urteil

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Abschrift
VERWALTUNGSGERICHT
GREIFSWALD
Aktenzeichen:
2 A 96/14
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Verwaltungsstreitverfahren
​.......​.................
....................​.....​. . . ​...........​............
- Kläger
gegen
..........................​..... Stadt P..............
​..............................​..... .​...........​...............
Proz.-Bev.:
......................​...........​................​...............
​.....................​..... ​...........​.................
- Beklagte
wegen
Anschluss- und Benutzungszwang für kommunale Einrichtungen
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hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Greifswald aufgrund der mündlichen Ver­
handlung vom
3. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hünecke als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2014 verpflichtet, den Kläger vom
Anschlusszwang für die Fernwärme zu befreien.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Voll­
streckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 100 v. H. der zu
vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Si­
cherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger hat 2011 das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück ..................
​...........​.....​. ....​.....​. ..​................​............... erworben. Das Gebäude ist an die Fernwärmelei­
tung der Stadtwerke angeschlossen. Der Kläger strebt eine dezentrale Heizungsanlage
an.
Unter dem 10. Oktober 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung vom
Anschlusszwang für die Fernwärme. Es sei beabsichtigt, die Versorgung auf solare Ener­
gie unter Ergänzung durch Gasbrennwerttechnologie oder Öleffizienzheizung umstellen.
Mit Datum vom 20. Dezember 2013 beantragte der Kläger als Ergänzung seines Antrages
für den Fall, dass in der 1. Variante die Befreiung im Hinblick auf die Gasbrennwerttech­
nologie abgelehnt werde, als 2. Variante die Befreiung unter dem Aspekt einer Pellethei­
zung.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von dem
Anschlusszwang für die Fernwärme ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klä­
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gers vom 18. Juni 2014, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. September
2014 zurückwies.
Der Kläger hatte bereits am 07. Februar 2014 (Untätigkeits-) Klage erhoben. Zur Begrün­
dung trägt er vor, eine Genehmigung gelte nach Ablauf einer für die Entscheidung festge­
legten Frist als erteilt, wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet sei. Das sei hier der
Fall.
Die Fernwärmesatzung der Beklagten bestimme nicht, dass regenerative Energien aus­
schließlich eingesetzt werden müssten. Schon aus dem verwandten Begriff „Solartechnik"
ergebe sich eine maximal 30%ige Möglichkeit.
Er beabsichtige im Falle einer Befreiung, vollständig auf die Fernwärme zu verzichten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 2014 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. September 2014 zu verpflichten, auf den Antrag
vom 10. Oktober 2013, ergänzt am 20. Dezember 2013 die Befreiung vom An­
schlusszwang für die Fernwärme zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, eine Genehmigungsfiktion könne nicht eintreten. Die Landesbauordnung sei
nicht anwendbar. Die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Anschlusszwang seien
nicht gegeben.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04. April 2014 zur Entscheidung auf
den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte dieses Verfah­
rens und den Verwaltungsvorgang der Beklagten (ein Hefter) sowie das Integrierte Klima­
schutzkonzept ... für die Stadt P............. (Abschlussbericht und Anhang) Bezug genom­
men.
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Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rech­
ten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]. Der Kläger hat einen An­
spruch gegen die Beklagte auf Befreiung vom Anschlusszwang für die Fernwärme.
Der Anspruch ergibt sich zwar, anders als dies der Kläger vertritt, nicht schon aus einer
gesetzlichen Fiktion (1.), jedoch aus der Satzung der Stadt P............. über den Anschluss
der Grundstücke in den Wohn- und Baugebieten ..................​...............​......​........................
​.......​........................ an das Fernwärmeversorgungsnetz der Stadtwerke P............. mbH
vom 17.07.1992 [künftig: Satzung] (2.).
1.
Nach § 42a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrens-, Zustellungs- und Vollstreckungsgesetz
des Landes Mecklenburg-Vorpommern [VwVfG M-V] gilt eine beantragte Genehmigung
nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfikti­
on), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt
ist.
Eine derartige Genehmigungsfiktion ist für den Antrag auf Befreiung vom Anschlusszwang
für die Fernwärme in der Stadt P............. nicht durch Rechtsvorschrift angeordnet. Weder
die Satzung noch § 15 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern
[KV M-V], wonach die Gemeinde für die Grundstücke ihres Gebiets durch Satzung den
Anschluss an die Einrichtungen zur Versorgung mit Fernwärme (Anschlusszwang) und
die Benutzung dieser Einrichtungen (Benutzungszwang) vorschreiben kann, wenn ein
dringendes öffentliches Bedürfnis dafür besteht, sehen eine solche Fiktion vor. Es kommt
deshalb nicht darauf an, wann die Anträge des Klägers auf Befreiung vom Anschluss­
zwang bei der Beklagten eingegangen sind.
Nicht einschlägig ist § 63 Abs. 2 der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern
[LBauO M-V], der sich nur auf Bauanträge, also auf Anträge auf Erteilung einer Bauge­
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nehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde bezieht.
2.
Nach § 5 Abs. 1 der Satzung wird für die am Tage des Inkrafttreten dieser Satzung in
Bauwerken vorhandenen Heizungsanlagen mit der Folge Befreiung vom Anschluss- und
Benutzungszwang erteilt, dass die Anlagen unter dem Gesichtspunkt des Bestandschut­
zes weiterbetrieben werden können. Diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig.
Im Übrigen muss Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang im Einzelfall auf An­
trag erteilt werden, wenn die Versorgung des Grundstücks mit Wärme durch regenerative
Energiequellen (Solartechnik, elektrisch betriebene Wärmepumpen) erfolgen soll (§ 5
Abs. 3 Satz 1 der Satzung).
Die Versorgung des Grundstücks des Klägers mit Wärme soll nach den Antrag vom 10.
Oktober 2013 und der Ergänzung vom 20. Dezember 2013 durch regenerative Energie­
quellen im Sinne dieser Vorschrift erfolgen.
Anders als dies die Beklagte vertritt, ist der Wortlaut von § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung
nicht in dem Sinne eindeutig, dass ausschließlich eine Kombination von Solartechnik und
elektrisch betriebener Wärmepumpe eine „regenerative Energiequelle“ darstellt.
Zwar könnte der Klammerzusatz „(Solartechnik, elektrisch betriebene Wärmepumpen)“
dies bedeuten. Er könnte aber ebenfalls bedeuten, dass damit bloß Beispiele benannt
sind, wie dies der Ansicht des Klägers entspricht. Für die erste Auslegung spricht, dass
ein ausdrücklicher Zusatz wie „z. B.“ fehlt. Für die zweite Auslegung spricht, dass sich der
Zusatz in der Klammer befindet und nicht ausdrücklich der Ausschluss anderer regenera­
tiver Energiequellen bestimmt wird.
Die von der Beklagten vorgelegte Beschlussvorlage zu der Satzung vom 17. Juli 1992
enthält keine Angaben dazu, von welchem Verständnis der historische Satzungsgeber in
Bezug auf § 5 Abs. 3 der Satzung ausgegangen ist. Auch fehlt es an einer allgemeinen
Bestimmung des Begriffes der regenerativen Energiequellen in einer anderen Vorschrift
der Satzung.
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Deshalb kann sich die Auslegung nur an dem Sinn und Zweck der Regelung orientieren.
Dieser ergibt sich aus der in der Beschlussvorlage genannten Zielstellung der Satzung,
die darin zu sehen sei, Luftverunreinigungen i. S. d. BISchG zielstrebig zu verringern.
Das macht zunächst deutlich, dass nicht entscheidend auf die Verringerung von Kosten
der Anschlussnehmer abzustellen ist. Soweit der Kläger dargelegt, in welchem Umfang er
die Heizkosten durch den Einbau der von ihm (alternativ) geplanten Anlagen verringern
könnte, kann es deshalb darauf nicht ankommen. Das Gleiche gilt insofern für den Vortrag
der Beklagten, wonach der Kläger eine ähnliche Kostenreduzierung auch durch Maßnah­
men der Wärmedämmung erreichen könnte.
Bestimmend ist danach vielmehr, dass „regenerative Energiequellen“ nur solche sein
können, durch die Luftverunreinigungen zielstrebig verringert werden.
Vor diesem Hintergrund mag ein Ergebnis vertretbar sein, wonach eine Holzpellets­
Heizung ebenso wie eine Gasbrennheizung für sich genommen - also alleine eingesetzt keine Anlagen darstellt, bei der die Wärme durch „regenerative Energiequellen“ im Sinne
der Satzung erzeugt werden soll. Für eine solche Anlage hat der Kläger jedoch den An­
trag nicht gestellt. Die Wärmeversorgung soll vielmehr nach seinen Anträgen jedenfalls
auch aus solarer Energie erfolgen. Dies ergibt sich aus seien Anträgen und aus den Ge­
genüberstellungen in seinem Schriftsatz vom 01. Oktober 2014 („Gasbrennwerttechnolo­
gie mit Solothermie“, „Ölbrennwerttechnologie mit Solothermie“ bzw. Pelletheizung mit
Solothermie“).
Dass neben die Nutzung der Solartechnik eine weitere Energiequelle treten muss, ergibt
sich aus der Natur der Sache. Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 der Satzung kann also nicht
so verstanden werden, dass die Wärmegewinnung ausschließlich durch Solartechnik er­
folgen soll. Die Ablehnung wäre deshalb nur dann rechtmäßig, wenn bei der notwendigen
Mischnutzung verschiedener Energieträger der Einsatz der Solartechnik im Einzelfall von
einer derart untergeordneten Bedeutung wäre, dass bei wertender Betrachtung nicht mehr
von einer „Versorgung des Grundstücks mit Wärme durch regenerative Energiequellen
(Solartechnik)“ gesprochen werden könnte. Das ist hier bei dem angestrebten Grad der
Wärmeversorgung durch Solartechnik zu 30 % nicht der Fall und jedenfalls bei der Vari­
ante 2, also der notwendigen Ergänzung der Solarenergie um eine Holzpelletheizung
auch nicht mehr vertretbar. Zudem könnte die Beklagte den Kläger auch dazu anhalten,
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bestimmte Maßgaben einzuhalten, die dies garantieren. Sie können nach § 5 Abs. 4 der
Satzung zum Gegenstand von Nebenbestimmungen gemacht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §
708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung [ZPO].
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwal­
tungsgericht zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen
Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Greifswald, Domstraße
7, 17489 Greifswald, schriftlich zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht
bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Mecklen­
burg-Vorpommern, Domstraße 7,17489 Greifswald, einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwal­
tungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend
gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmäch­
tigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor
dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Die Beteiligten müssen sich durch Bevoll­
mächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Sätze 3 bis 7 VwGO vertreten lassen. Ein Beteiligter,
der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst ver­
treten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen
zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich
durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit
Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen
Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten
Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Hünecke
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