Vorschau - Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta'sche Buchhandlung KRITIK ENGLISCH HORN A i s Übersetzer kennt man G e o r g v o n d e r V r i n g aus Nachdichtungen von Jammes, Verlaine und Maupassant. Nun ist im Phaidon Verlag (Köln 1953) ein starker Band seiner Übertragungen angelsächsischer Lyrik, „Englisch Horn", erschienen. Das erste Gedicht ist von Chaucer, das letzte von Dylan Thomas. Vierzehn Gedichte von zehn Autoren repräsentieren die Zeit vor Shakespeare, darunter zwei von Lyly, drei von Peele. Shakespeare ist mit fünfzehn Liedern vertreten. Unter seinen zehn Zeitgenossen ist Ben Jonson dreimal übertragen, der größte Lyriker der Epoche, John Donne, einmal mit einem wenig typischen Gedicht. Herrick reizte von der Vring siebenmal, ein deutliches Zeichen von innerer Nähe. Dann führt die Reihe über fast alle repräsentativen Namen zum 19. Jahrhundert. Dort beginnen Lyriker, denen von der Vring nicht bloß in reizenden Einzelstücken zu deutscher Sprache verhilft, sondern in Kränzen von sechs (Blake), elf (Shelley), fünf (Keats), vier (Tennyson) Übertragungen. Wordsworth, Landor, Th. Moore, J o h n Cläre sind je zweimal übersetzt. Amerikaner tauchen auf: Poe, Longfellow, Thoreau, Melville, Whitman und Emily Dickinson, die Klassiker. Dann geht es über die Rossettis, Swinburne, Hopkins (mit fünf Gedichten), Wilde, Francis Thompson und Yeats zur Gegenwart: Dowson, de la Mare, Frost, E. Thomas, Drinkwater, Joyce, D. H. Lawrence, Ransom, Aiken bis zu Auden und Spender. Der Band bringt auf 250 Seiten 128 Autoren, davon sind die Hälfte moderne— Poe und Browning zu den modernen gerechnet. Solch eine Statistik ist summarisch, aber sie verdeutlicht, wie der Übersetzer seine Kräfte verteilt hat. Das Werk selbst ist ja die Frucht langer Jahre, es ist, merkt man, gewachsen und nicht nach modischen oder literarhistorischen Kategorien entworfen. Am deutlichsten wird das am Fehlen der melaphysical poets als Gruppe. Das innere Band der Auswahl sind vielmehr das Gefallen des Übersetzers gewesen, seine Lust an den Gedichten und der Ehrgeiz, sie zu übertragen. Es ist der Ehrgeiz des echten Übersetzers von Lyrik — weil er weiß, daß es keine absolute Übersetzung gibt —, eine relative zu schaffen, und das gelingt oder mißlingt ihm, wenn er die Sprache des Originals in die eigene hat aufnehmen können oder nicht. Shakespeare sagt: In delaij there lies tio plenty; Then come kiss me, sweet-and-twenhj, Youth's a stuff will not endure. Schlegel-Tieck übersetzen: Wenn ich zögre, so verscherz ich; Komm denn, Liebchen, küß mich herzig Jugend hält so kurze Zeit. Von der Vring sagt: Nicht woanders trifft dein Glanz mich, K o m m und küß mich, Süß-und-zwanzig, Denn die Jugend flieht vorbei.