Borderline

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MITTWOCH
9. NOVEMBER 2011
Rheinzeitung
Gesundheit | 13
Das langsame innere Sterben in einer Welt,
für die man trotzdem viel zu lebendig ist
GEDICHT
Ich bin die Blume, die im Keim
erstickt, die Seele, die dem Körper
immer mehr entrückt.
Ich habe noch nie zu blühen
begonnen, ich habe mir stattdessen
ein Netz aus Angst gesponnen.
Ich habe mich in mich selbst zurückgezogen und mich damit um ein
Leben in Freiheit betrogen.
Ich hab ein schreiendes Kind in mir,
es fragt: «Warum ist meine Mutter
nicht hier?»
Ich kann ihm nicht helfen,
denn ich mag es nicht
und lass es damit erneut im Stich.
Was ich liebe, muss ich zerstören,
sonst würden diese Gefühle
mich unkontrollierbar betören.
Ich versuche, zarte Wurzeln
in harten Beton zu rammen,
was für ein unsäglich
frustrierendes Unterfangen.
Ich habe so grosse, klaffende
Wunden in mir – ich fühle mich wie
ein vom Löwen angefallenes Tier.
Ich möchte mir selbst helfen können,
um nicht mehr weiter von mir
davonzurennen.
(J. Schiller)
Betroffene fühlen sich oft unverstanden und sind von ihrem Umfeld enttäuscht. Dabei fühlen sie sich ihren Emotionen hilflos ausgeliefert. (Foto: Shutterstock)
Borderline Ein Leben am
Rande des Aushaltbaren. Die
emotional instabile Persönlichkeitsstörung ist für Betroffene oft ein Albtraum, aus
dem es kein Erwachen gibt.
VON DANIELA MAIER
D
ie Borderline-Störung zeichnet sich durch ein fortlaufendes
Muster
von
Instabilität in sozialen Beziehungen, im Selbstbild und der
Stimmung aus. Betroffene haben
Probleme damit, ihre Gefühle zu regulieren und reagieren oft impulsiv.
Starke Erregung, Angst, Verzweiflung und Wut, begleitet von einem
Gefühl der inneren Leere, gehören
dabei zu den unkontrollierbaren
Emotionen, denen Erkrankte oft
ausgesetzt sind. Angesiedelt ist das
Borderline-Syndrom im Grenzbereich zwischen den neurotischen
und psychotischen Erkrankungen.
Wobei leichtgradige psychische Störungen als Neurosen bezeichnet
werden und schwere psychische
BORDERLINE
Symptome
○
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Verlassenheitsängste
Intensive aber häufig wechselnde
partnerschaftliche Beziehungen
Instabilität bezüglich der eigenen
Identität
Selbstgefährdendes Verhalten
Wechselhafte Gefühlslage
Anhaltendes Gefühl der inneren
Leere
Verfolgungsideen
dissoziative Symptome
Krankheitsbilder als Psychosen.
«Borderline-Patienten sind schwerer
krank als Patienten, die unter neurotischen Erkrankungen leiden und
zeigen mitunter auch vereinzelt psychotische Symptome wie zum Beispiel Verfolgungsideen», erklärt Dr.
med. Jutta Reiter, leitende Ärztin des
Psychiatrie-Zentrums WerdenbergSarganserland.
letzungen und Brandwunden, zählen zum Beispiel der Konsum von
Drogen, zu schnelles Autofahren
und das Verspielen von Geld zu den
indirekten
Selbstschädigungen.
Selbstmordgedanken und -drohungen treten häufig auf, um ein mögliches «Verlassenwerden» zu vermeiden, aber auch um sich selbst zu bestrafen.
Sensible, mitfühlende Menschen
Beziehungen sind schwierig
«Die Patienten können meist ambu- Betroffene beschreiben die Kranklant therapiert werden, da sie den heit unter anderem als Segen und
Alltag meist selbst bewältigen kön- Fluch gleichermassen, ein Gefühl
nen. Neben Einzel- und Gruppen- zwischen Himmel und Hölle, zwipsyc hot herapien
schen Rationalität
bei uns im Zentrum
und Irrationalität.
«Die Krankheit verläuft Auf der einen Seite
stellen Selbsthilfegruppen dabei eine
öffnet sich diesen
meist chronisch.»
mögliche
Hilfe
Menschen eine Tür,
DR. MED. JUTTA REITER
dar.» Allerdings ist
die für andere für
PSYCHIATRIE-ZENTRUM
WERDENBERG-SARGANSERLAND
der Verlauf dieser
immer verborgen
Krankheit
meist
bleibt. Der Zugang
chronisch. «Eine langfristige unter- zu dieser sehr emotionalen Welt gestützende Therapie, in akuten Fällen staltet den Alltag jedoch oft sehr
auch eine kurzzeitige stationäre In- schwierig. Verlassenheits- und Trentensivtherapie, kann den Umgang nungsängste prägen die sozialen Bemit der Krankheit lehren und sie ab- ziehungen der psychisch Erkrankschwächen.» Menschen die darunter ten. Partnerschaftliche Beziehungen
leiden, sind oft sehr sensibel, mitfüh- werden oft sehr intensiv gelebt, aber
lend und verständnisvoll. Die ausge- häufig gewechselt. Dabei werden
prägte Emotionalität und Impulsivi- Partner zuerst stark idealisiert und
tät der Patienten führt zu einer für sich eingenommen, dann jedoch
grossen inneren Anspannung, die rasch abgewertet, wenn die Erwarhäufig zu selbstgefährdendem Ver- tungen nicht erfüllt werden. Die Pahalten führt. «Erkrankte fügen sich tienten leiden stark unter dieser
selbst Verletzungen zu, um den in- Symptomatik und deren Umfeld leineren Druck abzubauen, det oft mit. Traumatische Erfahrunda sie unter grosser gen in der Kindheit zählen zu den
Anspannung ste- Ursachen der Persönlichkeitsstöhen
und
sich rung. Missbrauchserfahrungen, wie
selbst nicht mehr körperliche Gewalt und sexueller
fühlen», erklärt Missbrauch, prägen die Lebensgedie Ärztin. Neben schichte vieler Betroffenen. «Fehlenden
direk ten de stabile, verlässliche Beziehungen
Selbst sch äd ig u n- in der Kindheit sowie häufig wechgen wie Schnittver- selnde Grenzen und Konsequenzen
in der Erziehung zählen zu den Ursachen. Vernachlässigung wie auch
zu viel Nähe können dabei die Störung verursachen», so die Ärztin im
Gespräch. Dr. med. Jutta Reiter respektiert ihre Patienten und legt Wert
darauf, den Menschen als Menschen
zu sehen und keine unnatürlichen
Ängste gegenüber psychischen Erkrankungen zu hegen. «Ich kann
viel von meinen Patienten lernen.
Wie sie mit Leid und Schwierigkeiten umgehen, verdient Hochachtung.» Wichtig ist ihr dabei, dass
psychische Erkrankungen nicht anders verstanden werden als körperliche. «Die fortlaufende Enstigmati-
sierung psychischer Krankheiten
verringerte bereits die Schwelle,
sich helfen zu lassen, jedoch kann
noch mehr für die Sensibilisierung
der Bevölkerung getan werden.» Im
psychiatrischen Zentrum werden
neben der Angehörigenberatung
auch öffentliche Vorträge und Veranstaltungen, die Information, Enstigmatisierung und Integration zum
Ziel haben, gehalten. Betroffene und
Angehörige finden unter folgender
Website mehr Informationen zum
Thema und zum Umgang mit der
Krankheit.
Weitere Informationen: www.psych.ch
Alternative Behandlungsmethode
Hypnose als Weg aus
dem persönlichen Albtraum
Durch die Hypnose können die Ursachen für unerwünschte Symptome
oder Verhalten gefunden und gelöst
werden. Traumatische Erfahrungen
werden in der Sitzung aus einer anderen Sicht betrachtet, bewusst verarbeitet und gelöst. Voraussetzung
für die Arbeit mit dem Hypnotiseur
ist dabei die freiwillige Einwilligung
zur Sitzung und die Bereitschaft,
sich dem Hypnotiseur in einem Erstgespräch zu öffnen und anzuvertrauen. Zusammen mit dem Coach
können dann Ziel- und Wunschzustände formuliert werden, die dauerhaft gut auf Körper und Seele wirken. «Der Fokus auf das, was wir
nicht wollen, ist ein Schritt. Der
nächste und wohl wichtigere ist, zu
wissen, wohin die Reise gehen soll»,
erklärt Susanne Öhri, Leiterin der
Praxis für Hypnose, Beratung und
Energiearbeit.
Wahrnehmung und Fokus
Während der Hypnose ändert sich
die Wahrnehmung und der Fokus
der Klienten. «Die Klienten werden
entspannter, ruhiger und können
mitbeobachten, wie der Hypnotiseur
spricht und welche inneren Bilder
von sich aus heraustreten.» Reine
Suggestionvarianten, wie in der
Showhypnose, werden bei seriösen
Hypnose Coaches vermieden, da das
Gefahrenpotenzial der Symptomverschiebung dabei sehr gross ist. «Eine
von erfahrenen und zur Therapie zugelassenen Ärzten und Psychologen
durchgeführte Hypnose kann rasche
Erfolge mit sich bringen», meint Susanne Öhri.
(dm)
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