Das Ende der endlosen Akkumulation

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Das Ende der endlosen Akkumulation
(aus: Minqui Li, The Rise of China and the Demise of the Capitalist World Economy, London 2008,139
– 173)
Alle menschlichen Gesellschaften müssen um ihres eigenen Überlebens, ihres Fortbestehens und
ihrer Entwicklung willen in einen Austauschprozess mit ihrer natürlichen Umgebung (mittels
materieller Produktion und Konsum) treten. Das besondere Merkmal des Kapitalismus bzw. der
kapitalistischen Weltwirtschaft jedoch ist es, dass hier die Aktivitäten der materiellen Produktion und
des Konsums dem Profitinteresse und dem Drang nach einer endlosen Kapitalakkumulation
unterworfen sind.
Die materielle Produktion und der Konsum der Menschen bedingen auch die Ausbeutung und
Verwandlung von materiellen Ressourcen, die der Natur entnommen werden, um menschliche
Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Materielle Ressourcen umfassen erneuerbare Ressourcen (wie
Süßwasser von Flüssen und Seen, biologische Ressourcen und das Sonnenlicht) ebenso wie nicht
erneuerbare Ressourcen (wie fossile Brennstoffe, mineralische Ressourcen, Böden und Grundwasser,
die sich nicht in menschlichem Maß entsprechenden Zeiträumen regenerieren). Menschliches
Handeln bringt auch materielle Nebenprodukte hervor, die keinen menschlichen Zwecken dienen
(das heißt materiellen Abfall) und Auswirkungen auf die natürliche Umwelt haben. Einiges davon
kann von der Umwelt aufgenommen und wiederverwertet werden, ohne ihr Funktionieren in
nennenswertem Maß zu beeinträchtigen. Doch Abfall, der von der Umwelt nicht absorbiert und
wieder ihrem Kreislauf zugeführt werden kann, schädigt sie, indem er ihre Fähigkeit mindert,
nützliche Ressourcen hervorzubringen, und sie weniger geeignet für den Menschen macht.
Die Gesamtmenge nichterneuerbarer Ressourcen ist natürlich begrenzt (wenn man einen Zeitraum
betrachtet, der historisch relevant ist). Die Gesamtmenge der erneuerbaren Ressourcen ist innerhalb
eines unendlichen Zeithorizonts unbegrenzt (wenigstens innerhalb der Lebensdauer des
Sonnensystems), doch für einen bestimmten Zeitraum (sagen wir etwa ein Jahr) sind die Mengen
erneuerbarer Ressourcen, die für den menschlichen Gebrauch zur Verfügung stehen, durch die
Regenerationsfähigkeit der Umwelt eingeschränkt. Schließlich ist auch für einen bestimmten
Zeitraum die Menge an Abfällen begrenzt, die von der Umwelt absorbiert und unschädlich gemacht
werden kann.
Deshalb gilt für eine jede Gesellschaft auf der Grundlage von Nachhaltigkeit (die wesentlich für ihr
eigenes Überleben ist), dass sie nicht mehr erneuerbare Ressourcen beanspruchen darf, als die Natur
innerhalb eines bestimmten Zeitraums von Neuem bereitstellen kann, und dass sie nicht mehr Abfall
produzieren darf, als die Umwelt innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufnehmen und unschädlich
machen kann. Da die Gesamtmenge nichterneuerbarer Ressourcen begrenzt ist und mit jedem
Verbrauch stärker schwindet, muss es eine nachhaltige Gesellschaft zum Ziel haben, überhaupt keine
nichterneuerbaren Ressourcen zu gebrauchen. Doch eine Gesellschaft kann im Prinzip nachhaltig
sein, wenn sie kleine und abnehmende Mengen nichterneuerbarer Ressourcen nutzt ...
Während der historischen Periode des Kapitalismus wurden sowohl erneuerbare als auch nicht
erneuerbare Ressourcen in stets wachsenden Größenordnungen verbraucht, und der von der
kapitalistischen Weltwirtschaft produzierte Abfall ist so schnell angewachsen, dass wir uns nun
buchstäblich kurz vor dem völligen Zusammenbruch des ökologischen Systems Erde befinden und
das Überleben der Gattung Mensch selbst auf dem Spiel seht. Der Kapitalismus in seiner heutigen
Gestalt ist deshalb eindeutig nicht nachhaltig. Die Verteidiger des bestehenden Gesellschaftssystems
und der Großteil der Umweltbewegung behaupten jedoch, dass die ökologische Nicht-Nachhaltigkeit
nicht zwangsläufig aus den grundlegenden Verlaufsgesetzen des Kapitals selbst resultiert. Sie glauben
vielmehr, dass der Kapitalismus reformiert werden kann und dass man „ökologische Effizienz“ so
stark fördern kann, dass ökologische Nachhaltigkeit erreicht werden kann, ohne dass man das Ziel
der Profiterwirtschaftung und der Kapitalakkumulation aufgeben müsse.
Im Folgenden werde ich aufzeigen, dass dieser Glaube an einen „nachhaltigen Kapitalismus“ nichts
als Wunschdenken ist. Es ist leider so: Solange der Kapitalismus fortbesteht und weiter am Werk ist,
wird er der Umwelt auch immer bedrohlichere Schäden in wachsendem Maß zufügen, und viele
davon werden sich als irreversibel erweisen ... Ernsthafte Verschlechterungen der
Umweltbedingungen werden den möglichen Organisationsformen menschlicher Gesellschaft, die
sich nach dem bevorstehenden Niedergang des bestehenden Gesellschaftssystems herausbilden
könnten, schmerzlich spürbare materielle Beschränkungen auferlegen.
Kann der Kapitalismus nachhaltig sein?
Jede verhältnismäßig komplexe Organisationsform menschlichen Wirtschaftens muss sowohl die
Arbeitsteilung als auch den Austausch von Arbeitsprodukten umfassen. Die Arbeitsteilung und der
Tausch können über Marktbeziehungen geregelt werden, das heißt als Austausch zwischen
verschiedenen einzelnen Wareneigentümern. Doch die Arbeitsteilung kann auch innerhalb von
gesellschaftlichen Verhältnissen jenseits des Marktes organisiert werden (durch den Staat, die
Religion, Sitten oder demokratische Planung). Tatsächlich vollzogen sich die Arbeitsteilung und der
Austausch während der gesamten Zeit vor der Entstehung des Kapitalismus hauptsächlich über
gesellschaftliche Verhältnisse außerhalb des Marktes. Der Kapitalismus ist das einzige
Wirtschaftssystem, in dem der Markt die beherrschende und allgemeine Form der Arbeitsteilung und
des Austauschs geworden ist.
Die beherrschende Stellung des Marktes im Kapitalismus rührt daher, dass der Kapitalismus als eine
Weltwirtschaft organisiert worden ist, das heißt als ein System der Arbeitsteilung ohne eine einzelne
zentrale politische Autorität. Die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen und die systemische
Arbeitsteilung zwischen den Staaten sind also durch den Weltmarkt vermittelt. Theoretisch wäre
eine kapitalistische Weltwirtschaft denkbar, die aus einzelnen Staaten besteht, in denen der Staat
der Eigentümer der Produktionsmittel ist. Doch tatsächlich ist das Privateigentum in den meisten
Staaten die meiste Zeit über innerhalb der kapitalistischen Weltwirtschaft die vorherrschende
Eigentumsform gewesen.
Die Vorherrschaft der Marktbeziehungen auf Systemebene erzeugt einen unerbittlichen
Wettbewerbsdruck auf die Staaten innerhalb der kapitalistischen Weltwirtschaft. Durch die
Vorherrschaft des Privateigentums innerhalb der einzelnen Staaten wird der Wettbewerbsdruck auf
Systemebene noch durch den Wettbewerb zwischen Privatunternehmen und Individuen innerhalb
der Staaten und über die Staatsgrenzen hinaus verstärkt. Unter dem Wettbewerbsdruck des
Weltmarktes handeln Individuen, Unternehmen und Staaten unter beständigen und intensiven
Wettbewerbsbedingungen. Um im Wettbewerb zu überleben und die Oberhand zu behalten, ist
jeder der Teilnehmenden dazu gezwungen, einen erheblichen Teil des Mehrwertes für die
Kapitalakkumulation aufzuwenden, um seinen Marktanteil zu sichern und auszuweiten. Diejenigen,
die in diesem Bemühen erfolglos sind, werden vom Marktwettbewerb eliminiert.
Inwiefern betrifft der Drang nach Kapitalakkumulation den Verbrauch materieller Ressourcen und die
Erzeugung von materiellem Abfall? Um Kapital zu akkumulieren, müssen Kapitalisten (Individuen,
Staaten oder Konzerne) einen Teil des Mehrwertes in die Produktionsmittel und die Arbeitskraft
investieren, die für ein potenziell profitables Geschäft Verwendung finden. Wenn das Verhältnis von
Kapital und Arbeitskraft (das physische oder technische Verhältnis zwischen Produktionsmittel und
Arbeitskraft) konstant ist, dann darf die Kapitalakkumulation nicht schneller vonstatten gehen als das
Wachstum der verfügbaren Arbeitskraft innerhalb der Bevölkerung. Andernfalls würde die
Kapitalakkumulation bald zur Erschöpfung der Reservearmee an Arbeitskräften führen, die Profitrate
somit verringern und in die Krise führen.
Um sich von den Beschränkungen der verfügbaren Arbeitskraft zu befreien und die Reservearmee an
Arbeitskraft wiederherzustellen, ist es notwendig, dass sich das Verhältnis von Kapital und Arbeit
zugunsten des Kapitals verschiebt. Dies erfordert es, Arbeitskraft durch Maschinen und andere
Produktionsmittel zu ersetzen. „Als Maschinerie erhält das Arbeitsmittel eine materielle
Existenzweise, welche Ersetzung der Menschenkraft durch Naturkräfte ... bedingt.“ (MEW 23, 407)
Mit wachsender Verhältnisverschiebung von Arbeitskraft hin zu Kapital tendiert auch der Verbrauch
von Energie und anderen materiellen Ressourcen schneller zu wachsen als die Bevölkerung.
Ferner: Mit der Ausweitung der kapitalistischen Produktion muss auch der Konsum der Bevölkerung
entsprechend steigen, damit der Mehrwert realisiert werden kann (das heißt damit dem
tatsächlichen Angebot eine entsprechende tatsächliche Nachfrage gegenübersteht). Da Konsumgüter
immer anspruchsvoller werden und Ausdruck der neuesten Technologien sind, wird der Konsum
immer „kapitalintensiver“ und bedingt einen wachsenden Bedarf an Energie und anderen
materiellen Rohstoffen.
In den Kernstaaten der kapitalistischen Weltwirtschaft machen sogenannte Dienstleistungen mehr
als zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. Einige behaupten, dass der Kapitalismus, je
mehr er sich in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft bewegt, zunehmend „entmaterialisiert“
wird. Dies würde eine weitere Kapitalakkumulation ermöglichen, ohne dass damit ein wachsender
Verbrauch von materiellen Ressourcen einherginge. Doch in Wirklichkeit sind einige
Dienstleistungen wie etwa Transport und Telekommunikation Erweiterungen von Sektoren
materieller Produktion und in höchstem Maße kapitalintensiv. Einige Dienstleistungen wie Groß- und
Einzelhandel, Finanzdienstleistungen, Versicherungen und Immobilienhandel sind „nichtproduktive
Sektoren“ in dem Sinne, dass ihre Einkünfte aus der Umverteilung von Mehrwert aus anderen
Sektoren entstammen und sie selbst nicht unabhängig davon Mehrwert produzieren können. Die
Verwaltung und andere öffentliche Dienstleistungen wie das Gesundheitswesen und das
Bildungswesen sind gesellschaftlich nützlich, aber nicht profitorientiert. Ihre Einkünfte erzeugen nicht
direkt Profite für die Kapitaleigner. Der Rest der Dienstleistungen wie zum Beispiel Dienstleistungen
für Unternehmen (Werbung, Beratung), Unterhaltung, Tourismus, die Hotelbranche, Restaurants und
privat organisierte Gesundheits- und Bildungseinrichtungen produzieren sehr wohl Mehrwert für
Kapitaleigner, die darin investieren. Doch diese Sektoren erfordern eindeutig materielle
Vorleistungen wie Gebäude, Büroausstattung, Bürobedarfsmittel und Energie für den
Geschäftsbetrieb, und auch den materiellen Konsum ihrer Arbeitskräfte.
Der Dienstleistungssektor ist also entweder eine Ausweitung der materiellen Produktion oder er
hängt, was Input und Geschäftsbetrieb betrifft, von Bereichen der materiellen Produktion ab. Die
Ausweitung des Dienstleistungssektors kann nicht ohne die Ausweitung der Bereiche materieller
Produktion erfolgen. Mehr noch: Die sogenannte „Entmaterialisierung“ in den Kernländern ist zu
einem großen Teil die Kehrseite der Verlagerung materieller Produktion an die Peripherie und
Semiperipherie und der Abschöpfung des globalen Mehrwerts von der Peripherie und
Semiperipherie durch die Kernstaaten. Diese Art von Entmaterialisierung kann nicht im Weltmaßstab
aufrecht erhalten werden.
Deshalb führt der Drang zu Kapitalakkumulation, wie er dem Kapitalismus eigen ist, unvermeidlich zu
einem wachsenden Verbrauch von Energie und anderen materiellen Ressourcen. Die kapitalistische
Weltwirtschaft ist zurzeit sehr stark von nichterneuerbaren Energiequellen und Rohstoffen abhängig
– was eindeutig nicht nachhaltig ist. Recycling und die Ersetzung nichterneuerbarer durch
erneuerbare Ressourcen tragen dazu bei, den Prozess der Erschöpfung nichterneuerbarer
Ressourcen zu verlangsamen, doch das Recycling nichterneuerbarer Ressourcen kann niemals
vollständig erfolgen und in vielen Bereichen taugen erneuerbare Ressourcen nicht als Ersatz für
nichterneuerbare (zum Beispiel können Metall- oder Kunststoffprodukte in den meisten Fällen nicht
durch Rohstoffe aus der Landwirtschaft ersetzt werden). Der Gebrauch sowohl von erneuerbaren als
auch nichterneuerbaren Ressourcen führt unvermeidlich zur Produktion von Abfall. Dieser übersteigt
bereits die Menge dessen, was die Umwelt absorbieren kann (Hueseman 2003).
Versuche, für die Umweltprobleme technische Lösungen zu finden, unterliegen den Einschränkungen
grundlegender physikalischer Gesetze (wie zum Beispiel des zweiten Hauptsatzes der
Thermodynamik). Darüber hinaus muss jede technische Lösung dem menschlichen Wissen und
Naturverständnis entspringen, doch dieses Wissen ist zwangsläufig begrenzt. Viele der komplexen
Beziehungen und Wechselwirkungen der unterschiedlichen Teile des ökologischen Systems
übersteigen unser Wissen. Deshalb wird jede technische Lösung, mit deren Hilfe einem bestimmten
Umwelteinfluss gegengesteuert werden soll oder die eine besondere Ressourcengrenze überwinden
soll, zwangsläufig unvorhergesehene und unerwünschte Nebenwirkungen haben. Wie unsere
Erfahrung mit dem Gebrauch fossiler Brennstoffe gezeigt hat, kann das, was sich zunächst ohne
Einschränkungen als Wohltat darstellt, langfristig sehr wohl zu möglichen Katastrophen führen.
Vor der Industrialisierung, als die Gesellschaften nur begrenzte Möglichkeiten hatten, das
Funktionieren des ökologischen Systems zu beeinflussen, waren diese Nebenwirkungen zum größten
Teil ohne Bedeutung oder nur auf die lokale Umwelt beschränkt. Doch nun sind die
Wirtschaftsaktivitäten des Menschen bis zu einem Ausmaß angewachsen, dass sie das globale
ökologische System ernsthaft aus dem Gleichgewicht bringen können. In diesem Zusammenhang
kann jede technische Antwort auf ein Umweltproblem weitaus größere unvorhergesehene
schädliche Folgen haben. Möglicherweise haben wir auf vielen Gebieten bereits den kritischen Punkt
erreicht, an dem die Errungenschaften durch technische Veränderungen sehr wahrscheinlich von den
schädlichen Folgen wieder zunichte gemacht werden.
Ein nachhaltiger Kapitalismus ist nicht nur technisch nicht machbar, sondern auch aufgrund der
Struktur der kapitalistischen Weltwirtschaft selbst unmöglich. Umweltprobleme stellen
gesellschaftliche Kosten dar, die innerhalb der Kostenkalkulation der einzelnen kapitalistischen
Betriebe nicht berücksichtigt sind. Einzelne Kapitaleigner haben keinen Anreiz, die Umwelt in
Ordnung zu bringen oder alternative Ressourcen zu entwickeln. Diesem Problem der
„Externalisierung der Kosten“ kann durch nationalstaatliche Gesetzgebung bis zu einem gewissen
Grad abgeholfen werden. Doch der Kapitalismus ist eine Weltwirtschaft, der keine Weltregierung
gegenübersteht, die das Gesamtinteresse der Kapitaleigner weltweit wirkungsvoll durchsetzen
könnte. Stattdessen sind einzelne kapitalistische Staaten in erster Linie motiviert, ihre nationale
Akkumulationsrate zu maximieren, um im Wettbewerb die Oberhand zu behalten. Es gibt keinen
wirksamen Mechanismus, der die Umweltbelange weltweit regeln könnte. Selbst wenn hinsichtlich
bestimmter Umweltthemen internationale Vereinbarungen getroffen werden können, unterliegen
einzelne Staaten starken Anreizen, sie zu missachten, zu übertreten oder zu umgehen. Angesichts der
institutionellen Struktur des Kapitalismus würden alle technischen Errungenschaften in Bezug auf
„ökologische Effizienz“ (Reduktion des Umweltverbrauchs pro produzierter Einheit) bald durch die
zügellose Kapitalakkumulation zunichte gemacht.
Nichterneuerbare Energie
Nach Jahrhunderten stetigen Drangs zur Kapitalakkumulation haben die Erschöpfung der Ressourcen
und die Erzeugung von Abfall ein so hohes Niveau erreicht, dass sie nun den Kollaps des ökologischen
Systems und die Auslöschung der Gattung Mensch zu bewirken drohen. Im Folgenden sollen
verschiedene Aspekte der derzeitigen weltweiten ökologischen Krise diskutiert werden: Energie,
mineralische Rohstoffe, Nahrungsmittel und der weltweite Klimawandel.
Die kapitalistische Weltwirtschaft hängt von nichterneuerbaren Ressourcen, die fast 90% ihres
Primärenergiebedarfs decken, ab. Öl steht für 35% der gesamten weltweiten Primärenergie, Kohle
für 25%, Erdgas für 21% und Kernkraft für 6%. Von den erneuerbaren Energien beträgt der Anteil der
brennbaren Energiequellen und von Abfall (Holz, andere Biomasse, Tierprodukte, Haus- und
Industriemüll) 10%, der der Wasserkraft 2,2% und der anderer erneuerbarer Quellen (Sonne, Wind,
Erdwärme, Gezeiten und Wellen) lediglich 0,5%. (IEA 2007)
Fossile Brennstoffe (Öl Erdgas, Kohle) liefern 80% des weltweiten Energiebedarfs. Etwa ein Drittel der
Energie aus fossilen Brennstoffen wird zur Erzeugung von Elektrizität verwendet, weitere 10%
werden für die Bereiche Dienstleistungen und Haushalt aufgewandt (Raumwärme, Kochen etc.). Im
Prinzip (obwohl das praktisch auf Schwierigkeiten stößt) können fossile Brennstoffe für die
Elektrizitätserzeugung durch Kernkraft oder erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. In anderen
Bereichen jedoch können fossile Brennstoffe nicht sehr leicht durch Elektrizität ersetzt werden und
sind für das Funktionieren der kapitalistischen Weltwirtschaft unverzichtbar.
Öl ist wesentlich für das derzeitige Transportsystem auf der Grundlage von Autos und
Lastkraftwagen. Während Schienensysteme mit elektrischen Zügen betrieben werden können und
Elektroautos im Bereich kurzer Strecken eine Rolle spielen können, hängt der internationale
Transport über Fernstrecken per Flugzeug und Schiff (mit der möglichen Ausnahme von einigen sehr
teuren atombetriebenen Schiffen) vollständig vom Öl ab. Ohne den Ferntransport zwischen den
Kontinenten würde die gesamte kapitalistische Weltwirtschaft, deren Basis ja die internationale
Arbeitsteilung ist, zusammenbrechen.
Öl ist auch ein unverzichtbarer Brennstoff für die Schwermaschinen in der Landwirtschaft, im
Bergbau und im Bauwesen. Öl, Erdgas und Kohle sind wesentliche Bestandteile bei der Produktion
von Kunstdünger, Kunststoffen und anderen chemischen Produkten (Heinberg 2006, 4 – 7)Viele
industrielle Prozesse, die hoher Temperaturen und eines hohen Drucks bedürfen, hängen von Kohle
und Erdgas ab. Kohle wird als Brennstoff und wesentlicher Bestandteil von etwa zwei Dritteln der
weltweiten Stahlproduktion benutzt. Ohne fossile Brennstoffe verliert die Weltwirtschaft nicht nur
eine Hauptenergiequelle, sondern auch viele Bereiche der modernen Industrie und Landwirtschaft
werden nicht mehr funktionieren können.
Fossile Brennstoffe sind nichterneuerbare Ressourcen und werden zwangsläufig im Lauf des
Prozesses grenzenloser Kapitalakkumulation zur Neige gehen. Es gibt wachsende Übereinstimmung
hinsichtlich der Tatsache, dass die weltweite Ölförderung wahrscheinlich bald ihr Maximum erreicht
(peak oil) und dann ein unumkehrbarer Niedergang beginnt. Nach Colin J. Campbell hat die
Entdeckung neuer Ölreserven weltweit bereits Mitte der Sechzigerjahre ihren Höhepunkt erreicht.
Seit 1980 betrug die Menge der neu entdeckten Reserven weniger als die jährliche Abnahme der
Reserven, und die Kluft zwischen Neuentdeckung und Verbrauch nahm tendenziell zu. Die
konventionelle globale Ölförderung hat wahrscheinlich bereits im Jahr 2005 ihr Maximum erreicht.
Unkonventionelle Ölreserven (schweres Rohöl, Öl in Tiefengewässern, in der Polarregion, Flüssiggas)
leisten wahrscheinlich keinen bedeutenden Beitrag. Die globale Produktion aller Ölsorten wird
wahrscheinlich um 2010 ihr Maximum erreichen. (Campbell 2005)
Heinberg (2006, 23) gibt einen Überblick über die Studien zu „peak oil“ (dem Fördermaximum). Die
Vorhersagen reichen von jetzt bis zum Jahr 2030. Die meisten unabhängigen Studien gehen von
einem Fördermaximum vor dem Jahr 2015 aus. Diejenigen Studien, die den „peak oil“ nach dem Jahr
2015 datieren, wurden von Instituten erstellt, die mit der Ölindustrie oder der US-Regierung
verbunden sind. Eine jüngere Studie der Energy Watch Group (2007a) in Deutschland bestätigt, dass
der Höhepunkt der Erdölförderung unmittelbar bevorsteht.
Das Fördermaximum der weltweiten Erdgasproduktion wird wahrscheinlich bald nach dem der
Ölproduktion erreicht sein. Laherre (2004) sagt voraus, dass dies etwa im Jahr 2030 der Fall sein wird.
Campbell (2005, 209 – 216) erwartet das weltweite Fördermaximum von Erdgas für das Jahr 2025;
dann würde die Förderung auf hohem Niveau bis 2045 verharren, um dann steil abzufallen. Man geht
davon aus, dass um das Jahr 2050 herum die gesamte Förderung von Erdöl und Erdgas bis auf 40%
des im Jahr 2010 erreichten Fördermaximums gefallen sein wird.
Die landläufige Auffassung ist es, dass die weltweiten Kohlereserven relativ reichlich sind und bei der
derzeitigen Förderrate etwa 150 Jahre lang ausreichen werden. Doch eine jüngere Studie der Energy
Watch Group (2007b) vertritt den Standpunkt, dass die weltweite Kohleförderung wahrscheinlich um
2025 ihr Maximum erreicht. Eine andere Studie vom Energieinstitut in den Niederlanden kommt zur
Schlussfolgerung, dass die weltweiten Reserven an ökonomisch sinnvoll zu fördernder Kohle rasch
abnehmen und dass die Kosten für die Förderung auf der ganzen Welt stetig ansteigen (Heinberg
2007). Hinzu kommt, dass der Einsatz von Kohle im Verhältnis zum Energiegehalt mehr
Treibhausgase und andere Luftschadstoffe emittiert als alle anderen Energiequellen. Um den
weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und den Klimawandel abzumildern, ist es
dringend geboten, weltweit sehr bald mit der Reduktion des Kohleeinsatzes zu beginnen.
Die Atomstromerzeugung benutzt Uran zweier Isotope: U 235 und U 238. Das ist eine
nichterneuerbare Ressource. Die Atomreaktoren, wie sie heute in Betrieb sind, verwenden U 235, um
angereichertes Uran zu erzeugen. U 235 ist nicht im Überfluss vorhanden; es macht lediglich 0,7 %
des in der Natur vorkommenden Urans aus. Der Energy Watch Group (2006) zufolge werden die
nachgewiesenen weltweiten Uranreserven bei der derzeitigen Verbrauchsrate innerhalb von dreißig
Jahren erschöpft sein, und alle möglicherweise vorhandenen Reserven werden in siebzig Jahren
erschöpft sein. Wenn man auf die Atomenergie als die Hauptquelle der Elektrizitätserzeugung
zurückgreift, dann wird die Verbrauchsrate um den Faktor 6 zunehmen und die Reserven werden
innerhalb von zehn Jahren verbraucht sein. Diese Ausweitung der Atomenergie ist zusätzlich
begrenzt durch den langen Zeitraum, der für die Errichtung neuer Atomkraftwerke nötig ist.
Nuklearenergie in jeglicher Form schafft ernsthafte Umwelt- und Sicherheitsprobleme. Es gibt keine
geeignete Lösung für den radioaktiven Abfall, der Tausende von Jahren weiter strahlt. Obwohl es seit
Tschernobyl (1986) keine größeren Reaktorunfälle gab, wird ein gewisses Maß an menschlichem
Versagen unvermeidlich sein, wenn man Atomenergie in einer erheblichen Größenordnung über
einen langen Zeitraum hindurch nutzt, und jeder atomare Unfall kann katastrophale Folgen mit
Langzeitwirkung haben. Einige Länder (USA, Großbritannien, Frankreich, Japan und Russland) haben
mit „schnellen Brütern“ experimentiert, die U 238 und U 235 miteinander verbinden, um Plutonium
zu produzieren (das auch für Atomwaffen benutzt werden kann). Da der schnelle Brüter weit weniger
U 235 braucht, kann er, sofern diese Technik erfolgreich ist, das Energieversorgungspotenzial aus
Uran in erheblichem Ausmaß steigern. Doch schnelle Brüter sind mit weitaus mehr ernsthaften
Sicherheitsproblemen verbunden als konventionelle Atomreaktoren. Plutonium wird als die giftigste
Substanz auf Erden betrachtet. Bei einem Unfall könnte es wie eine Atombombe explodieren.
Flüssiges Natrium, das als Kühlmittel für schnelle Brüter verwendet wird, explodiert, sobald es mit
Wasser in Berührung kommt. Wegen dieser Probleme sind schnelle Brüter teuer, sowohl im Aufbau
als auch im Betrieb, und sie bedürfen langer Abschaltzeiten. Der französische Superphenix, der
weltweit größte schnelle Brüter, war während der zehn Jahre seines Bestehens weniger als ein Jahr
in Betrieb. (Heinberg 2004, 219 • 228; Kunstler 2005, 140 – 146; Trainer 2007, 119 – 124)
Kernfusion ist die Energiereaktion, die innerhalb der Sonne stattfindet. Von den Menschen wurde sie
für die Wasserstoffbombe nutzbar gemacht. Für wirtschaftliche Zwecke jedoch muss die Reaktion
kontrolliert werden. Um eine Kernfusion in Gang zu setzen, ist eine Temperatur von 200 Millionen
Grad Celsius erforderlich, und auf der ganzen Erde kennt man kein Material, das solchen
Temperaturen standhält. Wissenschaftler haben versucht, die Reaktion mittels verschiedener
Prozesse zu begrenzen. Doch jeder getestete Prozess hat mehr Energie benötigt als der Reaktor
erzeugen kann, und die Reaktion konnte lediglich für einen Bruchteil einer Sekunde aufrecht erhalten
werden. (Craig/Vaughan/Skinner 1996, 205 – 207; Heinberg 2004, 265)
Im Jahr 2006 haben die EU, die USA, China, Indien, Japan, Südkorea und Russland ein Abkommen zur
Errichtung eines Versuchsreaktors für Kernfusion (er soll in etwa ein Sechstel der Größe eines
konventionellen Kraftwerks haben)unterzeichnet, der 10 Milliarden Euro kosten soll, das ist
neunzigmal so teuer wie ein vergleichbares Kohlekraftwerk. Die Forscher hoffen, dass sie etwa im
Jahr 2045 damit beginnen können, mittels Fusionsreaktoren kommerziell Elektrizität zu erzeugen.
(Financial Times 2006)
Es wird manchmal behauptet, dass Kernfusion theoretisch das Potenzial hat, grenzenlos Energie zu
erzeugen, doch die Kernfusionstechnik, die man heute verfolgt, verwendet Lithium. Lithium ist eine
nichterneuerbare und nicht sehr reichlich vorhandene Ressource. Bislang ist es noch nicht klar, ob
Kernfusion jemals funktionieren kann. Selbst wenn die derzeitigen Bemühungen Erfolg haben, mittels
Kernfusion einen positiven Nettoenergieertrag zu erzeugen, verbietet sie sich aufgrund der
exorbitanten wirtschaftlichen Kosten.
Erneuerbare Energie: Elektrizität
Angesichts der Erschöpfung nichterneuerbarer Energiequellen und der Notwendigkeit, dem
Klimawandel gegenzusteuern, wird die Welt auf erneuerbare Energien als Hauptenergiequelle setzen
müssen. Erneuerbare Energien werden im Allgemeinen dazu benutzt, um Elektrizität zu erzeugen.
Biomasse ist die einzige erneuerbare Energieform, die fossile Brennstoffe in Form von flüssigem und
gasförmigem Treibstoff und auch als Rohmaterial für die chemische Industrie ersetzen kann. Das
Problem von flüssigem und gasförmigem Treibstoff wird weiter unten noch erörtert werden.
Erneuerbare Energien verursachen im Allgemeinen viel weniger Umweltprobleme als fossile
Brennstoffe oder die Atomenergie. Erneuerbare Energien können nicht innerhalb eines bestimmten
Zeitabschnitts zur Neige gehen, jedoch kann nur eine begrenzte Menge an erneuerbaren Energien
gewonnen werden. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen und der Kernenergie weisen erneuerbare
Energien im Verhältnis zu Volumen und Gewicht eine viel geringere Energiedichte auf. Die
Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen ist oft mit einem hohen Landschaftsverbrauch
verbunden. Dieser Flächenbedarf setzt die physischen Grenzen dafür, wie viel erneuerbare Energien
erschlossen werden können. Darüber hinaus sind Diskontinuität und unbeständige Schwankungen
die Kennzeichen erneuerbarer Energien. Aufgrund dieser Probleme sind erneuerbare Energien im
Allgemeinen teurer als fossile. (Boyle 2004; Hayden 2004; McCluney 2005a; Mobbs 2005, 107– 142;
Trainer 2007)
Von den erneuerbaren Energien haben Wasserkraft, Gezeiten- und Wellenenergie sowie Geothermie
(Erdwärme) ein begrenztes physisches Potenzial , und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie weltweit
eine bedeutende Rolle in der Energieversorgung einnehmen werden. (Trainer 2007, 107 – 11)
Wasserkraft kann auch zu ernsthaften Umweltproblemen führen (Boyle 2004, 77 – 182; Heinberg
2004, 246 – 248); 190 – 191; Kunstler 2005, 119 – 121). In einer Studie zum physischen Potenzial
erneuerbarer Energien schätzen Lightfood und Green den möglichen Beitrag zur
Elektrizitätserzeugung von Wasserkraft, Geothermie und Energiegewinnung aus den Ozeanen
(Gezeiten und Wellen) bis zum Jahr 2100 auf ca. 21 EJ (Extra-Joule, 1018 Joules, das heißt 1 EJ
entspricht der Energie aus 23.800 Tonnen Erdöl): Das entspricht etwa 6% des weltweiten gesamten
Energieverbrauchs des Jahres 2005.
Wind- und Sonnenenergie sind die einzigen Energieformen, die das physikalische Potenzial haben,
einen bedeutenden Beitrag zur weltweiten Energieversorgung der Zukunft zu leisten. Wenn man die
Berechnungen bezüglich der verfügbaren Landflächen zugrunde legt, die von der Arbeitsgruppe III
des IPCC angestellt wurden, so kann man annehmen, dass 1% der weltweiten ungenutzten Fläche
(das sind 390.000km2) für Sonnenenergie und 4% mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 5,1
Meter pro Sekunde für Windenergie genutzt werden (1,2 Millionen km2). Lightfood und Green (2002)
rechnen hoch, dass um das Jahr 2100 die mögliche Elektrizitätsversorgung aus Sonne auf derzeit
ungenutzten Landflächen und allen Dächern 163 EJ beträgt, und das Potenzial des Stroms aus
Windenergie 72 EJ ausmacht. Zusammen haben Sonne und Wind das physikalische Potenzial, eine
jährliche Strommenge von 250 EJ zu erzeugen. Das sind etwa 75% des weltweiten
Gesamtenergieverbrauchs im Jahr 2005.
Lightfood und Green betonen, dass die angenommene Menge ungenutzten Landes möglicherweise
stark überschätzt wird. Viel von diesem Land befindet sich in sehr entlegenen Gegenden, ist
möglicherweise ungeeignet und bietet möglicherweise keinen Zugang für die Wartung. In Wüsten
können Sandstürme und große Mengen an Staub besonders ernste Probleme darstellen.
Solarmodule oder Spiegel frei von Staub, Sand oder Verschmutzung zu halten, erfordert intensive
Inputs an Energie, Arbeitskraft und Wasser . (Lightfood/Green 2002; Green/Baski/Dilmaghani 2007)
So scheinen die praktischen Grenzen der Elektrizitätsgewinnung aus Sonne und Wind viel enger
gezogen zu sein als das gerade beschriebene theoretische Potenzial.
Sonne und Wind sind diskontinuierliche Energiequellen und nicht „grundlasttauglich“. Wenn man
von den bestehenden Netzen ausgeht, dann können Wind und Sonne bis zu 20% der installierten
Stromerzeugungskapazität oder 10% der tatsächlichen Stromproduktion erreichen, ohne dass es zu
ernsthaften Problemen kommt. Über diese Grenzen hinaus würde ein weiteres Wachstum von
Elektrizität aus Sonne und Wind Vorrichtungen für die Speicherung von Elektrizität in großem
Umfang erforderlich machen (Lightfood/Green 2002). Das Problem der Schwankungen ist für die
Technik solarthermischer Anlagen relativ gut handhabbar. Hierbei kann Energie in Form von Wärme
gespeichert werden, die später zur Stromerzeugung genutzt wird. Wärmespeicherung ist relativ billig
und mit weniger Energieverlust verbunden. Dennoch ist für die Wärmeerzeugung durch
Sonnenenergie das Problem der Schwankungen nicht völlig beseitigt. Manchmal hält eine bewölkte
Wetterlage mehrere Tage oder Wochen an. Ein größeres Problem für die solarthermischen Anlagen
stellt die Tatsache dar, dass die Ausbeute im Winter besonders schwach ist und dass die
Stromerzeugung im Winter bis auf ein Fünftel des Sommerniveaus zurückgehen kann. (Trainer 2007,
47 – 57)
Die Entwicklung „intelligenter Netze“ unter Benutzung der neuesten Technologie kann diese
Probleme abschwächen, aber nicht beseitigen. Es gibt ernsthafte Schwierigkeiten, Strom in sehr
großen Mengen zu speichern, und aufgrund von ineffizienten Konversionsprozessen ist dies mit
erheblichen Energieverlusten verbunden. (Green/Baski/Dilmaghani 2007; Trainer 2007, 101 – 106)
Die Angaben über Preise und Kosten für erneuerbare Energien sind oftmals verwirrend und
irreführend. Es ist nicht immer klar, ob dabei Subventionen berücksichtigt sind und was darin
enthalten ist. Ein anderes Problem besteht darin, dass die Kosten für erneuerbare Energien vom
Produktionsort abhängen. Die ersten Anlagen nutzen tendenziell die produktivsten Standorte. Wenn
erneuerbare Energien jedoch in großem Stil entwickelt werden und die Hauptenergiequelle
innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft darstellen sollen, dann muss die Investition in
erneuerbare Energien die durchschnittliche Profitrate ohne Subventionen abwerfen, und die
Produktion wird sich zwangsläufig auf weniger produktive Standorte ausweiten.
Ein anderer verwirrender Aspekt im Hinblick auf die erneuerbaren Energien hat mit den
unterschiedlichen Kapazitätsauslastungsraten zu tun. Stromerzeugung auf fossiler Basis oder mittels
Atomenergie hat oftmals Auslastungsraten zwischen 80 und 90%. Doch Anlagen, die Strom aus Wind
und Sonne erzeugen, haben selbst an den besten Standorten Auslastungsraten von etwa 30% ihrer
Kapazität, und im Durchschnitt betragen sie 25% und weniger. Deshalb muss ein Vergleich der
Stromerzeugungskosten von konventionellen Brennstoffen und erneuerbaren Energien deren
unterschiedliche Kapazitätsauslastung mit berücksichtigen. Ein Vergleich auf der Basis der
Spitzenauslastung wäre sehr irreführend. Berichte über das Potenzial und die Kosten erneuerbarer
Energien in den Medien schaffen in dieser Hinsicht selten Klarheit ...
Wenn Wind und Sonne einen bedeutenden Beitrag zur Stromerzeugung leisten sollen, dann wird viel
Strom an entlegenen Orten produziert werden müssen, was hohe Übertragungskosten bedingt. Für
Wind- und Sonnenkraftwerke nimmt man einen Transmissionsverlust von 15% der ursprünglich
erzeugten Elektrizität an.
Wenn man alle Kostenfaktoren zusammennimmt, dann ist Windstrom mehr als doppelt so teuer wie
Strom aus konventionellen Kraftwerken. Strom aus Photovoltaikanlagen auf Dächern ist etwa
fünfmal so teuer (dabei geht man davon aus, dass diese Anlagen der Eigenversorgung der Haushalte
dienen und also keinen Profit abwerfen). Solarthermische (Parabolrinnen) und PhotovoltaikKraftwerke sind zehn- bis zwanzigmal so teuer ...
Die Probleme der Diskontinuität und der Schwankungen und die übermäßig hohen Kapitalkosten von
Sonnen- und Windenergie legen es nahe, dass diese wahrscheinlich nicht mehr als einen begrenzten
Beitrag zur zukünftigen Energieversorgung der Welt leisten werden. Abgesehen von diesen
Problemen sollte betont werden, dass die Produktion erneuerbarer Energien zurzeit von fossilen
Energien und anderen nichterneuerbaren Rohstoffen abhängt. Die Ausweitung der erneuerbaren
Energien könnte also durch die begrenzten nichterneuerbaren Ressourcen verhindert werden.
(Kunstler 2005, 121 – 131; Green/Baski/Dilmaghani 200)
Erneurbare Energie: Flüssiger und gasförmiger Treibstoff
Kernkraft, Wind, Sonne, Wasserkraft und viele andere Formen erneuerbarer Energie können lediglich
dazu benutzt werden, Strom zu erzeugen. Doch elektrischer Strom macht nur 16 %des weltweiten
Endenergieverbrauchs aus. Im Gegensatz dazu machen flüssige (Öl) und gasförmige (Erdgas)
Treibstoffe 43% bzw. 16% des weltweiten Endenergieverbrauchs aus. Flüssiger und gasförmiger
Treibstoff ist die Hauptenergiequelle für Transport, Industrie und Landwirtschaft weltweit und liefert
darüber hinaus wesentliche Inputs für die chemische Industrie. Während einige Nutzanwendungen
von Öl und Gas durch Elektrizität aus erneuerbaren Quellen ersetzt werden könnten (wie z.B. Erdgas
für die Stromerzeugung oder Öl für den Eisenbahntransport), sind Öl und Gas in vielen anderen
Bereichen unverzichtbar. Wenn man diesem Problem nicht wirkungsvoll beikommen kann, dann wird
die Verknappung von flüssigem und gasförmigem Treibstoff eine Fußfessel für die Expansion der
kapitalistischen Weltwirtschaft sein.
Biomasse ist die einzige erneuerbare Energiequelle, die dazu benutzt werden kann, direkt flüssigen
oder gasförmigen Treibstoff in Form von Äthanol oder Methanol zu erzeugen. Doch die Produktion
von Biomasse in großem Stil ist in ökologischer Hinsicht zerstörerisch und nicht nachhaltig. Sie
erfordert große Mengen an Kunstdünger und Wasser und verursacht schwerwiegende Bodenerosion.
Um Biomasse zu produzieren, hat das Agrobusiness Wälder, Weideland und Feuchtgebiete in Äcker
umgewandelt und dabei Regenwälder zerstört, Wasser verschmutzt und über die Maßen verbraucht,
die Artenvielfalt reduziert und zur globalen Erwärmung beigetragen. Sowohl die Erzeugung von
Biomasse als auch die Umwandlung derselben in brauchbaren Treibstoff erfordern große Mengen an
Energie. Deshalb liefert die Biomasse einen niedrigen Nettoenergieertrag und einige Formen wie zum
Beispiel die Äthanolerzeugung aus Mais weisen möglicherweise eine negative Energiebilanz auf, das
heißt, es erfordert mehr Energie, um Äthanol herzustellen, als im Äthanol selbst enthalten ist.
(Heinberg 2006, 93 – 98; Friedemann 2007)
Das Potenzial der Treibstoffgewinnung aus Biomasse ist auch durch das weltweit verfügbare
Ackerland begrenzt. Wenn man annimmt, dass das gesamte bebaubare Land der Erde (1,5 Milliarden
Hektar) zur Biomasse-Produktion verwendet wird und die Ernte bei einer Produktion in großem
Maßstab sieben Tonnen Trockengewicht pro Hektar beträgt, dann beträgt die weltweite Ernte 10,5
Milliarden Tonnen Trockengewicht. Dies entspricht einem Energiegehalt von 210 EJ und kann dafür
verwendet werden, 85 EJ Äthanol bzw. 2,030 Millionen Tonnen Erdöl-Äquivalent herzustellen.
(Trainer 2007, 75) Doch der derzeitige weltweite Endverbrauch an Öl und Gas beträgt 4,668
Millionen Tonnen Erdöl-Äquivalent. Das heißt: Selbst wenn die Menschheit überhaupt keine
Nahrungsmittel mehr anbaut und das gesamte Ackerland zur Erzeugung von Biomasse benutzt,
beträgt der daraus gewonnene Treibstoff weniger als die Hälfte des jetzigen Öl- und Gasverbrauchs.
Etwas realitätsnäher gesprochen: Wenn 20% des weltweiten Ackerlandes für die BiomasseProduktion verwendet wird, dann kann damit gerade so viel Treibstoff erzeugt werden, um 9% des
derzeitigen Öl- und Gasverbrauchs abzudecken.
Da das weltweit verfügbare Ackerland, die Wälder und das Weideland bereits stark genutzt werden,
ist eine weitere Erschließung von Ackerland äußerst schwierig. Tatsächlich reicht die
Neuerschließung von bebaubarem Land kaum aus, um das wettzumachen, was durch Bodenerosion
und Bodenverschlechterung verlorengeht. Nach einer sorgfältigen Prüfung zieht Trainer die
Schlussfolgerung, dass das Problem des flüssigen und gasförmigen Treibstoffs „die am schärfsten
gezogene und enge Grenze für eine erneuerbare Energiezukunft“ darstellt. (2007, 73; 91)
Es wird oftmals davon ausgegangen, dass elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen zur
Erzeugung von Wasserstoff-Brennstoffzellen benutzt werden kann, die ihrerseits den Haupttreibstoff
der künftigen Weltwirtschaft bilden könnten (Hawken/Lovins/Lovins 2000; Stipp 2001). Doch jüngere
Studien zeigen auf, dass die physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff die Möglichkeit einer
Wasserstoff-Wirtschaf in großem Maßstab weitgehend ausschließen. (Heinberg 2004, 240 – 246;
Kunstler 2005, 110 – 116; Trainer 2007, 93 – 100).
Zunächst braucht man für die Herstellung von Brennstoffzellen seltene Materialien wie etwa Platin.
Der Gebrauch von Brennstoffzellen in großem Maßstab könnte bereits durch die geringe
Verfügbarkeit seltener Materialien begrenzt sein. Wasserstoff ist sehr leicht. Ein sehr großes
Volumen an Wassersoff ist zur Speicherung einer bestimmten Energiemenge nötig, und er entweicht
sehr leicht durch Verbindungsstellen, Ventile und Verschlüsse. Dies alles macht es sehr teuer,
Wasserstoff zu transportieren und zu lagern, und die Gesamtenergieausbeute ist letztlich sehr gering.
Ein Vierzigtonner kann nur diejenige Menge an Wasserstoff transportieren, die weniger als 300 kg
Erdöl entspricht – oder weniger als drei Tonnen, wenn der Wasserstoff verflüssigt wird (doch die
Verflüssigung bedeutet wiederum einen hohen Energieverlust). Der Speichertank muss schwer und
teuer sein und wiegt etwa 115mal so viel wie der darin gelagerte Wasserstoff. Wenn man die
Energieverluste berücksichtigt, die bei der Umwandlung von Elektrizität in Wasserstoff und bei der
darauffolgenden Rückumwandlung in Elektrizität, bei der Verflüssigung, dem Pumpvorgang, dem
Transport und der Lagerung entstehen, dann erhält man lediglich 10 bis 20% der ursprünglich
aufgewandten Elektrizität als Energie, die zum Endverbrauch zur Verfügung steht.
Das Ende der endlosen Akkumulation?
Die kapitalistische Weltwirtschaft hängt sehr stark von fossilen Energien ab. Da sich Öl, Erdgas und
Kohle ihrem Fördermaximum nähern und ins Stadium stetig sinkender Reserven eintreten, wird die
weltweite Kapitalakkumulation unter starken Druck geraten. Atomenergie und erneuerbare
Energien haben es mit einigen ernsten, unüberwindlichen Schwierigkeiten zu tun. Sie werden
wahrscheinlich eine größere Rolle bei der weltweiten Energieversorgung spielen, doch sie können
fossile Energien nicht in einem erforderlichen größeren Maßstab ersetzen. Ohne eine hinreichende
und ständig wachsende Energieversorgung wird die unaufhörliche Expansion der kapitalistischen
Weltwirtschaft an ihr Ende gelangen ...
Die weltweite Ölförderung wird voraussichtlich im Jahr 2010 ihr Maximum erreichen und daraufhin
kontinuierlich abnehmen. Man geht davon aus, dass um das Jahr 2050 die Ölförderung auf ein Drittel
des maximalen Niveaus abgesunken sein wird. Die Erdgasförderung wird voraussichtlich bis 2045
wachsen, um danach steil abzufallen.
Die Aussagen über die künftige Kohleförderung stützen sich auf die Vorhersagen der German Energy
Watch Group (2007b). Die weltweite Kohleförderung wird voraussichtlich bis 2025 zunehmen,
zwischen 2025 und 2035 sehr langsam abnehmen und danach beschleunigt abnehmen. Atomenergie
und Wasserkraft werden diesen Vorhersagen zufolge bis 2030 zunehmen, was dem Szenario der
Internationalen Energieagentur (IEA 2007) entspricht. Nach 2030 werden beide Energieformen
voraussichtlich stagnieren, da die Atomenergie durch die Erschöpfung der Uranvorräte lahmgelegt
wird und die Wasserkraft die produktivsten Standorte bereits ausgeschöpft haben wird und
ernsthafte Umweltprobleme verursacht.
Die weltweite Erzeugung erneuerbarer Energien (Erdwärme, Sonnenenergie, Windenergie und
Biomasse) wuchs in den Siebzigerjahren jährlich durchschnittlich um 6,3%, in den Achtzigern um
2,9%, in den Neunzigern um 3,1% und zwischen 2000 und 2004 um 4,3%. Man geht davon aus, dass
sich das Wachstum der erneuerbaren Energien zwischen 2004 und 2030 auf 7% pro Jahr
beschleunigt. Die Wachstumsrate soll dann in den 2030ern auf 6% und in den 2040ern auf 5%
jährlich fallen.
Weitere Energiequellen stellen brennbare Abfälle und traditionelle Biomasse dar. Zwischen 1971 und
2004 hat man die Menge dieser Energiequellen einfach so berechnet, dass man vom gesamten
Primärenergieverbrauch, wie ihn die Weltbank ermittelt hat, Öl, Gas, Kohle Atomenergie,
Wasserkraft und erneuerbare Energien abgezogen hat. Die anderen Energieformen sollen den
Erwartungen gemäß zwischen 2004 und 2050 weiter anwachsen. Die Gesamtsumme aus
erneuerbaren und anderen Energien entspricht der optimistischen Erwartung im Hinblick auf die
erneuerbaren Energien im Jahr 2030 im Alternativszenario der IEA (2007).
Wenn man von diesen Hochrechnungen ausgeht, dann wird die Förderung fossiler Energien weltweit
um das Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreichen, und der gesamte Primärenergieverbrauch wird gemäß
diesen Erwartungen um 2030 sein Maximum erreichen, um danach abzunehmen. Um das Jahr 2050
wird die Förderung der fossilen Energie insgesamt drei Viertel des Fördermaximums betragen, was
mit dem Niveau von 1995 vergleichbar ist. Später werden wir aufzeigen, dass viel drastischere
Einschnitte im Bereich fossiler Energien nötig sein werden, um dem Klimawandel gegenzusteuern ...
Die weltweite Wirtschaftsleistung ist gleichzusetzen mit dem Gesamtprimärenergieverbrauch
multipliziert mit der durchschnittlichen Energieeffizienz. Diese ist definiert als das BIP pro
verbrauchter Energieeinheit. Die durchschnittliche weltweite Energieeffizienz ist seit 1990
gewachsen. Motoren für dieses Wachstum waren vor allem die USA und Länder mit niedrigem und
mittlerem Einkommen. Zwischen 1975 und 2004 verbesserte sich die weltweite Energieeffizienz um
1,3% pro Jahr. Chinas Energieeffizienz verbesserte sich rasch zwischen 1980 und 1990, doch zwischen
2002 und 2004 fiel sie wieder ab.
Japan und Westeuropa haben die energieeffizientesten Ökonomien der Welt. Doch Japans
Energieeffizienz hat sich seit den frühen Neunzigern nicht verbessert, und die Energieeffizienz in der
Eurozone stagniert seit 2000. Die derzeitigen Trends in Japan und Westeuropa legen es nahe, dass es
langfristig schwierig sein könnte, dass die durchschnittliche Energieeffizienz weltweit über $ 7 vom
BIP pro Kilogramm Öläquivalent hinausgeht.
Der Spielraum für Verbesserungen der Energieeffizienz ist nicht unbegrenzt. Zunächst ist die
Verbesserung der Energieeffizienz physikalischen Gesetzen unterworfen. In dem Maße, in dem alle
wirtschaftlichen Aktivitäten bestimmte physikalische oder chemische Umwandlungsprozesse
voraussetzen, ist gemäß den physikalischen Gesetzen ein Minimum an Energie erforderlich, damit
diese Umwandlungsprozesse stattfinden können.
Investitionen in Energieeffizienz unterliegen auch dem Gesetz des sinkenden Ertrags. Zu Beginn
können möglicherweise relativ weitgehende Verbesserungen der Effizienz bei nur geringem
ökonomischen oder energetischen Aufwand erzielt werden, doch mit der Zeit sind zunehmend mehr
finanzielle und energetische Kosten erforderlich, um einen bestimmten Grad an
Effizienzverbesserung zu erreichen. (Heinberg 2004, 265 – 274). Stern und Cleveland (2004)
behaupten, dass die zu beobachtende Verbesserung der Energieeffizienz in entwickelten
kapitalistischen Ländern zu einem großen Teil auf den Umstieg von Treibstoff schlechter Qualität auf
qualitativ höherwertigen Treibstoff zurückzuführen ist. Sie legen nahe, dass in Zukunft die Aussichten
auf weitere Effizienzverbesserungen größeren Ausmaßes beschränkt sein könnten.
Einige schlagen vor, dass in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern der Energiegebrauch um einen
Faktor Vier reduziert werden könne, ohne dass dies den Lebensstandard beeinträchtigen würde.
(Hawken/Lovins/Lovins 2000). Doch Trainer macht deutlich, dass die meisten ihrer Argumente und
Beispiele eine Reduktion um 50 – 75% nahelegen, und er glaubt, dass 50% plausibel sein könnten
(2007, 115 – 117) Lightfood und Green (2001) haben eine Studie über die langfristigen technischen
Energieeffizienzpotenziale der Weltwirtschaft aufgegliedert nach den verschiedenen Bereichen
durchgeführt und kamen zur Schlussfolgerung, dass das maximale Potenzial der Energieeffizienz
zwischen 250 und 330% der durchschnittlichen Effizienz im Jahr 1990 liegt. Wenn man annimmt, dass
das gesamte Potenzial der Effizienzverbesserung bis zum Jahr 2100 ausgeschöpft wird, dann beträgt
die jährliche Rate der Steigerung der Effizienz zwischen 1990 und 2100 zwischen 0,8 und 1,1%. ...
Wenn das Fördermaximum fossiler Energien erreicht ist, werden erneuerbare Energien eine größere
Rolle bei der Energieversorgung spielen. Erneuerbare Energien haben jedoch im Allgemeinen einen
niedrigeren Nettoenergieertrag als fossile. Darüber hinaus bedingen die Umwandlung von Kohle oder
Biomasse in flüssigen oder gasförmigen Treibstoff oder die Umwandlung von Strom in Wasserstoff
oder andere Speicherformen riesige Energieverluste. Mit dem Niedergang der fossilen Brennstoffe
könnte sich somit die Energieeffizienz sehr wohl eher verschlechtern als verbessern...
Nach 2050, wenn die fossile Energie weiter abnimmt und wenn stillgelegte Atomkraftwerke und
Wasserkraftwerke nicht in vollem Umfang ersetzt werden und das Potenzial erneuerbarer Energien
ausgeschöpft ist, wird die kapitalistische Weltwirtschaft (sofern es sie dann überhaupt noch gibt) ins
Stadium eines permanenten Niedergangs eintreten.
Mineralische Rohstoffe
Eine weltweite kapitalistische Wirtschaft, die grenzenloses Wachstum und grenzenlose
Kapitalakkumulation zum Ziel hat, setzt nicht nur eine stets wachsende Energieversorgung voraus,
sondern auch eine stets wachsende Verfügbarkeit vieler anderer Ressourcen wie etwa mineralischer
Rohstoffe, Wasser und Nahrungsmittel.
Mineralische Rohstoffe sind wesentliche Bestandteile der modernen Industrie. Während
nichtmetallische Rohstoffe im Allgemeinen als reichlich vorhanden gelten, nimmt man an, dass nur
sechs Metalle (Silizium, Aluminium bzw. Bauxit, Eisen, Magnesium, Titan und Mangan) geochemisch
„im Überfluss vorhandene Metalle“ sind. Das heißt, das Gewicht ihres jeweiligen Vorkommens macht
mindestens 0,1% der Erdkruste aus. Alle anderen Metalle sind geochemisch betrachtet knapp.
Zwischen 99,9 und 99,99% der Gesamtmenge eines jeden seltenen Metalls ist in normalem
Festgestein verteilt, nur ein winziger Bruchteil findet sich in Erzgestein. Es bedarf zwischen zehn- und
hundertmal mehr Energie, um Metalle aus dem reichhaltigsten normalen Gestein zu gewinnen als
aus dem Erz mit dem schlechtesten Metallgehalt. Deshalb sind nur Erzlager wirtschaftlich zu
erschließen. (Craig/Vaughn/Skinner 1996, 209 – 298)
Bei den derzeitigen Produktionsraten werden alle erschließbaren Vorkommen von vierzehn der 32
grundlegenden Metalle in weniger als hundert Jahren erschöpft sein. Wenn der weltweite
Ressourcenverbrauch weiterhin mit 2% im Jahr wächst, werden alle wahrscheinlich erschließbaren
Vorkommen von 25 wichtigen Metallen in weniger als Hundert Jahren und alle theoretisch
erschließbaren Ressourcen von 17 Basismetallen in weniger als 150 Jahren erschöpft sein.
Die Energieerzeugung mittels erneuerbarer Quellen und Atomenergie setzt die Existenz eines
modernen Industriesektors voraus, der in der Lage ist, die erforderlichen Strukturen und die
technische Ausrüstung zu produzieren. Doch ohne die reichliche Verfügbarkeit eines breiten
Spektrums von Metallen könnte die postfossile Welt möglicherweise nicht in der Lage sein, die
erforderlichen Strukturen und die technische Ausrüstung zu produzieren, und ihre Fähigkeit, Energie
aus erneuerbaren Quellen und Atomkraftwerken herzustellen, wird deshalb begrenzt sein.
Energie, Wasser und Nahrungsmittel
Die Landwirtschaft ist die Grundlage einer jeglichen menschlichen Zivilisation. Die Landbevölkerung
macht immer noch etwa 50% der Weltbevölkerung aus. Doch die Landwirtschaft hat nur einen Anteil
von 4% am BIP, und in den entwickelten kapitalistischen Ländern beträgt die Beschäftigungsrate in
der Landwirtschaft lediglich 4%. (The Economist 2006, 244) Diese Zahlen spiegeln die Bedeutung der
Landwirtschaft für unsere Welt nicht angemessen wider.
Im Verlauf der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte die Welt ein rasches Anwachsen
der Nahrungsmittelproduktion und der Bevölkerung. Der „Erfolg“ der modernen Landwirtschaft ist
auf Mechanisierung, Chemieeinsatz (wie Kunstdünger und Pestizide), Bewässerung und
Hochertragssorten (die auf Kunstdünger und künstliche Bewässerung ansprechen) zurückzuführen.
Die moderne Landwirtschaft hat billiges Öl und Erdgas zur Grundlage und ist deshalb nicht
nachhaltig. Sie hängt von Öl und Gas für die Erzeugung von Kunstdünger und Pestiziden, für das
Funktionieren der landwirtschaftlichen Maschinen und für die Verpackung und den Transport der
Landwirtschaftsprodukte ab. Dazu kommt, dass die moderne Landwirtschaft in extrem hohem Maß
Energie und Wasser verbraucht. Um eine Nahrungskalorie zu erzeugen, bedurfte es innerhalb der
traditionellen asiatischen Landwirtschaft eines winzigen Energieinputs (weniger als 0,1 Kalorien).
Noch im Jahr 1910 realisierte die Landwirtschaft der USA immer noch ein Eins-zu-Eins-Verhältnis
zwischen fossilem Treibstoff und Nahrung. Unter den Bedingungen der heutigen modernen
Landwirtschaft muss man zehn Kalorien an fossilem Treibstoff aufwenden, um eine Kalorie Nahrung
zu produzieren. (McCluney 2005a).
Wasser ist ein weiterer wesentlicher Rohstoff für die Landwirtschaft. Die moderne Landwirtschaft ist
von ganzjähriger Bewässerung im großen Stil abhängig, um eine hohe Produktivität
aufrechtzuerhalten. Weltweit verdoppelt sich die Wassermenge zwecks Bewässerung alle zwanzig
Jahre und verbraucht fast 70% des gesamten Nutzwassers. Und etwa 11% des Ackerlandes weltweit
stehen unter ständiger Bewässerung und stellen 40% der weltweiten Nahrungsmittel bereit. Die
weltweite Erschöpfung von Grundwasserreserven beläuft sich nun auf 160 Milliarden Kubikmeter im
Jahr. Wenn die Hauptwasserreservoirs der Welt vollkommen zur Neige gehen, wird die weltweite
Nahrungsmittelproduktion plötzlich absinken. Die großen Flüsse der Welt sind eine weitere wichtige
Wasserressourcenbasis für die Landwirtschaft. Doch mit der globalen Erwärmung und dem Rückzug
der Gletscher könnte die Wasserversorgung durch die Flüsse um bis zu 25% abnehmen. (Goldsmith
2005; Kunstler 2005, 157 – 161)
Jeder Bestandteil der modernen Landwirtschaft leidet nun an sinkenden Erträgen. Die mechanisierte
Bodenbestellung, der Einsatz von Kunstdünger und Monokulturen in großem Stil tragen zur
Bodenerosion bei. Schädlinge entwickeln Resistenzen gegen Pestizide. Ganzjährige Bewässerung
führt zu einem Vollsaugen mit Wasser, zur Versalzung und zur Erschöpfung der
Grundwasserreserven. Aufgrund von Verschlechterung der Böden und dem Wachstum der Städte hat
die Gesamtfläche an bebaubarem Land weltweit ihren Höhepunkt erreicht und nimmt nun ab. Die
„Lösungen“, die Konzerne und Regierungen anzubieten versuchen, wie zum Beispiel gentechnisch
veränderte Pflanzen, drohen noch größere ökologische Schäden anzurichten. (Goldsmith 2005;
Pfeiffer 2006; Heinberg 2006, 49 – 54)
Die Getreideproduktion pro Kopf weltweit hat 1984 ihr Maximum erreicht. Die gesamte
Getreideproduktion ist weiter gewachsen, doch die Wachstumsrate fiel seit den Sechzigern. Wenn
der derzeitige Trend fortgeschrieben wird, dann wird die Getreideproduktion pro Kopf in der zweiten
Hälfte des 21. Jahrhunderts auf zwischen 200 und 250 kg fallen. Diese Größenordnungen könnten zu
weltweitem Hunger führen. Darüber hinaus geht man davon aus, dass die weltweiten Fischbestände
aufgrund ständiger Überfischung noch vor 2050 zusammenbrechen; Fischfang wird so unmöglich
gemacht und die Weltbevölkerung wird einer der Haupteiweißquellen beraubt. (Harvey 2006)
Wenn die Bodenerosion, die Verschlechterung der Böden, die Erschöpfung der
Grundwasserreservoirs und der Verlust der Artenvielfalt so weitergehen, dann könnte die
Nahrungsmittelproduktion einen Punkt erreichen, an dem sie steil und unwiederbringlich abstürzt.
Bei der bestehenden Abhängigkeit der modernen Landwirtschaft von der fossilen Energiebasis
könnte das bevorstehende Fördermaximum von Öl und Erdgas den Zusammenbruch der weltweiten
Nahrungsmittelproduktion auslösen. Ein allgemeiner Zusammenbruch der Nahrungsmittelproduktion
würde die gesamte Grundlage der menschlichen Zivilisation untergraben. Auf diese Weise könnte
sich die Landwirtschaft als das schwächste Glied in einer postfossilen Welt erweisen.
Langfristig wird ein nachhaltiges Niveau von Nahrungsmittelproduktion und Größe der Bevölkerung
wahrscheinlich viel niedriger sein als heute. Einige gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung auf
zwei bis drei Milliarden zurückgehen müsse, um Nachhaltigkeit zu erreichen. (McCluney 2005b)
...
Der globale Klimawandel
Von allen verschiedenen Aspekten der Umweltkrise ist der Klimawandel das dringlichste Problem
und mit den verheerendsten Auswirkungen verbunden. Der letzte Bericht des IPCC
(Intergovernmental Panel on Climate Change, ein Wissenschaftlergremium der UNO) weist mit
Entschiedenheit nach, dass menschliches Handeln (der Gebrauch von fossiler Energie und die
Landwirtschaft) zu einer wachsenden Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre geführt
und zur globalen Erwärmung beigetragen hat. (IPPC 2007a)
Dem IPCC-Bricht zufolge würde bei Fortschreibung des derzeitigen Trends die weltweite
Durchschnittstemperatur im Lauf dieses Jahrhunderts um zwischen 1,1 und 6,4 Grad Celsius
ansteigen. Dies würde zu Flutkatastrophen, Dürren, einer sinkenden landwirtschaftlichen Produktion,
steigendem Meeresspiegel und massiver Auslöschung von Arten führen. Wenn die weltweite
Durchschnittstemperatur um mehr als 2,5 Grad über das vorindustrielle Niveau ansteigen sollte,
dann könnte das Ökosystem der Erde zusammenzubrechen beginnen. Die Ozeane und die Biosphäre
würden zu Netto-Kohlenstoffemittenten werden und einen nicht mehr aufzuhaltenden Prozess
globaler Erwärmung verursachen. James Lovelock, der weltweit führende Experte für das Ökosystem
Erde, berichtete dem IPCC, dass der Großteil der Welt Buschland und Wüste werden würde und dass
die meisten Ozeane jeglichen Lebens beraubt würden. Ein Massensterben könnte die Bevölkerung
um mehr als 80% reduzieren. (IPCC 2007a und 2007b; Leake 2007)
Wenn man verhindern will, dass die weltweite Durchschnittstemperatur um mehr als 2 – 2,4 Grad
über das vorindustrielle Niveau steigt, dann muss man die Konzentration von Kohlenstoff in der
Atmosphäre bei weniger als 350 – 400 ppm und die Konzentration des Kohlenstoffäquivalents aller
Treibhausgase auf weniger als 445 – 490 ppm stabilisieren. Dies würde wiederum voraussetzen, dass
der weltweite Kohlendioxidausstoß sein Maximum vor 2015 erreicht und dann bezogen auf das Jahr
2000 um 50 – 85% sinkt. (IPCC 2007c)
Das IPCC schätzt, dass die Erreichung dieser Emissionsreduktionsziele etwa 5% des weltweiten BIP bis
2050 kosten würde und das Wirtschaftswachstum um ca. 0,1% pro Jahr abschwächen würde. Diese
Kostenschätzungen sind auf unglaubwürdige Weise niedrig. Wie wir oben gezeigt haben, werden,
selbst wenn man von den optimistischsten Annahmen ausgeht, erneuerbare Energien und die
Atomenergie nicht in der Lage sein, die Welt mit genügend wachsender Energie zu versorgen, um ein
weltweites Wirtschaftswachstum bis Mitte des Jahrhunderts aufrechtzuerhalten. Die
Kostenkalkulationen des IPCC würden also nur dann einen Sinn ergeben, wenn die Weltwirtschaft
weiterhin auf ein substanzielles Wachstum fossiler Energien setzen könnte, wobei man dem Ausstoß
von Treibhausgasen mittels CCS (Kohlendioxidabscheidung und -lagerung) gegensteuern könnte.
Tatsächlich ignoriert der IPCC-Bericht das bevorstehende Fördermaximum fossiler Energien völlig.
Doch der Peak der weltweiten Ölförderung wird in naher Zukunft erreicht sein, und Erdgas und Kohle
erreichen ihren Peak wahrscheinlich um 2025. Die CCS-Technik ist nicht erprobt und getestet und
wahrscheinlich sehr problematisch. Die Technik kann nur auf große Kraftwerke angewandt werden
und deshalb nicht mehr als ein Drittel des ausgestoßenen Kohlendioxids binden. Sie kann nicht auf
bereits bestehende Kraftwerke angewandt werden, und deshalb würde diese Technik erst mit
einigen Jahrzehnten Verzögerung einen spürbaren Einfluss haben, und das nur wenn man annimmt,
dass diese Technik sofort in die Praxis umgesetzt wird. CCS ist sehr teuer und könnte die
Energiekosten um 40 – 100% erhöhen. Entscheidender ist , dass die Welt nicht über genügend
geeignete Lagerstätten für große Mengen Kohlendioxid verfügt, und wenn diese Lagerstätten nicht
dauerhaft dicht sind, dann könnte das Kohlendioxid wiederum in die Atmosphäre entweichen.
(Trainer 2007, 110 – 111)
Realistisch betrachtet erfordert die Stabilisierung des Weltklimas drastische Einschnitte im
weltweiten Gebrauch fossiler Energien. Bei den bestehenden Kapazitätsgrenzen der erneuerbaren
Energien und der Atomenergie hat dies ein dramatisches Absinken der weltweiten
Wirtschaftsleistung zur Folge ...
Das Kyoto-Protokoll, das den Ausstoß der Treibhausgase in den entwickelten kapitalistischen Ländern
reduzieren sollte, ist weitgehend gescheitert. Laut dem letzten Bericht des Rahmenabkommens der
Vereinten Nationen zum Klimawandel haben die USA im Jahr 2005 16% mehr und Australien 26%
mehr Treibhausgase als im Jahr 1990 emittiert (Die USA haben das Protokoll überhaupt nicht
ratifiziert, und Australien hat dies erst vor Kurzem getan). Innerhalb der EU sind lediglich
Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Schweden auf dem Weg, ihre Kyoto-Ziele zu erreichen.
(Terra 2007)
Neue globale Anstrengungen, der globalen Erwärmung gegenzusteuern, haben beträchtliche
Hindernisse zu überwinden. Die größten Emittenten der Welt wie die USA und China haben in dieser
Hinsicht keinen Ehrgeiz. Die Chance für ein neues Klimaabkommen ist gering, wenn die Kernstaaten
sich nicht damit einverstanden erklären, der Peripherie und Semiperipherie eine
Kostenentschädigung für ihre Reduktionen anzubieten. Selbst wenn ein neues Klimaabkommen
anstelle des Kyotoprotokolls rechtzeitig zustandekommt, das die Hauptemittenten der Welt in die
Pflicht nimmt, könnten sich die Zielvorgaben, auf die sich alle großen nationalen Regierungen
verständigen, sehr wohl als zu gering und zu spät erweisen.
So behauptet etwa der sehr einflussreiche Stern-Report (Stern 2005), dass eine Stabilisierung der
Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre bei 450 ppm Kohlendioxidäquivalent bereits
außer Reichweite liegt. Er tritt für ein Ziel von 550 ppm ein. Das entspräche einer Reduktion um 60%
bezogen auf das Jahr 2000 in den entwickelten kapitalistischen Ländern (die notwendige weltweite
Reduktion läge bei weniger als 30% bezogen auf das Jahr 2000). Dies ist auch das von der British
Royal Commission on Environmental Pollution empfohlene langfristige Ziel. (Spratt/Sutton 2007) Im
Vergleich zu den USA, China und Indien scheint Großbritannien „führend“ bei den globalen
Anstrengungen zu sein, den Klimawandel zu bekämpfen. Doch ein Ziel von 550 ppm ... wird letztlich
zum kollektiven Selbstmord der Menschheit führen. Welches Klimaabkommen auch immer
zustandekommen mag, so lässt die globale wirtschaftliche und politische Realität erwarten, dass
selbst ein verwässertes Abkommen höchstwahrscheinlich nicht effektiv und angemessen umgesetzt
würde.
In jüngster Zeit drängt sich die Gewissheit auf, dass der Selbstregulierungsmechanismus der Erde
möglicherweise bereits zu versagen beginnt. Der südliche Ozean, die größte Kohlendioxidsenke der
Welt (15% des Kohlendioxid können hier absorbiert werden), ist bereits gesättigt. (McCarthy 2007) In
der Arktis schmilzt das auf dem Wasser treibende Eis schneller als erwartet. (Spratt 2007). Diese
neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die bestehenden Klimamodelle, wie sie das IPCC zugrundelegt,
die unterschiedlichen Rückkoppelungseffekte wahrscheinlich stark unterschätzt haben und dass die
Stabilisierung des Weltklimas weitaus größerer Anstrengungen und weitaus größerer Reduktionsziele
für Treibhausgase bedarf, als sie der IPCC-Bericht empfiehlt.
Jahrhunderte zügelloser kapitalistischer Akkumulation haben die Menschheit auf den Weg der
Selbstzerstörung gebracht. Das Überleben der Menschheit und der Zivilisation selbst steht auf dem
Spiel. Die Krise kann nicht innerhalb des historischen Rahmens des Kapitalismus abgewendet oder
überwunden werden. Um die menschliche Gesellschaft auf einer ökologisch nachhaltigen Basis neu
zu errichten, bedarf es eines Wirtschaftssystems, das an der Produktion von Gebrauchsgütern
orientiert ist, welche die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen befriedigen können, und nicht
auf grenzenlosen Profit und Kapitalakkumulation.
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