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Die Weltwirtschaftskrise und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Makroökonomie (Version 28.4.2005)
Um ein Verständnis für die Makroökonomie zu entwickeln, emp…ehlt es sich gemäßStiglitz & Walsh (2002),
– die historische gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu studieren und
– mit der Great Depression (Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre) zu beginnen.
Die Weltwirtschaftskrise
Die folgende Beschreibung der Great Depression beruht auf
– Blanchard & Illing (2004, S. 647–654)
– Mankiw (2000, S. 296–302)
Weiterführende Literatur:
– Peter Tenim, Lessons from the Great Depression, Cambridge, MA: MIT Press, 1989 (mit einem
Überblick über den Verlauf der Weltwirtschaftskrise in anderen Ländern)
– Harold James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, DVA Stuttgart, 1988
Wichtiger Hinweis:
– Es ist nicht notwendig, daßSie am Beginn der Vorlesung alle in der Folge angeführten Argumente
vollständig verstehen.
– Die folgende Darstellung dient unter anderem der Motivation der Vorlesung.
– Am Ende der Vorlesung sollten alle von den Autoren angeführten Erklärungen für Sie leicht nachvollziehbar sein.
Abbildung 22.7 aus Blanchard & Illing (2004, Seite 647): Entwicklung der Arbeitslosenrate in den USA
von 1920 bis 1950:
– 1929 betrug sie 3,2%,
– bis zum Jahr 1933 stieg sie auf 24,9%,
– erst 1942 war sie wieder auf 4,7% gesunken.
Weltweite Verbreitung der Great Depression: Die durchschnittliche Arbeitslosenquote von 1930 bis 1938
betrug
– in Groß
britannien 15,4%,
– in Frankreich 10,2% und
– in Deutschland 21,2%.
Warnung: Die Qualität der Zahlen zur Arbeitslosigkeit ist für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg viel
schlechter als für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ländervergleiche sind deshalb besonders gefährlich.
In der Folge konzentrieren wir uns auf die USA und beschäftigen uns mit den folgenden drei Fragen:
– Wodurch wurde der ursprüngliche Anstieg der Arbeitslosenquote ausgelöst?
– Warum dauerte die Krise so lange?
– Wie gelangte die Wirtschaft am Ende zurück zu niedriger Arbeitslosigkeit?
1
Tabelle 22.1: Blanchard & Illing (2004, S. 649). Quellen: Historical Statistics of the United States, U.S.
Department of Commerce; Arbeitslosenquote: Serie D85-8; Wachstumsrate der Produktion (BNE) (in
Preisen von 1958), Serie F31; Preisniveau: VPI (1929 = 100), Serie E135; Geldmenge: M1 (in Mrd. $),
Serie X414.
Jahr
Arbeitslosenquote (%)
Wachstumsrate
der Produktion (%)
Preisniveau
Nominelle
Geldmenge
1929
1930
1931
1932
1933
1934
1935
1936
1937
1938
1939
1940
1941
1942
3,2
8,7
15,9
23,6
24,9
21,7
20,1
16,9
14,3
19,0
17,2
14,6
9,9
4,7
-9,8
-7,6
-14,7
-1,8
9,1
9,9
13,9
5,3
-5,0
8,6
8,5
16,1
12,9
13,2
100,0
97,4
88,8
79,7
75,6
78,1
80,1
80,9
83,8
82,2
81,0
81,8
85,9
95,1
26,4
25,4
23,6
19,4
21,5
25,5
29,2
30,3
30,0
30,0
33,6
39,6
46,5
55,3
Im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und Produktion fallen zwei Punkte auf:
– Größ
enordnung und Geschwindigkeit des Produktionseinbruchs am Anfang der Krise:
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Produktion von 1929 bis 1932: -8,6%.
Anstieg der Arbeitslosenquote innerhalb von vier Jahren von 3,2% auf 24,9%.
– Dauer der Erholungsphase:
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 1933 bis 1941: 7,7%.
dennoch lag die Arbeitslosenquote 1941, am Vorabend des Eintritts der USA in den Zweiten
Weltkrieg, immer noch bei hohen 9,9%.
Der Produktionseinbruch am Anfang der Krise
Wichtige, jedoch nicht ausschließ
liche Rolle des Börsenkrachs 1929:
– bereits vor dem Börsenkrach hatte eine Rezession eingesetzt,
Mankiw (2000) erwähnt z.B., daßder Wohnbau, der in den 20er Jahren einen exzessiven Boom
erlebt hatte, dramatisch einbrach (starke Ausweitung des Wohnungsangebots, aber gleichzeitig
geringere Einwanderung)
– auch andere Faktoren spielten später in der Wirtschaftskrise eine zentrale Rolle.
Details zum Aktienmarkt:
– Abbildung 22.8: Entwicklung des Aktienindex (S&P-lndex) von Januar 1920 bis Dezember 1950
– Boomphase von 1921 bis 1929:
Die Aktienkurse waren viel schneller gestiegen als die von den Unternehmen gezahlten Dividenden.
Das Verhältnis von Dividenden zu Aktienkurs war von 6,5% im Jahr 1921 auf 3,5% im Jahr 1929
gesunken.
2
Anmerkung: Während der 90er Jahre gab es eine ähnliche Entwicklung. Das Verhältnis von
Dividenden zu Aktienkursen betrug 1991 in den USA 3,2%, Ende 2000 1,2%.
– Am 28. Oktober 1929 …el der Aktienindex von 298 auf 260, am nächsten Tag weiter auf 230.
Innerhalb von zwei Tagen war er damit um 23% gefallen,
im Vergleich zum Spitzenwert Anfang September sogar um 40%.
– Im November lag der Index nur mehr bei 198.
– zu Beginn des Jahres 1930 kurze Erholung, dann weiterer Rückgang der Aktienkurse, als das Ausmaß
der Wirtschaftskrise zunehmend deutlich wurde.
– Juni 1932: Tiefstwert bei 47 Punkten.
Wodurch wurde der Börsenkrach 1929 ausgelöst?
– keine Hinweise auf größ
ere Neuigkeiten im Oktober, die als unmittelbarer Auslöser in Frage kommen.
– wahrscheinlich das Ende einer spekulativen Blase.
Auswirkungen des Börsenkrachs:
– Vernichtung eines Groß
teil des Finanzvermögens
– groß
e Unsicherheit über die Zukunft
– abwartendes Verhalten der Konsumenten und Unternehmen:
Verschiebung der Käufe von Gebrauchsgütern (z.B. enormer Einbruch beim Absatz von Autos)
und Investitionsgütern
– Die industrielle Produktion …el
von August bis Oktober 1929 um 1,8%,
von Oktober bis Dezember um 9,8%
von Dezember 1929 bis Dezember 1930 nochmals um 24%.
Die Kontraktion der Geldmenge
Beschreibung der Geschehnisse in Milton Friedman and Anna Schwartz, A monetary history of the United
States, 1867-1960, Princeton, NJ: Princeton University Press, 1963.
Auswirkungen des Börsenkrachs wurden durch einen groß
en Fehler der Wirtschaftspolitik verschärft:
– von 1929 bis 1933 …el die nominelle Geldmenge M1 von 26,4 Mrd. Dollar auf 19,4 Mrd. Dollar
(Rückgang von 27%).
De…nition: Die Geldmenge M1 besteht aus
– Bargeld in Händen des privaten Nichtbankensektors,
– Reiseschecks in Händen des privaten Nichtbankensektors und
– Sichtguthaben (= täglich fällige Guthaben) des privaten Nichtbankensektors bei Geschäftsbanken
und Zentralbank
Die Geldmenge M1 besteht somit
– aus Geld, das von der Zentralbank gescha¤en wird, und
– aus Geld, das von Geschäftsbanken gescha¤en wird
Anmerkung: Die Zentralbank kann die Geld- und Kreditschöpfungstätigkeit der Geschäftsbanken
anhand von diversen geldpolitischen Instrumenten beein‡ussen, aber in der Regel nicht perfekt
kontrollieren.
3
In Kapitel 4 werden die folgenden Zusammenhänge abgeleitet, die Sie an dieser Stelle noch nicht verstehen
müssen:
M1 = m H
– H = monetäre Basis (= Zentralbankgeldmenge; high-powered money)
– H besteht aus
dem Bargeld in Händen des Nichtbankensektors
und den Reserven der Geschäftsbanken (= Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank
+ Bargeld in den Tresoren der Geschäftsbanken)
– m = Geldschöpfungsmultiplikator; m > 1
– m hängt ab
von der Mindestreservepolitik der Zentralbank (wieviele Reserven müssen die Geschäftsbanken
in Verhältnis zu ihren Sichteinlagen mindestens bei der Zentralbank halten)
von Anlageverhalten des Nichtbankensektors (i.e. von der Aufteilung des Finanzvermögens auf
Bargeld, Sichteinlagen, Termineinlagen, Spareinlagen etc.)
– Details zu m:
In Kapitel 4 wird die folgende, sehr einfache Gleichung für den Geldschöpfungsmultiplikator
abgeleitet:
1
m=
c + (1 c)
Der Parameter 0 < c 1 ist der Anteil des Geldes, den die Wirtschaftssubjekte in Form von
Bargeld halten wollen.
ist das Verhältnis von Reserven der Geschäftsbanken (= Guthaben der Geschäftsbanken
bei der Zentralbank) zu Sichteinlagen (= Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Geschäftsbanken)
je größ
er c, desto kleiner ist der Multiplikator. Wenn die Wirtschaftssubjekte ausschließ
lich Bargeld halten wollen (c = 1), dann ist der Multiplikator gleich 1.
Tabelle 22.3: Blanchard & Illing (2004, S. 651): Quellen: Historical Statistics of the United States, U.S.
Department of Commerce M1: SerieX414; H: Serie X422 plus Serie X423: P: Serie El35.
Jahr
Nominelle
Geldmenge (M1)
monetäre
Basis (H)
Geldschöpfungsmultiplikator (m)
Reale Geldmenge (M1/P)
1929
1930
1931
1932
1933
26,4
25,4
23,6
20,6
19,4
7,1
6,9
7,3
7,8
8,2
3,7
3,7
3,2
2,6
2,4
26,4
26,0
26,5
25,8
25,6
P = gesamtwirtschaftliches Preisniveau
Aus Tabelle 22.3 folgt: Abnahme von M 1 war nicht auf eine Abnahme der Geldbasis H zurückzuführen,
sondern auf eine Abnahme des Geldschöpfungsmultiplikators m = M 1=H
– Von 1929 bis 1933 nahm die monetäre Basis, H, von 7,1 Milliarden Dollar auf 8,2 Milliarden Dollar
zu.
– m …el von 3,7 im Jahr 1929 auf 2,4 im Jahr 1933.
Verringerung des Geldschöpfungsmultiplikators m aufgrund von Bankenzusammenbrüchen
– aufgrund des starken Produktionseinbruchs bekamen immer mehr Kreditnehmer Probleme mit der
Bedienung bzw. Rückzahlung ihrer Kredite
4
– in der Folge dramatische Zunahme der Bankenzusammenbrüche von 1929 bis 1933:
Höchstwert im Jahr 1933 (4.000 der ungefähr 20.000 am Markt be…ndlichen Banken)
Direkte und indirekte Auswirkungen der Bankenzusammenbrüche auf die im Umlauf be…ndliche Geldmenge:
– Die bei den in Konkurs gegangenen Banken gehaltenen Sichteinlagen wurden wertlos.
– Aus Furcht vor weiteren Bankenzusammenbrüchen versuchten viele Kunden ihre Sichteinlagen aufzulösen, d.h. in Bargeld umzuwandeln.
Wie oben erwähnt, verringert die Umwandlung von Giralgeld in Bargeld (= Erhöhung von c)
den Geldschöpfungsmultiplikator m.
Die reale Geldmenge M 1=P (Wert der in Gütereinheiten gemessenen Geldmenge) bliebt annähernd konstant, da das Preisniveau P von 1929 bis 1933 ungefähr um den gleichen Prozentsatz sank wie die nominelle
Geldmenge M .
– In Kapitel 5 wird gezeigt, daßsich eine Erhöhung der realen Geldmenge M 1=P positiv auf Produktion
und Beschäftigung ausgewirkt hätte.
– Wäre die nominelle Geldmenge M 1 nicht gesunken, sondern konstant geblieben oder sogar von der
amerikanischen Zentralbank (Fed; Kurzbezeichnung für Federal Reserve System) erhöht worden,
wäre es somit zu einer expansiv wirkenden Erhöhung von M 1=P gekommen.
– Milton Friedman und Anna Schwartz argumentieren, die Fed sei für die Schwere der Wirtschaftskrise
verantwortlich:
Sie hätte den Rückgang des Geldmultiplikators durch eine viel aggressivere Ausweitung der
monetären Basis (Zentralbankgeldmenge) au¤angen müssen.
Die negativen E¤ekte der De‡ation
Tabelle 22.3: Nominalzins, In‡ation und Realzins in den USA, 1929-1933; Quelle: Zinssätze, Serie X487491, In‡ationsrate VPI, El 35-166. Realzins: Nominalzins minus In‡ationsrate. Historical Statistics of the
United States, U.S. Department of Commerce.
Jahr
Nominalzins (%)
(einjährige Anleihen)
In‡ationsrate (%)
Realzins (%)
(einjährige Anleihen)
1929
1930
1931
1932
1933
5,3
4,4
3,1
4,0
2,6
0,0
-2,5
-9,2
-10,8
-5,2
5,3
6,9
12,3
14,8
7,8
Da die nominelle Geldmenge sank, ging der Nominalzins kaum zurück. Der Zinssatz auf einjährige Unternehmensanleihen
– lag 1928 bei 4,1%,
– stieg dann 1929 auf 5,3% und
– …el von dort aus nur langsam, bis auf 2,6% im Jahr 1933.
Als Resultat der niedrigen Produktion kam es zu einer starken De‡ation. Die De‡ationsrate betrug
– 1931 9,2%,
– 1932 10,8%!
5
Der Realzins (Nominalzinssatz minus In‡ationsrate)
– stieg im Jahr 1931 auf 12,3%,
– im Jahr 1932 auf 14,8%, und
– betrug im Jahr 1933 immer noch hohe 7,8%.
Es ist nicht sehr überraschend, daßbei so hohen Realzinssätzen
– sowohl die Konsum- als auch die Investitionsnachfrage auf sehr niedrigem Niveau verharrten,
– und die Wirtschaftskrise immer schlimmer wurde.
Die Erholung
Erholung setzte 1933 ein.
Mit Ausnahme eines weiteren scharfen Einbruchs der Wachstumsraten im Jahr 1937 blieb das Wachstum
anhaltend hoch.
Von 1933 bis 1941 betrug die durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr 7,7%.
Bezüglich der Erklärung der einsetzenden Erholung bleiben immer noch viele o¤ene Fragen.
Unstrittiger Faktor, der zur Erholung beitrug: Nach der Wahl von Franklin Roosevelt im Jahr 1932
kam es zu einer Kursänderung in der Geldpolitik und zu einem dramatischen Anstieg des nominalen
Geldmengenwachstums.
– Von 1933 bis 1941 nahm die nominale Geldmenge um 140% zu, die reale Geldmenge um 100%.
– Dieser Anstieg war auf eine Ausweitung der Geldbasis, nicht auf eine Erhöhung des Geldschöpfungsmultiplikators zurückzuführen.
Es ist weniger klar, welche Rolle andere Faktoren wie das Budgetde…zit oder der von Roosevelt implementierte New Deal gespielt haben.
Programme im Rahmen des New Deal:
– Scha¤ung der Federal Deposit Insurance Corporation (Versicherung der Sichteinlagen, um Runs auf
die Banken und Bankenzusammenbrüche zu vermeiden),
– Hilfsprogramme und Arbeitsbescha¤ungsmaß
nahmen für Arbeitslose
– Sicherstellung eines “geordneten Wettbewerbs”in der Industrie durch ein von der National Recovery
Administration (NRA) durchgeführtes Programm
Die meisten Ökonomen sind sich einig, daßdiese Programme auf direktem Weg nur wenig zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitrugen.
wichtige indirekte E¤ekte dieser Programme: die Wahrnehmung, daßdie Regierung sich verp‡ichtet hatte,
die Volkswirtschaft aus der Krise herauszuführen, beein‡uß
te die Erwartungen für 1933 und die folgenden
Jahre positiv.
Der Aufschwung stellt uns jedoch auch vor ein Rätsel.
– Im Jahr 1933 endete die De‡ation. Der Rest des Jahrzehnts war durch niedrige, aber positive In‡ationsraten gekennzeichnet.
– Das Ende der De‡ation trug mit groß
er Wahrscheinlichkeit zum Aufschwung bei.
– Der Übergang von De‡ation zu relativer Preisstabilität implizierte sehr viel niedrigere reale Zinsen
als im Zeitraum von 1929 bis 1933.
6
– Das Rätsel besteht darin, warum die De‡ation 1933 endete: 1932 herrschte noch hohe De‡ation; die
Arbeitslosigkeit war auf ein Rekordniveau gestiegen.
– Nach der Theorie der Lohnsetzung und Preissetzung, die in Kapitel 6 beschrieben wird, müsste es
bei hoher Arbeitslosigkeit zu
weiteren groß
en Lohnsenkungen und
weiterer De‡ation
kommen. Eine solche Entwicklung ist jedoch nicht eingetreten.
Mögliche Ursachen für das Ende der De‡ation:
– Der im Juni 1933 verabschiedete National Industrial Recovery Act (NIRA)
verlangte von der Industrie, Mindestlöhne einzuführen und keinen Vorteil aus der hohen Arbeitslosenquote durch weitere Lohnsenkungen zu ziehen,
bot den Unternehmen jedoch als Gegenleistung eine Reduktion des Wettbewerbs auf den Gütermärkten (Stichwort: “geordneter Wettbewerb”) an.
– Hohes Produktionswachstum führte zu Engpässen in der Produktion. Die Unternehmen erhöhten bei
gegebenen Löhnen ihre Preise. Auf diese Weise wurde der de‡ationäre Druck der Arbeitslosigkeit
reduziert.
Die De‡ation kam Mitte der 30er Jahre in den meisten Ländern zu einem Ende, auch in den Ländern,
– die keine mit dem New Deal vergleichbaren Programme implementiert hatten,
– die nicht dieselben hohen Wachstumsraten wie die Vereinigten Staaten nach 1933 aufwiesen.
Weiterer Erklärungsansatz für das Ende der De‡ation:
– Wenn Arbeitnehmer für lange Zeit arbeitslos gewesen sind,
geben sie die Suche nach einem Arbeitsplatz auf und
werden im Ende¤ekt irrelevant für den Lohnsetzungsprozess.
– Langzeitarbeitslosigkeit
hat weniger Wirkung auf die Löhne als Kurzzeitarbeitslosigkeit und
damit auch weniger Wirkung auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau.
Die Frage, wie in den Vereinigten Staaten 1933 aus einer De‡ation eine In‡ation wurde, hat für das heutige
Japan groß
e Relevanz.
Die Herausforderungen für Japan in den letzten Jahren waren:
– von der De‡ation loszukommen,
– den Realzins zu senken und
– das Wachstum zu stimulieren.
Die Great Depression als Geburtsstunde der Makroökonomie
Die Theorie der Gesamtwirtschaft vor 1936
Vor 1936 hatten die Lehren der Klassischen Ökonomen dominiert.
Zentrale Bedeutung des schottischen Ökonomen Adam Smith, der im Jahr 1776 das Buch An Inquiry into
the Nature and Causes of the Wealth of Nations verö¤entlichte.
7
Idee der unsichtbaren Hand (invisible hand):
– Adam Smith (1776):
“Every individual endeavors to employ his capital so that its produce may be of greatest value. He
generally neither intends to promote the public interest, nor knows how much he is promoting it. He
intends only his own security, only his own gain. And he is in this led by an invisible hand to promote
an end which was no part of his intention. By pursuing his own interest he frequently promotes
that of society more e¤ectually than when he really intends to promote it.” [Zitat übernommen aus
Samuelson & Nordhaus (1985, S. 41)]
– Samuelson & Nordhaus (1985, S. 46):
“It says that every indivdual, in sel…shly pursuing only his or her personal good, is led, as if by an
invisible hand , to achieve the best good for all. In this best of all possible worlds, any interference
with free competition by government is almost certain to be injurious.”
– Abel & Bernanke (1991, S. 20):
“The invisible-hand idea states that if there are free markets and each person conducts his economic
a¤airs in his own best interest, then the overall economy will work well. As Smith put it, in a market
economy it is as if individuals, while pursuing their own self-interest, were led by an invisible hand
to maximize the general welfare of people in the economy.”
– Eine notwendige Voraussetzung für das ungehinderte Wirken der unsichtbaren Hand ist, daßauf allen
Märkten vollständige Konkurrenz (perfect competition) herrscht.
– Wenn der Mechanismus der unsichtbaren Hand funktioniert, dann werden die gesamtwirtschaftlichen
Produktionsmöglichkeiten voll ausgeschöpft (d.h. es gibt weder eine Unterauslastung der Kapazitäten
noch Arbeitslose).
– Henrichsmeyer, Gans und Evers (1982, S. 375):
”Die unsichtbare Hand verhindert allerdings nicht, daßes groß
e Unterschiede zwischen dem Lebensstandard der Reichen und dem der Armen gibt. . . . Der vollständige Wettbewerb tendiert längerfristig
zur optimalen Produktionsstruktur oder optimalen Faktorallokation, d.h. zur maximalen
Güterversorgung, die bei gegebenem Produktionsfaktorbestand und gegebener Produktionstechnik
möglich ist (. . . ). Da ein System vollständiger Konkurrenz letztlich von den Wünschen der Konsumenten gesteuert wird, wird tendenziell das Ziel des bedarfsgerechten Einsatzes der volkswirtschaftlichen
Produktivkräfte erreicht. . . . Das Problem, daßauch optimale Faktorallokation . . . nicht notwendig
zu gerechter Einkommensverteilung führt, wurde von den Klassikern zwar erkannt, die praktische Bedeutung von Zielkon‡ikten in diesem Bereich wurde jedoch aus heutiger Sicht allgemein
unterschätzt.”
Starker Glaube an die Selbstregulierungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems
– Da der Preismechanismus bei vollständiger Konkurrenz Ungleichgewichte auf den einzelnen Märkten
sehr rasch beseitigt, sind die Märkte — abgesehen von den kurzfristigen und daher zu vernachlässigenden Anpassungsphasen — geräumt.
– Auf dem Arbeitsmarkt gibt es stets eine ausgeprägte Tendenz in Richtung Vollbeschäftigung.
Vollbeschäftigung impliziert, daßjeder, der beim herrschenden Lohnsatz arbeiten möchte, einen
Arbeitsplatz …ndet.
– Auf dem Gütermarkt kann die bei Vollbeschäftigung und Vollauslastung der Kapazitäten erzeugte
Menge von Waren und Dienstleistungen zu den herrschenden Preisen zur Gänze abgesetzt werden.
Implikationen für die Wirtschaftspolitik:
– Geld- und …skalpolitische Maß
nahmen des Staates zur Ankurbelung der Konjunktur und der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit sind
im besten Fall über‡üssig und im
schlechtesten Fall kontraproduktiv.
8
– Die staatliche Wirtschaftspolitik sollte sich auf die Ordnungspolitik beschränken:
Festlegung der Rahmenbedingungen für die private Wirtschaftstätigkeit (z.B. rechtliche und
institutionelle Ordnung).
Wettbewerbspolitik: Maß
nahmen, die den Wettbewerb auf den einzelnen Märkten fördern und
die Flexibilität der Preise erhöhen
Kartellgesetzgebung,
Eindämmung der Gewerkschaftsmacht,
Abscha¤ung von Mindestlöhnen.
Jeder real existierende Markt sollte der idealtypischen Vorstellung eines vollständigen Konkurrenzmarktes so nahe wie möglich kommen.
Neutralität des Geldes:
– Veränderungen der im Nichtbankensektor zirkulierenden Geldmenge haben bei völlig ‡exiblen Preisen
keinerlei realwirtschaftliche Auswirkungen, d.h. sie beein‡ussen
weder die Produktion von Waren und Dienstleistungen,
noch die Beschäftigung,
noch den Realzinssatz (Nominalzinssatz minus In‡ationsrate) etc.
– Veränderungen der Geldmenge führen lediglich zu proportionalen Veränderungen der Güterpreise
und der Nominallöhne (= in Währungseinheiten gemessene Löhne).
Crowding Out E¤ect einer Erhöhung der staatlichen Nachfrage:
– Da sich die Wirtschaft bei perfekt ‡exiblen Güter- und Faktorpreisen im Zustand der Vollbeschäftigung und Vollauslastung der Kapazitäten be…ndet, kann die gesamtwirtschaftliche Produktion kurzfristig nicht ausgeweitet werden.
– Eine Erhöhung der staatlichen Nachfrage nach Gütern oder Arbeitskräften kann in diesem Fall nur
zu einer Umschichtung zwischen dem staatlichen und privaten Sektor führen.
– Beispiel 1: Erhöhung der staatlichen Investitionen wird durch zusätzliche Kredite …nanziert:
Die zusätzliche staatliche Nachfrage nach Krediten erhöht das Kreditzinsniveau.
Als Folge der Zinserhöhung werden die privaten Unternehmen weniger investieren, d.h. weniger
für den Kauf von neuen Maschinen und die Errichtung von neuen Gebäuden aufwenden; Gründe
dafür:
gestiegene Kosten der Fremd…nanzierung,
Veranlagung von Pro…ten in Form von zinstragenden Finanzaktiva (z.B. staatlichen Wertpapieren) wird attraktiver.
Als Folge der Zinserhöhung werden die privaten Haushalte ihren Konsum einschränken und mehr
sparen. Gründe dafür:
Verteuerung der Konsumentenkredite,
Vermögensbildung in Form von zinstragenden Finanzaktiva wird attraktiver.
De…nition: Unter der Ersparnis der privaten Haushalte versteht man in der volkswirtschaftlichen Sprechweise den Teil des disponiblen Einkommens der privaten Haushalte (= Einkommen
minus Steuern plus staatliche Transfers), der nicht für Konsumzwecke, sondern für die Vermögensbildung verwendet wird.
Insgesamt bewirkt die Erhöhung des Zinssatzes, daßdie Summe aus
den Investitionen der privaten Unternehmen und
den Konsumausgaben der privaten Haushalte
in genau dem Ausmaßsinkt wie die staatlichen Investitionen gestiegen sind.
Die Verdrängung (crowding out) der privaten Investitionen hat negative Auswirkungen auf die
zukünftige Entwicklung des Wohlstands:
9
Das Produktionspotential des privaten Sektors wächst umso langsamer, je geringer die privaten Investitionen sind.
Nach Ansicht der Klassiker erzeugen private Investitionen größ
ere Wachstumse¤ekte als
staatliche Investitionen (staatliche Manager sind die schlechteren Unternehmer, da sie in
vielen Fällen nicht dem Bestrafungs- bzw. Belohnungsmechanismus kompetitiver Märkte
ausgesetzt sind).
– Beispiel 2: Ausweitung der staatlichen Nachfrage wird durch eine erhöhte Besteuerung der privaten
Haushalte …nanziert:
Die Steuererhöhung verringert das disponible Einkommen der Haushalte und führt somit
zu einem Sinken des privaten Konsums und
zu einer Verringerung der privaten Ersparnis.
Die Verringerung der privaten Ersparnis impliziert einen Zinsanstieg,
der die privaten Investitionen verringert und
den privaten Konsum zusätzlich dämpft.
– Bildliche Zusammenfassung des Crowding Out E¤ekts:
Bei vollständiger Konkurrenz wird in einer Volkswirtschaft stets der größ
tmögliche Kuchen
(”Vollbeschäftigungskuchen”) gebacken.
Kurzfristig ist die Größ
e dieses Kuchens …x vorgegeben.
Wenn sich der Staat ein größ
eres Stück abschneidet, dann bleibt dem privaten Sektor (i.e. den
privaten Haushalten und Unternehmen) ein kleineres Stück. Dies kann dazu führen, daßder
Kuchen in der Zukunft weniger rasch wächst.
Die Theorie der Gesamtwirtschaft ab 1936
1936 publizierte John Maynard Keynes (1883–1946) das Buch The General Theory of Employment, Interest, and Money.
Zentrale Aussagen von Keynes:
– Es gibt keine automatische Tendenz zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht
Versagen des Preismechanismus und der unsichtbaren Hand
Möglichkeit von Unterbeschäftigungsgleichgewichten: Die Firmen
können den bei Unterauslastung der Ressourcen erzeugten Output zur Gänze absetzen,
haben aber keinen Anreiz, Produktion und Beschäftigung zu erhöhen.
– Hohe Arbeitslosigkeit mußunbedingt durch geeignete staatliche Eingri¤e bekämpft werden:
expansive Fiskalpolitik (Erhöhung der Staatsausgaben für Waren und Dienstleistungen, Senkung
der Steuern)
In einer Krise sollte die Erhöhung der staatlichen Nachfrage auf keinen Fall durch eine Erhöhung der Steuern, sondern durch eine Ausweitung des Budgetde…zits (de…cit spending)
…nanziert werden.
expansive Geldpolitik (Ausweitung der Geldmenge, Senkung der Zinsen)
Anmerkungen zur tatsächlichen Fiskalpolitik [siehe Mankiw (2000, S. 298)]:
– Am Beginn der Weltwirtschaftskrise strebte die Wirtschaftspolitik im Gegensatz zu den Forderungen
von Keynes ein ausgeglichenes Budget (balanced budget) an:
Revenue Act of 1932 : diverse Steuererhöhungen, die vor allem untere und mittelere Einkommensschichten trafen,
Forderungen nach sofortigen und drastischen Senkungen der Staatsausgaben.
10
Weitere Aussagen des Keynesianismus:
– Konjunkturzyklen werden in erster Linie durch Schwankungen der privaten Nachfrage nach Waren
und Dienstleistungen ausgelöst.
Diese Schwankungen beruhen unter anderem auf Wellen des Optimismus und Pessimismus.
Besonders instabil ist die Nachfrage der privaten Unternehmen nach Investitionsgütern.
– Konjunkturzyklen dürfen nicht einfach als naturgegeben hingenommen werden, sondern müssen mit
antizyklischer Fiskal- und Geldpolitik bekämpft werden (“macroeconomic policy should lean
against the wind”):
In der Rezession Stimulierung der Wirtschaft durch expansive Fiskal- und Geldpolitik
Erhöhung der staatlichen Nachfrage, Steuersenkung
Zinssenkung bzw. Ausweitung der Geldmenge
In der Boomphase Vermeidung von “Überhitzungserscheinungen” (d.h. von Engpässen auf den
Güter- und Faktormärkten, die zu steigenden Preisen und Löhnen führen) durch restriktive
Fiskal- und Geldpolitik
Verringerung der staatlichen Nachfrage, Steuererhöhung
Zinserhöhung bzw. Verringerung der Geldmenge
– Es gibt Situationen, in denen die Geldpolitik weniger e¤ektiv ist als die Fiskalpolitik
“Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber nicht zum Saufen zwingen”
Interpretation: Bei einem Sinken der Zinsen und einer Ausweitung des Kreditangebots kommt
es nicht zwangsläu…g zu einer Ausweitung der tatsächlichen Kreditaufnahme.
“Man kann an einem Strick ziehen, aber nicht damit schieben”
Interpretation: restriktive Geldpolitik dämpft die Konjunktur, expansive Geldpolitik mußsie
hingegen nicht unbedingt stimulieren.
Argumente für die Unwirksamkeit der Geldpolitik:
Wenn die Unternehmen sehr pessimistische Erwartungen bezüglich der zukünftigen Absatzentwicklung haben, werden sie auch bei sinkenden Zinsen nicht mehr investieren.
Liquiditätsfalle (liquidity trap): Es gibt Situationen, in denen die Zentralbank die Zinsen
(aus unterschiedlichen Gründen) nicht weiter senken kann.
– Multiplikatore¤ekt: Eine Erhöhung der Staatsausgaben um 1 Milliarde erhöht das gleichgewichtige
gesamtwirtschaftliche Einkommen um mehr als 1 Milliarde.
Wenn die Produktion und die Beschäftigung aufgrund des staatlichen Nachfrageimpulses zunehmen, dann steigen nicht nur die Pro…te der Unternehmen, sondern auch die Einkommen der
privaten Haushalte.
Die Haushalte verwenden einen Teil dieses zusätzlichen Einkommens für den Kauf von Konsumgütern und sparen den restlichen Teil.
Die zusätzliche Nachfrage nach Konsumgütern erzeugt in der Konsumgüterindustrie zusätzliches
Einkommen in Form von höheren Pro…ten und höheren Arbeitseinkommen.
Diese Zunahme der Arbeitseinkommen führt in der Folge zu einer weiteren Steigerung der Konsumgüternachfrage. Die Produktion von Konsumgütern und das dadurch gescha¤ene Einkommen
werden daher weiter zunehmen.
Dieser Prozeßsetzt sich in den folgenden Perioden fort, wobei allerdings zu beachten ist, daßdie
Produktions- und Einkommenszuwächse immer kleiner werden, da stets ein Teil des zusätzlich
gescha¤enen Einkommens “versickert”, d.h. nicht für die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen verwendet wird.
Grundsätzlich gilt: Der Multiplikatore¤ekt einer Staatsausgabenerhöhung ist umso größ
er, je
geringer die “Versickerungsrate”, d.h. je größ
er die marginale Ausgabenneigung in der Wirtschaft ist.
Die marginale Ausgabenneigung miß
t, um wieviele Einheiten die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für Waren und Dienstleistungen zunehmen, wenn das gesamtwirtschaftliche Einkommen um eine Einheit steigt.
11
– Bildliche Zusammenfassung von Unterbeschäftigungsgleichgewicht und Multiplikatore¤ekt:
Wenn sich der private Sektor der Wirtschaft in einer schweren Krise be…ndet, kann er sich gar
nicht bzw. nur sehr mühsam an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.
Wenn nun der Staat den privaten Sektor beim Schopf packt und ein paar Zentimeter aus dem
Sumpf zieht, dann scha¤t der private Sektor ein paar zusätzliche Zentimeter aus eigener Kraft.
– Bildliche Erklärung, warum der Crowding Out E¤ekt im Keynesianismus keine Rolle spielt:
In einem durch Arbeitslosigkeit und unausgelastete Kapazitäten gekennzeichneten Zustand wird
in der Wirtschaft ein Kuchen gebacken, der kleiner als der Vollbeschäftigungskuchen ist.
Eine Erhöhung der staatlichen Kuchennachfrage führt dazu, daßein größ
erer Kuchen hergestellt
wird.
Der Kuchen ist dabei im Ende¤ekt so stark gewachsen, daßsowohl der Staat als auch der private
Sektor ein größ
eres Stück erhalten.
Die Lehren von Keynes haben die Wirtschaftspolitik über Jahrzehnte beein‡uß
t:
– Nach dem 2. Weltkrieg gab es ein allgemeines Bekenntnis zum Keynesianismus (“we are all Keynesians now”)
– Derzeit ist der orthodoxe Keynesianismus aus der Mode gekommen.
Die Weiterentwicklungen der Klassischen Schule dominieren die aktuelle Wirtschaftspolitik:
Permanente Budgetde…zite und steigende Staatsverschuldung werden heute sehr kritisch gesehen (Beispiel: Stabilitäts- und Wachstumspakt): höhere Belastung von zukünftigen Generationen durch Steuererhöhungen und/oder Leistungskürzungen sowie crowding out e¤ ect
In der Geldpolitik hat die In‡ationsbekämpfung stark an Bedeutung gewonnen. (Beispiel:
Das vorrangige Ziel der EZB ist die Preisstabilität)
Neuere Entwicklungen der Keynesianischen Theorie (z.B. New Keynesians) haben einige Ergebnisse der Klassiker übernommen.
Der Glaube an die Feinsteuerung (…ne tuning) der Wirtschaft durch Geld- und Fiskalpolitik,
der noch in der 60er Jahren vorhanden war, ist verschwunden.
Nach Stiglitz und Walsh (2002) gibt es drei zentrale Lehren aus der Great Depression bzw. aus der General
Theory
– Allgemeine Akzeptanz der Au¤assung, daßes die Aufgabe des Staates wäre, Entwicklungen wie die
der Groß
en Depression durch geeignete Eingri¤e zu verhindern.
– Alterssicherung (Social Security)
– Einlagenversicherung: (Deposit Insurance)
ad Verantwortung des Staates für die Wirtschaft:
– USA 1946 Employment Act: Es ist Aufgabe der Regierung für “conditions under which there will
be a¤orded useful employment opportunities : : : for those able, willing, and seeking to work, and to
promote maximum employment, production, and purchasing power” zu sorgen.
– Scha¤ung des President’s Council of Economic Advisors (aus drei Ökonomen bestehendes Komitee,
das den Präsidenten berät)
ad Social Security
– Als Social Security 1935 eingeführt wurde,
lebten 50% der Alten in Armut
betrug die Lebenserwartung von 65 jährigen nur 12,6 Jahre
betrug der Anteil der Alten an der erwachsenen Bevölkerung weniger als 10%.
12
– Im Jahr 2001
lebten 10% der Alten in Armut,
betrug die Lebenserwartung von 65 jährigen 17,2 Jahre
betrug der Anteil der Alten an der erwachsenen Bevölkerung über 20%.
ad Einlagenversicherung:
– Reaktion auf die bank runs während der 30er Jahren (tausende Banken waren gezwungen, ihre Schalter zu schließ
en)
Der Keynesianismus hat das “Anspruchsdenken” der Wähler verändert. Diese erwarten heute vom Präsidenten, daßer für
– hohes Wirtschaftswachstum
– geringe In‡ation und
– geringe Arbeitslosigkeit
sorgt.
Die makroökonomische Entwicklung spielt für den Ausgang der Wahl eine wichtige Rolle. Ein einfaches
Maßfür die performance der Wirtschaft ist der misery index.
– Misery index ist die Summe aus Arbeitslosenrate und In‡ationsrate
– Anstieg des misery index während 1979–1980 und 1990–1991 ist eine mögliche Erklärung dafür, daß
Präsident Carter bzw. Präsident Bush sen. nicht wiedergewählt wurden
– Sinken des misery index während 1983–1984 and 1995–1996 dürfte die Wiederwahl der Präsidenten
Reagan and Clinton begünstigt haben.
Die wirtschaftliche Entwicklung der USA nach dem 2. Weltkrieg
Die Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs gab es Befürchtungen, daßdie Wirtschaft wieder in den Zustand der
Great Depression zurückkehren würde. Glücklicherweise war dies nicht der Fall:
– Die späten 40er Jahre zeichneten sich durch relativ hohes Wachstum aus, das zum Teil aus den hohen
Ausgaben der Haushalte resultierte:
während des Kriegs: Rationierung von Konsumgütern und hohe Ersparnis (Zeichnung von Kriegsanleihen)
nach dem Krieg: Kauf von Autos und Wohnungen, Gründung von Familien.
Die Steuersenkung unter Kennedy und der Beginn des “age of in‡ation”
In den 60er Jahren versuchte man erstmals, die Arbeitslosenrate durch den Einsatz der staatlichen Wirtschaftspolitik zu verringern.
1960 hatte John F. Kennedy die Wahl ganz knapp gegen Richard Nixon gewonnen.
Die Niederlage von Nixon kann zumindest teilweise durch den Einbruch des Wirtschaftswachstums und
den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 1959 erklärt werden.
Von 1958 bis 1963 betrug die durchschnittliche Arbeitslosenrate beinahe 6%, 10 Jahre zuvor betrug sie
lediglich 2,8%.
13
Kennedys Council of Economic Advisors schlug eine Steuersenkung vor, um die Arbeitslosenrate auf 4%
zu senken.
– 4% wurde damals für das dem Zustand der “Vollbeschäftigung” ensprechende Niveau der Arbeitslosigkeit gehalten.
Im Kapitel über den Arbeitsmarkt werden Sie noch sehen, warum Vollbeschäftigung in real
existierenden Volkswirtschaften nicht 0% Arbeitslosigkeit bedeutet.
Die Gegner warnten vor den Kosten dieses wirtschaftspolitischen Experiments:
– Anstieg des Budgetde…zits und
– Erhöhung der In‡ationsrate
Steuersenkung wurde 1964 tatsächlich durchgeführt.
Die Arbeitslosenrate …el unter den angestrebten Wert von 4%, (1969: 3,5%)
Wie befürchtet stieg die In‡ation:
– 1963: In‡ationsrate von 1%
– 1969: In‡ationsrate von 6,2%
Die Wirtschaftspolitiker waren der Meinung, daß
– die Verringerung der Arbeitslosenrate einen “Preis” in Form von höherer In‡ation hatte (trade-o¤
zwischen Arbeitslosigkeit und In‡ation)
– man die In‡ation durch eine Erhöhung der Arbeitslosenrate wieder senken könnte.
Vietnam Krieg:
– Die Rüstungsausgaben wurden von 1965 bis 1968 um 55% erhöht.
– Die aus der Zunahme der Rüstungsausgaben resultierende Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage steigerte den in‡ationären Druck.
– Präsident Johnson zögerte zu lange, die Überhitzung der Wirtschaft durch restriktive Fiskalpolitik
(Erhöhung der Steuern bzw. Verringerung der staatlichen Nachfrage nach zivilen Gütern) zu verhindern.
Die Fed (kurz für: Federal Reserve System; amerikanisches Zentralbankensystem) betrieb eine akkommodierende Politik: hohes Geldmengenwachstum und niedrige Zinssätze
1966-1970: hohes Wirtschaftswachstum
Die geringe Arbeitslosigkeit und die hohe Kapazitätsauslastung führten zu In‡ation: Beginn des age of
in‡ation (1966–1981)
Stag‡ation
Stag‡ation = Stagnation + In‡ation
Während der ersten Hälfte der 70er Jahre war der trade-o¤ zwischen Arbeitslosigkeit und In‡ation anscheinend verschwunden:
– Die Arbeitslosenrate stieg auf 5,4% (= Niveau vor der Steuersenkung durch Kennedy), und
– trotz dieses Anstiegs der Arbeitslosenrate blieb die In‡ation hoch.
In den 70er Jahren gab es zwei von der OPEC (Organization of Petroleum Exporting Countries) ausgelöste
Ölpreisschocks:
14
– 1. Schock: 1973/74, Erhöhung des Ölpreises von $ 2.90 auf $ 9 pro Barrel
– 2. Schock: 1979/80, Ölpreis steigt von $ 14 pro Barrel im Jahr 1978 auf $ 34 im Jahr 1979.
Folgen der Ölpreisschocks:
– steigende In‡ation und steigende Arbeitslosigkeit
– amerikanische Haushalte stiegen auf importierte PKWs mit geringerem Spritverbrauch um.
Der Sieg über die In‡ation (Tight Money, 1979 –1982)
Bereits 1971 hatte Nixon Preis- und Lohnkontrollen eingeführt, um die In‡ation zu stoppen:
– In‡ation konnte nur vorübergehend unterdrückt werden (zurückgestaute In‡ation)
– nach der Aufhebung der Kontrollen Fortsetzung des in‡ationären Prozesses
1979 hatte sich die Wirtschaft von ersten Ölpreisschock (1973/74) wieder erholt (tatsächlicher Output
erreichte wieder das Niveau des potential output)
– De…nition: Der potential output ist der gesamtwirtschaftliche Output bei Normalauslastung aller
Ressourcen (inkl. der Arbeitskraft).
– Alternative Bezeichnung: potential GDP, wobei GDP für gross domestic product steht (GDP = BIP
= Bruttoinlandsprodukt).
Als Folge des zweiten Ölpreisschocks im Jahr 1979 erreichte die In‡ation ein neues Rekordniveau; durchschnittlicher Wert für 1978 –1980: 12%.
Im Oktober 1979 Wendepunkt im Kampf gegen die In‡ation:
– Paul Volker wurde von Carter zum chairman der Fed ernannt.
– Zweistellige In‡ationsraten konnten nicht akzeptiert werden.
– Die von Volker betriebene restriktive Geldpolitik (tight money) führte zu
einer starken Erhöhung der Zinsen in den Jahren 1979 und 1980,
einer Einschränkung der Kreditvergabe an Haushalte und Firmen,
sinkenden Aktienkursen.
– Die restriktive Geldpolitik führte zu einer Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach
Waren und Dienstleistungen, wobei die zinssensitiven Komponenten wie z.B.
die Errichtung neuer Wohnbauten,
die Käufe von neuen Autos und
die Investitionen der Unternehmen (= Käufe neu produzierter dauerhafter Produktionsmittel)
besonders stark sanken.
– Folgen des Einbruchs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage:
Der gesamtwirtschaftliche Output lag Ende 1982 10% unter dem potential output,
die Arbeitslosigkeit stieg von unter 6% im Jahr 1979 auf mehr als 10% Ende 1982 (höchster Wert
nach dem zweiten Weltkrieg),
die In‡ation sank dramatisch (durchschnittlicher Wert für 1983 –1988: 4%).
– Die Umfragewerte von Präsident Reagan sanken auf ein niedriges Niveau und die Demokraten ho¤ten
auf einen Sieg im Jahr 1984.
– 1984 hatte sich die Wirtschaft aber wieder etwas erholt:
7,5% Arbeitslosigkeit
trotz des Sinkens der Arbeitslosigkeit bliebt die In‡ation niedrig
15
Reagan gewann die Wahlen mit groß
em Vorsprung
– Der erfolgreiche Kampf gegen die In‡ation wird von vielen Ökonomen als der Grundstein für die
überaus positive Entwicklung von 1982 bis 2000 interpretiert.
1982–2000 (period of the greatest macroeconomic stability in American history)
In dieser Periode gab es nur eine einzige, milde Rezession (1990–1991).
– Diese dürfte aber ein wichtiger Grund dafür gewesen sein, daßBush sen. nicht wiedergewählt wurde,
sondern gegen Clinton verlor.
Das reale Bruttoinlandsprodukt wuchs mit einer durchschnittlichen Rate von 3%.
Die durchschnittliche In‡ation lag geringfügig über dem Wert von 3,5%.
Jedoch ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre Sorge über zwei De…zite:
– Budgetde…zit
– Leistungsbilanzde…zit
ad Budgetde…zit:
– Ein Budgetde…zit liegt vor, wenn die Ausgaben des ö¤entlichen Sektors seine Einnahmen übersteigen.
– Unter Clinton gab es 1998, 1999 und 2000 einen Budgetüberschuß
.
– Im Wahlkampf 2000 war die zentrale Frage: Was machen wir mit den Budgetüberschüssen?
Steuersenkungen? Wenn ja, für wen?
Rücklagenbildung für die kommende Krise von Social Security?
– Nun gibt es wieder massive Budgetde…zite
Steuersenkung unter Bush,
Kosten des Irak-Kriegs,
Kosten der nationalen Sicherheit,
Einbruch des Wirtschaftswachstums nach dem Platzen der spekulativen Blase im Jahr 2000
Anmerkung: Je geringer das Wirtschaftswachstum, desto geringer sind die Steuereinnahmen
und desto höher die staatlichen Transfers (an Arbeitslose etc.)
ad Leistungsbilanzde…zit
– Ein Leistungsbilanzde…zit liegt vor, wenn die Summe aus
1. den Waren- und Dienstleistungsimporten,
2. den an den Rest der Welt ausgeschütteten Faktoreinkommen (in erster Linie Kapitalerträge in
Form von Zinsen, Dividenden etc.) und
3. den an den Rest der Welt geleisteten unentgeltlichen Transfers
die Summe aus
1. den Waren- und Dienstleistungsexporten,
2. den vom Rest der Welt erhaltenen Faktoreinkommen und
3. den vom Rest der Welt erhaltenen unentgeltlichen Transfers
übersteigt.
– Ein Leistungsbilanzde…zit mußdurch Kapitalimporte, d.h.
durch eine Verringerung der Forderungen gegenüber dem Ausland oder
16
durch eine Erhöhung der Verbindlichkeiten (= Schulden) gegenüber dem Ausland
…nanziert werden.
– Da die USA seit vielen Jahren relativ groß
e Leistungsbilanzde…zite aufweisen, sind sie vom größ
ten
Nettogläubiger zum größ
ten Nettoschuldner der Welt geworden (in absoluten Zahlen; nicht in % des
BIP).
Anhang
Kommentare zur General Theory
Im Jahr 1936 verö¤entlichte Keynes das Buch The General Theory of Employment, Interest, and Money, das zu
den berühmtesten, ein‡ußreichsten und umstrittensten Werken der ökonomischen Literatur zählt. Es gibt keine
einheitliche Interpretation dieses Buchs. Über Jahrzehnte hinweg hat sich die wissenschaftliche Diskussion mit
der Frage beschäftigt, “what Keynes really meant”. Die eben beschriebenen Eigenschaften der General Theory
sollen im folgenden Abschnitt anhand von Zitaten aus Snowdon, Vane and Wynarczyk (1994) näher beleuchet
werden.
Der Stil des Buches wird nicht nur von Gegnern, sondern auch von Vertretern der Keynesianischen Schule
kritisiert:
Lucas, a leading modern critic of Keynesianism, …nds it a book ‘he can’t read’ which is ‘carelessly written’ and represents a ‘political response to the Depression’ (. . . ). Even Samuelson, one of
Keynes’s earliest converts, describes the book as a ‘poorly organised’and ‘badly written’book. But
for Samuelson ‘it is a work of genius’which, because of its obscurity and polemical character, will
remain a long-run in‡uence on the development of economics (. . . ). (S. 61–62)
Unter diesen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, daßes keine einheitliche Interpretation der General
Theory gibt:
One of the great problems in discussing the content of the General Theory is that, being a highly
complex, controversial and in‡uential book, it has enabled economists of widely di¤erent persuasions
to …nd statements within it which support their own vision of Keynes’s essential message. The
Keynesiology literature, already vast, continues to grow exponentially! The diverse range of views
is a source of confusion and enlightenment. E. Roy Weintraub (1979), for example, has a chapter
entitled ‘The 4,827th re-examination of Keynes’s system’! . . .
There is no de…nitive interpretation of Keynes which commands universal support; nor could there
ever be, given the non-mathematical style of the book. . . .
Bill Gerrard (1991) attemps to analyse the reasons why di¤erent interpretations occur. These include confusions generated by Keynes himself due to ‘technical incompetence’, ‘stylistic di¢ culties’,
‘inconsistencies’ and ‘mistakes’. Other possible sources of confusion are ‘reader-generated’ and result from ‘selective reading’, ‘inappropriate framing’and ‘reliance on secondary sources’. A further
problem arises in the sheer quantity of material which Keynes produced in addition to the General
Theory; for example, some recent contributors have shifted emphasis towards Keynes’s earlier and
neglected philosophical papers (. . . ). Gerrard concludes that the achievement of Keynes’s General
Theory is mainly in ‘its ability to generate a diversity of research programmes’re‡ecting a number
of possible ways of looking at the macroeconomy. In short, Gerrard suggests that we should stop
worrying about multiple interpretations, since this con…rms the fertility of Keynes’s work and its
‘reference power’. (S. 62–63)
Auch bei der Frage, welche optimale Wirtschaftspolitik man aus der General Theory ableiten könnte, gibt es
divergierende Au¤assungen:
Keynesians themselves are divided between those who regard the policy implications of the General
Theory as being moderately conservative (. . . ) and others who see Keynes’s magnum opus as representing a revolutionary break from mainstream classical and neoclassical doctrines (. . . ). That the
General Theory has had a profound in‡uence on the conduct of macroeconomic policy-making, for
good or ill, is beyond question. (S. 60–61)
17
Arbeitslosigkeit und Reallohnniveau aus der Sicht von Keynes
Keynes war — so wie die Klassiker — der Ansicht, daßArbeitslosigkeit genau dann auftritt, wenn der Reallohn
über dem markträumenden Niveau liegt, wobei
Reallohn =
Geldlohn
Güterpreisniveau
Unter dem Geldlohn (= Nominallohn) versteht man den in Geldeinheiten gemessenen Lohnsatz. Der Reallohn
ist der in Gütereinheiten gemessene Lohnsatz. Er besagt, wieviele Gütereinheiten man für den Geldlohn erhält.
Die aus einem zu hohen Reallohn resultierende Arbeitslosigkeit, die von Keynes als unfreiwillige Arbeitslosigkeit
bezeichnet wurde, kann klarerweise durch ein Sinken des Reallohns beseitigt werden. Ein fallender Reallohn
erhöht nämlich einerseits die Arbeitsnachfrage der Unternehmen und senkt andererseits das Arbeitsangebot
(bzw. läß
t es unverändert, sofern die Arbeitsangebotsfunktion vertikal verläuft). Die zentrale Frage lautet nun:1
But how can the real wage be reduced? There are basically two ways. Either money wages must
fall relative to the price level, or the price level must rise relative to the nominal wage. Keynes
favoured the latter and he advocated expansions of aggregate demand in order to exert upward
pressure on the price level. . . . Keynes rejected the alternative policy of wage cutting as a method
of stimulating employment on both practical and theoretical grounds. The practical reason was that
in a democracy characterized by decentralized wage bargaining wage reductions are only likely to
occur after ‘wasteful and disastrous struggles’ producing an end result which is not justi…able on
any criterion of social justice or economic expediency (. . . ). Keynes also argued that workers will
not resist real wage reductions brought about by an increase in the general price level, since this
will leave relative real wages unchanged and this is a major concern of workers. . . . The resistance
to money wage cuts and acceptance of reductions in the real wage via a general rise in the cost of
living has the advantage of preserving the existing structure of relativities (. . . ). . . . But Keynes
went further in his objections to nominal wage cutting than these practical issues. He rejected wage
and price ‡exibility as a reliable method of restoring equilibrium on theoretical grounds also. Indeed
in many circumstances extreme ‡exibility of the nominal wage in a monetary economy would in all
probability make the situation worse. [Snowdon, Vane and Wynarczyk (1994, S. 69, 71)]
Die Neoklassische Synthese
Der im zuletzt angeführten Zitat verwendete Satz “He rejected wage and price ‡exibility as a reliable method
of restoring equilibrium on theoretical grounds also.” bringt die von Keynes vertretene Ansicht zum Ausdruck,
daßdie vollständige Flexibilität von Nominallöhnen und Güterpreisen keine hinreichende Bedingung für eine
automatische Tendenz zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht sei. Die orthodoxen Keynesianer versuchten im
Rahmen des auf Hicks (1937) zurückgehenden IS-LM Modells2 zu zeigen, daßunter gewissen Voraussetzungen
selbst bei ‡exiblen Löhnen und Preisen stabile Unterbeschäftigungsgleichgewichte auftreten könnten. Von den
Klassikern wurden im Rahmen des gleichen Modells entsprechende Gegenargumente entwickelt. In den 50er und
60er Jahren setzte sich in der makroökonomischen Diskussion zwischen Klassikern und Keynesianern jedoch
immer stärker die Au¤assung durch, daßstabile Unterbeschäftigungsgleichgewichte nur bei nach unten rigiden
Löhnen (und Preisen) auftreten könnten:
During the late 1950s and early 1960s a consensus view emerged, the so-called ‘neoclassical synthesis’,
in which the General Theory was seen as a special case of a more general classical theory (that is,
the case where downward money wage rigidity prevents the classical automatic adjustment to full
employment), while the need was recognized for Keynesian interventionist policies to ensure a more
rapid return to full employment. [Snowdon, Vane and Wynarczyk (1994, S. 109)].
Bei den fundamentalistischen Keynesianern stieß
en diese Entwicklungen auf heftige Opposition. Die IS-LMInterpretation der General Theory wurde als “bastardization of Keynes’s contribution” [Snowdon, Vane and
Wynarczyk (1994, S. 75)] bezeichnet. Die Neoklassische Synthese stießauf noch weniger Gegenliebe:
1 real
wage = Reallohn, money wage = Geldlohn, nominal wage = Nominallohn, employment = Beschäftigung
Modell ist Sto¤ der Vorlesung und wird in Kapitel 5 von Blanchard und Illing (2004) ausführlich beschrieben.
2 Dieses
18
In the mid-1960s a number of economists reacted against the neoclassical synthesis which minimized
Keynes’s status as an economic theorist and, in reinterpreting the General Theory, sought to reestablish Keynes’s contribution to economic theory. [Snowdon, Vane and Wynarczyk (1994, S. 109)]
Aus Zeitgründen können diese alternativen Interpretationen der Keynesianischen Theorie nicht näher beschrieben werden. Der interessierte Leser wird auf [Snowdon, Vane and Wynarczyk (1994, S. 109–123 und 367–382)]
verwiesen.
In‡ationsrate
6
- Arbeitslosenrate
Abbildung 1: The Phillips Curve
Zu der Zeit, als der Orthodoxe Keynesianismus bzw. die Neoklassische Synthese die wirtschaftspolitische Diskussion dominierten, existierte bei vielen Ökonomen der Glaube an die Möglichkeit der Feinsteuerung (…ne
tuning) der Wirtschaft: Verantwortungsbewuß
te und seriöse Wirtschaftspolitiker könnten durch eine optimale
Globalsteuerung (d.h. durch den optimalen Einsatz aller …skal- und geldpolitischen Instrumente) den Konjunkturzyklus praktisch eliminieren bzw. die Arbeitslosenrate auf einem angestrebten Niveau stabilisieren. Man
war sich in diesem Zusammenhang aber sehr wohl bewuß
t, daßman z.B. für eine Verringerung der Arbeitslosenrate auch “einen Preis zu bezahlen” hätte. Am Ende der 50er bzw. am Beginn der 60er Jahre ging man
aufgrund der von A.W. Phillips im Rahmen einer empirischen Untersuchung entdeckten Phillipskurve und
ergänzenden Überlegungen nämlich davon aus, daßes einen stabilen, langfristigen trade-o¤ zwischen Arbeitslosigkeit und In‡ation gäbe (siehe dazu Abbildung 1): Eine Verringerung der Arbeitslosenrate müß
te mit einer
Erhöhung der In‡ationsrate, eine Senkung der In‡ationsrate mit einem Ansteigen der Arbeitslosenrate erkauft
werden. Man war der Ansicht, daßsich die Regierung einen Punkt auf der Phillipskurve “aussuchen”und diesen
durch einen geeigneten Mix von Geld- und Fiskalpolitik auch tatsächlich erreichen könnte. Je mehr Bedeutung
eine Regierung dem Vollbeschäftigungsziel relativ zum Ziel der Preisniveaustabilität zuordnen würde, desto
mehr In‡ation würde sie akzeptieren. In diesem Zusammenhang lautete die übliche Einschätzung: “Rechte”
Regierungen würden einen Punkt mit relativ wenig In‡ation und entsprechend mehr Arbeitslosigkeit wählen,
“linke” Regierungen wären hingegen bereit, mehr In‡ation zu akzeptieren, um eine geringere Arbeitslosenrate
zu erreichen. Viele Ökonomen waren damals der Meinung, daßman für alle makroökonomischen Probleme eine
grundsätzliche Lösung gefunden hätte, und die zukünftigen Aufgaben nur mehr darin bestehen würden, diese
grundsätzlichen Antworten weiter auszufeilen.
Die Stag‡ation der 70er Jahre –Ergänzungen
Am Ende der 60er bzw. am Beginn der 70er Jahre wurde der Glaube an einen stabilen langfristigen trade-o¤
zwischen Arbeitslosigkeit und In‡ation schwer erschüttert und zwar einerseits durch die theoretischen Arbeiten
des Monetaristen Milton Friedman (1967 Presidential Address to the American Economic Association) und des
Keynesianers Edmund Phelps sowie andererseits durch das in vielen Volkswirtschaften auftretende Phänomen
der Stag‡ation. Die wirtschaftliche Entwicklung am Ende der 60er Jahre und am Beginn der 70er Jahre war
durch steigende In‡ationsraten gekennzeichnet. Im Gefolge des ersten Ölpreisschocks 1973/74 (Erhöhung des
Ölpreises von $ 2.90 auf $ 9 pro Barrel) kam es in vielen Ländern zu einer weiteren Erhöhung der In‡ationsrate
19
bei einem gleichzeitigen Anstieg der Arbeitslosenrate, d.h. zu einer stag‡ationären Entwicklung (Stag‡ation =
Stagnation + In‡ation). Der Keynesianische Ansatz bzw. die Neoklassische Synthese waren in dieser Situation
mit zwei Problemen konfrontiert:
Erstens stand das Phänomen der Stag‡ation mit gleichzeitig steigenden Arbeitslosen- und In‡ationsraten
im Widerspruch zu der aus der Phillipskurve abgeleiteten Überzeugung, daßes einen stabilen langfristigen trade-o¤ zwischen In‡ation und Arbeitslosigkeit gäbe. Bildlich bedeutet dies, daßdie Phillipskurve
verschwunden war; ein “wirtschaftliches Gesetz” hatte anscheinend seine Gültigkeit verloren.
Zweitens befand sich die für die Bekämpfung von Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage konzipierte Globalsteuerung angesichts der Stag‡ation in einem unlösbaren Dilemma: Einerseits sollte
die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zur Senkung der In‡ationsrate gedämpft, andererseits zur Verringerung der Arbeitslosigkeit stimuliert werden.
Diese wirtschaftlichen Probleme, welche die Grenzen der Globalsteuerung bzw. des bisher verwendeten Konzepts
der Phillipskurve aufzeigten, führten dazu, daßder Monetarismus in der wirtschaftspolitischen Diskussion
immer mehr an Bedeutung gewann und den Keynesianismus Schritt für Schritt zurückdrängte.
Literatur
[1] Abel, A.B. and B.S. Bernanke, Macroeconomics, Addison-Wesley Publishing Company, 1991.
[2] Blanchard, Olivier und Gerhard Illing, Makroökonomie, 3., aktualisierte Au‡age, Pearson Studium, 2004,
ISBN 3-8273-7051-5.
[3] Friedman, Milton, and Anna Schwartz, A monetary history of the United States, 1867-1960, Princeton,
NJ: Princeton University Press, 1963
[4] Gerrard, B., Keynes’s General Theory: Interpreting the Interpretations, Economic Journal, March 1991.
[5] Henrichsmeyer,W., O. Gans und I. Evers, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 4., verbesserte Au‡age,
Uni-Taschenbücher Band 680, Verlag Eugen Ulmer, 1982.
[6] Hicks, J.R., Mr. Keynes and the “Classics”: A Suggested Interpretation, Econometrica, April 1937.
[7] Mankiw, Gregory N., Macroeconomics, fourth edition, Worth Publishers, 2000.
[8] Samuelson, Paul A., and William D. Nordhaus, Economics, twelfth edition, McGraw-Hill Book Company,
1985.
[9] Samuelson, Paul A., and William D. Nordhaus, Economics, seventeenth edition, McGraw-Hill, 2001.
[10] Snowdon,B., H. Vane, and P. Wynarczyk, A Modern Guide to Macroeconomics — An Introduction to
Competing Schools of Thought, Edward Elgar, 1994.
[11] Stiglitz, Joseph E., and Carl E. Walsh, Economics, Third Edition, W.W. Norton & Company, 2002, ISBN
0-393-97518-5.
[12] Weintraub,E.R., Microfoundations, Cambridge University Press, 1979.
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