Natürliche Variation bei höheren Pflanzen – Gene, Mechanismen

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Koornneef, Maarten | Natürliche Variation bei höheren Pflanzen - Gene, ...
Tätigkeitsbericht 2005
Pflanzenforschung
Natürliche Variation bei höheren Pflanzen – Gene, Mechanismen,
Evolution, Pflanzenzüchtung
Koornneef, Maarten
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln
Abteilung - Pflanzenzüchtung und Genetik
Korrespondierender Autor: Koornneef, Maarten
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Unser langfristiges Ziel ist es, die genetischen Unterschiede, die sich auf wichtige Merkmale wie Samenruhe und Pflanzenwachstum auswirken, bei Wildformen von Arabidopsis zu bestimmen. Genauere
Informationen über die genetischen Unterschiede werden dazu beitragen, die Ursachen für die Anpassung bestimmter Varianten an spezifische Umweltbedingungen herauszufinden und die Kenntnisse der
genetischen Grundlagen dieser Merkmale in der Pflanzenzüchtung zu nutzen.
Abstract
Our long-term goal is the understanding of the genetic differences between Arabidopsis accessions
affecting important adaptive traits such as seed dormancy and plant growth. We expect that understanding this genetic variation will help explaining why specific variants are adapted to specific environments and that knowledge of the genetic basis of these traits will help breeding crop plants.
Arabidopsis als Modellpflanze
Deutsche Wissenschaftler wie Laibach, Napp-Zinn und Röbbelen leisteten schon in den fünfziger Jahren Pionierarbeit, als sie Arabidopsis als Modellpflanze bei der Erforschung der Vererbung physiologischer Merkmale einsetzten. In den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde Arabidopsis
dann die Modellpflanze in der internationalen Pflanzenforschung. Zu dieser Zeit war die Molekularbiologie bereits so weit fortgeschritten, dass komplexe Organismen wie z. B. höhere Pflanzen näher
erforscht werden konnten. Der Grund für die Verwendung der Ackerschmalwand als Modellpflanze
[1] lag in der Effizienz ihrer Genetik, zu der die kurze Generationszeit und die Befähigung zur Selbstbefruchtung ebenso beitrugen wie die Tatsache, dass Arabidopsis eines der kleinsten bisher bekannten
Genome höherer Pflanzen besitzt. Im Gegensatz zu anderen genetischen Modellpflanzen wie Erbse
und Gerste enthält Arabidopsis vorwiegend kodierende und nur wenige repetitive, nicht kodierende
DNA-Sequenzen. Das kompakte Genom erleichterte das Klonieren von Genen mithilfe von Mutanten.
Die Verwendung von Arabidopsis als Modellpflanze in der Molekulargenetik hatte zunehmenden Erfolg, als sich zeigte, dass Arabidopsis leicht transformiert werden konnte und dadurch die Erzeugung
von so genannten knock-out-Mutanten in fast jedem Gen ermöglicht wurde. Mutanten spielen sowohl
bei der forward-Genetik (mit einem Mutanten-Phänotyp beginnend, worauf die Identifizierung der
genomischen DNA-Sequenz erfolgt) als auch bei der reversen Genetik (beginnend mit der Mutation in
einer bekannten DNA-Sequenz eines Gens, wobei der Phänotyp die Wirkung dieses Gens zeigt) eine
wesentliche Rolle.
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Natürlich vorkommende Variation für adaptive Merkmale
Neben den künstlichen Mutanten ist die natürliche phänotypische Variation eine reiche Quelle an
genetischen Varianten. Arabidopsis wächst in vielen Teilen der Welt – von Nordskandinavien bis in
einigen Gebieten Zentralafrikas sowie vom Meeresspiegel beginnend bis auf 3.500 Meter Höhe in den
Bergen von Zentralasien (Abb. 1).
Abb. 1: a.) Die Verbreitung von Arabidopsis in der Welt – durch rote Punkte werden die öffentlich zugänglichen
Wildformen angezeigt.
b.) Dr. O. Loudet sammelte Arabidopsis an der mit einem Pfeil gekennzeichneten Stelle in den Bergen von Kirgisien.
c.) E.S.J. Koornneef am Strand von Ameland in den Niederlanden.
Urheber: M. Koornneef, Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
Laibach erkannte und beschrieb bereits 1943, dass Arabidopsis-Pflanzen, die in freier Natur gesammelt wurden, sich erheblich voneinander unterschieden. Man geht davon aus, dass die in der Natur
vorkommenden genetischen Varianten einer natürlichen Selektion zur Anpassung an die lokale Umwelt ausgesetzt sind. Durch diese Annahme werden Kenntnisse der molekularen Grundlagen dieser
Variation zu einem interessanten Forschungsthema. Bei der Analyse der natürlichen Variation tritt
jedoch die Schwierigkeit auf, dass diese in erster Linie so genannte quantitative Merkmale betrifft,
d. h. dass die Unterschiede zwischen zwei Wildformen (die in verschiedenen Umwelten gefunden wurden) durch mehr als ein Gen bestimmt werden. Darüber hinaus werden viele dieser Merkmale durch
sich verändernde Umweltfaktoren beeinflusst, wodurch die Isolierung der entsprechenden Gene noch
erschwert wird.
Durch eine ganze Reihe technischer Entwicklungen ist man jedoch inzwischen in der Lage, genau zu
bestimmen, an welcher Stelle der Chromosomen Gene, die das jeweilige quantitative Merkmal beeinflussen, lokalisiert sind. Dadurch war das Klonieren dieser Gene möglich. Von Bedeutung ist dabei das
Vorhandensein von so genannten immortalen Kartierungspopulationen, bei denen der Phänotyp genau
bestimmt werden kann, da jeder Genotyp in Replikaten und mehreren Umgebungen getestet werden
kann. Am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung wurden verschiedene rekombinante Inzuchtlinien-Populationen entwickelt, welche einen Typ der immortalen Kartierungspopulation darstellen.
Diese haben ebenfalls unterschiedliche Arabidopsis-Wildformen als Eltern.
Die Art der Veränderung, die bei der in der freien Natur vorkommenden Arabidopsis-Pflanze beobachtet werden kann, und die Methoden, diese zu analysieren, sind zwar bei Nutzpflanzen ähnlich;
technische Vorteile und verfügbare Ressourcen erleichtern jedoch die molekulare Analyse von Arabidopsis im Vergleich zur Analyse von Nutzpflanzen. Daher kann Arabidopsis als Modell für die
Weiterentwicklung der Techniken zur Analyse der natürlichen Variation eingesetzt werden und dient
nach wie vor zur Gewinnung von Kenntnissen über Gene, die auch bei Nutzpflanzen von Bedeutung
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sind. Es sollte jedoch immer bedacht werden, dass zwischen Pflanzenarten Unterschiede existieren und
dass Arabidopsis nicht an die Landwirtschaft angepasst ist. Daher wird der Einsatz von Arabidopsis
als Modellpflanze nicht immer funktionieren, wenn es um Gene geht, die die so genannten adaptiven
Merkmale bestimmen.
Die Genetik komplexer Eigenschaften
Die Gene, auf die sich die Forscher der Abteilung Pflanzenzüchtung und Genetik konzentrieren,
beeinflussen Merkmale, die in freier Natur wahrnehmbare Änderungen aufzeigen und von denen
angenommen wird, dass sie die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen an ihre Umwelt bestimmen. Blütezeit, Samenruhe und Anpassung an Stress sind Beispiele solcher Merkmale. Die Samenruhe ist eine
Eigenschaft, die verhindert, dass Samen unter (vorübergehend) günstigen Umweltbedingungen, aber
zur falschen Zeit im Jahr keimen. Für dieses Merkmal stellten die Forscher des Max-Planck-Instituts
für Züchtungsforschung umfassende genetische Veränderungen fest und konnten 10 dieser Gene im
Genom von Arabidopsis lokalisieren. Ein für die Samenruhe verantwortliches Gen wurde bereits
kloniert und scheint einen Transkriptionsfaktor zu kodieren, der die Gene beeinflusst, die das Keimen
verhindern. Keimfähigkeit wird hervorgerufen, wenn Samen lange Zeit lagern (die Samen müssen
warten) oder niedrigen Temperaturen ausgesetzt sind (die in der freien Natur im Sommer nicht vorkommen). Wie diese Umweltfaktoren jedoch die Samenruhe brechen, ist noch nicht bekannt. Das ist
eine interessante Frage, der die Forscher durch Analyse von Änderungen der Genexpression, die durch
diese Umweltfaktoren hervorgerufen wurden, und durch die Isolierung von Mutanten, die nicht auf
diese Umweltfaktoren reagieren, auf den Grund gehen wollen. Anschließend sollen die verantwortlichen Gene kloniert werden. Eine Möglichkeit für den Mechanismus zur Kontrolle der Samenruhe
könnte sich aus der Zugänglichkeit des Genoms für die Transkriptionsfaktoren ergeben, die auch durch
die Struktur des Chromatins bestimmt wird. Ein wichtiger Teil der Forschung zur Samenruhe ist daher
die Untersuchung von Änderungen in der Chromatinstruktur.
Ein weiteres Merkmal, das im Moment untersucht wird, ist das Pflanzenwachstum unter verschiedenen
Umweltbedingungen. Wachstum hängt von der Integration vieler Prozesse ab, die durch die Umwelt
beeinflusst werden. Ob alle diese Prozesse zur natürlichen Variation beitragen, ist nicht bekannt. Die
am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung untersuchten Umweltfaktoren sind die Temperatur
und die Versorgung mit Mineralien. Experimente hierzu werden unter kontrollierten Bedingungen
durchgeführt, z.B. in Hydrokulturen (Abb. 2). Ein Ziel der Forscher ist es, diese Experimente auch
unter natürlichen Bedingungen im Außenbereich testen zu können.
Abb. 2: Arabidopsis-Pflanzen, die in Hydrokultur wachsen. Dies erlaubt eine detaillierte Analyse der unterschiedlichen Organe (Blätter, Wurzeln) unter kontrollierten Bedingungen.
Urheber: Mohamed El-Lithy, Universität Wageningen
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Die Bedeutung der natürlichen Variation
Ein wichtiger und neuer Weg, natürliche Variation zu betrachten, ist auf der Ebene der Erbinformation
(DNA) zu beginnen und nach Sequenzen zu suchen, die in allen Wildformen oder in Untergruppen von
Wildformen enthalten sind. Ein solches Ergebnis kann einen Hinweis darauf geben, ob eine Auswahl
von bestimmten Bereichen des Genoms stattgefunden hat. Aus diesem Grund analysieren Forscher die
Merkmale bei einer großen Anzahl von Wildformen, für die es Informationen über Veränderungen auf
DNA-Ebene gibt. Nachfolgend soll versucht werden, Veränderungen auf DNA-Ebene mit Veränderungen auf der Merkmal-Ebene in Verbindung zu bringen. Die daraus gewonnenen Informationen können
voraussichtlich für die Identifikation von Genen eingesetzt werden, die Merkmale in anderen als den
untersuchten Populationen beeinflussen.
Die detaillierte Erforschung der Molekular- und Populationsgenetik dieser Merkmale wird dazu beitragen, die natürliche genetische Variation besser zu verstehen und ist von Nutzen, wenn es darum geht,
die Anpassung von Kulturpflanzen an bestimmte Umweltbedingungen zu begreifen.
Literaturhinweise
[ 1] Somerville C, Koornneef M (2002)
A fortunate choice: the history of Arabidopsis as a model plant.
Nature Reviews Genetics 3: 883-889.
[ 2] Koornneef M, Bentsink L, Hilhorst H (2002)
Seed dormancy and germination.
Current Opinion in Plant Biology 5: 33-36.
[ 3] Koornneef M, Alonso-Blanco C, Vreugdenhil D (2004)
Naturally occurring genetic variation in Arabidopsis thaliana.
Annual Review Plant Biology 55: 141-172.
[ 4] Laibach F (1943)
Arabidopsis thaliana (L.) Heynh. Als Objekt für genetische und entwicklungsphysiologische
Untersuchungen.
Botanisches Archiv: 44: 439-455.
[ 5] El-Assal SE, Alonso-Blanco C, Peeters AJ, Raz V, Koornneef M (2001)
The cloning of a flowering time QTL reveals a novel allele of CRY2.
Nature Genetics 29: 435-440.
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