass der „subordinationsrechtliche“ Vertrag lediglich im Einzelfall den Verwaltungsakt als einseitige
hoheitliche Anordnung ersetzt. Jedoch besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass § 54
S. 2 VwVfG nicht nur die in concreto einen Verwaltungsakt surrogierenden Verträge erfasst.113
Funktional liegt der Unterscheidung zwischen „subordinationsrechtlichen“ und sonstigen
öffentlich-rechtlichen Verträgen eine Differenzierung nach Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten zugrunde. § 54 S. 2 VwVfG und die an ihn anknüpfenden Regelungen sollen der
109
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 30.
110
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 77.
111
S. nur Wolff/Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 6. Aufl. 2000, § 54 Rn. 18 ff.
112
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 58 m.N.
113
Erichsen (Anm. 2) § 23 Rn. 2; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 48.
19
Situation Rechnung tragen, dass der im „ Schatten der Hierarchie“114 der Hoheitsbefugnisse der Behörde kontrahierende Bürger eines besonderen Schutzes bedarf. Auf der anderen
Seite soll die Behörde davor bewahrt werden, sich Hoheitsbefugnisse gleichsam abkaufen
zu lassen.115 Zur Ermittlung des Anwendungsbereichs des § 54 S. 2 VwVfG ist daher eine
Analyse des anzulegenden Schutzniveaus erforderlich.
Aus ihr ergibt sich, dass nicht pauschal alle öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen
Verwaltung und Bürger § 54 S. 2 VwVfG unterstellt werden können.116 Einerseits muss
weder der öffentlich-rechtliche Vertrag im jeweiligen Einzelfall den Erlass eines Verwaltungsakts ersetzen noch darf andererseits die Orientierung an Schutzwürdigkeitswertungen aufgegeben werden. Geboten ist vielmehr eine typisierende Betrachtungsweise: §
54 S. 2 VwVfG gilt für alle öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen einer Privatperson
und einem Träger der öffentlichen Verwaltung auf einem Gebiet, auf dem ein hoheitliches
Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob der
konkrete Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung sonst durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte.117 Stehen sich die Vertragspartner in dem betreffenden Rechtsbereich
allgemein in einem Subordinationsverhältnis gegenüber, so ist nicht zusätzlich erforderlich, dass die Behörde im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (noch) befugt gewesen sein
muss, die vom Bürger zu erbringende Leistung mit demselben Inhalt durch Verwaltungsakt festzusetzen.118 Die auf den jeweiligen Rechtsbereich bezogene allgemeine Über- und
Unterordnung reicht mithin aus, um die Schutzfunktion des § 54 S. 2 VwVfG auszulösen.
Nicht anwendbar ist § 54 S. 2 VwVfG hingegen, wenn das Gebiet, auf dem der Vertragsgegenstand liegt, nicht typischerweise von hoheitlichen Handlungsbefugnissen geprägt
ist. Zur Kennzeichnung dieses Bereichs verwendet das Bundesverwaltungsgericht neuerdings den Begriff „Kooperation“119.
Als Arten „subordinationsrechtlicher“ Verträge, für die unter den genannten Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten besondere Anforderungen gelten, unterscheidet das Verwal-
114
Fritz Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, PVS 1991, S.
621 (629).
115
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 9.
116
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 48; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 12. A.A. Maurer (Anm. 1) §
14 Rn. 12; Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 3.
117
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854); BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (981); BWVGH NVwZ 1991, S.
583 (584).
118
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854).
119
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
20
tungsverfahrensgesetz zwischen Vergleichsverträgen (§ 55 VwVfG) und Austauschverträgen (§ 56 VwVfG).
a) V
ra
g
Veerglei
leicchsvert
hsvertra
rag
Nach der Legaldefinition des § 55 VwVfG ist unter einem Vergleichsvertrag ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zu verstehen, durch den eine bei verständiger Würdigung des
Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird.
aa) B
Beegriff
Bei verständiger Würdigung kann eine Ungewissheit bezüglich des Sachverhalts nur bestehen, wenn die Behörde ihrer nach § 24 VwVfG bestehenden Amtsermittlungspflicht
genügt und ggf. auch gemäß § 26 Abs. 2 VwVfG die Beteiligten zur Mitwirkung bei der
Ermittlung des Sachverhalts herangezogen hat. § 55 VwVfG ermächtigt die Behörde
nicht, von vornherein den Abschluß eines Vertrags unter Ungewissheitsbedingungen anzustreben und deshalb jegliche Sachverhaltsaufklärung zu unterlassen.120 Die Möglichkeit,
bei Ungewissheit bezüglich des Sachverhalts einen Vergleichsvertrag abzuschließen,
dient vielmehr der Verfahrensökonomie121 und ist Ausdruck des § 24 VwVfG zugrundeliegenden Prinzips, Art und Umfang der gebotenen Ermittlungstätigkeit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bestimmen.122 Insofern gestattet es § 55 VwVfG, die unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmende Grenze der Ermittlungspflicht
konsensual außer Streit zu stellen. Deshalb besteht eine Ungewissheit hinsichtlich des
Sachverhalts im Sinne von § 55 VwVfG nur dann, wenn ein weiterer Aufklärungsgewinn
nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erzielen wäre123, wobei relevante Kriterien die
Bedeutung der Sache, die entstehenden Kosten sowie die zu veranschlagende Zeit sind124.
Da es um eine konsensuale Festlegung der Grenze der Ermittlungspflicht geht, reicht es
nicht aus, dass nur eine der Vertragsparteien – insbesondere die Behörde – von einer Ungewissheit bezüglich des Sachverhalts ausging. Andererseits brauchen die Sachverhalts-
120
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 42 m.N.
121
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 2.
122
Vgl. Paul Stelkens/Dieter Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl.
1998, § 24 Rn. 36.
123
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 44.
124
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 55 Rn. 16.
21
zweifel beim Vertragspartner der Behörde nicht in gleicher Weise vorhanden zu sein.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich die Vertragschließenden der Sachverhaltszweifel und der daraus resultierenden Ungewissheit bezüglich der Erfüllung der
Amtsermittlungspflicht bewusst sind.125
Entsprechendes gilt für eine Ungewissheit bezüglich der Rechtslage. Sie liegt zum einen
dann vor, wenn die Auslegung für das betreffende Rechtsverhältnis relevanter Rechtsnormen höchstrichterlich nicht geklärt ist.126 Zum anderen ist eine Rechtsungewißheit
anzunehmen, wenn die Parteien andere Rechtsfolgenzweifel wie etwa die bezüglich der
Verfassungsmäßigkeit einer Ermächtigungsnorm127 nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beseitigen können.128 Ist den Parteien die Ungewissheit hinsichtlich der Rechtslage
nicht bewusst gewesen, sondern haben sie dem Vertrag gemeinsam eine falsche Rechtsanwendung zugrunde gelegt, so liegen die Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vor.129
Als Voraussetzung für den Abschluss eines Vergleichsvertrages von Bedeutung sind nicht
jegliche Zweifel, sondern Ungewissheiten, die bei einer verständigen Würdigung der
Sach- bzw. Rechtslage bestehen. Neben der bereits für das Vorliegen einer Ungewissheit
erforderlichen beiderseitigen subjektiven Zweifel der Vertragsparteien ist deshalb erforderlich, dass für einen objektiven Betrachter die Annahme der Ungewissheit nachvollziehbar ist. 130
Der Kern des Vergleichs besteht in einem gegenseitigen Nachgeben. Von einer Gegenseitigkeit kann nur dann die Rede sein, wenn jede Partei der anderen ein Zugeständnis
macht, ohne dass insoweit eine Gleichwertigkeit der aufgegebenen Positionen bestehen
müsste.131 Der Verzicht nur einer Partei auf ein erzielbares Ergebnis genügt nicht. Das
Nachgeben muss sich gerade auf die bestehende Ungewissheit beziehen.132 An dieser
Konnexität zwischen Ungewissheit und Nachgeben fehlt es, wenn zwar eine Sachverhalts- oder Rechtsunsicherheit zwischen den Parteien besteht, diese jedoch nur Anlass für
125
BVerwG NJW 1975, S. 1751; Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 38; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 21.
126
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 55 Rn. 16.
127
Vgl. NWOVG BB 1972, S. 1297.
128
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 45.
129
Vgl. BVerwG DVBl. 1974, S. 353; NJW 1975, S. 1751; BayVGH BayVBl. 1980, S. 722 (723).
130
Vgl. BVerwG Buchholz 406.11 § 135 Nr. 10; BayVGH NVwZ 1989, S. 167 (168); Ule/Laubinger
(Anm. 7) § 68 Rn. 21.
131
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 22.
22
die Herbeiführung eines Kompromisses über einen anderen Gegenstand ist. Bezugspunkt
des Nachgebens können sowohl materiellrechtliche als auch verfahrensrechtliche sowie
solche Positionen sein, die selbst nicht Gegenstand des konkreten Verwaltungsverfahrens
sind. 133 Wesentlich ist, dass beide Seiten bei Auslegung eines objektivierenden Maßstabs
Einbußen an dem im Verfahren günstigstenfalls erreichbaren Ergebnis konzedieren.134 Die
auf Ungewissheit bezogene Einigung durch gegenseitiges Nachgeben führt dazu, dass die
Unsicherheit „beseitigt“ wird. Dem Vergleich kommt insofern novierende Wirkung zu,
als die vertragliche Regelung Grundlage der Beziehungen der Parteien wird und der
Rückgriff auf Positionen, hinsichtlich derer die Ungewissheit bestand, nicht mehr möglich ist.135
bb) Z
Zuulässi
lässiggkeit
Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so liegt ein Vergleichsvertrag im Sinne von
§ 55 VwVfG vor. Er kann zulässigerweise geschlossen werden, wenn die Behörde den
Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält. Das auf die Zweckmäßigkeit des Abschlusses eines Vergleichsvertrags bezogene Ermessen der Behörde enthält zum einen die Abschätzung des für die
Beseitigung der bestehenden Ungewissheit voraussichtlich benötigten Aufwands und zum
anderen die an Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auszurichtende Abwägung zwischen
den Möglichkeiten einer weiteren Aufklärung und dem dadurch erzielbaren Nutzen unter
Einbeziehung insbesondere der Bedeutung des Vertragsgegenstands für die Vertragspartner und der Notwendigkeit einer baldigen Entscheidung.136 Mit geringem Aufwand zu
beseitigende Sachverhalts- oder Rechtsunsicherheiten rechtfertigen nicht den Abschluß
eines Vergleichsvertrags.137
Unabhängig von der nach § 59 VwVfG zu beurteilenden Nichtigkeit des Vergleichsvertrags (dazu II 8 b) kann sich dessen Unwirksamkeit aus § 62 S. 2 VwVfG in Verbindung
mit § 779 BGB ergeben. Danach ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt
des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden
132
BVerwGE 49, S. 359 (364); 84, S. 157 (165); BWVGH VBlBW 1987, S. 141 (145).
133
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 55 Rn. 19.
134
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 49.
135
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 52.
136
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 55 Rn. 20.
23
sein würde. Der Irrtum der Parteien muss sich auf andere Umstände beziehen als diejenigen, hinsichtlich derer gerade die durch den Vergleich zu beseitigende Ungewissheit besteht.138 Doch muss zwischen dem Irrtum und der Ungewissheit insofern eine kausale Beziehung bestehen, als das Entfallen des Irrtums gleichzeitig zum Entfallen der Ungewissheit führen würde. „Sachverhalt“ im Sinne des § 779 BGB ist auch die Rechtslage;139 jedoch erfasst die Vorschrift nicht den reinen Rechtsirrtum140.
ra
g
b) Austaus
Austauscchvert
hvertra
rag
gelun
aa) B
Beegriff und Z
Zw
weck der Re
Regelun
gelunggen
Die Regelungen des § 56 VwVfG über den Austauschvertrag dienen den Zwecken, den
sog. „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ zu verhindern und den Bürger davor zu schützen,
dass ihm nach der Gesetzeslage nicht gerechtfertigte oder unangemessene Leistungen
abverlangt werden.141 Vor dem Hintergrund dieser Zwecksetzung ist der in § 56 Abs. 1 S.
1 VwVfG verwendete Begriff des (öffentlich-rechtlichen) Austauschvertrages zu interpretieren. Ein Vertrag, „in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet“, ist zunächst der Austauschvertrag im engeren Sinne (oder echte Austauschvertrag), bei dem jeder Vertragspartei auf der Grundlage der Gegenseitigkeit ein
Rechtsanspruch auf die Leistung der anderen Vertragspartei eingeräumt wird.142 Eine
echte synallagmatische Austauschbeziehung ist insoweit allerdings nicht erforderlich. Es
reicht aus, dass sich die Vertragsparteien zu Leistungen verpflichten, die funktional aufeinander bezogen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die vom Bürger zu erbringende Leistung überhaupt erst die Voraussetzungen für die behördliche Leistung schaffen soll.143
Von § 56 VwVfG – zumindest in entsprechender Anwendung – erfasst wird darüber hinaus der sog. hinkende Austauschvertrag, bei dem die behördliche Leistung nicht als Gegenleistung für die Leistung des Vertragspartners vereinbart wird, sondern als außervertragliche Bedingung für die Leistung des Bürgers oder stillschweigend als Geschäfts-
137
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 55.
138
BVerwG NJW 1976, S. 686 (687); Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 61.
139
Bonk (Anm. 3) § 55 Rn. 6; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 27.
140
BVerwG DVBl. 1974, S. 351; NdsOVG UPR 2000, S. 238 (239).
141
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 2; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 1, jeweils m.N.
142
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
143
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 19; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 4.
24
grundlage vorausgesetzt wird.144 Erforderlich ist zum einen, dass sich im Text der Vertragsurkunde ein Anhaltspunkt findet, aufgrund dessen sich im Zusammenhang mit den
Umständen des Vertragsabschlusses die Leistung durch Auslegung ermitteln lässt.145 Ein
einseitiges Leistungsversprechen des Bürgers, dem keine Leistung der Behörde gegenübersteht, ist kein Austauschvertrag im Sinne von § 56 VwVfG. Zum anderen muss zwischen der Leistung des Bürgers und der (nicht genannten) Leistung der Behörde ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt bestehen, dass sie in einer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander stehen.146
bb) Z
Zuulässi
lässiggkeit
Liegt danach ein Austauschvertrag vor, so setzt dessen Zulässigkeit voraus, dass die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde für einen bestimmten Zweck im Vertrag
vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient (§ 56
Abs. 1 S. 1 VwVfG). Die Gegenleistung muss den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde
stehen (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Besteht schließlich auf die Leistung der Behörde ein
Anspruch, so kann nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden, die bei Erlass eines
Verwaltungsakts Inhalt einer Nebenbestimmung sein könnte (§ 56 Abs. 2 VwVfG).
Keine Regelung enthält § 56 VwVfG zur Zulässigkeit der Leistung der Behörde. Als behördliche Leistungen kommen alle Rechts- und Realakte in Betracht, auch Normativakte,
sofern die Behörde zu ihrer Vornahme zuständig ist und sie nach dem einschlägigen materiellen Recht erbringen darf. Zu Leistungen, deren Erbringung der Behörde rechtlich
versagt ist, darf sie sich vertraglich nicht verpflichten.147
a) Be
aa
aaa)
Bestimmthe
stimmthe
stimmtheitse
itse
itserrfordernis
Die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde muss für einen bestimmten Zweck
im Vertrag vereinbart werden. Das Bestimmtheitserfordernis soll verhindern, dass sich
der Vertragspartner der Entscheidung der Behörde über die von ihm jeweils zu erbringende Gegenleistung unterwirft. Es muss sich bereits aus dem im Vertrag selbst Vereinbarten
144
BVerwGE 96, S. 326 (330); BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855); BWVGH NVwZ 1991, S. 583
(584); BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (981); RPOVG DVBl. 1992, S. 785 (786).
145
BVerwG NVwZ 1990, S. 665 (667); DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
146
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855); Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 20.
147
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 25 f.; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 6.
25
und nicht erst aufgrund einer nachträglichen, den Vertragspartner bindenden einseitigen
Entscheidung der Behörde ergeben, welche Gegenleistung zu erbringen ist, ob diese den
gesamten Umständen nach angemessen ist und ob sie im sachlichen Zusammenhang mit
der vertraglichen Leistung der Behörde steht.148 Es reicht allerdings aus, dass sich im Text
der Vertragsurkunde ein Anhaltspunkt findet, aufgrund dessen im Zusammenhang mit
den Umständen des Vertragsschlusses die Gegenleistung und ihr Zweck durch Auslegung
ermittelt werden können.149 Globale, inhaltslose und zweckfreie Vorbehalte zugunsten der
Behörde genügen dem Bestimmtheitserfordernis nicht. Anderes gilt für das über § 62 S. 2
VwVfG auch im öffentlich-rechtlichen Austauschvertrag vereinbare Bestimmungsrecht
einer Partei nach § 315 Abs. 1 BGB. Das Bestimmungsrecht betrifft weder die Gegenleistung selbst noch deren Zweck.150 Doch ist zu beachten, dass das Bestimmtheitserfordernis den Vertragspartner der Behörde darüber hinaus davor schützen soll, dass die Behörde nachträglich und einseitig eine unangemessene Gegenleistung festsetzen kann. Zulässig kann das einseitige Bestimmungsrecht daher nur dann sein, wenn es es der Behörde
ermöglicht, zugunsten des Vertragspartners situationsgerechte Änderungen vorzunehmen.151
Der Zweck, für den die Gegenleistung vereinbart wird, muss so hinreichend konkret bezeichnet werden, dass eine Prüfung von sachlichem Zusammenhang und Angemessenheit
möglich ist. Werden mehrere Zwecke verfolgt, so müssen die ungefähren Anteile angegeben werden. Globale und pauschale Zweckbezeichnungen genügen diesen Anforderungen
nicht.152
bbb
bbb)) Auf
Aufggabenb
abenbeezug
Zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Behörde dient die Gegenleistung des Vertragspartners, wenn der verfolgte Zweck zum Aufgabenbereich der vertragschließenden
Behörde gehört.153 Da es das Handeln in der Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages der
Behörde nicht erlaubt, sich über die Zuständigkeitsordnung hinwegzusetzen, muss es sich
um Aufgaben gerade der kontrahierenden Behörde handeln. Dass es sich um Aufgaben
148
BVerwGE 84, S. 236 (243).
149
BVerwGE 84, S. 236 (243); BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
150
BVerwGE 84, S. 236 (243).
151
So die Situation in BVerwGE 84, S. 236 (243).
152
BVerwGE 42, S. 331 (344); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 9.
153
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 40.
26
des hinter der Behörde stehenden Verwaltungsträgers handelt, reicht nicht aus.154 Ob die
Erfüllung der Aufgaben in den Formen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts erfolgt, ist unerheblich.155
ccc) Kopp
elun
elunggsverbot
Koppelun
Das sog. Koppelungsverbot verlangt, dass die Gegenleistung des Bürgers im sachlichen
Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde steht. Es soll in erster Linie
einen „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ verhindern156 und besagt, dass zum einen durch
einen verwaltungsrechtlichen Vertrag nichts untereinander verknüpft werden darf, was
nicht ohnedies schon in einem inneren Zusammenhang steht, und dass zum anderen behördliche Entscheidungen ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden dürfen, es sei denn, erst die Gegenleistung würde ein der Entscheidung entgegenstehendes rechtliches Hindernis beseitigen.157 Entscheidend für die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines sachlichen
Zusammenhangs sind Inhalt und Begleitumstände des konkreten Vertrages. Der Fall einer
unzulässigen Gegenleistung des Bürgers liegt z.B. vor, wenn die Behörde im Gegenzug
eine Leistung verspricht, auf die der Bürger nach dem einschlägigen Bundes- oder Landesrecht ohnehin Anspruch hat, oder wenn die vom Bürger zu erbringende Leistung einem anderen öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist als die von der Behörde zu
erbringende oder von ihr in Aussicht gestellte Leistung.158 Nicht erforderlich ist, dass die
Gegenleistung unmittelbar auf die Leistung der Behörde im Sinne einer Zwangsläufigkeit
bezogen ist.159 Es reicht vielmehr aus, dass es sachlich vertretbare, rechtlich nicht zu beanstandende Gründe der Verknüpfung der öffentlichen und der privaten Leistung gibt.160
Wesentliche Kriterien sind die Verortung der verknüpften Leistungen in demselben
rechtlich geregelten Bereich (z.B. Bauplanungsrecht), das Vorliegen einer Verknüpfung
dergestalt, dass die Gegenleistung des Bürgers der Behörde die Vornahme einer Maßnahme ermöglichen soll, die entweder Voraussetzung oder Folgelast der behördlichen
154
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 11 m.N. A.A. Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 53.
155
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 53; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 11.
156
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1856); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 16; eingehend Bonk (Anm.
3) § 56 Rn. 3.
157
BVerwG NVwZ 1994, S. 485; DVBl. 2000, S. 1853 (1856).
158
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1856).
159
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 49.
160
BayVGH NVwZ 1999, 1008 (1011); Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 49.
27
Leistung ist, oder jedenfalls der Charakter der Gegenleistung des Bürgers als Aufwendungsersatz für die der Behörde durch ihre Leistung entstehenden Auslagen.161
ddd
eitsge
eitsgebot
bot
ddd)) An
Anggemessenh
ssenheitsge
Weiterhin muss die Gegenleistung den gesamten Umständen nach angemessen sein (§ 56
Abs. 1 S. 2 VwVfG). Angemessenheit bedeutet, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des
Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem
wirtschaftlichen Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistungen
stehen darf und sich daraus keine unzumutbaren Belastungen für den Vertragspartner oder
Dritte, auf die der Vertragspartner die Lasten ggf. abwälzt, ergeben dürfen.162 Insoweit
handelt es sich bei dem Angemessenheitskriterium um eine Ausprägung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit.163 Daraus ergibt sich, dass Verstöße gegen das Angemessenheitsgebot nur auf zurückgezogener Linie festgestellt werden können. Für den Regelfall
ist anzunehmen, dass die Vertragspartner ihre Interessen sachgerecht erkannt und wahrgenommen haben und dass das gewählte Leistungsverhältnis angemessen ist.164
Zur Widerlegung dieser Vermutung bedarf es einer Gesamtbetrachtung der zwischen den
Vertragsparteien bestehenden Rechtsbeziehungen.165 Zu berücksichtigen ist daher nicht
allein der materielle oder immaterielle Wert der Leistung des Privaten für die Behörde166,
sondern einzubeziehen sind sämtliche zwischen den Vertragspartnern innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Austauschvertrags getroffenen Regelungen167, auch soweit sie etwa
Leistungen an Dritte beinhalten168. Erst wenn Leistung und Gegenleistung danach nicht
mehr ausgewogen sind, fehlt es an der Angemessenheit.169 Dies ist dann der Fall, wenn
bei objektivierender Betrachtungsweise keine offensichtliche Ungleichgewichtigkeit zwischen der Leistung der Behörde und der Gegenleistung des Privaten besteht.170
161
Vgl. BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1856).
162
BVerwGE 42, S. 331 (345); BWVGH VBlBW 1997, S. 27 (28); BayVGH NVwZ 1999, S. 1008 (1010).
163
BVerwG NJW 1985, S. 989 (990); BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (981).
164
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 55; Eckart Hien, Bemerkungen zum städtebaulichen Vertrag, in: Planung und
Plankontrolle, FS für Otto Schlichter, 1995, S. 129 (137); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 15;
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 42.
165
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 55; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 15.
166
So aber BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (353).
167
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 15.
168
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 55.
169
Vgl. BayVGH BayVBl. 1978, S. 146 (147).
170
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 55.
28
eee) Anspru
auff die Leistun
istungg de
Anspruch
ch au
derr Behörd
Behördee
Hat der Private auf die Leistung der Behörde bereits außerhalb des Vertrages einen Anspruch, so kann nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden, die bei Erlass eines
Verwaltungsakts Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 36 VwVfG sein könnte (§ 56
Abs. 2 VwVfG). Die Vorschrift soll den Bürger davor schützen, dass er sich durch den
Abschluss eines Vertrages schlechter stellt als er ohne Vertrag stehen würde. Hat er ohnehin einen Anspruch auf die behördliche Leistung, so darf eine Gegenleistung nur vereinbart werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll,
dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erbringung der Leistung der Behörde vorliegen (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 VwVfG). Anspruch im Sinne der Vorschrift ist
zum einen das normativ eingeräumte subjektive öffentliche Recht, zum anderen das bei
einer Leistungsgewährung nach Ermessen im Falle der Ermessensreduzierung auf Null
bestehende Recht.171 Der Einbeziehung der Fälle der Ermessensreduzierung kann nicht
entgegengehalten werden, dass sonst für die Anwendung von § 56 Abs. 1 VwVfG zu wenig Raum bliebe.172 Bei funktionaler Betrachtung ist die Einbeziehung dieser Fälle geboten, da § 36 Abs. 1 VwVfG auch gilt, wenn das Ermessen der Behörde zum Erlass des
Verwaltungsakts auf Null reduziert ist.173 In der Tat beschränken sich bei Anspruch des
Privaten auf die Leistung der Behörde die Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung auf
die Nachzeichnung dessen, was die Behörde durch Verwaltungsakt regeln könnte.174
4. „Koor
tlicher
her
her““ Ve
Verrtrag
„Koordin
din
dinaationsr
tionsreechtlic
Herkömmlicherweise wird dem Begriff des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages der des
„koordinationsrechtlichen“ Vertrages gegenübergestellt. Ungeachtet seiner weiten
Verbreitung ist der Begriff „koordinationsrechtlicher Vertrag“ inhaltlich nur wenig geklärt. Unstrittig ist allein, dass jedenfalls die Verträge, die „subordinationsrechtliche“
Verträge im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG sind, nicht „koordinationsrechtlicher“ Natur sein
können. Ob sich der Typ des „koordinationsrechtlichen“ Vertrages funktional auf diese
negative Abgrenzung im Sinne einer Auffangkategorie beschränkt oder darüber hinaus
einen eigenständigen positiven definitorischen Gehalt entfaltet, ist hingegen umstritten.
171
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 56 Rn. 20.
172
So aber Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 36.
173
Paul Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998, § 36 Rn. 75.
174
Vgl. Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 43.
29
Die Bedeutung des Typs des „koordinationsrechtlichen“ Vertrages hängt daher wesentlich
davon ab, wie weit der Anwendungsbereich des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages
gefasst wird (dazu o.II 3).
um „„ssubordinationsre
ubordinationsrechtlichen
chtlichen
chtlichen““ Vertra
g
a) V
Veerhältnis zzu
Vertrag
Werden unter einem „subordinationsrechtlichen“ Vertrag sämtliche Verträge zwischen
Verwaltung und Bürger gefasst175, so ändert eine Definition der „koordinationsrechtlichen“ als solcher Verträge, die zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung oder Behörden
abgeschlossen werden,176 nichts daran, dass bei dieser Abgrenzung der „koordinationsrechtliche“ Vertrag Auffangkategorie ist. Denn andere öffentlich-rechtliche Verträge im
Sinne der §§ 54 ff. VwVfG als Verträge zwischen Verwaltung und Privaten und Verwaltungsträgern bzw. Behörden sind nicht denkbar. Sofern öffentlich-rechtliche Verträge
zwischen Privaten ausnahmsweise zulässig sind, ist der Anwendungsbereich der §§ 54 ff.
VwVfG nicht eröffnet, da keine Verwaltungstätigkeit einer Behörde (§ 1 Abs. 1 VwVfG)
vorliegt.177 „Subordinationsrechtliche“ Verträge zwischen Stellen der öffentlichen Verwaltung gibt es nach diesem Ansatz nicht.178
Weitergehende Abgrenzungsnotwendigkeiten ergeben sich, wenn der Begriff des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages anders gefasst wird. Dies gilt zunächst, wenn als „subordinationsrechtlich“ auch Verträge zwischen Stellen der öffentlichen Verwaltung eingeordnet werden. In diesem Fall bedarf es der Festlegung, ob der „koordinationsrechtliche“
Vertrag Auffangkategorie sein oder auf nicht „subordinationsrechtliche“ Verträge zwischen Stellen der öffentlichen Verwaltung beschränkt sein soll. Bei Präferierung der
letztgenannten Variante ergäbe sich eine Dreiteilung von Vertragsarten in „subordinationsrechtliche“, „koordinationsrechtliche“ und andere öffentlich-rechtliche Verträge.
Doch werden die genannten Abgrenzungsansätze der Funktion der Vertypung des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages nicht gerecht. Wie dargelegt sollen § 54 S. 2 VwVfG
und die an ihn anknüpfenden Regelungen der Situation Rechnung tragen, dass einerseits
der im „Schatten der Hierarchie“ kontrahierende Bürger eines besonderen Schutzes bedarf und dass andererseits die Behörde davor bewahrt werden soll, sich Hoheitsbefugnisse
gleichsam abkaufen zu lassen (o.II 3). Die dadurch erforderliche Schutzniveauanalyse
175
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn 61; Nach. bei Ule/Laubinger § 68 Rn. 12.
176
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 59; Erichsen (Anm. 2) § 25 Rn. 1.
177
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 65. A.A. Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 54 Rn. 47; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 12.
178
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 58; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 12.
30
führt zu der Einsicht, dass weder alle öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen Verwaltung und Bürger „subordinationsrechtlicher“ Natur sind (o. II 3) noch es „subordinationsrechtliche“ Verträge zwischen Stellen der öffentlichen Verwaltung geben kann. Dass die
eine Verwaltungsstelle gegenüber der anderen anstatt durch Vertrag auch durch Verwaltungsakt tätig werden könnte, ist kein Kriterium für die Anerkennung eines „subordinationsrechtlichen“ Vertrages zwischen mehreren Stellen der öffentlichen Verwaltung. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass allgemein auf dem betreffenden Gebiet ein hoheitliches
Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht (o. II 3). Die gegenseitigen Schutzbedürfnisse der Vertragspartner sind beim öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Stellen der
öffentlichen Verwaltung denen bei Verträgen zwischen Verwaltung und Bürger nicht
vergleichbar. Ebensowenig wie die Innehabung des zivilrechtlichen Eigentums an einer
Sache durch einen Verwaltungsträger dazu führt, dass sich dieser gegenüber hoheitlichen
Maßnahmen anderer Verwaltungsträger auf den Schutz des Art. 14 GG berufen kann179,
führt die formale Fähigkeit einer Stelle der öffentlichen Verwaltung, gegenüber einer anderen durch Verwaltungsakt tätig zu werden, zu einer Vergleichbarkeit des materiellen
Schutzniveaus.
Vor der Folie der gebotenen Schutzniveaudifferenzierung ist es darüber hinaus nicht
weiterführend, den Begriff „koordinationsrechtlicher“ Vertrag ausschließlich als Auffangkategorie für alle solchen öffentlich-rechtlichen Verträge zu verwenden, die nicht
„subordinationsrechtlicher“ Art sind. Eigenständigen Bedeutungsgehalt als schutzniveauorientierte Vertragsart erhält der „koordinationsrechtliche“ Vertrag nur dann, wenn er
positiv eine Situation von Schutzinteressen der Vertragspartner definiert. In Anlehnung an
einen verbreiteten Begriffsgebrauch sollte der Terminus „koordinationsrechtlicher“ Vertrag zur Kennzeichnung von öffentlich-rechtlichen Verträgen, die zwischen verschiedenen Stellen der öffentlichen Verwaltung geschlossen werden, gebraucht werden. Ob innerhalb des in dieser Weise verstandenen „koordinationsrechtlichen“ Vertrages weiter
danach unterschieden werden muss, ob sich die Stellen der öffentlichen Verwaltung
„gleichgeordnet“ oder in einem anderen Verhältnis gegenüberstehen180, kann hier den
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung offen bleiben.
179
BVerfGE 61, S. 82 (100 ff.)
180
Vgl. BVerwGE 84, S. 257 (262), wo diese Frage aber im Ergebnis offen bleiben konnte.
31
b) Dre
fentlic
ntlic
h-r
h-reechtli
Veerträg
rägee
Dreii Ar
Arte
te
tenn öf
öffe
fe
ntlich-r
tliccher V
Ausgehend von diesen Begriffsbestimmungen verbleibt als von „subordinationsrechtlichem“ und „koordinationsrechtlichem“ Vertrag nicht erfasster Bereich die kontrahierte
Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Privaten auf einem Gebiet, auf dem kein hoheitliches Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht. Zur Beschreibung dieser Zusammenarbeit hat das Bundesverwaltungsgericht den Begriff „Kooperation“ gebraucht.181
Ein solcher Vertrag soll deshalb im folgenden als „kooperationsrechtlicher“ (öffentlichrechtlicher) Vertrag bezeichnet werden.182 Da § 54 S. 1 VwVfG keinen numerus clausus
der Vertragsarten kennt,183 ist der „kooperationsrechtliche“ Vertrag als öffentlichrechtlicher Vertrag im Sinne der genannten Vorschrift zulässig. Für ihn gelten alle Bestimmungen der §§ 54 ff. VwVfG mit Ausnahme derjenigen, die an das Vorliegen eines
von § 54 S. 2 VwVfG erfassten „subordinationsrechtlichen“ Vertrages anknüpfen.
Als Arten öffentlich-rechtlicher Verträge im Sinne von § 54 S. 1 VwVfG kommen mithin
in Betracht:
•
der „subordinationsrechtliche“ Vertrag im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG (Vertrag
zwischen Verwaltung und Privaten auf einem Gebiet, auf dem ein hoheitliches
Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht);
•
der „kooperationsrechtliche“ Vertrag (Vertrag zwischen Verwaltung und Privaten
auf der Ebene der Gleichordnung);
•
der „koordinationsrechtliche“ Vertrag (Vertrag zwischen verschiedenen Stellen der
öffentlichen Verwaltung).
5. Sch
orde
rni
Schrriftform
iftformeerf
rforde
orderni
rniss
§ 57 VwVfG verlangt, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag schriftlich zu schließen ist,
soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Der Zweck des
Schriftformerfordernisses besteht zum einen in einer Warn-, zum anderen in einer Kontroll- bzw. Beweisfunktion: In seiner Warnfunktion soll das Schriftformerfordernis beide
Vertragspartner vor Übereilung schützen; Akzentuierungen ergeben sich dabei hinsichtlich der Bewahrung vor ungünstigen Vertragsbedingungen und der Gelegenheit für die
181
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
182
In diesem Sinne auch Wolff/Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 6. Aufl. 2000, § 54 Rn. 19.
Vgl. als Beispiel aus der Rechtsprechung für einen „kooperationsrechtlichen“ Vertrag BWVGH NVwZRR 1998, S. 351: Vertrag zwischen Gemeinde und Energieversorgungsunternehmen betr. die Errichtung
einer Freileitung.
183
Bonk (Anm. 3) § 54 Rn. 59.
32
Verwaltung, die Rechtmäßigkeit des Vertrages zu überprüfen.184 Die Beweisfunktion zielt
auf die Dokumentation von Vertragspartnern, -abschluss und –inhalt ab.185 Dazu zählt
auch die Feststellbarkeit des Vorliegens auf einen Vertragsabschluss gerichteter übereinstimmender Willenserklärungen.186
a) Inha
hallt
Die Vorschrift gilt für alle Arten von öffentlich-rechtlichen Verträgen im Sinne des § 54
VwVfG, auch für Vorverträge187 sowie für Aufhebung, Kündigung, Rücktritt und Anfechtung188. Schriftlich abzugeben sind alle für die Wirksamkeit des Vertrages relevanten
Willenserklärungen: Dies sind neben dem Vertragsangebot und der Annahmeerklärung
der Vertragspartner189 die nach § 58 Abs. 1 VwVfG erforderlichen Zustimmungserklärungen Drittbetroffener190. Der durch Angebot und Annahme bestimmte Vertragstext muss
schriftlich festgelegt sein und die Vertragspartner benennen.191 Für sämtliche Abreden der
Vertragsparteien muss sich im Vertragstext jedenfalls ein Anhaltspunkt finden lassen.192
Das Schriftformerfordernis besagt zwar nicht, dass sich die beiderseitigen Verpflichtungen nach Gegenstand, Umfang und Zweck eindeutig und zweifelsfrei allein aus dem
Wortlaut der Vertragsurkunde ergeben müssen. Eine unklare Formulierung des Vertragstextes schadet nicht, wenn die sich daraus ergebenden Zweifel im Wege der Auslegung,
zu der auch außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände herangezogen werden
dürfen, behoben werden können. Jedoch muss sich aus dem Inhalt der Vertragsurkunde
selbst ein zureichender Anhaltspunkt für die Auslegung ergeben. Gegenstand und Zweck
der Verpflichtungen dürfen nicht ausschließlich anhand von Umständen ermittelt werden,
die außerhalb der Vertragsurkunde liegen.193
184
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 4; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 29; Volker Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 452; Oliver Weihrauch, Verwaltungsrechtlicher Vertrag und Urkundeneinheit,
VerwArch 1991, S. 543 (558) f.
185
Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 29; Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 4.
186
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 4; Weihrauch (Anm. 152) S. 559.
187
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 6, 9; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 2.
188
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 11.
189
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 20.
190
Schlette (Anm. 152) S. 461.
191
Schlette (Anm. 152) S. 461; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 10.
192
Schlette (Anm. 152) S. 461; Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 16.
193
BVerwGE 84, S. 236 (244); BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (305); DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
33
Die Beachtung der Schriftform setzt grundsätzlich voraus, dass die aufeinander bezogenen Willenserklärungen eigenhändig unterschrieben worden sind.194 Fehlende Vertretungsmacht eines Unterzeichners stellt keinen nach § 57 VwVfG beachtlichen Formverstoß dar. Insoweit gelten die zu §§ 177 ff. BGB entwickelten Grundsätze über die Vertretung ohne Vertretungsmacht.195
b) Notwendi
gkeit der Ur
kundeneinh
kundeneinheeit
Notwendig
Urkundeneinh
it??
Nicht abschließend geklärt ist, ob und – wenn ja – in welchem Umfang beim öffentlichrechtlichen Vertrag Urkundeneinheit erforderlich ist. § 126 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt für
die Fälle der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform für Verträge, dass die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen muss. Das Bundesverwaltungsgericht
hat eine durch § 62 S. 2 VwVfG vermittelte Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf einen
öffentlich-rechtlichen Vertrag, der eine einseitige Verpflichtung des Bürgers gegenüber
der Verwaltung zum Gegenstand hat, verneint.196 Zur Begründung hat das Gericht mit
Blick auf die Warn- und Beweisfunktion des Schriftformerfordernisses ausgeführt, bei
lediglich einseitiger Verpflichtung des Bürgers genüge ein schriftliches Angebot seitens
des Bürgers und eine schriftliche Erklärung der Annahme durch die Behörde. 197
Von einem zunehmenden Teil der Literatur wird weitergehend der Schluss gezogen, dass
die Zwecke des Schriftformerfordernisses keine Urkundeneinheit erforderten und zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 VwVfG auch ein Schriftwechsel unterzeichneter
Willenserklärungen ausreiche.198 In der Rechtsprechung wird die Ablehnung der Geltung
des § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nicht geteilt. Sofern sich die Verwaltungsgerichte mit der Frage der allgemeinen Anwendbarkeit – abgesehen von der genannten Sondersituation in der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – des Grundsatzes der Urkundeneinheit auf
den öffentlich-rechtlichen Vertrag befasst haben, haben sie diese Frage bejaht.
199
In
jüngster Zeit hat Schlette eingehend dargelegt, dass die Auslegung der §§ 57, 62 S. 2
VwVfG, 126 Abs. 2 S. 1 BGB – und zwar einschließlich der teleologischen Interpretation
194
Dazu und zu möglichen Abweichungen Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 17.
195
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 23 f.; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 12.
196
BVerwGE 96, S. 326 (332).
197
BVerwGE 96, S. 326 (332).
198
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 20; Wolff/Bachof/Stober (Anm. 150) § 54 Fn. 39.
199
BVerwGE 98, S. 58 (67); NdsOVG NJW 1992, S. 1404 (1405); NJW 1998, S. 2921.
34
– eindeutig zugunsten der Erforderlichkeit der Urkundeneinheit spricht.200 Der überwiegende Teil des Schrifttums teilt nach wie vor diese Auffassung.201
Solange das Problem, ob über § 62 S. 2 VwVfG der § 126 Abs. 2 S. 1 BGB auch beim
öffentlich-rechtlichen Vertrag Urkundeneinheit fordert oder ob dem Schriftformerfordernis des § 57 VwVfG bereits durch aufeinander Bezug nehmende Schreiben genügt wird,
nicht grundsätzlich vom Bundesverwaltungsgericht entschieden wird, darf seine Lösung
als offen bezeichnet werden. Für die Praxis muss derzeit jedenfalls davon ausgegangen
werden, dass ein ohne Urkundeneinheit abgeschlossener öffentlich-rechtlicher Vertrag
vor der Gefahr steht, als formunwirksam betrachtet zu werden. Mit Blick auf einen eventuellen Novellierungsbedarf des Verwaltungsvertragsrechts (dazu VI) ist deshalb davon
auszugehen, dass die Notwendigkeit der Urkundeneinheit zu den einzustellenden Gesichtspunkten gehört.
icheende Re
gelu
ng
en
c) Abw
Abweeich
Regelu
gelung
ngen
Ausweislich des § 57 VwVfG gilt das Schriftformerfordernis nur, soweit nicht durch
Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Untergrenze ist insoweit allerdings
die Schriftform.202 Nicht möglich ist die Zulassung des mündlichen Abschlusses öffentlich-rechtlicher Verträge, da dadurch keine Form vorgeschrieben, sondern gerade Formlosigkeit vorgesehen werden würde.203 § 57 Hs. 2 VwVfG lässt daher nur Verschärfungen
des Schriftformerfordernisses zu.204 Rechtsvorschrift im Sinne dieser Regelung sind neben
förmlichen Gesetzen und Rechtsverordnungen auch kommunale Satzungen.205 Wegen der
unterschiedlichen Fassung des § 57 VwVfG im Vergleich zu § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes bzw. der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ist kein
Grund ersichtlich, die Öffnungsklausel des § 57 Hs. 2 VwVfG im Sinne der Subsidiaritätsklausel des § 1 der jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetze („Rechtsvorschriften des
200
Schlette (Anm. 152) S. 455 ff.
201
Nachw. bei Schlette (Anm. 152) S. 454 Anm. 100.
202
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 22; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 69 Rn. 10; Schlette (Anm. 152) S. 463. A.A.
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 3.
203
Schlette (Anm. 152) S. 463. A.A. Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 4 m.N. auch zur h.M.
204
Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 22; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 69 Rn. 10.
205
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 69 Rn. 10; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 3 f.
35
Bundes“ bzw. „Rechtsvorschriften des Landes“) zu interpretieren.206 Schon weil es sich
um eine in der Form einer Gesetzesvorschrift statuierte Öffnungsklausel handelt, kann der
Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes nicht entgegenstehen.207
6. E
rforddernis ddeer Zusti
ittbetrofffen
en und Behör
hörden
den
Erfor
rfor
stimmung
mmung von D
Drrittbetrof
enen
Nach § 58 Abs. 1 VwVfG wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines
Dritten eingreift, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Wird anstatt eines
Verwaltungsakts, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die
Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen Behörde erforderlich ist, ein Vertrag
geschlossen, so wird dieser erst wirksam, nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat (§ 58 Abs. 2 VwVfG).
Sowohl die Zustimmung des Dritten als auch die Mitwirkung der Behörde sind Wirksamkeitsvoraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Ein ohne diese Mitwirkungsakte geschlossener Vertrag ist nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam.208 Die Vertragsparteien sind mithin an einem ohne die erforderliche Zustimmung oder Mitwirkung
erfolgenden Vertragsschluß nicht gehindert.209 Bis zur endgültigen Verweigerung oder
Erklärung der Zustimmung bzw. Vornahme der Mitwirkung bleiben sie an ihre Willenserklärungen gebunden.210 Die später erteilte Zustimmung bzw. vorgenommene Mitwirkung wirkt ex tunc, d.h. auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück.211
a) D
Drrittbe
ittbettroff
ffeene
Das Erfordernis der Zustimmung Drittbetroffener nach § 58 Abs. 1 VwVfG soll Verträge
zu Lasten Dritter verhindern.212 Der Dritte soll nicht durch den Vertrag vor vollendete
Tatsachen gestellt werden, die es ihm unmöglich machen, seine Rechte zu wahren.213
Handelt es sich um einen sog. Verfügungsvertrag, d.h. einen Vertrag, der unmittelbar
206
A.A. Schlette (Anm. 152) S. 464.
207
A.A. Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 22.
208
Schlette (Anm. 152) S. 433; Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 4.
209
Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 4.
210
Schlette (Anm. 152) S. 433; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 19.
211
Schlette (Anm. 152) S. 434; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 19.
212
NdsOVG UPR 2000, S. 238 (239).
213
NdsOVG UPR 2000, S. 238 (239).
36
rechtsgestaltende Wirkung gegenüber dem Dritten hat, so muss der Dritte – soweit er der
Behörde bekannt ist – von der Behörde von dem auf Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages gerichteten Verwaltungsverfahren benachrichtigt und auf Antrag als
Beteiligter zu dem Verfahren hinzugezogen werden (§ 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG).214 Soll
dagegen ein Verpflichtungsvertrag geschlossen werden, durch den sich die Behörde zum
Erlass eines drittbelastenden Akts verpflichtet, so steht die Hinzuziehung des Dritten als
Beteiligter gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde. Eine fehlerhaft
unterbliebene Hinzuziehung hat für den Drittbetroffenen ebenso wenig Konsequenzen
wie die Beteiligung am Verfahren als nach § 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 VwVfG Hinzugezogener: Solange er dem Vertrag nicht zustimmt, bleibt der Vertrag schwebend unwirksam.215
Der Begriff des „Dritten“ im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG ist mit Blick auf die Funktion der Vorschrift, die durch einen Vertrag erfolgende Verkürzung subjektiver öffentlicher
Rechte in multipolaren Rechtsverhältnissen zu verhindern, zu interpretieren. Es kann sich
daher nur um natürliche oder juristische Personen handeln, denen ein von dem Vertrag
betroffenes subjektives öffentliches Recht zustehen kann. Dies werden regelmäßig Private
sein, ohne dass dies zwingend wäre.216 Die unterschiedlichen Regelungen für „Dritte“ in §
58 Abs. 1 VwVfG und „Behörden“ in § 57 Abs. 2 VwVfG markieren nicht die Grenze
zwischen „Privatperson“ und „Behörden“217, sondern zwischen dem Schutz subjektiver
öffentlicher Rechte und dem Schutz der Zuständigkeitsordnung. Soweit eine juristische
Person des öffentlichen Rechts Trägerin subjektiver öffentlicher Rechte sein kann, ist sie
„Dritter“ im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG.218
Ein durch den Vertrag erfolgender Eingriff in die Rechte des Dritten liegt jedenfalls dann
vor, wenn es sich um einen Verfügungsvertrag handelt, der unmittelbar rechtsgestaltende
Wirkung gegenüber dem Dritten entfaltet.219 Nach mittlerweile ganz überwiegender Ansicht erfolgt ein Eingriff darüber hinaus auch bereits durch den Abschluss eines Verpflichtungsvertrags, durch den sich die Behörde zu drittbelastenden Maßnahmen ver-
214
Schlette (Anm. 152) S. 433.
215
Vgl. Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 13 Rn. 50.
216
A.A. Schlette (Anm. 152) S. 432.
217
So aber Schlette (Anm. 152) S. 432.
218
Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 12.
219
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 7.
37
pflichtet.220 Voraussetzung ist, dass die Erfüllung des Vertrages zu einer Beeinträchtigung
der Rechte des Dritten führt.221 In diesem Fall würde der Rechtsschutz des Dritten verkürzt, der den zur Vertragserfüllung ergehenden Behördenakt nicht anfechten kann. Wäre
nämlich der eine Drittbelastung implizierende Verpflichtungsvertrag ohne die Zustimmung des Dritten rechtmäßig und rechtswirksam, so wäre beispielsweise auch ein zur
Vertragserfüllung erlassener Verwaltungsakt rechtmäßig222 (zum Problem des – schlicht –
rechtswidrigen Vertrags als Rechtmäßigkeitsgrundlage II 7). Die Rechte des Dritten können daher nur dadurch gewahrt werden, dass er bereits die Wirksamkeit des Verpflichtungsvertrags verhindern kann. Denn der zur Erfüllung eines unwirksamen Verpflichtungsvertrags ergehende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, soweit er sich auf den Vertrag
als Grundlage stützt.223
Die Zustimmung des Dritten kann vor oder nach Vertragsschluss erteilt werden; sie muss
schriftlich erfolgen. Eine Frist für die Erklärung oder Verweigerung der Zustimmung
wird in § 58 VwVfG nicht statuiert. Der Dritte kann durch vertragliche Abreden nicht an
eine Äußerungsfrist gebunden werden. Ebensowenig kann sein Schweigen auf eine Anfrage seitens der Vertragsparteien generell als Verweigerung der Zustimmung fingiert
werden.224 Grenzen ergeben sich lediglich im Einzelfall aus Treu und Glauben.225 Die
Parteien können die Unsicherheit über die Dauer des Schwebezustandes nur dadurch beenden, dass sie vertraglich das Hinfälligwerden des Vertrages nach fruchtlosem Verstreichen einer bestimmten Frist vereinbaren.
rden
b) Mitwirkun
Mitwirkungg von Behö
hörden
Das nach § 58 Abs. 2 VwVfG bestehende Erfordernis der Mitwirkung einer anderen Behörde dient der Wahrung der Zuständigkeitsordnung.226 Die Bestimmung gilt auch für den
Abschluss eines Verpflichtungsvertrages, durch den sich die Behörde zum Erlass eines
220
Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 15; Jürgen Fluck, Die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Verpflichtungsvertrages durch Verwaltungsakt, 1985, S. 61; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 7; Schlette (Anm. 152) S.
432 jeweils m.N.
221
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 8.
222
Schlette (Anm. 152) S. 577.
223
Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 17. Für Nichtigkeit des Verwaltungsakts dagegen Fluck (Anm. 188) S. 108 ff.
224
Vgl. aber Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 21; Schlette (Anm. 152) S. 434.
225
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 12.
226
BVerwG NJW 1988, S. 662 (663); Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 26.
38
der Genehmigung, der Zustimmung oder des Einvernehmens einer anderen Behörde bedürfenden Verwaltungsakts verpflichtet.227
7. Rec
Rech
öfffentlic
h-r
h-reechtlic
tliche
he
henn V
Veertr
htswidr
tswidriigkeit de
dess öf
ntlich-r
rtraages
Das in § 59 VwVfG für den fehlerhaften öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgesehene
Fehlerfolgenregime beruht auf der Unterscheidung zwischen fehlerhaften Verträgen, die
nichtig sind, und Verträgen, für die die Nichtigkeitsfolge nicht vorgesehen ist. Diese zwar
gegen eine Rechtsvorschrift verstoßenden, jedoch nicht nichtigen Verträge sind
(„schlicht“) rechtswidrig, gleichwohl rechtswirksam.228 Der Rechtsverstoß bleibt insoweit
ohne Konsequenzen für die Wirksamkeit des Vertrags. Ebensowenig können sich die
Vertragspartner ihren vertraglichen Verpflichtungen wegen der Rechtswidrigkeit durch
Anfechtung, Kündigung oder Rücktritt entziehen.229 Anderes gilt im Falle des Vorliegens
von Spezialregelungen wie § 126 Abs. 3 des schleswig-holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes (LVwG SH). Über die Nichtigkeitsgründe des § 126 Abs. 1 und 2 LVwG
SH hinaus führt § 126 Abs. 3 LVwG SH Fehler auf, die den Vertrag „unwirksam“ machen. Die Unwirksamkeit kann allerdings nur binnen eines Monats nach Vertragsschluss
durch schriftliche Rüge geltend gemacht werden. Unterbleibt die Rüge, ist der Vertrag als
wirksam zu behandeln.230
(Schlicht) rechtswidrige öffentlich-rechtliche Verträge sind mithin wirksam und von den
Vertragsparteien zu erfüllen, unabhängig davon, ob es sich um Verfügungs- oder Verpflichtungsverträge handelt. Verwaltungsakte, die in Erfüllung eines rechtswidrigen, aber
wirksamen Verpflichtungsvertrages erlassen werden, sind selbst rechtswidrig, wenn sie
nicht aufgrund von Rechtsvorschriften auch ohne den Vertrag zwingend erlassen werden
müssten. Sie können aber weder von der Behörde nach § 48 VwVfG zurückgenommen
noch durch den Vertragspartner oder einen durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten
betroffenen Dritten angefochten werden.231 Im Verhältnis der Vertragspartner zueinander
ist der Vertrag Rechtsgrund für die Erbringung der Leistung (Erlass des Verwaltungs227
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 58 Rn. 15; Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 26. Zu den Formen der Mitwirkung
Thorsten Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange,
2001.
228
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 10; Schlette (Anm. 152) S. 539.
229
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 11 f.; Schlette (Anm. 152) S. 539; Bonk (Anm. 3) § 58 Rn. 9.
230
Foerster/Gerd-Harald Friedersen/Martin Rohde, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein – Kommentar, 1999, § 126 Anm. 4.
231
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 9; Schlette (Anm. 152) S. 577 m.N.
39
akts). Das nach § 48 VwVfG bestehende Rücknahmeermessen der Behörde ist entsprechend auf Null reduziert.232 Für eine Drittanfechtungsklage fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis: Da auch der Verpflichtungsvertrag dem Zustimmungserfordernis des § 58 Abs. 1
VwVfG unterfällt (o.II 6a), ist der Vertrag bei fehlender Zustimmung des Dritten unwirksam. Hat sich der Dritte dagegen durch seine Zustimmung zu dem Vertragsschluss des
Schutzes der betroffenen Rechte begeben, so wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn er den
die Beeinträchtigung dieser Rechte herbeiführenden Verwaltungsakt anfechten könnte.
Zwar könnte das Ergebnis einer fehlenden Rücknehmbarkeit und Anfechtbarkeit des Erfüllungs-Verwaltungsakts konstruktiv leichter dadurch erreicht werden, dass man den in
Erfüllung eines wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrages erlassenen Verwaltungakt für
rechtmäßig hielte.233 Doch übersieht diese Auffassung zum einen, dass der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages die Behörde nicht von der Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entbindet (II 1 c). Die Wirksamkeit des Vertrages ersetzt nicht die Beachtung der Rechtsordnung. Der Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages führt nur in den Grenzen des Vergleichsvertrages im Sinne von § 55
VwVfG zu einer Novation des normgeprägten Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien.234 Zum anderen führt die Lösung des Problems des (schlicht) rechtswidrigen Verpflichtungsvertrags in den Fällen nicht weiter, in denen die Drittanfechtung durch einen
ohne Rücksicht auf die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte klagebefugten
Kläger (§ 42 Abs. 2 Hs. 1 VwGO) erfolgt. Beispiel ist der größer werdende Bereich eigentlicher Verbandsklagen235: Da der klagebefugte Verband weder durch den Vertrag
noch den in seiner Erfüllung erlassenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird,
ist seine Zustimmung zum Vertragsschluss nach § 58 Abs. 1 VwVfG nicht erforderlich.
Sein besonders statuiertes Klagerecht verschafft dem Verband jedoch die Möglichkeit,
den Erfüllungs-Verwaltungsakt anzufechten. Ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, so
muss das Verwaltungsgericht ihn aufheben. Hielte man dagegen den zur Erfüllung eines
rechtswidrigen Verpflichtungsvertrags erlassenen Verwaltungsakt für rechtmäßig, so
stünde es den Vertragsparteien frei, das Verbandsklagerecht contra legem zu entwerten.
232
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 9.
233
So Fluck (Anm. 188) S. 62 ff.; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 35.
234
Zur Normprägung des Verwaltungsrechtsverhältnisses Norbert Achterberg, Die Rechtsordnung als
Rechtsverhältnisordnung, 1982, S. 31 ff.
235
Dazu Jan Ziekow, Die Verbandsklage gegen Planungsakte, in: ders. (Hrsg.), Planung 2000, 2001, S. 197
(206 ff.).
40
8. Ni
chti
gkeit
Nichti
chtig
Die zur Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages führenden Gründe sind in § 59
VwVfG abschließend geregelt.236 Während § 59 Abs. 1 VwVfG alle öffentlich-rechtlichen
Verträge erfasst, gelten die Nichtigkeitsgründe des § 59 Abs. 2 VwVfG nur für „subordinationsrechtliche“ Verträge im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG.
ende Anwe
Anwendun
ndun
ndungg von Vors
Vorschrift
chrift
chriften
en ddees B
BG
GB
a) Entspr
Entsprech
ech
echende
Nach § 59 Abs. 1 VwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die
Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt.
aa) § 13
1344 BGB
Von Bedeutung ist zunächst die in § 134 BGB vorgesehene Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Gesetzlich angeordnet ist ein Verbot,
wenn es durch eine Rechtsnorm statuiert wird. In Betracht kommen insoweit Vorschriften
des Gemeischaftsrechts und des Verfassungsrechts, Gesetze, Rechtsverordnungen und
Satzungen.237 Das Verbot muss nicht ausdrücklich ausgesprochen sein („Es ist verboten,
...“). Es reicht aus, wenn es sich aus dem Zusammenhang oder dem Zweck der Vorschrift
ergibt.238
Im Zivilrecht kommt es für das Vorliegen eines Verbotsgesetzes im Sinne von § 134
BGB vor allem darauf an, ob sich das Gesetz gegen die Wirksamkeit, den Erfolg des
Rechtsgeschäfts wendet. Ordnungsvorschriften, die nur die konkrete Art und Weise der
Vornahme des Rechtsgeschäfts, nicht aber dessen Inhalt betreffen, führen hingegen nicht
zur Nichtigkeit.239 Ob die betreffende Verbotsnorm die Art und Weise der Vornahme oder
den materiellen Gehalt des Rechtsgeschäfts betrifft, kann nur durch Auslegung ermittelt
werden. Grundsätzlich muss sich die Verbotsnorm an beide Vertragspartner richten; betrifft sie nur eine Vertragspartei, so ist das Rechtsgeschäft gleichwohl nichtig, wenn der
Zweck des Gesetzes die Nichtigkeit erfordert.240
236
BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (980); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 7.
237
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 53; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 9.
238
NWOVG NVwZ 1992, S. 988 (989); Ule/Laubinger (Anm. 7 § 70 Rn. 22.
239
Heinrichs (Anm. 55) § 134 Rn. 8..
240
Heinrichs (Anm. 55) § 134 Rn. 9..
41
Diese für das Zivilrecht entwickelten Regeln können zwar als Anknüpfungspunkt, nicht
jedoch inhaltsgleich zur Entwicklung von Grundsätzen über das Vorliegen eines gesetzlichen Verbots im öffentlichen Vertragsrecht herangezogen werden. Privatrechtlich ist §
134 BGB ein Fall einer unmittelbaren negativen Abschlusskontrolle, die bestimmte Regelungsgehalte der Vertragsfreiheit der Parteien entzieht. Mangels inhaltlicher Beschränkung der Vertragsfreiheit ist diese der Grundsatz, die Begrenzung der Vertragsfreiheit die
Ausnahme.241 Im öffentlichen Recht ist die Situation anders: Der Verwaltung kommt eine
Vertragsfreiheit nicht zu, vielmehr unterliegt sie der Gesetzesbindung. Während § 134
BGB im Privatrecht der Interessenverwirklichung der Parteien äußerste Grenzen setzt,
verwirklicht die Verwaltung auch dann nicht autonom definierte Interessen, sondern Gemeinwohlaufgaben, wenn sie vertraglich handelt. Im Unterschied zu privatautonomem
Handeln ist das Handeln der Verwaltung gesetzesdeterminiert und –dirigiert. Der Bereich
möglicher als rechtswidrig bewerteter Handlungen ist ungleich größer als im Zivilrecht.
Ist Bezugspunkt der Rechtssätze des öffentlichen Rechts gerade ein Träger hoheitlicher
Gewalt242, so knüpft die Bewertung eines dem Regime des öffentlichen Rechts unterstehenden Rechtsakts als nichtig an die für die Verwaltung geltende Verhaltensordnung an.
Im Unterschied zur Nichtigkeit des zivilrechtlichen reicht es daher für die Nichtigkeit des
öffentlich-rechtlichen Vertrages aus, wenn sich das gesetzliche Verbot nur an die Behörde
richtet.243 Andererseits kann nach § 59 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 134 BGB
nicht jeder einfache Gesetzesverstoß der Verwaltung zur Nichtigkeit des Vertrages führen. Die Rechtsprechung fordert daher für den Eintritt der Nichtigkeitsfolge das Vorliegen
eines durch Auslegung der betreffenden Vorschriften zu ermittelnden qualifizierten
Rechtsverstoßes.244
Wann ein solcher qualifizierter Rechtsverstoß vorliegt, lässt sich nur im Einzelfall ermitteln.245 Orientierungslinien sind vor allem die Zielrichtung der Verbotsnorm, die Verwirklichung des Vertragsinhalts unbedingt zu verhindern246 oder die Vertragsform auszuschließen247, sowie Art und Gewicht der berührten öffentlichen Interessen248. Darauf, dass
241
Eingehend Christian Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 238 ff.
242
Franz-Joseph Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2000, Rn. 44.
243
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 56 m.N.
244
BVerwGE 89, S. 7 (10); 98, S. 58 (63).
245
Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 42; Schlette (Anm. 152) S. 552.
246
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 54.
247
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 11.
248
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 57.
42
die Vertragsparteien das gesetzliche Verbot und den Verstoß kannten oder hätten kennen
müssen, kommt es hingegen nicht an.249
bb) Ande
re Vo
rsch
riften
Andere
Vorsch
rschriften
Gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 125 BGB zur Nichtigkeit führt die
Nichtbeachtung der in § 57 VwVfG vorgesehenen Schriftform oder einer anderen durch
Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Form.250 Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung
kann allerdings eine Berufung auf die Formnichtigkeit unbeachtlich sein, wenn sie zu
einem Verstoß gegen Treu und Glauben führen würde und die Folgen der Nichtigkeit für
den anderen Vertragspartner schlechthin untragbare Ergebnisse zeitigen würden.251 Da der
Grundsatz von Treu und Glauben auch im öffentlichen Recht Anwendung findet252, werden die für das Zivilrecht entwickelten Grundsätze auf den formnichtigen öffentlichrechtlichen Vertrag übertragen.253 Der Verwaltung, die die Formbedürftigkeit kennen und
vor Abschluss des Vertrages ihrer Amts-ermittlungspflicht genügen muss, ist die Berufung auf Treu und Glauben allerdings grundsätzlich versagt.254
Von der treuwidrigen Berufung auf den Formmangel zu unterscheiden ist die Möglichkeit
der Heilung des Formmangels. Sie richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.255 Die
schriftliche Bestätigung des formnichtigen öffentlich-rechtlichen Vertrages durch die
Parteien ist gemäß § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 141 Abs. 1 BGB als erneute Vornahme zu
beurteilen.256 Die Bestätigung hat also keine rückwirkende Kraft.257 Doch sind –sofern
kein abweichender Parteiwille zu ermitteln ist – die Parteien verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre (§
62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 141 Abs. 2 BGB).
249
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 55.
250
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 57 Rn. 14.
251
BGHZ 16, S. 334 (337 f.); 45, S. 179 (184 ff.); 48, S. 396 (398) 85, S. 315 (318 f.) 92, S. 164 (171 f.).
252
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1857) m.w.N.
253
NdsOVG NJW 1992, S. 1404 (1406); Bonk (Anm. 3) § 57 Rn. 26 f.; Jürgen Fluck, Grundprobleme des
öffentlich-rechtlichen Vertragsrechts, Verw. 1989, S. 185 (206).
254
Schlette (Anm. 152) S. 451 f.
255
Vgl. NWOVG NWVBl 1989, S. 138 (139); Ule/Laubinger (Anm. 7) § 69 Rn. 10.
256
Schlette (Anm. 152) S. 451.
257
Heinrichs (Anm. 55) § 141 Rn. 8.
43
Weitere von § 59 Abs. 1 VwVfG erfasste Nichtigkeitsgründe258 sind u.a. die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB) und die objektive Unmöglichkeit einer der vertraglich vereinbarten Leistungen (§ 306 BGB). § 306 BGB gilt nur für die anfängliche objektive Unmöglichkeit, nicht für die subjektive Unmöglichkeit und auch nicht für die nachträgliche objektive Unmöglichkeit.259 Die Unmöglichkeit kann sich aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen ergeben. Dabei führt die bloße Rechtswidrigkeit der vereinbarten
Behördenleistung nicht zur objektiven Unmöglichkeit.260 Für die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit erforderlich ist vielmehr, dass die Behörde bzw. die andere Vertragspartei die vereinbarte Leistung nicht rechtswirksam erbringen kann.261 Hinsichtlich
der Behördenleistung ist dies beispielsweise dann der Fall, wenn sie im Erlass eines Verwaltungsakts besteht, der zwingend nichtig sein würde.262
b) Nichti
eitsggrün
de de
G
Nichtiggkeits
ünde
dess § 59 Abs. 2 VwVf
VwVfG
Als zusätzlich für den „subordinationsrechtlichen“ Vertrag geltende Nichtigkeitsgründe
nennt § 59 Abs. 2 VwVfG die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts mit entsprechendem
Inhalt (Nr. 1), die sich nicht nur aus einem Verfahrens- oder Formfehler im Sinne des §
46 VwVfG ergebende Nichtigkeit eines Verwaltungsakts mit entsprechendem Inhalt,
wenn dies den Vertragsschließenden bekannt war (Nr. 2), das Fehlen der Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags, sofern ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne von § 46
VwVfG rechtswidrig wäre (Nr. 3), und das der Behörde gegebene Versprechen einer nach
§ 56 VwVfG unzulässigen Gegenleistung (Nr. 4).
Der Nichtigkeitstatbestand des § 59 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nimmt die Nichtigkeitsgründe
des § 44 VwVfG in Bezug. § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG erfasst die Situation des kollusiven
Zusammenwirkens der Vertragsparteien zur Herbeiführung eines rechtswidrigen Erfolges.263 Allerdings bedarf es keiner „Unrechtsvereinbarung“ zwischen den Vertragsparteien. Es reicht aus, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses alle Vertragspartner positive
Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Vertrages hatten. Fehlte diese Kenntnis bei einem
258
Vgl. im einzelnen Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 44 ff.
259
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 28.
260
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 60.
261
Ule/Laubinger (Anm. 3) § 70 Rn. 28.
262
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 16.
263
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 23.
44
der Vertragsschließenden, so ist § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht anwendbar.264 Ebensowenig genügt die Kenntnis der zur Rechtswidrigkeit führenden Tatsachen.265 Hinsichtlich
der rechtlichen Bewertung als rechtswidrig ist eine Parallelwirkung in der Laiensphäre
ausreichend.266
Anders als bei § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist für das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes
der Nr. 3 keine Kenntnis der Parteien vom Fehlen der Voraussetzungen zum Abschluss
eines Vergleichsvertrags oder von der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts mit entsprechendem Inhalt erforderlich.267 „Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages“ meinen weder allein, dass eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts
oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt
wird (§ 55 erster Satzteil VwVfG)268, noch ausschließlich die Zweckmäßigkeit des Abschlusses des Vergleichs nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 55 zweiter Satzteil
VwVfG)269. In Anbetracht der umfassenden Zielrichtung des § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG,
den Missbrauch der erleichterten vertraglichen Regelung durch Vergleichsvertrag zur
Herbeiführung eines an sich rechtlich missbilligten Erfolgs zu verhindern,270 ist § 59 Abs.
2 Nr. 3 VwVfG auf sämtliche in § 55 VwVfG enthaltenen Anforderungen zu beziehen.271
Der Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG gilt für alle Austauschverträge, in
denen sich die Behörde eine nach § 56 VwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen
lässt. In Bezug genommen sind sämtliche in § 56 VwVfG genannten Anforderungen; das
Fehlen nur einer einzigen führt zur Nichtigkeit des Vertrages.272 Maßgebend ist insoweit
der Zeitpunkt des Vertragsschlusses; spätere tatsächliche Abweichungen, die ohne Änderung des Vertrages erfolgen, sind unbeachtlich.273 Ob die Parteien die Unzulässigkeit des
Gegenleistungsversprechens kannten, ist unerheblich.274 Für den Fall der Unzulässigkeit
der Behördenleistung gilt § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht.275
264
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 25; Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 34.
265
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 39.
266
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 34.
267
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 36.
268
So aber Hans-Uwe Erichsen, Die Nichtigkeit und Unwirksamkeit verwaltungsrechtlicher Verträge, Jura
1994, S. 47 (49).
269
So aber Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 26; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 68 Rn. 25.
270
BT-Drucks. 7/910. S. 82.
271
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 36 f.; Schlette (Anm. 152) S. 548 m.N.
272
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (584); Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 39.
273
Vgl. Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 28.
274
BVerwG NVwZ 1991, S. 574 (575); 2000, S. 1285 (1287).
45
ilnichtig
keit
c) Te
Teilnichtig
ilnichtigk
Liegt einer der genannten, zur Nichtigkeit führenden Gründe vor, so infiziert der Nichtigkeitsgrund nicht notwendig den gesamten öffentlich-rechtlichen Vertrag. In Anlehnung an
den zivilrechtlichen Grundsatz des § 139 BGB bestimmt § 59 Abs. 3 VwVfG, dass bei
einer nur einen Teil des Vertrages betreffenden Nichtigkeit der Vertrag im ganzen nichtig
ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden
wäre. Maßgebend für die Begrenzung der Nichtigkeit auf einen Teil des Vertrages ist die
Teilbarkeit des Vertragsinhalts: Lässt der Vertragsinhalt eine Teilung des Vertrages in
einen von dem Nichtigkeitsgrund betroffenen und einen davon nicht betroffenen Regelungsgegenstand nicht zu, so ist der Vertrag insgesamt nichtig.276 Hiervon ist in der Regel
auszugehen.277 Ausnahmsweise bleibt ein von der Nichtigkeit nicht betroffener Vertragsteil wirksam, wenn nach einer objektivierten Bewertung der im Gesamtzusammenhang der Vertragsregelungen zum Ausdruck gekommenen Interessen der nicht betroffene
Teil eine selbständig sinnvolle Regelung enthält.278
olgen
d) Nic
Nich
hti
tiggkeitsf
itsfo
Die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages hat zur Folge, dass der Vertrag keine
Grundlage für die von den Parteien gewollten Leistungs- und Gegenleistungspflichten
darstellt. Die in dem Vertrag vereinbarten Verfügungen erfolgen nicht, Ansprüche entstehen nicht und müssen deshalb nicht erfüllt werden.279
Öffe
ntlic
ntlichhh-re
recchtlic
sta
ttun
gsa
nsp
uchh
aa
aa)) Öf
fe
fentlic
re
tlichher Er
Ersta
stattun
ttung
sansp
nsprruc
Sind bis zur (deklaratorischen) Feststellung der Nichtigkeit bereits Leistungen der Vertragsparteien erbracht worden, so erfolgt die Rückabwicklung nach den Grundsätzen des
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs,280 soweit die Leistung der Behörde nicht im
Erlass eines Verwaltungsakts bestand. Die zur Erfüllung des nichtigen Vertrages erbrachten Leistungen können durch den Entreicherten zurückgefordert werden.
275
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 28.
276
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (587).
277
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (587).
278
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 63; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 30; Schlette (Anm. 152) S. 573 m.w.N.
Für Maßgeblichkeit des subjektiven Parteiwillens dagegen Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 46.
279
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 49.
280
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1857); BWVGH NVwZ 1991, S. 583; Nachw. bei Schlette (Anm. 152)
S. 568 FN 204. Für einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 62 S. 2 VwVfG i.V.m.
§§ 812 ff. BGB dagegen Schlette (Anm. 152) S. 568 m.w.N.
46
Die für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch geltenden Grundsätze der §§ 812 ff.
BGB sind auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nur modifiziert anwendbar.281 So ist nach der Rechtsprechung für eine entsprechende Anwendung des § 814 BGB
auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Bürgers bei Rückabwicklung eines
„subordinationsrechtlichen“ Vertrages kein Raum. Der hinter dem Ausschluss des Bereicherungsanspruchs durch § 814 BGB stehende Rechtsgedanke der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens verfange nicht, wenn der Schuldner unter Druck geleistet habe.
Ein solcher Druck bestehe aber beim Abschluss eines Vertrages zwischen Bürger und
Verwaltung im Rahmen hoheitlicher Rechtsbeziehungen. Habe ein Träger öffentlicher
Verwaltung seine auf hoheitlichen Machtbefugnissen beruhende Überlegenheit dazu benutzt, dem Bürger den Abschluss eines Vertrages abzuverlangen, stehe der Bürger typischerweise unter dem von dieser Überlegenheit ausgehenden Zwang, den Vertrag zu erfüllen, weil er andernfalls mit einer ihm schädlichen Ausübung hoheitlicher Machtbefugnisse rechnen müsse. Bezüglich der Kenntnis von seiner fehlenden Leistungsverpflichtung dürfe der Bürger darüber hinaus darauf vertrauen, dass eine dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtete Behörde die Gesetzmäßigkeit der abzuschließenden Vereinbarung sorgfältig geprüft hat und ihm keine gesetzwidrige Leistung abverlangt.282
Ebensowenig entsprechend anwendbar sind die den Wegfall der Bereicherung betreffenden Vorschriften der §§ 818 Abs. 3 und 4, 819 Abs. 1 BGB. Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat, passt der das zivilrechtliche Bereicherungsrecht tragende
Grundsatz, dass von dem erlangten Vermögenswert auf beiden Seiten des Kondiktionsverhältnisses gleichermaßen nur noch das Vorhandene herauszugeben ist, nicht auf das
öffentlich-rechtliche Erstattungsverhältnis. Anders als im Zivilrecht würden hier die Interessen beider Seiten von der Rechtsordnung gerade nicht gleich, sondern unterschiedlich
bewertet. Das Interesse der auf Gesetzmäßigkeit verpflichteten Verwaltung müsse darauf
gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen
und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Der Verwaltung sei es deshalb grundsätzlich versagt, sich auf eine Entreicherung zu berufen. Dem Bürger gestehe die Rechtsordnung hingegen zu, dass er einen ihm rechtswidrig gewährten Vorteil auch gegen das
für die Rückgewähr streitende öffentliche Interesse verteidigen kann, wenn sein Vertrau-
281
Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 12.
282
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (587); i.E. ebenso RPOVG DVBl. 1992, S. 785 (787).
47
en auf die Beständigkeit des Vorteils schutzwürdig ist.283 Auch der Bürger kann sich daher
gegenüber einem Erstattungsanspruch der Behörde nicht auf einen Wegfall der Bereicherung im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB berufen, so dass auch die Haftungsverschärfungen
der §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB nicht eingreifen können.284
Die Beantwortung der Frage, in welchen Fällen der Bürger dem Erstattungsanspruch der
öffentlichen Hand den Wegfall der Bereicherung entgegenhalten kann, ist nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Rückgriff auf die Abwägung der
gegenläufigen Interessen des Bürgers am Schutz seines Vertrauens auf die Beständigkeit
der eingetretenen Vermögenslage einerseits und der Verwaltung an der Durchsetzung des
Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit andererseits zu beantworten. Danach entfalle die Erstattungspflicht dann, wenn in einer Abwägung das private Vertrauensschutzinteresse das
öffentliche Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage überwiegt. Im Unterschied zum zivilrechtlichen Bereicherungsrecht könne das
Vertrauen auch dann schutzwürdig sein, wenn das rechtsgrundlos Erlangte noch vorhanden ist, der Bürger hierüber aber bereits in einer Weise Verfügungen getroffen hat, die
sich ohne unzumutbare Nachteile nicht mehr rückgängig machen lassen. Auf der anderen
Seite fehle dem Vertrauen auf den Bestand der Vermögenslage nicht erst bei positiver
Kenntnis, sondern bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtsgrundlosigkeit der
Vermögensverschiebung die Schutzwürdigkeit.285
Besteht nach diesen Grundsätzen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, so kann
seine Geltendmachung nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein.286 Trotz Nichtigkeit
des Vertrages wird hierbei der erfolgte Leistungsaustausch teilweise als wirksam behandelt.287 In der Rechtsprechung ist dies zunächst für nichtige, aber vollzogene Folgekostenvereinbarungen angenommen worden, wenn die Folgekostenbeiträge zweckgebunden
geleistet wurden, die Zweckbindung rechtlich zu billigen und eine vollständige Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses unmöglich ist.288 Dieser Ansatz ist auf Verträge, in
denen sich der Bürger mit einem vertraglich vereinbarten Beitrag an den Herstellungskosten einer beitragsfähigen öffentlichen Einrichtung beteiligt, übertragen worden. Denn
283
BVerwGE 71, S. 85 (89).
284
A.A. Schlette (Anm. 152) S. 570.
285
BVerwGE 71, S. 85 (90 f.). Zur Abwägung auch BayVGH BayVBl. 2000, S. 595 (596).
286
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1857); BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (587).
287
Schlette (Anm. 152) S. 571.
288
NWOVG NJW 1978, S. 1542; BWVGH, Urt. v. 12.9.1985 –2 S 1962/83 -.
48
wie bei den Folgekostenverträgen gehe es um die Frage, ob die Zweckverknüpfung der
beiderseitigen Leistungen eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nur zu Lasten
eines Vertragspartners zulässt.289 Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn die
Verwaltung ihre Leistung bereits erbracht hat, deren Rückabwicklung aber unmöglich
geworden ist. Keine diesbezügliche „Gerechtigkeitslücke“ besteht jedenfalls dann, wenn
die Behörde zur Erbringung ihrer vertraglich vereinbarten Leistung ohnehin gesetzlich
verpflichtet war. In diesem Fall stellt die Rückabwicklung des Vertrages nur den Zustand
wieder her, der unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für diese
ohnehin verbindlich gewesen wäre.290
Weitergehend hat das Bundesverwaltungsgericht der Behörde, deren Leistung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht rückabgewickelt werden kann, die Berufung auf
Treu und Glauben gegenüber dem Erstattungsanspruch des privaten Vertragspartners für
alle Konstellationen versagt, in denen der Vertrag wegen Verletzung des Koppelungsverbots nichtig ist. Andernfalls würde die Berufung auf Treu und Glauben dazu führen, dass
die gesetzlich angeordnete Sanktion der Nichtigkeit des Vertrages in einer Vielzahl von
Fällen rechtlich wirkungslos bliebe. Durch die Zurückbehaltung der Leistung aber würde
die Behörde einen Vermögensvorteil erlangen, für den sie das Instrument des öffentlichrechtlichen Vertrages nicht hätte einsetzen dürfen. Der Sinn und Zweck des § 59 Abs. 2
Nr. 4 VwVfG verlange daher, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der einseitigen
Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrages nicht allein deshalb entgegenstehe,
weil die Leistung der Behörde nicht mehr rückabzuwickeln sei. Es müssten vielmehr besondere, in der Person oder im Verhalten des Erstattung begehrenden Bürgers liegende
Umstände hinzutreten, die das Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen lassen.
Derartige besondere Umstände liegen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht bereits darin, dass der Private erst die Leistung der Behörde in Anspruch nimmt und
anschließend seinen Erstattungsanspruch geltend macht.291
bb) F
rfü
llung
sVer
waltun
Foolgen für einen E
Erfü
rfüllung
llungss-Ver
Verw
altunggsakt
Besteht die von der Behörde erbrachte Leistung im Erlass eines Verwaltungsakts, so folgt
die Nichtigkeit des Erfüllungs-Verwaltungsakts nicht schon aus der Nichtigkeit des öf-
289
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (587 f.).
290
BWVGH NVwZ 1991, S. 583 (588).
291
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1857 f.).
49
fentlich-rechtlichen Vertrages.292 Für die Beurteilung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts sind allein die Voraussetzungen des § 44 VwVfG einschlägig. Für die Frage der
Rechtswidrigkeit eines solchen Erfüllungs-Verwaltungsakts gilt das zum rechtswidrigen
öffentlich-rechtlichen Vertrag Ausgeführte (o.II 7) entsprechend: Sofern der Verwaltungsakt nicht aufgrund von Rechtsvorschriften auch ohne den Vertrag erlassen werden
müsste, macht der Entfall der vertraglichen Grundlage den Verwaltungsakt rechtswidrig.293 Die Rücknahme des rechtswidrigen Erfüllungs-Verwaltungsakts richtet sich nach §
48 VwVfG, der Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 49 VwVfG.294 Von
der Unanwendbarkeit der bei der Aufhebung von Verwaltungsakten zu beachtenden Vertrauensschutzregelungen wird man nicht ausgehen können.295 So kann sich nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Wegfall der Bereicherung der Bürger bei Nichtigkeit des Vertrages selbst dann auf die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens
berufen, wenn das rechtsgrundlos Erlangte noch vorhanden ist. Dies soll insbesondere
dann gelten, wenn der Bürger über das Erlangte bereits in einer Weise Verfügungen getroffen hat, die sich ohne unzumutbare Nachteile nicht mehr rückgängig machen lassen.296
Nichts anderes besagt § 48 Abs. 2 VwVfG.
ra
Löösu
sungen
ngen
cc) Vert
Vertra
raggsinterne L
Wegen der häufig erst lange Zeit nach Vertragsschluss verbindlich feststehenden Nichtigkeit des Vertrages sind die Parteien nicht selten bestrebt, vertragsinterne Lösungen zur
Vermeidung oder jedenfalls Milderung der Nichtigkeitsfolgen zu vereinbaren. Von vornherein unzulässig sind derartige salvatorische Klauseln, wenn über sie im Ergebnis die
Aufrechterhaltung des nichtigen Vertragsinhalts erreicht würde.297 Dies gilt beispielsweise
für die Vereinbarung eines Einwendungsverzichts, durch den die Parteien darauf verzichten, sich auf die Nichtigkeit des gesamten Vertrages oder einzelner Teile desselben zu
berufen.298 Ebenso wenig zur „Rettung“ des nichtigen Vertrages geeignet sind Heilungs-
292
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 12; Olaf Reidt, Städtebauliche Verträge – Rechtsfolgen nichtiger Vereinbarungen, BauR 2001, S. 46 (54).Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 56. A.A. Schlette (Anm. 152) S. 577 m.N.
293
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 57; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 59 Rn. 34; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn.
46; Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 12.
294
Ule/Laubinger (Anm. 7) § 70 Rn. 57 m.N.; Reidt (Anm. 260) S. 54. Für eine Rücknahmepflicht dagegen
Nachw. bei Schlette (Anm. 152) S. 577 FN 258.
295
Reidt (Anm. 260) S. 54; Maurer (Anm. 1) § 14 Rn. 46. A.A. Bonk (Anm. 3) § 59 Rn. 12.
296
BVerwGE 71, S. 85 (90 f.).
297
Bonk (Anm. 3) § 56 Rn. 48.
298
Reidt (Anm. 260) S. 48.
50
klauseln für den Fall der Formnichtigkeit, da sich die Nichtigkeit in diesem Fall auch auf
die Heilungsklausel bezieht.299
Im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken begegnen auf den Fall der Teilnichtigkeit des
Vertrages bezogene Klauseln, die die Fortgeltung der übrigen Vertragsbestimmungen
vorsehen. Voraussetzung für die Fortgeltung ist die im Einzelfall feststellbare Teilbarkeit
des Vertragsinhalts300 (o. II 8c). Gleiches gilt für Klauseln, die die Vertragspartner zur
Nachbesserung verpflichten, wie z.B.:
„Die Vertragspartner verpflichten sich für diesen Fall, die ungültigen Bestimmungen durch gültige zu ersetzen, die den weggefallenen wirtschaftlich gleichwertig und geeignet sind, den
angestrebten Vertragszweck am besten zu erfüllen.“301
Derartige Nachbesserungsklauseln weisen einen von dem übrigen Vertrag teilbaren Inhalt
auf und werden daher von der Nichtigkeit anderer Vertragsbestimmungen nicht infiziert.
Da die Klausel gerade auf die Vereinbarung gültiger Bestimmungen gerichtet ist, kann
der neu abgeschlossene Vertrag nicht von vornherein als unzulässig und nichtig angesehen werden. Ob eine solche vertragszweckerfüllende Gültigkeitsrekonstruktion gelingt,
ist eine Frage des Einzelfalls.302 Zum Abschluss einer erneuten Nichtigkeitsbedenken unterliegenden Vereinbarung ist keine der Vertragsparteien verpflichtet.
Unzulässig dürfte hingegen folgende Klausel sein:
„Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt eine rechtlich
wirksame Regelung als vereinbart, die dem von den Parteien
Gewollten im Sinne der übrigen Bestimmungen am nächsten
kommt.“303
Eine solche Klausel, die ohne erneute Willensbetätigung der Vertragspartner das Maximum des zulässigerweise Vereinbaren sichern soll, ist auf geltungserhaltende Reduktion
der nichtigen Vertragsbestimmungen gerichtet. Es würde der Zwecksetzung der gerade
auch dem Schutz des Bürgers dienenden Anordnung der Nichtigkeit öffentlich-rechtlicher
299
Reidt (Anm. 260) S. 48.
300
Schlette (Anm. 152) S. 573.
301
Muster bei Gotthilf Walker, Handbuch Städtebauliche Verträge, Bd. II, 1999, S. 244.
302
Vgl. auch die Bedenken bei Reidt (Anm. 260) S. 50.
303
Muster bei Hermann Paßlick, in: Bergmann /Schumacher (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Vertragsgestaltung, Bd. IV, 2001, S. 236.
51
Verträge mit unzulässigem Vertragsinhalt widersprechen, wenn sich die Behörde durch
derartige Reduktionsklauseln in jedem Falle vor der Nichtigkeitsfolge schützen könnte.304
Entsprechend beurteilen müssen wird man salvatorische Klauseln, die für den Fall der
Nichtigkeit des Vertrages der Behörde ein einseitiges Bestimmungsrecht nach § 315
BGB, insbesondere zur Festsetzung einer noch im Sinne von § 56 VwVfG angemessenen
Gegenleistung, einräumen. Es ist zwar nach § 62 S. 2 VwVfG zulässig, ein einseitiges
Bestimmungsrecht in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zu vereinbaren, jedoch nur
dann, wenn es weder die Gegenleistung selbst noch deren Zweck betrifft. Ein zulässigerweise vereinbartes einseitiges Bestimmungsrecht kann vor allem dazu dienen, von der
vom Vertragspartner der Behörde zu erbringenden Gegenleistung aus Gründen der Billigkeit je nach Lage angemessene Abstriche zu machen.305 Eine in das billige Ermessen der
Behörde gestellte geltungserhaltende Reduktion der Gegenleistung ist mit dem Schutzzweck des § 59 VwVfG nicht vereinbar.
9. Leistun
gen
istunggsstörun
sstörung
Für die Verletzung vertraglicher Haupt- und Nebenpflichten sind über § 62 S. 2 VwVfG
grundsätzlich die zivilrechtlichen Grundsätze über Leistungsstörungen anwendbar.306
Gleiches gilt beispielsweise für ein vertraglich eingeräumtes oder gesetzlich vorgesehenes
Rücktrittsrecht.307 Die über § 62 S. 2 VwVfG entsprechend heranzuziehenden Regelungen
des BGB werden durch § 60 VwVfG ergänzt.308
g ddeer ffüür die Fests
tzung
ung ddees Ve
Vertra
rtra
maßggeb
ebenden
enden Verh
Verhältnisse
ältnisse
a) Änd
Ändeerun
rung
stseetz
rtraggsinhalts maß
§ 60 VwVfG enthält eine Regelung für eine Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind. Haben sich diese Verhältnisse seit
Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten
an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen
304
Reidt (Anm. 260) S. 48.
305
BVerwGE 84, S. 236 (243).
306
Vgl. im einzelnen Schlette (Anm. 152) S. 584 ff.; Ule/Laubinger (Anm. 7) § 72 Rn. 1 ff.
307
Bonk (Anm. 3) § 62 Rn. 38.
308
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 6; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 9a. A.A. etwa Erichsen (Anm. 2) § 27
Anm. 3: Vorrang des § 60 VwVfG. Umgekehrt Schlette (Anm. 152) S. 608 f. n.N.: Vorrang des bürgerlichrechtlichen Leistungsstörungsrechts.
52
oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist,
den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere
Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Ganz überwiegend wird
diese Regelung als öffentlich-rechtliche Ausprägung der zivilrechtlichen Grundsätze über
den Wegfall der Geschäftsgrundlage verstanden.309
Die Regelung des § 60 VwVfG stellt zwingendes, nicht zur vertraglichen Disposition der
Vertragsparteien stehendes Recht dar.310 Zwar hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht anwendbar sind, wenn bereits der Vertrag Regeln für die Veränderung bestimmter Umstände enthält.311 Jedoch können diese, überdies nur zu einer entsprechenden
Anwendung des § 60 VwVfG getätigten Ausführungen nicht im Sinne eines formellen
Geltungsvorrangs der vertraglichen Anpassungsregeln verstanden werden. Gemeint ist
vielmehr, dass es an einer Änderung der Verhältnisse gegenüber der von den Parteien bei
Vertragsschluss gemeinsam vorausgesetzten Grundlage fehlt, wenn diese Änderung bereits bei Vertragsschluss in Rechnung gestellt worden ist. § 60 VwVfG soll auf Änderungen gegenüber den Vorstellungen der Parteien reagieren, nicht die Entwicklung von Vorstellungen zur Vertragsanpassung als Vertragsinhalt verhindern. Soweit die vertraglichen
Anpassungsregelungen reichen, sind die Voraussetzungen des § 60 VwVfG daher tatbestandlich nicht erfüllt.312
Im Rahmen des § 60 VwVfG als für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebende
Verhältnisse sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder
die dem Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen
einer Vertragspartei über das Vorhandensein bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut.313 Bezugspunkt dieser Vorstellungen können neben tatsächlichen auch rechtliche Verhältnisse sein.314 Zwar erfasst der Wortlaut des § 60 VwVfG nur
nachträgliche, nach Abschluss des Vertrages eingetretene Änderungen der Sach- oder
Rechtslage. Jedoch gilt § 60 VwVfG auch – zumindest entsprechend -, wenn die Ver-
309
Dazu Schlette (Anm. 152) S. 606.
310
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 6; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 1.
311
NWOVG NVwZ 1991, S. 1106 f.
312
Vgl. Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 10; Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 10.
313
BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (353); 2000, S. 206 f.; Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 10 m.N.
314
BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (353); BVerwG NuR 1998, S. 200 (201).
53
tragsparteien bei Vertragsschluss einem gemeinsamen Irrtum über die rechtlichen oder
tatsächlichen Verhältnisse unterlagen und der Vertrag ohne den Irrtum nicht oder nicht so
geschlossen worden wäre.315
Von einer zur Unzumutbarkeit des Festhaltens an der vertraglichen Regelung führenden
Wesentlichkeit einer Änderung der Verhältnisse kann gesprochen werden, wenn Änderungen eingetreten sind, mit denen die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages nicht
gerechnet haben, und die bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass nicht angenommen werden kann, dass der Vertrag bei ihrer Kenntnis mit dem gleichen Inhalt geschlossen worden wäre.316 Voraussetzung ist eine Äquivalenzstörung des Gleichgewichts
zwischen Leistung und Gegenleistung in einer Intensität, dass das von jedem Vertragspartner normalerweise zu tragende Risiko weit überschritten ist und es dem benachteiligten Partner unmöglich wird, in der betreffenden Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen.317 Zumutbar ist einer Vertragspartei selbst eine wesentliche
Änderung der Verhältnisse insbesondere dann, wenn die Änderung nach den zwischen
den Parteien getroffenen Vereinbarungen in den Risikobereich jener Partei fallen soll.
Eine solche vertragliche Risikozuweisung kann sich aus dem Vertrag selbst sowie aus
außerhalb des Vertragstextes liegenden Umständen ergeben und hat Vorrang vor einer
Anwendung des § 60 VwVfG.318 Zumutbar sind auch Änderungen der Verhältnisse, die
die Partei, die sich auf sie berufen möchte, selbst zu vertreten hat oder die die Partei hätte
abwenden können.319
b) Anpassun
ig
un
ra
ges
Anpassungg oder Künd
Kündig
igun
ungg des Vert
Vertra
rages
Liegt danach eine das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung unzumutbar machende Änderung der Verhältnisse vor, so kann die betroffene Vertragspartei zunächst eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen. Das
Anpassungsverlangen ist gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Die
Anpassung selbst erfolgt durch Abschluss einer den ursprünglichen Vertrag abändernden
Vereinbarung.320 Weigert sich eine Partei, eine solche Vereinbarung abzuschließen, so ist
der Anpassungsanspruch durch auf Zustimmung zur Vertragsänderung gerichtete Leis315
BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (353); Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 13, 16.
316
BWVGH NVwZ-RR 1998, S, 465 (466); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 8 m.N.
317
BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 465 (466); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 8 m.N.
318
BWVGH NVwZ-RR 2000, S. 206 (207); Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 20.
319
RPOVG AS 24, S. 12 (17).
320
BVerwG NVwZ 1991, 1096 (1097); 1996, S. 171 (173); BayVGH NVwZ 1989, S. 167.
54
tungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen.321 Inhaltlich ist die Anpassung darauf gerichtet, das Festhalten an dem Vertrag für die Vertragsparteien zumutbar zu
machen. Sie darf nicht ihrerseits zu einem unausgewogenen Ergebnis führen.322
Eine Kündigung des Vertrages ist grundsätzlich nicht alternativ zur Anpassung, sondern
nur dann möglich, wenn eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht
zuzumuten ist. Es gilt also der Vorrang der Anpassung vor der Kündigung.323 Allerdings
können die Parteien diese Reihenfolge vertraglich abbedingen und vereinbaren, dass eine
Kündigung auch ohne Prüfung einer vorherigen Anpassungsmöglichkeit zulässig sein
soll.324 An der Möglichkeit einer Vertragsanpassung fehlt es, wenn eine zur Zumutbarkeit
des Fortbestands der vertraglichen Bindung führende Inhaltsänderung objektiv nicht erreichbar ist. Eine Unzumutbarkeit der Anpassung liegt vor, wenn die durch die Änderung
der Verhältnisse eingetretene Äquivalenzstörung durch die Vertragsanpassung nicht beseitigt, sondern allenfalls durch eine ihrerseits nicht äquivalente Bestimmung der beiderseitigen Leistungen ersetzt werden könnte.325 Ein Ausschluss eines hiernach bestehenden
Kündigungsrechts – ebenso wie des Anspruchs auf Vertragsanpassung – kann sich unter
dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ergeben.326 Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen nicht mehr möglich ist.327 Im übrigen wird eine Kündigung nicht dadurch gehindert, dass die Parteien vereinbarte Leistungen erbracht haben.
eres Kündi
srecht
echt de
derr B
Beehö
hörde
c) B
Beesond
sonderes
Kündiggungsr
rde
Das besondere Kündigungsrecht der Behörde nach § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG setzt voraus,
dass die Kündigung erfolgt, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder
zu beseitigen. Die Vorschrift stellt klar, dass das Drohen schwerer Nachteile für das Gemeinwohl immer zur Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ursprünglich vereinbarten
vertraglichen Regelung für die Behörde führt.328 Als Präzisierung zu § 60 Abs. 1 S. 1
321
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 23b.
322
Vgl. BVerwG NuR 1998, S. 200 (202).
323
Vgl. BVerwG NuR 1998, S. 200 (202).
324
BVerwG NVwZ 1996, S. 171 (173).
325
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 25a.
326
BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (354).
327
BWVGH VBlBW 1987, S. 388 (395); NVwZ-RR 1998, S. 351 (353 f.).
328
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 27; Schlette (Anm. 152) S. 621.
55
VwVfG329 verlangt auch § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG die Unmöglichkeit der Unzumutbarkeit
einer Vertragsanpassung.330
Das Kündigungsrecht gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG besteht auch dann, wenn die zu
einer schweren Gemeinwohlgefährdung führenden Umstände schon bei Vertragsschluss
vorgelegen haben.331 Es ist ultima ratio zur Bewältigung von Situationen gravierender
Gefährdungen des Gemeinwohls und dient in der Abwägung zwischen vertraglicher Bindung und Gemeinwohlverpflichtung der Verwaltung dazu, die diesbezügliche Handlungsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen.332 Die öffentlichen Haushalte belastende
Nachteile durch den Vertrag oder die nicht zur Nichtigkeit führende (bloße) Rechtswidrigkeit des Vertrages begründen deshalb keine Möglichkeit der Kündigung nach § 60
Abs. 1 S. 2 VwVfG.333 Etwas anderes wird allerdings zu gelten haben, wenn der Vertrag,
beispielsweise im kommunalen Bereich, für den Haushalt eine „erdrosselnde“ Wirkung
zeitigt.
Die Kündigung ist selbst dann kein Verwaltungsakt, wenn sie von einer Behörde ausgesprochen wird, sondern öffentlich-rechtliche Willenserklärung.334 Sie bewirkt eine Aufhebung des Vertrages und Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis mit Wirkung für die
Zukunft. Lediglich für den Fall, dass von einer Partei erbrachte Leistungen in einem Maße ohne Gegenleistung geblieben sind, welche das Unterbleiben eines Wertausgleichs
unzumutbar machen, erfolgt ein Ausgleich für bereits vorgenommene Leistungen.335
Als problematisch angesehen wird das Fehlen einer gesetzlichen Entschädigungsregelung
für die Fälle einer von der Behörde auf der Grundlage von § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG ausgesprochenen Kündigung. Dass der private Vertragspartner der Behörde in einem solchen
Fall einen Entschädigungsanspruch haben soll, wird im wissenschaftlichen Schrifttum
mittlerweile kaum noch bestritten.336 Als Grundlage wird vor allem eine Analogie zu § 49
329
Schlette (Anmn. 152) S. 621 m. Nachw. auch zur Gegenansicht, die § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG als von §
60 Abs. 1 S. 1 VwVfG völlig unabhängiges Kündigungsrecht begreift.
330
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 17.
331
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 18.
332
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 27 f.
333
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 28.
334
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 15.
335
BVerwG NVwZ 1996, S. 171 (173); BWVGH VBlBW 1987, S. 388 (395); BayVGH BayVBl. 1995, S.
659 (661); Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 25c.
336
Nachw. bei Schlette (Anm. 152) S. 623.
56
Abs. 6 VwVfG337 oder ein allgemeiner staatshaftungsrechtlicher Tatbestand (Aufopferung)338 herangezogen. Teilweise wird weitergehend sogar vertreten, das Unterlasen einer
gesetzlichen Regelung führe zu einer zumindest teilweisen Verfassungswidrigkeit des §
60 Abs. 1 S. 2 VwVfG.339
Jedenfalls der letztgenannten These dürfte von vornherein nicht zu folgen sein. § 60 Abs.
1 S. 2 VwVfG stellt weder eine Legalenteignung dar noch ermächtigt die Bestimmung zu
einer Administrativenteignung, so dass ein Konflikt mit der Junktimklausel des Art. 14
Abs. 3 S. 2 GG nicht besteht.340 Als Regelung für den Ausgleich überschießender Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums würden sowohl eine Analogie zu § 49 Abs.
6 VwVfG als auch die Entschädigungstatbestände des Staatshaftungsrechts den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.341 Die Zuerkennung einer Entschädigung in
Analogie zu § 49 Abs. 6 VwVfG kann sich darauf berufen, dass die Entschädigung in der
vergleichbaren Situation des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG bei Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl gewährt wird. Allerdings müsste mit der gleichen Begründung bei einer auf
Grund einer Tatsachen- oder Rechtsänderung (§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 VwVfG) erfolgenden Kündigung der Behörde nach § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG Entschädigung in Analogie zu § 49 Abs. 6 VwVfG gewährt werden.342 Eine Analogie zu § 49 Abs. 6 i.V.m.
Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 VwVfG würde jedoch das Risiko eines Fehlens oder Fortfalls der
Geschäftsgrundlage einseitig zu Lasten der Behörde verschieben: Sie sähe sich bei einer
nach § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG erfolgenden Kündigung mit einem Entschädigungsanspruch des privaten Vertragspartners konfrontiert, während dieser bei einer seinerseits
vorgenommenen Kündigung kein vergleichbares Risiko zu tragen hätte. Entsprechend
den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann deshalb ein
Ausgleich des Vertrauensschadens von allen Vertragsparteien – auch der Behörde – gefordert werden, wenn Treu und Glauben es gebieten.343
337
Nachw. bei Schlette (Anm. 152) S. 623.
338
Nachw. bei Schlette (Anm. 152) S. 623.
339
Juliane Kokott, Entschädigungsfragen bei der Ausübung des einseitigen Kündigungsrechts der Behörde
beim öffentlich-rechtlichen Vertrag (§ 60 Abs. 1 Satz 2 VwVfG), VerwArch 1992, S. 503 (517 ff.);
Schlette (Anm. 152) S. 624 ff.
340
Bonk (Anm. 3) § 60 Rn. 30; Schlette (Anm. 152) S. 625. A.A. Kokott (Anm. 307) S. 517 ff.
341
A.A. Schlette (Anm. 152) S. 625 f.
342
So in der Tat Schlette (Anm. 152) S. 624 m.N.
343
Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 60 Rn. 22.
57
Da § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG kein Kündigungsrecht der Behörde enthält, das sie nicht ohnehin nach § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG hätte,344 kann für eine Analogie zu § 49 Abs. 6 i.V.m.
Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG im Ergebnis nichts anderes gelten. Im Unterschied zum Widerruf eines Verwaltungsakts ist die Ausübung eines Kündigungsrechts nicht die Wahrnehmung einer einseitigen hoheitlichen Befugnis, sondern die eines vertragsrechtlichen Gestaltungsrechts. Dementsprechend kann es sich bei einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht um eine Entschädigungsregelung für hoheitliche Zugriffe auf als
Eigentum geschützte Positionen345, sondern allein um Ansprüche handeln, die im vertraglichen Verhältnis der Parteien begründet sind. Führt die auf § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG gestützte Kündigung der Behörde zu einem vom Vertragspartner nicht hinnehmbaren Vertrauensschaden, so fordert Treu und Glauben die Beseitigung der dadurch eintretenden
Äquivalenzstörung durch Ausgleich des Schadens.346
10. D
rtraagl
gliche
iche
icherr Pflichten
Duurchs
rchsetz
etz
etzung
ung vveertr
Es ist mittlerweile nahezu einhellig konsentiert, dass es der Behörde auch dann versagt
ist, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründete Ansprüche durch Verwaltungsakt
durchzusetzen, wenn es sich dabei um einen „subordinationsrechtlichen“ Vertrag im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG handelt.347 Die Vertragspartner sind vielmehr gehalten, ihre vertraglichen Ansprüche gerichtlich zu verfolgen. Ausnahmen gelten, wenn der Vertrag ein
ergänzendes einseitig-hoheitliches Vorgehen der Behörde nicht ausschließen soll348 oder
gesetzlich die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche durch Leistungsbescheid vorgesehen ist349.
Im übrigen können sich gemäß § 61 VwVfG die Parteien eines „subordinationsrechtlichen“ Vertrages im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG der sofortigen Vollstreckung unterwerfen. Dabei muss die Behörde von dem Behördenleiter, seinem allgemeinen Vertreter oder
einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der die Befähigung zum Richteramt hat
344
Vgl. Schlette (Anm. 152) S. 621 f.
345
Vgl. für § 49 Abs. 6 VwVfG Michael Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5.
Aufl. 1998, § 49 Rn. 125 ff.
346
I.E. auch Berthold Gries/Elmar Willebrand, Beendigung der auf Leistung oder Nutzung gerichteten
verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse, JuS 1990, S. 193 (196).
347
BVerwGE 59, S. 60 (65); Ule/Laubinger (Anm. 7) § 72 Rn. 14 m.N.; BayVGH BayVBl. 1997, S. 596.
348
BVerwGE 59, S. 60 (63); Kopp/Ramsauer (Anm. 3) § 61 Rn. 6 m.N.
349
BVerwGE 59, S. 60 (65); Bonk (Anm. 3) § 61 Rn. 3 m.N.
58
oder die Voraussetzungen des § 110 S. 1 DRiG erfüllt, vertreten werden. Darüber hinaus
bedarf die Vollstreckungsunterwerfung seitens der Behörde der Genehmigung durch deren fachlich zuständige Aufsichtsbehörde, es sei denn, die Unterwerfung wird von einer
obersten Bundes- oder Landesbehörde erklärt.
Durch die auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.3.1995350 reagierende Änderung des § 61 Abs. 1 S. 3 und 4 VwVfG durch das 2. VwVfGÄndG vom 6.8.1998351 ist
klargestellt worden, dass nur die von der Behörde abgegebene Unterwerfungserklärung
der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedarf. Dies verdeutlicht, dass § 61 Abs. 1
VwVfG eine dem Schutz der vertragschließenden Behörde dienende Vorschrift ist.352 Sie
gilt ausweislich des Wortlauts des § 61 Abs. 1 S. 1 VwVfG nur für „subordinationsrechtliche“ Verträge im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG. Auf „koordinationsrechtliche“ Verträge
zwischen verschiedenen Stellen der öffentlichen Verwaltung (zum Begriff o. II 4) ist § 61
VwVfG nicht anwendbar.353. Ungeklärt ist die Anwendbarkeit auf den „kooperationsrechtlichen“ Vertrag zwischen Verwaltung und Privaten (zum Begriff o. II 4). Für eine
analoge Anwendung des § 61 VwVfG dürfte in Anbetracht des eindeutig entgegenstehenden Wortlauts des § 61 Abs. 1 S. 1 VwVfG kein Raum sein. Im übrigen besteht für eine
solche Analogie kein Bedürfnis, da die Lücke durch Rückgriff auf § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO geschlossen werden kann,354 der seit seiner Neufassung nicht nur Ansprüche auf eine
Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere erfasst, sondern alle Ansprüche einbezieht, die
einer vergleichsweisen Regelung zugänglich und nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sind.
350
BVerwGE 98, S. 58.
351
BGBl. I S. 2022.
352
Vgl. BVerwGE 98, S. 58 (68); Bonk (Anm. 3) § 61 Rn. 19, 21.
353
Bonk (Anm. 3) § 61 Rn. 12.
354
Vgl. BVerwGE 96, S. 326 (334); Bonk (Anm. 3) § 61 Rn. 11.
59
rie ddees Verwal
vert
vertrags
rags
ragsrech
rech
rechts
ts
III. Empiri
Verwalttungs
ungsvert
Verlässliche Aussagen zu Anpassungs- und Reformbedarfen des Rechts des öffentlichrechtlichen Vertrages lassen sich nur auf der Grundlage eingehender empirischer Untersuchungen zu Einsatzfeldern, zugrundeliegenden Motivationen, Abschlussmodalitäten
und inhaltlichen Gestaltungen öffentlich-rechtlicher Verträge treffen. In Anbetracht der
Kürze des zur Verfügung stehenden Untersuchungszeitraums waren eigene Erhebungen
auf einer zureichenden Basis nicht möglich. Neben der Führung informatorischer Gespräche konnte insoweit auf die verfügbaren einschlägigen Untersuchungen zurückgegriffen
werden.
1.
Bed
rtra
glich
Bedeeutun
utungg ve
vertra
rtrag
licheen Handelns
Sowohl die von Schlette355 1995/96 als auch die unwesentlich zuvor von Bartscher356
durchgeführten Erhebungen zeichnen ein Bild, das den Anteil des vertraglichen Handelns
an dem gesamten außenwirksamen Tätigwerden der befragten Behörden als quantitativ
unbedeutend beschreibt: Über 80 % der von Schlette befragen Behörden schätzen den
Anteil des vertraglichen Handelns mit höchstens 10 %.357 Die von Bartscher zusammengestellten Schätzungen geben diesen Anteil zwischen 0,05 % und 10 %, nie über 10 %
an.358 Aus beiden Untersuchungen ist allerdings auch zu entnehmen, dass der Anteil sachbereichsabhängig beträchtlichen Unterschieden unterliegt.359 85 % der von Schlette befragten Behörden hielten den öffentlich-rechtlichen Vertrag im Vergleich mit dem Verwaltungsakt für von allenfalls geringer Bedeutung.360 Auffallend ist der geringe Bekanntheitsgrad der allgemeinen Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag in den §§ 54 ff.
VwVfG: Nahezu zwei Drittel der antwortenden Behörden hielten diese Regelungen für
wenig bekannt; immerhin über 8 % hielten das sogar für einen Grund, vom Abschluss von
Verträgen abzusehen. Dabei wurde die Unkenntnis eher den Fachämtern als dem Rechtsamt zugeordnet.361
355
Volker Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 241 ff.
356
Bruno Bartscher, Der Verwaltungsvertrag in der Behördenpraxis, 1997.
357
Schlette (Anm. 1) S. 254.
358
Bartscher (Anm. 2) S. 136, 170, 195.
359
Bartscher (Anm. 2) S. 136 ff.; Schlette (Anm. 1) S. 254 f.
360
Schlette (Anm. 1) S. 254.
361
Schlette (Anm. 1) S. 707.
60
Im Kontrast zu diesen Angaben zur quantitativen Relevanz des öffentlich-rechtlichen
Vertrages stehen die ermittelten qualitativen Einschätzungen. Nach der Untersuchung
Schlettes liegt der Anteil der Nennungen, die dem vertraglichen Handeln jedenfalls keine
schlechteren Erfahrungen als dem Einsatz von Verwaltungsakten attestierten, über 91 %.
Der Anteil derer, die die Erfahrungen mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag als besser
als die mit Verwaltungsakten beurteilten, betrug mehr als 73 %.362 Nach den Berichten
aller befragten Behörden sind gerichtliche Auseinandersetzungen über öffentlichrechtliche Verträge äußerst selten.363 Dem entspricht die von 88 % der antwortenden Behörden gegebene Einschätzung, dass der Bürger dem Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages grundsätzlich aufgeschlossen gegenübersteht.364
Diese sowohl von Seiten der Behörden als auch von Seiten der Privaten offenbar bestehende positive Bewertung vertraglichen Handelns scheint sich in einer gewissen Offenheit der Verhandlungsatmosphäre niederzuschlagen. So wiesen in Schlettes Umfrage 92
% der antwortenden Behörden auf dem Vertragsschluss regelmäßig vorangehende intensive Verhandlungen hin.365 Allerdings betont Schlette selbst die unzureichende empirische
Basis zu diesem Punkt und hält das Ergebnis für auf die Fälle routinemäßiger Vertragsschlüsse nicht übertragbar.366
Die damit angedeutete Notwendigkeit der Differenzierung hinsichtlich der der Wahl der
Vertragsform zugrundeliegenden Situationen wird bestätigt durch die unterschiedlichen
Bewertungen des Verwaltungsaufwands beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages einerseits und dem Erlass eines Verwaltungsakts andererseits. Wohl überwiegend wird der Aufwand beim Vertrag als höher angesehen, ohne dass daraus die Konsequenz eines Verzichts auf den Einsatz dieser Handlungsform gezogen würde: Der höhere
Aufwand wird anscheinend nicht selten durch konsensual leichter zu beseitigende
Schwierigkeiten kompensiert.367 Umgekehrt wird nach der Feststellung Bartschers der
beim öffentlich-rechtlichen Vertrag einzusetzende Aufwand gerade von den Stellen als
geringer bewertet, die den Vertrag in bestimmten Bereichen routinemäßig einsetzen.368
362
Schlette (Anm. 1) S. 706.
363
Bartscher (Anm. 2) S. 145, 172, 202, 245, 293; Schlette (Anm. 1) S. 706.
364
Schlette (Anm. 1) S. 704.
365
Schlette (Anm. 1) S. 705.
366
Schlette (Anm. 1) S. 705.
367
Bartscher (Anm. 2) S. 143; Schlette (Anm. 1) S. 705.
368
Bartscher (Anm. 2) S. 142.
61
Für die Bewertung der Problemlösungskapazität des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist
mithin von einer dualen Situationsstruktur auszugehen. Die eine, von Bartscher als Routineverträge bezeichnete Einsatzart bezeichnet die Entscheidungssituationen, in denen der
Sachverhalt routinemäßig vertraglich geregelt wird. Dabei muss es sich nicht um verwaltungsaktersetzende Verträge handeln. Routineverträge finden sich auch in typisierbaren
Kooperations- und Vergleichssituationen.369 Die andere Einsatzart des öffentlichrechtlichen Vertrages fasst Bartscher als „Sonderverträge“ zusammen.370 Sie werden von
der Verwaltung vor allem zur Bereinigung besonderer und außergewöhnlicher Schwierigkeiten eingesetzt.371 In der Kategorisierung nicht vollständig deckungsgleich differenziert
Schlette zwischen Vertragslösungen zur Regelung von komplexen Problemlagen, bei unklaren und streitigen Sachverhalten sowie zur routinemäßigen Abarbeitung einfach gelagerter Sachverhalte. Nach seinen Erhebungen wird die Vertragsform zu mehr als 80 % bei
komplexen Problemlagen bzw. unklaren Sachverhalten und zu weniger als 20 % in Situationen geringer Komplexität eingesetzt.372
Fasst man diese allgemeinen Ergebnisse – notwendigerweise vergröbernd – zusammen,
so lassen sich folgende Feststellungen treffen:
•
Quantitativ ist der Einsatz des öffentlich-rechtlichen Vertrages von untergeordneter
Bedeutung. Eine entsprechende Unsicherheit besteht in der Anwendung der §§ 54 ff.
VwVfG.
•
Die Erfahrungen der Behörden mit der Wahl der Vertragsform sind deutlich positiv.
Aus Verträgen sich ergebende Rechtsstreitigkeiten sind sehr selten.
•
Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen routinemäßig abgeschlossenen und
Verträgen zur Bewältigung komplexer oder unklarer Situationen. Der für den Abschluss eines Routinevertrags zu erbringende Verwaltungsaufwand wird als geringer
als der beim Erlass eines Verwaltungsakts zu bewältigende angesehen. Bei Verträgen
in komplexen oder unklaren Situationen ist der Aufwand zwar höher als beim Handeln durch Verwaltungsakt, jedoch liegt hier der besondere Gestaltungsvorteil der
Vertragsform.
369
Bartscher (Anm. 2) S. 237 ff.
370
Bartscher (Anm. 2) S. 237.
371
Bartscher (Anm. 2) S. 241.
372
Schlette (Anm. 1) S. 703.
62
2.
Einsatz
nsat
eld
Ei
Einsat
nsatzzfel
der
In Anbetracht der immer wieder betonten unübersehbaren Breite des Spektrums der Anwendung öffentlich-rechtlicher Verträge373 können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die möglichen Einsatzfelder vertraglichen Handelns nicht detailliert erfasst werden.
Nach den von Schlette zusammengestellten Ergebnissen ist das wichtigste Anwendungsfeld des öffentlich-rechtlichen Vertrages das Baurecht, gefolgt vom Umweltrecht, dem
Sozialrecht und dem Wirtschaftsrecht.374
a)
Bauurecht
Ba
Einer der Bereiche, in dem die Verwendung der Vertragsform routinemäßig erfolgt, ist
die Ablösung der nach den Bauordnungen der Länder bestehenden Stellplatzpflicht.375
Unter der Geltung der Reichsgaragenordnung von 1939376 dienten Stellplatzablösungsverträge dazu, dem Bauherrn die Erlangung einer Befreiung von der tatsächlich nicht erfüllbaren Stellplatzpflicht zu ermöglichen und gleichzeitig das öffentliche Interesse an der
Errichtung von Stellplätzen zu sichern.377 Später wurde die Vertragsform in den Landesbauordnungen teilweise ausdrücklich festgeschrieben.378 Obgleich die landesrechtlichen
Regelungen die Ablösung mittlerweile unabhängig vom Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrages zulassen, erfolgt die Ablösung weiterhin meist durch Vertrag. Das
Motiv für die Wahl der Vertragsform dürfte in der Etablierung einer entsprechenden Regel-Routine (dazu VI vor 1) bestehen. Soweit hierüber Reflexionen der betreffenden Behörden zu ermitteln sind, wird hervorgehoben, dass wegen der fehlenden Möglichkeit der
Einlegung von Rechtsbehelfen das Verfahren zügiger ablaufe.379
Aus dem umfangreichen Bereich bauplanungsrechtlicher Verträge seien hier nur der Bauplanungsvertrag, der Durchführungsvertrag beim Vorhaben- und Erschließungsplan,
373
Bartscher (Anm. 2) S. 302 ff.; Schlette (Anm. 1) S. 265 ff.
374
Schlette (Anm. 1) S. 264.
375
Bartscher (Anm. 2) S. 162, 179 f., 211, 258 f.; Schlette (Anm. 1) S. 259 f.
376
RGBl. I S. 219.
377
Hartmut Maurer/Bruno Bartscher, Die Praxis des Verwaltungsvertrags im Spiegel der Rechtsprechung,
2. Aufl. 1997, S. 83 f.
378
Im einzelnen Dirk Ehlers, Die Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Verträgen über die Ablösung der
Stellplatz- oder Garagenbaupflicht, DVBl. 1986, S. 529 ff.
379
Bartscher (Anm. 2) S. 258.
63
der Erschließungsvertrag, der Vorauszahlungs- und der Ablösungsvertrag sowie der Folgekostenvertrag genannt.
aa)
aa
Bauplanun
anun
anunggsve
vertra
rtra
rtragg
Baupl
Gegenstand des Bauplanungsvertrags ist die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner der Gemeinde auf dessen Kosten, wobei die
Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren
unberührt bleibt (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB). Bauplanungsverträge sind sowohl Verträge über die Übertragung von Planungsaufgaben auf Private (Bauplanungsverträge
i.e.S.) als auch die Baureifmachungsverträge; auf die Vertragsgestaltungen im einzelnen
kann hier nicht eingegangen werden.380 Generalisierend dürften die Interessen der Gemeinden am Abschluss derartiger städtebaulicher Verträge darin bestehen, sich von Arbeitsschritten und Kosten zu entlasten sowie Maßnahmen, die wie die Umlegung eine
komplexere Interessenintegration erfordern, konsensual außer Streit zu stellen und damit
erheblich zu beschleunigen381. Nach vorliegenden Untersuchungen vermag die freiwillige
Umlegung eine solche beschleunigende Wirkung allerdings nur dann zu entfalten, wenn
die Zahl der Beteiligten gering und mit einem „Ausscheren“ eines Beteiligten von vornherein nicht zu rechnen ist.382 Auf Seiten der privaten Vertragspartner der Gemeinde liegen die Interessen vor allem in der Akquisition von Aufträgen sowie der Erreichung der
Realisierbarkeit bestimmter baulicher Nutzungen, dabei auch der Erzielung von Beschleunigungseffekten sowie der Realisierung von Wertzuwächsen.383
bb)
Du
rtraag be
beim
ogenen Bebauun
Bebauunggspl
plan
an
Durch
rch
rchfführun
ührunggsvertr
im vorhabenb
vorhabenbez
ez
ezogenen
Der Durchführungsvertrag nach § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB ist Teil eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans: Nachdem der Vorhabenträger in Abstimmung mit der Gemeinde in
einem Vorhaben- und Erschließungsplan das Vorhaben und seine Durchführung definiert
hat, wird auf dieser Grundlage ein Durchführungsvertrag zwischen Gemeinde und Vorhabenträger geschlossen. In ihm verpflichtet sich der Vorhabenträger zur Durchführung des
Vorhabens innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten. Er „behandelt alle Fragen, die zur Realisierung des Vorhabens bauplanungs380
Dazu ausführlich Gotthilf Walker, Handbuch städtebauliche Verträge, Bd. 1, 1999, Rn. 353 ff.
381
Vgl. Hans-Jörg Birk, Die städtebaulichen Verträge nach BauGB 98, 3. Aufl. 1999, Rn. 87.
382
Bartscher (Anm. 2) S. 59 f., 65, 96, 221, 254.
383
Vgl. Birk (Anm. 27) Rn. 87; Walker (Anm. 26) Rn. 316.
64
rechtlich klärungs- und regelungsbedürftig sind. Ziel des Vertrages ist es, Planungsrecht
zu schaffen und die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens für das ... Baugenehmigungsverfahren vorzubereiten und nach ... Erteilung (der Genehmigung) den Vollzug von der
Erschließung bis zur Nutzbarkeit des Vorhabens zu steuern.“384 Der Durchführungsvertrag
ist Voraussetzung für den Erlass des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, der den Vertrag planungsrechtlich umsetzt. Zwecke dieses „Instrumentenmixes“385 sind die Beschleunigung von Vorhaben, die Sicherstellung der Realisierung des geplanten Vorhabens sowie
die gleichzeitige Überwälzung der Planungs- und Erschließungskosten auf den Vorhabenträger.386
Entsprechend zu bewerten sind die Motivationen der Beteiligten zur Wahl des Instruments eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit Durchführungsvertrag: Gemeinsames Ziel ist es, für das Vorhaben möglichst schnell die planungsrechtliche Realisierbarkeit und anschließend seine tatsächliche Durchführung sicherzustellen. Der Durchführungsvertrag verknüpft die Durchführungsverpflichtung des Vorhabenträgers und die planungsrechtliche Zulässigkeit kausal.387 Gleichzeitig möchten die Gemeinden von der mit
der Herbeiführung der Zulässigkeit verbundenen Kosten freigestellt werden.
cc)
cc
Ers
Ersccchließun
hließun
hließunggsvertr
rtrag
Von großer praktischer Bedeutung ist der Erschließungsvertrag im Sinne von § 124
BauGB. Durch ihn überträgt die Gemeinde die Durchführung der ihr nach § 123 Abs. 1
BauGB obliegenden Erschließung auf einen Dritten, der die Erschließungsanlagen auf
eigene Kosten herstellt. Die Verpflichtung zur Erstellung kann sich auch auf nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen erstrecken. Der Eigenanteil der Gemeinden in Höhe
von 10 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands (§ 129 Abs. 1 S. 3 BauGB) kann
auf den Erschließungsunternehmer überwälzt werden. Die Erschließungsanlagen werden
nach Herstellung vom Unternehmer unentgeltlich auf die Gemeinde übertragen, die keine
Erschließungsbeiträge erheben kann.388 Soweit der die Erschließung durchführende Dritte
384
Birk (Anm. 27) Rn. 494.
385
Vgl. Willy Spannowsky, Städtebauliche Verträge als Instrumente zur Bewältigung komplexer städtebaulicher Entwicklungsaufgaben bei der Wiedernutzung von Brachflächen?, UPR 1996, S. 201 (208).
386
Vgl. nur André Turiaux, Der vorhabenbezogene Bebauungsplan gem. § 12 BauGB: Beschleunigungspotential, Durchführungsverpflichtung und praktische Probleme, NJW 1999, S. 391 ff. m. N.
387
Birk (Anm. 27) Rn. 105.
388
Birk (Anm. 27) Rn. 132.
65
die erschlossenen Grundstücke nicht, insbesondere als Investor, selbst nutzt, kann er sich
durch deren Verkauf refinanzieren.
Das Interesse der Gemeinde am Abschluss von Erschließungsverträgen ist in erster Linie
finanzieller Natur: Nur auf diesem Wege lässt sich die Tragung des gemeindlichen Eigenanteils am Erschließungsaufwand vermeiden. Darüber hinaus müssen die Erschließungskosten nicht aus dem Haushalt vorfinanziert werden.389 Schließlich werden die eigenen
Personalressourcen von Planungs- und Durchführungsaufgaben entlastet sowie Probleme
bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen vermieden.390 Das Risiko eines Konkurses
des Unternehmers, dessen Realisierung zur Aktualisierung der gemeindlichen Erschließungslast führt391 und das Gemeinden für den Abschluss von Erschließungsverträgen als
hinderlich betrachten392, soll durch die Stellung von Erfüllungsbürgschaften abgefangen
werden393. Auf Seiten des Erschließungsunternehmers besteht ein erzielbarer Vorteil in
einer zeitlich früheren und im Ablauf selbst beeinflussbaren Herbeiführung der Bebaubarkeit des Grundstücks.394 Bei einem Verkauf der erschlossenen Grundstücke profitiert
der Unternehmer von einem die Erschließungskosten evtl. übersteigenden Wertzuwachs.
dd)
rausz
gs- uund
nd Ab
lösung
lösungsve
sve
sverrtra
tragg
Vo
Vorausz
rauszaahlun
hlung
Ablösung
Vom Erschließungsvertrag im Sinne von § 124 BauGB zu unterscheiden ist der Vorauszahlungsvertrag. In ihm verpflichtet sich der Grundstückseigentümer zu Vorausleistungen
auf den Erschließungsbeitrag, obwohl eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem
Umfang entstanden ist. Die Erschließungsarbeiten werden von der Gemeinde durchgeführt; lediglich die Vorfinanzierung aus dem Gemeindehaushalt wird (teilweise) auf die
Eigentümer überwälzt. Der Entlastung der Gemeinde, die Erschließungskosten nicht aus
dem Haushalt vorfinanzieren zu müssen, korrespondiert der Vorteil des Grundstückseigentümers, durch die Vorauszahlung die Durchführung der Erschließung zu beschleunigen.
Anders als Vorauszahlungsverträge regeln Ablösungsverträge die Tragung der Erschließungskosten endgültig vor Entstehung der Beitragspflicht. Die Zahlung des vertraglich
389
Birk (Anm. 27) Rn. 80; Bartscher (Anm. 2) S. 260 f.
390
Walker (Anm. 26) S. 402 f.
391
Rolf-Peter Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 1999, § 124 Rn. 4.
392
Vgl. Bartscher (Anm. 2) S. 67.
393
Bartscher (Anm. 2) S. 212, 261.
394
Birk (Anm. 27) Rn. 80; Walker (Anm. 26) Rn. 666.
66
vereinbarten Ablösungsbetrags stellt eine vorweggenommene Tilgung des gesamten
künftigen Erschließungsbeitrags dar.395 Die Vorteile für die Gemeinde bestehen zum einen
in dem Vorfinanzierungseffekt, zum anderen in der Entlastung vom Verfahren der späteren Erhebung der Erschließungsbeiträge. Auf Seiten des Grundstückseigentümers bewirkt
die Ablösung Kalkulationssicherheit.396
eeee)
Folggekostenv
ertr
Fol
ekostenvertr
ertraag
Durch einen Folgenkostenvertrag verpflichtet sich der private Vertragspartner der Gemeinde zur Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für
städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder
Folge des geplanten Vorhabens sind (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB). Erfasst werden in
erster Linie die Kosten für der Allgemeinheit dienende gemeindliche Infrastruktureinrichtungen. Folgekostenverträge sollen über das Problem hinweghelfen, dass die von einem Vorhaben verursachten Folgekosten die Leistungsfähigkeit der Gemeinde übersteigen und als öffentlicher Belang in der Abwägung dem Beschluss der von dem Vorhabenträger angestrebten Planung entgegenstehen.397 Dem Vorteil der Gemeinde, von den
Folgekosten entlastet zu werden, steht mithin das Interesse des privaten Vertragspartners
an der benötigten planerischen Ausweisung seines Grundstücks gegenüber. Da sich die
Gemeinde vertraglich nicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichten kann,
handelt es sich in der Regel um einen sog. hinkenden Austauschvertrag (vgl. o. II 3 b aa).
Wegen der fehlenden gesetzlichen Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Tragung von
Folgekosten ist der Abschluss von Folgekostenverträgen mehr als der anderer städtebaulicher Verträge Marktgesichtspunkten unterworfen. In jedem Fall werden die vom Privaten
übernommenen Folgekosten niedriger als der mit der Überplanung des Grundstücks erzielbare Vorteil liegen müssen. Darüber hinaus stehen die Gemeinden häufig in einer
Konkurrenzsituation untereinander, die die Durchsetzung des Abschlusses von Folgekostenvereinbarungen unmöglich macht.398
395
Löhr (Anm. 37) § 133 Rn. 50.
396
Bartscher (Anm. 2) S. 162 f., 212, 260.
397
Maurer/Bartscher (Anm. 23) S. 68.
398
Vgl. Bartscher (Anm. 2) S. 305.
67
b)
Umw
ltre
eccht
Umweeltr
ltrec
Auf dem Gebiet des Umweltrechts sind u.a. Verträge über den Betrieb immissionsschutzrechtlich relevanter Anlagen, naturschutzrechtliche Vereinbarungen und Altlastensanierungsverträge von Bedeutung.
Verträge mit immissionsschutzrechtlichem Hintergrund sind beispielsweise Vereinbarungen über die befristete Duldung von Gesetzesverstößen, wenn sich das Unternehmen im
Gegenzug zur Herstellung rechtmäßiger Zustände verpflichtet.399 Die Vorteile auf Seiten
der Behörde bestehen vor allem darin, den mit einem ordnungsrechtlichen Verfahren verbundenen Aufwand zu vermeiden, Kontrollmechanismen vertraglich zu sichern und eine
Vernichtung der Existenz des Unternehmens abwenden zu können. Dem korrespondierend ist das Interesse des Unternehmens, eine Betriebsuntersagung zu verhindern und
einen kalkulierbaren Zeitraum zur Durchführung ohnehin erforderlicher Maßnahmen zur
Verfügung zu haben. Ggf. kann die Behörde zum Ausgleich auch die Einhaltung von gegenüber den gesetzlichen verschärften Anforderungen durchsetzen.
Der Vergleichscharakter der Vereinbarung steht im Vordergrund, wenn beiderseitige
rechtliche Unklarheiten, komplexe Sachverhaltsstrukturen oder die mit einem Handeln
unter Ungewissheitsbedingungen verbundenen Risiken bereinigt werden sollen. In diesen
Fällen schafft der Abschluss eines Vertrages für beide Seiten die erforderliche Handlungs- und Dispositionssicherheit. Zeitintensive Ermittlungs- und Durchsetzungsversuche
auf unklarer sachlicher und/oder rechtlicher Grundlage können seitens der Behörde vermieden werden.400
Vereinbarungen mit naturschutzrechtlichem Hintergrund sind zum einen Verträge über
die Durchführung des Ausgleichs der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft
nach § 1a Abs. 3 BauGB (§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB). Wenngleich eine solche Vorwegbindung hinsichtlich des in der Abwägung zu berücksichtigenden Materials (§ 1a
Abs. 2 Nr. 2 BauGB) als nicht systemkonsequent angesehen werden mag,401 haben die
praktischen Vorteile zur (legislativen) Etablierung der Vertragsform geführt: Die Vereinbarung von Ausgleichsmaßnahmen auf Kosten des Vorhabenträgers enthebt die Gemeinde der Anstrengungen, eine Refinanzierung nach den §§ 135a ff. BauGB suchen zu müs399
Dazu vgl. nur Manfred Bulling, Kooperatives Verwaltungshandeln (Vorverhandlungen, Arrangements,
Agreements und Verträge) in der Verwaltungspraxis, DÖV 1989, S. 277 (284 f.).
400
Vgl. Peter Arnold, Die Arbeit mit öffentlich-rechtlichen Verträgen im Umweltschutz beim Regierungspräsidium Stuttgart, VerwArch 1989, S. 125 (138 ff.).
68
sen. Die Refinanzierung erfolgt vielmehr in der Regel durch Umlegung der Kosten auf
den Grundstückspreis bei Weiterveräußerung.402
Der sog. Vertragsnaturschutz, bei dem der Zweck naturschutzrechtlicher Maßnahmen
durch vertragliche Vereinbarungen erreicht werden soll (§ 3a BNatSchG), bietet für die
Verwaltung den Vorteil, dass die Maßnahmen zielgenauer und unter Definition eines individuellen Schutzstandards verwirklicht werden können.403 Das Interesse des Privaten
kann zum einen darin liegen, durch die individuelle und konsensuale Justierung der Maßnahmen ggf. überschießende Anforderungen zu verhindern, zum anderen in der Aushandlung sonst nicht vorgesehener Ausgleichszahlungen bestehen.404
Der Abschluss von Altlastensanierungsverträgen ist in den §§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BauGB, 13 Abs. 4 BBodSchG vorgesehen. Die Regelung durch Vereinbarung vermeidet
vor allem die Unsicherheiten, mit denen die Behörde in Sanierungsfällen konfrontiert ist.
Wegen der häufig bestehenden Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Sanierungsbedarfs
kann eine einvernehmliche Regelung der Sanierungspflichten den Aufwand und Zeitbedarf für die Behörde beträchtlich reduzieren.405 Auf den Vorteil der möglichen Einbeziehung an der Sanierung ebenfalls interessierter Dritter weist § 13 Abs. 4 BBodSchG ausdrücklich hin. Der Private erlangt durch den Vertrag Einfluss auf die Durchführung der
Sanierung und eine seiner Leistungsfähigkeit angemessene Kostenplanung.406 Darüber
hinaus vermittelt der Vertrag ihm eine frühzeitige Rechts- und Investitionssicherheit.407
c)
zia
chtt
So
Sozia
ziallrech
Die §§ 53 ff. SGB X enthalten eine eigenständige Regelung des Rechts des öffentlichrechtlichen Vertrages für den Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Vertragliche
Gestaltungen sind in vielen Bereichen des Sozialrechts vorgesehen. § 2 Abs. 2 S. 2
SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleis401
Vgl. Birk (Anm. 27) Rn. 290.
402
Alexander Schink, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauleitplanung, in: Ziekow (Hrsg.),
Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, S. 147 (163).
403
Martin Gellermann/Andreas Middeke, Der Vertragsnaturschutz, NuR 1991, S. 457 (459).
404
Vgl. Bartscher (Anm. 2) S. 68 f., 77.
405
Jürgen Fluck, in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, 2001, § 13
BBodSchG Rn. 236; Walter Frenz/Pascal Heßler, Altlastensanierung und öffentlich-rechtlicher Sanierungsvertrag, NVwZ 2001, S. 13.
406
Frenz (Anm. 51) S. 14.
407
Matthias Dombert, Der Sanierungsvertrag nach § 13 Abs. 4 BBodSchG: Vorzüge, Praxisprobleme und
aktuelle Rechtsfragen, ZUR 2000, S. 303 (305); Fluck (Anm. 51) Rn. 236.
69
tungen Verträge mit den Leistungserbringern schließen. Die inhaltlichen Standards dieser
Verträge werden in den §§ 69 ff. SGB V definiert. Eine entsprechende Regelungstechnik
gilt in der Pflegeversicherung nach § 69 S. 2 i.V.m. §§ 71 ff. SGB XI. In der Kinder- und
Jugendhilfe sieht § 77 SGB VIII Vereinbarungen zwischen der öffentlichen und der freien
Jugendhilfe über die Kosten der Inanspruchnahme von Einrichtungen und Diensten der
Träger der freien Jugendhilfe vor. Die §§ 78a ff. SGB VIII gelten für die Übernahme des
Entgelts für in einer Einrichtung erbrachte Leistungen durch den Träger der öffentlichen
Jugendhilfe aufgrund von Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen
mit dem Träger der Einrichtung. Ähnlich konzipiert sind die Vereinbarungen nach § 93
Abs. 2 BSHG. Zur Übernahme der Vergütung für die von einer Einrichtung erbrachte
Leistung ist der Träger der Sozialhilfe nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen abgeschlossen worden sind.
Die genannten Regelungen beruhen vor allem auf dem Gedanken, dass den öffentlichen
Trägern der Sozialleistungen eine Pluralisierung von zur Erbringung der Leistung bereiten Leistungserbringern gegenübersteht.408 Die öffentlichen Träger stehen deshalb vor der
Aufgabe,
•
die Leistungserbringung sicherzustellen,
•
den inhaltlichen Standard der Leistungen zu definieren,
•
den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit genügende Vergütungen für die Leistungen festzuschreiben und
•
die Qualitätsentwicklung zu gewährleisten.
Nur solche Leistungserbringer, die sich vertraglich zur Beachtung dieser Grundsätze verpflichtet haben, können aus der pluralen Angebotsstruktur berücksichtigt werden. Das
Sozialrecht präferiert insoweit keine ausschließlich dem Markt überlassene, sondern eine
kooperative Aufgabenerfüllung durch öffentliche Träger und Leistungserbringer.409 Allerdings setzen die gesetzlichen Bestimmungen Mindeststandards für die Ausgestaltung der
Kooperation. Dahinter steht zum einen der Gedanke einer Effizienzsteigerung: Die Ökonomisierung der Leistungserbringung soll zu geringeren Belastungen bei den öffentlichen
Trägern und gleichzeitiger Qualitätssicherung führen.410 Zum anderen soll der Verwal-
408
Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 284 ff.
409
Dazu insbes. Volker Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, 1992.
410
Vgl. Heinz-Dieter Gottlieb, Die Neuregelung der §§ 93 ff. BSHG, ZfSH/SGB 1998, S. 461.
70
tungsaufwand reduziert und dem Leistungserbringer Planungssicherheit verschafft werden.411
d)
rtscha
ft
ftsre
Wirt
scha
schaft
sre
sreccht
Im wirtschaftsrechtlichen Bereich sind beispielsweise Subventionsverträge zu ermitteln412,
wenngleich sie nach wie vor nicht die dominierende Form der Vorgabe von Subventionen
darstellen dürften. Gegenüber der Bewilligung der Subvention durch Verwaltungsakt
weist der Vertrag den Vorzug auf, den zielgenauen und effektiven Einsatz der Subvention
konsensual erreichen zu können. Der Subventionsnehmer wirkt an dem Konzept durch
Erreichung des Zuwendungszwecks mit.413
3.
diee Präf
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ng der Ve
rt
ra
gsform
Mot
Motiive für di
äferi
erieeru
rung
Vert
rtra
rag
Versucht man, die Motive, die zur Wahl der Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages
führen, zusammenzufassen, so muss zwischen den durch die Wahl für die Verwaltung
entstehenden Vorzügen und den Vorteilen für den privaten Vertragspartner unterschieden
werden:
Vorteile für die Behörde414
•
Erhöhte Akzeptanz konsensualer Verfahren
•
Kostenentlastung
•
Reduzierung des Verwaltungsaufwands
•
Beschleunigung der Problemlösung
•
Verbesserte Sicherstellung des vom Vertragspartner erwarteten Verhaltens
•
Gesteigerte Handlungsmöglichkeiten in unklaren und komplexen Situationen
•
Vereinbarung einseitig nicht durchsetzbarer Leistungen des Privaten
•
Größere Zielgenauigkeit der vereinbarten Maßnahme
•
Übereinkunft über Qualitätssicherungsmaßnahmen
•
Geringes Risiko eines Rechtsstreits
411
Rudolf Hofmann, in: Bergmann/Schumacher (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Vertragsgestaltung,
Bd. IV, 2001, S. 147 (149).
412
Vgl. die Ergebnisse der Erhebung von Schlette (Anm. 1) S. 264.
413
Vgl. Rolf Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl. 2001, S. 383 f.
414
S. auch Schlette (Anm. 1) S. 339 ff.
71
Vorteile für den Privaten
•
Verfahrensbeschleunigung
•
Dispositionssicherheit
•
Beeinflussung der Problemlösung
•
Realisierung von wirtschaftlichen Gewinnen
72
IV. Koop
ooperat
erat
eratiione
onenn de
derr Verw
Verwaaltung uunnd Pu
Publ
bl
blic
ic Pri
Privvate Partn
rtner
hipp
IV.
ersshi
Wie o. II 4 dargelegt können zwar auch Verträge zwischen der Verwaltung und Privaten
auf der Ebene der Gleichordnung – sofern sie dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind –
öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von § 54 S. 1 VwVfG sein, jedoch enthalten die
§§ 54 ff. VwVfG hierzu – im Unterschied zum „subordinationsrechtlichen“ Vertrag keine
besonderen Regelungen. Bevor nähere Überlegungen angestellt werden können, ob insoweit ein Weiterentwicklungsbedarf für das Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages
besteht und wie jenem ggf. Genüge getan werden kann, bedarf es zunächst einer Betrachtung der Strukturen von Kooperationsbeziehungen, um auf der Grundlage generierter
zielführender Auswahlkriterien die Praxis von Kooperationen auf ausgewählten Referenzfeldern erfassen und auf verallgemeinerungsfähige Ziel- und Interessenbewertungen sowie Lösungsmuster analysieren zu können.
1.
en von Koop
er
ationsbez
Struktur
Strukturen
Kooper
erationsbez
ationsbeziiehun
ehunggen
Kooperation zwischen der Verwaltung und Privaten kann zu verschiedenen Zwecken und
in verschiedenen Formen erfolgen. Gleichwohl wäre es nicht weiterführend, jeden nicht
durch einseitiges Gebot seitens der Verwaltung geregelten Kontakt als Ausprägung von
Kooperation zu begreifen. So finden reine Beschaffungsvorgänge zwar auf der Ebene der
Gleichordnung statt, ohne dadurch jedoch zu in die Untersuchung einzubeziehenden Kooperationsvorgängen zu werden. Der Untersuchungskontext wird vielmehr durch das
Leitbild des aktivierenden Staates mit dem Gedanken der Verantwortungsteilung bzw. gemeinschaft bestimmt (o. I 1). Bezugspunkt dieser Teilung bzw. Gemeinschaft ist – im
vorliegenden Untersuchungsrahmen – die Verantwortung der Verwaltung, deren Substrat
die gemeinwohlverpflichtete Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist.415 Kooperation als Verwirklichungsmodus einer Verantwortungsteilung definiert mithin ein Zusammenwirken
von Verwaltung und Privaten bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Prägend dabei ist
das Merkmal der Freiwilligkeit: Die Entscheidung, an der Aufgabenerfüllung in einem
Kooperationsverhältnis mitzuwirken, wird von den Kooperationspartnern autonom getroffen. Typischerweise kann das Kooperationsverhalten des Privaten von der Verwaltung
nicht durch einseitigen Hoheitsakt erzwungen werden. Freiwilligkeit ist allerdings nicht
gleichzusetzen mit Altruismus: Motiv des Privaten, sich an dem Kooperationsverhältnis
415
Vgl. Rupert Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976),
S. 145 (149 ff.).
73
zu beteiligen, muss nicht die Aufgabenerfüllung als solche sein. Kooperative Aufgabenerfüllung bedeutet nicht Ehrenamtlichkeit auf Seiten des Privaten, der vielmehr regelmäßig
eigene Interessen durch die Kooperation verfolgt.
Zur Typologisierung von Kooperationsbeziehungen im beschriebenen Sinne kann wiederum auf den Ausgangspunkt, den Gedanken der Verantwortungsteilung bzw. gemeinschaft zurückgegriffen werden. Geht man davon aus, dass Verantwortungsteilung
bzw. die Herstellung einer Verantwortungsgemeinschaft – jedenfalls konzeptionell –
durch Rücknahme staatlicher Verantwortung und ihre Substitution durch Indienstnahme
privater Erfüllungsbeiträge erfolgt, so wird der prozesshafte Charakter dieser Teilung
deutlich: Es findet eine (partielle) Verlagerung von Verantwortung von staatlichen auf
private Akteure statt.416 Verantwortungsteilung kann daher durchaus als – in einem weiteren Sinne gefasste – Privatisierung von Segmenten staatlicher Verantwortung verstanden
werden.417 In Abhängigkeit vom Gegenstand dieser Verantwortung haben sich in der Privatisierungsdiskussion verschiedene Grundtypen von Aufgabenverlagerungen herauskristallisiert.
a)
a)
Kooper
eration
ation und Privatis
Privatisierung
ierung
Koop
er
Soweit es sich um die Privatisierung von Aufgaben handelt, wird gemeinhin danach unterschieden, in welcher Weise Aufgabenverantwortung und Aufgabenwahrnehmung verteilt werden. Beide Begriffe werden zur Definition des Verhältnisses zum Nachfrager der
betreffenden Leistung verwendet: Mit Aufgabenverantwortung ist die Letztverantwortung
des Trägers der Aufgabe dafür gemeint, dass die Aufgabe auch tatsächlich erfüllt, die
Leistung gegenüber dem Nachfrager auch tatsächlich erbracht wird (dazu und zum Gedanken der Verantwortungsstufung VI 11 c bb). Unter Aufgabenwahrnehmung ist das
tatsächliche Handeln zur Erfüllung der Aufgabe gegenüber dem Leistungsnachfrager zu
verstehen. Aufgabenverantwortung und Aufgabenwahrnehmung müssen nicht in einer
Hand vereint sein, sondern können auseinanderfallen.418
416
Hans-Heinrich Trute, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses
von öffentlichem und privatem Sektor, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 13 ff.
417
Zum Zusammenhang von Verantwortungsteilung und Privatisierung vgl. z.B. Andreas Voßkuhle, Gesetzgeberische Regelungsstrategien der Verantwortungsteilung zwischen öffentlichem und privatem
Sektor, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem Staat“, 1999, S. 47 (59).
418
Vgl. Klaus König/Angelika Benz, Zusammenhänge von Privatisierung und Regulierung, in: dies.
(Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, 1997, S. 11 (29 ff.). Dazu und zum folgenden Jan
Ziekow, Rechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung kommunaler Dienstleistungen, in: Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 132 (137 ff.).
74
Die Frage nach der „Aufgabe“ als privatisierbarem Gegenstand weist im Kern auf die
nach wie vor nicht abgeschlossene Diskussion über die Staats- bzw. Verwaltungsaufgaben zurück.419 Das Bemühen, um eine den Bedürfnissen der Rechtspraxis gerecht werdende pragmatische Lösung hat zu einer offenen Bestimmung des Kreises der Verwaltungsaufgaben geführt. Verwaltungsaufgaben sind danach alle Angelegenheiten, die der Verwaltung durch Rechtssatz übertragen oder von ihr in rechtlich zulässiger Weise wahrgenommen werden.420
Vor diesem Hintergrund darf die Einteilung in formelle, materielle und funktionale Privatisierung als weithin akzeptiert gelten: Bei der auch als Organisationsprivatisierung
bezeichneten formellen Privatisierung verbleibt die Aufgabenverantwortung in vollem
Umfang bei dem Verwaltungsträger. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt durch eine verselbständigte juristische Person des Privatrechts, die sich jedoch vollständig in der Hand
des Verwaltungsträgers befindet.421 Typisches Beispiel einer formellen Privatisierung ist
der Wechsel vom Eigenbetrieb zur Eigengesellschaft für die Aufgabenwahrnehmung.
Synonym für den Begriff der materiellen Privatisierung wird der der Aufgabenprivatisierung verwendet. Wird eine Aufgabe materiell privatisiert, so zieht sich der Verwaltungsträger gänzlich von ihr zurück, ohne dass die Aufgabe als solche entfällt. Nicht allein die
Aufgabenwahrnehmung, sondern auch die Aufgabenverantwortung werden auf ein Privatrechtssubjekt übertragen, das von dem Verwaltungsträger unabhängig ist.422
Der in der Praxis am stärksten diversifizierte Typus ist der der funktionalen Privatisierung. Wenngleich die Mannigfaltigkeit der aufzufindenden Formen423 eine entsprechende
Verschiedenheit der Rahmenbedingungen bei der Ausgestaltung im einzelnen zur Folge
hat, besteht das verbindende Merkmal im Verbleiben der Aufgabenverantwortung bei
dem Verwaltungsträger, während in die Aufgabenwahrnehmung zumindest partiell ein
419
Vgl. dazu nur Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977; Josef Isensee,
Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des
Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 1988, § 57; Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Aufgabe als Schlüsselbegriff der Verwaltungswissenschaft, VerwArch 1980, S. 309 ff.
420
Hartmut Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (250); Lerke
Osterloh, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (222 f.); Friedrich
Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl. 1994, S. 962.
421
Vgl. nur Alfons Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, 1997, S. 15; Rainer Hofmann, Privatisierung kommunaler Verwaltungsaufgaben, VBlBW 1984, S. 121 (122); Johannes Hengstschläger,
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (170); Schoch (Anm. 6) S. 962.
422
Gern (Anm. 7) S. 8; Hofmann (Anm. 7) S. 122; Hengstschläger (Anm. 7) S. 170; Schoch (Anm. 6)
S. 962 f.
423
Vgl. nur Martin Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 100 ff.
75
von der öffentlichen Hand unabhängiger Privater eingeschaltet wird.424 Wichtige Fälle
funktionaler Privatisierungen sind:
•
Contracting Out. Durch Contracting Out werden bestimmte Teilleistungen bei der
Erfüllung öffentlicher Aufgaben an Private vergeben. Dabei kann es sich um Teilbeiträge zur eigentlichen Leistung der Verwaltung (Bsp.: Teilplanungen im Rahmen einer Gesamtplanung) oder um Annextätigkeiten (Bsp.: Beauftragung eines privaten
Reinigungsdienstes) handeln.425
•
Betreiber- oder Betriebsführungsmodell. Bei dem in der kommunalen Entsorgungswirtschaft verbreiteten Betreibermodell übernimmt ein Privater im Zusammenwirken
mit der Kommune, aber unter eigener Verantwortung und eigenem wirtschaftlichen
Risiko, sowohl die Planung und den Bau als auch den Betrieb einer Anlage, wofür er
von der Kommune ein Entgelt erhält. Dieses Entgelt wird in die seitens der Kommune von den Benutzern erhobene Gebühr eingestellt. Grundlage des Modells ist ein
zwischen Kommune und privatem Unternehmer geschlossener Betreibervertrag, der
ggf. durch andere Verträge flankiert wird.426
Im Gegensatz zum Betreibermodell ist der öffentliche Aufgabenträger beim Betriebsführungsmodell Eigentümer der zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Anlagen und behält diese in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen. Durch einen, die vom Privaten zu erbringenden Leistungen, die dafür zu zahlende Vergütung und die weiteren
Rechte und Pflichten der Partner festlegenden Vertrag wird die Führung des Betriebs
der Einrichtung auf den Privaten übertragen.427
•
Finanzierungsprivatisierung: Die Aufgabe der Verwaltung, die Erfüllung öffentlicher
Aufgaben – beispielsweise die Zurverfügungstellung der Verkehrsinfrastruktur – zu
finanzieren, wird ganz oder teilweise auf Private übertragen. An die Stelle der Haushaltsfinanzierung tritt bei der Finanzierungsprivatisierung („Public Finance Initiative“428) die Einbeziehung privaten Kapitals in die Aufgabenwahrnehmung.429
•
Verfahrensprivatisierung: Teilweise privatisiert wird die Durchführung von administrativen Verfahren, wobei die Verfahrensverantwortung der Verwaltung ungeschmälert bleibt.430 Sofern es sich um auf die Verwaltungsaufgabe der Verfahrensbe-
424
Burgi (Anm. 9) S. 100; Osterloh (Anm. 6) S. 223.
425
Bettina Böhm, Öffentlich-private Partnerschaften in der kommunalen Stadtentwicklung, 1999, S. 69.
426
Im einzelnen Hartmut Bauer, Verwaltungsrechtliche und verwaltungswissenschaftliche Aspekte der
Gestaltung von Kooperationsverträgen bei Public Private Partnership, DÖV 1998, S. 89 (91 ff.).
427
Vgl. Peter J. Tettinger, Die rechtliche Ausgestaltung von Public Private Partnership, DÖV 1996, S. 764
(765).
428
S. dazu Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001,
§ 54 Rn. 43 b.
429
Zu den Formen im Kommunalbereich Gern (Anm. 7) S. 31 ff.; Hannes Rehm, Modelle zur Finanzierung
kommunaler Investitionen durch Private, in: Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994,
S. 93 ff.; Tilmann Schweisfurth, Privatwirtschaftliche Formen kommunaler Investitionsfinanzierung,
1991. Zur privaten Finanzierung von Verkehrsprojekten Klaus Grupp, Rechtsprobleme der Privatfinanzierung von Verkehrsprojekten, DVBl. 1994, S. 140 ff.; Olaf Reidt, Verfassungsrechtliche Aspekte der
Mautfinanzierung von Fernstraßen, NVwZ 1996, S. 1156 ff.
430
Dazu Wolfgang Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisierung, DVBl. 1996, S. 225 ff.
Grundlegend zur Kategorie der Verfahrensverantwortung Rainer Pitschas, Verwaltungsverantwortung
und Verwaltungsverfahren, 1990, pass.
76
wältigung bezogene Teilbeträge handelt, ist es gerechtfertigt, die Verfahrensprivatisierung als Fall der funktionalen Privatisierung einzuordnen.431
b)
Privat
iva
Parrtner
nersshi
hipp in ggeemisc
mischhtwi
twirrtsc
tschhaf
aftliche
tliche
tlichenn Unte
Unterrnehme
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Public Pr
Priva
ivatte Pa
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die erarbeiteten Kategorien von Privatisierungsphänomenen das Spektrum der Kooperation zwischen Verwaltung und Privaten
nicht ausschöpfen. Nicht erfasst wird zunächst die kooperative Erfüllung von öffentlichen
Aufgaben in einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen privaten Rechts, dem die
Aufgabenverantwortung übertragen wird. Hier handelt es sich um keine materielle Privatisierung, da die Aufgabenverantwortung zwar auf das Privatrechtssubjekt übergeht, der
Verwaltungsträger jedoch an diesem beteiligt ist und deshalb – zumindest auch – Träger
der Aufgabenverantwortung bleibt. Durch die gesellschaftsrechtliche Verbindung wird
ein Privater – ähnlich wie bei einer funktionalen Privatisierung – in die Aufgabenwahrnehmung eingeschaltet. Gleichwohl handelt es sich um keine funktionale Privatisierung,
geht doch die Aufgabenverantwortung auf ein Privatrechtssubjekt über, an dem nicht allein der Verwaltungsträger beteiligt ist. Typologisch handelt es sich um eine Mischform
zwischen materieller und funktionaler Privatisierung.
Anders ist die Situation, wenn die Aufgabenverantwortung bei dem Verwaltungsträger
verbleibt und das gemischtwirtschaftliche Unternehmen die Aufgabenwahrnehmung übernimmt. Beispiel ist das sog. Kooperationsmodell im Bereich der kommunalen Abwasserentsorgung, bei dem – regelmäßig unter Mehrheitsbeteiligung der Kommune – eine
Besitz- bzw. Betriebsgesellschaft mit einem privaten Investor gebildet wird, welche die
Aufgabe „Abwasserbeseitigung“ wahrnimmt.432 Eine derartige Konstruktion kann als
Mischform zwischen formeller und funktionaler Privatisierung angesehen werden.
c)
c)
Zurr Schwi
Schwieerigkeit ein
eineer Definition von Public Priv
Private
Zu
ate Partnership
Derartige gemischtwirtschaftlich institutionalisierte Organisationsformen zur gemeinsamen Erfüllung einer in den Verträgen zur Gründung der Organisation definierten Aufgabe
durch öffentlichen und privaten Sektor werden als Erscheinungsformen von Public Private Partnerships eingeordnet.433 Selbst wenn man hinsichtlich dieser Zuordnung noch
431
Vgl. Burgi (Anm. 9) S. 139 f.
432
Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 296 f.
433
S. nur Matthias Habersack, Private public partnership: Gemeinschaftsunternehmen zwischen Privaten
und der öffentlichen Hand, ZGR 25 (1996), S. 543 ff.; Thomas Muthesius, Praktische Erfahrungen und
77
einen weitreichenden Konsens konstatieren mag, so fehlt es dem Begriff „Public Private
Partnership“ an hinreichender Konturierung, um Anknüpfungspunkt für Überlegungen
zur normativen Strukturierung von Kooperationen zwischen der Verwaltung und Privaten
sein zu können.434 Aus rechtswissenschaftlicher Sicht versprüht der Begriff „den Charme
des rechtlich Unverbindlichen“435, „umschreibt ... – Modernität suggerierend, aber rechtlich Unverbindliches transportierend – als schillernder Sammelbegriff unterschiedlichste
Erscheinungsformen der Kooperation zwischen Verwaltungsträgern und Privaten“436.
Selbst seine generelle Eignung, „bestimmte vertypte Formen der Kooperation von Verwaltung und Privaten zu sichten und zu analysieren mit Perspektive darauf, wiederkehrende Problemfelder, Eigenarten und spezifische Regelungsbedürfnisse zu erkennen und
dafür sachgerechte Lösungen bzw. Lösungsmodelle vorzubereiten, die mit konventionellen Instituten wie etwa gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, Beleihung und Verwaltungshilfe nicht oder nicht vollständig zu leisten sind“437, muss zurückhaltend beurteilt
werden. Die Vermutung einer solchen Eignung unterstellt bereits, dass sich aus dem Feld
der Public Private Partnerships stabile Formen und Problemlagen typisieren lassen, an die
für die Ermittlung von Regelungsbedürfnissen angeknüpft werden kann. Zum anderen
werden gerade Regelungsbedürfnisse angenommen, die sich mit tradierten Instrumenten
nicht bewältigen lassen. Beides kann die Kategorie der Public Private Partnerships nur
dann leisten, wenn sie inhaltlich strukturierbar ist. Dies jedoch muss beim derzeitigen
Stand der Diskussion aus verwaltungswissenschaftlicher wie verwaltungsrechtlicher Sicht
bezweifelt werden. Beispiele der Bemühungen um eine Definition von Public Private
Partnership mögen dies illustrieren:
„Public Private Partnership ist kein spezifisches Verfahren zur Lösung spezifischer
Aufgaben, sondern ein Sammelbegriff für unterschiedlichste Vorhaben, die nur eines gemeinsam haben: die enge Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure.“438
Probleme mit Public Private Partnership in der Verkehrswirtschaft, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public
Private Partnership, 1997, S. 169 (180 ff.).
434
Burgi (Anm. 9) S. 99.
435
So Tettinger (Anm. 13) S. 764.
436
So Friedrich Schoch, Public Private Partnership, in: Erichsen (Hrsg.), Kommunale Verwaltung im Wandel, 1999, S. 101 (103).
437
So Hartmut Bauer, Public Private Partnerships als Erscheinungsformen der kooperativen Verwaltung,
in. Stober (Hrsg.), Public-Private-Partnerships und Sicherheitspartnerschaften, 2000, S. 21 (25).
438
Werner Heinz/Carola Scholz, Public Private Partnership im Städtebau, 1996, S. 25.
78
Geringfügig inhaltsreicher sind Definitionen, die die Verfolgung eines gemeinsamen
Ziels hinzufügen:
„Unter dem Schlagwort >Public Private Partnership< wird heute ganz allgemein die
Zusammenarbeit der staatlichen Organe mit privaten Investoren zur Verwirklichung
eines gemeinsamen Zieles bzw. Projektes verstanden.“439
„Private Public Partnership ... ist ein Bündnis privater und öffentlicher Leistungsträger zur Bewältigung fest umrissener Aufgaben.”440
Auf der nächsten Stufe wird dieser Ansatz um den Gedanken der konzeptionellen Planmäßigkeit angereichert:
„Public Private Partnership (ist) als eine sektorenübergreifende strategische Allianz
zwischen privatem und öffentlichem Sektor zu charakterisieren.“441
Teilweise wird auf die Zielrichtung dieser Allianz hingewiesen:
Im Rahmen von Public Private Partnerships geht „der Staat ... strategische Allianzen und Privaten ein, um Finanzierungsquellen zu erschließen oder auch um privates Know-how der Wirtschaft einzubinden.“442
Den Anschluss an die Privatisierungstypologie sucht eine ähnliche Definition:
„Mit >Public Private Partnership< umschrieben werden die unterschiedlichsten
Formen eines Zusammenwirkens von Hoheitsträgern mit privaten Wirtschaftssubjekten, deren Einschaltung in die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von der Motivation des Verwaltungsträgers … her durchweg auf ihrer spezifischen Fachkompetenz und/oder ihrer Finanzstärke beruhen dürfte.”443
An die Erbringung einer staatlichen Leistung wird auch im folgenden Ansatz angeknüpft:
„Privat-gewerbliche, nicht-staatliche und staatliche Akteure kooperieren bei PPPs in
formellen Gremien oder gemischten Unternehmen, um Projekte umzusetzen und
Leistungen zu erstellen, die auch in staatlicher Eigenregie erbracht werden könnten.
Dafür bringen sie personelle, strategische und finanzielle Ressourcen ein.“444
Im unmittelbaren Gegensatz dazu hält es eine andere Begriffsbestimmung für unentbehrlich, dass die Leistung gerade nicht in staatlicher Eigenregie erbracht werden kann:
439
Georg Freiherr von und zu Franckenstein, Public Private Partnership in der Bauleitplanung, UPR 2000,
S. 288.
440
Lothar Späth/Günter Michels/Konrad Schily, Der Bürger erlebt sein Bottom up, in: dies. (Hrsg.), Das
PPP-Prinzip, 1998, S. 11 (22).
441
Sibylle Roggencamp, Public Private Partnership, 1999, S. 57.
442
Hermann Janning, Voraussetzungen eines kommunalen PPP-Managements, in: Walcha/Hermanns
(Hrsg.), Partnerschaftliche Stadtentwicklung, 1995, S. 40 (47).
443
Tettinger (Anm. 13) S. 764.
444
Christoph Strünck/Rolf G. Heinze, Public Private Partnership, in: Blanke/von Bandemer/Nullmeier/
Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform, 2. Aufl. 2001, S. 127 (129).
79
„Private Public Partnership ist die organisierte Zusammenarbeit von Personen und
Institutionen aus den verschiedensten Bereichen des öffentlichen sowie des privaten
Sektors zur gemeinsamen Bewältigung komplexer Probleme ..., die keiner der beteiligten Akteure aus eigener Kraft bewältigen kann.“445
In Abrückung von der Ausrichtung an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben wird in anderen Ansätzen die Verfolgung gemeinsamer Ziele in den Mittelpunkt gestellt:
„Public Private Partnership ... (ist) die auf besonderer vertraglicher Basis und längerfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen Trägern öffentlicher Aufgaben …
und privaten Einrichtungen und Unternehmen zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele“.446
Andere halten den Gesichtspunkt der langfristigen Zusammenarbeit wiederum für entbehrlich und wollen auch kurzfristige Kooperationen einbeziehen:
„Als rechtliche Grundtypen fungieren einerseits die auf Dauer angelegte gesellschaftsrechtliche Verbindung (Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens, GmbH oder AG) und andererseits die kurz- oder langfristig ausgerichtete
Leistungsaustauschbeziehung (Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrags wie
Kauf- oder Werkvertrag, Leasing, Factoring etc.)“.447
Hinsichtlich der inhaltlichen Kriterien wohl am verbreitetsten ist der von Budäus und
Grüning folgendermaßen unternommene Beschreibungsversuch:
Public Private Partnership „bedeutet
–
Interaktion zwischen öffentlicher Hand und Akteuren aus dem privaten Sektor,
–
Fokus auf Verfolgung komplementärer Ziele,
–
Synergiepotentiale bei der Zusammenarbeit,
–
Prozeßorientierung,
–
Identität und Verantwortung der Partner bleiben intakt und
–
die Zusammenarbeit ist (gesellschafts-)vertraglich formalisiert.“448
Diese Kriterien insbesondere das der Zielkomplementarität, sind vielfach rezipiert worden,449 ohne dass damit der Durchbruch zu einem operablen Begriffsverständnis verbun-
445
Rolf Kyrein, Baulandentwicklung in Public Private Partnership, 2000, Rn. 2.
446
Wolf Gottschalk, Praktische Erfahrungen und Probleme mit Public Private Partnership (PPP) in der
Versorgungswirtschaft, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, 1997, S. 153 (154).
447
Tettinger (Anm. 13) S. 765.
448
Dietrich Budäus/Gernod Grüning, Public Private Partnership – Konzeption und Probleme eines Instruments zur Verwaltungsreform aus Sicht der Public Choice-Theorie, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public
Private Partnership, 1997, S. 25 (54).
449
Vgl. Bauer (Anm. 23) S. 26; Schoch (Anm. 22) S. 103; Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung, in: Budäus/Eichhorn
(Hrsg.), Public Private Partnership, 1997, S. 93 (94).
80
den wäre. Die Abgrenzung zwischen Zielkonflikt und Zielkomplementarität besteht für
Budäus und Grüning in folgendem:
„Gemeint ist, ob die Art der Zusammenarbeit von vornherein den Charakter eines
Nullsummen-Spiels hat, bei dem der Vorteil des einen zum Nachteil des anderen
gereicht, oder ob durch die Zusammenarbeit ein gemeinsames Ziel erreicht werden
kann, wobei es eventuell über Wege zu dessen Erreichung zum Konflikt kommt.“450
Keine Public Private Partnerships wären danach von vornherein alle Beziehungen zwischen öffentlichem und privatem Sektor, bei der private Vertragspartner nicht an der von
ihm erstellten Leitung selbst, sondern nur an den damit verbundenen Einnahmen interessiert ist.451 Betriebsführungs- und Betriebsmodelle sowie die Erscheinungsformen des
Contracting Out sollen nicht erfasst sein.452 Andere Autoren, und zwar auch solche, die
das Kriterium der Zielkomplementarität bzw. der Verfolgung gemeinsamer Ziele für begriffswesentlich halten, sehen gerade diese Betriebs- und Vertragsmodelle als prägend für
das Verständnis von Public Private Partnership an.453
d)
greif
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g von Han
Verw
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ration als sektorenüb
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Zu
mmenfügun
gun
gung
Handdtiona
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litä
litäte
te
lun
lunggsra
srationa
tenn
Diese Zusammenstellung mag illustrieren, dass nach dem gegenwärtigen Stand der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion ein anschlussfähiges Begriffsverständnis von
Public Private Partnership (noch) nicht zur Verfügung steht. Das Spektrum des Zusammenwirkens zwischen öffentlichem und privatem Sektor ist zu breit, als dass es sich definitorisch komprimieren ließe. Die Offenheit der Entwicklung einer Kultur von Public
Private Partnership macht das Prozesshafte der Etablierung jenes Zusammenwirkens
deutlich. Zu Recht ist Public Private Partnership als „Element politischen Managements“
bezeichnet worden:454 Public Private Partnership bezeichnet Kooperation an der Schnittstelle zwischen Staat und Markt,455 ist also weder vom reinen Güter- und Leistungsaustausch bestimmte Marktbeziehung noch allein staatliche Erfüllung öffentlicher Aufgaben.
Staat und Markt treffen vielmehr zusammen, zur Erzielung von Synergieeffekten und zu
450
Budäus/Grüning (Anm. 34) S. 53.
451
So Budäus/Grüning (Anm. 34) S. 53.
452
Budäus/Grüning (Anm. 34) S. 52.
453
Vgl. nur Bauer (Anm. 23) S. 27; Gottschalk (Anm. 32) S. 159 ff.; Peter Eichhorn, Public Private Partnership und öffentlich-privater Wettbewerb, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership,
1997, S. 198 (200 f.); Klaus Sinz, Praktische Erfahrungen und Probleme mit Public Private Partnership
in der Entsorgungswirtschaft, in: a.a.O., S. 185 ff.
454
Strünck/Heinze (Anm. 30) S. 133.
455
Daniela Kirsch, „Public Private Partnership”, 1996, S. 29.
81
beiderseitigem Nutzen. Aus staatlicher Sicht ist die Partnerschaft mit Privaten Instrument
der Verantwortungsteilung.456 Staat und privater Partner definieren gemeinsam ein Ziel,
zu dessen Verwirklichung sie zusammenarbeiten. Anders als bei der Privatisierung tritt
hier der Gedanke der Verantwortungsgemeinschaft (dazu o. I 1) stärker hervor. Dass Definition und Modus zur Erreichung des Ziels intentional auf spezifischen Interessen der
Partner beruhen (z.B. Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe seitens der Verwaltung, Gewinninteressen des Privaten), ändert an dieser Zielgemeinschaft nichts.
Wenngleich solche Zielgemeinschaften nicht selten als Spielart oder Kombination verschiedener Privatisierungstypen verstanden werden,457 verengt ein solches Verständnis
den prozesshaften Charakter von Public Private Partnership. Kennzeichen von Privatisierungen ist die vollständige oder teilweise Verlagerung der Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe oder der Wahrnehmung der Aufgabenerfüllung auf ein
privates Rechtssubjekt. Privatisierung setzt mithin an der von dem Transfer betroffenen
öffentlichen Aufgabe an. Im Unterschied dazu stehen bei der Public Private Partnership
die Akteure und die zwischen ihnen durch die Partnerschaft geknüpften Beziehungen im
Vordergrund. Der private Partner sieht sich nicht mit präformierten öffentlichen Aufgaben konfrontiert, sondern bestimmt das Ziel, die zu erfüllende Aufgabe, inhaltlich mit.458
Dies kann sich in den Formen von Privatisierungen oder der Gründung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen vollziehen, ohne dass dies zwingend wäre.
Gemeinsam ist beiden Ansätzen, dem an der Privatisierung wie dem an einer Public Private Partnership, dass die Verantwortung des öffentlichen Sektors nicht ausgeblendet
wird. Wird die Typologie der Privatisierungen entscheidend durch die Zuordnung der
Aufgabenverantwortung geprägt, so kann sich der öffentliche Partner auch in einer Partnerschaft mit Privaten nicht der Verantwortung entziehen, auf eine sachangemessene und
rechtlich zulässige Implementation der öffentlichen Interessen in den Aushandlungsprozess zu achten. In beiden Fällen vollzieht sich vor dem – im einen Fall mehr, im anderen
Fall weniger deutlich werdenden – Hintergrund einer Verantwortung der Verwaltung eine
Teilung, Verlagerung oder gemeinschaftliche Entwicklung einer – zumindest auch – spezifisch öffentlichen Aufgabe.
456
Bauer (Anm. 23) S. 24 f.
457
Vgl. nur Tettinger (Anm. 13) S. 764 f.
458
Dazu Böhm (Anm. 11) S. 70 f.; Kirsch (Anm. 41) S. 32 ff.
82
Dies bedeutet zunächst, dass von solcher Verantwortungs- und Aufgabenspezifik nicht
geprägte schlichte Beschaffungsvorgänge aus dem Untersuchungsrahmen auszublenden
sind. Gleiches gilt für alle die Fälle in denen von einer Teilung von Verantwortung oder
der Bildung einer Verantwortungsgemeinschaft schon deshalb keine Rede sein kann, weil
die Inanspruchnahme privater Handlungskapazitäten durch Drohung mit hoheitlichem
Zwang erfolgt. Charakteristikum von Verantwortungsteilung bzw. -gemeinschaft ist die
Freiwilligkeit der Kooperation. Sie findet zwar nicht vollständig am Markt statt, sondern
ist auch aus Sicht des Privaten insofern am Staat ausgerichtet, als das Kooperationsinteresse des privaten Vertragspartners regelmäßig im Zugang zu Gütern und Problemlösungskapazitäten des öffentlichen Sektors besteht (s. u. IV 3 b). Doch ist bestimmend für
die Realisierung der Partnerschaft der für den Privaten realisierbare Kooperationsgewinn.
Auch der öffentliche Sektor ist auf den Einsatz seiner Tausch- und Marktmacht angewiesen, die der des Privaten durchaus unterlegen sein kann. Anders als der „subordinationsrechtliche“ Vertrag im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG erfolgen solche Kooperationen also
nicht im „Schatten der Hierarchie“459, sondern – jedenfalls im Grundsatz – hierarchiefrei.
Demgegenüber ist das – wie dargestellt – im verwaltungswissenschaftlichen Schrifttum
zur Kennzeichnung von Public Private Partnerships verwendete Kriterium der Zielkomplementarität nicht weiterführend. Es zwingt zur Differenzierung zwischen Primärund Sekundärzielen bzw. zwischen Zielen und Motiven, deren Abgrenzung häufig nicht
gelingt und an der funktionalen Austauschbarkeit verschiedener Kooperationsmodelle
scheitert460. Entscheidend ist vielmehr die Ersetzung oder Ergänzung öffentlicher Aufgabenerfüllung durch private Handlungsrationalität vor dem Hintergrund einer – im einzelnen noch zu bestimmenden (dazu u. VI 11 c bb) – Verantwortung der Verwaltung.
Um begriffliche Überfrachtungen des Untersuchungsfeldes durch die Diskussionen um
Privatisierung einerseits und Public Private Partnership andererseits zu vermeiden, wird
im folgenden für die untersuchungsleitenden Beziehungen zwischen öffentlichem und
privatem Sektor der Begriff der Verwaltungskooperation verwendet. Er nimmt zum einen
das partnerschaftliche Element auf, weist aber zum anderen auf die spezifische Stellung
und Verantwortung der Verwaltung als Kooperationspartner hin.
Neben den bereits ausgeschiedenen Vorgängen der Beschaffung von Gütern und Leistungen ohne Bezug auf die Zusammenfügung von Verantwortung der Verwaltung und pri459
Vgl. Fritz Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, PVS
1991, S. 621 (629).
460
Vgl. auch Bauer (Anm. 23) S. 27.
83
vater Handlungsrationalität sind keine Verwaltungskooperationen im geschilderten Sinne
die Phänomene formeller Privatisierung. Hier fehlt es an einer sektorübergreifenden Zusammenfügung von Handlungsrationalitäten. Ebenfalls keine Verwaltungskooperation in
dem dieser Untersuchung zugrundegelegten Verständnis stellt die Gründung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen durch öffentliche Hand und Private dar. Solche organisatorisch institutionalisierten Zusammenarbeiten führen zwar zu einer partnerschaftlichen
Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Ergänzung der Problemlösungskapazität der Verwaltung durch privates Kapital und privaten Sachverstand. Sie werden daher in der Regel
als Erscheinungsform von Public Private Partnerships angesehen.461 Doch sprechen vor
allem zwei Gründe für die Ausscheidung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen aus
dem Kreis von Verwaltungskooperationen im Sinne der vorliegenden Untersuchung: Zum
einen erfolgt die Erfüllung von Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen
nicht in einem komplementären oder substitutiven Verhältnis sektoral verschiedener
Handlungsrationalitäten. Die Zusammenführung von öffentlichem und privatem Sektor in
einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen führt vielmehr zu einer neuen, einer eigenen Handlungsrationalität des gemeinsam getragenen Rechtssubjekts. Zum anderen – und
dies ist Folge der eigenen Handlungsrationalität – unterliegen diese Verbindungen einem
spezifischen Rechtsregime, das versucht, die unterschiedlichen Rationalitätsebenen einzufangen: Einerseits unterliegt das Unternehmen den für wirtschaftliche Zusammenschlüsse
des Privatrechts geltenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen; andererseits ist der öffentliche Partner durch die Vorschriften des Haushaltsrechts (§ 65 BHO und die entsprechenden Bestimmungen der Landeshaushaltsordnungen) und des kommunalen Wirtschaftsrechts gehalten, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags seiner spezifischen Verantwortung Rechnung zu tragen. Insofern handelt es sich um eine Form der
Zusammenarbeit, die sich einer Normierung im Verwaltungsverfahrensgesetz weitgehend
entzieht.
Unter den Begriff Verwaltungskooperation fallen demnach in erster Linie Phänomene, die
oben in der Kategorie der funktionalen Privatisierung zusammengefasst wurden. Dies
sind die Fälle des Contracting Out, soweit es sich bei dem Beitrag des Privaten um eine
Ergänzung der eigentlichen Leistung der Verwaltung handelt, Betreiber- und Betriebsführungsmodelle sowie die Verfahrensprivatisierung. Anderes gilt für die Finanzierungsprivatisierung, sofern sie sich in der Zurverfügungstellung privaten Kapitals erschöpft. In
461
Nachw. o. Anm. 19.
84
diesem Fall geht es nicht um die Zusammenführung verschiedener Handlungsrationalitäten, sondern primär lediglich um eine Finanzierungsentlastung.
Erscheinungsformen von Verwaltungskooperation sind darüber hinaus Vorgänge der
materiellen Privatisierung. In der Privatisierungsdiskussion ist zu Recht auf den Prozesscharakter von Privatisierungen aufmerksam gemacht worden.462 Die Aufgabenverantwortung geht nicht unvermittelt von der Verwaltung auf das Privatrechtssubjekt über, sondern
wird zwischen den Beteiligten konkretisiert und in einem deren Interessen implementierenden Verfahren übertragen. Auch mit dem erfolgten Verantwortungswechsel endet die
Beziehung zwischen Verwaltungs- und privatem Aufgabenträger nicht notwendig. Vielmehr kann sich – in Abhängigkeit von der übertragenen Aufgabe – die Verantwortung der
Verwaltung von einer Erfüllungs- zu einer Gewährleistungsverantwortung wandeln (dazu
u. VI 11 c bb). Die fortbestehende Verantwortung der Verwaltung setzt zwar zuvörderst
auf private Handlungsrationalität, ohne sich jedoch hierin zu erschöpfen. Die Notwendigkeit, die Gewährleistungsverantwortung im Falle des Versagens des privaten Aufgabenträgers ggf. zu aktualisieren, zeigt, dass materielle Privatisierungen zu langfristigen Kooperationen zwischen öffentlichem und privatem Sektor führen können. Erscheidungsformen von Verwaltungskooperation sind über die genannten Phänomene funktionaler
und materieller Privatisierung hinaus solche Zusammenarbeiten zwischen der Verwaltung
und Privaten, die sich in Form einer partnerschaftlichen Aufgabendefinition und/oder erfüllung vollziehen.
Für die Qualifikation einer Interaktion zwischen Verwaltung und Privaten als Verwaltungskooperation unerheblich ist der Formalisierungsgrad der Beziehung. Wenngleich in
verwaltungswissenschaftlichen Stellungnahmen zum Problemkreis „Public Private Partnership“ als begriffsnotwendig nicht selten eine vertragliche oder – jedenfalls – in anderer
Weise formale Institutionalisierung als begriffswesentlich gefordert wird,463 ist zu Recht
darauf hingewiesen worden, dass eine solche begriffliche Verengung weder der Entwicklung noch der Interaktionsbezogenheit dieses Kooperationskonzepts entspricht464.
Verwaltungskooperation kann daher informell erfolgen, institutionell – z.B. in gemeinsamen Gremien – verfestigt oder vertraglich fixiert sein.
462
Bauer (Anm. 6) S. 254, 277 f.
463
Vgl. nur Budäus/Grüning (Anm. 34) S. 54.
464
Kirsch (Anm. 41) S. 26 f.
85
Ebenso unerheblich ist, welchem Rechtsregime die Verwaltungskooperation zuzurechnen
ist. Die Kooperation kann daher sowohl in den Formen des öffentlichen als auch denen
des Privatrechts erfolgen.
2.
fer
nzkooper
kooper
kooperaationen
Re
Refer
fereenz
Im folgenden sollen wichtige Referenzfelder von Verwaltungskooperationen erfasst und
in ihrer praktischen Ausgestaltung dargestellt werden. Im Anschluss wird der Versuch
unternommen, die Ziel und Interessenbewertungen in den untersuchten Kooperationsverhältnissen im Hinblick auf verallgemeinerungsfähige Anhaltspunkte für die Konzeption
eines Verwaltungskooperationsrechts zu analysieren. Aus der Fülle dessen, was insbesondere unter dem Stichwort „Public Private Partnership“ als Spektrum der Zusammenarbeit
zwischen öffentlichem und privatem Sektor diskutiert wird,465 können lediglich exemplarisch Fallgruppen herausgegriffen werden.
a)
a)
Stadt
adteent
ntwi
wickl
ckluung
wi
ckl
Eine der in der Praxis bedeutsamsten Bereiche der partnerschaftlichen Zusammenarbeit
von öffentlichem und privatem Sektor sind die Bereiche Städtebau, Stadtentwicklung und
Wirtschaftsförderung. Soweit es sich nicht um städtebauliche Maßnahmen im engeren
Sinne handelt, die mit dem Instrumentarium des Baugesetzbuchs, kooperativ insbesondere in Form der bereits behandelten (o. III 2 a) städtebaulichen Verträge durchgeführt werden, sind die Zusammenarbeiten meist durch zusätzliche Ziele wie kommunale Wirtschaftsförderung oder Verbesserung sozialer Problemsituationen unterlegt.466 Zur Durchführung größerer Entwicklungsprojekte werden meist Projektentwicklungsgesellschaften
gegründet, die als gemischt wirtschaftliche Unternehmen in den Rechtsformen des Gesellschaftsrechts von Verwaltungsträger und privaten Investoren gegründet werden, um
das gesellschaftsvertraglich definierte Projekt zu realisieren.467 Gesellschaftsrechtlich fi-
465
Vgl. nur Christoph Baron, Public-private-partnership-Konzepte für den IT-Markt, 1999; Wolfgang Becker, Interorganisationales Lernen durch Public Private Partnership, 1999; Anke Freisburger, Public Private Partnership in der kommunalen Museumsarbeit, 2000; Thomas Heinze (Hrsg.), Kulturfinanzierung:
Sponsoring-Fundraising-Public-Private-Partnership, 1999; Christiane Konegen-Gremier/ Mathias A.
Winde, Public Private Partnership in der Hochschullehre, 2000; Hans Mayrzedt (Hrsg.) Public Private
Partnership im öffentlichen Verkehr, 1999; ders. (Hrsg.), Privatwirtschaftliche Nutzerfinanzierung für
die Bundesfernstraßen als Public Private Partnership, 2000; Stephan Meeder, Public Private Partnership
zur Finanzierung von Flughafenprojekten in Europa, 2000; Bernd Vogel/Bernhard Stratmann, Public
Private Partnership in der Forschung, 2000.
466
Vgl. etwa Michael Kruzewicz, Lokale Kooperationen in NRW, 1993, S. 83 ff.
467
Beispiele bei Kruzewicz (Anm. 52) S. 53 ff.
86
xierte Partnerschaften, wie die Gründung einer Projektentwicklungs-GmbH, werden von
den Beteiligten allerdings im Nachhinein zuweilen als zu aufwendig sowie personal- und
kapitalbindend angesehen. Als Alternative wird eine Kooperation auf vertraglicher
Grundlage unterhalb der Ebene der Gesellschaftsbildung bezeichnet.468 In der Form einer
GmbH finden sich auch institutionalisierte Zusammenarbeiten zwischen Verwaltung und
privater Wirtschaft zur längerfristigen perspektivischen Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung.469 Solchermaßen gesellschaftsrechtlich verselbständigte Partnerschaften
sind nach den o. 1 d entwickelten Strukturüberlegungen keine Verwaltungskooperationen
im Sinne der vorliegenden Untersuchung.
Von einer Verwaltungskooperation kann hingegen gesprochen werden, wenn großmaßstäbliche Stadtentwicklungsplanung und kleinmaßstäbliche Stadt(teil)erneuerung im Zusammenwirken von Kommune, betroffenen Bürgern und privaten Investoren in informellen Foren vorbereitet und gefördert wird.470 Beispiele sind:
•
das Projekt integrierte Stadtentwicklung Duisburg-Ruhrort: Die Stadt Duisburg und
ein privater, in dem betreffenden Stadtteil ansässiger Konzern formierten ohne vertragliche Fixierung eine Koordinierungsgruppe, die Wohnumfeldmaßnahmen, Modernisierungsmaßnahmen, Planungs- und Neubauprojekte, Straßenbauten und Verkehrsberuhigung, Investitionen, Veranstaltungen und Veröffentlichungen vorbespricht, einleitet und in arbeitsteiliger Projektsteuerung umsetzt. Intention der Konzernspitze ist die Schaffung eines angemessenen Umfeldes für seine Mitarbeiter und
Besucher, Motiv der Stadt eine Bündelung der Kräfte und ein koordiniertes Zusammenführen von Finanzmitteln für die Stadtteilerneuerung.471
•
das Stadtforum für Arbeit und Wirtschaft Mülheim a. d. Ruhr: Beteiligt sind neben
der Stadt die IHK, der Einzelhandelsverband, die Kreishandwerkerschaft, der DGB,
die lokale Wirtschaft sowie die Wahlkreisvertreter in Europaparlament, Bundes- und
Landtag. Zwecke des Forums sind neben dem Austausch von Informationen vor allem die Beratung und Abstimmung in stadtentwicklungspolitischen Fragen mit wirtschaftlichem Bezug. Die von dem Stadtforum entwickelten Vorschläge sollen Ent-
468
Werner Heinz/Carola Scholz, Public Private Partnership im Städtebau, 1996, S. 213.
469
Vgl. das Beispiel der „Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg“, Kruzewicz (Anm. 52) S. 56 f.
470
S. Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, Staatswissenschaften
und Staatspraxis 1990, S. 50 (72).
471
Heinz/Scholz (Anm. 54) S. 81 ff.
87
scheidungshilfen für die Verwaltung und politischen Gremien sowie die Organe der
beteiligten Institutionen und Verbände sein.472
•
ZIEL Velbert: In Kooperation der maßgeblichen lokalen Akteure des öffentlichen und
des privaten Sektors werden Standortmarketing-Aktivitäten entwickelt und umgesetzt. Dabei werden die Marketingkonzepte in von einem Beratungsinstitut moderierten Workshops erarbeitet, an denen die lokalen Akteure aus Verwaltung, Verbänden, Vereinen und der Wirtschaft beteiligt sind. Konkretisierte Aufgabenstellungen
werden in Arbeitskreisen abgearbeitet, deren Aktivitäten durch eine von dem mit der
Projektbetreuung beauftragten Beratungsinstitut eingerichtete Koordinierungsstelle
koordiniert werden.473
•
Stadtsanierung Ettlingen: Zur Sanierung des Ettlinger Stadtkerns wurde ein Verfahren
gewählt, das die Bürgerschaft als Planer gewinnen und die Arbeit der Verwaltung
darauf beschränken sollte, „den bürgerschaftlichen Planungsprozeß zu organisieren,
eigene Ideen und Anregungen einzubringen, zu beraten sowie Wege für die Finanzierung der Maßnahmen aufzuzeigen“. In einem ersten Schritt erstellte der Planungsträger eine Problemanalyse und Grundsätze für ein Sanierungskonzept. Anschließend
wurde in der Gliederung mehrerer Arbeitsschritte von betroffenen Bürgern und Verwaltung ein Bebauungsplanentwurf erarbeitet. Ein aus Gemeinderatsmitgliedern, Planern und Fachleuten zusammengesetzter Sanierungsbeirat beriet Bürger und Planer
und begutachtete jede einzelne Baumaßnahme. Auf die Schaffung vertraglicher Verpflichtungen für diese Verhandlungsphase wurde verzichtet.474
b)
Infra
frastr
strukturleistun
uktur
le
istun
gen
str
ukturle
leistun
istungen
Ein weiter Erfahrungshorizont hinsichtlich der Gestaltung von Verwaltungskooperationen
lässt sich im Bereich der Infrastrukturleistungen, insbesondere der Ver- und Entsorgungswirtschaft zeichnen. Auch hier bleiben solche Public Private Partnerships, die in
Form eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens organisiert sind, außerhalb der Betrachtung. Beispiel für eine solche institutionalisierte Partnerschaft ist die SonderabfallManagement-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH, an der das Land Rheinland-Pfalz als
Mehrheitsgesellschafter sowie die Vereinigungen der privaten und der mittelständischen
472
Kruzewicz (Anm. 52) S. 58 f.
473
Kruzewicz (Anm. 52) S. 59 ff.
474
Josef Offele, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, in: Hill (Hrsg.), Verwaltungshandeln durch Verträge
und Absprachen, 1990, S. 90 (94 ff.).
88
Entsorgungsbetriebe der Sonderabfallentsorgung beteiligt sind. Aufgabe dieser Gesellschaft ist die Kontrolle und Steuerung der Entsorgung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle.475 Verwaltungskooperationen im vorliegend verwendeten Sinne sind dagegen:
•
Konzepte industrieller Klärverbünde: Das (schließlich gescheiterte) Klärverbundskonzept der in Ludwigshafen ansässigen BASF sah vor, dass mehrere Gemeinden
und Städte der näheren und weiteren Umgebung ihre Abwässer nach Bau eines entsprechenden Rohrleitungssystems in die Kläranlage der BASF einleiten sollten. Hierfür sollten die Kommunen einen festgesetzten Grundpreis pro Kubikmeter Abwasser
entrichten; der abzuschließende Vertrag sollte weitere Einzelheiten wie Anforderungen an das Abwasser hinsichtlich Menge und Schmutzfracht, Überwachung, Vertragsdauer und Haftungsfragen regeln.476 Zum Scheitern des Klärverbundskonzepts
führte die ablehnende Haltung der Stadt Speyer. Gründe hierfür waren, dass der
Weiterbetrieb der eigenen Kläranlage als wirtschaftlich günstiger angesehen wurde
sowie die Sorge, sich in eine langfristige Abhängigkeit von einem industriellen Kläranlagenbetreiber zu begeben, welche die Einflussnahme auf die Entsorgungssicherheit und -ausgestaltung erschweren würde.477
•
Privatisierungen von Entsorgungsleistungen: Als Beispiel mag die Privatisierung der
Abwasserentsorgung in Bremen dienen, in deren Verlauf die Abwasserentsorgung auf
eine privatrechtliche GmbH übertragen wurde. An dieser Gesellschaft hält die Stadt
Bremen zwar eine Minderheitsbeteiligung von 25,1 % der Anteile, so dass es sich an
und für sich um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen handelt. Jedoch kann die
Gestaltung des Privatisierungsvorgangs als paradigmatisch für ein Privatisierungsfolgenmanagement auch für Fälle einer materiellen Privatisierung gelten.
Zunächst wurde die bis dahin von einem Eigenbetrieb wahrgenommene Aufgabe der
Abwasserentsorgung auf eine formal privatisierte Einrichtung, die Abwasser Bremen
GmbH (ABG) übertragen. Aufgaben des Unternehmens sind „die Übernahme, der
Transport und die Behandlung des Abwassers der Stadtgemeinde Bremen ..., ebenso
475
Im einzelnen Arnold Heerd, Probleme der Organisation der Sonderabfallentsorgung in Rheinland-Pfalz,
in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, 2000, S. 181
(183 ff.).
476
Wolfgang Hoffmann, Das Klärverbundskonzept der BASF, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, 2000, S. 117 (120 ff.).
477
Vgl. Rolf Wunder, Probleme einer Kommune beim Anschluß an einen industriellen Klärverbund, in:
Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, 2000, S. 129 (130
ff.).
89
die Entwässerung öffentlicher Flächen, ... außerdem ... Management, Planung, Bau,
Betrieb und Unterhaltung der Anlagen. Damit verbunden ist die Entsorgung der anfallenden festen Abfälle, beispielsweise von Klärschlamm. ... Eine weitere Anforderung (an die ABG) besteht darin, hoheitliche Funktionen operativ wahrzunehmen, also
etwa den Anschlußzwang an das Kanalnetz zu vollziehen. (Sie) ... ist darüber hinaus
verantwortlich für die Indirekteinleiterüberwachung und achtet auf die Einhaltung der
vorgeschriebenen Grenzwerte. ... Gleichzeitig übernahm sie die Fakturierung und
Rechnungstellung im Namen und im Auftrag der Stadt, wobei sie sich eines Dritten,
des örtlichen Wasserversorgungsunternehmens bediente.“ Anschließend wurde die
Anteilsveräußerung ausgeschrieben und unter den Unternehmen, die sich beworben
hatten, in einem mehrrundigen Qualifikationsverfahren der Partner ausgewählt.478
Die gewählten vertraglichen Lösungen wurden wesentlich durch die Motive der Kooperationspartner bestimmt. Das die Anteile erwerbende private Unternehmen hatte
das Ziel, in einer Wachstumsbranche zu diversifizieren sowie zusammen mit Versorgungsangeboten Infrastrukturdienstleistungen komplett anbieten zu können. In Anbetracht der hohen Festkosten bestand das Hauptrisiko in einem Rückgang der Abwassermengen. Die Stadt Bremen erhoffte sich zum einen einen Mittelzufluss für den
Haushalt und wollte – möglichst ohne selbst Gewährleistungen übernehmen zu müssen – alle Chancen und Risiken auf den Privaten überwälzen. Entsorgungssicherheit
sollte ebenso gewährleistet werden wie Gebührenstabilität.479
Das Vertragswerk bestand aus drei Abschnitten: dem Anteilskauf- und -abtretungsvertrag, dem Vertrag über die Einbringung des Teilbetriebs Abwasser aus dem städtischen Eigenbetrieb in die ABG sowie der Vertrag zur Übertragung der Aufgabendurchführung in Form von vier Leistungsverträgen. Durch den Einbringungsvertrag
wurden sämtliche Kläranlagen, alle nicht zum Abwassernetz gehörenden Anlagen sowie langfristige Rückstellungen für eine Klärschlammdeponie in die ABG eingebracht. Das Kanalnetz verblieb im Eigentum der Stadt, die ABG erwarb das Nutzungsrecht für die Dauer von 30 Jahren. Zentraler Punkt bei der Aushandlung der
Leistungsverträge war die Regelung der Beendigung der Leistungsbeziehung infolge
Konkurses der ABG oder aus anderen Gründen. Vereinbart wurde die Pflicht der
ABG, das Kanalnetz und die Anlagen nach bestimmten Richtlinien zu behandeln, zu
478
Jürgen Schoer, Die Privatisierung der Abwasserentsorgung in Bremen, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft
und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, 2000, S. 107 (107 f.).
479
Schoer (Anm. 64) S. 109 ff.
90
sanieren und instandzuhalten. Verletzungen dieser Pflicht haben zur Folge, dass die
Stadt beim kontrahierten Rückkauf zum Restbuchwert Abschläge machen kann. Maßnahmen zur Pflege des Kanalnetzes werden gemeinsam besprochen und in einem
Konzept fixiert. Zur Organisation dieses Teils und anderer Teile des Vertragsmanagements werden in dem Eigenbetrieb weiterhin eine Einheit von fünf Personen vorgehalten. Für die Übernahme der Abwasserentsorgung erhält die ABG von der Stadt
ein Entgelt, während im Verhältnis zum Bürger allein die Kommune auftritt.480
•
Betreibermodelle: Bei dem sowohl in der Ver- als auch in der Entsorgungswirtschaft
verbreiteten Betreibermodell übernimmt ein privater Unternehmer vertraglich Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb einer Ver- oder Entsorgungsanlage auf eigene
Rechnung, wofür er von dem dem öffentlichen Sektor zugehörenden Vertragspartner
ein Entgelt erhält. Die Gebühren werden von der Verwaltung beim Anschlussnehmer
erhoben. Wesentliche Elemente eines Betreibervertrags sind
–
Pflichten und Leistungen des Betreibers,
–
Leistungserbringung durch die Kommune,
–
Regelungen zur Übernahme von Altanlagen,
–
Festschreibung und Spezifizierung der durchzuführenden Baumaßnahmen,
–
Kontrollrechte der Gemeinde,
–
Haftungsregelungen,
–
Vergütungsregelungen mit Anpassungsklauseln,
–
Preisgestaltungsregeln,
–
nachträgliche Erweiterungen und Veränderungen der Anlage,
–
Genehmigungs- und Betriebsvoraussetzungen,
–
Vertragsbeendigungsbestimmungen mit Entschädigungsregelungen für den Restwert der Anlage,
–
Kündigungsrechte und Bestimmungen zur vorzeitigen Beendigung des Vertrags,
–
Konkurs des Betreibers sowie
–
höhere Gewalt.481
Zur Klärung sich aus der Durchführung des Vertrags ergebender Probleme wird zuweilen die Einsetzung eines paritätisch von Verwaltung und Unternehmen – ggf. unter
Hinzuziehung einer neutralen Person – besetzten Beirats vorgesehen.482
480
Schoer (Anm. 64) S. 108, 111 ff.
481
Sinz (Anm. 39) S. 189.
482
Vgl. Christoph Brüning, Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben, 1997, S. 175.
91
Wegen der fortbestehenden Aufgabenverantwortung der Verwaltung wird auf die
Notwendigkeit hingewiesen, für die tatsächliche Wahrnehmbarkeit von Informations-,
Kontroll- und Weisungsrechten Sorge zu tragen. Deshalb müsse zum einen ein Berichtswesen zwischen der Verwaltung und dem Unternehmen aufgebaut werden und
die Verwaltung zum anderen zur Vermeidung von Abhängigkeiten entsprechendes
Personal und Know how vorhalten.483
•
Betriebsführungsmodell: Es beinhaltet eine Übertragung der Führung des Betriebes
mit den dem Verwaltungsträger gehörenden Anlagen im Namen und auf Kosten der
Gemeinde auf einen Privaten.484
c)
Umw
weltschutz
Um
Verwaltungskooperationen finden sich auch im Bereich des Umweltschutzes, dürfen aber
nicht mit den verschiedenen Ausprägungen des Kooperationsprinzips im Umweltschutzrecht verwechselt werden. Empirische Befunde weisen darauf hin, dass umweltschutzbezogene Kooperationsverhältnisse überwiegend informell organisiert und kommunikationsorientiert sind.485 Sofern aktionsorientierte Kooperationen ermittelt wurden, betrafen
sie den Bereich Abfallwirtschaft, der vorliegend dem Referenzgebiet Infrastrukturleistungen zugeordnet wurde (o. 2 b). Dabei ist zu beachten, dass informelle Projektabsprachen
wie an die Stelle des Erlasses nachträglicher Anordnungen betr. die Anlage tretenden Sanierungsabsprachen oder die im beiderseitigen Einvernehmen erfolgende Duldung
rechtswidriger Zustände486 keine Verwaltungskooperationen im vorliegend verwendeten
Sinne sind. Insoweit wird öffentliche Aufgabenerfüllung nicht durch private Handlungsrationalität ersetzt oder ergänzt, sondern lediglich ein sonst durch hoheitliche Instrumente
erzwingbarer Erfolg auf andere Weise herbeigeführt.487 Entsprechendes gilt für die Bewertung des Phänomens normersetzender Absprachen, insbesondere in Form der sog.
483
Sinz (Anm. 39) S. 190.
484
Brüning (Anm. 68) S. 169 ff.
485
Kruzewicz (Anm. 52) S. 91.
486
Zu diesem Problemkomplex Albrecht Randelzhofer/Dieter Wilke, Die Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandelns, 1981; Georg Hermes/Joachim Wieland, Die staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens, 1988; Jürgen Fluck, Die Duldung unerlaubten Betreibens genehmigungsbedürftiger Anlagen,
NuR 1990, S. 197 ff.; Stephan Tomerius, Informelle Projektabsprachen im Umweltrecht, 1995, S. 23 ff.
487
Vgl. Tomerius (Anm. 72) S. 38: „Der Betreiber zeigt sich zumeist kooperativ, da er unter dem Damoklesschwert einer Genehmigungsversagung oder Stillegungsverfügung steht.“
92
Selbstbeschränkungsabkommen.488 Den Grund hierfür hat Ernst Hasso Ritter treffend benannt:
„Der Staat kann sich aus der Verantwortung für das Politikfeld Umwelt nicht
zurückziehen. Sein wesentlichstes Gestaltungsinstrument ist das Recht. ...
(Bei kooperativen) Strukturen ... wird es sich überwiegend um eine rechtlich
verordnete Solidarität handeln. „Freiwillige“ Kooperationen sind gewiß auch
in Zukunft unentbehrlich, bleiben jedoch insgesamt subsidiär.“489
Auch andere Ausprägungen des umweltrechtlichen Kooperationsprinzips können nicht als
Verwaltungskooperationen verstanden werden. Beispiele sind kooperativ geprägte, normativ vorgegebene Instrumente wie das Duale System und die betriebliche Eigenüberwachung, insbesondere in Form von Betriebsbeauftragten. Hierbei handelt es sich nicht um
ein zwischen Markt und Staat ausgehandeltes Zusammenführen unterschiedlicher Handlungsrationalitäten, sondern um eine staatlich verordnete Selbststeuerung der Wirtschaft.490 Wenngleich in weitaus stärkerem Maße auf marktdeterminierte Freiwilligkeit
setzend, gilt nichts anderes für Anreizsysteme wie das Umwelt-Audit.491
d)
Sozialwesen
Sozia
lwese
senn
Zu einem ergiebigen Referenzgebiet für Verwaltungskooperationen hat sich in den letzten
Jahren die Sozialpolitik entwickelt. Auch hier finden sich funktionale Privatisierungen
wie das
•
Betriebsführungsmodell. So wurde in einem zwischen der Stadt Stuttgart und einer
privaten Klinikgesellschaft geschlossenen Vertrag vereinbart, dass die Gesellschaft
den Betrieb eines städtischen Krankenhauses übernimmt. Ziel der Stadt war die Senkung der den Haushalt belastenden Betriebskosten, während die private Gesellschaft
an einer Gewinnerzielung interessiert war. Die Verknüpfung dieser Ziele erfolgte über eine von den erreichten jährlichen Ergebnisverbesserungen abhängige Prämie, die
von der Stadt an die Gesellschaft zu zahlen war. Die wesentlichen Entscheidungen
bezüglich Krankenhausstruktur, Organisation und Recht, Personalwesen sowie Fi-
488
Dazu Joachim Scherer, Rechtsprobleme normersetzender „Absprachen“ zwischen Staat und Wirtschaft
am Beispiel des Umweltrechts, DÖV 1991, S. 1 ff.
489
Ritter (Anm. 56) S. 78.
490
Vgl. Hans-Joachim Koch, Vereinfachung des materiellen Umweltrechts, NVwZ 1996, S. 215 (218);
Rupert Scholz/Josef Aulehner, Grundfragen zum Dualen System, BB 1993, S. 2250 (2253).
491
Zur Qualifikation als rechtlicher Steuerung von Selbststeuerung vgl. Rainer Pitschas, Duale Umweltverantwortung von Staat und Wirtschaft, in: Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung, 1997, S. 269 (272).
93
nanzwesen wurden durch den Vertrag einem von der Gesellschaft gestellten Krankenhausdirektor übertragen.492
Andere Beispiele sind
•
Aufgabenübertragungsverträge wie die zwischen dem Land Berlin und der Liga der
Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bzw. dem Verein zur Förderung von
Selbsthilfe-Kontaktstellen abgeschlossenen Verträge. Ziel der Verträge ist die eigenverantwortliche Verwaltung und Bewilligung von Haushaltsmitteln Berlins durch die
Verbände zur Förderung und Finanzierung bestimmter sozialer Projekte auf der
Grundlage allgemein definierter Leistungsstandards. Als Vorteil für die Verwaltung
wurde die Problemnähe der Verbände angesehen, die durch die Vereinbarungen als
Verwaltungskapazität genutzt wurde. Seitens der Verbände bedeutete die Möglichkeit, die Haushaltsmittel des Vertragspartners verwalten zu können, eine Steigerung
der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Die Vertragspartner verpflichteten sich, den
jeweiligen Vertrag in partnerschaftlicher Weise durchzuführen und die damit verbundene Zielsetzung weiter zu entwickeln. Im einzelnen wurden wechselseitige Berichtsund Informationspflichten vereinbart und die von dem privaten Vertragspartner wahrzunehmenden Aufgaben benannt. In beiden Fällen wurde ein Kooperationsgremium
eingesetzt, das u.a. die Aufgaben hat, Zweifelsfragen bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages zu beraten und zu klären und über Finanzierungsfragen zu entscheiden. Der eine Vertrag sah eine Zusammensetzung des Kooperationsgremiums
unter Beteiligung der Vertragspartner und anderer sachkundiger Personen und Institutionen vor, während das andere Gremium von den Vertragspartnern paritätisch beschickt wurde; ein in dem letzteren Kooperationsgremium erzielter Konsens sollte für
die Vertragsparteien bindend sein.493
492
Vgl. Schuppert (Anm. 35) S. 95 ff.
493
Vgl. Schuppert (Anm. 18) S. 292 ff.
94
e)
nnere
re S
Sic
erhheiitt
Inne
Siicher
Als letztes Referenzgebiet seien die sog. Sicherheitspartnerschaften („Police-Private-Partnership“) herangezogen.494 Neben gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, die nichthoheitliche Bewachungs-, Sicherungs- und Ordnungsaufgaben durchführen,495 finden sich
auch Modelle von Verwaltungskooperation. Beispiele sind
•
Kooperationsvereinbarungen zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten. In
ihnen sind u.a. der Informationsaustausch zur Ergänzung des polizeilichen Lagebilds,
die Einrichtung von Informations- und Ansprechstellen sowie die Durchführung gemeinsamer Besprechungen geregelt.496
•
übergreifende Aktionsarenen, die wie das Brandenburgische Konzept der „Sicherheitspartnerschaft“ engagierte Bürger in die Konfliktprävention einbinden oder entsprechende Vereinbarungen mit privaten Vereinen schließen.497
•
Contracting Out-Phänomene wie der Einsatz Privater bei der Überwachung öffentlicher Räume.
3.
Ziel
enbe
we
Verw
rw
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altung
altungsk
sk
skooper
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Ziel-- und Interess
ressenbe
enbewe
werrtungen in Ve
Vereinbart man, aus der skizzierten Phänomenologie von Verwaltungskooperationen für
eine rechtliche Strukturierung relevante Ziel- und Interessenbewertungen zu generieren,
so kann grundsätzlich zwischen gesamtgesellschaftlichen Zielen, den Individualzielen der
Akteure und den gemeinsamen Zielen der Kooperationspartner unterschieden werden.498
Im vorliegenden Zusammenhang nicht untersuchungsbedürftig sind dabei die gesamtgesellschaftlichen Ziele. Sie speisen sich aus politisch oder gesellschaftlich definierten Leitvorstellungen, die in Form der Verantwortungsteilung bzw. -gemeinschaft im aktivierenden Staat bereits entwickelt wurden (o. I 1).
494
Dazu Andreas Peilert, Police Private Partnership, DVBl. 1999, S. 282 ff.; Rolf Stober, Police-PrivatePartnership aus juristischer Sicht, DÖV 2000, S. 261 ff.
495
Vgl. zur Dresdner Sicherheits- und Servicegesellschaft mbH Martin Schulte, Gefahrenabwehr durch
private Sicherheitskräfte im Lichte des staatlichen Gewaltmonopols, DVBl. 1995, S. 130.
496
S. Bülow/Hohnen, Zusammenwirken zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, Die Polizei
2000, S. 65 ff.
497
Dazu Christoph Gusy, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat: Duale Sicherheitsverantwortung, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 115 (123 f.).
498
Kirsch (Anm. 41) S. 101 ff.
95
Das Bestehen gemeinsamer Ziele kann nicht für jede Verwaltungskooperation angenommen werden. Gemeinsame Ziele liegen vor allem bei strategisch angelegten Kooperationen vor. Beispiele sind die Stadtentwicklungskooperationen und -foren, bei denen das
gemeinsame Ziel vor allem in einer Attraktivitätssteigerung der entsprechenden Standorte
besteht, oder die übergreifenden Aktionsarenen auf dem Gebiet der Sicherheitspartnerschaften, durch die gemeinsam eine Erhöhung des Sicherheitsstandards angestrebt wird.
Dabei müssen die hinter dieser Zielgemeinschaft stehenden Interessen der Kooperationspartner nicht altruistischer Natur sein: Die Steigerung der Standortattraktivität dient sowohl den Haushaltsinteressen der Kommune als auch den wirtschaftlichen Interessen der
ansässigen Wirtschaftsunternehmen; die Gewährleistung von Sicherheit ist sowohl Aufgabe der zuständigen staatlichen Organe als auch ein höchst individuelles Interesse. Allerdings darf Zielgemeinschaft nicht mit Zielidentität verwechselt werden. Verwaltungskooperation ist gerade die Zusammenfügung unterschiedlicher Handlungsrationalitäten,
um dadurch von den Partnern jeweils für sich definierte Ziele besser erreichen zu können.
Eine Zielgemeinschaft liegt daher auch vor, wenn „die Partner ein wechselseitiges Interesse daran (i.e.: der Verwaltungskooperation) haben und in Erwartung eines Nicht-NullSummen Spiels einen Prozeß der Zusammenarbeit in Gang halten, für den fundamentale
Konfliktsituationen eher die Regel als die Ausnahme sind“.499 Zur Zielgemeinschaft
kommt es dadurch, dass der Kooperationspartner zur Realisierung von Synergieeffekten
bezüglich der Erreichung der jeweiligen Individualziele benötigt wird.
In Anbetracht der Vielgestaltigkeit aufzufindender Verwaltungskooperationen ist es nicht
möglich, die denkbaren Kooperationsziele möglicher Akteure erschöpfend zu ermitteln.
Benannt werden können insoweit nur typisierte Zielvorstellungen, die für die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts ggf. fruchtbar gemacht werden können.
aa))
Vo
Vorteile
rteile und Risiken für die Ve
Verwaltun
rwaltun
rwaltungg
Auf Seiten der Verwaltung lassen sich insbesondere folgende, durch eine Verwaltungskooperation anzustrebende Vorteile ausmachen:
•
Finanzierungsentlastung: Privates Kapital wird in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingebunden und trägt dadurch zu einer Schonung von Haushaltsmitteln bei.
•
Optimierung der Leistungserbringung: Privates Know how sowie privatwirtschaftliches Effizienzdenken und Engagement sollen die Leistung gegenüber einem Handeln
499
Kirsch (Anm. 41) S. 127.
96
allein der Verwaltung inhaltlich und hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Relation besser
erbringen.
•
Organisations- und Prozessentlastung: Der private Partner soll die Verwaltung zumindest teilweise davon entlasten, Leistungserbringungsprozesse in vollem Umfang
selbst steuern und die dafür erforderlichen organisatorischen Ressourcen vorhalten zu
müssen. In unterschiedlichem Umfang soll der Private die Verwaltung vom Risiko
der Leistungserbringung entlasten.
•
Flexibilisierung: Durch die partnerschaftliche Einbindung privater Handlungsrationalität sollen im Vergleich zur Leistungserbringung in rein administrativer Handlungsrationalität Flexibilisierungsgewinne erzielt werden.
•
Akzeptanz- und Imagegewinn: Kooperativ erarbeitete und realisierte Lösungen werden u.U. eher akzeptiert als von der Verwaltung einseitig durchgeführte Maßnahmen.
Darüber hinaus kann eine partnerschaftliche Kooperation mit Privaten eine Öffnung
für gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen signalisieren und so zu einer Verbesserung der Einschätzung der Verwaltung „von außen“ beitragen.
Diesen mit Verwaltungskooperationen verbundenen Vorteilen stehen allerdings aus Sicht
der Verwaltung einige Risiken gegenüber:
•
Unterschiedliche Marktmacht: Ist die Verwaltung allein zur Erbringung der geplanten
Leistung nicht in der Lage und auf die Kooperation mit dem Privaten angewiesen, so
können von vornherein Asymmetrien in der Ausgestaltung des Kooperationsverhältnisses entstehen (Bsp.: kleine Kommune/kapitalstarker und kooperationserfahrener
Investor).
•
Informationsasymmetrien: Insbesondere wenn die Verwaltung nicht über das technische und wirtschaftliche Know how des Privaten verfügt, ergibt sich für diesen ein
Informationsvorsprung, der die Gleichgewichtigkeit der Partnerschaft gefährdet.
•
Unterliegen des öffentlichen Interesses: Die Nutzbarmachung privatwirtschaftlichen
Effizienz- und Gewinndenkens zur Optimierung der Leistungserbringung birgt das
Risiko, dass die Gewinnmaximierung zum Nachteil des mit der Kooperation verbundenen öffentlichen Interesses durchgesetzt wird. Zusätzlich besteht die Gefahr einer
Einigung zu Lasten Dritter, beispielsweise des gebührenzahlenden Bürgers.
97
•
Verlust der eigenen Steuerungsfähigkeit: Vor allem auf längere Dauer angelegte Kooperationen können dazu führen, dass die Verwaltung den Einfluss auf den Leistungserbringungsprozess verliert. Der mit der Verlagerung der Leistungserbringung
in die Verwaltungskooperation ggf. verbundene Abbau eigener organisatorischer
Ressourcen kann eine Überprüfung und Beeinflussung des Leistungsniveaus verhindern. Die Verwaltung ist u.U. nicht mehr in der Lage, die Leistung selbst zu erbringen. Dies hat Bedeutung zum einen für den Fall der Beendigung der Kooperation.
Zum anderen kann eine wachsende Abhängigkeit der Verwaltung von dem privaten
Kooperationspartner entstehen, welche schon im Vorfeld einer Beendigung die Gewichte zugunsten des Privaten verschiebt und es diesem ermöglicht, Druck auf die
Verwaltung auszuüben.
•
Abbau von demokratischer Kontrolle und Legitimation: Verwaltungskooperationen
können sich zu einer intermediären Ebene zwischen öffentlichem und privatem Sektor verselbständigen, die sich demokratischen Legitimations- und Steuerungsmechanismen mehr und mehr entzieht.
b)
Vo
rteile und Risiken für den Privaten
Vorteile
Für den Privaten stehen folgende – typisierte – Vorteile einer Verwaltungskooperation im
Vordergrund:
•
Akquisition von Geschäftsfeldern: Durch die Kooperation mit der öffentlichen Hand
will der Private seine Geschäftstätigkeit in weitere Bereiche ausdehnen.
•
Gewinnerzielung: Die Erbringung der in Kooperation vereinbarten Leistung soll zu
einem wirtschaftlichen Gewinn bei dem privaten Kooperationspartner führen. Dies
kann in Form eines von der Verwaltung gezahlten Entgelts, einer Gewinnbeteiligung,
in der Realisierung von Veräußerungsgewinnen oder auf andere Weise erfolgen.
•
Nutzung der Problemlösungskapazität der Verwaltung: Die Verwaltungskooperation
eröffnet dem Privaten Zugang zu den spezifischen Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung und deren informationellen und organisatorischen Ressourcen. Hierdurch
kann sich möglicherweise eine Beschleunigung des Realisierungsprozesses gegenüber einem rein privaten Vorgehen ergeben.
•
Beeinflussbarkeit der Ergebnisse: In der Verwaltungskooperation kann der Private
Einfluss auf die Gestaltung des Prozesses und das Ergebnis der Leistungserbringung
98
nehmen; diese Einflussnahmemöglichkeiten wären ihm bei einem alleinigen Handeln
der Verwaltung verschlossen geblieben.
•
Verbesserung der Rahmenbedingungen eigenen Handelns: Durch die kooperative
Unterstützung der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe soll das Umfeld für eigene
Aktivitäten verbessert werden (Bsp.e: Standortattraktivität, Sicherheit).
•
Imagegewinn: Mit der Beteiligung an der Erstellung öffentlicher Leistungen kann ein
Image als engagierter und zuverlässiger Bürger und Unternehmer verbunden sein,
dessen Handeln auch der Allgemeinheit zugute kommt.
Die mit einer Verwaltungskooperation für den privaten Kooperationspartner verbundenen
Risiken dürften geringer als die für die Verwaltung sein. Neben der Nichtrealisierung von
Gewinnerwartungen, welche allerdings kein spezifisches Risiko einer Kooperation gerade
mit der Verwaltung ist, bestehen drohende Nachteile vor allem in der Verkennung der
Besonderheiten des öffentlichen Sektors:
•
Gewinn- und effizienzhemmende Rücksichtnahme auf öffentliche Interessen: Anders
als der private Kooperationspartner ist die Verwaltung nicht an Gewinn und nicht
ausschließlich an Effizienz interessiert. Die vom Privaten in dieser Form oder Intensität nicht vorhergesehene Implementation von öffentlichen Interessen in den Kooperationsprozess kann zu einer Ungleichgewichtigkeit zu Lasten des Privaten führen.
•
Fehlende Handlungsautonomie: Politische Einflussnahmen und das Ziel der Verwaltung, Kooperationsprozess und -ergebnisse dominierend steuern zu können, führen
nicht zu einer Erweiterung, sondern einer Verengung eigener Handlungsspielräume in
der Kooperation.
•
Informationelle Unterlegenheit: Der Private wird nicht über kooperationsrelevante
politische Weichenstellungen informiert und von den informationellen Ressourcen
der Verwaltung abgeschnitten. Über die Zuteilung von Information reguliert die Verwaltung die Abhängigkeit des Privaten.
•
Unsicherheit hinsichtlich des Fortbestandes der Verwaltungskooperation: Selbst wenn
die Partnerschaft aus Sicht beider Vertragspartner mit Blick auf die ursprünglich definierten Ziele erfolgreich war, kann die Fortsetzung der Kooperation durch die Berührung von öffentlichen Interessen gefährdet sein, die von den Partnern nicht berücksichtigt worden sind.
99
c)
c)
ematisieruung de
derr Vor
Vortteile und Risiken
Systematisier
Der Versuch, die dargestellten Vor- und Nachteile in ihrem mit Blick auf die Entwicklung
eines Verwaltungskooperationsrechts relevanten Relationen zusammenzufassen, könnte
wie folgt aussehen:
Gut
Verw
erwaaltung
Vor
Vorteil
Ri
Risik
siko
Privater
ater
Priv
Vor
Vorrtteil
Vo
Geld
Finanzierungsentlastung
Information/
Know how
Nutzung privater Ressourcen
Informationsasymmetrie
Handlungsspielräume
Organisationsund Prozessentlastung
Verlust der
eigenen Steuerungsfähigkeit
Akquisition/
Gewinn/
Entlastung
Beteiligung an/
Nutzung von
Ressourcen der
Verwaltung
Beeinflussbarkeit der Ergebnisse
sektorale
Eigenrationalität
Nutzung privatwirtschaftlichen
Gewinn- und
Effizienzdenkens/Flexibilität
Gewinn
Unterliegen des
öffentlichen Interesses/Abbau
demokratischer
Kontrolle
Zugang zu spezifischen Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung
Image
Gewinn
Ri
Risik
siko
Gesta
ltung
Gestaltung
ltungsserung
anford
anforderung
Marktbestimmter Ausgleich
Informationelle Unterlegenheit
Fehlende
Handlungsautonomie
Durchsetzung
der öffentlichen Interessen/fehlende
Kalkulierbarkeit
Vereinbarung
eines Informationsmanagements
Vorhaltung einer
handlungsfähigen
Struktur/vertragliche Absicherung
bzw. Ausschließung
von Einwirkungsmöglichkeiten
Offene Interessenbewertung/Vereinbarung eines Interessenausgleichs
Öffentlichkeitsarbeit
100
St
Stan
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dort
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Die Frage nach dem Standort einer Normativierung des Rechts von Verwaltungskooperationsverhältnissen führt aus verwaltungsrechtlicher Sicht auf die Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht zurück. Damit ist allerdings nicht
indiziert, dass das Recht der Verwaltungskooperationen notwendig dem Verwaltungsrecht
als Teil des öffentlichen Rechts zuzuordnen sein müsste. Verwaltungskooperation kann
sich auch – möglicherweise sogar hauptsächlich – in den Formen des Privatrechts vollziehen. Welche Folgerungen hieraus für eine eventuelle gesetzliche (Neu-)Regelung von
Kooperationsverhältnissen zu ziehen sind, ist noch zu untersuchen (dazu u. VI 3). Im
Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausgeblendet wird jedenfalls die Überlegung, im
bürgerlichen Recht Sonderregelungen für Verwaltungskooperationen zu verankern. An
dieser Stelle kann es allein um die Alternative gehen, Regelungen im Allgemeinen Verwaltungsrecht und/oder in den Fachgesetzen des besonderen Verwaltungsrechts vorzusehen.
einem und besonder
besondereem Ve
Verw
rw
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altungssrecht
1. Funktional
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Untersch
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Begreift man das allgemeine Verwaltungsrecht – zumindest auch – als Auftrag500, so wird
deutlich, dass das hier zugrunde gelegte Verständnis Schmidt-Aßmanns Grundlegungen
zum allgemeinen Verwaltungsrecht als offenem System verpflichtet ist. „Das allgemeine
Verwaltungsrecht ist (in den Worten Schmidt-Aßmanns) ... kein Gebiet der Statik, sondern der Flexibilität.“ „Neue Theorieansätze werden in seinem Rahmen diskutiert und
erprobt.“501 Das damit gezeichnete Bild des allgemeinen Verwaltungsrechts zeigt kreative
Unruhe, Experimentierfreudigkeit, Innovationsoffenheit. Allerdings darf sich dieser Zugang nicht ungeteilter Zustimmung gewiss sein. Die Bewertungsdiskrepanzen entstehen
daraus, dass das allgemeine Verwaltungsrecht eben nicht das Verwaltungsrecht ist, sondern hierzu erst in der Ergänzung durch das besondere Verwaltungsrecht wird. Die Verteilung der Rollen zwischen Allgemeinem und Besonderem ist leitend für die Bestimmung der Funktionen des allgemeinen Verwaltungsrechts. Dessen dynamisches Potential
500
Eberhard Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht vor den Herausforderungen neuer europäischer Verwaltungsstrukturen, in: Haller/Kopetzki/Novak (Hrsg.), Staat und Recht. FS Günter Winkler, 1997, S. 995 (1000); ders., Zur Funktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Verw. 1994, S. 137
(141).
101
wird durchaus unterschiedlich wahrgenommen. Für Hoffmann-Riem ist der „Innovationspool“, das „Regulierungslaboratorium der Rechtsordnung“, das besondere Verwaltungsrecht.502 Das allgemeine Verwaltungsrecht spielt in diesem Bild den Part des tagespolitischer Aufgeregtheit entrückten ruhenden Gegenpols, des Dauerhaften.503 Zwar wird eingeräumt, dass das allgemeine Verwaltungsrecht als System anpassungs- und aufnahmefähig bleiben muss. Jedoch wird die Rückkoppelung an bereichsübergreifende Trends des
besonderen Verwaltungsrechts eingefordert.504
Die referierten unterschiedlichen Gewichtungen des Innovationspotentials von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht können allerdings nicht als in dem Sinne exklusiv
verstanden werden, dass sie sich gegenseitig ausschließen. Sie dürften vielmehr unterschiedliche Modelle der Bewältigung von Transformationsphänomenen widerspiegeln,
welche komplementär eingesetzt werden können.
Die überkommene und nach wie vor berechtigte Bestimmung des Verhältnisses zwischen
allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht könnte als vertikales Modell bezeichnet
werden. In ihm stehen allgemeines und besonderes Recht in einer gestuften Korrelation
von Induktion und Deduktion. Das besondere Verwaltungsrecht ist das an Sachgesetzlichkeiten orientierte Sonderrecht. Es soll sektoral spezifische Problemlagen unterschiedlicher Aufgabenbereiche bewältigen.505 Wegen der Differenziertheit der Sachmaterien
entsteht ein Speicher von vielartigen Lösungsmustern, die auf ihre Generalisierbarkeit
durchgemustert werden. Durch Reduktion bereichsspezifischer Erscheinungsformen entstehen verallgemeinerungsfähige Grundmuster. Deren Abstraktion ermöglicht die Entwicklung bereichsübergreifender Regelungsmodelle, die in allen oder doch mehreren Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts Anwendung finden.506
501
Schmidt-Aßmann, Zur Funktion (Anm. 1), S. 137.
502
Wolfgang Hoffmann-Riem, Ermöglichung von Flexibilität und Innovationsoffenheit im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 9 (16).
503
Winfried Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung,
VVDStRL 30 (1972), S. 245 (255); Thomas Groß, Die Beziehungen zwischen dem Allgemeinen und
dem Besonderen Verwaltungsrecht, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, 1999, S. 57 (72).
504
Groß (Anm. 4) S. 73 f.
505
Vgl. Franz-Joseph Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2000, Rn. 60; Rainer Wahl, Vereinheitlichung oder bereichsspezifisches Verwaltungsverfahrensrecht?, in: Blümel (Hrsg.), Die Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, 1984, S. 19 (45).
506
Groß (Anm. 4) S. 70 ff.; Hoffmann-Riem (Anm. 3) S. 16; Peter-Michael Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1997, S. 5 f.; Fritz Ossenbühl, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee,
Verw. 1999, S. 97.
102
Das Innovationspotential des allgemeinen Verwaltungsrechts ergibt sich danach primär
aus seiner Rezeptionsoffenheit. Neue Entwicklungen auf den Feldern des besonderen
Verwaltungsrechts signalisieren einen Anpassungsbedarf, den das allgemeine Verwaltungsrecht durch Bereitstellung breit einsetzbarer Regelungsmuster befriedigt.507 Diese in
Permanenz zu erbringende Adaptionsleistung rechtfertigt es, das allgemeine Verwaltungsrecht als Prozess zu begreifen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Zusammenstellung des auf seine Transferierbarkeit durchzumusternden sektoralen Materials zu. Die
Auswahl der Referenzgebiete des besonderen Verwaltungsrechts prägt die Themen des
allgemeinen Verwaltungsrechts nachhaltig. Starrheit oder Flexibilität des allgemeinen
Verwaltungsrechts hängen davon ab, ob keinen durchgreifenden Wandlungen unterworfene oder unter hohem Innovationsdruck stehende Bereiche auf ihren Entwicklungshorizont untersucht werden. Zur Verarbeitung auf die Verwaltung zukommender neuer Herausforderungen ist das allgemeine Verwaltungsrecht nur dann fähig, wenn ein Mix entsprechend repräsentativer Referenzgebiete gelingt. 508
Die Funktion des allgemeinen Verwaltungsrechts im vertikalen Modell besteht in der
durch Abbreviatur bewirkten Speicherleistung. Die Transformation von Regelungsmustern von der Ebene des Besonderen auf die des Allgemeinen reduziert Komplexität.509 Das
allgemeine Verwaltungsrecht hält Bausteine vor, die eine vertypte Bewältigung vergleichbar strukturierter Problemkonstellationen ermöglichen. Die Speicherkapazität dieser
Bausteine ist groß genug, um auch bisher nicht aufgetretene Fragen zu erfassen.510 Beispiel ist die Ausdifferenzierung der Handlungsformenlehre: Die vertypten Handlungsformen bilden einen Speicher, der bei gelungener klassifikatorischer Zuordnung ein bestimmtes Normenregime anwendbar macht. So führt die Qualifizierung einer Verwaltungsmaßnahme als Verwaltungsakt zu den gesetzlichen Regeln über die Bestandskraft,
die Aufhebung, Anfechtung etc. Für nicht einer bestimmten Handlungsform zuordenbare
507
Groß (Anm. 4) S. 73; Hoffmann-Riem (Anm. 3) S. 16.
508
Grundlegend Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S.
11 (14 f.); ders., Zur Funktion (Anm. 1), S. 148 ff.; ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 8 ff.; vgl. auch Wolfgang Hoffmann-Riem, Verwaltungsrechtsreform – Ansätze am
Beispiel des Umweltschutzes -, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), a.a.O., S. 115
(117).
509
Vgl. Ludwig K. Adamovich/Bernd-Christian Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1987, S. 73.
510
Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht (Anm. 9), S. 4 f.
103
Maßnahmen können strukturelle Ähnlichkeiten ermittelt und vergleichend Lösungswege
entwickelt werden.511
Das Interdependenzverhältnis des allgemeinen Verwaltungsrechts zum besonderen Verwaltungsrecht, d.h. seine Abstraktionsleistung einerseits und seine Ausstrahlungswirkung
auf die Materien des besonderen Verwaltungsrechts andererseits, prädestiniert das allgemeine Verwaltungsrecht, Brücke zwischen verschiedenen Abstraktionsebenen zu sein.
Zwischen Verfassung und bereichsspezifischen Sonderregelungen ist das allgemeine
Verwaltungsrecht der „Transmissionsriemen“, der die Vorgaben des Verfassungsrechts
bis in die sektorale administrative Handlungspraxis hinein befördert.512
An seine Grenzen stößt das vertikale Modell, wenn die Bereitstellungsfunktion des
Rechts in die Betrachtung einbezogen wird. Sie weist auf die Funktion des Verwaltungsrechts hin, ein als legitim empfundenes, rechtsstaatlich geordnetes, sachadäquate Entscheidungen produzierendes, bürgernahes und effektives Verwaltungshandeln zu ermöglichen. Das Recht muss die hierfür erforderlichen Rechtsformen, Institute, Verfahren und
Organisationstypen bereitstellen. Methodisch ergibt sich daraus die Forderung nach einer
aufgaben- und funktionenorientierten Betrachtungsweise: Das Verwaltungsrecht hat danach zu fragen, welche Funktionen und Aufgaben die Verwaltung zu erfüllen hat, und
dasjenige bereitzustellen, das die Verwaltung benötigt, um zur Bewältigung jener Aufgaben ausreichend gerüstet zu sein.513 Diesen Aufgaben- und Wirklichkeitsbezug vermag
das vertikale Modell nicht zu interpretieren. Versteht man das allgemeine Verwaltungsrecht allein als Abstraktions- und Systematisierungsordnung, so wird der Wirklichkeitsbezug durch die Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts vermittelt.514
Doch wird eine solche Betrachtungsweise der Funktion des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht gerecht. Dem vertikalen muss vielmehr ein horizontales Modell an die Seite
gestellt werden, in dem allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht nebeneinander
511
Walter Pauly, Der Regelungsvorbehalt, DVBl. 1991, S. 521 (522); Rainer Pitschas, Entwicklung der
Handlungsformen im Verwaltungsrecht, in: Blümel/Pitschas (Hrsg.), Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, 1994, S. 229 (238 f.); Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Lehre von den Rechtsformen des
Verwaltungshandelns, DVBl. 1989, S. 533.
512
Schmidt-Aßmann, Zur Funktion (Anm. 1), S. 140; ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht (Anm. 9), S.
5; Rainer Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 177
(212); ders. (Anm. 6) S. 44.
513
Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 65 (96
f.).
514
In diesem Sinne Wahl (Anm. 13) S. 211 f.
104
stehen. Die Implementation von Innovationen vollzieht sich nicht zwangsläufig stufenförmig durch Abstraktion. Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht übernehmen
komplementäre Steuerungsfunktionen: Direkte Steuerungsleistungen sind regelmäßig
durch das besondere Verwaltungsrecht zu erbringen, während beim allgemeinen Verwaltungsrecht die indirekte Steuerungsleistung in den Vordergrund rückt.515 Für die Erfüllung
der Bereitstellungsaufgabe ist diejenige Steuerungsebene zu wählen, die die größte Aufgabengerechtigkeit bietet. Dabei bedarf der aufgabenbezogene und wirklichkeitswissenschaftlich angebundene Umbau des Verwaltungsrechts des allgemeinen Verwaltungsrechts als Steuerungsmedium.516 Insoweit lässt sich von einer innovationsleitenden Funktion des allgemeinen Verwaltungsrechts sprechen.
2. V
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Recht
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Wichtigster Normenkomplex des allgemeinen Verwaltungsrechts sind die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder. Sie sind zwar nicht vollständig identisch
mit dem dogmatischen Verarbeitungs- und Innovationspotential des allgemeinen Verwaltungsrechts in seiner Gesamtheit, haben jedoch an dessen Charakter als Ordnungsidee
teil: Das Verwaltungsverfahren ist – wiederum in den Worten Eberhard Schmidt-
Aßmanns – „Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung“517. Damit wird auf
die Integrationsaufgabe Bezug genommen, die das Verfahrensrecht in Anbetracht der
Multifunktionalität des Verwaltungsverfahrens518 zu leisten hat.
Von seiner Grundstruktur her lässt sich das Verfahren als soziales System zur Reduzierung von Komplexität begreifen. Typologisch ist es durch die Ungewissheit seines Ausgangs charakterisiert, die in Form von abzuarbeitenden Verhaltensalternativen den
Handlungszusammenhang prägt.519 Die Beendigung der Ungewissheit des Ausgangs, das
Zustandekommen einer Entscheidung, ist Ziel des Verfahrens. Das Verfahren ist zwar
konzeptionell ergebnis-, nicht jedoch zieloffen. Verfahren sind nicht zweckfrei, sondern
515
Schuppert (Anm. 14) S. 97 f.
516
Rainer Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in:
Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts,
1993, S. 219 (223).
517
Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 1988, § 70 Rn. 4.
518
Schmidt-Aßmann (Anm. 18) § 70 Rn. 3.
519
Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 3. Aufl. 1978, S. 38 ff.
105
dienen der Erstellung einer Entscheidung.520 Insoweit ist das Verfahren ein Prozess der
Selektion unter vorhandenen Alternativen. Auf jeder Prozessstufe hat der Entscheider
seine Entscheidungsgrundlage daraufhin zu überprüfen, ob sie ihm die auf dieser Stufe
gebotene Selektionsleistung ermöglicht. Verfahren ist mithin ein Prozess permanenter
Informationsgewinnung und –verarbeitung.521 Dabei ist jedes Verfahren als sozialer Interaktionsprozess in der Zeit einmalig und ex post nur beschränkt reproduzierbar. Diesbezüglich kann Verfahren verstanden werden als Strukturierung eines Kommunikationsprozesses zwischen mehreren Beteiligten zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, nämlich
der Findung einer Entscheidung.522
Allerdings ist das Verwaltungsverfahren nicht lediglich Entscheidungsfindungsmodus,
sondern zuvörderst Formung staatlicher Herrschaftsausübung,523 ist Vermittler zwischen
Verfassungsvorgaben und Verwaltungsrealität524. Das Verfahren schließt die Lücke zwischen abstrakt-genereller Gesetzgebung und konkret-individuellem Gesetzesvollzug.525 Es
ist notwendige Schaltstelle für die soziale Realität des materiellen Verwaltungsrechts.
Dessen weitgehende Vollzugsabhängigkeit macht seine reale Wirkungsmächtigkeit von
Transformationsakten der Verwaltung abhängig.526 Das Verwaltungsverfahren ist deshalb
Verwirklichungsmodus des Verwaltungsrechts,527 Handlungsgefüge zwischen Verwaltung
und Bürger oder zwischen einzelnen Verwaltungseinheiten.
Die in diesem Handlungsgefüge von der Verwaltung zu erbringende Bewältigungsleistung hat Rainer Wahl plastisch in das Bild des magischen Vielecks gefasst.528 Entsprechend der Multifunktionalität des Verfahrens sieht sich die Verwaltung bei ihrem Handeln einer Vielzahl von Anforderungen gegenüber: Das Verfahren soll unter anderem eine
520
Vgl. Rudolf Fisch, Administrative Entscheidungen bei Vorhaben für technische Großanlagen, in:
Fisch/Beck (Hrsg.), Abfallnotstand als Herausforderung für die Öffentliche Verwaltung, 1995, S. 59 (62
ff.); Hermann Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 210.
521
Hill (Anm. 21) S. 210 f.; Friedrich Schoch, Der Verfahrensgedanke im allgemeinen Verwaltungsrecht,
Verw. 1992, S. 21 (23).
522
Vgl. Hill (Anm. 21) S. 211.
523
Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Verfahrensgedanke in der Dogmatik des öffentlichen Rechts, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie,
1984, S. 1 (8 f.).
524
Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts
der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 1987, § 24 Rn. 75.
525
Schmidt-Aßmann (Anm. 24) S. 12.
526
Wahl (Anm. 6) S. 41.
527
Rainer Wahl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag,
VVDStRL 41 (1983), S. 151 (153 f.).
528
Wahl (Anm. 28) S. 157.
106
materielle rechtmäßige Entscheidung hervorbringen, dieses Ergebnis legitimieren, Akzeptanz vermitteln, der Behörde Informationen verschaffen, widerstreitenden Interessen
Artikulationsraum gewähren und ihren Ausgleich herbeiführen, individuelle Rechte wahren, wirtschaftlich und zweckmäßig sein.529 Auf welche Weise die Verwaltung diese Ziele
erreichen und wie sie die verschiedenen Zielvorgaben untereinander gewichten will,
bleibt ihr weitgehend selbst überlassen. Andererseits muss die Gewichtung der verschiedenen Eckpunkte des magischen Vielecks rechtlichen Regeln folgen und kann nicht im
freien Belieben der Behörde stehen. Um im Bild zu bleiben: Wenn das volle Gewicht des
behördlichen Verfahrensverhaltens auf eine Ecke (z.B. Zügigkeit) gelegt wird, kippt das
Vieleck über diese Ecke ab und die anderen Eckpunkte (z.B. Gründlichkeit der Sachverhaltsermittlung, Betroffenenbeteiligung) hängen in der Luft. Das Verwaltungsverfahren
muss daher rechtlichen Regelungsmechanismen unterliegen, die das Vieleck im wesentlichen in der Balance halten. Die Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung
für den Einzelfall operabel zu machen, ist also Aufgabe des Verfahrensrechts.
Vor der Folie dieses Verfahrensverständnisses ist es – zumindest auch – durch das Verwaltungsverfahrensrecht zu leisten, sich in der Form einer Verwaltungskooperation realisierende materielle Verwaltungstätigkeit zu strukturieren. Gemeint ist damit nicht die
Frage des „Ob“ der Normativierung eines Verwaltungskooperationsrechts – dies ist ein
Problem der Sinnhaftigkeit der Entwicklung einer Angebotsordnung (dazu VI 11c aa)-,
sondern die des „Wo“ einer gesetzlichen Verankerung. Verwaltungsverfahrensrecht ist
primär Steuerung des Verhaltens der Verwaltung unter den Gesichtspunkten der Vermittlung verfassungsrechtlicher Vorgaben und der funktionsgerechten Aufgabenerfüllung
in der Verwaltungsrealität. Wahl hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die originäre Zwecksetzung der Verhaltenssteuerung es erforderlich macht, Verwaltungsverfahrensrecht nicht aus der Kontrollperspektive, sondern aus der Sicht ex ante zu sehen.530
Verwaltungsverfahrensrecht ist zunächst Handlungsrecht der Verwaltung, nicht Kontrollrecht. Dies schließt nicht aus, dass die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Standards gerichtlich überprüfbar sein kann und ggf. – unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts – sein muss. Doch ist Verwaltungsverfahrensrecht vom Ausgangspunkt her
nicht auf Kontrollierbarkeit, sondern auf Handlungssteuerung hin angelegt. Ist es seine
Aufgabe, Kommunikationsprozesse zwischen der Verwaltung und anderen Beteiligten zur
529
Vgl. Hill (Anm. 21) S. 199 ff.; Rainer Wahl, Neues Verfahrensrecht für Planfeststellung und Anlagengenehmigung – Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrens oder bereichsspezifische Sonderordnung?, in: Blümel/Pitschas (Hrsg.), Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, 1994, S. 83 (117).
530
Wahl (Anm. 28) S. 156.
107
Erreichung eines Ziels zu strukturieren, so gehört hierzu auch das Handeln der Verwaltung in Verwaltungskooperationen mit Privaten.
Das Problem, ob es sich bei gesetzlichen Regelungen von Verwaltungskooperationsverhältnissen „eigentlich“ um materiellrechtliche oder um verfahrensrechtliche Bestimmungen handelt, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Ungeachtet der hieraus evtl. für die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung folgenden Voraussetzungen531 ist der Gesetzgeber jedenfalls nicht gehindert, in das Verwaltungsverfahrensgesetz materiellrechtliche
Bestimmungen aufzunehmen532. Beispielhaft sei auf die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über den Verwaltungsakt und den öffentlich-rechtlichen Vertrag hingewiesen, welche nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes materiellrechtlicher Natur sind.533 Diese zuvor umstrittene Frage534 „hat der
Gesetzgeber dadurch entschieden, daß er beide Bereiche als konnexe (annexe) Materien
des Verwaltungsverfahrensrechts in die VwVfGe aufgenommen hat“535. Selbst wenn man
normative Strukturierungen von Verwaltungskooperationen generell als materiellrechtliche Vorschriften ansehen würde, wäre dadurch eine Verankerung im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht ausgeschlossen.
Allerdings hebt die Aufnahme materiellrechtlicher Gehalte in das Verwaltungsverfahrensgesetz die Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht
nicht auf. Folgt man der Zuordnung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Normierungen
zu Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlichem Vertrag zum materiellen Recht, so handelt
es sich dabei jedenfalls um allgemeines Verwaltungsrecht. Der Zugriff auf die Inhalte des
Verwaltungshandelns ist dem Verwaltungsverfahrensrecht entzogen; es regelt das „Wie“
des Verwaltungshandelns,536 nicht das „Was“. Inhaltliche Vorprägungen und Ausgestaltungen erfolgen durch die Fachgesetze des besonderen Verwaltungsrechts. Als Beispiel
aus dem Bereich des öffentlichen Vertragsrechts kann die Aufgabenverteilung zwischen
den §§ 54 ff. VwVfG und § 124 BauGB herangezogen werden: Erschließungsverträge
nach § 124 BauGB sind ausnahmslos öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von § 54
531
Eingehend Peter Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 2000, Art. 84 Rn. 32 ff.
532
Wilfried Fiedler, Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die
Systematik der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen, AöR 105 (1980), S. 79 ff.
533
BTDrucks. 7/910, S. 41.
534
Vgl. die Nachw. bei Carl Hermann Ule/Hans-Werner Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl.
1995, § 2 Rn. 7, wobei sich Ule und Laubinger selbst (Rn. 8) der Auffassung vom materiellrechtlichen
Charakter der Regelungen anschließen.
535
Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998, § 1 Rn. 39.
536
Vgl. für die Abgrenzung nach Art. 84 Abs. 1 GG BVerfGE 37, S. 363 (385); 55, S. 274 (319 ff.).
108
VwVfG,537 für die die allgemein-verwaltungsrechtlichen Vorschriften der §§ 54 ff.
VwVfG gelten, soweit § 124 BauGB keine Sonderregelungen enthält538. Bestimmungen
zu den materiellen Inhalten von Erschließungsverträgen enthält ausschließlich § 124
BauGB.539 Soweit sie nicht durch § 124 Abs. 3 und 4 BauGB verdrängt werden, regeln die
§§ 55 ff. VwVfG die Zulässigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzungen von Verträgen mit
den in § 124 BauGB beschriebenen Inhalten. Auf den sachbereichsspezifischen Gegenstand von Verwaltungskooperationen bezogene Aussagen können mithin im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht verankert werden.
3. Ü
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Im Anschluss an die vorstehende Skizze zur Aufgabenverteilung zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Recht ist zwischen zwei Regelungsebenen zu unterscheiden:
•
allgemeines und bereichsspezifisches Verwaltungsverfahrensrecht. Der Begriff des
Verwaltungsverfahrensrechts wird dabei in dem oben entwickelten Sinne gebraucht
und umfasst daher auch allgemein-verwaltungsrechtliche Implikationen. Die Alternative besteht darin, Verfahrensregelungen einschließlich Zulässigkeitsanforderungen
und Fehlerfolgenregime ohne detailschärfere inhaltliche Strukturierungen entweder in
das Verwaltungsverfahrensgesetz oder in die Fachgesetze aufzunehmen.
•
Verwaltungsverfahrensrecht und materiell-inhaltliche Regelungen. Hier liegen die
Alternativen zum einen im Verzicht auf eine der beiden Regelungsansätze, zum anderen in ihrer Kombination. Während materiell-inhaltliche Aussagen nur in den Fachgesetzen getroffen werden können (o. 2), kommen als Standort für einen damit kombinierten Erlass von verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen sowohl das
Verwaltungsverfahrensgesetz als auch die Fachgesetze in Betracht.
537
Hans-Jörg Birk, Die städtebaulichen Verträge nach BauGB 98, 3. Aufl. 1999, Rn. 7 f.; Rolf-Peter Löhr,
in: Battis/Krautzerger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 1999, § 124 Rn. 3.
538
Birk (Anm. 38) Rn. 28.
539
Vgl. Birk (Anm. 38) Rn. 31.
109
In einer Übersicht ergeben sich die folgenden grundsätzlichen Normierungsmöglichkeiten:
Fachrecht
Fachrecht
Fachrecht
Verwaltungsverfahren
Inhalt
Verfahren und Inhalt
X
X
X
VwVfG:
allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht
Fachrecht:
Verwaltungsverfahren
X
Es bestehen also folgende Möglichkeiten:
a) Regelung allein verwaltungsverfahrensrechtlicher (d.h. ohne materiell-inhaltliche Ausgestaltungen) Fragen nur im Verwaltungsverfahrensgesetz.
b) Regelung allein verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen ausschließlich in den Fachgesetzen.
c) Regelung allein verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen im Verwaltungsverfahrensgesetz und zusätzlich in den Fachgesetzen.
d) Regelung verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen im Verwaltungsverfahrensgesetz
und materiell-inhaltlicher Ausgestaltungen in den Fachgesetzen.
e) Regelung verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen im Verwaltungsverfahrensgesetz
und zusätzlich in den Fachgesetzen, zusätzlich materiell-inhaltliche Ausgestaltungen in
den Fachgesetzen.
f) Regelung verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen und materiell-inhaltlicher Ausgestaltungen allein in den Fachgesetzen.
g) Regelung lediglich materiell-inhaltlicher Ausgestaltungen ausschließlich in den Fachgesetzen.
Nach der o.1 entwickelten funktionalen Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht (d.h. hier: zwischen Verwaltungsverfahrensgesetz und Fachgesetzen) kommt die Aufnahme von Verwaltungskooperationen betreffenden Normierungen ausschließlich in die Fachgesetze nicht in Betracht. Die o. IV unternommene Analyse
von Begrifflichkeit und Phänomenologie von Verwaltungskooperationen hat deutlich
gemacht, dass sich auf verschiedenen Referenzfeldern des Verwaltungshandelns Koope-
110
rationsverhältnisse feststellen lassen, die die Herausarbeitung eines Grundbestands an
Kooperationszielen und –problemen sowie Problemlösungsstrategien ermöglichen. Es ist
Aufgabe des allgemeinen Verwaltungsrechts, diese Entwicklungen zu adaptieren. Zwar
kann es die differenzierte Realität von Verwaltungskooperationen nicht abbilden, jedoch
durch Komplexitätsredukion die Grundstrukturen von Kooperationsverhältnissen offen
legen und dadurch deren sachbereichsmodifizierte Anwendung erleichtern und verbessern. Voraussetzung ist allerdings, dass die Speicherkapazität der vertypten Bausteine
groß genug zur Erfassung variierender Problemkonstellationen ist. Die Ausstrahlungswirkung einer im Verwaltungsverfahrensgesetz abstrahierten Strukturierung von Verwaltungskooperationen vermag dann das Kooperationsverhalten der Verwaltung zu systematisieren.
Diese auf dem vertikalen Modell der Aufgabenverteilung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht (dazu o.1) basierenden Überlegungen werden unterstützt
durch einen Rückgriff auf das horizontale Modell (s. o.1). Wegen seiner die Sachbereiche
überwölbenden Ausstrahlungswirkung ist das allgemeine Verwaltungsrecht und damit das
Verwaltungsverfahrensgesetz als innovationsleitendes Medium unverzichtbar. Gerade
wenn es um die Implementation von Innovationen geht, kann auf die indirekte Steuerungsleistung des bereichsübergreifenden Normzusammenhangs nicht verzichtet werden.
Die Normativierung einer neuen Handlungsform kann nur dann eine dem Gedanken der
Verantwortungsteilung unter dem Leitbild des aktivierenden Staates gerecht werdende
Bedeutung erlangen, wenn sie auf einer alle Verwaltungsbereiche erfassenden Regelungsstufe angesiedelt ist.
Unter diesen Voraussetzungen sind die Möglichkeiten b), f) und g) aus den weiteren Betrachtungen auszuscheiden. Für die Beantwortung der Frage, ob zusätzlich zu Neuregelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz Bestimmungen in den Fachgesetzen erforderlich
sein könnten [Möglichkeiten c), d) und e)], ist zu beachten, dass die sachbereichsbezogen
organisierte Verwaltungspraxis möglicherweise wesentlich häufiger mit dem für diesen
Sachbereich einschlägigen Fachrecht als mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz arbeitet.
Ausschließlich im Verwaltungsverfahrensgesetz eingeführte Innovationen werden ggf.
zwar zur Kenntnis genommen, jedoch nicht in die Verwaltungspraxis implementiert. Dies
könnte dafür sprechen, Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes durch solche der
Fachgesetze zu flankieren.
Allerdings ist es der dargestellten (o.1) funktionalen Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht nicht angemessen, verwaltungsverfahrensrechtli-
111
che Regelungen von Verwaltungskooperationen sowohl in das Verwaltungsverfahrensgesetz als auch in die Fachgesetze aufzunehmen. Es würde die Abstraktionsleistung des
allgemeinen Verwaltungsrechts, hier in Gestalt des Verwaltungsverfahrensgesetzes,
nachgerade konterkarieren, eine solche Doppelstruktur vorzusehen. Hielte man sie
gleichwohl für notwendig, so müsste die Sinnhaftigkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes insgesamt in Frage gestellt werden. Allenfalls könnte daran gedacht werden, die in
das Verwaltungsverfahrensgesetz einzufügenden Regelungen über Verwaltungskooperationen lediglich durch sachbereichsbezogene Modifikationen in den Fachgesetzen zu ergänzen. Diese Regelungstechnik findet sich auch sonst im Verhältnis zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht nicht selten, beispielsweise zwischen den Bestimmungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag in den §§ 54 ff. VwVfG einerseits
und denen über städtebauliche Verträge in § 11 BauGB andererseits540.
Für die Bewertung einer derartigen Stufung muss aber berücksichtigt werden, dass ein
solches Normgeflecht die Rechtsanwendung kompliziert und zu zusätzlichen Unsicherheiten beim Rechtsanwender führen kann. Der Rückgriff auf in dieser Weise rechtlich
strukturierte Verwaltungskooperationen würde u.U. eher erschwert als erleichtert. Vorzugswürdig ist deshalb eine Lösung, bei der die in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmenden Vorschriften solchermaßen offen gestaltet sind, dass sie in der praktischen
Umsetzung an keinen sachbereichlichen Besonderheiten scheitern. Die notwendige Anpassung an die bereichsspezifischen Gegebenheiten muss vielmehr in dem jeweiligen
Kooperationsverhältnis erfolgen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz kann insoweit Hilfestellung leisten, indem für die aus Ziel- und Interessendivergenzen drohenden Konfliktfelder der Merkposten bezeichnet werden, die in der konkreten Verwaltungskooperation
abgearbeitet werden sollen (dazu u.VI 11c ee). In Anbetracht der Diversifizierung in der
Praxis auffindbarer Kooperationsbereiche wird daher empfohlen, selbst von der Aufnahme modifizierender verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen in die Fachgesetzen
abzusehen. Nicht weiter zu verfolgen sind deshalb auch die Möglichkeiten c) und e).
In einer Zwischenbilanz verbleiben als Regelungsmöglichkeiten noch die Modelle a)
[Regelung allein verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen nur im Verwaltungsverfahrensgesetz] und d) [Regelung verwaltungsverfahrensrechtlicher Fragen im Verwaltungsverfahrensgesetz und materiell-inhaltlicher Ausgestaltungen in den Fachgesetzen]. Lösung d) weist dabei den Vorzug auf, durch Hinweis auf mögliche Inhalte von Verwaltungskooperationen in den Fachgesetzen möglicherweise eine stärkere Beachtung durch
540
S. Birk (Anm. 38) Rn. 28.
112
die mit der Anwendung dieser Gesetze befassten Fachbehörden erreichen zu können als
dies bei einer Regelung allein im Verwaltungsverfahrensgesetz der Fall sein könnte. Für
die Bewertung einer solchen Lösung ist allerdings der normierbare Inhalt derartiger fachgesetzlicher Klauseln zu beachten. Als Zusammenfügung sektorübergreifender Handlungsrationalitäten sind Verwaltungskooperationen in besonderem Maße auf eine interessen- und aufgabenadäquate kooperative Ausgestaltung angewiesen (o. IV 3). Detailscharfe inhaltliche Vorstrukturierungen von Kooperationsverhältnisse kommen daher nicht in
Betracht.
Denkbar sind lediglich entweder beispielhafte, nicht abschließende Aufzählungen von
Inhalten von Verwaltungskooperationen
(mögliches Beispiel für das Gefahrenabwehrrecht: „Die Sicherheitsbehörden können zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit mit Bürgern und privaten Organisationen oder Unternehmen Informationen
austauschen, gemeinsame Besprechungen durchführen, die Übernahme
nichthoheitlicher Aufgaben vereinbaren oder in anderer Weise zusammenarbeiten.“)
oder „Einladungsvorschriften“, die die Möglichkeit kooperativen Handelns besonders
hervorheben
(mögliches Beispiel für das Gefahrenabwehrrecht: „Die Sicherheitsbehörden können zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit mit Bürgern und privaten Organisationen oder Unternehmen zusammenarbeiten.“).
Beide Regelungstechniken sind bereits de lege lata auffindbar:
•
Beispiel für eine exemplarische Aufzählung möglicher Vertragsinhalte:
§ 11 Abs. 1 BauGB;
•
Beispiel für eine „Einladungsvorschrift“: § 3a BNatSchG.
Über eine bloße Hinweisfunktion hinausgehende Bedeutung könnten auf den Inhalt von
Verwaltungskooperationen bezogene Regelungen in den Fachgesetzen mithin kaum haben. Setzt man diese – in ihrer Wirkung ohnehin nicht gänzlich spekulationsfreie – Bedeutung in Relation zum verursachten Regelungsaufwand, so spricht dies gegen eine Realisierung der genannten Hinweis- bzw. Einladungsvorschriften. Zum einen wird es kaum
113
möglich sein, entsprechende Vorschriften in allen Fachgesetzen zu verankern. Allein die
Änderung derjenigen Fachgesetze, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz besitzt,
würde einen immensen Aufwand bedeuten. Für einige kooperationsrelevante Bereiche
wie die Gefahrenabwehr fehlt es weitgehend an einer Bundeskompetenz. Darüber hinaus
entwickeln sich Kooperationen nicht zwingend in fachgesetzlich geordneten Bereichen.
Zum anderen würde die Bedeutung einer gesetzlichen Strukturierung von Verwaltungskooperationen verfehlt, wollte man sie auf jeden einzelnen fachgesetzlich geregelten
Sachbereich herunterbrechen. Anders als bei den erwähnten vorhandenen Hinweis- bzw.
Einladungsvorschriften geht es bei der zu untersuchenden gesetzlichen Ordnung von
Verwaltungskooperationen nicht um die Etablierung oder Absicherung vertraglichen oder
kooperativen Handelns in einem beschränkten Sachbereich. Zu leisten ist vielmehr die
Entwicklung einer bereichsübergreifenden Kultur der Verantwortungsteilung durch Verwaltungskooperation. Ein solches Unterfangen geht seiner Programmatik verlustig, wenn
es gleichsam in mundgerechte Häppchen zerlegt wird. Ist das allgemeine Verwaltungsrecht die Scharnierstelle zwischen übergeordneten Vorgaben und Leitbildern einerseits
und der Verwaltungsrealität andererseits, so hieße es diese Funktion negieren, bedürfte
der Transmissionsriemen weiterer Anschlusstransmittoren, um in die Realität vordringen
zu können. Die Befürchtung, Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes erführen in
der Praxis weniger Beachtung als solche der Fachgesetze, kann kein Grund sein, die
funktionale Aufgabenteilung zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht
aufzugeben: Die Verwaltung kennt das Gesetz.
ehlun
Empf
Empfehlun
ehlungg:
Ø Zusammenfassend wird daher empfohlen, gesetzliche Regelungen zur Strukturierung
von Verwaltungskooperationen ausschließlich im Verwaltungsverfahrensgesetz zu
verankern.
Ø Als Vorgabe zu beachten ist dabei, dass
•
die Speicherkapazität der vertypten Bausteine groß genug zur Erfassung variierender
Problemkonstellationen sein muss und
•
für die aus Ziel- und Interessendivergenzen drohenden Konfliktfelder im Gesetz
Merkposten bezeichnet werden sollen, die bei der Gestaltung der konkreten Verwaltungskooperation abgearbeitet werden.
114
VI. Änder
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ch
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VI.
nderu
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recchtlichen Vertrages
Der folgende Abschnitt wendet sich der Untersuchung zu, an welchen Stellen im geltenden Recht Änderungen ansetzen müssen, um kooperatives Handeln in einer den Bedürfnissen der Praxis adäquaten Weise rechtlich zu strukturieren. Kooperatives Handeln wird
dabei nicht allein im Sinne des hier zugrundegelegten Verständnisses von Verwaltungskooperation (o. IV 1 d) gebraucht, sondern erfasst auch die gleichsam klassischen
Einsatzfelder des öffentlich-rechtlichen Vertrages. Die Einfügung eines für Verwaltungskooperationen entwickelten Vertragstypus in das Verwaltungsverfahrensgesetz würde
insoweit zu kurz greifen. Vielmehr bedarf das gesamte Recht des öffentlich-rechtlichen
Vertrages der Überprüfung darauf, inwieweit es kooperatives Handeln ermöglicht oder
erschwert. Die Realisierung von Verantwortungsteilung unter dem Leitbild des aktivierenden Staates (o.I 1) bedarf der Bereitstellung eines rechtlichen Rahmens, der die erforderlichen rechtlichen Instrumente vorhält. Diesbezüglich ließe sich von einer „Initiativ-
funktion des Rechts“ sprechen: Die Zunahme von Formen der Verantwortungsteilung
zwischen Staat und Privaten deutet die Notwendigkeit eines verstärkten Rückgriffs auf
vertragliche Handlungsformen an. Eine durch die Gestaltung der rechtlichen Bestimmungen hervorgerufene Scheu, sich dieser Formen zu bedienen, wäre der Entwicklung einer
Kultur der Verantwortungsteilung wenig dienlich. Das Recht kann hier initiatorisch wirken und durch klare und praxisadäquate Regelungen gleichsam dazu einladen, Verträge
zu schließen.
115
Die zu leistende Aufgabe lässt sich wie folgt darstellen:
Ver a ntwor tu ngsteilu ng
privater Sektor
Verwaltung
en
ab
fg iele
Au d Z
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Kooperatives
Interessenausgleichssystem
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Z ie
Ziele
In te r
Partner 1
Partner 2
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Dritte
verfassungsrechtliche Vorgaben
Öffentliches Vertragsrecht
Die Übersicht macht deutlich, dass vor allem komplexe Kooperationssituationen mit mehreren Partnern der Behörde und/oder Drittbetroffenen ein zu ihrer Bewältigung geeignetes
Integrationsinstrumentarium benötigen. Die Entwicklung eines Rechts der komplexen
Verträge, welches nicht auf die § 54 S. 2 VwVfG zugrundeliegende Bipolarität zwischen
Verwaltung und hoheitsunterworfenem Bürger zugeschnitten ist, ist wiederholt angemahnt worden.541 Ohne Ausschöpfung der Potentiale einer Flexibilisierung des öffentlichen Vertragsrechts kann ein solches Unterfangen keinen Erfolg haben.
Insoweit sei an die Ergebnisse zur Empirie des Verwaltungsvertragsrechts erinnert: Der
qualitative Vorzug von Vertragslösungen wird vor allem in der Bewältigung atypischer
Situationen, komplexer Sachverhalte und unklarer Sach- und Rechtslage gesehen. Diese
Fähigkeit zur Bewältigung von Atypik gilt es zu erhalten und auszubauen. Allerdings –
und dies macht die Zweispurigkeit einer eventuellen Novellierung des öffentlichen Vertragsrechts deutlich – muss von vornherein in einem Paradoxon gedacht werden: Die geringe quantitative Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Vertrages beruht nicht zum wenigsten darauf, dass die Verwaltungen häufig über nur geringe Erfahrungen beim Einsatz
541
Vgl. nur Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 11
(59).
116
der Handlungsform Vertrag verfügen. Wo hingegen Verwaltungen hinsichtlich dieses
Einsatzes von Verträgen entsprechende Routinen aufgebaut haben, steigt der Anteil vertraglichen Handelns. Einerseits soll also dem vertraglichen Handeln der Verwaltung der
Geruch des Atypischen genommen werden, andererseits soll seine Fähigkeit zur Bewältigung von Atypik gestärkt werden.
Doch führt diese Doppelspurigkeit der Aufgabenstellung nicht zu verschiedenen Wegen:
Akzeptiert man, dass die Unsicherheit in der Handhabung der §§ 54 ff. VwVfG einer
weiteren Verbreitung der Vertragsform entgegensteht (s. o. III 1), andererseits diese
Normen zur Bewältigung komplexer Situationen zu starr angelegt sind, so muss das Ziel
in einem
•
einfachen,
•
flexiblen,
•
transparenten und
•
die Vorteile der Vertragsform stärker nutzenden
Vertragsrecht bestehen.
Aus rechtlicher Sicht werden diese Öffnungspotentiale lediglich durch die zu beachtenden
verfassungsrechtlichen Vorgaben begrenzt. Anhaltspunkte für eine aufgabengerechte
Ausgestaltung lassen sich vor allem aus einem Vergleich zum Verwaltungshandeln durch
Verwaltungsakt einerseits und dem privatrechtlichen Vertrag andererseits gewinnen. Wie
§ 54 S. 2 VwVfG deutlich macht, ist für den tradierten Anwendungsbereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages der Verwaltungsakt der primäre „Konkurrent“. Eine Verbreiterung der Einsatzbasis der Vertragsform setzt eine Auseinandersetzung mit den Gründen
der Präferierung der Handlungsform Verwaltungsakt voraus. Andererseits ist eine Rückkoppelung zum zivilistischen Vertragsrecht vorzunehmen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: zum einen die Rolle des Privatrechts als des Gebiets, in dem das Handeln durch Vertrag der Normalfall ist, zum anderen die Lockerung der Unterscheidung öffentliches
Recht/Privatrecht (dazu u. VI 3) – und zwar gerade in verantwortungsteilenden Kooperationsbereichen –, schließlich die Notwendigkeit für den Staat, sich in Verwaltungskooperationen den Handlungsrationalitäten der privaten Kooperationspartner zu öffnen (s. o. IV
1 d).
117
1.
Der V
Veerw
rwaltun
altun
altunggsakt als Ver
Verggleichsmaßst
ichsmaßstaab
Wie die Auswertung empirischer Untersuchungen gezeigt hat, ist das Handeln in Vertragsform gegenüber dem in der Form des Verwaltungsakts im Nachteil, wenn es um die
Bewältigung von häufig wiederkehrenden Verwaltungsvorgängen geht. Anderes gilt nur
dann, wenn die Verwaltung den Vertrag in bestimmten Bereichen routinemäßig einsetzt.
Hier wird der für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages einzusetzende
Aufwand als geringer als der für den Erlass eines Verwaltungsakts zu erbringende angesehen. Im übrigen wird der Aufwand bei Wahl der Vertragsform als höher angesehen; er
„lohnt“ sich für die Verwaltung erst dann, wenn komplexe Situationen vertraglich besser
bewältigt werden können (o. III 1).
Hieraus ist zunächst die Folgerung abzuleiten, dass die Dominanz des Handelns durch
Verwaltungsakt in erster Linie daraus abzuleiten ist, dass die Verwaltung diesbezüglich
fundierte Regel-Routinen entwickelt hat. Die Nutzung der Handlungsform Verwaltungsakt entlastet die Verwaltung. Die Verwaltung kennt die Chancen und Risiken des Handelns durch Verwaltungsakt und beherrscht die Mechanismen zu ihrer Steuerung. Ein
verstärkter Rückgriff auf vertragliche Formen kann nur erwartet werden, wenn dort die
Etablierung entsprechender Regel-Routinen gelingt.
Ein Anreiz für die Initiierung derartiger Etablierungsprozesse besteht allerdings nur dann,
wenn die Handlungsform Vertrag der Handlungsform Verwaltungsakt aus Sicht der Verwaltung zumindest im wesentlichen funktional äquivalent ist. Die Vorteile der einseitig
hoheitlichen Regelung dürfen nicht derart gravierend sein, dass sie von vornherein den
Verzicht auf die Wahl vertraglicher Handlungsoptionen nahe legen.
Zum Beleg einer solchen funktionalen Äquivalenz reicht es jedenfalls nicht aus, auf eine
größere Flexibilität oder Kooperations- bzw. Akzeptanzpotentiale des öffentlich-rechtlichen Vertrages zu verweisen. Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Verarbeitungskapazität des Verwaltungsakts groß genug ist, um sowohl komplexen Situationsgestaltungen als auch polygonalen Interessengeflechten gerecht werden zu können.542
Dass es nicht selten einer gewissen Beliebigkeit anheim gegeben ist, ob ein kooperativ
gestaltetes Verwaltungsverfahren mit dem Erlass eines Verwaltungsakts, dessen Inhalt
zwischen der Verwaltung und den Beteiligten abgesprochen worden ist, oder dem Ab-
542
Karl-Heinz Ladeur, Die Zukunft des Verwaltungsakts, VerwArch 1995, S. 511 ff.; Friedrich Schoch,
Der Verwaltungsakt zwischen Stabilität und Flexibilität, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.),
Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 199 ff.
118
schluss eines Vertrages endet, ist ebenfalls bekannt.543 Gleichwertigkeit kann die Handlungsform Vertrag nur erlangen, wenn versucht wird, de lege lata bestehende Nachteile
des öffentlich-rechtlichen Vertrages gegenüber dem Verwaltungsakt abzubauen. Als
Vorteil-Nachteil-Relationen lassen sich benennen:
Verwaltungsakt
öffentlich-rechtlicher Ver
Vertr
trag
Handlungsmöglichkeiten
ggf. einseitiges „Durchentscheiden“
Konsensabhängigkeit
Form
grds. formfrei (§ 37 Abs. 2 VwVfG)
grds. Schriftform (§ 57 VwVfG)
Rechtmäßigkeit
Beachtung der Zuständigkeits- und
Erlassvoraussetzungen
Beachtung der Zuständigkeitsvorschriften, des materiellen Rechts sowie der
engen Tatbestandsvoraussetzungen der
§§ 55, 56 VwVfG
Wirksamkeit
Differenzierte Reaktionsmöglichkeiten
bei Rechtswidrigkeit: Berufen auf
Bestandskraft oder Rücknahme nach
Ermessen; Nichtigkeit nur in Ausnahmefällen
Starre Unterscheidung Gültigkeit oder
Nichtigkeit; erweiterte Nichtigkeitsgründe in § 59 VwVfG, die unbefristet geltend gemacht werden können
einseitige Lösung
Widerruf nach § 49 VwVfG
nur im Ausnahmefall des § 60 VwVfG
Betroffenheit von
Drittinteressen
Nach Ablauf der Anfechtungsfrist
unbeachtlich
Unwirksamkeit des Vertrages, § 58
VwVfG
Durchsetzung
Verwaltungsvollstreckung
Klage
Einige der jedenfalls auf den ersten Blick konstatierbaren Nachteile lassen sich zwar
durch vertragliche Regelungen abfangen. Jedoch setzt dies die Etablierung entsprechender Regel-Routinen voraus, an deren Entwicklung die Verwaltung möglicherweise gerade
durch die Bevorzugung der Handlungsform Verwaltungsakt gehindert wird.
Empfehlungg:
ØEmpfehlun
2.
Bei einer Novellierung des Rechts des öffentlich-rechtlichen Vertrages
ist anzustreben, die zu einer Bevorzugung des Verwaltungsakts führenden Vorteile dieser Handlungsform hinsichtlich Form, Berücksichtigung
betroffener Drittinteressen, Fehlerfolgenregime und Durchsetzbarkeit
soweit wie möglich abzubauen.
ivattrechtlic
tliche
Verrtrag aalls Verg
Vergle
le
leic
ic
hsmaßstab
Der priva
he Ve
ichsmaßstab
Soweit eine Rückkoppelung zum zivilistischen Vertragsrecht in Rede steht, bezieht sie
sich auf die Bindungen nur eines Vertragspartners. Die Besonderheit des öffentlichrechtlichen Vertrages besteht gerade darin, dass mindestens einer der Vertragspartner den
Bindungen des öffentlichen Rechts unterliegt und der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Sofern der Vertrag zwischen Behörde und Bürger geschlossen
wird, geht der Bürger seiner Privatautonomie nicht dadurch verlustig, dass sein Vertrags543
Vgl. nur Wolfgang Hoffmann-Riem, Verwaltungsrechtsreform – Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes –, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwal-
119
partner die Verwaltung ist.544 Seine privatautonomen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sind deshalb für einen Strukturvergleich unergiebig. Hinsichtlich der vergleichsrelevanten Unterschiede ist deshalb für den öffentlich-rechtlichen Vertrag allein
auf die Stellung der Behörde abzuheben.
aa))
Di
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Prrivat
ataut
autonom
onom
onomiie ddees Bür
Bürggers
aut
Der Vertragsschluss zwischen Privaten erfolgt in Ausübung von deren Privatautonomie.
Privatautonomie meint die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben, d.h. die
Möglichkeit, seine Rechtsverhältnisse selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu regeln.545 Ein Unterfall der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit. Vertragsfreiheit ist die
„Möglichkeit, durch übereinstimmende Willensäußerungen Rechtswirkungen inter partes
zu erzeugen“.546 Ihr entscheidendes Merkmal ist der Wille der Kontrahierenden: „Durch
diesen Willen entscheidet die Person, ob sie mit einem anderen einen Vertrag abschließen
will oder nicht, was für einen Inhalt sie der Abrede geben möchte und in welcher Form
sie sich ausdrücken will.“547 Vertragsfreiheit konkretisiert sich auf drei Ebenen: der Abschluss-, der Inhalts- und der Formfreiheit.
•
Unter Abschlussfreiheit ist die Befugnis zur eigenverantwortlichen Entscheidung
darüber zu verstehen, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen werden soll. Dies umschließt sowohl die Freiheit, anderen Personen einen Vertragsschluss antragen zu dürfen, als auch die Möglichkeit, solche Anträge ablehnen zu können, also nicht kontrahieren zu müssen.548 Der durch Ausübung der positiven Abschlussfreiheit hervorgebrachten vertraglichen Bindung kann sich der Vertragschließende nicht ohne weiteres
unter Berufung auf seine negative Abschlussfreiheit wieder entziehen. Erforderlich ist
vielmehr, dass in einer wertenden Gesamtbetrachtung der negativen Abschlussfreiheit
ein Übergewicht über die Bindungsfreiheit zuzuerkennen ist.549
tungsrechts, 1993, S. 115 (151 ff.).
544
Elke Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 333; Eberhard Schmidt-Aßmann/Walter Krebs,
Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, 2. Aufl. 1992, S. 132.
545
Hans-Uwe Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 1989, § 152 Rn. 58; Christoph G. Paulus/Wolfgang
Zenker, Grenzen der Privatautonomie, JuS 2001, S. 1.
546
Christian Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 55 m.w.N.
547
Heinrich (Anm. 6) S. 55 m.w.N.
548
Heinrich (Anm. 6) S. 55 m.w.N.
549
Heinrich (Anm. 6) S. 56 ff. m.w.N.
120
•
Inhaltsfreiheit ist die Möglichkeit, den Inhalt des Vertrages durch die Vertragsparteien beliebig zu gestalten.550 Gleichwohl sieht die Rechtsordnung in bestimmten Fällen
eine Kontrolle des Inhalts von Verträgen vor.
•
Die Formfreiheit stellt die Form, in der das rechtsgeschäftlich Gewollte zum Ausdruck gebracht wird, in das Belieben der Parteien. Die gesetzliche Statuierung eines
Formzwangs bedarf einer besonderen Rechtfertigung.551
Schon aus verfassungsrechtlicher Perspektive kann die inhaltliche Gestaltungsfreiheit
nicht unbeschränkt sein. Rechtlich relevant wird Privatautonomie durch die Zurverfügungstellung von Formen zur Verwirklichung des autonomen Gewollten durch die
Rechtsordnung.552 Grundsätzlich wird die Privatautonomie durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt,553 es sei denn, der Schutz des konkreten Handlungsbereichs erfolgt durch ein anderes Grundrecht554. Treten zwei private Rechtssubjekte miteinander in eine rechtsgeschäftliche Beziehung, so genießen die Akte ihrer Selbstbestimmung gleichermaßen
grundrechtlichen Schutz.555 Im Verhältnis der staatlichen Gewalt zu den einzelnen Beteiligten konfligieren deren Grundrechtspositionen.556 Da ohne die Bereitstellung eines zivilrechtlichen Formenkanons die Realisierung der Privatautonomie durch Begründung privater Rechtsverhältnisse jedenfalls an der fehlenden Durchsetzbarkeit entstandener
Rechte scheitern würde, ist die Gestaltung der Privatrechtsordnung Ausdruck staatlichen
Schutzes der Privatautonomie.557 Bei dieser Gestaltung, die in Wahrnehmung einer
Schutzpflicht zur Sicherung der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Privatautonomie
erfolgt, ist der Staat gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Insoweit be-
550
Heinrich (Anm. 6) S. 59 f. m.w.N.
551
Heinrich (Anm. 6) S. 60 ff. m.w.N.
552
Erichsen (Anm. 5) Rn. 57; Jost Pietzcker, Drittwirkung – Schutzpflicht – Eingriff, in: Maurer (Hrsg.),
Das akzeptierte Grundgesetz. FS für Günter Dürig zum 70. Geb., 1990, S. 345 (348).
553
BVerfGE 8, S. 274 (328); 72, S. 155 (170); 89, S. 214 (231); BVerfG NJW 2001, S. 957 (958); Erichsen
(Anm. 5) Rn. 58; Falk Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, S. 42 ff.
554
Erichsen (Anm. 5) Rn. 59; Wolfram Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 11; Peter Krause, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Privatrecht, JZ 1984, S. 656, 711 (716 f.).
555
Claus-Wilhelm Canaris, Grundrechtswirkungen und Verhältnismäßigkeitsprinzip in der richterlichen
Anwendung und Fortbildung des Privatrechts, JuS 1989, S. 161 (163); Klaus Stern, Das Staatsrecht der
Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 1577.
556
Canaris (Anm. 15) S. 163; Wolfgang Rüfner, Drittwirkung der Grundrechte, in: Selmer/von Münch
(Hrsg.), Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, 1987, S. 215 (223); Gerhard Spieß, Inhaltskontrolle
von Verträgen – das Ende privatautonomer Vertragsgestaltung?, DVBl. 1994, S. 1222 (1226).
557
Vgl. BVerfGE 89, S. 214 (231 f.); Claus-Wilhelm Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184
(1984), S. 201 (225 ff.); Höfling (Anm. 14) S. 28; Josef Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und
als staatliche Schutzpflicht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik
Deutschland, Bd. V, 1992, § 111 Rn. 5.
121
steht eine Bindung im Verhältnis zu beiden privaten, an dem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis Beteiligten. Aus der Sicht des Staates sind mithin in Wahrnehmung seiner Schutzpflicht konfligierende, gleichermaßen grundrechtlichen Schutz genießende Interessen
zum Ausgleich zu bringen.558 Nach allgemeinen Grundsätzen kann ein solcher Ausgleich
prinzipiell nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden.559 Inhaltliche Ausgestaltungsmaxime ist die allseitige Optimierung der Selbstbestimmung im Rechtsverkehr.560 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch Vorsorge dafür zu treffen, dass unvermeidliche Paritätsstörungen nicht in eine Privatautonomie faktisch exkludierende Fremdbestimmung
hypertrophieren, jedenfalls soweit es sich um typisierbare, strukturell angelegte Konstellationen handelt.561 Hierfür kann der Gesetzgeber wegen der Vielgestaltigkeit potentiell
relevanter Fallgestaltungen auf die Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe und von
Generalklauseln nicht verzichten.562
In seinem Urteil vom 6. Febr. 2001 hat das Bundesverfassungsgericht diese Grundsätze
nochmals zusammengefasst:
„Die durch Art. 2 I GG gewährleistete Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind ...
Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen
Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner
selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Wechselseitige Bindung und Freiheitsausübung
finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende
Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag
hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat ... Ist jedoch auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein
solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann,
ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die
Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.“563
558
BVerfGE 81, S. 242 (255); Hans Heinrich Rupp, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976),
S. 161 (171); Stern (Anm. 15) S. 1577.
559
Vgl. Isensee (Anm. 17) Rn. 151; Hans H. Klein, Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, S. 489
(491).
560
Vgl. BVerfGE 89, S. 214 (232); Erichsen (Anm. 5) Rn. 58.
561
BVerfGE 81, S. 242 (254 f.); 89, S. 214 (232).
562
BVerfGE 89, S. 214 (233); Konrad Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 28.
563
BVerfG NJW 2001, S. 957 (958).
122
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Der dargestellte Ableitungszusammenhang von Privatautonomie – Vertragsfreiheit – Abschluss-, Form- und Inhaltsfreiheit mit nur ausnahmsweise bei gravierenden Paritätsstörungen erfolgender Inhaltskontrolle ist auf vertragliches Handeln der Verwaltung von
vornherein nicht anwendbar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vertrag dem Regime des
öffentlichen oder dem des privaten Rechts zuzuordnen ist. Beim Vertrag ist zwischen
Handlung und Regelung zu unterscheiden. Während die Handlung in der Abgabe einer
Willenserklärung besteht, stellt der wirksame Vertrag eine Regelung dar. Schließt die
Verwaltung einen zivilrechtlichen Vertrag, so werden dabei Rechtsfolgen des Privatrechts, nämlich das Zustandekommen des Vertrages, erzeugt. Das Verwaltungshandeln
aber – die Abgabe der Willenserklärung – unterliegt dem öffentlichen Recht. Umgekehrtes gilt für den Privaten, dessen Handeln immer – unabhängig davon, wo die Rechtsfolgen
eintreten – nach Privatrecht zu beurteilen ist. Ob der Vertrag selbst Rechtswirkungen auf
dem Gebiet des öffentlichen Rechts oder des Zivilrechts erzeugt, ist für die Frage der
Bindung des Verwaltungshandelns zweitrangig. Öffentliches Recht ist das für das Han-
deln der Verwaltung geltende Recht.564 Die Wahl der Handlungsform Vertrag stellt die
Verwaltung nicht von den öffentlich-rechtlichen Bindungen frei. Ebensowenig kann der
private Vertragspartner der Behörde über diese Bindungen disponieren. Der Umstand,
dass sich der Private durch den Vertragsschluss freiwillig in ein (auch) ihn verpflichtendes Rechtsverhältnis zu der Verwaltung begibt, dispensiert diese nicht von der Gesetzesbindung.565
Das für unter Beteiligung der Verwaltung geschlossene Verträge geltende Rechtsregime
ist daher von dem für Verträge unter Privaten errichteten strukturell verschieden. Da Privatautonomie einen durch Art. 2 Abs. 1 GG abgeschirmten Bereich selbstbestimmter
Willensverwirklichung bezeichnet, kann sie dem Staat und seinen Untergliederungen
nicht zukommen.566 Die Verwaltung ist nicht Grundrechtsberechtigter, sondern Adressat
der Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG). Schließt die Verwaltung einen Vertrag, so
manifestiert sie nicht eine – ihr nicht zukommende – Willensfreiheit, sondern erfüllt öffentliche Aufgaben.567 Dafür stehen ihr zwar auch die durch das Zivilrecht bereitgestellten
564
Im einzelnen Hans Christian Röhl, Verwaltung und Privatrecht – Verwaltungsprivatrecht?, VerwArch
1995, S. 531 (534 ff.).
565
Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 56 Rn.
26; Gurlit (Anm. 4) S. 333; Volker Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 82 f.
566
S. nur Gurlit (Anm. 4) S. 333; Schmidt-Aßmann/Krebs (Anm. 4) S. 130.
567
Schlette (Anm. 25) S. 108; Schmidt-Aßmann/Krebs (Anm. 4) S. 131.
123
Rechtsgestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung568, ohne dass sie jedoch in Wahrnehmung
von Privatautonomie agieren könnte. Sie unterliegt vielmehr auch bei vertraglichem Handeln in vollem Umfang der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG).569
Auf die Vertragsfreiheit in ihren drei Konkretisierungsebenen kann sich die Verwaltung
mithin nicht berufen. Eine „Abschlussfreiheit“ steht ihr nur insofern zur Verfügung als sie
im Rahmen ihr gesetzlich eingeräumter Ermessensspielräume nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen darüber zu entscheiden hat, ob sie tätig werden soll (Entschließungsermessen) und in welcher Form dies erfolgen soll (Formenwahlermessen). Bestehen solche
Handlungsspielräume nicht, so hat die Verwaltung in Vollziehung der gesetzlichen Vorgaben zu handeln. Entsprechendes gilt für die Inanspruchnahme einer „Formfreiheit“: Die
Verwaltung hat sich der Formen zu bedienen, die ihr das Gesetz vorgibt. Ebensowenig
kann sie eine „Inhaltsfreiheit“ im Sinne einer beliebigen Gestaltung des Vertragsinhalts in
Anspruch nehmen. Die Möglichkeiten der Verwaltung zur Inhaltsgestaltung werden
durch ihre Bindung an das geltende Recht begrenzt. Nur soweit dieses der Verwaltung
inhaltliche Handlungsspielräume eröffnet, bestehen Gestaltungsmöglichkeiten. Ein kooperationsorientiertes Verwaltungsrecht muss in erster Linie am Fachrecht ansetzen. Die
Standards des materiellen Rechts müssen darauf überprüft werden, inwieweit sie Kooperation unnötig einengen und wie eine Öffnung erreicht werden kann. Ein Stichwort kann
in „kooperationsträchtigen“ Handlungsfeldern ein weiträumiger Übergang zur Aufgabenprogrammierung sein. Im übrigen bleibt es dabei, dass die Vertragsgestaltung durch die
Verwaltung gesetzesdirigiert ist.570
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Wegen dieser grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen privatautonomer Vertragsfreiheit und gesetzesdirigierter Wahl der Handlungsform Vertrag ist eine ohne Modifikation erfolgende Unterstellung des vertraglichen Handelns der Verwaltung unter das Vertragsrechtsregime des Zivilrechts nicht möglich. Das Vertragsrecht der Verwaltung (im
Sinne eines Handlungsrechts) weist einen Selbstand auf, der einen Rückgriff auf zivilrechtliche Interessenbewertungen verbietet. So lässt sich die für das Problem der gestörten Vertragsparität im Zivilrecht gefundene Lösung nicht ohne weiteres auf den Vertrag
568
Vgl. Röhl (Anm. 24) S. 537.
569
Schlette (Anm. 25) S. 81 f. m.w.N.
570
Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverträge im Städtebaurecht, in: Lenz (Hrsg.), FS für Konrad
Gelzer zum 75. Geb., 1991, S. 117 (122).
124
zwischen Verwaltung und Privaten übertragen. Anknüpfungspunkt dieser Lösung ist die
Autonomie des Willens der Vertragsparteien, welche die grundsätzliche Sachgerechtigkeit des von ihnen gefundenen Interessenausgleichs indiziert. Mangels Anknüpfbarkeit an
eine Willensautonomie der Verwaltung entfällt dieses Indiz und mit ihm der Grund für
eine nur auf zurückgezogener Linie erfolgende Inhaltskontrolle. Handelt die Verwaltung,
kommt es nicht auf subjektive, sondern auf objektive Richtigkeitsgewähr an.571 Dies
schließt nicht aus, dass die normative Ausgestaltung des Vertragsrechts der Verwaltung
sich an den ihm Zivilrecht gefundenen Lösungen orientiert. Doch bedarf es hierfür der
Herstellung eines spezifisch öffentlich-rechtlichen Ableitungszusammenhangs. Sektorenübergreifende Äquivalenzen können nur solche der Rechtsfolgen, nicht des Rechtsgrundes sein. Etwas anderes kann nur dort gelten, wo Regelungen allein an das Vorliegen eines Vertrages anknüpfen ohne Rücksicht darauf, ob er in Ausübung von Privatautonomie
oder unter Beachtung öffentlich-rechtlicher Bindungen zustande gekommen ist. Ohne
eine gegenüber dem zivilistischen Vertragsrecht eigenständige Regelung der funktionalen
Unterschiede und Schnittstellen lässt sich ein aufgabengerechtes Vertragsrecht für die
öffentliche Verwaltung, das den o. vor VI 1 dargelegten Anforderungen genügt, nicht
entwickeln.
ØEmpfehlun
Empfehlungg:
3.
Der Selbstand des Vertragsrechts der Verwaltung gegenüber dem Vertragsrechtsregime des Zivilrechts ist zu beachten. Ein Rückgriff auf zivilistische Lösungsmodelle ist nur unter Beachtung der strukturellen
Besonderheiten des öffentlichen Rechts möglich.
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In Anbetracht der o. VI 2 entwickelten strukturellen Unterschiede zwischen dem Vertrag
unter Privaten und dem Vertrag mit Beteiligung der Verwaltung mag es auf den ersten
Blick erstaunen, die Frage nach einem einheitlichen Verwaltungsvertrag als Privatrecht
und öffentliches Recht übergreifenden Typus zu stellen. Schließt nicht die Verschiedenheit zwischen dem Vertragsschluss in Ausübung privatautonomer Vertragsfreiheit einerseits und dem unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Bindungen eine solche Einheitlichkeit gerade aus? Eine solche Betrachtungsweise würde verfehlen, dass jene Verschiedenheit allein auf die Notwendigkeit eines spezifisch auf die Verwaltung als Vertragspartner bezogenen Vertragsrechts hinweist, über die sektorale Reichweite dieses Rechts
aber nichts besagt. Das auf die Spezifika der Verwaltung ausgelegte Vertragsrecht kann
571
Gurlit (Anm. 4) S. 334.
125
die tradierte Grenzziehung zwischen öffentlichem und privatem Recht beachten oder überwölben. Im wesentlichen lassen sich drei Grundkonstellationen unterscheiden:
•
zweispuriges Modell: Dabei wird die kategoriale Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag beibehalten und das öffentlichrechtliche Vertragsrecht ggf. fortentwickelt.
•
privatrechtsmodifizierendes Modell: Hier wurde der eigene Normbestand für den
öffentlich-rechtlichen Vertrag weitgehend beseitigt. Die Vertragsvorschriften des Privarechts bildeten dann den Basisbestand, der mehr oder weniger stark modifiziert
wird.
•
verwaltungsvertragliches Modell: Schließlich könnte ohne Rücksicht auf die Grenzziehung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht ein einheitlicher Typus des
Verwaltungsvertrags geschaffen werden. Ein solchermaßen konzipiertes Verwaltungsvertragsrecht stellt auf den Akteur, nämlich die Verwaltung, ab und weniger auf
die Frage, wer nach welchen Rechtsregeln kontrolliert.
Von vornherein nicht näher in Betracht zu ziehen ist das privatrechtsmodifizierende Modell. Es hätte zwar den Vorteil, dass die für die Verwaltung geltende Modifikation sachnah an das betreffende zivilrechtliche Normenregime angebunden wäre, würde jedoch
den o. vor VI 1 entwickelten Anforderungen an ein kooperationsförderndes, transparentes
und praxisadäquates Vertragsrecht zuwiderlaufen.
Es ist kaum zu übersehen, dass das verwaltungsvertragliche Modell das dogmatisch konsequenteste ist. Es ignoriert die Zuordnung des Vertragsgegenstands zu öffentlichem oder
privatem Recht und stellt die Akteursperspektive in den Vordergrund. Wenn das vertragliche Handeln der Verwaltung immer den Bindungen des öffentlichen Rechts unterliegt,
so kann es nur ein einheitliches, als Handlungsrecht konzipiertes Verwaltungsvertragsrecht geben. Ein solches Verwaltungsvertragsrecht ist wiederholt eingefordert worden.572
Es ist besonders dem Umstand geschuldet, dass Verwaltungskooperationen sich häufig in
einer Diffusion von öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Elementen vollziehen.573
Sich aus der kategorialen Zweiteilung in öffentliches und privates Recht ergebende Probleme wie die Frage des für Streitigkeiten aus derartigen Verträgen eröffneten Rechtswegs
572
Vgl. nur Schmidt-Aßmann/Krebs (Anm. 4) S. 162.
573
Vgl. Hans-Heinrich Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 167 (197 ff.).
126
ließen sich durch positive gesetzgeberische Entscheidung, beispielsweise eine aufdrängende Sonderzuweisung an die ordentliche oder die Verwaltungsgerichtsbarkeit, lösen.
Eine solche, von der Zuordnung des Vertrages zum öffentlichen Recht oder Zivilrecht
unabhängige Standardsetzung findet sich de lege lata bereits in § 11 BauGB.574
Nimmt man allerdings die Bereitstellungsfunktion des Rechts in den Blick, so mutet die
geschilderte „große“ Vereinigungslösung eher kontraproduktiv an. Die Bereitstellungsfunktion verlangt dem Recht ab, dasjenige bereitzustellen, das die Verwaltung benötigt,
um zur Bewältigung ihrer Aufgaben ausreichend gerüstet zu sein. Über welches Rüstzeug
die Verwaltung bereits verfügt und welches sie ggf. noch benötigt, lässt sich anhand des
Spektrums der Verwaltungsverträge ermitteln:575
Erfüllung öffentlicher Aufgaben in
Privatrechtsreform
Privatrecht
Verträge im Rahmen erwerbswirtschaftlicher Betätigung
Verträge bei funktionaler und
materieller Privatisierung
Verträge zur gemeinsamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben
Verträge zur Vorbereitung, Erleichterung und Ergänzung von
Hoheitsakten
Hoheitsaktersetzende Verträge
Überschneidungsbereich
öffentlich-rechtliche Vorschriften für „subordinationsrechtliche“ Verträge
Die – notwendig verkürzende – Skizze macht deutlich, dass vor der Folie der Bereitstellungsfunktion des Rechts vor allem der mittlere Spektrumsbereich zwischen öffentlichem
und privatem Recht Regelungsdesiderat ist. Es sind gerade diese Verwaltungskooperationen im Überschneidungsbereich, die gesetzlich nur unzureichend erfasst sind. Die übrigen Verwaltungsverträge sind einer Teilrechtsordnung eindeutig zuordenbar und nor-
574
Vgl. Rolf-Peter Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 1999, § 11 Rn. 1.
575
Modifiziert nach Walter Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten,
VVDStRL 52 (1993), S. 248 (277 f.).
127
mativ durchstrukturiert. Insoweit besteht keine Notwendigkeit, eine Einheitslösung für
alle Verwaltungsverträge anzustreben.
Für die Verträge des Überschneidungsbedarfs ist hingegen eine einheitliche Lösung ohne
Rücksicht auf die Zuordnung des Vertragsgegenstands zum öffentlichen Recht oder Privatrecht geboten. In diesem Bereich ist die Diffusion der beiden Teilrechtsordnungen so
groß, dass eine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen
Verträgen komplizierte Zuordnungsprobleme heraufbeschwört, die ein vertragliches Handeln der Verwaltung eher erschweren als erleichtern. Für die Bewältigung der sich stellenden Regelungsaufgabe ist die nach dem Gegenstand des Vertrages erfolgende Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen schlechterdings nicht notwendig.
Ist das öffentliche Recht und damit das Verwaltungsverfahrensrecht Handlungsrecht der
Verwaltung, so kommt es für eine Normierung von Verwaltungskooperationen auf die
Frage, auf welchem Gebiet die Rechtsfolgen des Verwaltungshandelns eintreten, nicht
entscheidend an. Ob ein Kooperationsvertrag dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, kann der Beurteilung im Einzelfall überlassen bleiben. Verwaltungsverfahrensrechtlich zu regeln ist allein das Agieren der Verwaltung in der Kooperation. Das Verwaltungsverfahrensrecht hat Leitlinien für das zu setzen, was die Verwaltung bei der Gestaltung von Verwaltungskooperationen zu beachten hat. In die Normierungserwägungen einzubeziehen sind insbesondere das Verhalten der Verwaltung bei der
Anbahnung, der vertraglichen Fixierung und der Durchführung der Kooperation. Soweit
es sich dabei um für die Verwaltung verbindliche Vorgaben handelt, ist auch zu regeln,
welche Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung dieser Vorgaben eintreten sollen. Das Kooperationsverhalten des privaten Partners der Verwaltung erzeugt nur insoweit Regelungsbedarfe wie es seinerseits Anforderungen an das Handeln der Verwaltung hervorbringt
(Bsp.: keine Verpflichtung des Bürgers zu unangemessenen Gegenleistungen nach § 56
Abs. 1 S. 2 VwVfG). Der Vorteil einer solchen beschränkten Reichweite der Regelung
von Verwaltungskooperationen besteht darin, dass die auf der Unterscheidung zwischen
öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag beruhende Systematik der §§ 54 ff.
VwVfG weitgehend gewahrt bliebe.
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Empfehlun
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Auch bei einer Novellierung der §§ 54 ff. VwVfG sollte die Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag
im Grundsatz erhalten bleiben. Einzufügende Regelungen von Verwaltungskooperationen können sich auf die Statuierung von Maßstäben für
das Kooperationsverhalten der Verwaltung und ggf. von Folgen bei
128
Nichtbeachtung dieser Maßstäbe beschränken. Die Beurteilung, ob es
sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen oder einen privatrechtlichen
Vertrag handelt, kann dem Einzelfall überlassen bleiben.
4.
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Es ist bereits darauf hingewiesen worden (o. II 3), dass der Unterscheidung zwischen
„subordinationsrechtlichen“ und sonstigen öffentlich-rechtlichen Verträgen funktional
eine Differenzierung nach Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten zugrunde liegt. § 54 S. 2
VwVfG und die an ihn anknüpfenden Regelungen sollen der Situation Rechnung tragen,
dass der im „Schatten der Hierarchie“ der Hoheitsbefugnisse der Behörde kontrahierende
Bürger eines besonderen Schutzes bedarf. Auf der anderen Seite soll die Behörde davor
bewahrt werden, sich Hoheitsbefugnisse gleichsam abkaufen zu lassen.
a)
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Die damit verfolgten Anliegen eines Schutzes des Bürgers gegen eine Übermacht der
Behörde einerseits und der Behörde „vor sich selbst“ andererseits sind im Grundsatz nach
wie vor berechtigt. Der beabsichtigten abgestuften Schutzwürdigkeitsbestimmung wird
jedoch die durch das Bundesverwaltungsgericht etablierte Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 54 S. 2 VwVfG nicht gerecht. Danach soll § 54 S. 2 VwVfG für alle öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen einer Privatperson und einem Träger der öffentlichen Verwaltung auf einem Gebiet gelten, auf dem ein hoheitliches Verhältnis der Überund Unterordnung besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob der konkrete Gegenstand der
vertraglichen Vereinbarung sonst durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte.576 Zur
Auslösung des besonderen Schutzregimes des § 54 S. 2 VwVfG soll es mithin ausreichen,
dass das Gebiet, auf dem der Vertragsgegenstand liegt, typischerweise von hoheitlichen
Handlungsbefugnissen geprägt ist. Hoheitlich wiederum sind gerade solche Handlungsbefugnisse, die gerade und nur der Verwaltung zustehen, also Sonderbefugnisse des Staates
sind. Unabhängig davon, ob man für die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und
Privatrecht der Subordinationstheorie oder der (modifizierten) Subjektstheorie577 folgt, ist
die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Begriffsbestimmung des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages weitgehend identisch mit den Kriterien für das Vorliegen ei-
576
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854).
577
Dazu vgl. nur Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 3 Rn. 16 ff.
129
nes öffentlich-rechtlichen Vertrages. Welche Schutzwürdigkeitsdifferenzierung eine solche Abgrenzung leisten soll, ist nicht ersichtlich.
Darüber hinaus sind keine trennscharfen und methodisch zureichenden Verfahren ersichtlich, das Vorliegen eines Gebietes, auf dem (typischerweise) ein hoheitliches Verhältnis
der Über- und Unterordnung besteht, zu ermitteln. Die Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Problem sind wenig ergiebig. In dem Urteil des Gerichts vom 16.
Mai 2000 kam es auf die Frage nicht entscheidend an, weil der zwischen den Parteien
geschlossene Vertrag sogar auf die Substitution eines Verwaltungsakts zielte.578 Demgegenüber reicht es nach der Rechtsprechung der Obergerichte beispielsweise aus, dass die
Verwaltung „auf städtebaulichem Gebiet auch die Befugnis zu hoheitlichen Regelungen
hat“579. Bei Anlegung dieses Maßstabs wären beispielsweise auch die dargestellten Verwaltungskooperationen zwischen Kommune und ortsansässiger Wirtschaft auf dem Gebiet der Stadtentwicklung zur Steigerung der Standortattraktivität (vgl. o. IV 2 a) „subordinationsrechtliche“ Verträge. Um der Gefahr solcher funktional inadäquaten Zuordnungen zu entgehen, bemüht sich das Bundesverwaltungsgericht erkennbar, ein konkretes
Über- und Unterordnungsverhältnis gerade zwischen den jeweiligen Vertragsparteien
festzustellen.580 Ob damit ein engeres Verständnis des Gebiets, „auf dem ein hoheitliches
Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht“,581 als es die genannte Rechtsprechung
der Oberverwaltungsgerichte verwendet begründet werden soll, ist nicht feststellbar. Bereits diese Unklarheiten indizieren, dass die vom Bundesverwaltungsgericht zur Kennzeichnung des Anwendungsbereichs des § 54 S. 2 VwVfG verwendete Formel wenig geeignet ist, die gebotene Differenzierung nach Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten zu leisten.
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Ebensowenig kann es allerdings umgekehrt auf das hinter dem konkreten Vertragsverhältnis stehende faktische Machtverhältnis ankommen582. Die unterschiedliche Markt578
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1855).
579
So BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (981).
580
BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854 f.).
581
Vgl. BVerwG DVBl. 2000, S. 1853 (1854).
582
So aber Willy Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994,
S. 204.
130
macht von Vertragspartnern ist zwar vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Schutzpflicht
beim Ausgleich der Interessen der Partner zivilrechtlicher Verträge zu berücksichtigen (o.
VI 2 a). Jedoch knüpfen diese Regelungen an die Willensfreiheit von Privatrechtssubjekten, nicht die gesetzliche Gebundenheit der Verwaltung an. Dieser Gebundenheit kann
sich die Verwaltung ohnehin nicht dadurch entziehen, dass sie als Handlungsform den
Vertrag wählt. Entscheidend für die Schutzrichtung des Typs des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages sind allein die Sicherung des Bürgers vor den Gefahren eines Vertragsschlusses im „Schatten der Hierarchie“ und der Verwaltung vor einem „Ausverkauf von
Hoheitsrechten“. Es kann daher ausschließlich darauf ankommen, ob Hoheitsrechte im
Einzelfall Schatten werfen oder ausverkauft werden können. Ein Erschließungsvertrag
wird nicht dadurch zum „subordinationsrechtlichen“ Vertrag, weil die Gemeinde wegen
des Konkurrenzverhältnisses mehrerer privater Leistungsanbieter untereinander über
mehr Marktmacht als die Privaten verfügt.583 Erschließungsverträge sind vielmehr deshalb
keine „subordinationsrechtlichen“ Verträge, weil der mögliche Vertragsgegenstand weit
über das hinausgeht, was einseitig-hoheitlich festgesetzt werden könnte.584 Der Private
erhält seinerseits Vorteile und Realisierungschancen, die er bei hoheitlichem Handeln der
Behörde nicht hätte. Der Umstand, dass die Gemeinde die Erschließung auch selbst hätte
hoheitlich durchführen und Erschließungsbeiträge nach den §§ 127 ff. BauGB hätte erheben können, begründet kein „Über- und Unterordnungsverhältnis“, das eine besondere
Schutzbedürftigkeit des Erschließungsunternehmers begründen würde. Vielmehr ist es
gerade sein Ziel, durch den Erschließungsvertrag Vorteile zu erhalten, die er bei einem
einseitigen Vorgehen der Behörde nicht hätte.
c)
c)
Schutz
nter ddeem Gesi
chtspunkt funktionale
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Schutzw
würdi
ürdiggkeitsermittlung uunter
Gesichtspunkt
funktionalerr Äquiv
Äquivaale
Der Private wählt mithin freiwillig den Abschluss eines Vertrages mit der Behörde, weil
er anders sein Ziel nicht erreichen könnte. Diese Freiwilligkeit des Vertragsschlusses seitens des Privaten enthebt die Behörde zwar nicht der Bindung an das öffentliche Recht
(o. VI 2 b). Jedoch ist der Private nicht in gleichem Maße schutzbedürftig, wenn er einen
vertraglichen „Mehrwert“ erzielen kann. Die der Wertung des § 54 S. 2 VwVfG zugrunde
liegende besondere Schutzbedürftigkeit besteht nur im Falle einer funktionalen Äquivalenz des Vertragsschlusses mit dem Erlass einer einseitig-hoheitlichen Regelung. Von
einem „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ kann wiederum nur dann die Rede sein, wenn
583
So aber Spannowsky (Anm. 42) S. 204 f.
584
Hans-Jörg Birk, Die städtebaulichen Verträge nach BauGB 98, 3. Aufl. 1999, Rn. 23.
131
die Ausübung eines Hoheitsrechts von einer Gegenleistung des Bürgers abhängig gemacht werden soll.585 Ist eine hoheitliche Befugnis der Behörde weder vertragliche Leistung noch – wie beim sog. hinkenden Austauschvertrag – Geschäftsgrundlage für den
Abschluss des Vertrages, so kann es nicht darauf ankommen, ob auf dem „Gebiet“ im
übrigen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht.
§ 54 S. 2 VwVfG ist daher in der Auslegung, die die Vorschrift durch die Rechtsprechung
erfahren hat, zu weit: Vom Schutzzweck her bedarf es einer besonderen Regelung nur für
die Fälle, in denen der Vertrag inhaltlich an die Stelle eines einseitigen Hoheitsakts der
Behörde tritt oder der Erlass eines solchen Hoheitsakts Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist. Von vornherein nicht von diesem Schutzzweck erfasst sind Verwaltungskooperationen, bei denen eine behördliche Hoheitsleistung nicht in
einer –synallagmatischen oder als Geschäftsgrundlage vorausgesetzten – Austauschbeziehung zur Leistung des Privaten steht, sondern zur Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe
dient: Eine Verwaltungskooperation zwischen Gemeinde und Wirtschaft zur Stadtentwicklung und Verbesserung der Standortqualität wird nicht dadurch zum „subordinationsrechtlichen“ Vertrag, dass die Gemeinde zur Verwirklichung von Kooperationszielen
einen Bebauungsplan erlässt.
Gleichwohl erscheint es wenig sinnvoll, eine Änderung des § 54 S. 2 VwVfG in dem genannten Sinne zu empfehlen. Eine solche Regelung würde sich am Inhalt des Vertrages
anstatt an dem Umstand orientieren, dass das Verwaltungsverfahrensrecht Handlungsrecht der Verwaltung ist. Eine auf das Kontrahieren über einen Hoheitsakt abstellende
Begriffsbestimmung würde verfehlen, dass die an § 54 S. 2 VwVfG anknüpfenden Regelungen vor allem der §§ 55 und 56 VwVfG Ausdruck allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsätze sind, die unabhängig vom Inhalt des konkreten Vertrages gelten (dazu u.
VI 5 a, 7). Diese Grundsätze binden das Handeln der Verwaltung grundsätzlich bei jedem
Vertragsschluss. Soweit sie positiviert werden, müssen sie einer Differenzierung unter
Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten Rechnung tragen. Eine zusätzliche Vertypung einer
Schutzwürdigkeitssituation bringt demgegenüber keinen Erkenntnisgewinn, sondern kann
einerseits zu einer flexibilitätshemmenden Überbetonung vermeintlicher Schutzwürdigkeiten, andererseits – für die übrigen Bereiche – zu einer Relativierung der öffentlichrechtlichen Bindungen der Verwaltung führen. Hieraus resultiert die folgende
585
Vgl. Schlette (Anm. 25) S. 54.
132
ØEmpfehlun
Empfehlungg:
5.
Die bisher in § 54 S. 2 VwVfG verankerte Kategorie des „subordinationsrechtlichen“ Vertrages sollte aufgegeben werden. Statt dessen sollte
den öffentlich-rechtlichen Bindungen der Verwaltung in unterschiedliche Schutzbedürfnisse aufnehmenden Regelungen Rechnung getragen
werden.
eitsvoraussetz
etzungen
Auustauschv
stauschvertr
ertr
ertraages
Zulässi
Zulässiggkeitsvorauss
etz
ungen des A
Die Regelungen über den Austauschvertrag in § 56 VwVfG sind spezifischer Ausdruck
des Schutzes des Bürgers vor hoheitlicher Übermacht und vor dem „Ausverkauf von Hoheitsrechten“. Diesem Zweck dienen im wesentlichen zwei Kautelen, das sog. Koppelungsverbot und das Angemessenheitsgebot. Das Koppelungsverbot gebietet, dass die
Gegenleistung des Bürgers in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung
der Behörde steht. Weiterhin muss die Gegenleistung den gesamten Umständen nach angemessen sein (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Demgegenüber hat das in § 56 Abs. 1 S 1
VwVfG verankerte Bestimmtheitserfordernis lediglich eine flankierende Funktion, soll es
doch sicherstellen, dass sich bereits aus dem im Vertrag selbst Vereinbarten ergibt, welche Gegenleistung zu erbringen ist, ob diese den gesamten Umständen nach angemessen
ist und ob sie in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde
steht (o. II 3 b bb aaa).
a)
Verfassun
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Schutzr
hutzregime
Nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Wissenschaft
muss davon ausgegangen werden, dass sowohl das Koppelungsverbot als auch das Angemessenheitsgebot verfassungsrechtlich fundiert sind und daher bei einer Novellierung
der §§ 54 ff. VwVfG nicht vollständig eliminiert werden können. Aus dem Umstand, dass
in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung die Frage, ob die Grundsätze des §
56 VwVfG auch dann – zumindest entsprechend – anwendbar sind, wenn kein „subordinationsrechtlicher“ Vertrag im Sinne von § 54 S. 2 VwVfG vorliegt, offengelassen worden ist586, kann nichts anderes entnommen werden. Denn die betreffenden Entscheidungen
führen trotz offengelassener Anwendbarkeit gleichwohl eine Prüfung des betreffenden
Grundsatzes durch, verneinen aber im jeweiligen Einzelfall eine Verletzung. Auch nach
Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist es kaum bestrittene Auffassung, dass
das Angemessenheitsgebot Ausdruck des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnis-
586
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304); BWVGH NVwZ-RR 1998, S. 351 (352).
133
mäßigkeit ist587 und das Koppelungsverbot ebenfalls dem Rechtsstaatsgebot entspringt588,
ggf. auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten wird589.
Die Eckpunkte zu beachtender Schutzwürdigkeitsdifferenzierungen werden durch den
Vertrag zwischen verschiedenen Stellen der öffentlichen Verwaltung einerseits und das
Kontrahieren zwischen Behörde und Privaten über einen Hoheitsakt andererseits gesetzt.
Für die sog. koordinationsrechtlichen Verträge (zum Begriff o. II 4) ist anerkannt, dass
Koppelungsverbot und Angemessenheitsgebot keine Geltung beanspruchen.590 Bei Verträgen zwischen Behörde und Privaten, welche inhaltlich an die Stelle von Hoheitsakten
der Behörde treten oder deren Geschäftsgrundlage der Erlass eines solchen Hoheitsakts
ist, ist das durch diese Grundsätze zu verwirklichende Schutzbedürfnis am größten:
Koordinationsrechtlicher
Vertrag
Vertrag zwischen
Behörde und Privaten zwecks gemeinsamer Aufgabenerfüllung
Vertragliche
Aufgabenübertragung
auf Private
Vertrag über einen
Hoheitsakt zwischen Behörde
und Privaten
Schutzbedürfnis
Bereits aus dieser – notwendig vergröbernden – Skalierung wird deutlich, dass die Notwendigkeit, unter rechtsstaatlichen Vorgaben Schutzwürdigkeitsanforderungen normativ
zu übersetzen, über einen Typus des „Austauschvertrags“, wie er in § 56 VwVfG vorgesehen ist, hinausgreift. Ein solcher Typus bezeichnet lediglich einen Punkt auf der gleitenden Schutzwürdigkeitsskala. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Anforderungen an das
Verhalten der Behörde bezüglich der Gegenleistung ihres Vertragspartners. Insoweit
„passt“ § 56 VwVfG nur für den Ausschnitt der bipolaren Beziehung zwischen Staat und
hoheitsunterworfenem Bürger, hat aber für diesen Teil nach wie vor seine inhaltliche Berechtigung. Komplexe Verhandlungssituationen, in denen verschiedene Interessen zu einer Gesamtlösung zusammengeführt werden, können hingegen mit dem Instrumentarium
des § 56 VwVfG nicht bewältigt werden. Derartige komplexe Verträge entziehen sich
587
BVerwG NJW 1985, S. 989 (990); BayVGH NVwZ 1990, S. 979 (981); Annett Lischke, Tauschgerechtigkeit und öffentlich-rechtlicher Vertrag, 2000, S. 19.
588
BVerwG NJW 1980, S. 1294; HessVGH NJW 1983, S. 2831 (2832); Gurlit (Anm. 4) S. 337; Mathias
Preuß, Zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen subordinationsrechtlicher Verwaltungsverträge unter
besonderer Berücksichtigung des Koppelungsverbots, 2000, S. 174; Bonk (Anm. 25) § 56 Rn. 4.
589
Gurlit (Anm. 4) S. 337.
590
Bonk (Anm. 25) § 56 Rn. 9.
134
weitestgehend sowohl einer Angemessenheits- als auch einer Sachzusammenhangsprüfung.
b)
eines
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uften S
ystems von Schut
gen
Entwi
Entwiccklun
klungg ei
nes ab
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stuften
Sy
Schutzzanforde
nforderun
run
rung
Will man gleichwohl der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Anforderungen in einer
gleitenden Skala gerecht werden, so bedarf es der Suche nach funktionalen Äquivalenten
einer strikten Koppelungs- und Angemessenheitsprüfung. Der Gedanke funktionaler Äquivalenz besagt, dass zur Erreichung eines Steuerungserfolges ein anderes, in der Regel
milderes Mittel als das primär vorgesehene eingesetzt wird.591 Soweit es um den Schutz
der Interessen von Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens geht, kann insbesondere das
Verfahren selbst eine kompensatorische Funktion erlangen.592 Die Kontrolle des Verfahrensergebnisses kann durch ein elastisches System von abgestuften Ersatzpflichten zumindest teilweise ersetzt werden.593 Dies gilt vor allem für multipolare Interessenintegrationen. Typisches Beispiel ist das Planfeststellungsverfahren: Die Berücksichtigung der
Belange Betroffener wird in erster Linie durch die Gestaltung des Verfahrens gewährleistet. Die verfahrensabschließende Entscheidung, der Planfeststellungsbeschluss, ist
hingegen hinsichtlich der wertenden Gewichtung der Belange untereinander nur beschränkt überprüfbar.594 Angemessenheitsprüfungen in multipolaren Entscheidungssituationen können nicht als starre Eingriffsgrenze gefasst, sondern müssen als Auftrag zur
Suche nach zumutbaren Interessenbalancierungen definiert werden: „Ein so verstandener
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedarf ergänzender verfahrensmäßiger Absicherungen
eines angemessenen Interessenausgleichs. Verhältnismäßigkeit ist in multipolaren Interessenstrukturen auf eine Verfahrens-Richtigkeit angewiesen, die auf eine die Konkordanz ermöglichende Informations- und Interaktionsbeziehung ausgerichtet ist.“595
Der Informationsstatus der Beteiligten beeinflusst die Angemessenheit des Interessenausgleichs unmittelbar. Der Behörde kommt insoweit die Aufgabe zu, das Erreichen eines
entsprechenden Informationsniveaus der Beteiligten sicherzustellen. Insbesondere dann,
wenn der Private seinerseits Einfluss auf das Handeln der Behörde nehmen kann, sind
591
Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 442.
592
Schuppert (Anm. 51) S. 805 f.
593
Vgl. in diesem Zusammenhang Andreas Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, 1999, S. 89.
594
Ferdinand O. Kopp/Ulrich Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2000, § 40 Rn. 112 m. N.
595
Wolfgang Hoffmann-Riem, Ermöglichung von Flexibilität und Innovationsoffenheit im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 9 (51).
135
derartige Beratungspflichten der Behörde statuiert, damit der Private eine zureichende
Folgenabschätzung hinsichtlich unterschiedlicher Optionen vornehmen kann. Hinzuweisen ist dabei auf § 71c Abs. 1 S. 1 VwVfG, wonach die Genehmigungsbehörde, soweit
erforderlich, Auskunft über Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens, einschließlich der damit verbundenen Vor- und Nachteile erteilt. Die Erforderlichkeit der
Auskunftserteilung wird nach dem schutzwürdigkeitsorientierten Informationsbedürfnis
des Antragstellers bemessen: Maßgebend sind die Umstände des konkreten Einzelfalls,
insbesondere die sachliche und rechtliche Schwierigkeit des Genehmigungsverfahrens
sowie die Verfahrenskompetenz des Antragstellers.596
Fasst man die bisherigen Überlegungen zusammen, so gilt folgendes: Der rechtsstaatlich
elementare Aussagegehalt von Koppelungsverbot und Angemessenheitsprüfung, der
Schutz vor hoheitlicher Übermacht und die Verhinderung des Ausverkaufs von Hoheitsrechten, betrifft bipolare Verträge zwischen Behörde und Privaten, die inhaltlich an die
Stelle eines einseitigen Hoheitsaktes der Behörde treten oder bei denen der Erlass eines
solchen Hoheitsakts Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist. Die
Sicherstellung eines hinreichenden Informationsniveaus des privaten Partners kann als
Ersatzpflicht der Behörde (teil-)kompensatorische Wirkungen entfalten.597 In multipolaren
Entscheidungszusammenhängen ist die Information der Beteiligten allein in der Lage, ein
funktional äquivalentes rechtsstaatliches Niveau zu sichern. Insbesondere ist zu beachten,
dass der private Vertragspartner der Behörde seiner Privatautonomie nicht dadurch verlustig geht, dass er gerade mit der Behörde kontrahiert (o. VI 2 b). Es bleibt ihm grundsätzlich unbenommen, nach seinem Willen der Behörde eine Gegenleistung zu offerieren,
die unangemessen ist. Hält er trotz zureichenden Informationsniveaus gleichwohl an einem Vertragsschluss unter diesen Bedingungen fest, so entspricht dies der Handlungsrationalität des privaten Sektors. Den für den öffentlichen Sektor geltenden rechtlichen Erfordernissen wird dadurch Rechnung getragen, dass die Behörde eine Informations- und
Beratungspflicht trifft. Eine umfassende Inhaltskontrolle des Vertrages unter Angemessenheits- und Koppelungsgesichtspunkten ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Lediglich dann, wenn die private Handlungsrationalität im „Schatten der Hierarchie“ zu ver-
596
Jan Ziekow, Zügige Verwaltungsverfahren, in: ders. (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998, S. 51 (87) m.w.N.
597
Vgl. auch Martin Bullinger, Die funktionelle Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht als
Beitrag zur Beweglichkeit von Verwaltung und Wirtschaft in Europa, in: Hoffmann-Riem/ SchmidtAßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 239
(254).
136
schwinden droht, ist ein Rückgriff auf das zur Regulierung der Handlungsrationalität des
öffentlichen Sektors entwickelte Instrumentarium notwendig.
Schließlich ist mit der Entwicklung eines abgestuften Systems von Schutzanforderungen
nicht darüber entschieden, welche Folgen ein Verstoß gegen solche Anforderungen haben
soll. Ob die in § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG vorgesehene Nichtigkeitsfolge als Sanktionsmechanismus zwingend ist, bleibt zu überprüfen (dazu u. VI 9 a dd). Es könnte beispielsweise daran gedacht werden, die Nichtigkeitsfolge nur bei gravierenden Verstößen vorzusehen und im übrigen nur einen Anspruch auf das negative Interesse zu gewähren. Der
Vertragspartner der Behörde wäre dann so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Behörde ihre Informations- und Beratungspflicht erfüllt hätte. Hieraus könnte primär ein
Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet werden. Erst wenn dieser Anspruch dem
Schutzinteresse des Privaten nicht gerecht würde, käme eine Rückabwicklung des gesamten Vertrages in Betracht.
Aus den vorstehenden Betrachtungen können folgende Em
Empf
pfehhlun
lluun
unggen entwickelt werden:
Ø Unter den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechtsstaatsgebots bedarf es einer
Prüfung der Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde für die Fälle zweiseitiger Verträge zwischen Behörde und Privaten, die inhaltlich an die Stelle eines
einseitigen Hoheitsakts der Behörde treten oder bei denen der Erlass eines solchen
Hoheitsaktes Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist.
Ø Ein solche strikte Prüfung ist jedoch erst dann geboten, wenn die Behörde den
Vertragspartner nicht umfassend über die Vor- und Nachteile des Vertrages sowie
die Maßstäbe für die Angemessenheit der Gegenleistung aufgeklärt hat. Hat die
Behörde ihrer Aufklärungspflicht genügt und ihr Vertragspartner sich in Kenntnis
der Nachteile zu dem Vertragsschluss entschlossen, so ist es gerechtfertigt und der
privatautonomen Willensentscheidung des Privaten angemessen, die Beachtung
von Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot zu vermuten. Es ist dann Sache
des Privaten, diese Vermutung zu widerlegen und darzutun, weshalb gleichwohl
gegen die genannten Grundsätze verstoßen worden sein soll.
Ø Für alle anderen vertraglichen Kooperationen wird ein den rechtsstaatlichen Vorgaben genügendes Schutzniveau durch die genannte Aufklärungs- und Beratungspflicht sichergestellt, die allein geeignet ist, komplexe Einigungsstrukturen unter
Angemessenheits- und Koppelungsgesichtspunkten zu vernetzen.
6.
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Hinsichtlich der zu wahrenden Form ist o. VI 1 ein Flexibilitätsnachteil des öffentlichrechtlichen Vertrages gegenüber dem Verwaltungsakt konstatiert worden. Während ein
Verwaltungsakt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG grundsätzlich formfrei erlassen werden
137
kann, bedarf der öffentlich-rechtliche Vertrag nach § 57 VwVfG der Schriftform, soweit
nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Der Zweck des Schriftformerfordernisses besteht zum einen in einer Warn-, zum anderen in einer Beweisfunktion: In seiner Warnfunktion soll das Erfordernis beide Vertragspartner vor Übereilung
schützen. Die Beweisfunktion zielt auf die Dokumentation von Vertragspartnern, -abschluss und -inhalt ab (o. II 5). Anders als beispielsweise die Schutzvorschrift des § 56
VwVfG gilt das Schriftformerfordernis nicht nur für „subordinationsrechtliche“, sondern
für alle öffentlich-rechtlichen Verträge.
Geht man vom Schutzzweck des Schriftformerfordernisses aus, so legt seine Optimierung
die Verschärfung des Schriftformerfordernisses nahe. So wird gefordert, in § 57 VwVfG
das ausdrückliche Erfordernis einer einheitlichen, handschriftlich unterzeichneten Urkunde598 oder sogar der notariellen Beurkundung599 zu verankern. Wessen Schutz diese Forderungen oder auch das bestehende Schriftformerfordernis des § 57 VwVfG dienen sollen,
wird nicht recht einsichtig. In der Regel wird darauf hingewiesen, dass das Schriftformerfordernis dem Schutz von Behörde und Bürger gleichermaßen diene.600 Weshalb Behörde
und Bürger beim Abschluss gerade eines öffentlich-rechtlichen Vertrages eines besonderen Schutzes bedürfen sollen, erhellt nicht. Ist der Vertrag dem Gegenstand nach dem
Zivilrecht zuzuordnen, gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Gleiches gilt bei der typischen
Handlungsform des öffentlichen Rechts, dem individuell-konkreten Verwaltungsakt601.
Dass die Zusammenfügung von privater, sich im Regelfall formfrei verwirklichender
Willensautonomie und öffentlich-rechtlichen, ebenfalls grundsätzlich nicht an Formerfordernisse gebundenen hoheitlichen Maßnahmen einen Formzwang erzeugen soll, ist nicht
nur nicht zwingend, sondern systematisch verfehlt.
Wollte man das Schriftformerfordernis wegen seiner Beweisfunktion für unentbehrlich
halten, so müssten sämtliche rechtlich relevanten Akte schriftlich vorgenommen werden.
Im Streitfall müssen Existenz und Inhalt des mündlich erlassenen Verwaltungsakts ebenso nachgewiesen werden wie die des zivilrechtlichen Vertrages. Ein erhöhtes Beweisbarkeitsbedürfnis für öffentlich-rechtliche Verträge ist nicht erkennbar.
598
So Schlette (Anm. 25) S. 460.
599
So Klaus Michael Rückert, Umweltrechtliche Klauseln in öffentlich-rechtlichen Verträgen – Gestaltungschance für die Kommunen?, Diss. Tübingen, 1998, S. 88 f.
600
Schlette (Anm. 25) S. 459 f.
601
Zum Verwaltungsakt als typischer Handlungsform des öffentlichen Rechts Schoch (Anm. 2) S. 206.
138
Entsprechendes gilt für die Warnfunktion: Sie erfasst nicht jedes rechtserhebliche Handeln, sondern regelmäßig nur Akte einer besonderen Tragweite. Von der Behörde muss
erwartet werden können, sach- und rechtskundig zu sein. Sie muss nicht davor gewarnt
werden, eine rechtlich erhebliche Handlung vorzunehmen. Nach den oben VI 5 entwickelten Überlegungen zur Schutzbedürftigkeit des privaten Vertragspartners der Behörde
gilt für diesen grundsätzlich nichts anderes: Folgt man dem Vorschlag, als funktionales
Äquivalent zu einer strikten Prüfung von Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot
eine Pflicht der Behörde zur Aufklärung über die mit dem Vertrag verbundenen Vor- und
Nachteile zu statuieren, so ist der Warnfunktion bereits mit der Erfüllung dieser Aufklärungspflicht Rechnung getragen. Der Private ist auf ihm durch den Vertragsschluss evtl.
drohende Risiken und damit auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, den Vertrag
nicht übereilt, sondern erst nach Abwägung der Vor- und Nachteile zu schließen.
Gründe dafür, für alle öffentlich-rechtlichen Verträge an dem Schriftformerfordernis festzuhalten, sind mithin nicht ersichtlich. Mit einer Formlosigkeit von Verträgen der Verwaltung darf vor allem nicht die Vorstellung verbunden werden, dass dadurch eine
„Vertraglichung“ informellen Verwaltungshandelns erfolgen würde. Denn beim informellen Verwaltungshandeln fehlt es typischerweise am Rechtsbindungswillen. Allerdings
kann umgekehrt auch nicht generell davon abgesehen werden, öffentlich-rechtliche Verträge von der Beachtung der Schriftform freizustellen. Jedenfalls in den Fällen, in denen
der Vertrag inhaltlich an die Stelle eines aufgrund gesetzlicher Vorschriften schriftlich zu
erlassenden Verwaltungsakts tritt oder über einen formgebundenen Hoheitsakt kontrahiert
wird, kann auf das Schriftformerfordernis nicht verzichtet werden. Dabei sollte klarstellend hinzugefügt werden, dass § 126 Abs. 2 S. 1 BGB keine Anwendung findet, Urkundeneinheit also nicht gefordert wird. Ausreichend sind zwei aufeinander Bezug nehmende
Schreiben der Vertragspartner.
Die aufgezeigten Vorgaben – Formfreiheit des öffentlich-rechtlichen Vertrages, Schriftformerfordernis bei einen formgebundenen Hoheitsakt ersetzenden oder betreffenden
Verträgen – sind allerdings nur die Minimalstandards, die sich aus einem Vergleich mit
den Regelungen über den Verwaltungsakt einerseits und den zivilrechtlichen Vertrag andererseits ableiten lassen. Gleichwohl ist zu beachten, dass es die Verwaltung beim Erlass
eines Verwaltungsakts selbst in der Hand hat, die Vor- und Nachteile der Schriftlichkeit
gegeneinander abzuwägen und entsprechend zu berücksichtigen. Bei der Wahl der
Handlungsform des Vertrages ist ihr diese Vorgehensweise versagt; ohne Zustimmung
des Vertragspartners kann sie eine schriftliche Fixierung des Vertragsinhalts nicht errei-
139
chen. Umgekehrt kann auch der private Vertragspartner der Behörde ein berechtigtes Interesse an der Fertigung einer schriftlichen Fassung haben. § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG berücksichtigt diesen Umstand beim Erlass eines Verwaltungsakts in der Weise, dass der
Betroffene die schriftliche Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsakts verlangen
kann, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht. Dieses berechtigte Interesse kann
rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein und ist bei einem durch den
Verwaltungsakt Betroffenen in der Regel anzunehmen.602 Eine diesbezügliche Schlechterstellung von Behörde und Privaten gegenüber den für den Verwaltungsakt geltenden Bestimmungen kann wiederum ein Grund für einen Verzicht auf die Wahl der Vertragsform
sein.
Weiterhin ist zu beachten, dass behördliche Akte, bei deren Erlass komplexere Interessenintegrationen zu leisten sind, typischerweise schriftlich ergehen. Beispiele sind der
Planfeststellungsbeschluss nach § 74 VwVfG oder die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 10 BImSchG. Insbesondere erhalten Drittbetroffene erst durch die
Wahrung der Schriftform Gelegenheit, sich mit dem genauen Inhalt des Behördenhandelns auseinanderzusetzen. Auch für solche Fälle dürfte es angezeigt sein, am Schriftformerfordernis festzuhalten.
Für alle anderen Fälle reicht ein im Gesetz verankerter Hinweis aus zu prüfen, ob nicht
eine schriftliche Abfassung des Vertrages bevorzugt werden soll.
Hieraus lassen sich folgende Em
Emppffehl
ehhllunng
gen
en formulieren:
Ø Die Schriftform sollte als Regelform für den öffentlich-rechtlichen Vertrag aufgegeben werden.
Ø Für einen formbedürftigen Hoheitsakt ersetzende oder betreffende Verträge ist das
Schriftformerfordernis unter Verzicht auf die Notwendigkeit der Urkundeneinheit aufrechtzuerhalten.
Ø Multipolare Vertragssituationen und durch den Vertrag erzeugte Drittbetroffenheiten
legen ebenfalls die Beibehaltung des Schriftformerfordernisses nahe.
Ø Im übrigen ist eine Option beider Vertragspartner zur Wahl der Schriftform für den
Vertrag vorzuziehen.
602
Kopp/Ramsauer (Anm. 54) § 37 Rn. 24.
140
7.
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De lege lata bietet § 55 VwVfG nur auf sehr zurückgezogener Linie die Möglichkeit, Abstriche von der nach § 24 VwVfG bestehenden Amtsermittlungspflicht der Behörden zu
machen. § 55 VwVfG ermöglicht es lediglich, die nach § 24 VwVfG zu bestimmende
Grenze der Ermittlungspflicht konsensual außer Streit zu stellen. Insofern bleibt es bei
der, lediglich durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 26 Abs. 2 VwVfG modifizierten einseitigen Ermittlungspflicht der Behörde. Nach dieser Systematik braucht
der Vertragspartner nur in den Grenzen des § 26 Abs. 2 VwVfG etwas zur Erarbeitung
des Sachverhalts, auf dessen Grundlage kontrahiert werden soll, beizutragen.
Beim Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages sind hingegen beide Vertragsparteien in
gleicher Weise für die Erstellung der tatsächlichen Vertragsgrundlagen verantwortlich.
Auch im Verwaltungsrecht finden sich mehr und mehr Regelungen, die den Privaten verstärkt in die Konkretisierung des Sachverhalts einbinden. Bekanntestes Beispiel ist die in
§ 6 UVPG statuierte Pflicht des Trägers des Vorhabens, der Behörde zu Verfahrensbeginn
die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens
vorzulegen. Die für die Erfüllung dieser Vorlagepflicht erforderlichen tatsächlichen
Grundlagen hat der Vorhabenträger selbständig zu ermitteln. Die Beschäftigung der Behörde mit dem Tatsachenmaterial setzt erst ein, wenn der Vorhabenträger das von ihm
zusammengestellte Material vorgelegt hat. Nunmehr hat die Behörde in sog. nachvollziehender Amtsermittlung die Angaben des Antragstellers zu prüfen: Sie darf sich dabei
nicht auf eine reine Plausibilitätskontrolle anhand der vorgelegten Unterlagen und damit
auf eine im Wesentlichen ungeprüfte Übernahme der Angaben beschränken, sondern
muss diese kritisch würdigen und zumindest stichprobenartig Kontrollermittlungen vornehmen.603
Ähnliche Regelungen, die die von der Behörde zu leistende Amtsermittlung entlasten,
finden sich in anderen Zusammenhängen. So sieht § 71c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG die
Erörterung zwischen Behörde und zukünftigem Antragsteller vor, welche sachverständigen Prüfungen im Genehmigungsverfahren anerkannt werden können. Die entsprechenden Prüfungen werden dann vom Antragsteller veranlasst und brauchen nicht mehr von
der Behörde durchgeführt zu werden, sofern sie nach späterer Betrachtung der Behörde
603
Jens-Peter Schneider, Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1991,
S. 126 ff.; ders., Kooperative Verwaltungsverfahren, VerwArch 1996, S. 38 (55 f.).
141
für ihre Überzeugungsbildung ausreichen.604 Zahlreiche Vorschriften sehen vor, dass ein
Anlagenbetreiber auf seine Kosten Messungen, Prüfungen oder Sachverständigengutachten veranlassen muss (vgl. §§ 26, 28 ff. BImSchG, § 40 Abs. 3 KrW-/AbfG, § 19i Abs. 2
WHG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG). Darüber hinaus sind Pflichten zur Dokumentation und
Mitteilung bestimmter Vorgänge an die Behörde vorgesehen (vgl. § 27 BImSchG, §§ 42,
43 KrW-/AbfG, § 12 Abs. 1 Nr. 5 AbfG, §§ 7 ff. StörfallVO).
Diese Regelungen beruhen sämtlich auf dem bereits aufgezeigten Charakter des Verwaltungsverfahrens als Prozess der Informationsgewinnung und -verarbeitung (o. V). Sie
sind im wesentlichen Reaktion auf die „Informationskrise“ der Verwaltung vor der Realität komplexer Wissensgenerierung.605 Die Verwaltung ist weniger und weniger in der
Lage, das für die Produktion einer Entscheidung notwendige Wissen in vollem Umfang
selbst erwerben zu können.606 Als „Einbruchstelle für Subjektivität“ ist die Rekonstruktion
des Sachverhalts in besonderem Maße auf Kommunikation und Informationsaustausch
zwischen den Beteiligten angewiesen.607 Durch kommunikative Interaktion vermittelte
Intersubjektivität ist insoweit der Versuch der Herstellung von Objektivität. Daneben finden sich andere Formen der informationellen Entlastung der Behörde durch Verfahrensprivatisierung.608
Kooperative Sachverhaltskonkretisierung ist daher ein unentbehrliches Mittel, um der
Generierungs- und Verarbeitungsaufgabe des Verwaltungsverfahrens gerecht werden zu
können. Sie ist gleichzeitig Ausdruck einer Verantwortungsteilung (dazu o. I 1), indem
sie den Privaten in die behördliche Verantwortung für die Ermittlung des Tatsachenmaterials einbezieht. Gleichwohl können in der rechtlichen Bewertung behördlicher und privater Beitrag zur Sachverhaltsermittlung nicht vollständig gleichgewichtig sein. Der Untersuchungsgrundsatz ist im rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Ver-
604
Vgl. Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998, § 71c
Rn. 25 f.
605
S. Andreas Voßkuhle, Der Wandel von Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozeßrecht in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, 2000, S. 349 (352 ff.).
606
Schoch (Anm. 2) S. 227; Voßkuhle (Anm. 65) S. 354 f.
607
Rainer Pitschas, Allgemeines Verwaltungsrecht als Teil der öffentlichen Informationsordnung, in:
Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts,
1993, S. 219 (287); vgl. auch Hoffmann-Riem (Anm. 55) S. 35 ff.; Schoch (Anm. 2) S. 227; Voßkuhle
(Anm. 65) S. 369.
608
Dazu Wolfgang Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisierung, DVBl. 1996, S. 225 ff.
142
waltung verankert609 und daher nicht aufgebbar. Die Verwaltung kann sich aus der Verantwortung für die Erstellung einer entscheidungstragenden Tatsachengrundlage nicht
zurückziehen.610 Eine bloße Addition von behördlichem und privatem Sachverhaltsbeitrag
ist nicht möglich. Die Behörde darf sich nicht auf die ungeprüfte Übernahme des informationellen Kooperationsbeitrags des Privaten beschränken, sondern muss nach den
Grundsätzen der nachvollziehenden Amtsermittlung eine Kontrolle der privaten Konkretisierungsleistung durchführen.
Möglichkeiten zur Sicherstellung einer objektiven Tatsachenaufbereitung liegen vor allem in einer normativen Vorordnung der kooperativen Sachverhaltskonkretisierung.
Durch Definition von seitens des Privaten zu beachtender Standards kann es der Behörde
erleichtert werden, Ungenauigkeiten und Subjektivismen des privaten Konkretisierungsbeitrags zu erkennen.611 Beispiel ist wiederum das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung: Im Scoping-Verfahren nach § 5 UVPG erörtert die Behörde mit dem Vorhabenträger den Gegenstand, den Umfang und die Methoden der Umweltverträglichkeitsprüfung
sowie sonstige für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung erhebliche Fragen. Hierdurch wird für den Vorhabenträger insbesondere der Rahmen für die Zusammenstellung seiner nach § 6 UVPG vorzulegenden Unterlagen abgesteckt.612 Besonders
deutlich wird der Gedanke kooperativer Sachverhaltskonkretisierung anhand des § 5 S. 4
UVPG: Danach soll die Behörde Informationen, über die sie verfügt und die für die Beibringung der Unterlagen nach § 6 UVPG zweckdienlich sind, dem Träger des Vorhabens
zur Verfügung stellen.
Hieraus lassen sich folgende Em
Emppffehhllun
lunggen ableiten:
Ø Die in § 55 VwVfG für den Vergleichsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten intersubjektiver Sachverhaltskonkretisierung sollten erweitert werden. Dabei ist zu beachten,
dass der Untersuchungsgrundsatz nicht aufgebbar ist.
Ø Die Verantwortung der Behörde für die Sachverhaltsobjektivität kann durch normative Vorordnung der kooperativen Sachverhaltskonkretisierung und eine nachvollziehende Amtsermittlung sichergestellt werden.
Ø Eine weitergehende Verfügung über den Sachverhalt in Form von intersubjektiven
Sachverhaltsvereinbarungen dürfte unzulässig sein. Insoweit bezeichnet die bestehen609
Paul Stelkens/Dieter Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998,
§ 24 Rn. 1; Carl Hermann Ule/Hans-Werner Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1998, § 1
Rn. 9.
610
Schoch (Anm. 2) S. 228; Voßkuhle (Anm. 65) S. 371.
611
Voßkuhle (Anm. 65) S. 372.
612
Schneider, Kooperative Verwaltungsverfahren (Anm. 63), S. 55.
143
de Regelung des § 55 VwVfG die Zulässigkeitsgrenze zutreffend. Die Beschränkung
des Anwendungsbereichs der Regelung auf „subordinationsrechtliche“ Verträge ist
aufzugeben, da § 55 VwVfG lediglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes
ist613. In koordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen gelten diese Beschränkungen
regelmäßig nicht.614
8.
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llungg Dr
Drittbe
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llun
ittbe
Nach § 58 VwVfG sind ohne die Zustimmung eines Drittbetroffenen bzw. die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde geschlossene öffentlich-rechtliche Verträge
schwebend unwirksam. Da das Erfordernis der Mitwirkung einer anderen Behörde nach
§ 58 Abs. 2 VwVfG der Wahrung der Zuständigkeitsordnung dient und in dieser Funktion
nicht substituierbar ist, konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf die gemäß §
58 Abs. 1 VwVfG notwendige schriftliche Zustimmung Dritter, in deren Rechte der Vertrag eingreift. Die Vorschrift gilt zunächst für den Verfügungsvertrag, der unmittelbar
rechtsgestaltende Wirkung gegenüber dem Dritten entfaltet. Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich ganz überwiegend auch auf Verpflichtungsverträge erstreckt, durch den
sich die Behörde zum Erlass einer Maßnahme verpflichtet, die zu einer Beeinträchtigung
der Rechte des Dritten führt.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass diese Regelung die Wahl der Handlungsform des Vertrages für die Behörde als nachteiliger erscheinen lassen kann als die des
Verwaltungsakts (o. VI 1).
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Die zur Begründung einer – vermeintlichen – Unverzichtbarkeit der Regelung des § 58
Abs. 1 VwVfG immer wieder bemühte Parallele zum zivilrechtlichen Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter615 verfängt nicht. Das Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter im
Zivilrecht beruht auf dem Gedanken, dass die durch die vertragliche Einigung begründete
Richtigkeitsgewähr für den Interessenausgleich sich auf Dritte, die an der Einigung nicht
beteiligt waren, nicht erstrecken kann.616 Das Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter
knüpft daher nicht an das Vorliegen eines Vertrages an, sondern an die Ausübung von
613
Bonk (Anm. 25) § 55 Rn. 18.
614
Bonk (Anm. 25) § 55 Rn. 25.
615
Gurlit (Anm. 4) S. 321; Schlette (Anm. 25) S. 432.
616
Eingehend Mathias Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, 1992, S. 66 ff.
144
Privatautonomie. Wegen seines Bezugs auf die subjektive Richtigkeitsgewähr durch privatautonomen Interessenausgleich, nicht an den die Verwaltung bindenden Ansatz der
objektiven Richtigkeitsgewähr, ist der zivilrechtliche Problemlösungsmechanismus des
Verbots des Vertrages zu Lasten Dritter für das öffentliche Recht funktional inadäquat (zu
den Anforderungen einer Übertragbarkeit von Grundsätzen des zivilistischen Vertragsrechts o. VI 2 c).
b)
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Das öffentliche Recht muss sich daher um ein dieser Teilrechtsordnung angemessenes
und aufgabengerechtes Modell der Lösung der Drittschutzproblematik bemühen. Vor
allem zur Bewältigung komplexer Aufgaben der Interessenintegration ist § 58 Abs. 1
VwVfG wenig geeignet. Die Realisierung komplexer Verhandlungssysteme im gesellschaftlich-administrativen Kooperationsbereich wird durch eine bloße Negativregelung
wie in § 58 Abs. 1 VwVfG nicht nur nicht gefördert, sondern behindert.617 Schon vor der
Frage des rechtlichen Schutzes der Rechte Dritter stellt sich die Aufgabe eines aktiven
Interessenmanagements, um von vornherein ausgewogene und akzeptanzfördernde Lösungen anstreben zu können.
Grundlage eines solchen Interessenmanagements sollte eine möglichst frühzeitige Ermittlung aller von dem Vertragsschluss möglicherweise berührten Interessen sein. Dabei
handelt es sich sowohl um die Interessen der Kooperanden und potentiellen Vertragspartner als auch um Interessen, deren Träger voraussichtlich nicht Vertragsparteien werden.
Die Verfahrensstufe einer solchen Interessensammlung wäre nicht als zwingende Anforderung, sondern als Handlungsoption zu formulieren. Sie würde mehrere Funktionen erfüllen: Zum einen würde sie der Sicherstellung der von der Praxis immer wieder als Erfolgsfaktoren für tragfähige Verwaltungskooperationen benannten Ziel- und Faktenoffenlegung618 dienen, zum anderen die frühzeitige Einbindung aller Betroffenen ermöglichen und schließlich die Erfüllung der o. VI 5 b formulierten Hinweispflicht der Behörde
auf die mit dem Vertrag verbundenen Vor- und Nachteile erleichtern:
Interessensammlung
617
Vgl. auch Schmidt-Aßmann (Anm. 1) S. 59.
618
Vgl. Dietrich Budäus/Gernod Grüning, Public Private Partnership - Konzeption und Probleme eines
Instruments zur Verwaltunsgreform aus Sicht der Public Choice-Theorie, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.),
Public Private Partnership, 1997, S. 25 (62); Informations- und Datentechnik Bremen GmbH, Vertragsgestaltung und rechtliche Rahmenbedingungen für eine Public-Private-Partnership im IT-Bereich, Manuskript 2000, S. 2
145
Offenlegung der für den
Vertragsschluss relevanten
Ziele der Partner und der
Fakten
Ermittlung von Drittbetroffenen
Ermöglichung einer Vor- und
Nachteilsrelation für die
Behörde
Kooperative Sachverhaltskonkretisierung nach § 55
Abs. 1 n.F.
Feststellung von Zielkomplementaritäten und Ausgleich von Zielkonflikten
Einbindung und Berücksichtigung von Drittinteressen
Erfüllung der Hinweispflicht nach § 56 Abs. 1 n.F.
Die vorstehende Skizze macht deutlich, dass die genannte Interessensammlung die Scharnierstelle für ein die Erfolgschancen der vertraglichen Kooperation verbesserndes aktives
Interessenmanagement ist.
Da die anderen Funktionsableitungen bereits dargestellt worden sind (o. VI 5 und 7) ist an
dieser Stelle allein noch der zur Einbindung und Berücksichtigung von Drittinteressen
führende Bezug von Bedeutung. Im Sinne eines aktiven Interessenmanagements ist zunächst auf die möglichst frühzeitige Benachrichtigung und Verfahrenseinbeziehung in der
Interessensammlung ermittelter eventuell betroffener Drittinteressen hinzuweisen. Erst
eine solche Einbeziehung ermöglicht die Erarbeitung eines ggf. komplexen Ausgleichssystems, das das Risiko einer nachträglichen Anzweiflung der Rechtmäßigkeit des Vertrages reduziert.619 Eine frühzeitige Einbeziehung von Drittinteressen ist in anderen kooperativ angelegten Verfahren bereits de lege lata vorgesehen, beispielsweise nach § 71c
Abs. 2 S. 2 VwVfG und § 5 S. 2 UVPG. Charakteristikum dieser Vorschriften ist, dass sie
die Einbeziehung der Dritten nicht zwingend vorschreiben, sondern in das Ermessen der
Behörde stellen; nach § 71c Abs. 2 S. 2 VwVfG ist zusätzlich die Zustimmung des zukünftigen Antragstellers erforderlich. In der Tat muss eine obligatorische Einbeziehung
Dritter in der Phase der Vertragsverhandlungen als kontraproduktiv beurteilt werden.
Zum einen eignen sich nicht alle in der Praxis auftretenden Vertragstypen für eine solche
Einbeziehung.620 Zum anderen kann die Einbeziehung Dritter im Einzelfall den eigentlichen Interessenausgleich zwischen den Kooperationspartnern gefährden621 und diese zum
Rückgriff auf informelle Verhandlungsmechanismen veranlassen. Auch die Einbeziehung
619
S. auch Cornelia Staudenmayer, Der Verwaltungsvertrag mit Drittwirkung, 1997, S. 168 f.
620
Staudenmayer (Anm. 79) S. 163 ff.
621
Zu dieser Gefahr vgl. auch Bonk (Anm. 64) § 71c Rn. 38.
146
Dritter in die Interessenabstimmung vor Vertragsschluss sollte gesetzlich lediglich als
Handlungsoption gefasst werden.
c)
c)
hutzzmech
echani
ani
anissmen
Schut
Gleichwohl vermag auch die Einbeziehung Dritter in das Aushandlungsverfahren vor
Vertragsschluss nicht mit Sicherheit zu verhindern, dass durch den Vertrag Drittinteressen
verkürzt werden. Soweit es sich dabei um subjektive öffentliche Rechte handelt, ist nach
Mechanismen zu suchen, die ihre Durchsetzbarkeit sichern. Wie eingangs dieses Abschnitts ausgeführt, ist die an dem zivilrechtlichen Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter
orientierte Lösung des § 58 Abs. 1 VwVfG den Strukturen des öffentlichen Rechts nicht
angemessen. In anderen europäischen Rechtsordnungen wie der französischen erfolgt
eine Parallelschaltung zu dem für den Verwaltungsakt geltenden Fehlerfolgenregime,
indem dem Verwaltungsvertrag ein fingierter Verwaltungsakt vorgeschaltet wird, dessen
Aufhebung nach Anfechtung zur Unwirksamkeit des Vertrages führt.622 Aus der Perspektive des Verwaltungsverfahrensrechts als Handlungsrecht der Verwaltung (o. V) lässt sich
die Drittbelastung in der Tat wie beim drittbelastenden Verwaltungsakt als Folge des
Handelns der Behörde – hier: Abgabe der Willenserklärung – systematisieren. Komplexen Interessenausgleichssystemen ist es keineswegs fremd, Drittbetroffenen Kooperationslasten aufzuerlegen und deren Nichtübernahme zu sanktionieren. Beispiel ist die
Präklusion nicht innerhalb der Einwendungsfrist erhobener Einwendungen gegen den
Plan nach § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG.623
Hieraus folgen im wesentlichen zwei denkbare Konfliktlösungsmechanismen: Greift man
auf den Gedanken der Präklusion zurück, so könnte erwogen werden, eine ab Kenntnis
des Drittbetroffenen von dem Vertrag laufende Frist entweder zur Erklärung eines Widerspruchs mit der Folge der Präklusion des Widerspruchsrechts nach Fristablauf oder zur
Erklärung der Zustimmung mit Zustimmungsfiktion nach Fristablauf zu statuieren. In
Anlehnung an die Regelungen zum drittbelastenden Verwaltungsakt könnte entweder an
eine befristete Anfechtung des Vertrages oder der Willenserklärung der Behörde oder an
einen befristeten Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages durch den
Drittbetroffenen gedacht werden:
622
Albert Bleckmann, Zur Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts I, 1999, S. 338.
623
Zum Charakter als materieller Präklusion Bonk (Anm. 64) § 73 Rn. 77.
147
Möglichkeiten zur Durchsetzung
von Rechten Dritter
Präklusionsgedanke
Präklusion des
Widerspruchsrechts nach
Fristablauf
Fiktion der Erklärung der Zustimmung nach Fristablauf
Anlehnung an drittbelastenden
Verwaltungsakt
Befristete Anfechtung
des Vertrages oder der
Willenserklärung der
Behörde
befristeter Antrag
auf Feststellung
der Unwirksamkeit des Vertrages
Sämtliche dargestellten Möglichkeiten sind konstruktiv ohne weiteres realisierbar, wobei
eine Orientierung am unmittelbaren „Konkurrenten“, dem drittbelastenden Verwaltungsakt, vordergründig am naheliegendsten zu sein scheint. Doch ist zu beachten, dass der
Präklusionsgedanke nicht nur dem Charakter von Kooperationsverhältnissen als komplexen Interessenintegrationen eher gerecht wird, sondern auch gesetzgeberisch leichter umgesetzt werden kann. Die Anlehnung des für drittbelastende Verträge geltenden Rechtsregimes an dem für drittbelastende Verwaltungsakte entwickelten steht vor dem Problem,
dass die Verwaltungsgerichtsordnung nur die Anfechtung von Verwaltungsakten (§ 42
Abs. 1 VwGO), nicht die von Verträgen kennt. Da die Willenserklärung der Behörde keinen Verwaltungsakt darstellt (o. II 1 e), ist der Rückgriff auf die Anfechtungsklage auch
insoweit versperrt. Diesbezüglich müsste daher durch Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung das entsprechende prozessuale Instrumentarium bereitgestellt werden. Ebensowenig ohne verwaltungsprozessuale Novellierungen könnte der Weg über eine auf
Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages, beispielsweise als Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO, abzielende Klage beschritten werden. Selbst wenn
man der Auffassung ist, dass eine solche Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1
VwGO statthaft ist624, bliebe das Problem zu lösen, dass § 43 VwGO keine Klagefrist
kennt.
Die Anlehnung am Gedanken der Präklusion hätte demgegenüber den Vorzug, durch Änderung allein des § 58 VwVfG verwirklicht werden zu können. Wegen der – berechtigten
– Zurückhaltung der deutschen Verwaltungsrechtsordnung hinsichtlich des Einsatzes des
Instruments der Fiktion625 wird vorliegend die Konstruktion als Präklusion des Widerspruchsrechts des Drittbetroffenen nach Fristablauf empfohlen. Der Lauf einer Wider-
624
Ablehnend etwa Michael Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 2000, § 43 Rn.
16 m. Nachw. auch zur Gegenansicht.
625
Dazu Monika Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, 1998.
148
spruchsfrist kann dabei erst mit Kenntnis des Dritten von dem ihn belastenden Vertrag
beginnen. Da der ganz überwiegende Teil von Drittbetroffenheiten auf der Stufe der Interessensammlung ermittelt worden ist, kann insoweit eine Bekanntgabe nach den für Verwaltungsakte geltenden Regelungen des § 41 VwVfG erfolgen. Gegenüber den Vertragsparteien nicht bekannten Drittbetroffenen könnte eine öffentliche Bekanntgabe gemäß §
41 Abs. 3 und 4 VwVfG erwogen werden. Doch dürfte sich nicht jede vertragliche Vereinbarung inhaltlich für eine öffentliche Bekanntgabe eignen. Es sollte daher den Vertragsparteien freigestellt werden, eine öffentliche Bekanntgabe möglicher drittbelastender
Vertragsregelungen durch die Behörde herbeizuführen und sich dadurch Gewissheit über
das Bestandsrisiko für den Vertrag zu verschaffen. Ein Grund, die Länge der Widerspruchsfrist anders zu bemessen als die für die Anfechtung von Verwaltungsakten geltenden Fristen, ist nicht ersichtlich. In Anlehnung an §§ 70 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 1
VwGO sollte die Widerspruchsfrist einen Monat ab Bekanntgabe laufen.
Weitergehend könnte erwogen werden, für die Fälle, in denen die Ermittlung von Drittbetroffenen auf besondere Schwierigkeiten stößt, eine unabhängig von einer Bekanntgabe
laufende Ausschlussfrist vorzusehen, nach deren Ablauf ein Widerspruch Dritter generell
verfristet ist. Hiergegen spricht, dass eine solche absolute zeitliche Grenze auch für die
Anfechtung von Verwaltungsakten nicht vorgesehen ist. § 58 Abs. 2 VwGO gilt nur für
den Fall der unterbliebenen oder unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung und ist nicht
einmal analog auf die Situation der unterbliebenen Bekanntgabe anwendbar.626 Zwar ist
auch über das Widerspruchsrecht des Drittbetroffenen gegen den öffentlich-rechtlichen
Vertrag eine Rechtsbehelfsbelehrung vorzusehen. Jedoch gilt § 58 Abs. 2 VwGO nur für
deren Unterbleiben oder unrichtige Erteilung, nicht für die Verabsäumung der Bekanntgabe. Da es die Vertragsparteien über das Instrument der öffentlichen Bekanntgabe in der
Hand haben, den Fristlauf in Gang zu setzen, reicht es aus, bei Kenntnis des Drittbetroffenen von dem Vertrag trotz unterbliebener Bekanntgabe auf die Grundsätze der Verwirkung zurückzugreifen.627
Wie für den Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO
sollte für den Widerspruch gegen einen drittbelastenden öffentlich-rechtlichen Vertrag
vorgeschrieben werden, dass der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde erhoben wird. Nur durch eine solche Formanforderung können die Vertragsparteien
Gewissheit darüber erhalten, ob fristgerecht Widerspruch erhoben worden oder der Ver626
Wolf-Rüdiger Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl. 2000, Rn. 674.
627
Für den Verwaltungsakt vgl. Schenke (Anm. 86) Rn. 675 ff.
149
trag unwirksam ist. Folge des Widerspruchs eines Dritten, in dessen Rechte der Vertrag
eingreift, ist die Unwirksamkeit des Vertrages. Dies ist Konsequenz dessen, dass auf eine
„Anfechtungslösung“ wegen der sonst notwendigen Änderungen der Verwaltungsgerichtsordnung verzichtet worden ist. Das bisher in § 58 Abs. 1 VwVfG festgeschriebene
Verhältnis von Wirksamkeit des Vertrages und Tätigwerden des Dritten wird also gleichsam umgekehrt: Der Vertrag ist nicht mehr bis zur Zustimmung des Dritten schwebend
unwirksam, sondern bis zum Widerspruch des Dritten „schwebend wirksam“. Die durch
den Drittwiderspruch herbeigeführte Unwirksamkeit des Vertrages lässt zur Erfüllung des
(unwirksamen) Vertrages ergehende Verwaltungsakte rechtswidrig werden (s. o. II 6 a).
Das Widerspruchsrecht des Dritten muss sich mithin gleichermaßen auf Verfügungs- und
Verpflichtungsverträge beziehen. Eine Nichteinbeziehung der Verpflichtungsverträge
würde dazu führen, dass mangels Widerspruchsrechts des Dritten der Vertrag wirksam
und vertragserfüllende Verwaltungsakte rechtmäßig sind (vgl. o. II 6 a). Zur Klarstellung
sollte die Erstreckung des Anwendungsbereichs eines geänderten § 58 VwVfG sowohl
auf Verfügungs- als auch auf Verpflichtungsverträge Ausdruck im Wortlaut der Vorschrift finden.
Die vorstehenden Überlegungen lassen sich in folgende Em
Empf
pfehhlun
lluun
unggen zusammenfassen:
Ø Im Interesse eines aktiven Interessenmanagements sollte den Vertragsparteien eine
möglichst frühzeitige Ermittlung aller von dem Vertragsschluss möglicherweise berührten Interessen nahegelegt werden. Eine solche Interessensammlung wäre ebenso
fakultativ wie die möglichst frühzeitige Benachrichtigung und Verfahrenseinbeziehung eventuell betroffener Dritter. Die Benachrichtigung und Verfahrenseinbeziehung
Dritter bedarf der Zustimmung aller Vertragsparteien.
Ø Die zum Schutz von Drittinteressen bisher in § 58 Abs. 1 VwVfG vorgesehene
schwebende Unwirksamkeit sollte im Interesse der Vertragsparteien, möglichst bald
Gewissheit über den Bestand des Vertrages zu haben, durch eine schwebende Wirksamkeit ersetzt werden.
Ø Zu diesem Zweck ist ein binnen eines Monats nach Bekanntgabe der sie möglicherweise belastenden Vertragsregelungen auszuübendes Widerspruchsrecht Drittbetroffener vorzusehen. Die Erhebung eines begründeten Widerspruchs führt zur Unwirksamkeit der drittbelastenden Vertragsregelung mit Wirkung ex tunc. Ob sich hieraus
eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ergibt, bemisst sich nach den Grundsätzen des § 59 Abs. 3 VwVfG. Die Formanforderungen für den Widerspruch orientieren
sich an § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Ø Die Bekanntgabe erfolgt nach den für Verwaltungsakte geltenden Bestimmungen. Es
ist der Behörde freizustellen, nach Zustimmung durch alle Vertragspartner eine öffentliche Bekanntgabe zu veranlassen. Mit der Bekanntgabe ist auf die fristgebundene
Geltendmachung des Widerspruchsrechts hinzuweisen. Für den Fall der fehlenden o-
150
der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung kann auf § 58 Abs. 2 VwGO verwiesen werden.
Ø Klarstellend sollte darauf hingewiesen werden, dass sich das Widerspruchsrecht sowohl auf Verfügungs- als auch auf Verpflichtungsverträge bezieht.
9.
Übeerarbe
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itungg ddees Fe
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hlerfoolg
Üb
itun
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imess
Überlegungen zu einer Überarbeitung des für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden
Fehlerfolgenregimes haben auf verschiedenen Ebenen anzusetzen. Überprüfungsbedürftig
ist zum einen die Nichtigkeitsregelung des § 59 VwVfG (u. a). Hiervon zu unterscheiden
ist die mögliche Erweiterung von Reaktionsmöglichkeiten auf Rechtsverstöße unterhalb
der Nichtigkeitsebene (u. b). Schließlich ist die Möglichkeit der Normativierung gesetzlicher Vorgaben für die Entwicklung eines Fehlerfolgenregimes im Vertrag zu diskutieren
(u. c).
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h-rechtlic
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Nicchtig
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Die mit der weitreichenden Anordnung der Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages in § 59 VwVfG verbundenen Probleme hat Hartmut Maurer treffend zusammengefasst628:
„De lege lata ist von der ziemlich grobschlächtigen Regelung des § 59
VwVfG auszugehen .... Sie kennt keine differenzierende oder gestufte
Fehlerregelung, sondern nur die simple Differenzierung: von vornherein
nichtig oder endgültig rechtswirksam ... Daß die Nichtigkeitssanktion
bei Fehlen anderweitiger Rechtsfolgen extensiv eingesetzt wird, entspricht der historischen Erfahrung und ist sachlich geboten.“
Die strikte Trennung in Gültigkeit des Vertrages einerseits und Nichtigkeit mit über die
für den Verwaltungsakt geltenden hinausgehenden Nichtigkeitsgründen andererseits ist
den vielfältigen Anpassungsbedarfen der Praxis inadäquat.629 Die o. III 3 herausgearbeiteten Motive für eine Präferierung der Vertragsform wie Beschleunigung der Problemlösung, verbesserte Sicherstellung des vom Vertragspartner erwarteten Verhaltens und Herstellung von Dispositionssicherheit werden nachgerade konterkariert, wenn der Bestand
des Vertrages unter dem ohne zeitliche Begrenzung drohenden „Damoklesschwert“ der
628
Hartmut Maurer, Abgestufte Rechtsfolgen bei Gesetzesverstößen der Verwaltung?, in: Hill (Hrsg.),
Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 233 (248 f.).
629
Vgl. Bonk (Anm. 25) § 59 Rn. 8.
151
Nichtigkeit steht.630 Eine Flexibilisierung der Nichtigkeitsregelungen kann hingegen dazu
führen, dass vertragliche Problemlösungsstrategien verstärkt verfolgt werden.
aa
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Nicchtig
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Anwend
nduung der zivilr
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Bei der Suche nach solchen Flexibilisierungsmöglichkeiten gilt es, eine angemessene
Balance zwischen der Vertragsbindung einerseits und der Gesetzesbindung der Verwaltung andererseits zu finden. Eckpunkte sind die die Nichtigkeit zivilrechtlicher Verträge
anordnenden Bestimmungen und die Regelungen über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten. Hinsichtlich der Übertragbarkeit zivilistischer Wertungsgesichtspunkte sind die
strukturellen Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichem Vertrag
zu beachten (o. VI 2). Insbesondere knüpfen Regelungen wie § 134 BGB oder § 138 BGB
nicht an das Vorliegen eines Vertrages als solchem, sondern an die privatautonom zu
verwirklichende Vertragsfreiheit an.
Wie dargelegt (o. II 8 a aa) wirkt § 134 BGB privatrechtlich als Fall einer unmittelbaren
negativen Abschlusskontrolle, die bestimmte Regelungsgehalte der Vertragsfreiheit der
Parteien entzieht. Diese Bindung ist die Ausnahme, die Vertragsfreiheit die Regel. Anderes gilt für das Handeln der Verwaltung, das grundsätzlich den Bindungen des öffentlichen Rechts unterliegt. Entsprechend ist die Anordnung der Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit oder Wuchers durch § 138 BGB zu beurteilen. Sie stellt ein allgemeines Korrektiv
für die autonome Rechtsgestaltung der Privatrechtssubjekte dar631 und passt in dieser Zielrichtung nicht auf die öffentliche Verwaltung, der Privatautonomie nicht zukommt (o. VI
2 b). Entsprechend verfügt das öffentliche Vertragsrecht teilweise über teilrechtsordnungsadäquate Reaktionsmuster auf vergleichbare Problemsituationen. So verbleibt für
das Wucherverbot nach § 138 Abs. 2 BGB neben der Angemessenheitsprüfung nach § 56
Abs. 1 VwVfG kaum ein Anwendungsbereich. Für „subordinationsrechtliche“ Verträge
besagt § 59 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG nichts anderes als §
59 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 138 Abs. 1 BGB.632 Wegen dieser strukturellen
Unterschiede müsste bezweifelt werden, dass die Nichtigkeitstatbestände des Bürgerlichen Gesetzbuchs in toto entsprechend über § 62 S. 2 VwVfG anwendbar wären.
630
Vgl. Bonk (Anm. 25) § 59 Rn. 2.
631
Heinrich (Anm. 6) S. 296.
632
Bonk (Anm. 25) § 59 Rn. 29.
152
Systematisch ist es daher berechtigt, dass die entsprechende Anwendung der bürgerlichrechtlichen Nichtigkeitsvorschriften durch § 59 Abs. 1 VwVfG specialiter angeordnet
wird. Der Vorschrift kommt eine wichtige Verklammerungsfunktion zwischen den beiden
Teilrechtsordnungen zu, indem sie das Nichtigkeitsregime nicht danach differenziert, ob
der Schwerpunkt des Vertrages im öffentlichen Recht oder im Zivilrecht liegt. Gerade im
Diffusionsbereich komplexer Verwaltungskooperationen, die nicht selten einen Mix öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Elemente enthalten, kommt derartigen teilrechtsordnungsübergreifenden Problemlösungsmustern besondere Bedeutung zu. Dass die ent-
sprechende Anwendung beispielsweise des § 134 BGB wegen der erwähnten Strukturunterschiede mit Schwierigkeiten behaftet sein kann (dazu o. II 8 a aa), ist kein Grund, auf
die Verklammerungswirkung zu verzichten. Es ist Aufgabe insbesondere der Rechtsprechung, Generalklauseln fallgruppenartig zu typisieren und dadurch operabel zu machen.
Vielmehr ermöglichen es gerade übergreifend anwendbare Generalklauseln, flexible Lösungen für differenzierte Kooperationstypen zu entwickeln.
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Empf
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Ø Es wird vorgeschlagen, die Vorschrift des § 59 Abs. 1 VwVfG beizubehalten.
bb)
Nicchtig
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igkkeit eeiine
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sakts
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Nicht verzichtet werden kann auf den Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG,
soweit er sich auf verwaltungsaktersetzende Verträge bezieht. Die Behörde kann nicht in
der Form des Vertrages dasjenige verwirklichen, für das § 44 VwVfG, wenn es in die
Form eines Verwaltungsakts gefasst ist, die Nichtigkeit anordnet. Dieser Gedanke gilt
sowohl für Verfügungs- als auch für Verpflichtungsverträge.633 Im Ergebnis Entsprechendes ist für den Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG anzunehmen. War sämtlichen Vertragschließenden bewusst, einen rechtswidrigen Erfolg herbeizuführen, so würde
es gegen die Gesetzesbindung der Verwaltung verstoßen, einem solchen kollusiven Zusammenwirken die Wirksamkeitsvorzüge des öffentlich-rechtlichen Vertrages zuzubilligen. Der private Vertragspartner der Behörde könnte sich durch den Vertragsschluss eine
rechtswidrige Begünstigung sichern, für die bei einseitig hoheitlichem Handeln gemäß §
48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG Vertrauensschutz ausgeschlossen wäre, obwohl zusätzlich zu
der § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG zugrundeliegenden Situation auch die Behörde Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hat. Da § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG durch den Veweis auf §
633
Bonk (Anm. 25) § 59 Rn. 18.
153
46 VwVfG als entscheidendes Kriterium nicht die Rechtswidrigkeit, sondern die Aufhebbarkeit ansieht, ist die Regelung für die Fälle von Verpflichtungsverträgen anzupassen, in
denen den Vertragschließenden bewusst ist, dass die zu erlassende hoheitliche Maßnahme
aufgrund ihrer rechtlichen Mängel in ihrem Bestand bedroht sein wird. Auch in diesem
Fall ist der beidseitigen Absicht, „Früchte vom verbotenen Baum zu ernten“, der Schutz
der Rechtsordnung zu versagen. Dies bedeutet beispielsweise für den Fall des auf die
Aufstellung eines Bebauungsplans bezogenen sog. hinkenden Austauschvertrages, dass
der Vertrag nichtig ist, wenn den Vertragschließenden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewusst ist, dass der Bebauungsplan nach §§ 214 ff. BauGB an beachtlichen Mängeln
leiden wird.
ehl
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Em
Empf
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Ø Die Regelungen des § 59 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG sollten dem Grundsatz nach beibehalten werden, jedoch an die vorliegend vorgeschlagene Fassung des § 56 Abs. 2 S.
1 angepasst werden.
Ø Das bisher in § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG enthaltene Kriterium der Rechtswidrigkeit
sollte durch eine auf die Bedrohung des Bestands des Verwaltungsakts oder Hoheitsakts abstellende Regelung ersetzt werden.
cc)
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vertraages
Fehlen der Vor
ungen fü
Zweck der in § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG angeordneten Nichtigkeit für einen ohne Vorliegen der in § 55 VwVfG statuierten Voraussetzungen abgeschlossenen Vergleichsvertrag –
sofern ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrensoder Formfehlers im Sinne des § 46 VwVfG rechtswidrig wäre – ist es, den Missbrauch
der erleichterten vertraglichen Regelung durch Vergleichsvertrag zur Herbeiführung eines
an sich rechtlich missbilligten Erfolgs zu verhindern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
den Vertragschließenden das Fehlen der Voraussetzungen zum Abschluss des Vergleichsvertrags oder die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts mit entsprechendem
Inhalt bewusst war (o. II 8 b). Anders als bei § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG soll also nicht ein
kollusives Zusammenwirken der Vertragschließenden, sondern ein objektiver Institutsmissbrauch verhindert werden. § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG sanktioniert nicht die Rechtswidrigkeit des Abschlusses eines Vergleichs als solche, sondern will allein eine Besserstellung gegenüber einem Handeln der Behörde in der Form eines Verwaltungsakts verhindern. Ist der wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne von § 46 VwVfG
rechtswidrige Verwaltungsakt aufhebbar, so soll nicht durch den „Umweg“ über den Ver-
154
gleichsvertrag eine wirksame Regelung erzielt werden können. Fehlt es an der Beachtlichkeit des Fehlers, so ist auch der Vergleichsvertrag nicht nichtig.634
Die Verwirklichung dieser Schutzrichtung verlangt nicht, dass ein die Abschlussvoraussetzungen nicht einhaltender Vergleichsvertrag ausnahmslos nichtig sein müsste. Möglich
ist vielmehr auch die Entwicklung eines differenzierten Reaktionsmodells. Dies zeigt ein
Vergleich mit der Bewertung von Ermittlungsverstößen beim Erlass eines Verwaltungsakts. Die Möglichkeit, bei Ungewissheit bezüglich des Sachverhalts einen Vergleichsvertrag abzuschließen, ist Ausdruck des § 24 VwVfG zugrundeliegenden Prinzips, Art und
Umfang der gebotenen Ermittlungstätigkeit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu
bestimmen (o. II 3 a aa). Stellt die Behörde nach Erlass eines Verwaltungsakts fest, ihre
Ermittlungstätigkeit gleichsam zu früh beendet zu haben, so ist sie an einer Vervollständigung ihrer Sachverhaltsermittlung nicht gehindert.635 Kommt sie dabei zu dem Ergebnis,
dass sich der Verwaltungsakt auf der Grundlage des nunmehr ermittelten Sachverhalts als
rechtswidrig erweist, so kann sie ihn nach § 48 VwVfG zurücknehmen.636 Die konsensuale Fixierung der Grenze der Ermittlungspflicht durch den Vergleich schneidet eine solche Reaktionsmöglichkeit der Behörde ab. Die Nichtigkeitsfolge soll daher der Behörde
den Handlungsspielraum wieder verschaffen, den sie bei einseitig hoheitlichem Vorgehen
im Falle einer unzulässigen Definition der Grenze ihrer Ermittlungspflicht hätte.
Jener Handlungsspielraum ließe sich für die Behörde jedoch unter Vermeidung der Nichtigkeitsfolge auch dadurch gewinnen, dass die Behörde dann, wenn sich nach Vertragsschluss herausstellt, dass eine bei verständiger Würdigung der Sachlage bestehende Ungewissheit zu Unrecht angenommen worden ist, zunächst zu Nachermittlungen bis zur
Grenze der Erfüllung der Amtsermittlungspflicht verpflichtet wird. Entfällt hierdurch die
Sachverhaltsungewissheit und damit die Vergleichslage, so ist der Vergleich „überholt“.
Führt die nachgeholte Amtsermittlung hingegen zu einer, nunmehr zu Recht bei verständiger Würdigung angenommenen Sachverhaltsungewissheit, so haben die Parteien eine
Anpassung des Vergleichs vorzunehmen. Nur wenn eine solche Anpassung nicht möglich
oder einer Partei nicht zuzumuten ist, kommt eine Nichtigkeit des Vergleichs in Betracht.
Von der Nichtigkeit des Vergleichsvertrages selbst ist das Schicksal des Gesamtvertrages
zu unterscheiden, wenn mit dem Vergleich weitere Vertragsregelungen verbunden sind.
634
Vgl. Ule/Laubinger (Anm. 69) § 68 Rn. 25, § 70 Rn. 38.
635
Stelkens/Kallerhoff (Anm. 69) § 24 Rn. 65.
636
Michael Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1998, § 48 Rn. 61;
Stelkens/Kallerhoff (Anm. 69) § 24 Rn. 60.
155
Problematisch ist vor allem die häufig vorliegende Konstellation, dass auf der Grundlage
des Vergleichs das übrige Vertragsgebäude errichtet wird. Wegen § 59 Abs. 3 VwVfG
führt in diesen Fällen die Nichtigkeit des Vergleichs regelmäßig zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Für die Bewertung dieser Folge ist zu unterscheiden: Bestätigen die
nachgeholten Sachverhaltsermittlungen der Behörde die von den Parteien in dem Vergleich niedergelegte Sachlage, so hat sich der Vergleich zwar „überholt“. Mangels Relevanz für das Vertragsrechtsverhältnis besteht jedoch kein Grund, seine Nichtigkeit eintreten zu lassen. Wird der Vergleich von den Parteien angepasst, so greift § 59 Abs. 3
VwVfG mangels Nichtigkeit des Vergleichsvertrages nicht ein. Die Anpassung des Vergleichs muss in diesem Fall zur Anpassung des Restvertrages führen, soweit sie möglich
und beiden Parteien zumutbar ist. Soweit die Nichtigkeit des Vergleichs nach den Regeln
des § 59 Abs. 3 VwVfG zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages führen würde, kann den
Parteien zur Vermeidung dieser Rechtsfolge zunächst die „Rettung“ des Restvertrages
aufgegeben werden. Erst wenn diese „Rettung“ schlechterdings nicht möglich oder einer
Partei nicht zuzumuten ist, ist der Vertrag gesamtnichtig.
Entsprechendes gilt nicht in gleichem Maße für den Abschluss eines Vergleichs wegen
einer Ungewissheit hinsichtlich der Rechtslage. Haben die Parteien zu Unrecht eine solche Ungewissheit angenommen, so ist eine Anpassung des Vergleichs nicht möglich: Die
Rechtslage ist für die Parteien nicht verfügbar. Allerdings besteht kein Grund für die Annahme der Nichtigkeit des Vergleichsvertrages, wenn das von den Parteien zur Beseitigung der vermeintlichen Ungewissheit Vereinbarte der Rechtslage entsprach. Problematisch ist lediglich die Konstellation des Auseinanderfallens von Vergleichsinhalt und
Rechtslage. Würde man hier auf die Nichtigkeitssanktion verzichten, so würde man die
verfassungskräftige Gesetzesbindung der Verwaltung zur Disposition der Gebundenen
selbst stellen. Für die Auswirkungen der Nichtigkeit des Vergleichs über die Rechtslage
ist wiederum die Regelung des § 59 Abs. 3 VwVfG entsprechend zu modifizieren.
Das vorstehend entwickelte Rechtsfolgenregime bei Fehlen der Vergleichsvoraussetzungen lässt sich wie folgt veranschaulichen:
Vergleich
Restvertrag
Bestätigung des
Vergleichs
Beseitigung der
Ungewißheit
neuer Sachverhalt
(= Nichtigkeit)
keine Folgen
156
Sachverhalt
Nachermittlung
Neue Ungewißheit
Anpassung des
Vergleichs
Unmöglichkeit
oder Unzumutbarkeit der Anpassung
( = Nichtigkeit)
Vermutung für Gültigkeit mit Anpassungsgebot
Anpassung
Bestätigung
des Vergleichs
Rechtslage
Widerlegung
bei Unmöglichkeit oder
Unzumutbarkeit der Anpassung (=
Nichtigkeit
keine Folgen
tatsächliche
Rechtslage
Vermutung für
Gültigkeit mit
Anpassungsverbot
Abweichung
vom Vergleich
(= Nichtigkeit)
Anpassung
Widerlegung
bei Unmöglichkeit oder
Unzumutbarkeit der Anpassung (=
Nichtigkeit)
Als relevanter Fehler sollte bei einer Änderung des § 59 VwVfG ausschließlich das Fehlen einer bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehenden
Ungewissheit benannt werden. Die bisher § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ebenfalls unterfallende Unzweckmäßigkeit des Vergleichsabschlusses kann als selbständiger Nichtigkeitstatbestand entfallen. Insoweit beschränkt sich der Gehalt der „Zweckmäßigkeit“ auf die
Wiederholung der Voraussetzungen, die die Feststellung der Ungewissheit von der verständigen Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage abhängig machen.637
Instrumentell ist es nicht möglich, für den Fall der fehlenden Möglichkeit der Anpassung
von Vergleich und/oder Restvertrag in Anlehnung an § 60 VwVfG anstatt der Nichtigkeitsfolge eine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen. Während § 60 VwVfG eine Änderung der Verhältnisse nach Vertragsschluss erfasst und die Kündigung nur für die Zukunft
wirkt (o. II 9 b), sind beim Fehlen einer Vergleichslage von vornherein die Voraussetzungen für den Abschluss des Vergleichsvertrages nicht vorhanden. Eine die Bestandsinteressen der Vertragsparteien berücksichtigende Flexibilisierung kann auch dadurch erreicht werden, dass eine Vermutung für die Gültigkeit des Vergleichs- und des Restvertrages eingeführt wird, die von den Parteien durch gültigkeitserhaltende Vertragsanpassungen zu realisieren ist. Eine Widerlegung der Vermutung kann nur im Einzelfall erfol637
Schlette (Anm. 25) S. 491.
157
gen und nur dann gelingen, wenn eine Anpassung unmöglich oder einer Vertragspartei
nicht zuzumuten ist. Hierdurch erfolgt eine inhaltliche Anpassung an den für nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage geltenden § 60 VwVfG. Wegen der unterschiedlichen Bezugsrahmen sollten beide Regelungen gleichwohl in unterschiedlichen
Vorschriften verbleiben. Da § 60 VwVfG – zumindest entsprechend – auch anwendbar
ist, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss einem gemeinsamen Irrtum über die
rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse unterlagen und der Vertrag ohne den Irrtum
nicht oder nicht so geschlossen worden wäre (o. II 9 a), könnte zum einen eine entsprechende Klarstellung in § 60 VwVfG verankert werden. Zum anderen könnte durch Änderung des § 59 VwVfG eine Anwendung von § 779 BGB auf den öffentlich-rechtlichen
Vergleichsvertrag ausgeschlossen werden. Die § 779 BGB zugrundeliegende Situation
würde nach der erwähnten Klarstellung von § 60 VwVfG erfasst. Der primär auf eine
Vertragsanpassung und sekundär auf die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Anpassung abhebenden Harmonisierung von Fehlerfolgenregime des Vergleichsvertrages einerseits und § 60 VwVfG andererseits ist die Nichtigkeitsanordnung des § 779 BGB nicht
adäquat.
Aus diesen Überlegungen lassen sich die folgenden Empf
pfe
pfehl
hlun
n ableiten:
ehl
ungeen
Ø Die bisher in § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG angeordnete strikte Nichtigkeit des Vergleichsvertrages bei Fehlen der Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleichsvertrages ist im Vergleich zu den für Verwaltungsakte geltenden Regelungen nicht
sachangemessen.
Ø Ist eine Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage zu Unrecht angenommen worden, so muss zunächst das zur Verfügung stehende Aufklärungspotential ausgeschöpft
werden. Wird dabei der Vergleich inhaltlich bestätigt, so besteht für die Anordnung
der Nichtigkeit kein Grund. Neu entstehende Ungewissheit ist durch Anpassung des
Vergleichs zu beseitigen. Nur wenn eine solche Anpassung nicht möglich oder nicht
zumutbar ist, ist der Vergleich nichtig.
Ø Für das Verhältnis zwischen Vergleichsvertrag und ggf. bestehenden anderen Vertragsteilen ist die bisher in § 59 Abs. 3 VwVfG enthaltene Regelung über die Teilnichtigkeit durch eine Vermutung für die Gültigkeit des Restvertrages mit einer Anpassungspflicht an das Schicksal des Vergleichsvertrages zu ersetzen. Eine Nichtigkeit
des Restvertrages sollte ebenfalls auf die Fälle der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung beschränkt werden.
Ø Zur Harmonisierung der Fehlerfolgenregime ist § 60 VwVfG dahingehend zu ändern,
dass die Vorschrift ausdrücklich auch einen bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Irrtum der Parteien über die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse erfasst.
In § 59 VwVfG ist die Geltung des § 779 BGB für den öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag auszuschließen.
158
dd)
Unzulässi
nleistung
Unzulä
ssi
ssiggkeit ddeer G
Geegenle
istung
Überlegungen zur Flexibilisierung der in § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG für den Fall der nach
§ 56 VwVfG unzulässigen Gegenleistung angeordneten strikten Nichtigkeitsfolge können
an die Vorschläge zur Neufassung des § 56 VwVfG anknüpfen (o. VI 5). Danach betrifft
der rechtsstaatlich elementare Aussagegehalt von Koppelungsverbot und Angemessenheitsprüfung lediglich bipolare Verträge zwischen Behörde und Privaten, die inhaltlich an
die Stelle eines einseitigen Hoheitsakts der Behörde treten oder bei denen der Erlass eines
solchen Hoheitsakts Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist. Bei
multipolaren Verträgen ist allein die Information der Beteiligten in der Lage, ein funktional äquivalentes rechtsstaatliches Niveau zu sichern. Insoweit vermag die Anordnung der
Nichtigkeit des gesamten multipolaren Interessenausgleichs bei Verletzung der Hinweispflicht des § 56 Abs. 1 VwVfG in der hier vorgeschlagenen Fassung der Komplexität des
Prozesses der Herstellung von Konkordanz nicht gerecht zu werden.
Gerade in komplexen Aushandlungsprozessen wird sich an dem schließlich erzielten Ergebnis häufig durch eine nachträgliche Verbreiterung der Informationsgrundlage nur einer
Vertragspartei nichts ändern. Den Interessen sowohl der Vertragspartei, der gegenüber die
Behörde die Hinweispflicht verletzt hat, als auch der übrigen Vertragsparteien würde es
hingegen gerecht, eine konsensuale Anpassung des Vertrages auf der Grundlage der veränderten Informationssituation der übergangenen Partei vorzusehen. Ist zivilrechtliche
Folge der Verletzung von Aufklärungspflichten bei Vertragsschluss regelmäßig die Haftung auf das negative Interesse638, so kann die übergangene Vertragspartei verlangen, so
gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn die Behörde ihre Informations- und Beratungspflicht erfüllt hätte. Inhaltlich ist dieser Anspruch primär auf eine Vertragsanpassung gerichtet. Die Interessen der übrigen Vertragsparteien an dem Bestand des ausgehandelten Ausgleichssystems können in der Weise berücksichtigt werden, dass wie nach
§ 60 VwVfG der Anspruch auf Vertragsanpassung erst dann greift, wenn der Vertragspartei das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Der Anordnung
einer Nichtigkeit des Vertrages bedarf es erst dann, wenn eine Anpassung nicht möglich
oder einer – nicht notwendigerweise der übergangenen – Vertragspartei nicht zuzumuten
ist. Da es sich wiederum um einen bereits bei Vertragsschluss vorhandenen Mangel handelt, ist Folge die Nichtigkeit, nicht das Bestehen eines Kündigungsrechts (s. o. VI 9 a
cc). Um den Bereich unmöglicher oder unzumutbarer Vertragsanpassungen möglichst
638
Helmut Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, Vorbem. Vor § 249 Rn. 18.
159
schmal zu halten, sollten bereits im Vertrag selbst Anpassungsklauseln vorgesehen werden (dazu u. VI 11 c ee).
Die in § 56 Abs. 2 in der hier vorgeschlagenen Fassung für verwaltungsaktersetzende
oder hoheitsaktbezogene Verträge vorgesehene abgestufte Implementation des Angemessenheitsgebots und des Koppelungsverbots ermöglicht eine Verknüpfung sowohl mit den
Vorschlägen zur Überarbeitung des Fehlerfolgenregimes für Vergleichsverträge als auch
mit den vorstehenden Vorschlägen zur Anpassung multipolarer Verträge. Wie ausgeführt
(o. VI 2 b) geht der private Vertragspartner der Behörde seiner Privatautonomie nicht
dadurch verlustig, dass er gerade mit der Behörde kontrahiert. Es bleibt ihm unbenommen, nach seinem Willen der Behörde eine Gegenleistung zu offerieren, die unangemessen ist. Hält er trotz zureichenden Informationsniveaus gleichwohl an einem Vertragsschluss unter diesen Bedingungen fest, so entspricht dies der Handlungsrationalität des
privaten Sektors. Aus diesem Grund ist oben (VI 5 b) vorgeschlagen worden, bei Erfüllung der Hinweispflicht seitens der Behörde die Beachtung von Angemessenheitsgebot
und Koppelungsverbot zu vermuten.
Diese Vermutung entsteht von vornherein nicht, wenn die Behörde ihrer Hinweispflicht
nicht genügt hat. Auch hier ist es ein den Anforderungen funktionaler Äquivalenz genügendes Sanktionsinstrument, zunächst einen Anspruch des Privaten auf Vertragsanpassung zu gewähren. Anders als im Falle der multipolaren Verträge kann dieser Anspruch
allerdings nicht an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft sein, dass der Vertragspartei
das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Konsequenterweise
wird die fehlende Zumutbarkeit durch die Verletzung der Hinweispflicht indiziert. Ihre
Grenze findet die Vertragsanpassung wiederum an der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit.
Greift hingegen die genannte Vermutung ein, so müssen sich beide Vertragsparteien
grundsätzlich an dem vertraglich Vereinbarten festhalten lassen. Beide Parteien haben in
Kenntnis der für die Prüfung der Anforderungen an die Gegenleistung maßgebenden Parameter den Vertrag geschlossen. Haben sie dabei den Sachverhalt mit Blick auf den Inhalt dieser Anforderungen falsch gewürdigt, so liegt ein gemeinsamer Irrtum der Vertragsparteien bei Vertragsschluss über die Sach- und/oder Rechtslage vor, der nach § 60
VwVfG zu behandeln ist. Das dort als ultima ratio vorgesehene Kündigungsrecht beider
Parteien kann schwere Paritätsstörungen abfangen und bietet der Behörde nach Abwägung im Einzelfall die Möglichkeit, Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu
beseitigen.
160
Keinen Vorteil gegenüber der vorgeschlagenen Ausrichtung des Fehlerfolgenregimes auf
die von den Vertragsparteien zu leistende Vertragsanpassung brächte der Versuch, über
eine gesetzlich vorgesehene geltungserhaltende Reduktion einen Automatismus der Anpassung der Gegenleistung auf das nach den Gesamtumständen Zulässige eintreten zu
lassen. Im Einklang mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen639 hat das Bundesverwaltungsgericht die Festlegung
einer angemessenen Gegenleistung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für unzulässig erachtet640. Man wird davon ausgehen müssen, dass es der Schutzfunktion von
Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot zuwiderlaufen würde, wenn die Behörde
von vornherein von einer Reduzierung auf das gerade noch zulässige Maß ausgehen
könnte.641 Ebensowenig kann der Behörde nach § 62 S. 2 VwVfG, § 315 BGB ein einseitiges Bestimmungsrecht für den Fall vertraglich eingeräumt werden, dass sich die Gegenleistung des Privaten als unangemessen erweisen sollte (o. II 8 d cc). Um Leitlinien
für die Vertragsanpassung zur Verfügung zu haben, kann es sich als sinnvoll erweisen,
den von der Behörde zu gebenden Hinweis auf die Maßstäbe für die Beurteilung der Angemessenheit der von den Privaten zu erbringenden Leistungen im Vertrag selbst zu fixieren. In Anbetracht der vorgeschlagenen Flexibilisierung des Fehlerfolgenregimes erscheinen weitere gesetzlich vorzusehende Vertragsklauseln entbehrlich.
Anders als beim Vergleichsvertrag, bei dem zeitliche Grenzen schon wegen der Nachermittlungspflicht der Behörde nur schwer festzulegen sind, sollten für die Geltendmachung
des Anspruchs auf Vertragsanpassung zeitliche Grenzen vorgesehen werden. Im Vergleich mit dem Verwaltungsakt ist o. VI 1 herausgearbeitet worden, dass einer der
Nachteile des öffentlich-rechtlichen Vertrages darin besteht, unbefristet unter dem „Damoklesschwert“ der erweiterten Nichtigkeitsgründe des § 59 VwVfG zu stehen. Durch
Statuierung einer Geltendmachungsfrist kann dieser Nachteil systemimmanent beseitigt
werden. Zu denken ist insbesondere an die Grundsätze der o. VI 8 zur Geltendmachung
der Verletzung der Rechte Dritter entwickelte „Präklusionslösung“. Sofern eine behördliche Information nach § 56 Abs. 1 S. 1 in der hier vorgeschlagenen Fassung erfolgt ist,
verfügt der Private über alle Informationen, die ihm die Geltendmachung eines Verstoßes
gegen Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot ermöglichen. Die Frist, die wie nach
§ 58 Abs. 2 S. 1 in der hier vorgeschlagenen Fassung einen Monat laufen könnte, würde
mit Vertragsschluss beginnen, sofern dem Hinweis der Behörde nach § 56 Abs. 1 S. 1
639
Heinrichs (Anm. 98) Vorbem. v. § 8 AGBG Rn. 9
640
BVerwG NVwZ-RR 1998, S. 302 (304).
161
n.F. eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist. Hat hingegen die Behörde
ihrer Informationspflicht nicht genügt, so ist eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung
– wie auch in den Fällen der erfolgten Information – im Vertrag selbst möglich. Durch
eine solche in den Vertrag aufgenommene Rechtsbehelfsbelehrung wird der private Vertragspartner der Behörde auf die Problematik der Angemessenheits- und Koppelungsprüfung hingewiesen. Unter dem auch im öffentlichen Vertragsrecht geltenden Grundsatz
von Treu und Glauben kann von ihm erwartet werden, dass er etwaige Zweifel an der
Tragfähigkeit des Vertrages möglichst frühzeitig vorbringt und nicht bis zu einer ggf.
nicht mehr rückabwickelbaren Leistung der Behörde (s. o. II 8 d aa) „aufspart“. Unterbleibt eine Rechtsbehelfsbelehrung oder wird sie unrichtig erteilt, so kann auf die Wertungen des § 58 VwGO rekurriert werden.
Die angestellten Überlegungen lassen sich in folgende Empf
pfeeehl
hlun
en zusammenfassen:
hl
ungen
Ø Anknüpfend an die vorgeschlagenen Änderungen des § 56 ist für die Folgen der Vereinbarung einer unzulässigen Gegenleistung zwischen multipolaren und bipolaren
Verträgen zu unterscheiden.
Ø Genügt die Behörde bei multipolaren Verträgen ihrer Hinweispflicht, so ist der Vertrag wirksam, ohne dass Raum für eine Angemessenheitsprüfung oder Vertragsanpassung bliebe. Eine Verletzung der Hinweispflicht führt zu einem Anpassungsanspruch
der übergangenen Vertragspartei, wenn ihr das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Ist die Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei
nicht zuzumuten, so ist der Vertrag nichtig. Entsprechend sind bipolare Verträge zu
behandeln, die nicht verwaltungsaktersetzend oder hoheitsaktbezogen sind.
Ø Bei verwaltungsaktersetzenden oder hoheitsaktbezogenen bipolaren Verträgen führt
eine Verletzung der Hinweispflicht durch die Behörde zu einem Anspruch des privaten Vertragspartners auf Vertragsanpassung mit Eintritt der Nichtigkeit bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Anpassung. Die Erfüllung der Hinweispflicht begründet eine Vermutung für die Beachtung von Angemessenheitsgebot und Koppelungsverbot. Ein diesbezüglicher gemeinsamer Irrtum der Parteien ist nach § 60
VwVfG zu behandeln.
Ø Sofern eine entsprechende Belehrung des Vertragspartners der Behörde in dem Vertrag erfolgt ist, sollte für die Geltendmachung des Anpassungsanspruchs eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Vertragsschluss gelten.
Ø Um Leitlinien für die Vertragsanpassung zur Verfügung zu haben, sollte auf die Aufnahme der von der Behörde gegebenen Bewertungshinweise in den Vertragstext hingewirkt werden. Einschlägiger Regelungsort wäre insoweit § 56.
641
Olaf Reidt, Städtebauliche Verträge – Rechtsfolgen nichtiger Vereinbarungen, BauR 2001, S. 46 (48).
162
b)
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llierrung ddeer Behand
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Verrtrag
ragees?
De lege lata sind öffentlich-rechtliche Verträge, die unter Rechtsfehlern leiden, für die
jedoch die Nichtigkeitsfolge nicht vorgesehen ist, ohne Einschränkungen rechtswirksam
(s. II 7). Die Bewertung dieser Wirksamkeit ist ambivalent: Einerseits vermittelt sie den
Vertragsparteien die sowohl von Privaten als auch von Behördenseite als Vorzug des
Handelns in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hervorgehobene Dispositionssicherheit (vgl. III 3). Die Parteien können grundsätzlich darauf vertrauen, dass der
von ihnen abgeschlossene Vertrag durchgeführt wird, es sei denn, es liegen Nichtigkeitsgründe vor. Andererseits muss die Behörde bei verwaltungsaktersetzenden oder –bezogenen Verträgen im Vergleich zum Handeln durch Verwaltungsakt eine Beschneidung ihrer
Handlungsmöglichkeiten hinnehmen. Während ein rechtswidriger Verwaltungsakt gemäß
§ 48 Abs. 1 VwVfG – vorbehaltlich der Vertrauensschutzregelungen des § 48 Abs. 2 bis 4
VwVfG – nach Ermessen zurückgenommen werden kann, ist es der Behörde versagt, sich
von einem schlicht rechtswidrigen Vertrag zu lösen. Diese „überschießende“ Vertragsbindung der Behörde ist als flexibilitätsfeindlich bezeichnet worden. Zur Anpassung des
Reaktionspotentials an die für den Verwaltungsakt geltenden Regelungen ist deshalb vorgeschlagen worden, der Behörde und ihrem Vertragspartner in Anlehnung an § 48
VwVfG die Möglichkeit zuzubilligen, die Änderung oder Aufhebung des Vertrages zu
verlangen.642
Dieser Vorschlag könnte sich zwar auf eine Angleichung des Fehlerfolgenregimes von
Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlichem Vertrag berufen, machte jedoch die Wirksamkeitsvorzüge der Wahl der vertraglichen Handlungsform zunichte. Wenn sich Behörde
und Vertragspartner – entsprechend den für den Verwaltungsakt bestehenden Möglichkeiten der Rücknahme und der Anfechtung – einseitig von dem schlicht rechtswidrigen
öffentlich-rechtlichen Vertrag lösen könnten, würde ein wesentliches Motiv für das Handeln in Vertragsform entfallen. Der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages bietet den Parteien – in den Grenzen der Nichtigkeit – die Gelegenheit, ihr Rechtsverhältnis
konsensual außer Streit zu stellen. Dies würde insbesondere dadurch konterkariert, wenn
der Behörde die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingeräumt würde.
Die landesrechtliche Regelung des § 126 Abs. 3 LVwG SH sieht deshalb für „subordinationsrechtliche“ Verträge vor, dass bestimmte Fehler zwar zur Unwirksamkeit de Vertra642
Helmut Schuster, Wirksame rechtswidrige öffentlich-rechtliche Verträge, 1990, S. 161 ff.
163
ges führen, diese Unwirksamkeit jedoch nur von den Vertragspartnern und nur binnen
eines Monats nach Vertragsschluss geltend gemacht werden kann. Diese Lösung weist
den Vorzug auf, durch die Befristung der Geltendmachung der Unwirksamkeit den Interessen der Vertragsparteien nach Dispositionssicherheit Rechnung zu tragen, gleichwohl
aber nicht die Geltendmachung von Fehlern unterhalb der Nichtigkeitsschwelle auszuschließen. Allerdings gewinnt die Behörde hierdurch nicht einmal annäherungsweise die
Handlungsmöglichkeiten, die ihr bei einem Handeln in der Form des Verwaltungsakts zur
Verfügung stehen. Nach § 48 Abs. 4 VwVfG steht der Behörde eine Entscheidungsfrist
von einem Jahr ab dem Zeitpunkt offen, ab dem der Behörde die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts bewusst ist.643 Demgegenüber werden innerhalb der bereits ab Vertragsschluss laufenden Monatsfrist des § 126 Abs. 3 S. 2 LVwG SH kaum Fehler erkannt werden können, die nicht schon bei Vertragsschluss erkennbar waren.644
Da eine gesetzliche Sanktionierung schlicht rechtswidriger öffentlich-rechtlicher Verträge
verfassungsrechtlich nicht gefordert ist645, ist nicht erkennbar, worin die Vorzüge einer
Normierung der in Betracht kommenden Sanktionsmöglichkeiten liegen sollten. Durch
die vorgeschlagene Flexibilisierung des Nichtigkeitsregimes (o. VI 9 a) ist die bisherige
starre Konfrontation zwischen Rechtswirksamkeit einerseits und Nichtigkeit andererseits
bereits deutlich abgemildert. Eine überhöhte Regelungsdichte des Fehlerfolgenregimes
sollte vermieden werden, um Raum für einen einzelfallangemessenen Ausgleich der Interessen der Vertragspartner zu lassen. Die Justierung dieses Ausgleichs auf der Skala zwischen Dispositionssicherheit einerseits und Reaktionsmöglichkeiten auf erst nach Vertragsschluss erkannte Fehler andererseits muss den Parteien überlassen bleiben. Befürchtet eine Partei, insbesondere die Behörde, eine zu starke Beschneidung ihrer Handlungsmöglichkeiten durch die vertragliche Bindung, so ist es an ihr, durch eine entsprechende
Gestaltung des Vertrages hiergegen Vorsorge zu treffen.
Die gesetzlichen Regelungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag können dabei „Hilfestellung“ leisten, indem sie den Vertragspartnern Vertragsklauseln anbieten, die bei
Vertragserstellung mit Modifikationen berücksichtigt werden können. Insoweit muss es
sich um fakultative Klauselangebote handeln, die keinen Zwang enthalten, ein Fehlerfolgenregime im Vertrag zu entwickeln. Ob und wie die Wirksamkeit des schlicht rechtswid-
643
BVerwGE 70, S. 356 ff.; BVerwG NJW 1988, S. 2911.
644
Foerster/Gerd-Harald Friedersen/Martin Rohde, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, 1999, § 126 Anm. 1.
645
Schlette (Anm. 25) S. 541 ff. m.w.N.
164
rigen öffentlich-rechtlichen Vertrages durch vertragliche Regelungen modifiziert werden
soll, liegt bei den Parteien.
Systematisch empfiehlt sich eine Orientierung an § 60 VwVfG. Ebenso wie bei einem
anfänglichen gemeinsamen Irrtum oder einer Änderung der Geschäftsgrundlage sollen die
für den Fall der erst nach Vertragsschluss erkannten Rechtwidrigkeit des Vertrages angebotenen Klauseln einer – zumindest aus Sicht der Parteien eingetretenen – Situationsänderung Rechnung tragen. Die Vertragspartner sollen die Möglichkeit erhalten, nach Feststellung der Situationsänderung die für sie hinsichtlich der vertraglichen Bindung zu ziehenden Folgerungen ermitteln und umsetzen zu können.
Hieraus ergeben sich die folgenden Em
Empfe
hlun
feh
lunggen
en:
Ø Eine gesetzliche Regelung der Sanktionierung der (einfachen) Rechtswidrigkeit des
öffentlich-rechtlichen Vertrages unterhalb der Nichtigkeitsebene sollte nicht vorgenommen werden.
Ø In § 60 VwVfG könnte das Angebot von Vertragsklauseln verankert werden, die von
den Parteien situationsadäquat modifiziert und als konsentiertes Regime von Reaktionsmöglichkeiten auf Fehler des Vertrages im Vertrag selbst verankert werden können.
c)
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Aufnahme
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Wie o. II 8 d aa dargestellt ist die Rückabwicklung eines nichtigen oder gekündigten öffentlich-rechtlichen Vertrages insbesondere dann problematisch, wenn eine von der Behörde bereits in der Form eines Hoheitsakts erbrachte Leistung nicht mehr rückabgewickelt werden kann. Beispiele sind der Erlass eines Bebauungsplans oder eines Verwaltungsakts, der unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht nach den §§ 48, 49 VwVfG
aufgehoben werden kann. Nach den vorliegend vorgeschlagenen Änderungen des Fehlerfolgenregimes dürfte das Problem allerdings nahezu bedeutungslos sein: Da gemäß § 56
Abs. 4 in der hier vorgeschlagenen Fassung die Nichtigkeit von Verträgen, in denen eine
Leistung der Behörde und eine Gegenleistung des Privaten vorgesehen oder Geschäftsgrundlage sind, nur eintreten kann, wenn innerhalb eines Monats nach Zustandekommen
des Vertrages eine Anpassung des Vertragsinhalts verlangt worden ist, ist die Situation
einer bereits erbrachten, nicht mehr rückabwickelbaren Leistung der Behörde kaum denkbar. Eine Kündigung nach § 60 Abs. 1 VwVfG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn
eine Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen nicht mehr möglich ist (o. II 9 b).
Unter Nutzung der Angebote des § 60 Abs. 2 in der hier vorgeschlagenen Fassung ver-
165
traglich vereinbarte Kündigungsrechte müssen obligatorisch eine Regelung der Rückgewährproblematik enthalten. Die Aufnahme von Regelungen betreffend die Rückabwicklung hoheitlicher Leistungen der Behörde dürfte deshalb entbehrlich sein.
10.
Inst
rumente
Sich
erun
rtrragsdur
chfüh
strum
rum
rumeent
ntee zzuur S
Siich
cherun
erungg ddeer V
Veert
durchfüh
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Als Instrument zur Sicherung der Vertragsdurchführung ist derzeit allein die Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung ausdrücklich im Verwaltungsverfahrensgesetz benannt (§ 61 VwVfG). Hieraus kann allerdings nicht auf die Unzulässigkeit des vertraglich
vorgesehenen Einsatzes anderer Instrumente geschlossen werden. Es ist den Vertragsparteien auch des öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht verwehrt, auf Mittel wie Sicherheitsleistungen oder Vertragsstrafeversprechen zurückzugreifen.646 Eine Erwähnung dieser Mittel im Verwaltungsverfahrensgesetz würde mithin lediglich deklaratorischen Charakter haben. Gleichwohl ist die Aufnahme eines solchen Hinweises in den Gesetzestext
erwägenswert, weil auf diese Weise die Verfestigung kautelarjurisprudenzieller Routinen
erleichert werden kann. Dem Charakter als bloßem Hinweis entsprechend muss die Nutzung der erwähnten Sicherungsinstrumente fakultativ bleiben. Der Katalog möglicher
Instrumente kann von vornherein nicht abschließend gedacht werden. Es muss den Parteien überlassen bleiben, nach weiteren, individuellen Möglichkeiten der Sicherung der
Vertragsdurchführung zu suchen. Die Erwähnung im Gesetz könnte daher auf Vollstreckungsunterwerfung, Sicherheitsleistung und Vertragsstrafe beschränkt werden.
Die Regelung über die Vollstreckungsunterwerfung kann im wesentlichen den Bestand
des § 61 VwVfG übernehmen. An den dem Schutz der Behörde dienenden Bestimmungen sollte festgehalten werden, um einer Nutzung der Vertragsform kontraproduktive
Risiken für die Behörde zu vermeiden. Die bisherige Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 61 VwVfG auf den „subordinationsrechtlichen“ Vertrag kann aufgegeben
werden. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Regelung nicht für alle öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen Behörde und Privaten gelten sollte. Damit würde für
den „kooperationsrechtlichen“ Vertrag der Rückgriff auf § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (o. II
10) überflüssig.
Hinsichtlich der Vereinbarung von Sicherheiten ist darauf zu achten, dass auch insoweit
das Angemessenheitsgebot gilt.647 Es dürfen also nur solche Sicherheitsleistungen des
646
Birk (Anm. 44) Rn. 462 ff.; Schlette (Anm. 25) S. 513 ff.
647
Birk (Anm. 44) Rn. 480; Schlette (Anm. 25) S. 513 f.
166
Privaten vereinbart werden, die nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem angemessenen Verhältnis zum Sicherungsinteresse der Behörde stehen.648 Für die Behandlung einer unangemessenen Sicherheitsleistung kann auf die o. VI
9a dd entwickelten allgemeinen Grundsätze Bezug genommen werden.
Durch ein Vertragsstrafeversprechen soll der Schuldner zur Erbringung der geschuldeten
Leistung angehalten werden.649 Zur Sicherstellung der Erbringung vertraglich nicht geschuldeter Leistungen kann die Vertragsstrafe nicht eingesetzt werden. Dies gilt etwa für
die zur Geschäftsgrundlage des Vertrages gemachte Aufstellung eines Bebauungsplans.650
Die Vereinbarung der Vertragsstrafe richtet sich de lege lata nach § 62 S. 2 VwVfG in
Verbindung mit den §§ 339 ff. BGB. Da die §§ 339 ff. BGB im wesentlichen dispositives
Recht enthalten, steht es den Vertragsparteien frei, die Voraussetzungen, unter denen die
Vertragsstrafe verwirkt sein soll, selbständig im Vertrag festzusetzen.651
Schwierigkeiten bereitet vor allem die Anwendung des nicht abdingbaren652 § 343 BGB
auf Vertragsstrafeversprechen in öffentlich-rechtlichen Verträgen. Nach dieser Vorschrift
kann eine verwirkte Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen
Betrag herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist. Bei der Beurteilung der
Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen. Vor allem nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Angemessenheit der Vertragsstrafe nach § 343 BGB, nicht nach § 56
VwVfG zu beurteilen.653 Die damit ermöglichte geltungserhaltende Reduktion des Vertragsstrafeversprechens scheint in einem Widerspruch zu der o. VI 9a dd dargelegten Unzulässigkeit der Reduzierung einer unangemessenen Gegenleistung des Privaten auf das
gerade noch zulässige Maß zu stehen. Doch ist zu beachten, dass der Ausschluss der geltungserhaltenden Reduktion bei der Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung an
einen wechselseitigen funktionalen Bezug von Leistung und Gegenleistung anknüpft (s.
o. VI 9 a dd). An einem solchen funktionalen Bezug fehlt es jedoch hinsichtlich des Vertragsstrafeversprechens. Da das Angemessenheitsgebot nur für die Gegenleistung des
privaten Vertragspartners der Behörde gilt, wäre es darüber hinaus kein geeignetes Krite-
648
Birk (Anm. 44) Rn. 481 ff.
649
BVerwGE 74, S. 78 (83).
650
Birk (Anm. 44) Rn. 472 f.
651
Schlette (Anm. 25) S. 528 m.w.N.
652
Heinrichs (Anm. 98) § 343 Rn. 2.
653
RPOVG ZBR 1986, S. 369 (372); BayVGH BayVBl. 1983, S. 730 (731).
167
rium zur Bewertung der Angemessenheit der Höhe eines von der Behörde abgegebenen
Vertragsstrafeversprechens. Es bleibt daher dabei, dass auch beim öffentlich-rechtlichen
Vertrag eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB erfolgen kann.
Für die Aufnahme von Instrumenten zur Sicherung der Vertragsdurchführung in das
Verwaltungsverfahrensgesetz ergeben sich folgende Em
Empf
pf
pfeehhllung
ngeen:
Ø Zur Erleichterung der Entwicklung von Routinen sollte in § 61 VwVfG auch auf andere Instrumente zur Sicherung der Vertragsdurchführung als die Unterwerfung unter
die sofortige Vollstreckung hingewiesen werden.
Ø Die bisherige Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vollstreckungsunterwerfung auf den „subordinationsrechtlichen“ Vertrag sollte aufgegeben werden.
Ø Hinsichtlich der Verankerung der Vereinbarung von Sicherheitsleistungen im Gesetz
muss der Geltung des Angemessenheitsgebots Rechnung getragen werden.
Ø Bei der Normierung des Versprechens einer Vertragsstrafe sollte die entsprechende
Anwendung der §§ 339-344 BGB und die Möglichkeit der Vertragsparteien, Abweichendes zu vereinbaren, verdeutlicht werden. § 343 BGB kann dabei nach allgemeinen Grundsätzen nicht abbedungen werden. Dem Versprechen muss eindeutig entnehmbar sein, für welchen Fall die Strafe verwirkt sein soll. Wegen der Problematik
des sog. hinkenden Austauschvertrages ist klarzustellen, dass sich die Vertragsstrafe
nur auf im Vertrag selbst vereinbarte Leistungen beziehen kann.
11.
No
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Entsprechend dem Verständnis von Kooperation als Verwirklichungsmodus einer Verantwortungsteilung (o. I 2) ist eine fortschreitende Etablierung von Kooperationsmustern
als Strukturelement von Verwaltungsrechtsverhältnissen festzustellen. Von einem Strukturprinzip der (Verwaltungs-)Rechtsordnung wird sich derzeit allerdings nicht sprechen
lassen, allenfalls von einem Leitprinzip, dass der Konkretisierung durch den Gesetzgeber
bedarf654. Ein „Kooperationsprinzip als Rechtsprinzip“655 ist nicht feststellbar. Kooperation ist aufgegeben, nicht vorgegeben, instrumentell und inhaltlich bereichsspezifisch zu
konkretisieren.
654
Vgl. Schuppert (Anm. 51) S. 441.
655
Simone Westphal, Das Kooperationsprinzip als Rechtsprinzip , DÖV 2000, S. 996 ff.
168
a)
a)
Ebenen
Regelun
gelun
gelungg vo
vonn Kooper
Kooperaation
Eb
enen ddeer Re
Nachgerade klassisches Realisierungsfeld ist das Umweltrecht. Das umweltrechtliche
Kooperationsprinzip sieht staatliche Organe und gesellschaftliche Kräfte gemeinsam in
der Pflicht der Umweltinteressen vor der Folie des Rückgriffs auf privaten Sachverstand
und privates Engagement sowie einer konsensorientierten Umsetzung umweltschützender
Maßnahmen.656 Richtigerweise kann jedoch auch das Umweltrecht als nicht monolithischer Block von Kooperation gesehen werden, sondern bedarf der bereichsspezifischen
Analyse. Ausdruck hiervon sind Untersuchungen zum Kooperationsprinzip beispielsweise im Abfall-657 oder im Bodenschutzrecht658. Weitere Betrachtungen gelten etwa dem
Städtebaurecht659 oder dem Prozessrecht660. Für die Entwicklung einer bereichsübergreifenden Kultur der Verantwortungsteilung durch Verwaltungskooperation können diese
Ansätze wegen ihres segmentarischen Charakters kaum fruchtbar gemacht werden (zum
fehlenden Aussagegehalt des umweltrechtlichen Kooperationsprinzips für Verwaltungskooperationen o. IV 2 c).661 Geleistet werden muss vielmehr eine Integration der Handlungsmuster662 der o. IV 2 analysierten Phänomene von Verwaltungskooperation in ein
verdichtetes Konzept der Transmission zwischen Leitbildern und Leitprinzipien einerseits
und der Verwaltungsrealität andererseits.
Ist das Verwaltungsverfahrensgesetz vorliegend maßgebender Standort der Regelung von
Verwaltungskooperationen, so kann als Scharnierstelle das Zügigkeitsgebot des § 10 S. 2
VwVfG bezeichnet werden, das als Verfahrensanforderung ein umfassendes Kooperationsmanagement vorgibt. Bereits vor der Neufassung des § 10 S. 2 VwVfG durch das Ge-
656
Zum Kooperationsprinzip im Umweltrecht vgl. nur Hans-Werner Rengeling, Das Kooperationsprinzip
im Umweltrecht, 1988; Manfred Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip in der Bundesrepublik
Deutschland, 1990; Gertrude Lübbe-Wolff, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht – Rechtsgrundsatz oder Deckmantel des Vollzugsdefizits?, NuR 1989, S. 295 ff.; Christian Schrader, Das Kooperationsprinzip – ein Rechtsprinzip?, DÖV 1990, S. 326 ff.; Udo Di Fabio, Das Kooperationsprinzip – ein
allgemeiner Rechtsgrundsatz des Umweltrechts, NVwZ 1999, S. 1153 ff.
657
Jürgen Fluck, Das Kooperationsprinzip im Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, UPR 2000, S. 281 ff.;
Otmar Frey, Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft am Beispiel der Abfallpolitik, in: Ziekow
(Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, 2000, S. 231 ff.
658
Joachim Sanden, Das Kooperationsprinzip im Bodenschutzrecht, in: Huber (Hrsg.), Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1999, S. 115 ff.
659
Wolfgang Kahl, Das Kooperationsprinzip im Städtebaurecht, DÖV 2000, S. 793 ff.; Rudolf Stich, Die
Rechtsentwicklung von der imperativen zur kooperativen Städtebaupolitik, ZfBR 1999, S. 304 ff.
660
Christoph Möllers, Kooperationsgewinne im Verwaltungsprozeß, DÖV 2000, S. 667 ff.
661
Insoweit berechtigt daher der Ansatz von Schuppert (Anm. 51) S. 441; s. auch Bonk (Anm. 25) § 54 Rn.
43a.
662
Zur (Real-)Qualität von Kooperation als Handlungsmodus Christoph Gusy, Kooperation als staatlicher
Steuerungsmodus, ZUR 2001, S. 1 (5).
169
nehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz663 war anerkannt, dass die Vorschrift ein
Spektrum von verfahrensimmanenten Kooperationsmöglichkeiten eröffnet.664 Diese Tendenz ist mit der Novellierung verstärkt worden. Beratung und kooperative Beschleunigung waren wesentliche Elemente des von der sog. Schlichter-Kommission vorgeschlagenen offenen Beschleunigungsmodells.665 Ein zügigkeitsorientiertes Verfahrensrecht ist
notwendigerweise ein kooperatives. So verlangt das § 10 S. 2 VwVfG immanente Differenzierungsgebot, dass beschleunigende Maßnahmen in einer dem jeweiligen Verfahrensgegenstand individuell angepassten Weise vorgenommen werden.666 Eine einzelfallbezogene Optimierung des Verfahrensfaktors Zeit ist jedoch besser unter Einbeziehung aller
Betroffenen zu erreichen.
Wesentliche Versatzstücke eines solchen Kooperationsmanagements, die durchaus verallgemeinerungsfähig sind, nennt § 71c VwVfG.667 Hervorgehobenes Beispiel ist die in §
71c Abs. 2 VwVfG statuierte Erörterungspflicht der Behörde mit dem Antragsteller im
sog. Vor-Antragsverfahren. Inhalt der Pflicht ist eine Beratung des zukünftigen Antragstellers bereits vor der Antragstellung über die aufgeführten Gesichtspunkte, nicht die
verbindliche Abklärung dieser Punkte.668 Zu erörtern sind die Fragen, welche Nachweise
und Unterlagen von dem Antragsteller zu erbringen sind, welche sachverständigen Prüfungen im Genehmigungsverfahren anerkannt werden können und in welcher Weise die
Beteiligung Dritter oder der Öffentlichkeit vorgezogen werden kann, um das Genehmigungsverfahren zu entlasten. Einzelne kooperationsbezogene Verfahrensregelungen enthalten beispielsweise die §§ 25, 26 Abs. 2, 28, 29, 66 oder 73 VwVfG.
Die Betrachtung dieser unterschiedlichen normativen Zugriffe auf Formen der Kooperation zwischen der Behörde und Privaten lässt bereits zwei Normierungsebenen deutlich
werden: Die §§ 25, 26 Abs. 2, 28, 29, 66 oder 73 VwVfG betreffen Kontakte zwischen
Behörde und Bürger in einer rechtlich strukturierten Phase, nämlich nach Beginn eines
663
BGBl. 1996 I, S. 1354 ff.
664
Friedrich Schoch, Der Verfahrensgedanke im allgemeinen Verwaltungsrecht, Verw. 1992, S. 21 (30).
665
Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1994,
Rn. 200, 230.
666
Jan Ziekow, Zügige Verwaltungsverfahren, in: ders. (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998, S. 51 (69).
667
Zu § 71c VwVfG als Normierung des Kooperationsmanagements Heinz Joachim Bonk, Strukturelle
Änderungen des Verwaltungsverfahrens durch das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz,
NVwZ 1997, S. 320 (326, 328).
668
Begründung des Regierungsentwurfs eines Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetzes, BTDrucks 13/3995 S. 9.
170
Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 VwVfG. § 71c Abs. 2 VwVfG greift hingegen
bereits in einer früheren Phase ein. Noch bevor sich die Beziehungen zwischen Behörde
und potentiellem Antragsteller zu einem Verwaltungsverfahren im Rechtssinne verdichtet
haben, werden Ausschnitte jener Beziehung einer rechtlichen Regelung unterworfen. Vor
der von § 71c Abs. 2 VwVfG gemeinten Vor-Antragsphase fehlt es an einem verwaltungsverfahrensrechtlichen Zugriff auf Kooperationen zwischen Staat und Bürger. Die
fehlende Formalität von Kooperationssystemen ist wiederholt hervorgehoben worden.669
Gleichsam spiegelbildlich hierzu steht die Phase der rechtlich durch Abschluss eines
Vertrages oder Erlass eines Verwaltungsakts stabilisierten Kooperation. Dieses VierStufen-Modell kann graphisch übersetzt werden:
1) Kooperation ohne verfahrensrechtliche
Regelung
2) Kooperation mit verfahrensrechtlicher
Regelung
3) Kooperation im Verwaltungsverfahren
4) Vertraglich geregelte (oder durch Erlass
eines Verwaltungsakts verfestigte) Kooperation
Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich bei diesem Vier-Stufen-Modell nicht um
ein striktes Ablaufschema, sondern um eine Stufung nach Formalisierungsgraden von
Kooperation handelt. Gerade für die o. IV 2 skizzierten Formen von Verwaltungskooperationen sind die beiden mittleren Stufen häufig nicht betroffen, da es an einschlägigen
verfahrensrechtlichen Bestimmungen fehlt. Darüber hinaus ist bereits darauf hingewiesen
worden (o. II 1 d), dass es einen „point of no return“ nicht gibt. Die Übergänge zwischen
den Stufen sind fließend, und zwar in beide Richtungen: In die eine Richtung kann der
Kooperationsprozess konsequent alle vier Stufen durchlaufen, d.h. mit informellen Vorgesprächen beginnen und mit dem Abschluss eines Vertrages enden. Ebenso ist es aber
denkbar, dass die Kooperation zunächst auf den Abschluss eines (öffentlich-rechtlichen)
Vertrages abzielte und bereits die Phase des Verwaltungsverfahrens erreicht hatte, dann
aber Schwierigkeiten auftauchten, die es den Kooperationspartnern ratsam erscheinen
ließen, von einem Vertragsschluss zunächst abzusehen und die offenen Fragen nach einer
„Abstufung“ in die Phase nicht geregelter Informalität weiter zu verfolgen. Schließlich
kann es zu Überlappungsphänomenen kommen: Auch neben einem bereits laufenden
669
Vgl. Fluck (Anm. 117) S. 282; Gusy (Anm. 122) S. 4.
171
Verwaltungsverfahren können Verständigungen auf einer Stufe mit niedrigerem Formalisierungsgrad getroffen werden.
Auf der Grundlage dieses vierstufigen Modells von Formalisierungsgraden kann die auf
die Normativierung von Kooperationsverhältnissen zwischen Verwaltung und Privaten im
Verwaltungsverfahrensgesetz gerichtete Aufgabenstellung weiter präzisiert werden. Zu
fragen ist zum einen nach dem Regelungsbedarf und den Regelungsmöglichkeiten auf den
Stufen 1 und 2. Hier wird es um die Auslotung der Möglichkeiten gehen, einen rechtlichen Rahmen für bisher informal verlaufende Kooperationen zur Verfügung zu stellen.
Zum anderen ist mit Blick auf die Stufen 3 und 4 zu überprüfen, in welcher Weise Verwaltungskooperationen als eigenständige Vertypung im Verwaltungsverfahrensgesetz
geregelt werden können.
b)
Re
er
waltun
rfah
Regelun
gelun
gelungg von Koop
Kooper
erationen
ationen im Vor
Vorffeld von Ver
Verw
altunggsve
sverfah
rfahrren
Es ist unverkennbar, dass in der Verwaltungspraxis ein beträchtliches Bedürfnis nach
einer Nutzung von Möglichkeiten informeller Kooperation besteht.670 Die Vorteile sind
ebenso häufig beschrieben worden wie die Nachteile. Als Vorzüge informalen Vewaltungshandelns können benannt werden:
•
die Möglichkeit des Handelns auf unvollständiger Wissensgrundlage. Unterhalb der
Formalisierungsstufe des Verwaltungsverfahrens können die Kooperationspartner ihr
gegenseitiges Verhältnis gestalten, ohne dass letzte Sicherheit über die tatsächlichen
Handlungsgrundlagen bestehen müsste.671
•
Komplexitätsreduktion. In komplexen Entscheidungssituationen können informale
Absprachen eine Abschichtung von Problemzusammenhängen erleichtern.672 Für den
Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist dies von hervorgehobener Bedeutung,
weil die §§ 54 ff. VwVfG eine gestufte Realisierungsordnung, wie sie beim Erlass eines Verwaltungsakts in Gestalt von Vorbescheiden, Teilgenehmigungen, vorläufigen
Verwaltungsakten etc. bekannt ist, nicht kennen.
•
Effizienzsteigerung. Informale Vor-Absprachen entlasten das „eigentliche“ Verwaltungsverfahren und können schneller und kostengünstiger zu einer für die Kooperationspartner befriedigenden Lösung führen.673
670
Grundlegend insoweit Eberhard Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; ders., Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrument des Umweltschutzes, VerwArch 1984, S. 343 ff.
671
Ladeur (Anm. 2) S. 519.
672
Ladeur (Anm. 2) S. 519.
673
Hartmut Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch 1987, S.
241 (252).
172
•
Informations- und Prozessoptimierung. Frühzeitige wechselseitige Information erleichtert und verbessert Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse.674
•
Flexibilität. Die fehlende rechtliche Bindung der Kooperationspartner ermöglicht
schnelle Anpassungen und verbessert Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse.675
•
Vermeidung von Rechtsunsicherheit. Durch die Kooperation erlangen die Partner
Kenntnis vom Standpunkt jeweils anderen und können frühzeitig ihr Handeln danach
ausrichten.676
Als Gefahren informalen Verwaltungshandelns sind insbesondere identifiziert worden:
•
Relativierung rechtlicher Bindungen. Informale Kooperationen können Kompromisse
erzeugen, die von normativen Vorgaben abweichen.677
•
Außerachtlassung von Drittinteressen. Bipolare Kontakte bergen ohne verfahrensrechtliche Sicherungen die Gefahr einer selektiven Interessenwahrnehmung in sich,
infolge derer die Interessen anderer als der Kooperationspartner nicht berücksichtigt
werden.678
•
Behinderung von Kontrollmechanismen. Nach außen abgeschirmte Kooperationsverhältnisse verhindern Transparenz und die Effektivität inneradministrativer Kontrollen
sowie des Rechtsschutzes Dritter.679
•
Vorabbindung der Entscheidungsfindung. Bereits gefundene Kooperationsergebnisse
werden überwiegend auf späteren Kooperationsstufen nicht mehr in Frage gestellt und
präformieren spätere Entscheidungen.680
•
Effizienzreduzierung. Die Hoffnung auf die Erzielung konsensualer Lösungen kann
dazu führen, dass der Kooperationsprozess bewusst oder unbewusst verschleppt
wird.681
Vorzüge und Gefahren informaler Kooperation lassen sich tabellarisch zusammenfassen:
Vorzug
Gefahr
Komplexitätsreduktion
Vorabbindung
Handeln auf unvollständiger
Relativierung rechtlicher Bindun-
674
Helmuth Schulze-Fielitz, Informales oder illegales Verwaltungshandeln?, in: Benz/Seibel (Hrsg.), Zwischen Kooperation und Korruption, 1992, S. 233 (245).
675
Bauer (Anm. 133) S. 253.
676
Bauer (Anm. 133) S. 250 f.
677
Bauer (Anm. 133) S. 254.
678
Bauer (Anm. 133) S. 254.
679
Wolfgang Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), S. 187 (212 ff.).
680
Hoffmann-Riem (Anm. 3) S. 153 f.
681
Bauer (Anm. 133) S. 256.
173
Wissensgrundlage
gen
Effizienzsteigerung
Effizienzreduzierung
Vermeidung von Rechtsunsicherheit
Behinderung von Kontrollmechanismen
Informations- und Prozessoptimierung
Außerachtlassung von Drittinteressen
Flexibilität
aaaa)
Sinnhaftiggkeit einer Re
Reggelung in
informal
formal
formaler
er Koop
Kooper
er
erationsverh
ationsverh
ationsverhältnisse
ältnisse
Sinnhafti
Die Übersicht macht deutlich, dass informale Kooperationsverhältnisse eine im wesentlichen ausgewogene Vorteils-Nachteils-Relation aufweisen. Ihre Ausbalancierung ist Kern
des Kooperationssystems. Die in dessen Rahmen dominierenden Verhaltenserwartungen
und Verhaltensweisen sind in erster Linie auf die Funktionsfähigkeit des Systems gerichtet, nicht auf die Erzielung eines Kooperationserfolgs. Es kann vielmehr gerade das Ziel
eines Kooperationspartners sein, das Kooperationssystem dafür einzusetzen, um einen
Kooperationserfolg zu verhindern.682 Es wird sich daher nicht davon sprechen lassen, dass
informale Kooperationen in einem „Alternativverhältnis zu rechtlichen Verfahren und
Entscheidungsformen“ stehen.683 Informale Kooperation und rechtsförmliches Verwaltungshandeln ergänzen sich vielmehr684 - entsprechend dem skizzierten Stufenmodell.
Eindeutiger, weil nicht mit einer korrespondierenden Gefahr belegter Vorteil der Informalität ist ihre Flexibilität. Daraus folgt zugleich, dass einer Normierung von informalen
Vorfeld-Kooperationen enge Grenzen gesetzt sind. Ein rechtlich verbindlicher Zugriff
würde dazu führen, dass der Flexibilitätsvorteil verloren zu gehen droht. Konsequente
Reaktion der Kooperationspartner wäre der Rückzug auf eine frühere Stufe der Informalität.685 Gesetzgeberische Bemühungen um informale Kooperationen müssen daher ohne
direkten Steuerungsanspruch auftreten. Die verwaltungsverfahrensrechtlich aufbereitete
Handlungsformenlehre kann jedoch einen Beitrag zu einer aufgabenbezogenen Strukturierung „weicher Kommunikationsvorgänge“ leisten.686 In dieser Qualität eines „soft law“
hat die Aufnahme von informalen Kooperationen betreffenden Regelungen in das Ver-
682
Gusy (Anm. 122) S. 4.
683
So aber Eberhard Bohne, Verwaltungshandeln (informal), in: Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd.
II, 1988, Sp. 1055 f.
684
Schuppert (Anm. 51) S. 245 f.
685
Philip Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBl. 1992, S. 1193
(1202).
686
Eberhard Schmidt-Aßmann, Die Lehre von den Rechtsformen des Verwaltungshandelns, DVBl. 1989,
S. 533 (541).
174
waltungsverfahrensgesetz ihre Berechtigung. Sie vermag informale Kooperationsverhältnisse zielbezogen zu optimieren und mit ihnen verbundene Risiken zu minimieren.
Denkt man also eine solche normative Befassung mit dem Informalen nicht aus der Kontrollperspektive, sondern als Handlungsrecht der Verwaltung, so können hieraus folgende
Anforderungen an die Ausgestaltung der Regelungen von Vorfeld-Kooperationen formuliert werden:
•
Die Unverbindlichkeit der Regelungen, d.h. ihr empfehlender Charakter muss deutlich
werden.
•
Es muss erkennbar sein, dass Kooperation ein offener Prozess ist, der nicht notwendig
zur formalisierten Endstufe regelnder Verbindlichkeit führen muss.
•
Die Kooperationsbeiträge müssen in einer Weise strukturiert werden, die die Vorzüge
nicht gebundener Kooperation erhält und auf ihre Gefahren hinweist.
bb)
Mö
Mögglichk
chke
urierun
g info
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iten de
derr Strukt
Strukturierun
urierung
informaler
Kooperationen
Ein Problem liegt zunächst in der Abgrenzung solcher Vorfeld-Kooperationen vom Beginn eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 VwVfG. Wie o. II 1 d ausgeführt,
wird eine informale Kooperation zum Verwaltungsverfahren aufgestuft, wenn die Behörde eine final auf die Verwirklichung des Verfahrensgegenstandes in Form eines Verwaltungsakts oder öffentlich-rechtlichen Vertrages bezogene außenwirksame Handlung vornimmt. Die Einordnung als finale Tätigkeit im beschriebenen Sinne oder als Ausprägung
eines informellen Kooperationsverhältnisses hängt davon ab, ob die Behörde mit dem
Willen gehandelt hat, rechtlich Erhebliches zu bewirken. Allerdings kann der rechtliche
Status einer Handlung nur im Einzelfall bestimmt werden. Ein exakter definitorischer
Zugriff wird sich kaum realisieren lassen. Deshalb wird lediglich eine Negativabgrenzung
vorgenommen werden können, die auf dem oben skizzierten Stufenmodell basiert und das
Kriterium das Noch-Nicht-Vorliegen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 9
VwVfG wählt.
Weiterhin ist der Endoffenheit des Kooperationsprozesses dadurch Rechnung zu tragen,
dass eine Regelung ohne Anbindung an eine Form des Kooperationserfolgs vorgenommen wird. Ob am Ende eines erfolgreichen Kooperationsprozesses ein Verwaltungsakt
erlassen oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wird, ist häufig einer gewissen Beliebigkeit anheimgegeben. Ebenso kann eine Kooperation erfolgreich sein, ohne
dass es überhaupt zu einer rechtlichen Formalisierung kommt. Bezugspunkt kann also
allein das Kooperationssystem als solches sein. Das Kooperationssystem wiederum lässt
175
sich analytisch differenzieren in die Phasen der Kooperationsanbahnung, des Kooperationsscopings, des Kooperationsverfahrens und der Kooperationsformalisierung:
Kooperationsanbahnung:
Auswahl des Kooperationspartners/der Kooperationspartner à
Definition der im Laufe der Kooperationsanbahnung
verfolgten Ziele
Kooperationsscoping:
Absteckung des Kooperationsrahmens à
Einigung über das Kooperationsverfahren à
Bewertung externer Interessen
Kooperationsverfahren:
Realisierung der Kooperationsziele im abgesteckten
Rahmen à
Einbeziehung/Ausblendung externer Interessen
Kooperationsformalisierung: Entscheidung über die Formalisierung des Kooperationserfolgs in Form eines Verwaltungsakts oder
Vertrages nach Folgenabschätzung
Die vorstehenden Überlegungen lassen sich in folgende Em
Empf
pfehhl
hlun
ngeenn zusammenfassen:
lung
Ø In das Verwaltungsverfahrensgesetz sollten Regelungen über Vorfeld-Kooperationen
aufgenommen werden, die diese informalen Kooperationsverhältnisse zielbezogen zu
optimieren und mit ihnen verbundene Gefahren zu minimieren vermögen.
Ø Eine Formalisierung des Informalen darf hiermit nicht verbunden sein. Die vorzusehenden Regelungen dürfen deshalb nur empfehlenden Charakter haben.
Ø Die Normierungen haben sich auf eine Strukturierung des Kooperationssystems ohne
Rücksicht auf einen Kooperationserfolg zu beschränken.
Ø Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist durch einen Hinweis auf das Nichtvorliegen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 VwVfG abzugrenzen.
Ø Die Strukturierungsleistung sollte auf den vier identifizierten Phasen Kooperationsanbahnung, Kooperationsscoping, Kooperationsverfahren und Kooperationsformalisierung aufbauen und auf die Vermeidung der durch informale Kooperationen drohenden
Gefahren hinwirken.
Ø Um eine Verwechslung mit dem vorliegend verwendeten Begriff der Verwaltungskooperation zu vermeiden, sollte statt von „Kooperation“ von „Zusammenarbeit mit Privaten“ gesprochen werden.
Ø Da die §§ 54 ff. VwVfG nur den öffentlich-rechtlichen Vertrag regeln, die Zusammenarbeit mit Privaten aber nicht notwendig im Vorfeld eines Vertragsschlusses erfolgen muss, wäre eine Regelung im Rahmen des öffentlichen Vertragsrechts systemfremd. Auch die noch zu behandelnde Verwaltungskooperation muss nicht zwingend
in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gefasst sein. Daher könnte als neuer
Oberbegriff des Teils IV des Verwaltungsverfahrensgesetzes von „Zusammenwirken“
176
gesprochen werden. Die Bestimmungen über die Zusammenarbeit mit Privaten, öffentlich-rechtlichem Vertrag und Verwaltungskooperation könnten dann als Abschnitte 1, 2 und 3 ausdifferenziert werden.
c)
c)
Diee Aufn
Aufnahme
Vorschriften
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Verwaltu
rwaltung
ng
ngskoop
skooper
er
eration
ation
Di
ahme von Vors
rwaltu
skoop
Anknüpfungspunkt für entsprechende Normierungsvorschläge sind zunächst die o. IV
entwickelten Überlegungen zur Abgrenzung von Verwaltungskooperationen. Entscheidend ist die Ersetzung oder Ergänzung öffentlicher Aufgabenerfüllung durch private
Handlungsrationalität vor dem Hintergrund einer Verantwortung der Verwaltung. Der
öffentliche Partner kann sich auch in einer Kooperation mit Privaten nicht der Verantwortung entziehen, auf eine sachangemessene und rechtlich zulässige Implementation der
öffentlichen Interessen in den Aushandlungsprozess zu achten. Die Identifizierung und
Operationalisierung gestufter Verantwortung für Prozesse der Verwaltungskooperation ist
eine der Aufgaben der Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts (s. u. VI 11 c
bb).
Charakteristisch für eine Verwaltungskooperation ist, dass sie zwar nicht vollständig am
Markt stattfindet, sondern auch aus Sicht des Privaten insofern am Staat ausgerichtet ist,
als das Kooperationsinteresse des privaten Kooperationspartners regelmäßig im Zugang
zu Gütern und Problemlösungskapazitäten des öffentlichen Sektors besteht. Doch ist bestimmend für die Verwirklichung der Partnerschaft der für den Privaten realisierbare Kooperationsgewinn. Aus der Perspektive des öffentlichen Sektors sind vor allem die Erschließung privater Ressourcen und Handlungsrationalität für die Erfüllung von – jedenfalls ursprünglich – öffentlichen Aufgaben von Bedeutung (o. IV 3).
Die Schwierigkeit einer normativen Erfassung dieser unterschiedlichen Kooperationsinteressen besteht vor allem in der Heterogenität der Phänomene von Verwaltungskooperation. Der o. IV 2 gezeichnete Spannungsbogen reicht insoweit von Fällen formeller Privatisierungen wie Contracting Out – soweit es sich bei dem Beitrag des Privaten um eine Ergänzung der eigentlichen Leistung der Verwaltung handelt –, Betreiber- und Betriebsführungsmodelle oder Verfahrensprivatisierungen über Prozesse materieller Privatisierungen
– soweit eine Gewährleistungsverantwortung der Verwaltung fortbesteht – bis hin zu anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und Privaten, die sich in
Form einer partnerschaftlichen Aufgabendefinition und/oder -erfüllung vollziehen. Hieraus und aus der Wahl des Verwaltungsverfahrensgesetzes als Regelungsstandort folgen
die Notwendigkeiten, die Speicherkapazität von Vertypungen groß genug zur Erfassung
177
variierender Problemkonstellationen zu halten und für die aus Ziel- und Interessendivergenzen drohenden Konfliktfelder im Gesetz Merkposten zu bezeichnen, die bei der Gestaltung der konkreten Verwaltungskooperation abgearbeitet werden (o. V).
Das für die Erarbeitung eines Rechts der Verwaltungskooperationen abzuarbeitende Programm lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
•
Zunächst ist der Bedarf für die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts zu
ermitteln; dabei sind dessen Funktionen näher zu bestimmen (aa).
•
Da auch ein im Verwaltungsverfahrensgesetz verankertes Verwaltungskooperationsrecht Handlungsrecht der Verwaltung ist, ist die die Verwaltungskooperation prägende
Verantwortung der Verwaltung als Regelungsrahmen näher zu entfalten (bb).
•
Sich hieraus ggf. ergebende Verantwortungsprofile sind darauf zu befragen, ob sich
aus ihnen Anforderungen an die Typisierung von Verwaltungskooperationen generieren lassen (cc).
•
Dem Prozesscharakter von Verwaltungskooperationen ist durch die Bezeichnung
strukturierender Elemente Rechnung zu tragen (dd).
•
Schließlich sind die o. IV 3 bestimmten Interessenrelationen der Kooperationspartner
zu beachten. In Betracht kommt hierfür möglicherweise ein Modell von Klauselkatalogen (ee).
aa)
aa
Sinnhaftiggkeit und F
Funkt
unkt
unktionen
ionen eines Ve
Verwaltun
rwaltun
rwaltunggsk
skooper
ooper
ooperaationsrec
tionsrechhts
Sinnhafti
Zur Beantwortung der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Entwicklung gesetzlicher Regelungen für Verwaltungskooperationen ist auf die Bereitstellungsfunktion des Rechts zu
rekurrieren (vgl. o. V). Sie fordert eine aufgaben- und funktionenorientierte Betrachtungsweise: Das Verwaltungsrecht hat danach zu fragen, welche Funktionen und Aufgaben die Verwaltung zu erfüllen hat, und dasjenige an Rechtsformen, Instituten, Verfahren
und Organisationstypen bereitzustellen, das die Verwaltung benötigt, um zur Bewältigung
jener Aufgaben ausreichend gerüstet zu sein. Aus der Bereitstellungsfunktion des Rechts
lässt sich gleichzeitig die erste Funktion eines Verwaltungskooperationsrechts ableiten,
nämlich die
•
Entwicklung einer Angebotsordnung.
Der Gedanke eines Verwaltungskooperationsrechts als Angebotsordnung übersetzt das
Leitbild der Verantwortungsteilung (o. I 1) in eine Initiativfunktion des Rechts. Die Entwicklung und Bereitstellung eines Angebots von rechsverhältnisgestaltenden Optionen
und Direktiven soll es den (potentiellen) Kooperationspartnern erleichtern, für bestimmte
Grundkonstellationen auf gesetzlich beschriebene Muster zurückgreifen und für den je-
178
weiligen Einzelfall anpassen zu können. Die Eingehung und Gestaltung von Verwaltungskooperationen wird dadurch erleichtert, Kooperationsroutinen (vgl. zur Entwicklung
von Regel-Routinen o. VI vor 1) können entwickelt werden.
Aus der beschriebenen Angebotsfunktion eines Verwaltungskooperationsrechts ergibt
sich notwendig dessen zweite Funktion, die
•
Gestaltung von Kooperation.
Die Gestaltungsfunktion des Verwaltungskooperationsrechts weist auf die Aufgabe hin,
„den Sektor der verantwortungsteilenden Aufgabenerfüllung rechtlich transparent zu machen ... (und) Gestaltungsalternativen zur Gemeinwohlverwirklichung aufzuzeigen“687.
Erst eine solche Strukturierung befähigt Verwaltungskooperation, an der Operationalisierung der Ordnungsidee kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung im Verfahren (o. V)
teilzunehmen. Die strukturierende Gestaltung von Verwaltungskooperation ist gleichsam
das zentrale Scharnier eines Verwaltungskooperationsrechts: Ohne sie ist zum einen eine
Entfaltung des Verwaltungskooperationsrechts als Angebotsordnung nicht denkbar und
zum anderen eine Erfüllung des rechtsstaatlichen, das „magische Vieleck“ Verwaltungsverfahren (Rainer Wahl, o. V) in der Balance haltenden Begrenzungsauftrags des Verwaltungsrechts nicht möglich.
Damit ist hingewiesen auf die dritte Funktion eines Verwaltungskooperationsrechts, die
•
Begrenzung von Kooperation.
Ist kennzeichnend für Verwaltungskooperation die Zusammenfügung der Handlungsrationalitäten des öffentlichen und des privaten Sektors vor der Folie der Verantwortung der
Verwaltung (o. IV 1 d), so bedarf es der Verankerung von Regularien, die es der Verwaltung ermöglichen, ihrer Verantwortung gerecht werden zu können. Es muss gewährleistet sein, dass die Verwaltung sich durch die Kooperation nicht ihrer spezifischen Gemeinwohlverantwortung begibt. Verwaltungskooperation darf nicht dazu führen, dass das
Gemeininteresse durch die Sonderinteressen der privaten Kooperationspartner vereinnahmt wird. Das Verwaltungskooperationsrecht hat deshalb sicherzustellen, dass die pri-
687
Hartmut Bauer, Zur notwendigen Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts, in: Schuppert
(Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 251 (254).
179
vaten Kooperationsbeiträge für die Gemeinwohlverantwortung der Verwaltung anschlussfähig bleiben.
Bezieht man die drei entfalteten Funktionen des Verwaltungskooperationsrechts zurück
auf die eingangs dieses Abschnitts gestellte Frage nach der Sinnhaftigkeit der Entwicklung gesetzlicher Regelungen für Verwaltungskooperationen, so ist die Normativierung
eines Verwaltungskooperationsrechts für eine gemeinwohlverpflichtete Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung in der Kooperation erforderlich.
ØEmpfehlun
Empfehlungg:
bb)
Die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts im Verwaltungsverfahrensgesetz ist erforderlich, damit Verwaltungskooperation
aufgabenadäquat initiiert, gestaltet und begrenzt werden kann.
ept ggeestu
stuffter V
Veerantwortun
rantwortungg
Das Konz
Konzept
In der neueren Forschung zu den Erscheinungsformen von Verantwortungsteilung ist herausgearbeitet worden, dass dem Kooperationsspektrum zwischen staatlicher und privater
Aufgabenerfüllung unterschiedliche Stufen staatlicher Verantwortung für die tatsächliche
Erbringung des durch die Aufgabe Geforderten korrespondieren.688 Mittlerweile besteht
weitgehende Einigkeit darin, dass die Ausdifferenzierung der Verantwortungsstufung auf
die drei Grundtypen der Erfüllungs-, der Gewährleistungs- und der Auffangverantwortung begrenzt werden sollte.689
Unter Erfüllungsverantwortung versteht man die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch
den Staat selbst. Da der Staat die Aufgabe selbst, mithin durch Träger mittelbarer oder
unmittelbarer Staatsverwaltung, wahrnimmt, liegt die Erfüllung der Aufgabe in seiner
alleinigen Verantwortung.690 Wegen der verantwortungsteiligen Aufgabenerfüllung in der
Verwaltungskooperation kann diese Verantwortungsstufe für die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts außer Betracht bleiben.
Die Stufe der Gewährleistungsverantwortung bezieht sich auf die Situation, dass sich der
Staat aus der ausschließlich eigenen Aufgabenerfüllung zurückzieht. Die Aufgabenerfüllung erfolgt dann gemeinsam durch öffentliche Hand und Privaten oder allein durch gesellschaftliche Selbststeuerung, jedoch unter staatlicher Steuerung durch Rahmenvorga688
S. nur Schmidt-Aßmann (Anm. 1) S. 43 f. und die Nachw. in den folgenden Anm.
689
Wolfgang Hoffmann-Riem, Verantwortungsteilung als Schlüsselbegriff moderner Staatlichkeit, in:
Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), Staat und Steuern, FS für Klaus Vogel zum 70. Geb., 2000, S.
47 (52 f.); Schuppert (Anm. 51) S. 404.
180
ben, Struktursetzungen und Spielregeln.691 Der Staat erfüllt also nicht selbst – oder jedenfalls nicht allein – die Aufgabe, gewährleistet aber durch steuernde Maßnahmen, dass die
Aufgabe erfüllt wird.
Als Ausprägungen der Gewährleistungsverantwortung sind die Überwachungs- und die
Regulierungsverantwortung identifiziert worden.692 Die Überwachungsverantwortung will
der spezifischen Übergangssituation von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung Rechnung tragen und durch staatliche Aufsicht den Prozess der Diversifizierung in
die Aufgabenerfüllung Eingeschalteter überbauen. Regulierungsverantwortung beinhaltet
die Schaffung eines Privatisierungsfolgenrechts, um in privatisierten Aufgabenfeldern
eine gemeinwohlverträgliche Aufgabenerfüllung sicherzustellen.
Die Auffangverantwortung schließlich bezieht sich auf die Entwicklung von Instrumentarien zur Nachsteuerung, wenn der angestrebte Steuerungserfolg ausbleibt. Steuerungsverantwortung wird mithin dadurch wahrgenommen, dass gleichsam ein „Auffangnetz“ gespannt wird, das ein Entfallen der Aufgabenerfüllung verhindern soll.693
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die skizzierten Verantwortungsstufen kein
trennscharfes Abschichten staatlicher und gesellschaftlicher Verantwortung ermöglichen.
Insbesondere die Übergänge zwischen Gewährleistungs- und Auffangverantwortung sind
„weich“. Als Beispiel kann die Aktualisierung staatlicher Verantwortung in Privatisierungsprozessen dienen. So wird die staatliche Regulierung von Privatisierungen, die
Schaffung eines Privatisierungsfolgenrechts, einerseits der Gewährleistungsverantwortung zugeordnet.694 Andererseits wird aber auch der Auffangverantwortung die Dimension
einer Begleitverantwortung zugeschrieben.695 Dies ist insofern zutreffend, als eine Tätigkeit des Staates „als Nothelfer“696 voraussetzt, dass die Verwirklichung des Steuerungserfolgs beobachtet wird. Um im Bild zu bleiben: Wenn der Staat nicht weiß, inwieweit die
Aufgabe nicht erfüllt wird, ist das „Auffangnetz“ möglicherweise nicht rechtzeitig gespannt. Dies macht jedoch nur deutlich, dass sich die Gewährleistungsverantwortung zur
690
Wolfgang Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, DÖV 1997, S. 433 (442);
ders. (Anm. 149) S. 53.
691
Hoffmann-Riem (Anm. 149) S. 53; Heinrich Reinermann, Die Krise als Chance: Wege innovativer
Verwaltungen, 5. Aufl. 1995, S. 26.
692
Schuppert (Anm. 51) S. 406 f.
693
Hoffmann-Riem (Anm. 149) S. 54 f.
694
Hoffmann-Riem (Anm. 149) S. 54; Schuppert (Anm. 51) S. 407.
695
Hoffmann-Riem (Anm. 150) S. 442.
696
Hoffmann-Riem (Anm. 149) S. 52.
181
Auffangverantwortung verdichten kann. Die Vorhaltung und der Einsatz von „Informations- und Kooperationsvorkehrungen“ und die „nachvollziehende Kontrolle“ des Ergebnisses697 beinhaltet Steuerungsvorbehalte hinsichtlich der privaten Leistungserbringung
und damit die Wahrnehmung von Gewährleistungsverantwortung. Aus Gründen der begrifflichen Präzisierung wird deshalb im folgenden unter Gewährleistungsverantwortung
in einem umfassenden Sinne die Steuerung und Beaufsichtigung verantwortungsteiliger
oder in gesellschaftlicher Selbststeuerung erfolgender Aufgabenerfüllung zum Zwecke
der Sicherstellung der Leistungserbringung verstanden. Auffangverantwortung soll demgegenüber nur in dem Verständnis einer Vorhaltung von Erfüllungsalternativen für den
Ausfall des Steuerungserfolgs verstanden werden.
Unterschiedlichen Verantwortungsstufen entsprechen mithin unterschiedliche Steuerungsintensitäten. Dieser Zusammenhang lässt sich in der folgenden Weise graphisch
übersetzen:
Verantwortungsstufe
Modus der Aufgabenerfüllung
Aktualisierung der Verantwortung
Erfüllungsverantwortung
Gewährleistungsverantwortung
Unmittelbare staatliche Aufgabenerfüllung
Verantwortungsteilige oder
überwachte gesellschaftliche
Selbststeuerung
(hier:) gesellschaftliche
Aufgabenerfüllung
Einsatz staatlicher Handlungsressourcen
Rahmenvorgaben, Handlungsregeln, Aufsicht
Auffangverantwortung
Vorhaltung von Erfüllungsalternativen
Für die Entwicklung eines Verwaltungskooperationsrechts ist in erster Linie die Stufe der
Gewährleistungsverantwortung von Bedeutung. Der Stufe der Auffangverantwortung ist
allerdings dadurch Rechnung zu tragen, dass die Situation des Ausfalls des Steuerungserfolgs bei der Rahmensetzung für die Gestaltung von Verwaltungskooperationen eingestellt werden muss.
Die hieraus abzuleitenden Anforderungen an ein Verwaltungskooperationsrecht lassen
sich in folgende Empf
pfehl
ehlun
ehluungen zusammenfassen:
ehl
Ø Die in Verwaltungskooperationen in Form der Gewährleistungsverantwortung fortbestehende Verantwortung des öffentlichen Kooperationspartners für die Erfüllung der
öffentlichen Aufgabe ist durch die Entwicklung eines Rechtsrahmens hinsichtlich der
Struktur und Durchführung von Verwaltungskooperationen umzusetzen.
697
Hoffmann-Riem (Anm. 150) S. 442.
182
Ø Da die Intensität der zur Realisierbarkeit der Gewährleistungsverantwortung erforderlichen Steuerung der kooperativen Aufgabenerfüllung wesentlich von dem aufgabenabhängigen Verantwortungsniveau determiniert wird, ist dem öffentlichen Kooperationspartner die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Verantwortungsbilanzierung zu verdeutlichen.
Ø Die zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung benötigten Instrumente
sind aus der Verantwortungsbilanzierung zu entwickeln. Insoweit sind dem öffentlichen Kooperationspartner durch das Verwaltungskooperationsrecht Muster zur Verfügung zu stellen, in Relation zu denen für die einzelne Kooperation die jeweiligen instrumentellen Anpassungen erfolgen können.
Ø Soweit eine Auffangverantwortung des Staates fortbesteht, erfordert es die Sicherung
der Aufgabenerfüllung, dem öffentlichen Kooperationspartner die Vorhaltung von Erfüllungsalternativen aufzugeben.
cc)
cc
An
Anford
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skooper
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Tyypisierun
sierungg vvon
Verwaltun
rwaltunggskoop
Auf die Heterogenität der in der Praxis feststellbaren Phänomene von Verwaltungskooperation ist bereits hingewiesen worden (o. IV 2). Die hieraus für eine gesetzliche Regelung
entstehenden Schwierigkeiten lassen sich in mehrere Problemschichten differenzieren,
nämlich zum einen das Verhältnis des zu entwickelnden Verwaltungskooperationsrechts
zum Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages, zum anderen die Bestimmung des Anwendungsbereichs eines Verwaltungskooperationsrechts und schließlich die Typisierungstiefe.
183
aa
aaa)
a)
ltungsk
skoope
oope
ration und öffentlich
Vertrag
Verrw
waltun
ooperation
öffentlich--rechtliche
rechtlicherr Vertra
g
Sind Verwaltungskooperationen gerade durch die Zusammenführung der Handlungsrationalitäten des öffentlichen und des privaten Sektors zur gemeinsamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben gekennzeichnet, so liegen solche Kooperationen häufig im Schnittfeld
zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln. Eine Regelung nur von
solchen Verwaltungskooperationen im Verwaltungsverfahrensgesetz, die – in Anlehnung
an die zum öffentlichen-rechtlichen Vertrag entwickelten Kriterien – ihrem Gegenstand
nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, wäre daher notwendig fragmentarisch und
könnte den o. VI 11 c aa genannten Funktionen eines Verwaltungskooperationsrechts
nicht gerecht werden.
Ein solchermaßen beschränkter Anwendungsbereich eines Verwaltungskooperationsrechts ist durch die Verortung im Verwaltungsverfahrensgesetz (o. V) nicht vorgegeben.
Ist Verwaltungsverfahrensrecht Handlungsrecht der Verwaltung (o. V), so können für das
Agieren der Behörde in Verwaltungskooperationen verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen ohne Rücksicht auf die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum öffentlichen
Recht oder zum Privatrecht aufgenommen werden. Für einen Verwaltungskooperationsvertrag, der öffentlich-rechtlicher Natur ist, gelten zusätzlich die Vorschriften der §§ 54
ff. VwVfG, für einen privatrechtlichen Kooperationsvertrag die Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts. Das Verwaltungskooperationsrecht hat daher nur eine ergänzende Bedeutung und soll als angebotsorientierte Rahmenordnung der Verwaltung die Bewältigung komplexer Kooperationsleistungen erleichtern.
Formal
ormalee und info
informale
rmale V
Veerw
rwaltun
altun
altunggskoope
skooperationen
rationen
bbb
bbb)) Formal
Wie jedes Zusammenwirken von Verwaltung und Privaten können sich auch Verwaltungskooperationen formal und informal entwickeln. Eine formale Verwaltungskooperation läge insoweit vor, wenn sie eine Verfestigung durch verbindliche Vereinbarungen
erfahren hat. Diesbezüglich könnte von einem Verwaltungskooperationsvertrag gesprochen werden. Unterhalb dieser Ebene bleiben Verwaltungskooperationen, die nach dem
Willen der Kooperationspartner keine Verbindlichkeit erlangen sollen. Für das Verhältnis
solcher informalen Verwaltungskooperationen zum Verwaltungskooperationsvertrag gilt
strukturell nichts anderes als für das Verhältnis zwischen informalem Verwaltungshandeln und öffentlich-rechtlichem Vertrag (dazu o. VI 11 b). Deshalb ist eine Formalisierung des Informalen für Verwaltungskooperationen ebenfalls zu vermeiden. Der Auf-
184
nahme besonderer Regelungen informaler Verwaltungskooperationen in das Verwaltungsverfahrensgesetz bedarf es nicht. Durch Klarstellung, dass die vorzusehenden Bestimmungen über Vorfeld-Kooperationen auch den Bereich vor Abschluss eines (nicht
öffentlich-rechtlichen) Verwaltungskooperationsvertrages erfassen, wird ein ausreichender Regelungsrahmen für informale Verwaltungskooperationen angeboten. Regelungsgegenstand eines Verwaltungskooperationsrechts ist deshalb allein die vertraglich verfestigte Verwaltungskooperation, der Verwaltungskooperationsvertrag.
cccccc))
sierrun
unggstief
tiefee ein
einees Verwaltun
Verwaltunggskoop
skooper
er
erationsr
ationsrechts
echts
Typisie
ationsr
Die Frage nach der Typisierungstiefe eines Verwaltungskooperationsrechts ist im wesentlichen bereits durch die Überlegungen zum Regelungsstandort (o. V) beantwortet. Es
ist nicht Aufgabe des Verwaltungsverfahrensrechts, die differenzierte Realität von Verwaltungskooperationen abzubilden. Die Typisierung besonderer Verwaltungskooperationsverhältnisse nach dem Vorbild der §§ 433 ff. BGB scheitert schon an kompetenziellen
Vorgaben. Ein Verwaltungskooperationsrecht muss vielmehr durch Komplexitätsreduktion die Grundstrukturen von Kooperationsverhältnissen offen legen und dadurch deren
sachbereichsadäquate Ausgestaltung erleichtern. Die in das Verwaltungsverfahrensgesetz
aufzunehmenden Vorschriften sollten solchermaßen offen gestaltet sein, dass sie in der
praktischen Umsetzung an keinen sachbereichsbezogenen Besonderheiten scheitern. Die
notwendige Anpassung an die bereichsspezifischen Gegebenheiten muss vielmehr in dem
jeweiligen Kooperationsverhältnis erfolgen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz kann insoweit Hilfestellung leisten, indem für die aus Ziel- und Interessendivergenzen drohenden
Konfliktfelder Merkposten bezeichnet werden, die in der konkreten Verwaltungskooperation abgearbeitet werden sollen. Die Aufgabenstellung eines im Verwaltungsverfahrensgesetz normativierten Verwaltungskooperationsrechts ist insoweit eine andere als die der
Wissenschaft, im Rahmen einer „Vertragsgestaltungslehre ... Vertragstypen“ zu erarbeiten698.
Von einer solchen Ausformung von Vertragstypen nach dem Vertragsgegenstand zu unterscheiden ist eine Typisierung nach der Stufung der Verantwortung der Verwaltung.
„Zur Hervorhebung dieser fortbestehenden Verantwortung der Verwaltung für die Einhaltung rechts- wie sozialstaatlicher Minimalanforderungen an eine privatisierte Aufgabenerfüllung“ ist vorgeschlagen worden, „der Aufgabenausgliederung und Aufgaben-
698
Bauer (Anm. 147) S. 264; in diesem Sinne auch Krebs (Anm. 35) S. 277 ff. Für eine legislative Ausformung von Vertragstypen dagegen wohl Schuppert (Anm. 51) S. 449.
185
transfer praktizierenden Verwaltung als spezifische Handlungsform den Typ des Regulierungsvertrags zur Seite zu stellen, um auf diese Weise sich selbst an die fortbestehende
Gewährleistungsverantwortung zu erinnern und die daraus sich ergebenden Regelungspflichten dem Privaten gegenüber zu legitimieren und leichter durchsetzbar werden zu
lassen.“699 Der Sache nach deckt sich dieser Vorschlag mit der o. VI 11 c bb aufgezeigten
Notwendigkeit, die Intensität der Steuerung der kooperativen Aufgabenerfüllung nach
dem aufgabenabhängigen Verantwortungsniveau zu messen.
Ob es allerdings sinnvoll ist, nach der Art des Aufgabentransfers und der Verwaltungsverantwortung unterschiedene Vertragstypen im Gesetz zu verankern, darf bezweifelt
werden. Setzt man den Anwendungsbereich eines Verwaltungskooperationsrechts mit
dem o. VI 3 herausgearbeiteten Überschneidungsbereich der Geltung von öffentlichem
und privatem Recht für Verwaltungsverträge gleich, so könnten Verträge bei funktionaler
und materieller Privatisierung, Verträge zur gemeinsamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben und Verträge zur Vorbereitung, Erleichterung und Ergänzung von Hoheitsakten unterschieden werden. Als weiterer Typisierungsansatz ließe sich eine Anknüpfung an die
Stufung in Gewährleistungsverantwortung mit den Ausprägungen Überwachungs- und
Regulierungsverantwortung einerseits und Auffangverantwortung andererseits denken.
Vertypungen wären dementsprechend ein „Überwachungsvertrag“, ein „Regulierungsvertrag“ und ein „Auffangvertrag“.
Doch würde eine Normativierung in dieser Weise abgeleiteter Vertragstypen dem prozesshaften Charakter von Verwaltungskooperationen im allgemeinen und Privatisierungsvorgängen im besonderen nicht gerecht werden. Wie o. VI 11 c bb festgestellt ermöglichen die dargestellten Verantwortungsstufen kein trennscharfes Abschichten staatlicher
und privater Verantwortung. Vielmehr sind es gerade die Übergangsbereiche, die unter
dem Blickwinkel der staatlichen Verantwortung der Entwicklung spezifischer Steuerungsinstrumente bedürfen. Darüber hinaus weisen komplexe Kooperationsvorgänge verantwortungsbezogene Ungleichzeitigkeiten auf, die ein nur in concreto entfaltbares Regime der Verantwortungsrealisierung erfordern. Eine Vertypung nach der Art der Kooperation oder der maßgeblichen Verantwortungsstufe würde den Zugang der Verwaltung
zur Bestimmung des im Einzelfall sicherzustellenden Verantwortungsniveaus verkürzen.
Die notwendige Gesamtbetrachtung kann hingegen durch die vorliegend vorgeschlagene
möglichst frühzeitige Verantwortungsbilanzierung gewährleistet werden, aus der die zur
699
Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater
Aufgabenerfüllung, in: Budäus/Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, 1997, S. 93 (124).
186
Wahrnehmung von Gewährleistungs- und ggf. Auffangverantwortung benötigten Instrumente in Relation zu durch das Gesetz angebotenen Mustern entwickelt werden können.
Dem Gedanken einer Mittlerfunktion der Vertragstypologie, der die Aufgabe zugedacht
wird, eine mittlere Konkretisierungsebene zwischen den allgemeinen Lehren des Verwaltungsvertragsrechts und den bereichsspezifischen Einsatzfeldern kooperativen Handelns einzuziehen und dadurch der Verwaltung eine normative Vorordnung von Vertragsinhalten zur Verfügung zu stellen,700 kann dadurch Rechnung getragen werden, dass
in der Regelung des Anwendungsbereichs des Verwaltungskooperationsrechts nach dem
Vorbild des § 11 BauGB auf exemplarische Anwendungsfelder hingewiesen wird. Unter
Rückgriff auf die o. IV 1 d, 2 gegebene Phänomenologie von Verwaltungskooperationen
lassen sich hierfür die Grundkategorien der funktionalen Privatisierung, der materiellen
Privatisierung sowie der partnerschaftlichen Aufgabendefinition und -erfüllung benennen.
Da es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelt, braucht definitorische
Vollständigkeit nicht angestrebt zu werden. Zusammenfassend ließe sich von der Übertragung der Verantwortung für die Erfüllung einer bisher öffentlichen Aufgabe auf einen
Privaten (≅ materielle Privatisierung), der ganz oder teilweisen Übertragung der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privaten (≅ formelle Privatisierung) und
der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Behörde und Privaten bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ohne Gründung einer Gesellschaft des Privatrechts sprechen.
ehlun
g:
Empf
Empfehlun
ehlung
Ø In das Verwaltungsverfahrensgesetz sollte ohne weitere Typendifferenzierung ein
Verwaltungskooperationsvertrag als ausfüllungsbedürftiger Rahmen aufgenommen
werden, der
•
dem öffentlichen Kooperationspartner die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Verantwortungsbilanzierung verdeutlicht,
•
die Kooperation strukturiert und
•
zur Sicherstellung des erforderlichen Verantwortungsniveaus und der Interessen
der Kooperationspartner geeignete Instrumente anbietet.
Ø Dem Anliegen der Einziehung einer mittleren Konkretisierungsebene kann dadurch
Rechnung getragen werden, dass auf exemplarische Anwendungsfelder des Verwaltungskooperationsvertrags, insbesondere
•
700
die Übertragung der Verantwortung für die Erfüllung einer bisher öffentlichen
Aufgabe auf einen Privaten,
Krebs (Anm. 35) S. 278 f.
187
•
die ganz oder teilweise Übertragung der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privaten sowie
•
die partnerschaftliche Zusammenarbeit von der Behörde und Privaten bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ohne Gründung einer Gesellschaft des Privatrechts
hingewiesen wird.
dd)
Strukturie
waltung
ratione
Strukturierun
run
rungg von Ver
Verw
altungskoope
skoope
skooperatione
rationenn
Hinsichtlich der Struktur von Verwaltungskooperationen ist zwischen der Phase vor Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages und der nach Erzielung einer solchen
vertraglichen Übereinkunft zu unterscheiden. Handelt es sich bei dem Verwaltungskooperationsvertrag um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, so ist die auf den Abschluss des
Vertrages gerichtete, nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden Verwaltungsverfahren
im Sinne von § 9 VwVfG. Die Vorschriften der §§ 9 ff. VwVfG sind daher anwendbar,
sofern nicht die §§ 54 ff. VwVfG explizite Sonderregelungen enthalten oder die verfahrensrechtlichen Regelungen auf den Erlass eines Verwaltungsakts ausgerichtet sind und
für vertragliche Abreden nicht passen.
Allerdings sind die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben in Erfüllungsverantwortung der Verwaltung zugeschnitten und werden den Spezifika der kooperativen Aufgabenerfüllung unter einer Gewährleistungs- und ggf. nur Auffangverantwortung der Behörde nicht gerecht. Es bedarf
daher einer Ergänzung der §§ 9 ff. VwVfG durch Regelungen, die die Struktur von Verwaltungskooperationen aufnehmen. Da auch insoweit Bezugspunkt das Kooperationssystem ist, kann auf die Analyse der Vorfeld-Kooperation (o. VI 11 b) rekurriert werden.
Danach ist für das zum Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages führende Kooperationsverfahren zwischen den Phasen der Kooperationsanbahnung, des Kooperationsscopings, des Kooperationsverfahrens und der Kooperationsformalisierung zu unterscheiden. Um diesbezügliche Wiederholungen zu vermeiden, können die für VorfeldKooperationen in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmenden Vorschriften ebenfalls für die Anbahnung von Verwaltungskooperationsverträgen in Bezug genommen
werden. Diese Vorschriften würden damit gelten für
•
die Vorfeld-Kooperation,
•
die Anbahnung nach Privatrecht zu beurteilender Verwaltungskooperationsverträge sowie
188
•
die Anbahnung öffentlich-rechtlicher Verwaltungskooperationsverträge (zusätzlich zu den §§ 9 ff. VwVfG)
und damit gleichsam einen allgemeinen Teil des Kooperationsrechts bilden.
Die Strukturierung der Phase nach Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages
sollte in erster Linie dem zwischen den Kooperationspartnern abgeschlossenen Verwaltungskooperationsvertrag zugewiesen werden. Im Vordergrund stehen hier Gestaltung
und Begrenzung der Kooperation (vgl. o. VI 11 c aa). Wegen der übergreifenden Geltung
des Verwaltungskooperationsrechts für öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Verträge
ist die Aufnahme von das Rechtsverhältnis zwischen den Kooperationspartnern unmittelbar und zwingend gestaltenden Vorschriften in das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht
sinnvoll. In Anbetracht des Akteursbezugs des Verwaltungsverfahrensrechts sollte Anknüpfungspunkt vielmehr das Handeln der Verwaltung sein. Ähnlich den haushaltsrechtlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorschriften über die Beteiligung eines Verwaltungsträgers an einem privatrechtlichen Unternehmen (vgl. nur § 65 BHO, § 109 GO
NW) ist der Behörde aufzugeben oder freizustellen, die Aufnahme bestimmter Klauseln
in den Verwaltungskooperationsvertrag sicherzustellen (dazu u. ee).
Verwaltungskooperationen sind in der Regel nicht auf einen punktuellen Kontrakt zwischen Verwaltung und Privaten beschränkt, sondern auf längere Dauer angelegte Verhandlungssysteme von beträchtlicher Komplexität. Beim Handeln in der Form eines Verwaltungsakts steht der Verwaltung ein Instrumentarium zur Komplexitätsreduktion in
Gestalt von Vorbescheid und Teilgenehmigung (vgl. nur §§ 8, 9 BImSchG), vorläufigem
Verwaltungsakt u.a. zur Verfügung. Das Planungsrecht greift beispielsweise auf die Abschnittsbildung zurück, um komplexe Problemsituationen zu entflechten.701 Eine entsprechend gestufte Konkretisierungsordnung sollte auch in einem Verwaltungskooperationsrecht als Angebot bereitgestellt werden. Denkbar ist insoweit vor allem eine Gliederung
des Prozesses der Verwaltungskooperation durch mehrere Teilverträge, die entweder einzelne Fragen vorab – beispielsweise durch Vergleich – klären („Vorvertrag“) oder einen
abgrenzbaren Teil des gesamten Kooperationsprojekts selbständig regeln („Teilvertrag“
oder „Abschnittsvertrag“). In beiden Fällen ergibt erst eine Gesamtschau aller zwischen
den Kooperationspartnern geschlossenen Vereinbarungen die vertragliche Regelung der
Verwaltungskooperation.
701
Zur Abschnittsbildung Bernhard Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 1998, Rn.
2130 ff.
189
Für die Bewertung eines solchen Konzepts ist zu beachten, dass die Verwaltung bei der
Eingehung einer Verwaltungskooperation – anders als beim Erlass eines Verwaltungsakts
in gestuften Verfahren – nicht „Herrin des Verfahrens“ ist. Sie hat es nicht allein in der
Hand, das Regelungskonzept zu komplettieren. Daher besteht die Gefahr, dass sich die
Teilverträge nicht zu einem vollständigen Verhandlungssystem ergänzen, sondern zusammenhanglose Fragmente bleiben. Begegnet werden kann dieser Gefahr durch eine
Stufung in Rahmenvertrag und Durchführungsvertrag. Durch den Rahmenvertrag können
insbesondere der Kooperationsgegenstand, die Interessen der Parteien, die zur Realisierung zu ergreifenden weiteren Schritte sowie das zu beachtende Verfahren festgelegt
werden. Bei längerfristig angelegten Kooperationen kann dieser Rahmenvertrag dann
durch fallabhängig abzuschließende Durchführungsverträge konkretisiert werden.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass auch der Abschluss eines Rahmenvertrages
nicht selten erst dann möglich sein wird, wenn die Kooperationspartner vorab wesentliche
Eckdaten geklärt haben. Insoweit sind verschiedene Kombinationen von Vor- und Teilverträgen, Rahmen- und Durchführungsverträgen denkbar. Daher sollten der Verwaltung
sämtliche Bausteine einer Komplexitätsreduktion optional zur Verfügung stehen. Sofern
derartige Bausteine wie die Teilverträge einen ggf. selbständig realisierbaren Inhalt haben, ist darauf zu achten, dass die Verwaltung hierbei keine Verpflichtungen eingeht, die
sich erst im Zuge weiterer Kooperationsschritte zu einem ausgewogenen System von Kooperationsleistungen verdichten sollen. Der Verwaltung ist deshalb aufzugeben, beim
Abschluss solcher Teilverträge die geplante Gesamtkooperation und die Möglichkeit ihres
Scheiterns im Blick zu behalten.
Zusammenfassend können folgende Em
Empfehlun
en gegeben werden:
fehlunggen
Ø Durch Verweis auf die in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmenden Vorschriften über die Vorfeld-Kooperation ist sicherzustellen, dass diese Vorschriften
auch für die Anbahnung von Verwaltungskooperationen gelten.
Ø Die Phase nach Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages ist vertraglich zu
gestalten, wobei der Verwaltung die Aufnahme bestimmter Klauseln in den Vertrag
aufzugeben oder freizustellen ist.
Ø Zur Strukturierung komplexer Kooperationen sind die Instrumente des Vorvertrages,
des Teilvertrages, des Rahmenvertrages und des Durchführungsvertrages zur Verfügung zu stellen. Soweit solche Verträge einen selbständig realisierbaren Inhalt haben,
dürfen sie nur nach einer Bewertung im Rahmen der geplanten Gesamtkooperation
geschlossen werden.
190
ee)
ee
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Veerw
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skooperation
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rch K
KlauselGestaltun
staltungg und Begrenz
altun
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Kllauselge
kat
kataaloge
Wie o. VI 11 c dd ausgeführt, ist die Ausfüllung der Gestaltungs- und der Begrenzungsfunktion des Verwaltungskooperationsrechts in erster Linie durch die Gestaltung des
Verwaltungskooperationsvertrages zu bewirken. Die Bedeutung einer entsprechenden
Vertragsgestaltung für den Erfolg von Verwaltungskooperationen ist wiederholt hervorgehoben worden:
„Ein effizienter Vertrag muß nun dafür sorgen, daß die jeweiligen Anreizsysteme
der Partner derart kombiniert werden, daß sie gleichzeitig wirken können. Das Prinzip, welches dahintersteht, basiert darauf, die Partner dazu zu bewegen, die Kosten
mit einzubeziehen, die sie den anderen durch ihr Verhalten auferlegen. In diesem
Fall haben beide Partner einen Anreiz, ihre privaten Informationen zu enthüllen,
und es werden beide Parteien in die Lage versetzt, eine effiziente Entscheidung über
den Fortgang des Projekts treffen zu können. ... Bei PPP-Leistungsbeziehungen
müssen die entsprechenden Anreizprobleme durch kreative ... Mechanismen gelöst
werden. Diese stützen sich nur teilweise auf bestehende gesetzliche Durchsetzungsmöglichkeiten oder auf Drittparteien (Mediations-Verfahren) zur Konfliktlösung. Bei einer Public Private Partnership sind Mechanismen zur Selbstdurchsetzung von Verträgen von entscheidender Bedeutung. Damit sind vertragliche Regelungselemente angesprochen, die dafür sorgen, daß der Vertrag auch ohne die Intervention von Gerichten oder einer Drittpartei durchsetzbar ist und damit die Leistungsbeziehung fortgesetzt wird, weil dies für beide Vertragsparteien mehr Vorteile
bringt als die Beendigung des Vertragsverhältnisses, d.h. der Partnerschaft. Beispiele für solche Vertragsmechanismen sind ... Gegengeschäfte, Kautionen oder die
Überlassung von „Geiseln“, die beispielsweise in ... Pfandsicherheiten ... bestehen
können.“702
Als Anforderungen an die Gestaltung des Verwaltungskooperationsvertrages können daher festgehalten werden:
•
Schaffung eines Ausgleichssystems für die den Kooperationspartnern entstehenden
Vor- und Nachteile;
•
Sicherung des Gemeininteresses in der Kooperation;
•
Sicherstellung der Wahrnehmbarkeit der staatlichen Gewährleistungs- bzw. Auffangverantwortung;
•
Entwicklung von Selbstdurchsetzungsmechanismen.
Nicht alle diese Anforderungen können in ihrer Erfüllung dem Belieben der Kooperationspartner anheimgegeben werden. Die vertragliche Gestaltung bedarf vielmehr der Statuierung gesetzlicher Vorgaben und Merkposten, die bei der Ausformung der konkreten
Verwaltungskooperation abgearbeitet werden. Insoweit kann von einer gesetzespräfor702
Sibylle Roggencamp, Public Private Partnership, 1999, S. 205 f.
191
mierten Vertragsgestaltung gesprochen werden. Umgesetzt werden können solche Vorordnungen in Form von Klauselkatalogen. Der Zweck einer solchen gesetzlichen Vorordnung von Vertragsklauseln besteht darin, den Vertragspartnern bestimmte Mindestinhalte
vorzugeben oder Merkposten für die Vertragsgestaltung aufzustellen, ohne die einzelfalladäquate Disposition mehr als nötig einzuschränken. Dementsprechend lassen sich (bereichsspezifisch) zwingende und fakultative Klauselvorgaben unterscheiden.703 Hinsichtlich der zwingenden Klauselvorgaben kann weiter danach differenziert werden, ob die
Klausel einen in dem Verwaltungskooperationsvertrag zu regelnden (Mindest-)Inhalt
zwingend vorgibt („Mindestinhaltsklausel“) oder nur vorschreibt, dass ein bestimmtes
Problem im Vertrag gelöst werden muss, das „Wie“ der Lösung aber den Kooperationspartnern überlässt („Berücksichtigungsklausel“).
Elemente eines Klauselkatalogs
Klauselart
Inhalt der Vorgabe
Mindestinhaltsklausel
„Ob“ und Mindeststandard des „Wie“
Berücksichtigungsklausel
„Ob“ („Wie“ zur Disposition der Partner)
Fakultative Klausel
bloßes Angebot
(„Ob“ und „Wie“ zur Disposition der Partner)
In der Form von Mindestinhaltsklauseln sind die für den Erfolg einer Verwaltungskooperation maßgebenden sowie die Wahrnehmung der spezifischen Verantwortung der Verwaltung ermöglichenden Essentialien vorzusehen. Berücksichtigungsklauseln betreffen
den weiteren Bereich der Umsetzung dieser Essentialien, während fakultative Klauseln im
Einzelfall sinnvolle Ergänzungen des vertraglich errichteten Kooperationssystems anbieten:
703
Vgl. Hartmut Bauer, Die negative und die positive Funktion des Verwaltungsvertragsrechts, in: Merten/Schmidt/Stettner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, FS für Franz Knöpfle zum 70. Geb.,
1996, S. 11 (26 f.).
192
M indest inhaltsinhaltsklauseln
aa
aaa)
stinh
use
seln
ln
a) Minde
Mindestinh
stinhaaltskla
ltsklau
Als Mindestinhaltsklauseln können identifiziert werden:
•
die Definition der Kooperationsziele;
•
die genaue Bestimmung von Inhalt, Umfang und Qualität der von den Kooperationspartnern zu erbringenden Leistungen (vgl. § 78 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII);
•
das Ergebnis der Verantwortungsbilanzierung (o. VI 11 c bb) und die Verpflichtung
der Vertragspartner auf die Sicherung dieses Verantworutngsniveaus;
•
im Falle der fortbestehenden Auffangverantwortung der Verwaltung mindestens ein
Recht zur Rückholung der Erfüllung der Aufgabe;
•
die Pflicht zur Einhaltung für die Aufgabenerfüllung maßgebender gesetzlicher Bestimmungen;
•
die allgemeine Pflicht der Kooperationspartner zu gegenseitiger Information, Rücksichtnahme auf die Interessen des Partners und kooperativen Erreichung der Kooperationsziele.
rücksichti
skla
bbb
bbb)) Berücksi
ücksicht
chtiiguunngskl
klaause
use
uselln
Schwieriger ist die Entwicklung im Verwaltungsverfahrensgesetz zu verankernder Berücksichtigungsklauseln. Sie sind im Vergleich zu den Mindestinhaltsklauseln konkreter
auf den Gegenstand des einzelnen Verwaltungskooperationsvertrages bezogen und deshalb schwieriger bereichsübergreifend abstrahierbar. Verwaltungsverfahrensrechtlich
können deshalb nur Problemfelder benannt werden, die der vertraglichen Aufbereitung
durch die Kooperationspartner bedürfen. Flankierend können lediglich Musterklauseln
angeboten werden, an denen die Kooperationspartner die Entwicklung ihrer Problemlö-
193
sungsstrategien ausrichten können. Als Problemfelder im genannten Sinne können angesehen werden:
•
die Definition einzelner Leistungs- und Betriebspflichten. Derartige Klauseln sollen
sicherstellen, dass nicht nur die primäre Leistung erbracht wird, sondern auch auf diese bezogene Sekundärleistungen, die für die Sicherstellung der Erreichung des Kooperationsziels notwendig sind. Beispiele sind die Vereinbarung von Wartungs-, Instandhaltungs-, Erweiterungs- und Modernisierungspflichten.
•
die Definition von Leistungs- und Qualitätsstandards. Sie setzt die qualitativen Vorgaben für die Leistungserbringung durch Anforderungen an sächliche und personelle
Ressourcen, Leistungserbringungsverfahren etc. um.
•
die Einrichtung eines Vertragscontrollings und -managements. Es soll dafür Sorge
tragen, dass durch eine perpetuierliche Informationsaufbereitung eine Kontrolle der
Erreichung der Kooperationsziele sowie ggf. Schritte zur Verbesserung des Kooperationssystems ermöglicht werden. Hierzu zählen die Vereinbarung von Berichts- und
Dokumentationspflichten, Verfahren zur Evaluation der Realisierung der Kooperationsziele, Qualitätssicherungsverfahren, Risikobewertungen sowie Verfahren zur Vertragsanpassung (s. sogleich).
•
Informations-, Kontroll- und Aufsichtsrechte der Verwaltung. Sie ermöglichen es der
Verwaltung, ihre Gewährleistungsverantwortung wahrzunehmen.
•
Entwicklung eines Fehlerfolgen- und Leistungsstörungsregimes. Die Kooperationspartner haben sich bei Vertragsschluss Rechenschaft darüber abzulegen, in welcher
Weise auf vorhandene Fehler oder eingetretene Leistungsstörungen reagiert werden
soll. In Betracht kommt vor allem die Vereinbarung von Anpassungsregeln und Kündigungsrechten, wie sie für den öffentlich-rechtlichen Vertrag in § 60 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz in der hier vorgeschlagenen Fassung enthalten sind. Darüber
hinaus sind Regelungen für die Folgen der Vertragsbeendigung vorzusehen. Hier ist
insbesondere Vorsorge dafür zu treffen, dass die Vertragsbeendigung die Erfüllung
der öffentlichen Aufgabe nicht hindert. Beispiel ist die Vereinbarung eines „Heimfallrechts“.704
•
Bestimmungen über die Vertragslaufzeit. Die Kooperationspartner haben sich darüber
zu verständigen, ob die vereinbarte Verwaltungskooperation befristet oder unbefristet
laufen soll. Für den Fall der Befristung können Neuverhandlungsregelungen aufgenommen werden.
•
Sicherung von Drittinteressen. Die Kooperationspartner haben Mechanismen zu entwickeln, nach denen eventuell berührte Drittinteressen bei Durchführung der Verwaltungskooperation Berücksichtigung finden. Beispiel ist die Vereinbarung von Preisgestaltungsregeln für gegenüber Dritten erbrachte Leistungen.
704
Dazu Bauer (Anm. 147) S. 270 f.
194
kulta
tive Kla
useln
cc
ccc)
c) Fa
Fakulta
kultative
Klau
Als fakultative Klauseln, die den Kooperationspartnern eine reine Angebotsordnung unterbreiten, können vorgesehen werden:
•
Durchsetzungsklauseln, soweit es sich nicht bereits um Mindestinhalts- oder Berücksichtigungsklauseln handelt. Zu denken ist insoweit an die Vereinbarung von Sicherheiten, Vertragsstrafen oder Unterwerfungen unter die sofortige Vollstreckung.
•
Übertragung hoheitlicher Befugnisse. Da hoheitliche Befugnisse auf gesetzlicher
Grundlage auch durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auf einen Privaten übertragen
werden können, ist die Prüfung der Möglichkeit und Notwendigkeit einer solchen Übertragung zur Erfüllung der Aufgaben durch den Privaten ein Merkposten für die
Kooperationspartner. Wird eine Befugnisübertragung vorgenommen, so muss sich die
Verwaltung Weisungsrechte vorbehalten.705
•
Einrichtung besonderer Vertragsgremien. Beispiele sind die o. IV 2 d geschilderten
Kooperationsgremien in den zwischen dem Land Berlin und der der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bzw. dem Verein zur Förderung von Selbsthilfekontaktstellen abgeschlossenen Aufgabenübertragungsverträgen. Derartige Kooperationsgremien sollen vor allem in komplexen oder längerfristig angelegten Verwaltungskooperationen Konflikte bei der Durchführung des Vertrages beilegen. Sie sind
ein Mittel zur kontinuierlichen Anpassung und Weiterentwicklung des Kooperationssystems und wirken hierdurch kooperationsstabilisierend. Die Besetzung des Kooperationsgremiums ist von der Art der zu erfüllenden Aufgabe abhängig. Grundform ist
die paritätische Beschickung durch die Kooperationspartner, ggf. unter Ergänzung
durch einen neutralen Dritten.706 Bei Verwaltungskooperationen mit einer über die
Kooperationspartner hinausgreifenden Anstrahlungswirkung wie beispielsweise im
Rahmen von Stadterneuerungsprojekten (s. o. IV 2 a) kann es sinnvoll sein, weitere
Interessierte oder Betroffene in die Arbeit des Kooperationsgremiums einzubinden
und so gleichzeitig eine Berücksichtigung von Drittinteressen sicherzustellen.
Hinsichtlich der Befugnisse der Kooperationsgremien ist zwischen solchen mit konfliktschlichtender Funktion und solchen mit Entscheidungsfunktion zu unterscheiden.
Kooperationsgremien mit konfliktschlichtender Funktion sprechen lediglich Empfehlungen aus, an die die Kooperationspartner nicht gebunden sind. Eine solche Bindung
tritt jedoch bei den Kooperationsgremien mit Entscheidungsfunktion ein. Der Vorteil
einer solchen nach § 317 BGB möglichen Verwillkürung liegt in der Zurverfügungstellung eines effizienten Instruments zur Vertragsanpassung und –auslegung.
Der Nachteil besteht im Verlust der Steuerung durch die Kooperationspartner, der o.
IV 3 als ein für beide Seiten einer Verwaltungskooperation zentrales Risiko benannt
worden ist. Deshalb dürfte eine Bindung an die Beschlüsse von Kooperationsgremien
in jedem Fall dann ausscheiden, wenn in ihnen andere Personen als die Vertreter der
Kooperationspartner mitwirken. Zumindest muss jedem Kooperationspartner ein Vetorecht zugestanden werden, mit der er die Fassung bindender Beschlüsse verhindern
kann. Gleiches wird für Kooperationsgremien zu gelten haben, in denen ein neutraler
705
Bauer (Anm. 163) S. 24.
706
Vgl. Bauer (Anm. 147) S. 269.
195
Dritter mitwirkt. Bindende Beschlüsse von Kooperationsgremien sollten daher nur im
Konsens der Kooperationspartner zustande kommen können.
•
Verteilung der Realisierungskosten. Schließlich sollte den Kooperationspartnern
durch ein Klauselangebot nahegelegt werden, die Verteilung der beim Einsatz vertraglich vorgesehener Instrumente wie Berichtspflichten, Informationsrechte, Überwachungsmaßnahmen etc. und der Durchsetzung der vertraglichen Rechte und Pflichten
entstehenden Kosten zu regeln.
Fol
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unterblieb
erblieb
erbliebeener Umset
setzung
Klauseeln
ddd
ddd)) Fol
zung vvon
on Klaus
Im Verwaltungsverfahrensgesetz zu regeln sind schließlich die Folgen, die sich aus der
Nichtaufnahme von im Gesetz benannten Klauseln in einen Verwaltungskooperationsvertrag ergeben. Folgenlos bleibt in jedem Fall das unterbliebene Aufgreifen fakultativer
Klauseln. Aber auch im übrigen dürfte die Nichtigkeit des Vertrages keine adäquate Reaktion auf die unterlassene Umsetzung einer Mindestinhalts- oder einer Berücksichtigungsklausel sein. Handelt es sich um eine Mindestinhaltsklausel, so sind die Kooperationspartner verpflichtet, den gesetzlich vorgesehenen Mindeststandard im Vertrag zu verwirklichen. Der Vertrag hätte ohne die Aufnahme der Klausel nicht abgeschlossen werden dürfen. Daher muss jedem Partner das Recht zustehen, auch nachträglich die Einfügung einer entsprechenden Klausel in den bereits abgeschlossenen Vertrag verlangen und
ggf. gerichtlich durchsetzen zu können.
Gleiches kann nicht für nicht umgesetzte Berücksichtigungsklauseln gelten, bei denen die
Lösung des gesetzlich definierten Problems in concreto gerade den Parteien überlassen
bleibt. Aus dem Vertrag muss lediglich erkennbar sein, dass die Parteien das Problem
bedacht haben. In welcher Weise eine vertragliche Regelung erfolgt und ob diese aus
Sicht eines dritten Beobachters zweckmäßig ist, spielt hingegen keine Rolle. An gesetzlichen Wertungen fehlt es insoweit. Ist aus dem Vertrag und den Umständen seines Abschlusses nicht einmal ein „beredtes Schweigen“ dergestalt erkennbar, dass die Partner
bewusst auf eine vertragliche Regelung beispielsweise der Vertragslaufzeit (weil sie eine
unbefristete Kooperation wollen) oder des Leistungsstörungsregimes (weil sie die einschlägigen gesetzlichen Regelungen für ausreichend halten) verzichtet haben, so muss
wegen des im Verwaltungsverfahrensgesetz explizierten Katalogs von Berücksichtigungsklauseln davon ausgegangen werden, dass die Kooperationspartner die Regelungsbedürftigkeit dieses Punktes übersehen haben. Zunächst muss daher den Vertragspartnern
Gelegenheit gegeben werden, in Nachverhandlungen entsprechende Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Scheitern die Nachverhandlungen, so kann die Regelungslücke im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ausgefüllt werden.
196
pf
ehl
Em
Empf
pfehl
ehluungen:
Ø Zur Umsetzung der Gestaltungs- und der Begrenzungsfunktion des Verwaltungskooperationsrechts sollten Klauselkataloge in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen werden, welche die Vertragsgestaltung vorordnen.
Ø Es kann zwischen Mindestinhaltsklauseln, die das „Ob“ der Verwirklichung und für
das „Wie“ einen Mindeststandard vorgeben, Berücksichtigungsklauseln, die das „Ob“
vorschreiben und das „Wie“ zur Disposition der Vertragspartner stellen, sowie fakultativen Klauseln, die „Ob“ und „Wie“ den Partnern überlassen, unterschieden werden.
Ø Als Mindestinhaltsklauseln werden empfohlen:
•
Definition der Kooperationsziele;
•
genaue Bestimmung von Inhalt, Umfang und Qualität der von den Kooperationspartnern zu erbringenden Leistungen;
•
Ergebnis der Verantwortungsbilanzierung und Verpflichtung der Kooperationspartner auf die Sicherung dieses Verantwortungsniveaus;
•
Recht zur Rückholung der Aufgabenerfüllung bei Auffangverantwortung der
Verwaltung;
•
Pflicht zur Einhaltung für die Aufgabenerfüllung maßgebender gesetzlicher Bestimmungen;
•
Pflicht der Kooperationspartner zu gegenseitiger Information, Rücksichtnahme
und kooperativer Verwirklichung der Kooperationsziele.
Ø Berücksichtigungsklauseln können lediglich Problemfelder benennen und Musterklauseln anbieten, anhand derer die Kooperationspartner ihre konkrete Problemlösungsstrategie entwickeln können. Von Bedeutung sind vor allem:
•
Definition einzelner Leistungs- und Betriebspflichten;
•
Definition von Leistungs- und Qualitätsstandards;
•
Einrichtung eines Vertragscontrollings und -managements;
•
Informations-, Kontroll- und Aufsichtsrechte der Verwaltung;
•
Entwicklung eines Fehlerfolgen- und Leistungsstörungsregimes;
•
Bestimmungen über die Vertragslaufzeit;
•
Sicherung von Drittinteressen.
Ø Gegenstände fakultativer Klauseln könnten sein:
•
Durchsetzungsklauseln;
•
Übertragung hoheitlicher Befugnisse;
•
Einrichtung besonderer Kooperationsgremien mit Vetorecht jedes Kooperationspartners gegen die Fassung bindender Beschlüsse;
197
•
Verteilung der Realisierungskosten.
Ø Das Unterlassen der Aufnahme fakultativer Klauseln in den Kooperationsvertrag
bleibt folgenlos. Wird einer Berücksichtigungsklausel nicht eine durch eine ausdrückliche oder durch Auslegung zu entnehmende Vereinbarung über das Problem Rechnung getragen, so trifft die Kooperationspartner die Pflicht zu Nachverhandlungen.
Scheitern diese, so ist die Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen. Die unterbliebene vertragliche Umsetzung einer Mindestinhaltsklausel begründet einen Anspruch jedes Kooperationspartners auf Einfügung einer
entsprechenden Klausel.
198
VII.
Vors
rrsscch
läge
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Än
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Veerw
rwalt
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Teil IV. Zus
Zusaamme
nwir
mmenwir
nwirkken be
beii ddeer Er
Erffüllun
llungg öff
öffeentlic
ntlichher A
Auufg
fgaaben
§ 53 a Z
nwirke
n
Zuusamme
sammenwirke
nwirken
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Behörde mit natürlichen Personen, juristischen
Personen des Privatrechts oder nichtrechtsfähigen Vereinigungen (Privaten) sowie anderen Behörden zusammenwirken.
Abs
mmennarbeit mit Pr
iva
Abscchnitt 1. Zusa
samme
mme
Priva
ivatten
§ 53b Be
Beggriff der Zusam
menarbeit mit Privaten
Zusamm
1
Die Behörde kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Privaten außerhalb eines Verwal-
tungsverfahrens im Sinne des § 9 rechtlich nicht verbindliche Vereinbarungen schließen
oder in anderer Weise zusammenarbeiten, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.
2
Eine Zusammenarbeit im Sinne des Satzes 1 liegt auch dann vor, wenn sie nicht
zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, eines Verwaltungskooperationsvertrages oder einer nicht rechtsverbindlichen Vereinbarung führen soll.
§ 53
altung der Zus
53cc Gest
Gestaltung
Zusaammenarbeit
(1) Bei der Gestaltung der Zusammenarbeit kann die Behörde die folgenden Empfehlungen einbeziehen.
(2) 1Soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, soll die Behörde den Zusammenarbeitspartner sorgfältig und mit Rücksicht auf die zu erfüllende Aufgabe
auswählen. 2 Die Behörde und der künftige Zusammenarbeitspartner erörtern möglichst frühzeitig die mit der Zusammenarbeit verfolgten eigenen Interessen.
199
(3)
1
Behörde und Zusammenarbeitspartner erörtern Gegenstand, Umfang und Verfahren
der Zusammenarbeit sowie die sonstigen für die Zusammenarbeit erheblichen Verfahren. 2 Dabei sind die durch die Zusammenarbeit möglicherweise berührten Interessen
Dritter zu berücksichtigen.
(4)
1
Die Zusammenarbeit erfolgt in gegenseitigem Vertrauen.
2
Dritte, deren Interessen
durch die Zusammenarbeit möglicherweise berührt werden, können in geeigneter
Weise in die Zusammenarbeit einbezogen werden.
(5)
1
Die Behörde prüft, ob nach Besprechung mit dem Zusammenarbeitspartner die Er-
gebnisse der Zusammenarbeit in Form des Erlasses eines Verwaltungsaktes, des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder des Abschlusses eines Verwaltungskooperationsvertrages zusammengefasst werden sollen.
2
Vor Erlass eines Ver-
waltungsaktes oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hat die Behörde
das Vorliegen der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen sowie die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes oder öffentlich-rechtlichen Vertrages nochmals zu überprüfen.
Abscchnitt 2. Öff
he
herr Ver
Verttrag
Abs
Öffeentlic
ntlich-re
h-re
h-recchtlic
tliche
§ 54 Zulä
ssi
gkeit de
dess ööfffe
fentlic
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ntlich-r
tlichhen V
Veertrag
Zulässi
ssig
h-r
h-reechtlic
ragees
Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag
begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen
§ 55
(1)
Zusaamme
mmenar
nar
narbbeit be
beii ddeer Sa
Sacchve
hverha
rha
rhaltse
ltse
ltserrmitt
mittlung
lung
Zus
1
Wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Behörde und einem Priva-
ten geschlossen, so arbeiten die Vertragsparteien bei der Sachverhaltsermittlung
zusammen. 2 Sie erörtern so früh wie möglich, welche Tatsachen von dem Vertragspartner der Behörde zu ermitteln und welche Methoden und Dokumentationsmöglichkeiten dabei zu verwenden sind sowie welche Nachweise und Unterlagen von ihm erbracht werden. 3 Die Behörde überprüft den von ihrem Vertragspartner ermittelten Sachverhalt und stellt, soweit dies nach § 24 erforderlich ist,
eigene Ermittlungen an.
200
(2)
Eine beim Abschluss eines Vertrages nach Abs. 1 Satz 1 bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit kann durch
gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden (Vergleich), wenn die Behörde den
Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem
Ermessen für zweckmäßig hält.
§ 56
(1)
eistung
st
ung pprriivvvate
at
rtra
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partn
ner ddeer Behö
Behörd
Gegenl
nlei
ei
eist
stung
ateer V
Veert
raggspart
ehörd
rdee
1
Schließt die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Privaten, in wel-
chem die Privaten sich zu Gegenleistungen verpflichten, so hat sie sämtliche Vertragspartner auf die mit dem Vertrag verbundenen Vor- und Nachteile und die
Maßstäbe für die Beurteilung der Angemessenheit der von den Privaten zu erbringenden Gegenleistungen hinzuweisen. 2 Die Angemessenheit der Gegenleistungen
der Privaten ist nach den gesamten Umständen zu beurteilen; zusätzlich ist der
sachliche Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde zu beachten. 3 Der Hinweis nach Satz 1 soll als Bestandteil in den Vertrag aufgenommen
werden.
(2)
1
Ein zwischen der Behörde und einem Privaten geschlossener öffentlich-
rechtlicher Vertrag, der inhaltlich an die Stelle eines an den Privaten im Einzelfall
gerichteten Verwaltungsaktes tritt oder bei dem der Erlass eines Hoheitsaktes Gegenstand oder Geschäftsgrundlage des Vertragsschlusses ist, kann geschlossen
werden, wenn die Gegenleistung des Privaten für einen bestimmten Zweck im
Vertrag vereinbart wird, der Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben dient, den gesamten Umständen nach angemessen ist und im sachlichen Zusammenhang mit
der vertraglichen Leistung der Behörde steht.
2
Hat die Behörde ihre Hinweis-
pflicht nach Abs. 1 gegenüber dem Vertragspartner erfüllt, so wird die Beachtung
der Anforderungen nach Abs. 2 Satz 1 vermutet.
3
Besteht auf die Leistung der
Behörde ein Anspruch, so kann nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden,
die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 36
sein könnte.
201
§ 57
dess öff
ntlicch-r
-reechtlic
he
Verrtrage
Form de
öffeentli
tliche
henn Ve
gess
1
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann schriftlich, mündlich oder in anderer
Weise geschlossen werden. 2 Die Behörde hat zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die
die Schriftlichkeit des Vertrages oder des Hinweises nach § 56 Abs. 1 Satz 1
zweckmäßig erscheinen lassen.
3
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich
zu schließen, wenn es sich um einen Vertrag
1. im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 1 handelt und der Verwaltungsakt oder
Hoheitsakt formbedürftig ist,
2. an dem Vertrag mehr als zwei Vertragsparteien beteiligt sind oder
3. der Vertrag in die Rechte eines Dritten eingreift.
4
Auf Verlangen der Behörde oder ihres Vertragspartners ist der Vertrag schrift-
lich abzuschließen oder ein mündlich geschlossener Vertrag schriftlich zu bestätigen; das Verlangen setzt auf Seiten des Vertragspartners der Behörde ein berechtigtes Interesse voraus. 5 § 126 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches findet keine Anwendung.
§ 58
(1)
g von Dritten und Behörd
Beteiligun
Beteiligung
hördeen
1
Vor Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sollen die Vertragsparteien
im Zusammenwirken die durch den zu schließenden Vertrag voraussichtlich betroffenen eigenen und Interessen Dritter ermitteln. 2 Dritte, deren Interessen möglicherweise durch den Vertrag berührt werden, können von der Behörde zu dem
auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Verfahren hinzugezogen werden,
soweit die übrigen Vertragsparteien zustimmen.
(2)
1
Werden durch den Vertrag oder eine zu seiner Erfüllung erlassene behördliche
Maßnahme Rechte eines Dritten verletzt, so kann der Dritte innerhalb eines Monats, nachdem ihm der ihn belastende Teil des Vertrages bekanntgegeben worden
ist, Widerspruch gegen die Wirksamkeit des Vertrages erheben. 2 Nach Ablauf der
in Satz 1 bezeichneten Frist ist die Geltendmachung der Rechtsverletzung ausgeschlossen.
3
Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde,
die den Vertrag geschlossen hat, zu erheben und führt zur Unwirksamkeit des belastenden Vertragsteils mit Wirkung für die Vergangenheit.
4
Für die Folgen der
202
Unwirksamkeit gilt § 59 Abs. 5. 5 Auf die Bekanntgabe ist § 41 mit der Maßgabe
entsprechend anzuwenden, dass eine öffentliche Bekanntgabe zulässig ist, soweit
alle Vertragsparteien zustimmen. 6 Für die Belehrung über das Widerspruchsrecht
gilt § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.
(3)
Wird anstatt eines Verwaltungsaktes, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen
Behörde erforderlich ist, ein Vertrag geschlossen, so wird dieser erst wirksam,
nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat.
§ 59
(1)
Nicchtig
tigkkeit de
dess öff
öffeentlic
ntlichh-rechtlic
tliche
he
Ni
henn Ve
Verrtrage
gess
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der
entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt.
(2)
1
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 1 ist ferner
nichtig, wenn
1.
der Verwaltungsakt oder Hoheitsakt nichtig wäre;
2.
der Verwaltungsakt oder Hoheitsakt rechtswidrig und deshalb aufhebbar
wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war.
(3)
1
Ein Vergleichsvertrag im Sinne von § 55 Abs. 2 ist nichtig, wenn
1.
bei verständiger Würdigung des
Sachverhalts oder der Rechtslage keine Ungewissheit bestand,
2.
der nachträglich ermittelte Sachverhalt oder die Rechtslage vom Inhalt des Vergleichs abweichen und
3.
bei einem abweichenden Sachverhalt eine Anpassung des Inhalts des Vergleichs nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist.
2
Abweichend von Abs. 5 wird bei einer Nichtigkeit oder Anpassung des Ver-
gleichs die Wirksamkeit anderer Teile des Vertrages vermutet. 3 Diese Vermutung
kann nur dann widerlegt werden, wenn eine Anpassung des Inhalts der anderen
Teile des Vertrages an die durch die Nichtigkeit oder Änderung des Vergleichs
eingetretenen Verhältnisse nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist.
4
§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches findet keine Anwendung.
203
(4)
1
Erteilt die Behörde keinen Hinweis nach § 56 Abs. 1 Satz 1, so ist ein Vertrag im
Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 nichtig, wenn,
1.
eine Anpassung des Vertragsinhalts an die nach § 56 Abs. 1 Satz 2 erforderliche Angemessenheit der Gegenleistungen der Privaten nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist und
2.
der Vertragspartei, der gegenüber
der Hinweis unterblieben ist, bei anderen öffentlich-rechtlichen Verträgen als
solchen im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 1 das Festhalten an der vertraglichen
Regelung nicht zuzumuten ist.
2
Die Anpassung des Vertragsinhalts kann nur innerhalb eines Monats nach Zu-
standekommen des Vertrages verlangt werden. 3 Ist die in Satz 2 bezeichnete Frist
abgelaufen, ohne dass eine der Vertragsparteien die Anpassung verlangt hat, so ist
der Vertrag insoweit wirksam. 4 Für die Belehrung über das Anpassungsverlangen
gilt § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.
(5)
Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrages, so ist er im ganzen nichtig,
wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen
worden wäre.
§ 60
(1)
Kündigu
ndigu
ndigung
ng in besond
besondere
ere
erenn Fällen
Anp
Anpaassun
ssungg und Kü
1
Haben sich die Vertragsparteien über die Verhältnisse, die für die Festsetzung
des Vertragsinhalts maßgeblich gewesen sind, geirrt, so dass der Vertrag nicht oder nicht in dieser Weise abgeschlossen worden wäre, oder haben sich diese Verhältnisse seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an
die tatsächlichen oder die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine
Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.
2
Ein Irrtum im Sinne von Satz 1 liegt auch dann vor, wenn die
Vertragsparteien irrtümlich davon ausgegangen sind, dass die Anforderungen an
die Gegenleistung der Privaten nach § 56 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 erfüllt
sind.
3
Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für
das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. 4 Das Verlangen auf Anpassung
204
des Vertragsinhalts muss unverzüglich erhoben werden, nachdem die Vertragspartei von dem Anpassungsgrund nach Satz 1 Kenntnis erlangt hat; entsprechendes gilt für die Erklärung der Kündigung.
(2)
1
Die Vertragsparteien können in dem Vertrag insbesondere vereinbaren,
1. dass eine oder beide Vertragsparteien nach Kenntnis von einem nicht unter §
59 fallenden Fehler eine zur Beseitigung des Fehlers führende Anpassung des
Vertrages verlangen oder den Vertrag kündigen können,
2. dass eine oder beide Vertragsparteien in anderen Fällen eine Anpassung des
Vertrages verlangen oder den Vertrag kündigen können,
3. in welcher Weise eine Anpassung des Vertrages inhaltlich erfolgen soll oder
4. dass in den Fällen des Abs. 1 eine Kündigung ohne Rücksicht auf die Möglichkeit oder Zumutbarkeit der Anpassung des Vertragsinhalts zulässig sein
soll.
2
Eine Vereinbarung nach Satz 1 muss enthalten:
1.
eine Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen die Anpassung verlangt werden oder die Kündigung erfolgen kann;
2.
eine Regelung, ob das Anpassungsverlangen oder die Kündigung unverzüglich
oder unter Einhaltung einer bestimmten Frist erfolgen muss;
3.
eine Regelung, ob im Falle der Kündigung des Vertrages eine Rückgewähr
bereits erbrachter Leistungen erfolgen soll und ob bei der Unmöglichkeit der
Rückgewähr eine Kündigung ausgeschlossen sein soll;
4.
eine Bestimmung, ob und wie bei Verträgen im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz
1, die auf Verlangen der Behörde angepasst oder von der Behörde gekündigt
werden, das Vertrauen des Privaten in einer § 48 Abs. 2 und Abs. 3 entsprechenden Weise geschützt werden kann.
(3)
1
Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine
andere Form vorgeschrieben ist. 2 Sie soll begründet werden.
§ 61
(1)
che
rtrragser
fül
füllun
S
Siiiche
cherrun
ungg de
derr V
Veert
erfül
fülllung
Die Vertragschließenden können zur Sicherung der Erbringung der in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Behörde und Privaten vereinbarten
Leistungen geeignete Vereinbarungen treffen, insbesondere
205
1.
die Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung erklären (Absätze 2
und 3),
2.
Sicherheit für die Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen leisten
(Absatz 4) oder
3.
(2)
1
eine Vertragsstrafe versprechen (Absatz 5).
Jeder Vertragschließende kann sich der sofortigen Vollstreckung aus einem öf-
fentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Behörde und Privaten unterwerfen.
2
Die Behörde muss hierbei von dem Behördenleiter, seinem allgemeinen Vertreter
oder einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der die Befähigung zum
Richteramt hat oder die Voraussetzungen des § 110 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes erfüllt, vertreten werden.
3
Die Unterwerfung der Behörde unter die so-
fortige Vollstreckung ist nur wirksam, wenn sie von der fachlich zuständigen Aufsichtsbehörde der vertragschließenden Behörde genehmigt worden ist.
4
Die Ge-
nehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Unterwerfung von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erklärt wird.
(3)
1
Auf öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist das Ver-
waltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes entsprechend anzuwenden, wenn Vertragschließender eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ist. 2 Will eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder eine nichtrechtsförmige Vereinigung die Vollstreckung wegen einer Geldforderung betreiben, so ist § 170 Abs.
1 bis 3 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden. 3 Richtet sich
die Vollstreckung wegen der Erzwingung einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gegen eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2, so ist § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden.
(4)
1
Wird zur Sicherung der Erbringung einer im Vertrag vereinbarten Leistung vor-
gesehen, dass die leistungspflichtige Partei Sicherheit zu leisten hat, so müssen
Art und Höhe der Sicherheit bezeichnet werden und die Sicherheit in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu sichernden Interesse stehen. 2 § 59 Abs. 4 und 5
ist entsprechend anzuwenden.
(5)
1
Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten für das von einem Vertragspartner für
den Fall, dass er seine vertraglich vereinbarte Leistung nicht oder nicht in gehöriger Weise erbringt, abgegebene Strafversprechen die §§ 339 bis 344 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend. 2 Die Vorschrift des § 343 des Bürgerlichen Ge-
206
setzbuches kann nicht abbedungen werden. 3 Das Versprechen muss die Fälle, in
denen die Strafe verwirkt sein soll, bestimmen.
§ 62
1
gänz
ende Anw
Er
Ergänz
gänzende
Anweendun
ndungg von Vorsch
Vorschriften
riften
Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vor-
schriften dieses Gesetzes.
2
Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz-
buches entsprechend.
rwaltun
gskooper
Abs
Abscchnitt 3. Ve
Verwaltun
rwaltung
skooperaationsvertr
tionsvertraag
§ 62
Begriff
griff ddees Ve
Verwaltun
rwaltun
rwaltunggskooper
kooperaationsv
tionsvert
ert
ertrrages
62aa Be
(1)
1
Die Behörde kann durch Vertrag ein Zusammenwirken mit Privaten bei der Er-
füllung einer öffentlichen Aufgabe vereinbaren (Verwaltungskooperation), insbesondere
1. die Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privaten übertragen, wobei die Behörde Maßnahmen zur tatsächlichen Erfüllung
der Aufgabe zu ergreifen hat,
2. ganz oder teilweise die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auf einen
Privaten übertragen, wobei der Behörde die Verantwortung für die Erfüllung
der Aufgabe verbleibt, und
3. ein partnerschaftliches Zusammenwirken mit Privaten bei der Erfüllung einer
öffentlichen Aufgabe ohne Gründung einer gemeinsamen juristischen Person
des Privatrechts vereinbaren
(Verwaltungskooperationsvertrag). 2 Für die zum Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages führende Zusammenarbeit gelten die §§ 53b und 53c. 3Für einen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts abgeschlossenen Verwaltungskooperationsvertrag gelten zusätzlich die §§ 54 bis 62.
207
(2)
1
Ein Verwaltungskooperationsvertrag liegt auch vor, wenn die Vertragspartner
1. einzelne Fragen des Zusammenwirkens durch Vertrag regeln und diese Regelung Bestandteil weiterer Verwaltungskooperationsverträge sein soll (Vorvertrag),
2. einen abgrenzbaren Teil des Zusammenwirkens einer selbständigen vertraglichen Regelung unterwerfen (Teilvertrag) oder
3. durch Vertrag den Rahmen des Zusammenwirkens durch Vertrag (Rahmenvertrag) gestalten, der der Ausfüllung durch weitere Verträge (Durchführungsverträge) bedarf.
2
Ein Vertrag im Sinne des Satzes 1 soll nur abgeschlossen werden, wenn die Be-
hörde zuvor die Auswirkungen auf die weiteren im Rahmen der Verwaltungskooperation zu vereinbarenden Verträge bewertet hat.
§ 62b Vera
ntwortun
rantwortun
ntwortunggsbilanz
1
Vor Abschluss eines Verwaltungskooperationsvertrages soll die Behörde eine
Verantwortungsbilanz erstellen, in der die in der Verwaltungskooperation bestehende Verantwortung der Behörde für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe im
Verhältnis zu dem privaten Kooperationspartner bewertet wird. 2 Diese Bewertung
soll sich auch darauf erstrecken, in welcher Weise der Verwaltungskooperationsvertrag auszugestalten ist, damit die Behörde ihre Verantwortung wahrnehmen
kann. 3 Die Ausgestaltung des Verwaltungskooperationsvertrages kann anhand der
in den §§ 62c bis 62e bezeichneten oder anderer Klauseln erfolgen, soweit nicht
die §§ 62c und 62d weitergehende Anforderungen stellen.
§ 62
Mindestinh
ltsklauseln
use
62cc Minde
stinh
stinhaaltskla
ltsklau
seln
ln
(1)
In einem Verwaltungskooperationsvertrag müssen zwingend geregelt werden
(Mindestinhaltsklauseln):
1. die Bestimmung der Ziele der Verwaltungskooperation;
2. das Ergebnis der Verantwortungsbilanz nach § 62b und die Verpflichtung der
Kooperationspartner, die Wahrnehmung der Verantwortung durch die Behörde
zu verwirklichen;
208
3. Inhalt, Umfang und Qualität von den Kooperationspartnern zu erbringenden
Leistungen;
4. die Pflicht der Kooperationspartner zur Einhaltung der bei der Erfüllung der
öffentlichen Aufgabe von der Behörde zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften;
5. die Pflichten der Kooperationspartner, einander sämtliche Informationen zu
gewähren, die für die Durchführung des Vertrages von Bedeutung sind, bei der
Erreichung der Ziele der Verwaltungskooperation vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und auf die Interessen des Kooperationspartners Rücksicht zu nehmen;
6. das Recht der Behörde in den Fällen des § 62a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe an sich zu ziehen oder einem anderen zu übertragen, wenn der Private die Aufgabe nicht erfüllt.
(2)
Fehlt in einem Verwaltungskooperationsvertrag eine der in Absatz 1 genannten
Mindestinhaltsklauseln, so kann jeder Kooperationspartner die Einfügung der
fehlenden Mindestinhaltsklausel in den Vertrag verlangen.
§ 62d Berücksi
rücksichti
cht
uselln
rücksicht
chtiigungskl
sklaause
(1)
In einem Verwaltungskooperationsvertrag müssen Regelungen zu folgenden
Punkten enthalten sein, wobei die Festlegung des Inhalts der Regelungen durch
die Kooperationspartner getroffen wird und die Kooperationspartner auch vereinbaren können, auf eine Regelung zu verzichten:
1. die Beschreibung einzelner Leistungs- und Betriebspflichten, deren Erfüllung
der Sicherstellung der in § 62c Abs. 1 Nr. 3 genannten Leistungen dient, beispielsweise der Pflichten des Privaten,
a) für die Leistungserbringung benötigte Anlagen sachgerecht in Stand zu
halten, zu warten und an den jeweiligen Stand der Technik anzupassen
oder
b) die für die Leistungserbringung benötigten personellen und sächlichen
Mittel vorzuhalten und bei einer notwendigen Ausweitung des Leistungsumfangs entsprechend zu steigern;
209
2. die Festlegung von Leistungs- und Qualitätsstandards, beispielsweise die
Pflichten des Privaten
a) die Leistung in einer im einzelnen beschriebenen Qualität zu erbringen,
b) zur Leistungserbringung benötigte sächliche Mittel mit bestimmten
Qualitätsmerkmalen vorzuhalten,
c) nur in einer beschriebenen Weise qualifiziertes Personal bei der Leistungserbringung einzusetzen oder
d) die Leistung in einem besonderen Verfahren zu erbringen;
3. die Vereinbarung von Pflichten zur Aufbereitung und zum Austausch von Informationen, die für die Erreichung der Ziele und einer Verbesserung der
Verwaltungskooperation von Bedeutung sind, beispielsweise die Pflichten des
Privaten
a) über die Erfüllung der in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Pflichten und die
dabei eingesetzten Verfahren Aufzeichnungen zu führen,
b) über den jeweiligen Stand der Leistungserbringung zu festgelegten
Zeitpunkten der Behörde zu berichten,
c) gemeinsam mit der Behörde fortlaufend oder zu festgelegten Zeitpunkten eine Bewertung der Leistungserbringung und der dabei eingesetzten Verfahren und drohenden Risiken im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Verwaltungskooperation durchzuführen oder
d) gemeinsam mit der Behörde Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungserbringung sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung zu entwickeln;
4. die Festlegung von Informations-, Kontroll- und Weisungsrechten der Behörde
gegenüber dem Privaten, insbesondere die Rechte der Behörde,
a) von dem Privaten alle Informationen zu verlangen, die sie zur Wahrnehmung ihrer nach § 62b ermittelten Verantwortung für die Erfüllung
der öffentlichen Aufgabe benötigt,
b) Räume, Grundstücke, Anlagen und Einrichtungen des Privaten zu betreten und zu besichtigen sowie andere Kontrollmaßnahmen durchzuführen, oder
c) dem Privaten und dem von ihm eingesetzten Personal Weisungen hinsichtlich der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe zu erteilen;
210
5. Vereinbarungen über die Anpassung oder Kündigung des Verwaltungskooperationsvertrages entsprechend § 60 Abs. 2 sowie über die Rechte und Pflichten
bei Vertragsbeendigung, beispielsweise
a) das Recht der Behörde, zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe notwendige sächliche und personelle Mittel des Privaten gegen Wertersatz
zu übernehmen, oder
b) die bisher von dem Privaten erbrachte Leistung selbst zu erbringen oder durch einen Dritten erbringen zu lassen;
6. die Bestimmung, ob der Verwaltungskooperationsvertrag auf eine bestimmte
Dauer oder unbefristet geschlossen sein soll;
7. eine Übereinkunft, wie die Interessen Dritter, die von der Durchführung des
Verwaltungskooperationsvertrages betroffen sein können, in der Verwaltungskooperation berücksichtigt werden sollen, beispielsweise das Recht der Behörde, für Leistungen, die von dem Privaten gegenüber Dritten erbracht werden, den Preis festzusetzen.
(2)
1
Ist in einem Verwaltungskooperationsvertrag eine Regelung nach Absatz 1 nicht
getroffen worden, so kann jeder Kooperationspartner die Herbeiführung einer
Vereinbarung über die Einfügung einer solchen Regelung verlangen. 2 Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so gilt als vereinbart, was die Kooperationspartner bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als
redliche Kooperationspartner vereinbart hätten, wenn sie das Fehlen der Regelung
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkannt hätten.
§ 62
Freeiwillig
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62ee Fr
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Über die in § 62c und 62d genannten Klauseln hinaus können die Kooperationspartner
unter anderem Vereinbarungen treffen zu
1. der Sicherung und Durchsetzung der vereinbarten Leistungen gemäß § 61;
2. der auf gesetzlicher Grundlage und unter Vorbehalt eines Weisungsrechts der
Behörde erfolgenden Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf den Privaten,
soweit sie zur Aufgabenerfüllung durch den Privaten erforderlich ist;
3. der Einrichtung eines besonderen Kooperationsgremiums zur ständigen Anpassung und Weiterentwicklung der Verwaltungskooperation sowie der Beilegung bei der Durchführung des Verwaltungskooperationsvertrages auftretender Streitigkeiten. Es kann vorgesehen werden, dass Beschlüsse des Koopera-
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tionsgremiums für die Kooperationspartner bindend sind. Die Kooperationspartner sollen in dem Kooperationsgremium paritätisch vertreten sein; eine
Mitwirkung Dritter kann vereinbart werden. Ein für die Kooperationspartner
bindender Beschluss des Kooperationsgremiums kommt nur zustande, wenn
die in das Kooperationsgremium entsandten Vertreter der Kooperationspartner
dem Beschluss nicht widersprechen;
4. der Verteilung der bei der Durchführung des Vertrages und der Durchsetzung
der in ihm vereinbarten Rechte und Pflichten entstehenden Kosten.
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