Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf Anbau, Produktion und Markt – Strategien der Anpassung 36. Woche der bayerischen Erzeugergemeinschaften 2006 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 Übersicht Klimawandel-Phänomene Auswirkungen des Klimawandels auf die Wachstumsbedingungen Auswirkung auf die landwirtschaftliche Produktion Auswirkungen auf Märkte Anpassungsstrategien Ausblick Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 2 Klimawandel – Anzeichen und Folgen Deutliche Temperaturzunahme in 50 Jahren (bis zu 1,5 °C seit 1950) Gletscherschwund in den Alpen; seit 40 Jahren schneit es immer seltener Rückgang der Frosttage (ca. 30/Jahr), Zunahme der Sommertage (ca. 20/Jahr, Zunahme des Niederschlags Erwärmung bedeutet mehr Energie: = Beschleunigung des Hydrologischen Kreislaufs = mehr Niederschläge, mehr Starkregen = Extreme Wetterlagen nehmen zu Zunahme der Niederschläge im Winter, Abnahme im Sommer bei ungünstigerer Verteilung Stressfaktoren für Pflanzen nehmen zu v.a. Hitze, Trockenheit und Strahlung, aber auch Nässe und ggf. Kahlfröste; Sturm, Starkregen, Hagel aktuelle regionale Berechnungen bestätigen die globalen Trends Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 3 Klimawandel und Nahrungsproduktion Quelle: Folienmaterial des IPCC Ansatzpunkte für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung Fertility Loss Salinization and Erosion Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 4 bisherige Veränderung der Chemie der Atmosphäre Einheit „Historisch“ „Gegenwärtig“ Konzentrationen CO2 ppm 280 365 CH4 ppb 800 1800 N20 ppb 285 330 O3 µg m-3 25 50 NO2 µg m-3 2 30 NO µg m-3 0,02 3 NH3 µg m-3 0,05 3 SO2 µg m-3 0,5 10 Quelle: Weigel, H.J. 2005 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 5 Anstieg des CO2-Gehaltes - Szenarien Globalisation B: alternative Energie T: Energiemix FI: Fossil-intensiv Regional Self-Reliance Sustainable Globalisation Sustainalbe Govenance Quelle: IPCC Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 6 Sommer 2003: Normal im Jahr 2040, kühl im Jahr 2060 observations HadCM3 Medium-High (SRES A2) 2040s 2003 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung Quelle: D. Robinson, UK MetOffice 2006 Temperature anomaly (wrt 1961-90) °C 2060s P. Doleschel, IPZ Nov-06 7 Globale Verteilung der Temperaturerhöhung 2071-2100 gegenüber 1961-1990 Durchschnitt der Ergebnisse von 9 Klimamodellen [IPCC01a]. Zugrundegelegt ist das Emissionsszenario A2 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 8 Regionale Temperaturveränderungen im 21. Jahrhundert Klimamodelle des britischen Hadley Centre (HadAM3) und des MPI für Meteorologie (ECHAM4/OPYC3), zitiert bei Flaig et al.: Klimaentwicklung und Wald, 2003; Arbeitsbericht 247 der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 9 Regionale Veränderung der Niederschläge im 21. Jahrhundert Quelle: Flaig et al.: Klimaentwicklung und Wald, 2003; Arbeitsbericht 247 der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 10 Veränderung der Sommertemperaturen in Süddeutschland 2021-2050 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 11 Veränderung der Wintertemperaturen in Süddeutschland 2021-2050 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 12 die wesentlichen Effekte des Klimawandels Temperaturanstieg höhere CO2-Konzentration in der Atmoshäre veränderte Niederschlagsverteilung mehr Winterniederschlag weniger Sommerniederschläge mehr extreme Niederschläge Zunahme extremer Wetterereignisse Sturm, Hagel, Hitzewellen Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 13 Temperaturabhängigkeit der Photosynthese Quelle: Weigel, H.J. 2005 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 14 Einfluss einer CO2-Zunahme auf Photosynthese und Transpiration bei Sommerweizen Photosyntheserate Transpiration – Wasserverbrauch steigt, mehr Licht wird besser verwertet pro Flächeneinheit nimmt ab Quelle: Burkart, zitiert bei Weigel, H.J. 2005 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 15 = 380 ppm CO2 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung Quelle: Danish Inst. Agric. Science zit. bei M. Perry, 2005 Reaktion von Weizen auf die CO2-Konzentration P. Doleschel, IPZ Nov-06 16 Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum Photosynthese: mäßige Vorteile für Getreide durch prognostizierten CO2-Anstieg, kein Vorteil durch Temperatur, lediglich Ausgleich der negativen Effekte eines Temperaturanstiegs große Temperatur-Effekte für C4-Pflanzen aufgrund der temperaturabhängigen CO2-Bindung Transpiration (Wasserverbrauch): CO2-Anstieg senkt tendenziell den Wasserverbrauch, weil Spaltöffnungen weniger lang geöffnet sein müssen Ertragsbildung, Risiko Getreide: unterschiedliche Prognosen; in Mittel- und Nordeuropa tendenziell Anstieg; Vorteil von Winter- gegenüber Sommergetreide C4-Pflanzen: Ertragsanstieg, aber Begrenzung durch Wasserverfügbarkeit Hackfrüchte, Futterpflanzen, Sonderkulturen: Risiken durch schlechtere Niederschlagsverteilung und Extremereignisse (Sturm, Starkregen, Hagel) Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 17 Auswirkungen im Pflanzenschutz Unkräuter stärkere Ausdehnung wärmeliebender Arten (z.B. Gänsefuß/Melde) Zuwanderung neuer Arten Probleme mit der Wirkung von Bodenherbiziden (Trockenheit) Probleme bei der Anwendung von Blattherbiziden (Temperatur, Verträglichkeit) Krankheiten Begünstigung bestimmter Krankheiten durch milde Winter: Gelbrost, Zwergrost, Rhizomania Hemmung feuchtigkeitsbedürftiger Krankheiten durch Trockenheit Schädlinge Zunahme der Generationsfolge durch Temperaturanstieg Begünstigung frostempfindlicher Arten (Maiszünsler etc.) Zuwanderung neuer Arten (Heuschrecken) Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 18 Europa Nordeuropa Südeuropa Relative Änderung der Getreide- bzw. Weizenerträge in verschiedenen Weltregionen Quelle: Berechnungen anhand gekoppelter Klimamodelle, zitiert bei Weigel, H.J. 2005 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 19 Maisanbau bei steigenden Temperaturen Quelle: Martin Parry, Informal Meeting of EU Agriculture and Environment Ministers, 11 September 2005, London Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 20 Auswirkungen im Ackerbau C3-Pflanzen (Gräser, Getreide, Rüben, Kartoffeln) können durch höhere Photosyntheserate bei steigendem C02-Gehalt der Atmosphäre negative Effekte des Klimawandels zum Teil kompensieren Wärme liebende Kulturen (C4-Pflanzen, Mais, Sonnenblumen) können nach Norden wandern und z.B. Getreide verdrängen (Biogas!) Temperaturextreme und ungünstige regionale Niederschlagsverteilung erhöhen das Ertragsrisiko in Mitteleuropa Nordeuropa dürfte profitieren (Verlängerung der Vegetationszeit, Temperaturanstieg) In Südeuropa steigt das Produktionsrisiko stark an Auf leichten Böden steigt das Erzeugungsrisiko für Sommerfrüchte stark an (Zunahme der Niederschläge nur im Winter, Trockenstress während der Vegetation) insgesamt dürfte das Ertragspotential in Europa annähernd stabil bleiben, mit stärkeren Mengenschwankungen Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 21 mögliche weltweite Auswirkungen auf Produktion und Ernährungslage Quelle: Hamburger Bildungsserver HBS auf Basis IPCC Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 22 Auswirkungen auf Märkte Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 23 Auswirkungen auf Märkte Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 24 mögliche Auswirkungen auf heimische Märkte durch steigende Ertragsvariabilität: größere Mengenschwankungen Qualitätsschwankungen zunehmende Preisausschläge höhere Kosten für Versorgungssicherung Produktionsaufwand (Pflanzenschutz, Bewässerung) Lagerhaltung – Bevorratung Gefahr des Verlust von Marktanteilen Braugerste Kartoffeln,...... Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 25 Anpassungsstrategien auf Betriebsebene Optimierung der pflanzenbaulichen Erzeugungssysteme Risikovermeidung (Erosionsschutz, Bewässerung, Lagerung) Zulieferung/Forschung Anpassung von Zuchtmaterial, Pflanzenschutzmitteln.. Entwicklung von Prognosemodellen Regionalentwicklung Lagerung, Verarbeitung Sicherung von Wasserversorgung/Bewässerung Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 26 Reaktionsmöglichkeiten im Pflanzenbau Anbaubedingungen Anpassung der Saattermine (Nutzung der Winterfeuchte) Wahl alternativer Arten und Sorten Einsatz neuer Arten und Sorten Nutzungssysteme Änderung der Fruchtfolgegestaltung (noch weniger Sommerung) Änderung des Wassermanagements/Bewässerung Änderung bei Düngung, Bodenbearbeitung, Korntrocknung etc. Beherrschung zunehmender Ertragsvariabilität Diversifizierung des Fruchtartenspektrums Versicherungssysteme für Ernteausfälle (Vollschutz) Anwendung von Wachstums- und Ertragsprognosemodellen Quelle: verändert nach Stahl et al. 2004 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 27 Möglichkeiten der Pflanzenzüchtung kontinuierliche Anpassung des Materials durch ungezielte Selektion spezielle Zuchtziele festlegen Trockentoleranz erhöhen – spezifischen Wasserverbrauch senken Nährstoffeffizienz steigern CO2-Anstieg nutzen genetische Ressourcen nutzen und Variabiliät im Zuchtmaterial herstellen: konventionelle und weite Kreuzungen Verbesserung der Selektionsbedingungen ad hoc Einsatz von Sensoren (Laser-Spektrometer zur Messung von Hitzestress) und optischen Verfahren kontrollierte Umweltbedingungen (Klimakammer, Gewächshaus) Entwicklung und Einsatz genetischer Marker Kooperation mit der Grundlagenforschung Expressionsstudien – funktionelle Genomik Entwicklung verbesserter Marker und einsatzfähiger Gen-Konstrukte Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 28 Forschungsbedarf im Bereich Pflanzenbau Anbaubedingungen Angewandte Forschung zu neuen Sorten und Arten (Pflanzenzüchtung, Versuchswesen) Erhalt und Ausbau regionaler Genbanken Verbesserte Klima- und Wettervorhersagen spezielle Beratungsangebote zur Anpassung an den Klimawandel (Fruchtarten- und Sortenwahl, Bewässerungstechnologie usw.) Nutzungssysteme Fruchtfolgen, Erosionsschutz, Bodenbearbeitung, Grünlandnutzung Wasserausnutzung, Bewässerung Quelle: verändert nach Stahl et al. 2004 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 29 Ausblick Klimawandel wird sich auf die Pflanzenproduktion auswirken, Vorhersagen über die genauen Folgen sind nach wie vor unsicher Folgen für die Landwirtschaft in Europa werden regional sehr unterschiedlich sein (Probleme für Regionen mit niedrigen Sommerniederschlägen und leichten Böden, geringere Ertragseffekte nördlich der Alpen, Vorteile in Nordeuropa) Der CO2-Anstieg wirkt u.U. den negativen Effekten von Temperaturanstieg und Wassermangel teilweise ausgleichend entgegen insgesamt nimmt aber die Stressgefahr für Pflanzenbestände zu (Temperatur, Trockenheit, Strahlung, Wetterextreme, Überflutung), das Erzeugungsrisiko steigt; präzise Vorhersagen sind schwierig, v.a. regional Probleme mit wärmeliebenden Unkräutern, Schädlingen und Krankheiten in der Pflanzenzüchtung steigt die Bedeutung der genetischen Ressourcen, während gleichzeitig die Gefahr einer genetischen Verarmung zunimmt moderne Methoden in Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung bieten eine Chance auf eine effizientere Schadensabwehr mittelfristig kann die Gentechnik eine Chance bieten, vorhandenes Zuchtmaterial gezielt in entscheidenden Einzelmerkmalen (z.B. Trockentolerenz) ausreichend schnell zu verbessern Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung P. Doleschel, IPZ Nov-06 30 Literatur BMBF (Hrsg.) 2003. Herausforderung Klimawandel, Tagungsband. Bonn-Berlin Enke, W. 2001. Regionalisierung von Klimamodell – Ergebnissen des statistischen Verfahrens der Wetterlagenklassifikation und nachgeordneter multipler Regressionsanalyse für Sachsen. Abschlussbericht, FU Berlin Flaig, H., A. Aretz, D. Elsner u. W. Weimer-Jehle 2003. Klimaentwicklung und Wald – ein Beitrag zum Waldprogramm Baden-Württemberg 2003. Arbeitsbericht Nr. 247, Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Stuttgart Heimann, H. 1999. Auswirkung globaler Klimaänderungen auf sommerliche Starkniederschläge im bayersichen Alpenvorland – Ergebnisse BayFORKLIM www.pa.op.dlr.de/climate/bayforklim1.html Larcher, W. 2001. Ökophysiologie der Pflanzen. Ulmer Verlag, Stuttgart Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung Ommen, O. E. 2003. Wirkung erhöhter atmosphärischer CO2 - Konzentrationen und weiterer Wachstumsfaktoren auf das Wachstum von Sommerweizen unter besonderer Berücksichtigung des Kohlenhydratmetabolismus. Dissertation TU Braunschweig Parry, M. 2005: Informal Meeting of EU Agriculture and Environment Ministers, 11.9. 2005, London Reilly, J.M. and D. Schimmelpfennig (1999): Agricultural impact assessment, vulnerability, and the scope for adaption, Climatic Change 43, 745-788 Reilly, J., et al. 2001. Agriculture: The Potential Consequences of Climate Variability and Change for the United States, US National Assessment of the Potential Consequences of Climate Variability and Change, US Global Change Research Program. Cambridge University Press, New York,NY, 136 pp. Stahl, H., M. Kraatz, G. Beese u. E. Albert 2004. Acker- und Pflanzenbau im Klimawandel – Handlungsoptionen und Rahmenbedingungen. Infodienst 04/2004, S. 41-47 Weigel, H.J. 2005. Gesunde Pflanzen unter zukünftigem Klima. Gesunde Pflanzen (2005) 57:6-17 Internet: Intergovernmental Panel on Climatic Change (IPCC), www.ipcc.ch P. Doleschel, IPZ Nov-06 31