Research Collection Educational Material Kristallographie II WS 1999/2000 Author(s): Steurer, Walter; Estermann, Michael Publication Date: 2000 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-004277658 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information please consult the Terms of use. ETH Library KRISTALLOGRAPHIE II Walter Steurer Michael Estermann WS 1999/2000 Good order is the foundation of all good things Edmund Burke Revision 1.1, pdf, 24. August 2000, mae. i Inhaltsverzeichnis 1. DER REALKRISTALL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2. PUNKTDEFEKTE ................................................................................................... 5 VERSETZUNGEN................................................................................................... 9 KORNGRENZEN ...................................................................................................15 DIFFUSION IM REALKRISTALL ..............................................................................18 STRUKTURELLE CHARAKTERISIERUNG VON MATERIALIEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 RÖNTGENBEUGUNG ............................................................................................25 2.1.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung.....................................................................25 2.1.2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie.............................................29 2.1.3 Detektion von Röntgenstrahlung .....................................................................31 2.1.4 Beugung von Röntgenstrahlung.......................................................................33 2.1.5 Das reziproke Gitter ......................................................................................37 2.1.6 Die Ewaldkonstruktion...................................................................................41 2.1.7 Beugungstheorie ...........................................................................................43 2.1.8 Beugungssymmetrie und systematische Auslöschungen.........................................47 2.2 NEUTRONENSTREUUNG .......................................................................................53 2.3 ELEKTRONENBEUGUNG .......................................................................................56 3. RÖNTGENOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGSMETHODEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.1 EINKRISTALLMETHODEN .....................................................................................58 3.1.1 Laue-Verfahren ............................................................................................59 3.1.2 Einkristall-Diffraktometrie..............................................................................62 3.2 PULVERMETHODEN .............................................................................................66 3.2.1 Debye-Scherrer-Verfahren..............................................................................67 3.2.2 Guinier-Verfahren.........................................................................................71 3.2.3 Pulverdiffraktometrie.....................................................................................73 3.2.4 Phasenanalyse..............................................................................................75 3.2.5 Linienverbreiterungen....................................................................................78 3.3 TEXTUREN UND POLFIGUREN...............................................................................80 3.4 RÖNTGENTOPOGRAPHIE ......................................................................................83 4. KRISTALLPHYSIK. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.1 GRUNDLAGEN.....................................................................................................85 4.1.1 ..........................................................................................................................88 4.1.1 Bezugssysteme..............................................................................................88 4.1.2 Definition von Eigenschaften...........................................................................89 4.1.3 Symmetrie kristallphysikalischer Eigenschaften ..................................................90 4.2 THERMISCHE EIGENSCHAFTEN .............................................................................94 4.2.1 Der Tensor der thermischen Ausdehnung...........................................................94 4.2.2 Symmetrie der Tensoren .................................................................................98 4.2.3 Der Wärmeleitfähigkeitstensor ...................................................................... 101 4.3 ELEKTRISCHE EIGENSCHAFTEN .......................................................................... 106 4.3.1 Elektrische Leitfähigkeit............................................................................... 106 4.3.2 Elektrische Polarisation, Pyroelektrizität, Ferroelektrizität ................................. 107 4.4 OPTISCHE EIGENSCHAFTEN................................................................................ 113 4.4.1 Lichtbrechung ............................................................................................ 113 4.4.2 Die Indikatrix............................................................................................. 116 4.4.3 Doppelbrechung ......................................................................................... 120 4.4.4 Optische Aktivität........................................................................................ 125 4.4.5 Nichtlineare optische Effekte......................................................................... 127 4.5 MAGNETISCHE EIGENSCHAFTEN ........................................................................ 128 4.5.1 Grundbegriffe, Magnetische Anisotropie und Ordnung....................................... 128 4.5.2 Magnetostriktion......................................................................................... 137 4.6 ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN ............................................................................ 139 5. INDEX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ii Vorbemerkung Die beiden Vorlesungen Kristallographie I und II sollen den Studierenden die Grundlagen zum Verständnis der Korrelation zwischen chemischer Zusammensetzung, Kristallstruktur und physikalischen Eigenschaften von Materialien vermitteln. Es werden auch die in diesem Zusammenhang wichtigsten kristallographischen Methoden und Techniken vorgestellt. In Kristallographie I liegt das Hauptgewicht auf der Einführung in die Symmetrielehre und in die Kristallchemie. Ziel dieser ersten Vorlesung ist, Einsicht in die geometrischen, chemischen und physikalischen Prinzipien der Bildung und Umwandlung von Kristallstrukturen zu gewinnen sowie Kristallstrukturbeschreibungen verstehen bzw. auch selbst vornehmen zu können. Die Vorlesung Kristallographie II beschäftigt sich mit dem Realkristall und seinen Baufehlern, der Materialcharakterisierung mit Beugungsmethoden sowie der Kristallphysik. Hauptziel der Vorlesung Kristallographie II ist es, einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen makroskopischen (phänomenologischen) Materialeigenschaften und der ihnen zugrunde liegenden atomaren Ordnung zu geben. Das Skript folgt in Text und Bild der Vorlesung. Es soll von allzu intensiver Mitschreibearbeit entlasten und das in der Vorlesung gezeigte Bildmaterial zur Verfügung stellen. Es kann und soll jedoch keineswegs Lehrbücher ersetzen. Wer zu bestimmten Fragen mehr wissen will, an einer umfassenderen und tiefergehenden Behandlung bestimmter Themen interessiert ist, der/dem kann sicherlich das eine oder andere der folgenden Bücher weiterhelfen: Kleber - Bautsch - Bohm: Einführung in die Kristallographie Verlag Technik. Berlin 1990 Bohm - Realstruktur von Kristallen Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart 1995 Haussühl: Kristallphysik Physik-Verlag. Weinheim 1983 Paufler: Physikalische Kristallographie VCH-Verlagsgesellschaft Weinheim 1986 Göpel/Ziegler: Einführung in die Materialwissenschaften: Physikalischchemische Grundlagen und Anwendungen Teubner Verlagsgesellschaft, Stuttgart/Leipzig, 1996 Nye: Physical Properties of Crystals Oxford Science Publications 1995 Schwartz & Cohen: Diffraction from Materials Academic Press New York/San Francisco/London 1977 Nowick: Crystal Properties via Group Theory Cambridge University Press 1995 Hecht/Zajac: Optics Addison-Wesley 1974 Jäger/Perthel: Magnetische Eigenschaften von Festkörpern Akademie Verlag Berlin 1996 Schauen Sie auch einmal auf unserer home page http://www.kristall.ethz.ch/LFK und bei http://www.iucr.ac.uk/cww-top/crystal.index.html vorbei. Viel Spass beim surfen. 1 1. Der Realkristall Der Fiktion des Idealkristalls, mit seiner unendlich ausgedehnten translationsperiodischen Struktur, steht der Realkristall, mit seiner Begrenztheit und seinen Abweichungen vom geometrisch perfekten Gitterbau, gegenüber. Viele makroskopischen Eigenschaften der Kristalle werden durch Realstrukturerscheinungen stark beeinflusst. So erleichtern Leerstellen den Platzwechsel von Atomen (Diffusion) und erlauben Versetzungen die plastische Verformung von Metallen mit relativ geringem Energieaufwand. Bestimmte Eigenschaften, wie beispielsweise die mechanische Festigkeit oder die elektronischen Transporteigenschaften, sind stark störungsempfindlich. Andere, wie die Dichte oder Lichtbrechung erscheinen dagegen weitgehend realstrukturunempfindlich. Welche Abweichungen von der Idealstruktur können auftreten? Man unterscheidet chemische, strukturelle, statische und dynamische, Gleichgewichts- und NichtGleichgewichtsstörungen. Aber auch Nicht-Gleichgewichtsstörungen können wegen langer Relaxationszeiten praktisch "eingefroren" sein. Innere Spannungen. Schwankungen in der Zusammensetzung, Temperaturgradienten und andere Störungen beim Kristallwachstum führen zu inneren mechanischen Spannungen, die beträchtliche Werte annehmen können. Spannungsinduzierte martensitische Umwandlungen werden bei sogenannten "Formgedächtnislegierungen" ("shape memory alloys", SMA) gezielt eingesetzt: Legierungen der Art Ni-Ti, Cu-Zn-Al und Cu-Al-Ni zeigen nämlich eine reversible thermoelastische Umwandlung zwischen einer zumeist kubischen Mutterphase ("Austenit") und einer oft monoklinen martensitischen Phase ("Martensit"). Beim Abkühlen wird das austenitische Gitter durch Scherung verformt und es bilden sich mehrere Orientierungen des Martensitgitters (Abb. 11, 1-2). Wird die martensitische Phase plastisch verformt, so kehrt sie beim Aufheizen wieder in ihre ursprüngliche Form zurück (Abb. 1-3). Überschreitet die Verformung einen kritischen Wert, sodass sie auch beim Aufheizen nicht gänzlich verschwindet, so ist der gesamte Prozess mehrmals wiederholbar. Abb. 1-1 Weltraumantenne aus der Formgedächtnislegierung Nitinol (Cahn, 6-38, 1991). 2 (b) (a) (c) (e) (d) Abb. 1-2 Martensitische Phasenumwandlung: (a) kubische Mutterphase ("Austenit"); (b), (c) deformierte und (d) forminvariante monokline martensitische Phase (Barret & Massalski, 1980). (a) (b) (c) (d) (e) Abb. 1-3 Schematische Darstellung des Formgedächtniseffekts: (a) "Austenit", (b) forminvarianter "Martensit", (c) und (d) plastisch verformter "Martensit", (e) "Austenit" nach dem Aufheizen wieder in ursprünglicher Form. Unten: Verformung eines belasteten martensitischen Cu-Al-Ni Kristalls als Funktion der Zeit (Cahn, 6-37,-11, 1991). Schwingungen, Phononen. Thermische Schwingungen der Atome sind auch im Gleichgewicht bei T>0 K immer vorhandene Abweichungen von der Idealstruktur. Die Atome können dabei korreliert oder unkorreliert schwingen. Eine bestimmte Schwingungsart, z.B. das gleich- oder gegensinnige Schwingen von Atomen innerhalb eines Moleküls, Rotations- oder Librationsschwingungen von Atomgruppen, nennt man Mode. In Analogie zur Bezeichnung von Lichtquanten als Photonen, nennt man die Schwingungsquanten Phononen. Je nach Art der Schwingung spricht man dann von optisch aktiven und inaktiven Phononen (Abb. 1-4), und verwendet unterschiedliche spektroskopische Methoden (IR, Raman) zu ihrer Charakterisierung. Zur Messung der Dispersionsrelation wird zumeist inelastische Neutronenstreung verwendet. 3 C) Abb. 1-4 Schematische Darstellung einer A) transversalen und B) longitudinalen Gitterschwingung. In a) ist jeweils die Gleichgewichtsposition, und in b) die Auslenkung durch ein Phonon abgebildet. In C) sind transversale akustische (oben) und optische (unten) Phononen in einem Ionenkristall gezeigt (Göpel/Ziegler, 2.1-2,-3,1996). Elektronenstörstellen, Exzitonen, Plasmonen, Magnonen, Polaronen, Polaritonen. Elektronenstörstellen ("Löcher" oder "Überschusselektronen") spielen für die elektronischen Transporteigenschaften und die Luminiszenzeffekte eine entscheidende Rolle. Exzitonen sind elektronische Anregungszustände, die den Kristall in Form einer Welle durchlaufen, oder auch an andere Störstellen gebunden sein können. Weitere kollektive Anregungszustände sind Plasmonen (Plasmawellen) und Magnonen (Spinwellen). Sekundäranregungen erfolgen durch die Polarisationswirkung der sich durch das Kristallgitter bewegenden Elektronen, "Löcher" (Polaronen) oder Exzitonen (Polaritonen). Punktdefekte. Punktartige (nulldimensionale) Störungen einer Kristallstruktur, die auch im thermodynamischen Gleichgewicht vorhanden sind (siehe Kapitel 1.1). 4 Liniendefekte, Versetzungen. Eindimensionale Baufehler, die hauptsächlich beim Wachstum und bei der plastischen Verformung von Kristallen entstehen (siehe Kapitel 1.2). Flächendefekte, Korngrenzen. Zweidimensionale Baufehler wie Kleinwinkelkorngrenzen, Zwillingsgrenzen, Stapelfehler, aber auch Antiphasengrenzen und Wände zwischen magnetischen oder ferroelektrischen Domänen, etc. (siehe Kapitel 1.3). Mischkristalle. Bei statistischer Verteilung der Komponenten von Mischkristallen wird die Translationssymmetrie gebrochen. Da alle realen Kristalle in einem gewissen Masse Verunreinigungen enthalten (99.999% Reinheit bedeutet immer noch etwa 1018 Fremdatome pro cm3) sind sie in dieser Hinsicht als Mischkristalle anzusehen. Agglomerate, Ausscheidungen, Einschlüsse. Bei höheren Konzentrationen als es dem thermodynamischen Gleichgewichtszustand entspricht, können Punktdefekte oder Fremdatome zu Clustern kondensieren, die nur wenige Nanometer Durchmesser aber auch mikroskopische Abmessungen (z.B. in Guinier-Preston Zonen) haben können (Abb. 1-5). Solche Vorgänge sind für die Zunahme der Härte und Sprödigkeit mancher Legierungen bei Temperaturbehandlungen oder Altern verantwortlich. Abb. 1-5 Mischkristall mit (a) flächen- und (b) plättchenförmigen Guinier-Preston Zonen (Meyer, 14-10, 1977). Kristalloberflächen, Grenzflächen. Kristalloberflächen und Grenzflächen zwischen unterschiedlichen Phasen (innere und äussere Grenzflächen) stellen abrupte Änderungen einer Kristallstruktur und ihrer Bindungsverhältnisse dar. Dies kann neben der Ausbildung von Defekten an den Grenzflächen auch zur Rekonstruktion der Struktur führen. 5 1.1 Punktdefekte Fehlen in einer Kristallstruktur Atome oder sitzen sie auf Zwischengitterplätzen, so spricht man von Punktdefekten. In Abb. 1.1-1 sind die wichtigsten Typen schematisch dargestellt. Diese nulldimensionalen Baufehler sind auch im thermodynamischen Gleichgewicht vorhanden. Darüber hinaus können sie z.B. durch Neutronen- und Ionenbeschuss oder mechanische Einwirkungen entstehen (Abb. 1.1-2). (g) (h) Abb. 1.1-1 Punktdefekte in binären Ionenkristallen: (a) Frenkel-Defekt: Leerstellen im Kationengitter und Kationen auf Zwischengitterplätzen; (b) Anti-Frenkel-Defekt: Leerstellen im Anionengitter und Anionen auf Zwischengitterplätzen; (c) Schottky-Defekt: Leerstellen im Kationen und im Anionengitter; (d) AntiSchottky-Defekt: Kationen und Anionen auf Zwischengitterplätzen; (e) Anti-Lagen-Defekt: Platztausch zwischen Kationen und Anionen; (f) Anti-Struktur-Defekt: Stöchiometrieverändernder gegenseitiger Ersatz von Ionen. Punktdefektagglomerate in deformiertem Silizium, (g) von Zwischengitteratomen, (h) von Leerstellen (Kleber, 3-1, 1990; Bohm, 2.1-6, 1995). 6 Abb. 1.1-2 Strahlenwirkung in einem Kristall: 1 Bahn des einfallenden Teilchens; + ionisiertes Atom; efreies Elektron; x angeregtes Atom; L Leerstelle; Z Zwischengitteratom; Cr Crowdion; D Displazierungsbereich (spike); S abgebremstes Teilchen. An dem Ort D, wo das Teilchen zur Ruhe kommt, gibt es seine restliche Energie ab. Hierbei wird das Gitter in einem Bereich von einigen nm Durchmessser aufgeschmolzen und die Struktur zerstört (Bohm, 2.3-14, 1995). Die Bestrahlung kann in manchen Materialien Phasenumwandlungen induzieren (Abb. 1.1.3). Dies kann man so erklären, dass das gestörte Gitter sich in einer einfacheren, symmetrischeren, Form rekonstruiert, auch wenn diese nicht der Gleichgewichtsmodifikation bei der gegebenen Temperatur entspricht. In jedem Fall wächst mit zunehmender Zahl von induzierten Defekten auch das Kristallvolumen an. Einige Defekte können durch Erwärmung wieder ausgeheilt werden. So gibt es z.B. Minerale, wie Zirkon (ZrSiO 4), die auf Grund der Beimengungen von Radionukliden (Th, U) über geologische Zeiträume hinweg durch Strahlung amorphisiert wurden. Erhitzt man soche Minerale, so glühen sie plötzlich auf und rekristallisieren. Abb. 1.1-3 Umwandlung von teragonalem Bariumtitanat in die bei Raumtemperatur metastabile kubische Hochtemperaturmodifikation durch Bestrahlung mit schnellen Neutronen (Bohm, 2.315, 1995). 7 Häufig relaxiert das Gitter in der Umgebung eines Punktdefekts, wobei auch die lokale Punktsymmetrie gebrochen werden kann (Abb. 1.1-4). Abb. 1.1-4 Zwischengitteratome in der (100)-Ebene einer kubisch dichtesten Kugelpackung: (a) Bildung eines Crowdion durch Zusammenrücken der Nachbaratome; (b) hantelförmiges Atompaar auf einem Gitterplatz (1) und Zwischengitteratom in Oktaederlücke (2) (Kleber, 3-2, 1990). Die Konzentration der Punktdefekte im thermodynamischen Gleichgewicht lässt sich durch eine Exponentialfunktion darstellen (Abb. 1.1-5). Unterhalb einer bestimmten Temperatur bleibt jedoch die Zahl der Punktdefekte konstant ("eingefroren"), da die für die Gleichgewichtseinstellung nötigen Diffusions- und Platzwechselvorgänge nicht mehr ablaufen können. Die Ausheilung überschüssiger Punktdefekte kann durch Annihilation, also Rekombination von zueinanderpassenden Leerstellen und Zwischengitteratomen, erfolgen aber auch durch Abwandern an Korngrenzen, Versetzungen und andere Baufehler. Abb. 1.1-5 Abhängigkeit der Konzentration von Punktdefekten Ns / N von der Temperatur (S Schmelzpunkt) (Kleber, 3-3, 1990). Die Fehlstellen erhöhen sowohl die innere Energie U als auch die Entropie S eines Systems. Die Gleichgewichtskonzentration erhält man dann aus der Minimalbedingung für die freie Energie F=U-TS. Für die Konzentration cL von Leerstellen (SchottkyDefekte) bei der Temperatur T, und der Leerstellen-Bildungsenergie E s findet man dann c L = Ns / N= exp ( – E s / kT) 8 mit NS der Zahl der Leerstellen, N der Zahl der Atome, und k=1.38x10 -23 JK-1 = 8.625x10-5 eVK -1 der Boltzmann-Konstante. Die experimentell gefundenen Werte für die Bildungsenergie ES, die in der gleichen Grössenordnung wie die Fluktuationen der thermischen Energie liegen, sind bei den meisten Metallen empirisch mit ihrer Schmelztemperatur Tm korreliert E s ≈ 9kT m Für Aluminium, beispielsweise, mit Tm=933 K erhält man damit ES≈0.72 eV verglichen mit einem experimentellen Wert von 0.76 eV. Für die Frenkel-Defekt-Konzentration cL= NF / N gilt ähnlich NF / N= NZ N exp ( – EF / 2kT) wobei NZ für die Zahl der Zwischengitterplätze und E F für die Bildungsenergie eines Frenkel-Defekts steht. Der dazu nötige Energieaufwand kann ebenfalls empirisch aus der Schmelztemperatur Tm abgeschätzt werden. E F ≈ 35 kTm Beispiel: Ein Kupferkristall mit überwiegend Schottky-Defekten und einer LeerstellenBildungsenergie von ES ≈ 1.17 eV besitzt bei Raumtemperatur eine LeerstellenGleichgewichtskonzentration von c L≈10 -20. Da ein Kupferkristall etwa 8.47x10 22 Atome pro cm3 enthält, entspricht das knapp 100 Leerstellen pro cm3. Bei 1173 K beträgt die Leerstellenkonzentration dann aber schon c L≈10 -5, also ≈1018 Leerstellen pro cm3! In der Kristallstruktur bleibt bei dieser Temperatur von 100 000 Plätzen damit jeweils einer unbesetzt; im Mittel trifft man alle 3 100000 ≈ 50 Atome auf eine Leerstelle. Die um etwa 35% geringere Leerstellen-Bildungsenergie von ≈0.76 eV für Aluminium hat demgegenüber bei Raumtemperatur verglichen mit Kupfer bereits eine zehnmillionenfach höhere Leerstellenkonzentration von c L≈10 -13 zur Folge. Bei Ionenkristallen muss bei der Erzeugung von Punktdefekten immer Elektroneutralität gewahrt bleiben. Dies kann durch entsprechend geladene Ionen (Dotierung von Halbleitern) oder auch durch einzelne Elektronen (Farbzentren) erfolgen (Abb. 1.1.-6). 9 (a) (b) Abb. 1.1-6 Dotierung von Germanium mit (a) Antimon und (b) Indium, zu Donatorbzw. Akzeptor-Störstellen führend. (c) Farbzentrum in einem Alkalihalogenidkristall (Meyer, 11-1,-6,-7, 1977). (c) 1.2 Versetzungen Versetzungen sind eindimensionale Baufehler, die sich längs einer Versetzungslinie bemerkbar machen. Formal kann eine Schraubenversetzung so konstruiert werden, dass man einen Kristallblock zur Hälfte "aufschneidet", eine Seite um einen Gittervektor b (Burgers-Vektor, gesprochen "Byrchers") parallel zur Versetzungslinie verschiebt und dann den Block wieder zusammensetzt (Volterra-Prozess). Führt man die Verschiebung senkrecht zur Versetzungslinie durch, erhält man eine Stufenversetzung (Abb. 1.2-1). Im allgemeinstem Fall besitzen Versetzungen Stufen- und Schraubenanteile. Abb. 1.2-1 Burgers-Umlauf bei einer (a) Schraubenversetzung und einer (b) Stufenversetzung (Meyer, 11-9,-10, 1977). 10 Versetzungslinien sind, bei konstantem Burgers-Vektor, im allgemeinen nicht geradlinig. Versetzungen können im Innern eines perfekten Kristalls weder beginnen noch enden; sie müssen in sich selbst zurückführen (Versetzungsring) oder die Oberfläche unter Bildung einer Versetzungsschleife durchstossen. Da Versetzungen in ihrer Umgebung eine Gitterverzerrung hervorrufen, tragen sie zur Erhöhung der Gitterenergie bei. Die Gesamtenergie E D =E e +EK einer Versetzung der Länge l setzt sich aus der elastischen Energie E e = αGb 2l , mit dem Faktor α = 0.5 ... 1.5 , dem Schubmodul G und dem Betrag b des Burgers-Vektors , sowie der Energie E K des Versetzungskerns zusammen. Die Abschätzung der Energie des Versetzungskerns beruht auf dem Modell, dass zur Zerstörung der Nahordnung im Versetzungskern einer Kette von Atomen die Schmelzwärme zugeführt werden muss. Diese liegt bei den meisten Metallen in einer Grössenordnung von ≈0.1 eV pro Atom bzw. ≈5x10-11 Jm -1, und trägt damit weniger als 10% zur Gesamtenergie der Versetzung bei. Beispiel: Ein Kupferkristall mit Schraubenversetzung und Burgers-Vektor b=2.55 Å (dem kürzesten Gittervektor im kfz Gitter entsprechend) enthält pro 1 Å Länge der Versetzungslinie eine elastische Energie von E e ≈1.5 eV. Die Energie einer Stufenversetzung liegt bei ≈2 eV. Da die Energie einer Versetzung proportional zum Quadrat der Länge des BurgersVektors ist, sind Versetzungen mit grossem Burgers-Vektor instabil. Eine Versetzung mit dem Burgers-Vektor b=2a und der Energie E a ≈4a2 besitzt also eine höhere Energie als zwei Versetzungen mit jeweils Burgers-Vektoren b=a und der Gesamtenergie Ea ≈2a2. Es käme in diesem Fall also zu einer Aufspaltung der Versetzung (Abb. 1.2-2). Tab. 1.2-1 gibt eine Aufstellung über die Stabilität von Versetzungen in kubischen und hexagonalen Gittern. a b1 (a) b2 b3 (b) Abb. 1.2-2 Aufspaltung einer Stufenversetzung mit (a) Burgers-Vektor b=2a in (b) zwei Versetzungen mit Burgersvektoren von je b=a Länge (Bohm, 3.1-11, 1995) 11 Tabelle 1.2-1 Stabilität von Versetzungen in den Bravais-Gittern cP, cI und hP (Bohm, 3.1-3, 1995). Die Energie der Versetzungen, selbst mit kleinstmöglichen Burgers-Vektoren, übertrifft die unterhalb des Schmelzpunkts möglichen thermischen Energien bei weitem, so dass Versetzungen nicht im thermodynamischen Gleichgewicht stehen. Versetzungen können während des Kristallwachstums, durch plastische Verformung (Abb. 1.2-3), oder durch Kondensation von Punktdefekten (Abb. 1.2-4) entstehen. Umgekehrt können Leerstellen durch Annihilation zweier Versetzungen entgegengesetzten Vorzeichens erzeugt werden (Abb. 1.2-5). Abb. 1.2-3 Entstehung und Wanderung einer Stufenversetzung durch mechanische Abgleitung des oberen Teilgitters unter Wirkung einer Schubspannung (Meyer, 11-11, 1977). 12 Abb. 1.2-4 Enstehung eines Versetzungsrings durch Leerstellenkondensation. (a) Idealgitter, (b) isolierte Leerstellen, (c) Leerstellenkondensation, (d) Versetzungsring (Meyer, 11-13, 1977). Abb. 1.2-5 Erzeugung einer Leerstellenreihe durch Annihilation zweier Versetzungen mit BurgersVektoren entgegengesetzten Vorzeichens (Meyer, 11-14, 1977). 13 Als Mass für die Zahl der in einem Kristall enthaltenen Versetzungen verwendet man die Versetzungsdichte ρ. Diese ist als die Länge der Versetzungslinien pro Volumeneinheit bzw. als Zahl der Durchstosspunkte der Versetzungen durch die Kristalloberfläche definiert. Typische Versetzungsdichten von Kristallen liegen bei 102....108 cm– 2 , bei plastisch verformten Metallkristallen erreicht man Werte bis zu 1014cm– 2 (siehe auch Tab. 1.2-2). Dies entspricht einer Gesamtlänge der in einem Würfel von 1 mm3 enthaltenen Versetzungslinien von ≈ 1 000 000 km, der mittlere Abstand zweier Versetzungen in einem solchen Netzwerk beträgt nur mehr etwa zwei Gitterkonstanten. Man hat damit praktisch eine ungeordnete Struktur, der Begriff der Versetzung bzw. eines Kristalls verliert seinen Sinn. Ein Beispiel für die Enstehung von Versetzungen durch Quergleitung von Netzebenen stellt die sogenannte Frank-Read-Quelle (Versetzungsquelle) dar. Hierbei breitet sich eine Versetzung (C-D in Abb. 1.2-6) durch Quergleitung zunächst halbkreisförmig und danach auch mit rückwärts gekrümmten Bereichen aus. Schliesslich treffen diese Teile hinter der Linie C-D wieder zusammen. Die Segmente annihilieren sich und man erhält die ursprüngliche Versetzung und einen sich vergrössernden Versetzungsring. Dieser Prozess kann sich beliebig wiederholen. Abb. 1.2-6 Versetzungsquelle (Frank-Reed-Quelle). Die Pfeile geben die Bewegungsrichtung der Versetzungslinie an. Der schraffierte Bereich hat eine Abgleitung um den Burgers-Vektor b erfahren (Bohm, 3.1-25, 1995). 14 Versetzungen können im Elektronenmikroskop, röntgenographisch, durch Ätzgrübchen an ihren Durchstosspunkten an der Oberfläche, oder auch durch Ausscheidungen an Versetzungslinien (Dekorationsmethode) sichtbar gemacht werden (Abb.1.2-7). Tabelle 1.2-2 Versetzungen in Kristallen (Bohm, 3.1-1, 1995) in cm-2 Versetzungsdichte 102 104 106 108 1010 1012 1014 10-3 0,1 10 103 105 107 109 mittlerer gegenseitiger Abstand der Versetzungslinien h = 1 ρ in m 10-3 10-4 10-5 10-6 10-7 10-8 10-9 relativer mittlerer Abstand 2. 106 2. 105 2. 104 2. 103 200 20 2 Gesamtlänge der Versetzungslinien in km/cm 3 . h/a für a = 5 10 -10 m Abb. 1.2-7 Abdampfstrukturen auf einer Spaltfläche von Steinsalz NaCl. Die verschiedenen Spiralformen gehen auf das Kristallwachstum bei Anwesenheit von Schraubenversetzungen (a) und Stufenversetzungen (b) zurück; Dekoration durch Bedampfung mit Gold, elektronenmikroskopische Abdrucktechnik (Meyer, 15-5, 1977). 15 1.3 Korngrenzen An einer Korngrenze treffen zwei Kristallindividuen zusammen. Je nach gegenseitiger Orientierung, unterscheidet man Kleinwinkelkorngrenzen oder Subkorngrenzen (Neigungswinkel θ von Winkelsekunden bis zu etwa ≈10°), Grosswinkelkorngrenzen (Neigungswinkel grösser θ≈10°) und Zwillingsgrenzen. Kleinwinkelkorngrenzen können in der Form von Kippkorngrenzen ("tilt") und Drehkorngrenzen ("twist") auftreten (Abb. 1.3-1). Im ersten Fall kann man die Grenze aus Stufenversetzungen mit dem Abstand h aufgebaut denken, wobei sich für den Kippwinkel θ die Beziehung θ= b h ergibt. Die Stufenversetzungen folgen mit einer Dichte ρ K aufeinander ρK = 1 /h ≈ θ b Im zweiten Fall resultiert die Korngrenze durch Aneinanderreihung von Schraubenversetzungen. Die im Realkristall auftretende Verteilung der Subkörner bedingt gemeinsam mit dem vorhandenen Versetzungsnetzwerk seinen Mosaikbau. Die Energie einer Kleinwinkelkorngrenze setzt sich im wesentlichen aus der Summe der Energien der in ihr enthaltenen einzelnen Versetzungen zusammen. 16 (d) Abb. 1.3-1 Schematische Darstellung von Kleinwinkelkorngrenzen in einem kubisch primitiven Gitter: Kippkorngrenze (a) vor und (b) nach der elastischen Relaxation (Bohm, 4.3-1, 1995) und (c) Drehkorngrenze; (d) Kippkorngrenze mit Versetzungen in einer Goldfolie (Kleber, 3-12, 1990; Bohm, 3.3-3, 1995). Zur Beschreibung von Grosswinkelkorngrenzen reichen einfache Versetzungsmodelle nicht mehr aus. Nach dem Koinzidenzmodell sind benachbarte Körner so orientiert, dass sie ein Teilgitter (Koinzidenzgitter) gemeinsam haben (Abb. 1.3-2). 17 (c) Abb. 1.3-2 (a) Koinzidenzorientierung zweier Gitter. (b) Koinzidenzkorngrenze A-B-C-D einer krz Kugelpackung. Die Punkte des Koinzidenzgitters sind in beiden Fällen ausgefüllt gezeichnet. (c) 35° Grosswinkelkorngrenze in der Germanium (110)-Ebene (Kleber, 3-14,-15, 1990; Bohm, 4.3-17, 1995). Zwillingsgrenzen trennen Kristallgebiete mit einer, einem Zwillingsgesetz entsprechenden, gegenseitigen Orientierung. Die in Abb. 1.3-2 (a) gezeigte Orientierung entspricht einer Zwillingsstellung nach einer Spiegelebene. Als kohärent bezeichnet man Zwillingsgrenzen, die mit einer Gitterebene zusammenfallen und damit eine ungestörte Struktur besitzen; andernfalls als inkohärent. Im ersten Fall ist die Grenzflächenergie deutlich kleiner als im zweiten, wo sie diejenige von Grosswinkelkorngrenzen erreicht. 18 1.4 Diffusion im Realkristall Durch Diffusionsprozesse im Realkristall werden Ausscheidungen und Umwandlungen, Sintervorgänge und Festkörperreaktionen (z.B. Korrosion, Zunderung) bestimmt. Diffusionsprozesse sind mit einer Erhöhung der Entropie verbunden und damit irreversibel. In Kristallen ist die Diffusion nur über Platzwechselvorgänge (Abb. 1.4-1 und Tab. 1.4-1) möglich: Abb. 1.4-1 Schematische Darstellung der wichtigsten Platzwechselmechanismen: (a) direkter Austausch, (b) Leerstellendiffusion, (c) Ringdiffusion, (d) Zwischengitterdiffusion, (e) Zwischengitterdiffusion im binären Einlagerungsmischkristall (Meyer, 12-3, 1977). Der direkte Austausch (Abb. 1.4-1 (a)) ist mit einer starken Gitterverzerrung verbunden. Die dazu nötige Aktivierungsenergie lässt sich unterhalb des Schmelzpunkts kaum thermisch aufbringen, dieser Mechanismus ist damit sehr unwahrscheinlich. Die Leerstellendiffusion (Abb. 1.4-1 (b)) benötigt als Aktivierungsenergie lediglich die vergleichsweise geringe Ablösearbeit der Gitterbausteine, hängt jedoch von der vorhandenen Gleichgewichtskonzentration an Leerstellen ab. Die Ringdiffusion (Abb. 1.4-1 (c)), ein korrelierter Platzwechsel, benötigt ebenfalls nur relativ geringe Aktivierungsenergien, da die resultierenden Gitterverzerrungen sehr gering ausfallen. 19 Mit der Zwischengitterdiffusion (Abb. 1.4-1 (d)) sind starke Gitterverzerrungen verbunden, die diesen Mechanismus unwahrscheinlich machen. In einem Einlagerungsmischkristall dagegen, benötigt ein derartiger Platzwechselvorgang zumeist nur eine geringe Aktivierungsenergie (Abb. 1.4-1 (e)). Tabelle 1.4-1 Aktivierungsenergien für unterschiedliche Platzwechselmechanismen in Kupfer (Kleber, 1990). __________________________________________________________________ Diffusions-Typ Aktivierungsenergie in eV __________________________________________________________________________________ Leerstellendiffusion 2.8 Ringdiffusion 3.9 Zwischengitterdiffusion 10.0 Direkter Platzwechsel 11.0 __________________________________________________________________________________ In einem Realkristall stehen neben dem bis auf Punktdefekte und thermische Schwingungen der Atome ungestörten Gitter noch weitere günstige Diffusionspfade zur Verfügung: die Oberfläche und die Korngrenzen, also äussere und innere Grenzflächen. Man unterscheidet demnach: Volumen- oder Gitter-Diffusion, sowie Oberflächen- und Korngrenzen-Diffusion. In Abb. 1.4-2 sind zur Veranschaulichung die Diffusionskoeffizienten von Silber für diese unterschiedlichen Mechanismen gezeigt. In nichtkubischen Kristallen verläuft die Diffusion richtungsabhängig (anisotrop), und der Diffusionskoeffizient muss durch einen polaren Tensor zweiter Stufe beschrieben werden (siehe Kapitel 2). (a) (b) Abb. 1.4-2 (a) Schematische Darstellung der Oberflächen-, Korngrenzen- und Volumen- oder GitterDiffusion. (b) Selbstdiffusionskoeffizienten von Silber für die drei in (a) genannten Mechanismen (Meyer, 12-4, -5, 1977). 20 Beispiel: Bismut, trigonale Kristallklasse 3m , weist die Selbstdiffusionskonstanten D0i = 1.2x10– 3cm2 sec– 1 parallel zur c-Achse und D0i = 6.9x10– 4cm2 sec– 1 senkrecht zur c-Achse auf. Die entsprechenden Aktivierungsenergien betragen 1.3 eV für Diffusionsvorgänge parallel und 6.1 eV für solche senkrecht zur c-Achse. Die partiellen Diffusionskoeffizienten der einzelnen Komponenten eines Kristalls können sehr unterschiedlich sein: in Einlagerungsmischkristallen von Kohlenstoff in Eisen, beispielsweise, ist der partielle Diffusionskoeffizient des Kohlenstoffs um mehrere Zehnerpotenzen grösser als der des Eisens (Abb. 1.4-3). Abb. 1.4-3 Einlagerungsmischkristall (Meyer, 8-8, 1977) Die Diffusion im Festkörper spielt in vielen technischen Anwendungen eine wichtige Rolle: Dotierung von Halbleitern, Oberflächenbeschichtung, Superionenleitung, Wasserstoffspeicherung, Korrosionsprozesse, etc. 21 2. Strukturelle Charakterisierung von Materialien Die strukturelle Charakterisierung von Materialien auf atomarer Ebene bildet die Grundlage zum Verständnis ihrer Eigenschaften und für die systematische Entwicklung neuer Werkstoffe. Welche der zahllosen Untersuchungsmethoden für ein konkretes Problem am besten geeignet ist, hängt von der Fragestellung und der Art der Wechselwirkung einer bestimmten Sonde mit dem zu untersuchenden Material ab. Man kann drei Hauptgruppen von Methoden, die Informationen über die Kristallstruktur eines Materials liefern können, unterscheiden: Abbildende Methoden lokal Hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) Rastertunnelmikroskopie (STM) Atomare Kraftmikroskopie (AFM) Feldionenmikroskopie (FIM) etc. Beugungsmethoden global Elektronenbeugung Neutronenbeugung Röntgenbeugung etc. Spektroskopische Methoden lokal, global gemittelt Röntgenabsorptionsspektroskopie (EXAFS) Mössbauer Spektroskopie (ME) Magnetische Kernresonanzspektroskopie (NMR) Elektronenspinresonanzspektroskopie (ESR) etc. 22 Die abbildenden Methoden geben bei entsprechender Signalverarbeitung "direkte" Information über die lokale Struktur einer Probe. Dies erlaubt auch die Abbildung von lokalen Defekten und Strukturänderungen. Mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) ist eine laterale Auflösung von bis zu 1-2 Å möglich, senkrecht dazu wird über die gesamte Probendicke von ≈100 Å gemittelt (Abb. 2-1 und 2-2). Die laterale Auflösung ist im Fall der Rastertunnel- (STM) oder auch der Kraftmikroskopie (AFM) von vergleichbarer Grösse, die vertikale Auflösung liegt dagegen im Bereich 0.1 Å (Abb. 2-3 und 2-4). Mit STM und AFM können auch Oberflächen dicker Proben untersucht werden. Für die Untersuchung der Realstruktur von Materialien sind abbildende Methoden am besten geeignet. 1...Elektronenquelle 2...Kondensor 3...Objekt 4...Objektiv 5...Apertur 6...Zwischenlinse 7...Projektiv Abb. 2-1 Schema eines Elektronenmikroskops.Abbildung eines (a) Objekts und (b) seines Beugungsbilds (Vainshtein, 4-97, 1994) 23 Abb. 2-2 Elektronenmikroskopische Aufnahme (lattice image) der modulierten Struktur des Hochtemperatursupraleiters Bi2Sr2CaCu2O8 (Cahn, 4-72, 1992) Abb. 2-3 Schematische Darstellung eines (a) Rastertunnelmikroskops (RTM) und seiner (b) Funktionsweise (Vainshtein, 4-120, 1994). Abb. 2-4 RTM-Bild eines isolierten GoldClusters von 12 Å Grösse und zwei Atomlagen Höhe auf Graphit (Vainshtein, 4124, 1994). 24 Beugungsmethoden liefern indirekte Strukturinformation, die über den gesamten durchstrahlten Probenbereich räumlich und zeitlich gemittelt ist. Da im allgemeinen die Phaseninformation der gebeugten Strahlung bei der Messung verlorengeht, bedarf es zur Strukturaufklärung spezieller mathematischer oder physikalischer Methoden zur Rekonstruktion der Phasen. Die räumliche Auflösung der Beugungsmethoden liegt bei 0.001 Å. Die zeitliche im Bereich von Mikrosekunden.Die quantitative Bestimmung von Kristallstrukturen erfolgt nahezu immer mit Hilfe von Beugungsmethoden. Abb. 2-3 Schematische Darstellung eines Beugungsexperiments (Glusker, 1-5, 1994). Spektroskopische Methoden geben zumeist, allerdings in Abhängigkeit von der verwendeten Technik auf die unterschiedlichste Art und Weise, Information über die Umgebung einer gegebenen Atomsorte wieder. Diese Information ist räumlich und zeitlich gemittelt, die Auflösung hängt von der verwendeten Technik ab. Interessiert die genaue Koordination bestimmter Atome in der Realstruktur einer Probe, so stellen spektroskopische Methoden die dafür am besten geeignete Sonde dar. Abb. 2-4 Absorption von Röntgenstrahlung in der Nähe der Absorptionskante eines Atoms. Die Feinstruktur hängt von der Art seiner Koordination ab (Vainshtein, 5-31, 1994). 25 2.1 Röntgenbeugung Seit dem historischen Röntgenbeugungsexperiment von Laue, Friedrich & Knipping (1912), bei dem zum erstenmal der Gitteraufbau der Kristalle sowie die Wellennatur der Röntgenstrahlung nachgewiesen wurde, sind über 100.000 Röntgenstrukturanalysen durchgeführt worden. Kleine und mittelgrosse Kristallstrukturen, die bis etwa 200 symmetrisch unabhängige Atome in der Elementarzelle aufweisen, lassen sich heute mit Standardmethoden innerhalb weniger Tage lösen. Für grosse Strukturen (1000 bis 1.000.000 Atome/EZ), wie sie beispielsweise bei Proteinen oder Viren auftreten, sind oft noch einige Jahre Arbeit nötig. Röntgenbeugungstechniken sind seit langem auch für Werkstoffingenieure zu Standardmethoden geworden, die zur Charakterisierung von Materialien unerlässlich sind. Sie können nicht nur zur quantitativen Kristallstrukturanalyse, sondern auch zur Charakterisierung von Realstrukturphänomenen und zur Phasenanalyse eingesetzt werden. 2.1.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung Röntgenstrahlung ist kurzwellige elektromagnetische Strahlung mit einer Energie im Bereich von ≈1 keV (weiche Röntgenstrahlung) bis ≈100 keV (harte Röntgenstrahlung). Dies entspricht nach E [eV] = hν = hc = 12396 λ λ [Å] Wellenlängen zwischen 10 Å und 0.1 Å. Die zur Strukturanalyse am häufigsten eingesetzte Röntgenstrahlung hat Wellenlängen zwischen 0.7 und 1.5 Å. Die Standardmethode zur Erzeugung von Röntgenstrahlung ist die Verwendung von evakuierten Röntgenröhren (Abb. 2.1.1-1). Diese bestehen aus einer mit 5-15 V (≈) geheizten Wolframwendel als Glühkathode, und einer wassergekühlten Anode aus einem metallischen Element (W, Ag, Mo, Cu, Fe, Cr). Die von der Glühkathode emittierten Elektronen werden in einem Hochspannungsfeld (40-80 kV =) beschleunigt und erzeugen beim Auftreffen auf die Anode ein Spektrum der Art wie es in Abb. 2.1.1-2 gezeigt ist. Mehr als 99% der kinetischen Energie der Elektronen wird dabei in Wärme umgesetzt und stellt den begrenzenden Faktor für die mit Röntgenröhren maximal erzielbaren Röntgenstrahlintensitäten dar. Verwendet man zur besseren Wärmeabfuhr rotierende Anoden ("Drehanode"), kann man bis zu zwanzigfach höhere Intensitäten erhalten. 26 (a) Target (anode) at + potential Be X-ray window Focusing cup Filament (W) at - potential Glass vacuum jacket Cooling Water Electrical connections 1. Hight Voltage between anode and filament 2. Filament heating voltage (b) Metal X-ray absorber Focused electron beam X-ray Abb. 2.1.1-1 (a) Foto und (b) schematische Darstellung einer Röntgenröhre (Cahn, 4-1, -2, 1992). Das Röntgenspektrum besteht aus zwei Komponenten: der Bremsstrahlung (weissen Strahlung) und der charakteristischen Strahlung. Beim Eintreten der durch die Spannung U beschleunigten Elektronen in die Oberfläche der Anode, verlieren diese ihre kinetische Energie eU. Geschieht dies in einem Schritt erhält man als maximale Energie für ein Röntgenquant eU =hν max = hc λmin 27 Setzt man die Zahlenwerte für die Konstanten ein, so erhält man λmin =12396 ⋅ 10–10 Vm/ U . Für 50 kV Röhrenspannung beträgt dann beispielsweise λmin = 12396 ⋅ 10 50000 –10 =0.248 Å Die gesamte ausgestrahlte Intensität I der Bremsstrahlung ist proportional zur Ordnungszahl Z des Targetelements, dem Quadrat der Röhrenspannung U und dem Röhrenstrom I I =kZU2 i Abb. 2.1.1-2 Spektrum einer Mo-Röntgenröhre: Bremsstrahlung mit aufgesetztem Linienspektrum (Cahn, 4-3, 1992). Die charakteristische Strahlung bildet ein diskretes Linienspektrum, das aus den Elektronenübergängen zwischen den inneren Schalen der Anodenatome resultiert: ein Elektron wird besipielsweise aus der K-Schale herausgeschlagen, ein nachrückendes Elektron aus der L-Schale erzeugt die Kα-Linie, eines aus der M-Schale die Kβ-Linie etc. (Abb. 2.1.1-3). Die Energiedifferenz der beiden Elektronenniveaus entspricht dabei der Energie des ausgesandten Photons. Um ein Elektron aus einer inneren Schale herauszuschlagen, benötigt man eine minimale Anregungsenergie: um beispielsweise ein Elektron aus der K-Schale eines Cu-Atoms zu entfernen, muss eine minimale Anregungsspannung von 9.0 keV aufgewendet werden (siehe auch Tabelle 2.1.1-1). Die Intensität der charakteristischen Strahlung ist P O N 3 d{ M 3 p{ 3 s Ichar = ki(V – U min)n 1.5 ≤ n ≤ 2 } } L A kont. L L 2 p{ 2 s K 1 s a) } } K K K K K A kont. b) Abb. 2.1.1-3 Energieniveaus eines Atoms: Schema zur (a) Emission und (b) Absorption von Röntgenstrahlen (Kleber, 5-3, 1990) 28 Tabelle 2.1.1-1 Anodenmaterialien in Röntgenröhren (Kleber, 5-2, 1990) Element Z λch in nm Kα1 Kα2 Kβ W Ag Mo Cu Ni Co Fe Cr 74 47 42 29 28 27 26 24 0,0209 0,0559 0,0709 0,1541 0,1658 0,1789 0,1936 0,2290 0,0214 0,0564 0,0714 0,1544 0,1662 0,1793 0,1940 0,2294 0,0184 0,0497 0,0632 0,1392 0,1500 0,1621 0,1757 0,2085 λch λAK λAK in nm 0,0178 0,0485 0,0620 0,1380 0,1487 0,1607 0,1743 0,2070 Umin in kV 69,3 25,5 20,0 9,0 8,3 7,7 7,1 6,0 Filter 1) Hf Rh Zr Ni Co Fe Mn V Wellenlänge der charakteristischen Strahlung; Umin minimale Anregungsspannung; Lage der Absorbtionskante des Anodenmaterials; Z Ordnungszahl 1 ) Filter zur Absorbtion der Kβ-Strahlung In den letzten zehn Jahren wurde Synchrotronstrahlung, als Quelle intensiver Röntgenstrahlung einem immer grösseren Benutzerkreis zugänglich (Abb. 2.1.1-4). Die in einem Synchrotron (Teilchenbeschleuniger) mit relativistischen Geschwindigkeiten umlaufenden Elektronen emittieren bei Ablenkung durch Magnetfelder elektromagnetische Strahlung. Diese kann im Röntgenbereich Intensitäten erreichen, die bis zu millionenfach höher sind als bei einer Röntgenröhre. Synchrotronstrahlung zeichnet sich neben ihrer hohen Intensität vor allem auch durch ihre geringe Divergenz, die Beugungsexperimente mit extrem hoher Auflösung erlaubt, aus. Wiggler Booster synchrotron 600 MeV Synchrotron radiation Synchrotron storage ring 2-8 GeV 60MeV linear accelerator electron source Bending magnets (a) (b) Abb. 2.1.1-4 (a) Schematische Darstellung eines Synchrotrons mit Speicherring und (b) dem typischen Synchrotronstrahlungsspektrum von harter Röntgenstrahlung bis ins Infrarote (Cahn, 8-1,-3, 1992). 29 2.1.2 Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie Die Beschleunigung, die Elektronen in der Elektronenhülle von Atomen durch das oszillierende elektrische Feld der Röntgenstrahlen erfahren, ist die Grundlage jeglicher Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit Materie. Die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit nimmt dabei etwa mit der dritten Potenz der Wellenlänge zu. Wird die Energie der Röntgenstrahlung jedoch gleich der Anregungsenergie (Absorptionskante) eines erlaubten Elektronenübergangs, verursacht die Resonanzabsorption einen drastischen Anstieg der Absorption (Abb. 2.1.2-1). (a) (b) Abb. 2.1.2-1 (a) Typischer Verlauf des Absorptionskoeffizienten als Funktion der Wellenlänge und (b) Nutzung des Effekts als Kβ-Filter (Wölfel, 42, 43, 1987). Die Absorption monochromatischer Röntgenstrahlung der Intensität I0 hängt, weit weg von einer Absorptionskante, exponentiell von der Schichtdicke d des Materials und seinem linearen Absorptionskoeffizienten µ ab I = I0exp ( – µd) µ nimmt mit der Elektronendichte (Ordnungszahl) und der Wellenlänge der Röntgenstrahlung zu. Weitere Wechselwirkungeseffekte sind: Inelastische Streuung: Die Photon-Phonon Wechselwirkung über die Stimulierung optischer Gitterschwingungen (verbunden mit einer Änderung des elektrischen Dipolmoments) führt zur Erwärmung der Probe. Röntgenstrahlen können durch Absorption eines Phonons auch energiereicher werden. Dieser Effekt kann zum Studium der Phononenverteilung von Festkörpern verwendet werden, auch wenn dieser Effekt sehr klein ist: ≈0.025 eV für eine Gitterschwingung im Vergleich zu 8000 eV für ein CuKαPhoton. 30 Photoelektrischer Effekt: wird die Photonenenergie gleich oder grösser als die Ionisierungsenergie eines Elektrons wird dieses aus der Elektronenhülle herausgeschlagen (Abb. 2.1.2-2). Seine kinetische Energie entspricht der Differenz zwischen der Energie des einfallenden Photons und der Ionisierungsenergie des Elektrons. ePhotoelectric effect K L Compton-Streuung: bei einem inelastischen Zusammenstoss zwischen einem Photon und einem Hüllenelektron wird dieses angeregt und ein Photon mit e Compton geringerer Energie emittiert scattering (Abb. 2.1.2-2). M h Abb. 2.1.2-2 Schematische Darstellung des photoelektrischen und des Compton Effekts (Cahn, 4-5, 1992). h ’ h ’< h Fluoreszenz: verliert ein Atom ein Elektron einer inneren Schale, wird beim Nachrücken von Elektronen höherer Energieniveaus Fluoreszenzstrahlung frei. Dieser Effekt wird in der Fluoreszenzspektroskopie zur qualitativen chemischen Analyse verwendet (Abb. 2.1.2-3(a)). Auger-Elektronen Erzeugung: wird ein Elektron aus einer inneren Schale herausgeschlagen, so rückt ein Elektron höherer Energie nach und ein Photon wird emittiert. Dieses kann ein Elektron einer höheren Schale (Auger-Elektron) ionisieren, das dann eine genau definierte kinetische Energie besitzt. Die Untersuchung von AugerElektronen im Rahmen der Auger-Spektroskopie kann genaue Informationen über Bindungsenergien geben (Abb. 2.1.2-3(b)). α1 α1 α2 K s lines (a) L M s sd p p K Ns s L M s s p pd Ns Auger electron (b) Abb. 2.1.2-2 Schematische Darstellung des Zustandekommens von (a) Fluoreszenz und (b) der AugerElektronen Emission (Cahn, 4-6,-7, 1992). 31 2.1.3 Detektion von Röntgenstrahlung Die Möglichkeiten und Grenzen eines Röntgenbeugungsexperiments sind ganz wesentlich von der Wahl eines geeigneten Detektionssystems (Intensitäts-, Energie-, Orts- und Zeitauflösung) mitbestimmt. Photographischer Film: die älteste, auch heute noch verwendete Methode Röntgenstrahlen zu detektieren. • Vorteile: 2-dim Detektor, billig (siehe Tabelle 2.1.3-1) • Nachteile: off line, Kalibrierung über Graukeil nötig, beschränkte Auflösung, langsam, nur einmal verwendbar Szintillationszähler: am häufigsten verwendeter Detektor aus Tl-dotiertem NaI-Kristallen. Im NaIKristall werden Röntgenquanten absorbiert und Photo- und Auger-Elektronen erzeugt, die ihrerseits Fluoreszenz (λ=4100 Å) hervorrufen. Die Fluoreszenzstrahlung wird über einen Photoelektronenvervielfacher registriert. • Vorteile: on line, hohe Quantenausbeute, geringe Totzeit (1 ms) • Nachteile: 0-dim Detektor, geringe Energiediskriminierung (70%) Halbleiter-Detektor: Li-dotierter Si oder Ge-Kristall, in dem einfallende Röntgenquanten Photoelektronen mit einer Energie entsprechend der Energiedifferenz zwischen Röntgenquant und Bindungsenergie des Elektrons, erzeugen. Die Photoelektronen geben ihre Energie dann in Sprüngen von 3.8 eV unter Erzeugung von Ketten von Elektron-Loch-Paaren ab. Somit ist die Zahl der erzeugten Elektronen proportional zur Energie der Röntgenquanten. • Vorteile: on line, Energiediskriminierung (5% Auflösung) • Nachteile: 0-dim Detektor, lange Totzeit (50 ms), Kühlung mit flüssigem Stickstoff nötig Linear-Detektor: einfallende Röntgenquanten ionisieren ein Füllgas (Ar, Kr), die Ionen werden zu einem Zähldraht hin beschleunigt. Durch Kollision werden weitere Ionen erzeugt. Die im graphitbeschichteten Zähldraht in beide Richtungen laufenden Impulse werden über ihre Zeitdifferenz einem Ort auf dem Draht zugeordnet. • Vorteile: 1-dim Detektor, on line, Energiediskriminierung (20%) • Nachteile: geringe Ortsauflösung (≈0.15°) 32 Bildplatte (Image Plate): Röntgenstrahlen erzeugen durch die Bildung von Farbzentren ein latentes Bild auf einer Bildplatte (BaFBr/Eu2+ ). Belichten mit einem He/Ne-Laser stimuliert Fluoreszenzstrahlung mit einer Intensität proportional zur Zahl der absorbierten Röntgenquanten. • Vorteile: 2-dim Detektor, etwa 100 mal schneller und 1000 mal grösserer Dynamikbereich als Röntgenfilm (siehe Tab. 2.1.3-1) • Nachteile: geringe Auflösung (80-150 µm Pixelgrösse) Tabelle 2.1.3 Vergleich einiger Flächendetektoren (Vainshtein, 5-3, 1994) Number of pixels Pixel dimension Dynamical range Detector background of the diffraction area, photons High speed Efficiency for CuKα Photofilm with microdensitometer Proportional chamber Proportional chamber with spherical drift gap Scintillation TV counter 2. 103 x 2 . 103 256 x 256 512 x 512 300 x 400 Film with photostimulated luminescense and laser reading device 2. 103 x 2 . 103 0, 05 10 : 1 1, 3 107 : 1 0, 2 107 : 1 0, 15 100 : 1 0, 1 105 : 1 104 1 per min 1 per min dark current 30 Almost unlimited 60 2,5 . 105 6. 104 70 80 Almost unlimited 70 Almost unlimited 100 33 2.1.4 Beugung von Röntgenstrahlung Tritt Röntgenstrahlung mit einem gebundenen Elektron in Wechselwirkung, so wird dieses durch die im oszillierenden elektrischen Feld des Röntgenstrahls erzwungene Schwingung, zum Ausgangspunkt einer sich kugelförmig ausbreitenden sekundären Welle. Ein- und ausfallende Welle sind dabei kohärent zueinander und um π phasenverschoben. Die kohärent gestreute Intensität I beträgt nach Thomson (1906) I= I 0e4 1+ cos2 2θ 2 m2e r2c 4 wobei e die Ladung und me die Masse eines Elektrons bedeuten, c die Lichtgeschwindigkeit und r den Abstand vom streuenden Elektron zum Detektor darstellen. Der zweite Term in der Gleichung wird als Polarisationsfaktor bezeichnet, da trotz unpolarisierter einfallender Röntgenstrahlung die gestreute Strahlung in Abhängigkeit vom Winkel θ teilweise polarisiert ist. Betrachtet man nun den Streuprozess unter Berücksichtigung der mit der Wellenlänge der Röntgenstrahlung vergleichbaren Ausdehnung der Elektronenhülle eines Atoms, so findet man eine Winkelabhängigkeit der Intensität der gestreuten Strahlung (Abb. 2.1.41). Die Ursache dafür liegt in partiell destruktiver Interferenz der gestreuten Wellen. Dieser Effekt wird als Atomformfaktor f0 bezeichnet und normalisiert in Elektroneneinheiten dargestellt ∞ f0 = ρ(r) 0 sin (kr) dr mit k = 4π sin θ und ρ(r) = 4πr 2 Ψ kr λ 2 X Z X’ A D Z’ C B Y (a) Y’ (b) Abb. 2.1.4-1 (a) Röntgenstreuung an einem Atom; (b) sin θ/λ-Abhängigkeit des Atomformfaktors für einige Elemente (Cahn, 4-30, 1992; Vainshtein, 4-4, 1994). 34 Sind die Atome, wie in einem Kristall, auf einem Gitter angeordnet, so kommt es zu charakteristischen konstruktiven und destruktiven Interferenzerscheinungen. In Abb. 2.1.4-2 ist ein eindimensionales Punktgitter gezeigt, das beim Auftreffen einer ebenen Welle zum Ausgangspunkt von miteinander interferierenden Kugelwellen wird. Nur entlang der gemeinsamen Tangenten an die Kugeloberflächen (Orte gleicher Phase) schwingen alle gebeugten Wellen in Phase und überlagern einander konstruktiv zu einer gemeinsamen Welle. Man unterscheidet dabei Wellen 0., 1.,..., n-ter Ordnung. 3. Ordnung 0.Ordnung 1.Ordnung 2. Ordnung λ einfallende Welle a ϕa0 ϕa t a . . s Abb. 2.1.4-2 Beugung einer ebenen Welle an einer Punktreihe (Kleber, 5-5, 1990). Betrachtet man die Wellennormalen wird das Ganze etwas übersichtlicher (Abb. 2.1.4-3), und man kann über die Berechnung der Weglängenunterschiede der einzelnen Wellen die Bedingung für konstruktive Interferenz aufstellen: die Phasendifferenz ist dann gleich null, wenn die Weglängendifferenz der abgebeugten Wellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge beträgt (Abb. 2.1.4-4). Abb. 2.1.4-3 Wellennormalen bei der Beugung einer ebenen Welle an einer Punktreihe (Kleber, 5-6, 1990). 35 Abb. 2.1.4-4 Interferenzerscheinungen bei Überlagerung zweier Wellen: (a) konstruktive, (b) destruktive und (c) partiell konstruktive Interferenz (Glusker, 3-3, 1994). Der Gangunterschied s-t zwischen zwei gestreuten Wellen ist winkelabhängig und beträgt s– t =a cos ϕ a – acos ϕa0 Wenn er ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge sein soll, gilt a (cos ϕa – cos ϕ a0) =nλ Geht man zu einem dreidimensionalen Gitter mit den Gitterkonstanten a, b und c über, so erhält man a (cos ϕa – cos ϕa0) =hλ b (cos ϕ b – cos ϕb0 ) =kλ c (cos ϕc – cos ϕc0) = lλ In diesen drei Lauegleichungen sind h, k und l ganze Zahlen, ϕa0 , ϕb0 und ϕc0 stellen die Winkel zwischen dem einfallenden Primärstrahl und den betreffenden Basisvektoren sowie ϕa , ϕb und ϕc die Winkel zwischen dem abgebeugten Strahl und den Basisvektoren dar. Somit sind die Lauegleichungen immer erfüllt, wenn der abgebeugte Strahl sich auf Kegelmänteln mit Öffnungswinkeln 2 ϕa , 2 ϕb und 2 ϕc befindet (Abb. 2.1.4-5). 36 (a) (b) Abb. 2.1.4-5 (a) Lauekegel für einige Beugungsordnungen, und (b) stereographische Projektion zweier einander schneidender Lauekegelsysteme (Barret, 4, 5, 1952). Konstruktive Interferenz für Beugung an einem dreidimensionalen Gitter ist also immer dann gegeben, wenn alle drei Lauegleichungen simultan erfüllt sind. Das bedeutet, dass die drei Systeme interpenetrierender Lauekegel einander in Punkten schneiden, denen Indextripel h, k, l zugeordnet werden können. Eine den Laue-Gleichungen äquivalente Beziehung erhält man, wenn man die Beugung von Röntgenstrahlen als Reflexion an Netzebenen interpretiert (Abb. 2.1.4-6). Konstruktive Interferenz findet nur dann statt, wenn der Gangunterschied von Wellen, die an Netzebenen mit dem Abstand d hkl mit dem Beugungswinkel θ reflektiert werden, ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ beträgt. Man erhält damit die Braggsche Gleichung 2dhkl sin θ = nλ Die h, k, l der Lauegleichungen und der Millerschen Indizes der Netzebenen mit den Abständen d hkl sind äquivalent. An den Netzebenen mit den Abständen dhkl abgebeugte Röntgenstrahlen werden darum auch als Bragg-Reflexe mit den Indizes hkl bezeichnet. 37 (a) (b) Abb. 2.1.4-6 Schematische Darstellung der Reflexion von Röntgenstrahlen an Netzebenen (Glusker, 3-10, 1994). 2.1.5 Das reziproke Gitter Netzebenen eines Kristallgitters lassen sich über ihre Achsenabschnitte m,n,o (WeissIndizes) oder deren reziproke Werte h,k,l (Miller-Indizes) indizieren. Eine Schar paralleler Flächen besitzt unterschiedliche Weiss-Indizes, aber die gleichen MillerIndizes. c Ableitung der Millerschen Indizes: (vgl. auch Abb. 2.1.5-1) 00p a c b m00 Bestimmung der Achsenabschnitte: ma, nb und oc ==> (mno) 0n0 b a Abb. 2.1.5-1 Achsenabschnitte einer Netzebene mit den Millerschen Indizes (362) (BorchardtOtt, 1993). Bildung der reziproken Werte: 1/(ma), 1/(nb) und 1/(oc) Suche des kleinsten gemeinsamen Nenners: no/mno, mo/mno und mn/mno Miller Indizes: h=no, k=mo, l=mn => (hkl) 38 Der Abstand dhkl zwischen Netzebenen mit den Millerschen Indizes (hkl) kann für ein orthogonales Gitter mit Basisvektoren a, b und c, wie folgt abgeleitet werden (vgl. auch Abb. 2.1.5-2): Es gilt für eine Netzebene (hkl) ϕa b ϕb d b (210) d = dh cos ϕ a = ma a d k cos ϕ b = =d nb b d cos ϕ c = oc =d cl Quadrieren und Addieren gibt a cos 2ϕa +cos 2ϕ b +cos2 ϕc= 2 2 2 d2 ⋅ h2 + k 2 + l 2 =1 a b c a Abb. 2.1.5-2 Beziehung zwischen Millerschen Indizes und Netzebenenabstand (Borchardt-Ott, 123, 1993) und schliesslich erhält man h2 + k2 + l 2 = 1 a 2 b2 c 2 d2 Man erhält also eine Verknüpfung der Millerschen Indizes mit dem reziproken Netzebenenabstand. Setzt man diesen Ausdruck in die quadratisch umgeformte Braggsche Gleichung 2 sin2θ = λ4 ⋅ 12 d ein, so resultiert eine Beziehung zwischen Beugungswinkel θ und den Millerschen Indizes der reflektierenden Netzebene (Reflexindizes) 2 2 2 2 sin2θ = λ4 ⋅ h2 + k 2 + l 2 a b c In Abb. 2.1.5-3 sind Beispiele für Netzebenenabstände im kubischen Gitter gegeben. 39 Abb. 2.1.5-3 Netzebenabstände im kubischen Gitter (Barrett, 7, 1952). Definieren wir einen Vektor H als H = ha + kb + lc dann können wir schreiben 2 1 = h2 + k2 + l2 = h + k + l = H.H = 1 a b c d.d a2 b2 c2 d2 Der Betrag des Vektors H ist also gleich dem reziproken Netzebenabstand. Da h, k, l ganze Zahlen sind und jeden beliebigen Wert annehmen können, wird durch die Vektoren H ein Gitter definiert, dessen Basisvektoren a*, b* und c* reziprok zum Kristallgitter mit den Basisvektoren a, b und c sind. Man bezeichnet daher dieses neue Gitter als reziprokes Gitter, das durch die Vektorprodukte * c×a * a×b a* = b×c V , b = V , c = V oder mit dem Spatprodukt V = a⋅ (b×c) durch die Skalarprodukte a.a * = b.b* = c.c* = 1 a.b * = b.a * = a.c* = c.a* = b.c* = c.b * = 0 vollständig bestimmt ist. a* steht also senkrecht auf die durch b und c aufgespannte Netzebene (100), a senkrecht auf die durch b* und c* gebildete. Für die anderen direkten und reziproken Basigittervektoren gilt entsprechendes (Abb. 2.1.5-4). 40 202 201 002 102 101 a* 100 200 c 001 c* 000 a (a) (b) Abb. 2.1.5-4 Beispiele für die Beziehungen zwischen direktem und reziprokem Gitter in (a) zwei und (b) drei Dimensionen (Kleber, 5-24, 1990; Barrett, 14, 1952)). Beispiel: Berechnung der reziproken Basisvektoren im hexagonalen Gitter (Abb. 2.1.5-5): (b×c) (bc sin α) = = V a(bc sin α) cos <) aa* 1 = = 2 = b* a cos 30° a 3 (a×b) (ab sin α) c* = V = = a(bc sin α) cos <) aa* 1 = =1 c cos 0° c a* = c c* b 120° 30° a a* 30° b* Abb. 2.1.5-5 Direkte und reziproke Basis im hexagonalen Gitter (Wölfel, 45, 1987). 41 Abb. 2.1.5-6 Beziehungen zwischen dem reziproken Gitter eines Kristalls und seinem indizierten Beugungsbild (Glusker, 7-1, 1994). 2.1.6 Die Ewaldkonstruktion Die Bedeutung des reziproken Gitters zur Diskussion von Beugungsphänomenen wird durch die Ewaldkonstruktion besonders anschaulich gemacht: man lege eine Kugel (Ewaldkugel) mit dem Radius 1/λ so in das reziproke Gitter, dass dessen Ursprung (hkl = 000) auf der Oberfläche zu liegen kommt (Abb. 2.1.6-1). Man nimmt weiters an, dass im Zentrum der Ewaldkugel der Kristall sitzt und der einfallende Röntgenstrahl, mit der Wellenlänge λ, ebenfalls durch das Zentrum der Ewaldkugel auf den Ursprung des reziproken Gitters fällt. Dreht man dann das reziproke Gitter um den Ursprung, so ist für jeden reziproken Gitterpunkt, der die Oberfläche der Ewaldkugel berührt die Braggsche Gleichung erfüllt. 42 b* diffraction vector H 030 130 230 330 430 530 020 120 220 320 420 520 X-ray beam 010 110 210 310 410 510 1/λ 100 200 300 400 500 Crystal a* 030 530 (a) -b* b* te be d X-r am ay a* d *(230) 300 H ref lec 090 incident X-ray beam C Crystal 0 2θ 1/λ 030 -b * (b) Abb. 2.1.6-1 Ewaldkonstruktion für zwei verschiedene Stellungen des reziproken Gitters (Cahn, 4-20,-21, 1992). Im in Abb. 2.1.6-1 gezeigten Beispiel befindet sich der reziproke Gitterpunkt 230, oder ausführlich geschrieben H = ha + kb + lc =ha* + kb* + lc* = 2a* +3b* +0c * 43 auf der Oberfläche der Ewaldkugel. Der einfallende Strahl ist durch den Vektor k 0 mit dem Betrag k 0 = 1 gegeben, der abgebeugte Strahl durch den Vektor k , ebenfalls mit λ dem Betrag k = 1 , der Beugungsvektor H resultiert dann als H = k – k 0 . Dies ist λ nichts anderes als die Braggsche Gleichung in vektorieller Form, da unter Berücksichtigung von H = 1 gilt d 1 2d sin θ = = λ ⇒ 2dsin θ = λ 1 2d λ 2.1.7 Beugungstheorie Die Ewaldkonstruktion erlaubt die Veranschaulichung der Braggschen Gleichung, z.B. bei welcher Orientierung eines Kristalls abgebeugte Strahlen konstruktiv interferieren. Das reziproke Gitter enthält dabei die Orte aller prinzipiell möglichen Braggreflexe. Grösse und Orientierung der Ewaldkugel relativ zum reziproken Gitter ist durch die Wellenlänge der Röntgenstrahlung und die Orientierung des Kristalls bestimmt. Betrachten wir nocheinmal den in Abb. 2.1.4-4 gezeigten Fall der Interferenz (Überlagerung) zweier Wellen. Für die zeitliche Abhängigkeit der elektrischen Feldstärke E einer Welle mit Frequenz ν=c/λ, im Abstand s vom Ursprung des Koordinatensystems, gilt zur Zeit t E = E 0cos 2π(s / λ – νt) bzw. aus rechentechnischen Gründen anders formuliert E = E 0 e 2πi( s / λ – νt ) Überlagern wir jetzt zwei Wellen mit der Phasendifferenz ∆s/λ, so erhalten wir als Amplitude E der resultierenden Gesamtwelle E = E 0 e 2πi( s / λ – νt ) + E 0 e2 πi(s / λ – νt+∆s /λ) = E0 e 2 πi(s / λ – ν t)+ e2πi(s / λ – νt +∆s /λ) oder allgemein für n Wellen mit Phasendifferenzen ∆sj /λ Σ n E = E0 j=1 e2πi( s / λ – νt +∆s /jλ) Untersucht man lediglich die Ortsabhängigkeit der Interferenzeffekte und berücksichtigt nur die relativen Phasenbeziehungen, so kann man schreiben 44 Σ n E = E0 e 2πi∆ s j/λ j= 1 Die Phasendifferenz zweier Wellen, von denen die eine am Ursprung des Gitters und die andere am Gitterpunkt r j = x ja +y jb + z jc gebeugt wird, ist nach den in Kapitel 2.1.6 formulierten Beziehungen gegeben durch ∆s j = k – k0 r j = Hr j= ha* + kb * + lc * x aj + y bj + z cj = hx j+ ky j+ lz j λ und wir können damit für die Gesamtschwingungsamplitude E schreiben Σ Σe n E = E0 n e 2πi∆ s j/λ = E0 j= 1 2πi Hr j j= 1 Da die Intensität (Strahlungsleistung) einer elektromagnetischen Welle proportional dem Quadrat ihrer Schwingungsamplitude ist I≈ E 2 und für eine komplexe Zahl Z gilt 2 Z = Z.Z * = (a+ ib)(a – ib) =a 2 + b2 resultiert I ≈ E = E.E* =E 02 2 Σe n 2 πiHr j j=1 Σe n –2πiHr j j=1 Untersuchen wir nun die Interferenzeffekte, die bei Beugung an einem eindimensionalen Gitter der Translationsperiode a auftreten, so erhalten wir wegen r1 =0a, r2 = 1a,...., r j =( j– 1)a,... und H = 0a*, 1a* , ...,ha* die relativen Gesamtamplituden A(H)=E/E0 Σe n A(H) = j= 1 Σe n 2πiHr j = 2 πih(j–1) j=1 Σ n = j=1 Mit der Summenformel für die geometrische Reihe Σ n k=1 ergibt sich 1 – qn qk–1 = 1 – q e2 πih j–1 45 Σ n A(H) = j=1 e 2πih j–1 1 – e2πih n 1 –e2π inh = = 1 – e 2πih 1 – e2 πih Gehen wir von den Amplituden zu den Intensitäten über, dann finden wir 1 − e 2 inh 1− e −2 inh 2 − e 2 inh − e−2 inh = = 1 − e 2 ih 1− e −2 ih 2 − e2 ih − e −2 ih 2 − 2cos2 nh sin 2 nh = = 2 − 2cos2 h sin 2 h I( H ) = A(H ) = 2 Die Funktion 2 I(H) = sin 22πnh = g(H) sin 2πh bezeichnet man auch als Lauesche Interferenzfunktion (Abb. 2.1.7-1) I(H)=g(H) n2 =100 4n2 /9π2 =4.5 4n2 /25π2 =1.6 4n2 /49π2 =0.8 1 n 2 n 3 n 4 n H Abb. 2.1.7-1 Verlauf der Laueschen Interferenzfunktion g(H) als Funktion von H. Nullstellen sind an den Stellen 1/n, 2/n, ... mit n gleich der Zahl der beugenden Gitterpunkte (Wölfel, 65, 1987). 46 Die Lauesche Interferenzfunktion hat ihre Hauptmaxima an den Stellen H=0,±1, ±2,.... und Nebenmaxima um die Hauptmaxima im Abstand H=1/n, 2/n, .. . Für n→∞ fallen die Nebenmaxima mit den Hauptmaxima zusammen, und man erhält wiederum als Beugungsbedingung, dass H ein ganzzahliger reziproker Gittervektor sein muss. Die Translations-periodizität einer Kristallstruktur (Existenz eines Kristallgitters), ist die Ursache dafür, dass nur Reflexe mit ganzzahligen Indizes (Existenz eines reziproken Gitters) auftreten können. Beispiel: Man führt ein Röntgenbeugungsexperiment mit charakteristischer Röntgenstrahlung (CuKa, λ = 1.54051 Å ) an einem würfelförmigen Al-Einkristall (a≈4 Å) mit 0.4 µm Kantenlänge durch. Dann erscheint das erste Nebenmaximum im Abstand von etwa 3/(2n)a*=3/(2000)a* von den Hauptreflexen. Wenn wir den Reflex 200 betrachten, so bekommen wir nach 2 2 2 2 2 2 2 4 = 0.14832 sin2θ = λ4 ⋅ h2 + k 2 + l 2 = λ4 h2 = λ4 16 a b c a einen Beugungswinkel von θ=22.652°. Für das erste Nebenmaximum gilt 2 2 2 (2 + 0.0015)2 sin2θ = λ4 h2 = λ4 =0.148545 16 a was einen Beugungswinkel von θ=22.670° bedeutet. Die Winkeldifferenz von 0.048° lässt sich mit hochauflösenden Methoden (Synchrotronstrahlung) gut messen. Die Halbwertsbreite des Hauptmaximums lässt sich zu 1/na *=1/1000a* , also etwa 0.1°, abschätzen. Wird nun Beugung an einer Kristallstruktur durchgeführt, können wir die Interferenzeffekte trennen in, durch den Inhalt einer Elementarzelle hervorgerufene, Interferenzen und den Gittereffekt. Man bezeichnet F(H), die phasenrichtige Aufsummierung der Beugungsbeiträge f j H aller Atome einer Elementarzelle Σf n F(H) = j=1 j H e 2πiHr j = F(H) ⋅ e iϕ(H ) dann als den Strukturfaktor des Reflexes H, den Betrag F(H) dieser im allgemeinen komplexen Grösse als Strukturamplitude, und ϕ(H) als seine Phase. F(H) besitzt für beliebiges H Werte ungleich Null. Aber nur wenn H = ha* + kb* + lc* ein reziproker Gittervektor ist, also h,k,l ganzzahlig ist, ist die Bedingung für konstruktive Interferenz einer translationsperiodischen Anordnung von Elementarzellen beliebigen Inhalts erfüllt. Es reicht also für die quantitative Behandlung der Beugung an einem Kristall aus, die Strukturfaktoren lediglich einer Elementarzelle zu berechnen. 47 Der Faktor f j H oder f j sin θ / λ in obiger Gleichung wird als Atomformfaktor bezeichnet. Er berücksichtigt einerseits die unterschiedliche Streukraft der Atome, f j sin θ / λ ist proportional zur Zahl der Elektronen eines Atoms, und andrerseits die Beugungswinkelabhängigkeit des Streuvermögens. Auf Grund der destruktiven Interferenzen der an unterschiedlichen Elektronen in der Elektronenhülle eines Atoms gebeugten Röntgenstrahlen nimmt die Streukraft mit zunehmendem sin θ/λ ab (Abb. 2.1.4-1). Bei kleinen Winkeln θ spielt die Beugung der Elektronen in den äusseren Schalen (Bindungselektronen) eine grosse Rolle, bei grösseren Winkeln verschwindet dieser Anteil. Die Intensität der Braggreflexe (i.e. der abgebeugten Strahlen) ist proportional zum Quadrat der Strukturamplitude I(H)=F(H) ⋅ F*(H) = Σ Σf n = Σf n j=1 j H e2πiHr j ⋅ Σf n j=1 j H e –2πiHr j = n j=1 k = 1 j H fk H e2πiH r j–r k und damit nicht mehr von den absoluten Positionen r j der Atome in der Elementarzelle, sondern nur mehr von den interatomaren Vektoren r j –rk abhängig. Mit normalen Beugungsmethoden kann man nur die Intensitäten der Braggreflexe messen: die Beträge der Strukturfaktoren lassen sich daraus leicht ableiten, nicht mehr jedoch ihre Phasen. Dieses Phasenproblem stellt das Hauptproblem der Strukturanalyse dar, da man zur Rekonstruktion der Kristallstruktur (Elektronendichteverteilung) die Strukturfaktoren mit Betrag und Phase kennen muss. 2.1.8 Beugungssymmetrie und systematische Auslöschungen Unter Beugungssymmetrie versteht man die im Beugungsbild (Gesamtheit aller abgebeugten Strahlen) enthaltene Symmetrieinformation. Da jeder reziproke Gittervektor senkrecht zu einer Netzebene im Kristall steht und sein Betrag umgekehrt proportional zum Netzebenenabstand ist, muss die Symmetrie des reziproken Gitters der Gittersymmetrie des Kristalls entsprechen. Betrachtet man nun nicht die Beugung an abstrakten Netzebenen sondern an mit Atomen dicht belegten Ebenen in einer Kristallstruktur, so entspricht dies im reziproken Raum einer Belegung jedes reziproken Gitterpunktes H mit der Intensität I(H) der gebeugten Strahlen. Da die Reflexion der Röntgenstrahlen von unterschiedlichen Netzebenen (hkl) nur dann gleiche Intensitäten I(H) liefert wenn die Netzebenen symmetrieäquivalent sind, widerspiegelt sich die Punktsymmetrie der Kristallstruktur direkt in der Punktsymmetrie des mit Intensitäten gewichteten reziproken Gitters. 48 Da für H und H gilt Σf F(H) = Σ f n F(H) = j=1 n j=1 j H e 2πiHr j = F(H) ⋅ eiϕ(H ) j H e –2πiHr j = F(H) ⋅ e–iϕ(H) = F*(H) finden wir F(H) = F(H)⋅ F* (H)=F *(H) ⋅ F(H) = F(H) 2 2 und daraus resultiert I(H)= I(H) . Die Äquivalenz der Intensitäten der Reflexe mit Beugungsvektoren H und H wird als Friedelsches Gesetz bezeichnet. Das Beugungsbild ist also inhärent zentrosymmetrisch und die Beugungssymmetrie entspricht immer einer der 11 zentrosymmetrischen kristallographischen Punktgruppen (Laue-Gruppen). Wir können also zusammenfassen: während die Symmetrie eines idealen Kristalls durch eine der 230 Raumgruppen beschrieben werden muss, ist seine Beugungssymmetrie (Symmetrie des gewichteten reziproken Gitters) durch eine der 11 Laue-Gruppen gegeben (siehe auch Abb. 2.1.8-1). Die Symmetrie des ungewichteten reziproken Gitters entspricht derjenigen des Kristallgitters, die Metriken sind reziprok zueinander. Tabelle 2.1.8-1 Die 11 Laue-Gruppen und ihre Untergruppen Kristallsystem Laue-Gruppe Triklin 1 Monoklin Orthorhombisch Tetragonal 2/m mmm 4/m 4/mmm Trigonal 3 3m Hexagonal 6/m 6/mmm Kubisch m3 m3 m Nicht-zentrosymmet-rische Untergruppen 1 2, m 222, mm2 4, 4 4mm, 4m2 , 422 3 3m, 32 6, 6 6mm, 23 6m2 , 622 43m , 432 49 Abb. 2.1.8-1 Beugungssymmetrie im (a) orthorhombischen und (b) , (c) monoklinen Fall. Zusätzlich zur Friedel-Symmetrie I(hkl)= I(hkl) gelten I(hkl)= I(hkl) =I(hkl) =I(hkl) in (a) sowie I(hkl)= I(hkl) =I(hkl) ≠ I(hkl) in (b) und (c) (Glusker, 4-17, 1994). Das Beugungsbild enthält jedoch über systematische Auslöschungen auch Informationen über die Translationssymmetrie der Kristallstruktur. Betrachten wir dazu ein Beispiel: Beispiel: In einem C-zentrierten Gitter gehört zu jedem Atom mit den Koordinaten xyz ein symmetrisch äquivalentes mit x+1/2 y+1/2 z. Der Strukturfaktor lautet dann F(H) = Σ f j H e2πiHr j = f1 H e 2πi(hx+ky+lz) +e2πi ( h ( x + 1 / 2 ) + k ( y + 1 / 2 ) + l z ) = n j=1 = f1 H e 2πi(hx+ky+lz) 1+e2πi ( h / 2 + k /2) = f1 H e 2πi(hx+ky+lz) 1+eπi(h+k) Je nachdem, ob (h+k) gerad- oder ungeradzahlig ist erhalten wir 1+e πi(h+k) = und damit resultiert { 2 für h + k = 2n 0 für h + k =2n + 1 50 F(H) = 2f1 H e 2πi(hx+ky+lz) für h +k = 2n F(H) = 0 für h + k = 2n +1 Einige anschauliche Beispiele sind in Abb. 2.1.8-2 gegeben sowie in Tab. 2.1.8-2 zusammengestellt. Abb. 2.1.8-2 Schematische hk0- und hk1-Beugungsbilder mit systematischen Auslöschungen für die Raumgruppen (a) P212121, (b) Pmma und I222 (Glusker, 4-18, 1994). 51 Tabelle 2.1.8-2 Integrale, zonale und seriale Auslöschungsregeln (Kleber, 1990) Vom Translationsgitter gegebene Bedingungen für mögliche Reflexe (integrale Auslöschungen) Gittertyp Beobachtbare Reflexe Ausgelöschte Reflexe P I F h,k,l beliebig keine h+k+l=2n h+k+l =2n+1 h+k=2n, k+l=2n, h+l=2n h+k =2n+1, bzw. h,k,l alle gerade k+l =2n+1, oder alle ungerade h+l =2n+1 A k+l=2n k+l =2n+1 B h+l=2n h+l =2n+1 C h+k=2n h+k =2n+1 R 1) -h+k+l=3n (obverse Aufstellung) h-k+l=3n (reverse Aufstellung) 1 ) Diese Bedingungen beziehen sich auf ein hexagonales Achsensystem bzw. Bravaissche Indizes. Bei einem rhomboedrischen Achsensystem gibt es (wie bei einem P-Gitter) keine integralen Bedingungen. Durch Gleitspiegelebenen gegebene Bedingungen für mögliche Reflexe (zonale Auslöschungen) Gleitspiegelebene Betroffene Reflexionsbedingungen Symbol Orientierung Reflexe (beobachtbare Reflexe) a (010) (001) { 110 }2) ( 011 ), (011) b (100) (001) { 110 }2) ( 101 ), (101) c (100) (010) ( 110 ), (110) { 1120 } { 1100 } { 110 }2) h0l hk0 hhl2) hkk hkh hkk, hkk h h l h k h = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n 0kl hk0 hhl2) hkk hkh hkh, k k l h k k = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n 0kl h0l hhl, l l l l = 2n = 2n = 2n = 2n l = 2n l h k = 2n = 2n = 2n hhl hh0l , 0kkl h0hl 1) hh2hl , 2hhhl h2hhl 1) hhl2 hkk hkh 52 Gleitspiegelebene Symbol Orientierung Betroffene Reflexe Reflexionsbedingungen (beobachtbare Reflexe) n ( 110 ), (110) ( 011 ), (011) ( 101 ), (101) 0kl h0l hk0 hhl2) hkk hkh hhl, hhl hkk, hkk hkh, hkh k+l h+l h+k l h k l h k = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n = 2n (100) (010) (001) ( 110 ), (110) ( 011 ), (011) ( 101 ), (101) 0kl h0l hk0 hhl, hhl hkk, hkk hkh, hkh k+l h+l h+k 2h + l 2k + h 2h + k = 4n (k, l = 2n) = 4n (h, l = 2n) = 4n (h, k = 2n) = 4n = 4n = 4n d 1 ) ) 2 (100) (010) (001) { 110 }2) hexagonales Achsensystem bzw. Bravaissche Indizes; rhomboedrisches Achsensystem bzw. Millersche Indizes Durch Schraubenachsen gegebene Bedingungen für mögliche Reflexe (seriale Auslöschungen) Schraubenachse Betroffene Reflexionsbedingungen Symbol Orientierung Reflexe (beobachtbare Reflexe) 21 [100] h00 h = 2n [010] 0k0 k = 2n [001] 00l l = 2n 41, 43 [100] h00 h = 4n [010] 0k0 k = 4n [001] 00l l = 4n 42 [100] h00 h = 2n [010] 0k0 k = 2n [001] 00l l = 2n 31, 32 [00.1] 00l l = 3n 61, 65 [00.1] 000l l = 6n 62, 64 [00.1] 000l l = 3n 63 [00.1] 000l l = 2n 53 2.2 Neutronenstreuung Auch Korpuskularstrahlung kann für Beugungsexperimente verwendet werden. Nach deBroglie entspricht ein Teilchen mit der Masse m und der Geschwindigkeit v einer Welle mit der Wellenlänge λ = h /mv , wobei h das Plancksche Wirkungsquantum darstellt. Da für Beugungsexperimente die Wellenlänge in der Grössenordnung der Atomabstände liegen sollte, kommen dafür nur langsame "thermische" Neutronen in Betracht, deren Energie im meV-Bereich liegt (λ=0.7 Å bei einer Energie von 0,01 eV). Da die Energie der beim Kernspaltungsprozess entstehenden Neutronen im Bereich MeV liegt, muss diese in Moderatoren (leichtes oder schweres Wasser, Graphit) über Streuprozesse drastisch verringert werden. Auf diese Weise erhält man Neutronen im thermischen Gleichgewicht mit dem Moderator und man spricht von thermischen Neutronen. Bei einer Moderatortemperatur von z.B. Tm=273 K erhalten wir eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung der Neutronen ("monoatomares Gas") mit der häufigsten Geschwindigkeit vm=2200 m/s und wegen mv 2 3kT h2 E= 2 m = 2 m und λm = 3mkTm 1 2 mit einer kinetischen Energie von 34 meV und einer Wellenlänge von λm = 1.55 Å Eigenschaften des Neutrons: Masse Magn. Moment Ladung Halbwertszeit Abb. 2.2-1 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung Moderatortemperatur von 300 K (Cahn, 1994, 19-2). von 1.67493x10-24 g 1.91314 µn 0 624 s thermischen Neutronen bei einer Die Streuung von Neutronen erfolgt an den Atomkernen. Die Streuquerschnitte (Abb. 2.2-2) sind für die einzelnen Atomkerne spezifisch, und unabhängig vom Streuwinkel; sie erlauben auch die Unterscheidung von unterschiedlichen Isotopen eines Elements. Da das Neutron auch ein magnetisches Spinmoment besitzt, ist es besonders gut zur Untersuchung magnetischer Strukturen geeignet (Abb. 2.2-4). 54 Abb. 2.2-2 Streuquerschnitte als Funktion des Atomgewichts (Cahn, 1911, 1994) Die Absorption von Neutronen ist im allgemeinen um drei bis vier Grössenordnungen geringer als diejenige von Röntgenstrahlung, mit Ausnahme von Li, B und Cd, die dann auch als Abschirmmaterialien Verwendung finden (Abb. 2.2.-3). Die geringe Absorption erlaubt es wesentlich grössere Probenmengen zu untersuchen (1 - 10 cm 3 statt 1 - 1000 µ3 ), bzw. wesentlich einfacher Öfen, Kryostaten und Hochdruckzellen zu verwenden. Abb. 2.2.-3 Massenabsorptionskoeffizienten für 1.08 Å Neutronen (durchgezogene Linie) und CuKα Röntgen-strahlung (gestrichelt) (Cahn, 19-9, 1994). Elastische Neutronenstreuung wird oft komplementär zu Röntgenbeugung verwendet und ist vor allem zur Bestimmung magnetischer Ordnung sowie von Strukturen in denen leichte neben schweren Atomen vorliegen (z.B. Hochtemperatursupraleiter) von Bedeutung. Mit inelastischer Neutronenstreuung lässt sich das Phononenspektrum von Kristallen untersuchen, da die Energie thermischer Neutronen von der gleichen Grössenordnung wie die der Phononen (Gitterschwingungen) ist. 55 (c) Abb. 2.2-4 Neutronen-Pulverdiffraktogramme aufgenommen an antiferromagnetischem MnO bei Temperaturen von (a) 80 K und (b) 293 K, also unter- und oberhalb des Curie-Punkts. In (a) sind die “magnetischen Überstrukturreflexe” zu sehen,; der Pfeil in (b) weist auf ein diffuses Streuphänomen von magnetischen Nahordungseffekten hin. (c) Neutronendiffraktometer (1) Neutronenstrahl aus dem Reaktor, (2) Primärkollimator, (3) Monochromator, (4) Sekundärkollimator, (5) Probe, (6) Detektorblende, (7) Neutronendetektor, (8) Reaktorabschirmung, (9) Neutronen und γ-Strahlen Schutzschild. (Vainshtein, 4-127,-133, 1994). 56 2.3 Elektronenbeugung Die geometrischen Beugungsbedingungen sind für Elektronenstrahlen ähnlich den für Röntgenstrahlen in Kapitel 2.1 abgeleiteten Beziehungen. Da Elektronen als negativ geladene Teilchen über Coulombkräfte sowohl mit den positiv geladenen Atomkernen als auch mit der negativ geladenen Elektronenhülle wechselwirken (Abb. 2.3-1), sind die Intensitäten der abgebeugten Strahlen jedoch um etwa vier Grössenordnungen höher als die von Röntgenstrahlen vergleichbarer Energie (100 bis 50 keV, 0.04≤l≤0.07 Å) (Abb. 2.3-2). Abb. 2.3-1 (a) Schematische 1dim Darstellung der für Röntgenbeugung relevanten Elektronendichte ρ(x) , des elektrostatischen Potentials Kerndichte 6, 1994) (a) ϕ(x) und der δ(x) (Vainshtein, 4- (b) Abb. 2.3-2 Abhängigkeit der absoluten Atomformfaktoren f e für Elektronen (1), fx für Röntgenstrahlen (2) und fn für Neutronen (3) von (a) sin θ / λ und (b) der Ordnungszahl Z im Bereich von 1 bis 12 (Vainshtein, 1994). 57 Betrachtet man die Ewaldkonstruktion im Fall der Elektronenbeugung, so findet man einerseits aufgrund der kleinen Wellenlängen im Vergleich zur Metrik des reziproken Gitters einen ausserordentlich grossen Radius der Ewaldkugel. Andrerseits besitzen die reziproken Gitterpunkte eine gewisse Ausdehnung, da die Lauesche Interferenzfunktion (vgl. Abb. 2.1.7-1) wegen der geringen Dicke des von Elektronen durchstrahlten Gebietes (N≈10-50 Elementarzellen) eine wesentliche Verbreiterung erfährt (proportional zu 1/N). Dies führt dazu, dass ein grosser Teil der reziproken Gitterpunkte der nullten Schicht gleichzeitig die Beugungsbedingung erfüllen und man ein nahezu unverzerrtes Beugungsbild erhält. Abb. 2.3-3 Elektronen- im Vergleich zu Röntgenbeugung in der Ewaldschen Konstruktion (Vainshtein, 4-14, 1994). Bei der Berechnung der Intensitäten der gebeugten Elektronenstrahlen lässt sich die bisher behandelte kinematische Beugungstheorie wegen der immer präsenten, massiven Mehrfachstreuung (Umweganregung) nicht verwenden. Man muss sich statt dessen der dynamischen Beugungstheorie bedienen, die nach Lösungen der Maxwellschen Gleichungen in einem periodischen Potential sucht. Diese Theorie liefert Aussagen über die im Kristall aus dem Primärstrahl und allen gleichzeitig die Beugungsbedingung erfüllenden abgebeugten Strahlen durch Interferenz erzeugten Wellenfelder, sowie über ihren Energieaustausch und -transport. Neben hochenergetischen Elektronen (10 bis 100 keV) (SAED...selected area electron diffraction) werden zur Beugung auch niederenergetische Elektronen (5 bis 500 eV, 5.5≤l≤0.55 Å) verwendet (LEED...low energy electron diffraction). Die geringe Eindringtiefe (3 - 10 Å) der niederenergetischen Elektronen macht diese Methode zu einer leistungsfähigen Technik zur Untersuchung von Oberflächenstrukturen (Oberflächenrekonstruktionen, Epitaxieschichten, Adsorbate,...). 58 3. Röntgenographische Untersuchungsmethoden Der folgende Abschnitt ist experimentellen Methoden zur Beugung von Röntgenstrahlung an ein- oder polykristallinem Material gewidmet. Das Ziel eines Beugungsexperiments ist es, einen innerhalb der experimentellen Grenzen vollständigen Datensatz von gebeugten Röntgenstrahlen mit Intensitäten I(H)=I(hkl) zu messen und daraus das gewichtete reziproke Gitter zu rekonstruieren. Damit ist die nötige experimentelle Information zur Bestimmung einer Kristallstruktur gegeben. Der experimentelle Aufbau setzt sich immer aus einer Röntgenstrahlungsquelle, einer Apparatur zur geeigneten Positionierung und Orientierung der Probe sowie einem Detektor zusammen. Da nach der Braggschen Gleichung 2dhkl sin θhkl = nλ ein Reflex hkl nur bei Reflexion an der Netzebenschar hkl unter einem bestimmten Beugungswinkel θhkl und der Wellenlänge λ auftritt, kann das Beugungsbild eines gegebenem Materials nur durch Variation von θhkl und/oder λ erhalten werden. Demnach unterscheidet man unter anderem folgende Methoden: Methode Laue-Methode EinkristallDiffraktometrie Guinier-Methode Probe einkristallin einkristallin Pulver-Diffraktometrie polykristallin polykristallin Orientierung fixiert variabel durch Kristalldrehung variabel durch statistische Orientierung der Körner variabel durch statistische Orientierung der Körner λ variabel durch weisse Strahlung monochromatisch monochromatisch monochromatisch 3.1 Einkristallmethoden Es gibt eine grosse Zahl unterschiedlicher Röntgen-Einkristallmethoden, die jeweils auf andere Ziele hin optimiert sind. Die wichtigsten Techniken, die dann auch im Folgenden besprochen werden, sind die Laue-Methode zur Orientierung von Kristallen und der Bestimmung der Laue-Symmetrie, sowie die Einkristall-Diffraktometrie zur präzisen Messung vollständiger Intensitätsdatensätze. Je nach Röntgenstrahlungsquelle und Detektor können Kristalle mit Abmessungen zwischen 0.001x0.001x0.001 mm3 und 1x1x1 mm 3 verwendet werden. Im Falle der Laue-Rückstreumethode können die Proben sogar beliebig gross sein. Die Messzeiten liegen im Bereich von Nanosekunden (Laue-Methode am Synchrotron) bis zu Wochen (Messung diffuser Streuung). 59 3.1.1 Laue-Verfahren Bei dieser Technik fällt weisse Röntgenstrahlung auf einen feststehenden Einkristall (Abb. 3.1.1-1). Im kontinuierlichen Spektrum des Primärstrahls gibt es für jede Netzebenenschar mit dem Netzebenenabstand dhkl eine passende Wellenlänge λ , für die die Braggsche Gleichung erfüllt ist. Die abgebeugten Strahlen treffen auf einen Röntgenfilm und erzeugen dort Schwärzungsflecke ("Reflexe"). Auf diese Weise erhält man eine gnomonische Projektion des reziproken Gitters (Laue-Diagramm). Zu beachten ist dabei, dass die an zu einer Zone gehörenden Netzebenen abgebeugten Strahlen jeweils auf Kegelmänteln (Laue-Kegel) liegen (Abb. 3.1.1-2 und -3). (a) (b) Abb. 3.1.1-1 (a) Goniometerkopf mit montiertem Kristall und (b) Laue-Kamera mit Filmschneidevorrichtung (Huber, 1994; Glusker, 7-8, 1994). 60 Abb. 3.1.1-2 Schematische Darstellung der Laue-Aufnahmeanordnung (a), eines Laue-Diagramms (b), und den Einstrahlbedingungen bei der (c) Durchstrahl- und (d) Rückstrahltechnik (Kleber, 5-9, 1990). (e) (f) Abb. 3.1.1-3 Schematische Darstellung der Laue-Kegel von Netzebenen, die zu unterschiedlichen Zonen gehören (a-d) und deren Abbildung auf Röntgenfilm im (e) Vorstrahl- und (f) im Rückstrahl-LaueVerfahren (Nuffield, 7-1,-2,-3, 1966). 61 Zur Interpretation von Laue-Diagrammen ist es nützlich sich die geometrischen Beugungsbedingungen mittels der Ewald-Konstruktion zu veranschaulichen: man zeichnet das reziproke Gitter sowie die beiden, durch die minimale und maximale Wellenlänge der im Primärstrahl vorhandenen Röntgenstrahlen gegebenen begrenzenden Ewald-Kugeln. Dann ist für alle reziproken Gitterpunkte, die sich im Bereich zwischen den beiden Grenzkugeln befinden, die Beugungsbedingung gleichzeitig erfüllt (Abb. 3.1.1-4). Ewald sphere for shortest wavelength origin Ewald sphere for longest wavelength Abb. 3.1.1-4 Die Laue-Methode in der Ewald-Konstruktion (Glusker, 7-9, 1994). Da das Laue-Diagramm eine spezielle Projektion des reziproken Gitters darstellt, entspricht die Punktsymmetrie des Beugungsbilds auch der Punktsymmetrie des reziproken Gitters (11 Laue-Gruppen). Die Laue-Methode wird daher oft zur Bestimmung der Symmetrie von Kristallen verwendet. Ein anderer wichtiger Einsatzzweck ist die Orientierung von Kristallen, das heisst, dass das Kristallkoordinatensystem (Kristallgitter) bzgl. des Laborkoordinatensystems bis auf wenige zehntel Grad genau eingerichtet wird. Grosse Kristalle (z.B. Silizium-Wafers) lassen sich natürlich nur im Rückstrahlverfahren orientieren. Auch zur Untersuchung von Texturen polykristalliner Materialien findet die Laue-Methode Verwendung. Weniger geeignet ist es zur quantitativen Auswertung der Reflexintensitäten, da einerseits alle höheren Harmonischen n(hkl) aufeinander abgebildet werden und andrerseits die Absorptionskorrektur für die abgebeugten Röntgenstrahlen mit unterschiedlichen Wellenlängen sehr schwierig sein kann. Dort wo sehr kurze Belichtungszeiten nötig sind (Proteinkristallographie, kinetische Studien) findet das Laue-Verfahren dann trotz all dieser Probleme auch dafür Verwendung. 62 3.1.2 Einkristall-Diffraktometrie Zur quantitativen Strukturanalyse benötigt man präzise Intensitätsmessungen der an einem Einkristall gebeugten Röntgenstrahlen. Man verwendet dafür Computergesteuerte, automatische Vierkreisdiffraktometer (Abb. 3.1.2-1): die drei Kreise einer Eulerwiege dienen zur Positionierung des Kristalls, wobei jeder Beugungsvektor H in die durch den Primärstrahl und den Detektor gebildete Ebene gedreht wird. Der vierte Kreis ist der Detektorkreis, der es erlaubt den Detektor auf den jeweiligen Beugungswinkel 2 θ zu fahren. Ein vollständiger Datensatz erfordert die Messung einer asymmetrischen Einheit von Reflexen bis zu einem Beugungswinkel 2θ=60° für MoKα-Strahlung. Typische Grössen von Intensitätsdatensätzen, wie sie für eine hochaufgelöste Strukturanalyse nötig sind, liegen zwischen einigen hundert Reflexen für einfache kubische Kristalle bis zu einigen Millionen für grosse Virusstrukturen. Da pro Tag nur etwa 1000 Reflexintensitäten gemessen werden können, müssen sehr grosse Intensitätsdatensätze mit Flächendetektoren (Röntgenfilme, Bildplatten, CCDDetektoren) gesammelt werden. (a) (b) Abb. 3.1.2-1 (a) Vierkreisdiffraktometer mit Eulergeometrie (Huber, 1994), und (b) seine Funktionsweise in schematischer Darstellung: RS...Röntgenstrahl, Bl...Blende, Kr...Kristall, Z...Zählrohr (Detektor), ϕ, χ, ω, θ...Winkelbewegung der vier Goniometerkreise, 2θ...Beugungswinkel (Kleber, 5-22, 1992). 63 In den letzten Jahren werden zunehmend Einkristalldiffraktometer mit Flächendetektoren zur Intensitätsdatensammlung eingesetzt. Die Hauptmotivation für die Entwicklung dieser Geräte kam aus der Proteinkristallographie. Die erste Generation der Flächendetektoren basiert auf Bildplatten (Imaging Plate Detektor Systems), entwickelt von der Fuji Photo Film Company (Abb. 3.1.2-2). Die Bildplatten mit bis zu 33 cm Durchmesser bestehen aus einer amorphen Schicht (150 µm) von BariumEuropium-Halogeniden (BaFBr:EuX) auf einem Trägermaterial. Belichtung mit Röntgenstrahlung erzeugt ein latentes Beugungsbild durch die Schaffung von Farbzentren (F-Zentren). Dafür wird eine Anregungsenergie von 6 eV benötigt. Das latente Bild wird ausgelesen, indem die Bildplatte mit einem roten He-Ne Laser bestrahlt wird. Nach Absorption dieser 2 eV Photonen wird durch Aussendung von blauen 4 eV Photonen wieder der Grundzustand eingestellt. Die Intensität dieser blauen stimulierten Luminiszenzstrahlung ist der Zahl absorbierter Röntgenquanten proportional. Sie wird in einem ellipsoidalen Kollektor gebündelt und mit einem Photoelektronen-Vervielfacher registriert. Der dynamische Bereich umfasst fünf Grössenordnungen, die Zahl der Pixel beträgt 2000x2000. Typische Belichtungszeiten liegen im Bereich Minuten, die Auslesezeit der latenten Bildes beträgt etwa 3 Minuten. Für eine vollständige Datensammlung benötigt man einige hundert Bilder. Abb. 3.1.2-2 Röntgenbeugungsgerät mit Bildplatten-Detektor (Imaging plate scanner, Marresearch). 64 Die neueste Entwicklung im Bereich der Flächendetektoren geht in Richtung von CCD ("Charge Coupled Device")-gestützten Systemen. In einem röntgenempfindlicher "Phosphor" aus Gd2O2S (100-133 mm) erzeugen die Röntgenquanten Lichtblitze mit etwa 500 nm Wellenlänge, die über ein Bündel (2000x2000) Glasfasern auf einen CCDchip übertragen und dort registriert werden (Abb. 3.1.2-3). Diese Art Detektor besitzt etwa 20% Effektivität (Umwandlung von Röntgenquanten in Lichtquanten) und einen Dynamikbereich von 16 bits (65536). Die Auslesezeiten der Daten betragen einige Sekunden. (a) (b) 65 (c) (d) Abb. 3.1.2-3 Röntgenbeugungsgerät mit Flächendetektor auf CCD Basis (Marccd). (a) Schematische Darstellung des Detektorkopfs, der in (b) gezeigt ist. (c) und (d) bieten Gesamtansichten des geschlossenen und geöffneten Geräts. 66 3.2 Pulvermethoden Nicht immer steht einkristallines Material (Korngrösse >10 µ) zur Charakterisierung mit Einkristall-Röntgenbeugungsmethoden zur Verfügung. In diesen Fällen kommen dann Pulververfahren, die auch die Analyse mehrphasiger Proben erlauben, zur Anwendung. Der apparative Aufbau setzt sich aus einer Röntgenstrahlungsquelle (Röntgenröhre, Synchrotron), einem Probenträger (Kapillare, ebenes Netz oder flacher Behälter) für das polykristalline Material (feinkörniges Pulver mit Korngrössen ≈1-10 µ), und einem Detektor (Film, Zählrohr) zusammen. Es wird das Beugungsverhalten monochromatischer Strahlung an statistisch orientierten Kristalliten untersucht, die Monochromatisierung erfolgt entweder qualitativ über einen Kβ-Filter, oder quantitativ mittels Einkristallmonochromator oder energiedispersivem Detektor. Bedingt durch die statistische Orientierung der Körner wird die bei Einkristallen zugängliche dreidimensionale Information allerdings auf eine Dimension reduziert: betrachtet man eine bestimmte Netzebene (hkl), so ist die Beugungsbedingung für jeden Kristalliten erfüllt, bei dem diese Netzebene einen Winkel θ mit dem Primärstrahl einschliesst (Abb. 3.2-1 (a)) Die, an äquivalenten Netzebenen (hkl) in den in allen Orientierungen vorliegenden Kristalliten abgebeugten, Strahlen, liegen somit auf einem Kegelmantel mit dem Öffnungswinkel 4θ (Abb. 3.2-1 (b)). Die Information über die relative Orientierung der unterschiedlichen Netzebenen zueinander geht dabei verloren, man erhält nur mehr ein eindimensionales Pulverdiagramm: Reflexintensitäten als Funktion des Beugungswinkels. Abb. 3.2-1(a) Reflexion eines Röntgenstrahls an einer Netzebene; (b) bei beliebiger Orientierung der Netzebene, aber unter Beibehaltung des Beugungswinkels θ zum Primärstrahl, liegen die reflektierten Strahlen auf einem Kegelmantel mit dem Öffnungswinkel 4θ. (c) Koaxiale Kreiskegel von an unterschiedlichen Netzebenen reflektierten Strahlen und (d) deren Registrierung auf einem Röntgenfilm (Borchardt-Ott, 12-2, 1993). 67 3.2.1 Debye-Scherrer-Verfahren Die erste Methode zur Beugung von Röntgenstrahlung an pulverförmigem Material wurde von Debye und Scherrer (1916) entwickelt: Das feinkörnige Pulver befindet sich dabei in einer Kapillare (Ø 0.2-0.3 mm, Wandstärke etwa 0.01 mm) aus Spezialglas (Mark-Röhrchen), der Röntgenfilm wird koaxial zylinderförmig darum angeordnet. Die auf dem Film sichtbaren Interferenzlinien sind dann die Schnittkurven der Reflexionskegel mit dem zylindrischen Film (Abb.3.2-1 und 3.2.1-1). Bezeichnet man den Abstand zwischen zwei zusammengehörigen Pulverringen auf dem Film mit S, so gilt S = 4θR mit θ im Bogenmass . Handelsübliche Debye-ScherrerKameras weisen einen Innendurchmesser des Filmzylinders von 2R= 180/π = 57.3 mm auf, sodass der Zahlenwert von S in mm dem Zahlenwert 2θ des Ablenkungswinkels des Röntgenstrahls in Grad entspricht. Aus der Braggschen Gleichung 2dhklsin θhkl = nλ erhält man dann die Netzebenenababstände dhkl . Abb. 3.2.1-1 Debye-Scherrer-Methode (Kleber, 5-15, 1992). Beispiel: Auswertung des Pulverdiagramms von kubischem Wolfram, aufgenommen mit CuKαStrahlung ( λ = 1.54 Å). Abb. 3.2.1-2 Debye-Scherrer-Aufnahme von Wolfram (Borchardt-Ott, 12-4, 1993). 68 Man misst die Abstände S zwischen zusammengehörigen Pulverlinien aus, rechnet sie in θhkl -Werte um, und erhält daraus nach der Braggschen Gleichung die dhkl -Werte. Über die in Kapitel 2.1.5 abgeleitete und für das kubische System vereinfachte Gleichung 2 2 2 2 2 sin2θhkl = λ4 ⋅ h2 + k 2 + l 2 = λ 2 ⋅ h2 + k2 +l 2 a b c 4a lässt sich einerseits die Gitterkonstante a berechnen λ2 = 0.0592 4a 2 ⇒ a = 3.16 Å und können andrerseits die Reflexe indiziert werden. Tabelle 3.2.1-1 Auswertungsschema der Wolfram-Pulveraufnahme (Borchardt-Ott, 12-1, 1993). Nr. des Reflexes S mm θ Grad 2 sin θ = λ2 4a02 ⋅ h 2 +k2 +l 2 hkl dhkl Å 1 40,3 20,15 0,1187 = 0,0594 . 2 110 2,24 2 58,3 29,15 0,2373 = 0,0593 . 4 200 1,58 . 3 73,2 36,60 0,3555 = 0,0592 6 211 1,29 4 87,1 43,55 0,4744 = 0,0593 . 8 220 1,12 . 5 100,8 50,40 0,5937 = 0.0594 10 310 1,00 6 115,0 57,50 0,7113 = 0,0592 . 12 222 0,91 . 7 131,2 65,60 0,8294 = 0,0592 14 321 0,85 8 154,2 77,10 0,9502 = 0,0592 . 16 400 0,79 Mit bekannter Dichte ρ von Wolfram lässt sich nun die Zahl Z der Formeleinheiten pro Elementarzelle berechnen Z= ρVNL 19.3 ⋅ 3.16 3 ⋅ 10–24 ⋅ 6.022 ⋅ 1023 ≈2 M = 183.86 Betrachtet man die Reflexliste, dann sieht man, dass die Reflexe 100, 111 oder 210 nicht beobachtet werden, ausgelöscht sind. Nach Tab. 2.1.8-2 handelt es sich dabei um die integrale Auslöschungsregel hkl: h+k+l=2n die für innenzentrierte Gitter typisch ist. Wolfram besitzt also ein kubisch innenzentriertes Gitter mit zwei Wolframatomen pro Elementarzelle. 69 Betrachtet man die Liste in Tabelle 3.2.1-1, so findet man, dass der kleinste auftretende d-Wert 0.79 ist. Aus der Braggschen Gleichung erhält man sin θ = λ und –1 ≤ sin θ ≤ +1 ⇒ d ≥ λ2 2d Daraus kann man ersehen, dass die Auflösung des Beugungsexperiments durch die verwendete Wellenlänge beschränkt ist, für CuKα-Strahlung ( λ = 1.54 Å) können keine d-Werte <0.77 Å auftreten. Die Liste der d-Werte und relativen Reflexintensitäten, die durch Auswertung eines Pulverdiagramms erhalten werden kann, ist charakteristisch ("finger print") für eine bestimmte Substanz und kann damit zu deren Identifizierung dienen. Es gibt eine grosse Datenbank (JCPDS Powder Diffraction File (PDF)), geführt vom Joint Committee on Powder Diffraction Standards (JCPDS) am International Centre for Diffraction Data (ICDD), mit mittlerweile Pulverdaten von etwa 60 000 Substanzen (Abb. 3.2.1-3). Abb. 3.2.1-3 PDF-Karte für Steinsalz (NaCl). ♣...Karte 628 aus Satz 5, ②...d-Werte der drei stärksten Reflexe, ➆...höchster beobachtbarer d-Wert, ➘...chemische Formel und Bezeichnung der Substanz, ⑤...Literaturzitat, ⑥...kristallographische Daten, ⑦...optische und andere Daten, ⑧...Aufnahmebedingungen, ❥...d-Werte, relative Intensitäten, Indizes, ★...hohe Qualität (Cahn, 4-58, 1994). 70 Der Vergleich der experimentell ermittelten Pulverdaten mit den gespeicherten kann manuell oder, einfacher, mittels Computer erfolgen. Es gibt zwei Suchstrategien: die Hanawalt-Methode sortiert die Pulverdiagramme zuerst nach den d-Werten der stärksten (100%) Linie, dann nach denen der zweitstärksten usw. (Tab. 3.2.1-4). Die Fink-Methode, bevorzugt angewandt wenn die relativen Intensitäten aufgrund von Textureffekten nicht zuverlässig bestimmt werden können, arbeitet mit den acht stärksten Linien die in ihrer Intensitätszuordnung als nicht fixiert angenommen werden. Will man Gitterkonstanten mit grösserer Präzision bestimmen oder benötigt man genauere d-Werte zur Phasenidentifizierung, so zieht man dem Debye-ScherrerVerfahren das Guinier-Verfahren vor. Tabelle 3.2.1-1 Beispiel aus dem Hanawalt Search Manual (Cahn, 4-60, 1992). i 2.83 x c 2.83 x 2.83 x 2.83 x i 2.83 x 2.00 3 2.00 6 2.00 6 2.00 9 2.00 4 1.64 3 1.64 2 1.64 6 1.63 9 1.62 4 2.84 - 2.80 (±0.01) 1.42 1 1.27 1 1.07 1 1.27 1 1.16 1 1.42 1 1.07 6 4.62 4 2.42 4 1.42 7 1.27 7 2.31 6 2.79 3 1.63 3 1.77 3 2.83 x 2.83 x 2.83 x 2.82 x 2.82 x 2.00 8 2.00 7 2.00 7 2.00 x 2.00 8 1.62 8 1.27 3 1.26 3 6.24 5 4.67 6 1.77 7 1.64 2 1.63 3 1.63 5 4.52 6 1.95 6 1.16 2 1.15 3 3.85 3 3.98 6 1.65 6 0.95 1 1.41 2 3.35 3 2.38 4 3.99 5 0.90 1 3.27 2 5.93 2 1.82 4 1.50 4 1.42 1 1.70 1 5.07 2 3.78 2 PmScO 3 AgSnSe2 ErSe Yb2Se3 Ca3ReO6 33 - 1091 33 - 1194 18 - 490 19 - 1434 34 - 1328 2.82 x 2.82 x 2.82 x 2.82 x 2.82 x 2.00 5 2.00 9 2.00 4 2.00 8 2.00 8 2.23 3 1.74 9 1.63 4 1.63 8 1.63 8 1.82 2 7.12 8 1.41 8 1.41 8 1.41 8 1.41 1 3.31 8 1.07 1 1.27 8 1.07 8 1.26 1 2.13 8 1.26 1 1.07 8 2.30 5 1.15 1 3.51 7 2.30 1 2.30 5 1.16 5 1.28 1 3.10 7 0.82 1 1.98 5 4.62 3 SiCl4 NbS2I2 Li0.25 SrNb0.75 O3 Pb 2CoWO6 Pb 2CoWO6 10 - 220 20 - 811 25 - 1383 17 - 491 17 - 494 o 2.81 x o 2.81 x 2.79 x 2.84 x 2.84 8 2.00 x 2.00 x 2.00 x 1.99 6 1.99 x 1.62 x 1.54 x 1.91 x 3.39 5 1.68 8 1.27 x 6.32 8 1.23 x 3.45 5 3.24 6 1.65 7 4.48 8 1.19 x 2.25 4 1.13 6 1.64 7 2.24 8 2.47 8 3.61 3 1.07 6 1.78 6 2.11 8 1.96 8 3.27 3 0.94 6 3.95 5 1.88 8 1.85 8 2.93 3 3.04 4 Ca3TeO6 Pt(NH3)4PtCl4 MnP LiBi3S 5 CuS0.5 CN 22 2733 28 - i * * c i 1.99 x 1.99 x 1.99 6 1.99 8 1.99 4 2.89 x 2.30 8 1.63 2 1.26 3 3.98 3 2.75 x 1.41 4 3.26 1 1.63 2 2.79 3 1.60 8 1.63 2 1.26 1 1.15 2 1.62 3 2.01 6 0.89 1 1.15 1 0.94 1 2.30 3 1.62 5 1.20 1 1.41 1 0.89 1 1.63 2 1.66 4 1.15 1 0.89 1 1.41 1 4.02 2 YInO3 KMgF 3 NaCl/Halite, syn BePd La 4Mn4O11 21 - 1449 18 - 1033 5 - 628 18 - 225 35 - 1354 i 2.83 x 2.82 9 2.82 x 2.82 x 2.81 x 2.32 1 0.94 1 1.42 4 4.90 5 1.27 3 1.16 1 0.90 1 1.27 4 4.01 5 4.00 2 EuNbO 3 Li0.4 Ag0.6 Br K2CaSiO4 Sr(Mg0.33 Nb0.67 )O 3 NdScO3 File No. 26 - 1417 26 - 858 19 - 943 17 - 181 26 - 1275 I/Ic 4.10 2.90 156 817 384 791 402 0.90 4.40 71 3.2.2 Guinier-Verfahren Beim Guinier-Verfahren erhält man durch Verwendung eines, den Primärstrahl fokussierenden, Monochromators wesentlich schärfere und damit auch intensivere Linien als beim Debye-Scherrer-Verfahren. Ein Monochromatorkristall, in einem bestimmten Winkel zum Primärstrahl angeordnet, reflektiert nur Röntgenstrahlen genau definierter Wellenlänge, die durch Monochromatormaterial ((111)-Si, (111)-Ge, (1011) -SiO2 ) und Einstellwinkel bestimmt ist. Krümmt man nun den Monochromatorkristall mit dem Radius 2R und schleift ihn mit dem halben Krümmungsradius R konkav an (Johansson-Typ), dann sind gleichzeitig die Reflexionsbedingung und die Fokussierungsbedingung für alle Punkte auf dem Fokussierungskreis erfüllt (Abb. 3.2.2-1). Abb. 3.2.2-1 Reflexionsund Fokussierungsbedingung eines Monochromatorkristalls vom JohanssonTyp. SF... Strichfokus (Brennfleck) der Röntgenröhre, SF' ... Fokus des reflektierten Strahls (Kleber,5-19, 1992). Beim Guinier-Verfahren liegen der Brennfleck (Strichfokus) der Röntgenröhre, der Johansson-Monochromator und der Fokus des am Monochromator reflektierten Primärstrahls auf einem Kreis (Monochromator-Fokussierungskreis). Die zylinderförmige Film-Kammer kann nun im Durchstrahl- oder Rückstrahlsmodus verwendet werden, je nachdem ob das auf einem ebenen Probenträger aufgebrachte Pulver durchstrahlt werden soll (kann) oder nicht (Abb. 3.2.2-2). Falls die Probengeometrie idealerweise einem Kreisbogen entspricht, und der Primärstrahl auf denselben Kreis genau gegenüber der Probe fokussiert wird, dann werden alle von der Probe abgebeugten Strahlen auf Orte auf dem Kreisumfang fokussiert (alle Peripheriewinkel über dem gleichen Bogen sind gleich, siehe Abb. 3.2.2-3). 72 Abb. 3.2.2-2 Guinier-Methode nach dem symmetrischen (a) Durchstrahl- und (b) Rückstrahlverfahren. M...Monochromator, F...Film, SF...Strichfokus (Brennfleck) der Röntgenröhre (Kleber, 5-18, 1992). Abb. 3.2.2-3 Alle Peripheriewinkel ACA', ADA', AEA',.... über dem gleichen Bogen AA' sind gleich: wenn der aus B kommende konvergente Primärstrahl in F fokussiert wird, werden auch alle abgebeugten Strahlen auf den Kreis fokussiert. Da auch die Peripheriewinkel über dem Bogen CD nach A, A' und für alle zwischen A und A' liegenden Punkte gleich sind, werden auch alle von verschiedenen Probenorten ausgehenden Strahlen auf den Kreis fokussiert (Glasser, 6-6, 1977). 73 4. Pulverdiffraktometrie Kennt man nicht nur die Positionen der Reflexe eines Pulverdiagramms, sondern auch ihre Intensitäten, dann kann man eine quantitative Strukturanalyse (Rietveld-Verfeinerung) durchführen. Die oben erwähnten Pulver-Methoden mit Film-Registrierung sind dazu jedoch nicht zu gebrauchen. Man verwendet heute automatische, hochauflösende Pulverdiffraktometer mit hochempfindlichen Detektoren (Szintillationszähler, Halbleiterdetektoren). Im Labor kommen dabei hauptsächlich Methoden, wie das parafokussierende Bragg-Brentano Rückstrahl- oder das fokussierende SeemannBohlin Durchstrahl-Verfahren, zum Einsatz (Abb. 3.2.3-1). Abb. 3.2.3-1 Fokussierende Verfahren mit Primärstrahlmonochromator: (a) Bragg-Brentano- und (b) Seemann-Bohlin-Verfahren (Cahn, 4-42, 1992). 74 Mit diesen Techniken können Halbwertsbreiten der Reflexe in der Grössenordnung von 0.1° erreicht werden. Noch wesentlich höhere Auflösung lässt sich nur mehr mit nahezu paralleler Synchrotronstrahlung erzielen. Dies ist vor allem für komplexere Strukturen von Interesse, bei denen oft mehrere hundert bis tausend Linien in einem Pulverdiagramm auftreten können. Je weniger Linien einander überlappen, desto einfacher und genauer wird eine Strukturanalyse (Abb. 3.2.3-2). Abb. 3.2.3-2 Beispiel eines Pulverdiagramms, Korund, α-Al2O3. Oben: die gepunktete Kurve entspricht den Messwerten, die durchgezogene Kurve stammt aus der Rietveld-Verfeinerung; die Striche darunter markieren die möglichen Reflexpositionen. Mitte und unten: Differenzkurven zwischen beobachteten und berechneten Intensitäten (Young, 5-5, 1993). Verwendet man einen ortsempfindlichen Detektor (Position Sensitive Detector, PSD) können Pulverdiagramme wesentlich schneller aufgenommen werden (bis Faktor 1000) und es lassen sich beispielsweise chemische Reaktionen verfolgen oder Phasenübergänge untersuchen (Abb. 3.2.3-3) 75 Abb. 3.2.3-3 Serie von Pulverdiffraktogrammen zur Untersuchung des peritektischen Zerfalls des Hochtemperatursupraleiters YBa2 Cu3 O7 – δ als Funktion der Temperatur (Cahn, 4-45, 1992). 5. Phasenanalyse Die Pulverdiffraktometrie ist auch zur qualitativen und quantitativen Analyse mehrphasiger Systeme geeignet. Die Nachweisempfindlichkeit hängt dabei vom SignalUntergrund-Verhältnis ab, das durch längere Messzeiten verbessert werden kann, während das inhärente Rauschen der Zählkette und zu geringe Reflex-Auflösung praktisch kaum mehr zu verschiebende Grenzen setzen. Mit Standard-Laborgeräten erzielt man meist eine Nachweisempfindlichkeit von ≈1%, mit Synchrotronstrahlung und ortsempfindlichen Detektoren kann man bis zu 0.0001% erreichen (Abb. 3.2.4-1). (a) 76 Log PSD data collection time 10 min 104 18 hrs 75 days Log Conc in ppm 103 102 Al2O3 in Si 101 Si inAl2O3 SiO2 in Al2O3 100 0 (b) 1 2 3 4 5 6 7 Abb. 3.2.4-1 (a) Pulverdiffraktogramme von verunreinigtem Silizium, aufgenommen mit 0.1, 1 und 10 Sekunden Messzeit pro Messpunkt. (b) Theoretische Nachweisgrenze für drei unterschiedliche Phasengemische bei ausschliesslicher Berücksichtigung der Zählstatistik (Cahn, 4-56,-57, 1992). 8 Log background counts Kennt man die qualitative Zusammensetzung eines Phasengemischs, so kann man aus den Intensitätsverhältnissen der zu den verschiedenen Phasen gehörigen Teildiffraktogramme seine Zusammensetzung quantitativ bestimmen. Besondere Probleme verursacht dabei aber die im allgemeinen unterschiedliche Absorption der einzelnen Komponenten. Die allgemeinste Methode zur Phasenanalyse, die diese Problematik berücksichtigt, ist die sogenannte Eichstandard-Methode (Internal Standard Method). Die Intensität Iiα einer Pulverlinie i der Phase α lässt sich durch Kiα I0 λ3 e4 Mi Iiα = µ mit Kiα = F 32πrm e2c4 2Vα2 iα 2 1 + cos22θicos 22θm sin 2θ icosθi beschreiben, wobei µ den linearen Absorptionskoeffizienten verkörpert, der Multiplizitätsfaktor Mi eines Reflexes der Überlagerung symmetrieäquivalenter Reflexe Rechnung trägt, und der Faktor 1 2 , mit dem Elementarzellvolumen Vα aus 2Vα dynamischen Streueffekten folgt. Der Lorentz-Faktor 1/ sin2θicosθ i berücksichtigt die für jeden Reflex unterschiedliche Durchtrittszeit durch die Ewald-Kugel, und der Polarisationsfaktor 1 +cos 22θi cos22θm beschreibt den Einfluss der Polarisierung des Primärstrahls durch den Monochromator und die Probe. Die Intensität Iiα einer Pulverlinie i der Phase α in einem Phasengemisch ist dann durch KiαXα ρα(µ / ρ)m gegeben, wobei Xα der Gewichtsanteil der Phase α ist, ρα ihre Dichte, und (µ / ρ)m den Massenabsorptionskoeffizienten der Phasenmischung bedeuten. Dieser letzte Term macht auch die grössten Probleme: um ihn zu berechnen müsste man die Zusammensetzung der Mischung bereits kennen. Die Eichstandardmethode löst dieses Problem nun durch Elimination dieses Terms durch Bildung des Verhältnisses Iiα = 77 I iα X =k Xα I js s wobei sich die Subskripte i, j auf verschiedene Pulverlinien beziehen; k entspricht der Steigung einer experimentellen Kalibrierungskurve (Abb. 3.2.4-2). Fügt man zu einem Phasengemisch nun definierte Mengen einer Standardsubstanz s zu, so können bei Kenntnis der Eichstandarddiagramme ( I iα /I js Xs gegen Xα ) aus den Intensitätsverhältnissen der Pulverlinien die Gewichtsanteile aller Mischungskomponenten quantitativ bestimmt werden (Abb. 3.2.4-2). (a) (b) Abb. 3.2.4-2 (a) Eichstandarddiagramm zur Bestimmung von Quarz ( SiO2 ) in Fluorit ( CaF2 ); (b) Profile durch eine Reflexgruppe eines Phasengemischs von CaCO3 / CaF2 nach Zugabe von 60% (oben), 40% (Mitte) und 20% (unten) Quarz als Standard (Nuffield, 5-13,-14, 1966). 78 5.1.1 Linienverbreiterungen Die Halbwertsbreite und Form der Linienprofile in Pulverdiagrammen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören einmal vom experimentellen Aufbau bestimmte Grössen, wie spektrale Verteilung, Strahldivergenz, Fokusgrösse, Spaltparameter und Detektorauflösung, und andrerseits von der Probe herrührende Einflüsse wie Probenvolumen, sowie Verteilung, Realstruktur und Grösse der Pulverkörner. Die Instrumentenfunktion kann man berechnen bzw. mit möglichst perfekten und gut definierten Standards experimentell bestimmen (Abb. 3.2.5-1). Damit lässt sich dann der Beitrag des untersuchten Materials abtrennen. Abb. 3.2.5-1 Instrumentell bedingte Halbwertsbreite der Linienprofile als Funktion des Beugungswinkels für einige Neutronen- und Röntgen-Pulverdiffraktometer (Neutronen: HRPD, D2B, SEPD; Synchrotron: CHESS) (Young, 5-1, 1993). Die Grösse der Kristallite, also die Grösse der einkristallinen Bereiche, die nicht notwendigerweise mit der Grösse der Pulverkörner identisch sein muss, lässt sich über die Linienbreite ableiten (Abb. 3.2.5-2). Nach Scherrer (1916) ist die Linienverbreiterung β τ mit der Kristallitgrösse (Korngrösse) τ über die Gleichung τ= λ β τcos θ verbunden. Mit dieser Scherrer-Gleichung können Kristallitgrössen im Bereich von 10 bis 10000 Å bestimmt werden. Die Grösse von Partikeln, die in einer Matrix fein verteilt sind, kann mit Kleinwinkelstreumethoden untersucht werden. 79 Abb. 3.2.5-2 Neutronen-Pulverdiffraktogramme für Anglesit, Kristallitgrösse von 1200 Å in (a) und von 150 Å in (b) (Young, 1993). PbSO4 , mit einer mittleren 80 Eine weitere Ursache der Linienverbreiterung ist das Vorliegen innerer Verspannungen, wie sie beispielsweise durch die Erzeugung von Defekten schon beim Pulverisieren metallischer Proben auftreten können (Abb. 3.2.5-3). Die dadurch bedingte Linienverbreiterung βε ist mit der innerern Spannung ε über die Gleichung βε = 4εtan θ verknüpft. Die unterschiedliche Abhängigkeit der Linienverbreiterung von θ , einmal mit 1/cosθ und einmal mit tan θ , erlaubt den Beitrag der Kristallitgrösse von derjenigen der inneren Spannungen zu separieren. Strain free crystallite d d Tensile and compressive stress Abb. 3.2.5-3 Änderung von Netzebenenabständen d als Folge innerer Spannungen (Cahn, 4-29, 1992). 5.2 Texturen und Polfiguren In polykristallinen Materialien kann es zu einer Vorzugsorientierung der Kristallite kommen. Dies ist zumeist eine Folge der Bearbeitung, wie das Walzen von Blechen und das Ziehen von Drähten, oder der Rekristallisation bei der Wärmebehandlung plastisch verformter Materialien (Abb. 3.3-1). In vielen Fällen ist die Kenntnis der Textur eines Materials von Bedeutung, da seine Eigenschaften durch eine Vorzugsorientierung der Kristallite erwünschter- oder unerwünschterweise stark verändert werden können: das Material wird anisotrop. (a) 81 (b) Abb. 3.3-1 (a) Schematische Darstelllung des Beugungsbilds eines kaltgezogenen Aluminiumdrahts. Den bei ideal statistischer Verteilung allein zu erwartenden Pulverringen (Laue-Kegel) sind Reflexe aus der Vorzugsorientierung überlagert. (b) Beziehungen zwischen Beugungsbild und stereographischer Projektion der Flächenpole (Barrett & Massalski, 9-1,-2, 1980). Wie in Abb. 3.3-1 und 3.3-3 schematisch dargestellt, wird eine bestimmte interessierende Netzebene (hkl) über den, ihr im Beugungsbild zuordbaren, Reflex S identifiziert, und daraus eine bestimmte Orientierung des dazugehörigen Kristalliten abgeleitet. Die Netzebenennormale für diese Kristallitorientierung durchstösst die Lagenkugel im Flächenpol P, der dann auf die Projektionsebene in den Punkt P' projiziert wird. Die Projektionsebene steht dabei bei Blechen gewöhnlich parallel zur Blechoberfläche, bei Drähten senkrecht zur Drahtachse. Registriert man nun die Häufigkeit des Auftretens einer bestimmten Orientierung der Netzebene (hkl) mit Hilfe der stereographischen Projektion, so erhält man die für eine Textur typische Polfigur. Die Bestimmung der Orientierungsverteilungsfunktion (ODF) der Kristallite kann mit unterschiedlichen Methoden erfolgen, am umfassendsten jedoch mit Hilfe eines Texturgoniometers (Abb. 3.3-2). Die Darstellung der ODF erfolgt dann in Form von Polfiguren. 82 Abb. 3.3-2 Texturgoniometer (Huber, 1994). Abb. 3.3-3 (a) Darstellung der Netzebenebene (hkl) in der stereographischen Projektion; (b) Projektionsebene mit Winkelnetz; (c) drei Körner im gewalzten Blech; (d) Polfigur eines 90% kaltgewalzten austeniti-schen Stahls: WR...Walzrichtung, QR...Querrichtung, 1-2 mittlere, 0-1 unter- und >2 überdurchschnittliche Häufigkeit der (111)-Ebenen in bestimmten Orientierungen (Hornbogen, 1-23, 1994). 83 5.3 Röntgentopographie Unter Röntgentopographie fasst man alle Techniken zusammen, die die Empfindlichkeit der Intensitäten abgebeugter Röntgenstrahlen auf Störungen des Kristallgitters (Versetzungen, Korngrenzen, Einschlüsse,...) zur Abbildung eben dieser Defekte nutzen. Die einfachste und schnellste Methode ist, an grossen Kristallen LaueAufnahmen mit Synchrotronstrahlung, also intensiver Parallelstrahlung mit grossem Querschnitt, zu machen; die innere Struktur (Intensitätsverteilung) der auf hochauflösendem Röntgenfilm abgebildeten abgebeugten Röntgenstrahlen spiegelt dann auf charakteristische Art und Weise die Kristalldefekte wieder. Im Labor verwendet man haüfig die beiden folgenden Techniken: Berg-Barrett-Methode: Diese apparativ sehr einfache Methode ist gut geeignet zur Oberflächenuntersuchung von Kristallen, Vergrösserungen zwischen 1x bis 100x sind erzielbar (Abb. 3.4-1). (a) (b) Abb. 3.4-1 (a) Experimenteller Aufbau für die Berg-Barrett-Methode: ein möglichst paralleler monochromatischer Strahl von einer Strichfokusröhre oder einem Synchrotron-Speicherring fällt möglichst flach auf einen grossen Kristall in Reflexionsposition. Der Film soll nicht weiter als etwa 1 mm vom Kristall entfernt sein. (b) Röntgentopographische Aufnahme eines V3Si-Kristalls mit Zwillingslamellen, 15x (Barrett & Massalski, 15-2,-3, 1980). 84 Lang-Methode: Bei dieser Methode können Probe und Film zusammen gegen den monochromatischen Röntgenstrahl bewegt werden, die Probe wird dabei durchstrahlt, Vergrösserungen 1x bis 300x sind erreichbar (Abb. 3.4-2) (a) (b) Abb. 3.4-2 (a) Experimenteller Aufbau für die Lang-Methode: ein monochromatischer Strahl aus einer Punktfokusröhre fällt durch einen Spalt auf die Probe. Der abgebeugte Strahl gelangt durch einen feststehenden zweiten Spalt auf den Film und erzeugt dort eine topographische Schnitt-Aufnahme. Bewegt man nun Probe und Film gemeinsam gegen Röntgenstrahl und Spaltsystem, erhält man eine Abbildung aller Defekte im Volumen, eine topographische Projektions-Aufnahme. (b) Topographische ProjektionsAufnahme eines LiF-Kristalls, Versetzungen und Korngrenzen zeigend (Barrett & Massalski, 15-5,-6, 1980). 85 6. Kristallphysik 6.1 Grundlagen Die Kristallphysik ist jener Teil der Festkörperphysik bei dem die kristallographische (strukturelle) Betrachtungsweise im Vordergrund steht. Besondere Berücksichtigung findet dabei die auf dem atomaren Aufbau der Kristalle beruhende Anisotropie elastischer, elektrischer, magnetischer und optischer Eigenschaften. Neben richtungsunabhängigen Grössen wie Masse, Dichte, spezifische Wärme etc. werden auch richtungsabhängige Parameter wie thermische Ausdehung, elektrische und thermische Leitfähigkeit etc. behandelt. Die Kristalleigenschaften, die die Beziehungen zwischen richtungsabhängigen Grössen bestimmen, werden durch Tensoren beschrieben. Skalare (Tensoren nullter Stufe) sind Funktionen des Ortes (Zeit,...), die jedem Punkt einen Zahlenwert (Betrag) zuordnen (Temperatur, Massendichte, Elektronendichte,..). Ein Pseudoskalar ist der Inversion gegenüber nicht invariant sondern ändert sein Vorzeichen (optische Aktivität im isotropen Medium). Vektoren (Tensoren erster Stufe) sind Funktionen des Ortes (Zeit,...), die jedem Punkt einen Betrag und eine Richtung zuordnen (Kraft, dielektrische Verschiebung, magnetische Feldstärke, Temperaturgradient,...). Man unterscheidet zwischen polaren (Pfeil) und axialen (Pfeil und Drehsinn) Vektoren (Abb. 4.1-1). Mit polaren Vektoren werden beispielsweise die elektrische Feldstärke oder Kräfte beschrieben, axiale Vektoren (Pseudovektoren) kennzeichnen dagegen die magnetische Feldstärke oder Drehmomente. Tensoren m-ter Stufe sind Funktionen des Ortes (Zeit,...), die in jedem Punkt z.B. einem dort gegebenen Vektor einen Tensor (m-1)-ter Stufe zuordnen. Man unterscheidet auf Grund ihrer Symmetrieeigenschaften polare und axiale Tensoren (Pseudotensoren). Tensoren (Pseudotensoren) gerader Stufe sind der Inversion gegenüber (nicht) invariant. (-) (+) ≡ (+) ≡ (-) (a) (b) Abb. 4.1-1 Schematische Darstellung von (a) polaren und (b) axialen Vektoren (Paufler, 1-3, 1986). Aus der Symmetrie der Eigenschaftstensoren lässt sich im Vergleich mit der Punktsymmetrie der untersuchten Kristalle auch die prinzipielle Möglichkeit des Auftretens eines bestimmten physikalischen Effekts leicht feststellen. So ist z.B. aus der Form des piezoelektrischen Tensors, eines Tensors dritter Stufe, zu erkennen, dass Substanzen mit Inversionszentrum keinen piezoelektrischen Effekt zeigen können. 86 Diese Kenntnisse sind bei der Suche nach Materialien mit genau definierten Eigenschaften ausserordentlich hilfreich. Wir werden uns im Folgenden mit der Anisotropie von Gleichgewichtseigenschaften (thermodynamisch reversibel) sowie von Transporteigenschaften (thermodynamisch irreversibel) beschäftigen. In Abb. 4.1-2 sind die Beziehungen zwischen den thermischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften gegeben. Abb. 4.1-2 Schematische Darstellung der Beziehungen zwischen mechanischen, thermischen und elektrischen Eigenschaften eines Kristalls. Die Stufe der jeweiligen Eigenschaftstensoren ist in eckigen Klammern angegeben, die der Variablentensoren in runden (Nye, 10-1a, 1995). In den drei äusseren Kreisen sind als induzierende Grössen (i.e. auf den Kristall einwirkende “Kräfte”) die Temperatur T (skalar), das elektrische Feld E (Vektor) und die mechanische Spannung (Tensor 2. Stufe) gegeben. In den drei dazu korrespondierenden inneren Kreisen findet man die induzierten Grössen als direktes Resultat einwirkende “Kräfte”: die Entropie S (skalar), die dieelektrische Verschiebung D (Vektor) sowie die Deformation (Tensor 2. Stufe). Die (dicken) 87 Verbindungslinien zwischen den direkt benachbarten Kreisen bezeichnen die Primäreffekte: • Eine kleine Änderung der absoluten Temperatur T bewirkt eine Änderung der Entropie S dS=(cp/T)dT, wobei cp (skalar) die Wärmekapazität pro Volumseinheit des Kristalls bedeutet. • Eine kleine Änderung des elektrischen Feldes E bewirkt eine Änderung der dielektrischen Verschiebung D (beides Vektoren) dD= dE, wobei (Tensor 2. Stufe) die Permittivität des Kristalls bedeutet. • Eine kleine Änderung der mechanischen Spannung σ bewirkt eine Änderung der Deformation (beides Tensoren 2. Stufe) dε=sdσ, wobei s (Tensor 4. Stufe) die Elastizität des Kristalls bedeutet. Das Diagramm zeigt auch die gekoppelten Effekte (längs dünner Verbindungslinien). Dazu gehören beispielsweise: • Die Deformation eines Kristalls, hervorgerufen durch eine Temperaturänderung d = dT, mit , dem Tensor (2. Stufe) der thermischen Ausdehnung. 88 7. Bezugssysteme Kristallographische Koordinatensysteme ai (i=1,..,3) sind der Symmetrie und Metrik der Kristallgitter angepasst und daher im allgemeinen nicht kartesisch. Die praktische Behandlung von anisotropen physikalischen Grössen wird damit sehr schnell unbequem. Anders als zur Beschreibung morphologischer Eigenschaften benutzt man deshalb zur Darstellung physikalischer Eigenschaften eines Kristalls fast ausnahmslos ein kartesisches Bezugssystem e k (k=1,..,3), welches gemäss folgender Konvention mit dem kristallographischen System verknüpft ist: Die Basisvektoren a 1 und a3 spannen eine Ebene mit den Miller-Indizes (010) auf. Das kristallphysikalische Bezugssystem wird nun so gelegt, dass e2 ⊥ (010) und e3 || a3 verläuft (Abb. 4.1.1-1 und Tab. 4.1.1-1). In den orthogonalen Koordinaten-systemen gilt ei || ai. Abb. 4.1.1-1 Zusammenhang zwischen kristallographischem und kristallphysikalischem Bezugssystem im monoklinen Kristallsystem. Tabelle 4.1.1-1 Orthonormierte kristallphysikalische Koordinatensysteme (Kleber, 4-2, 1990). Kristallsystem Triklin Monoklin Rhombisch Tetragonal Hexagonal β ≠ 90° γ ≠ 90° Orthonormierte Basisvektoren e1 e2 ||(010) und ⊥(010) ⊥[001] ⊥(100) ||[010] ||[100] ⊥(010) ||[100] ||[010] ||[100] ||[010] ||[10.0] bzw. ||[12.0] bzw. ⊥(21 10) ⊥(011 0) e3 ||[001] ||[001] ||[001] ||[00.1] bzw. ⊥(0110) Rhomboedrisch || 110 || 112 || 111 Kubisch ||[100] ||[010] ||[001] 89 8. Definition von Eigenschaften Für die Definition von Eigenschaften hat sich das Konzept der induzierenden und induzierten Grössen bewährt. Lässt man auf einen Probenkörper eine oder mehrere unabhängige Grössen Ai einwirken, so rufen diese Effekte hervor, die man mit Hilfe der abhängigen Grössen Bi (Antwort- oder Responsefunktionen) darstellen kann. Beispiele für Ai sind Temperatur T, Temperaturgradient ∆T bzw. grad T, hydrostatischer Druck p, allgemeine mechanische Spannungszustände , elektrisches oder magnetisches Feld E bzw. H. Die induzierten Grössen B i können z.B. kalorischer Wärmeinhalt cp, Wärmestromdichte jQ, mechanische Deformationen , elektrische Stromdichte j, elektrische oder magnetische Polarisation P bzw. J sein. Formal lässt sich der Zusammenhang zwischen induzierenden und induzierten Grössen gemäss Bi=fijkl...AjAkAl... darstellen. Die Funktionen fijkl... (Materialkonstanten) beschreiben dabei diejenige Eigenschaft des Kristalls, welche unter den Einwirkungen der Aj, Ak, A l usw. die Grösse Bi hervorruft. Der Zusammenhang zwischen induzierenden und induzierten Grössen kann vollständig reversibel sein, eine Hysterese aufweisen oder irreversibel sein (Abb. 4.1.2-1). Weiters kann die Antwortfunktion linear oder nichtlinear sein. Abb. 4.1.2-1 Beispiele funktioneller Abhängigkeiten von Antwortfunktionen Y=f(X) in schematischer Darstellung: (a) reversibel linear, (b) reversibel nichtlinear, (c) mit Hysterese (Göpel/Ziegler, 4.0-1, 1996). 90 9. Symmetrie kristallphysikalischer Eigenschaften Da alle physikalischen Eigenschaften eines Kristalls auf die geometrische Anordnung (Kristallstruktur) und Verknüpfung (chemische Bindung) seiner Strukturelemente zurückgehen, muss die Symmetrie der physikalischen Eigenschaften auch die Symmetrie des Kristalls zum Ausdruck bringen (Abb. 4.1.2.-1 und 4.1.3-1). Wenn man vom idealen Kristall ausgeht, gilt das Neumannsche Prinzip: Die räumliche Symmetrie einer Eigenschaft kann nicht geringer sein als die strukturelle Symmetrie des Kristalls. Für alle makroskopischen Eigenschaften tritt an Stelle der Raumgruppensymmetrie der Kristallstruktur die dazugehörige Punktgruppensymmetrie, da die Translationsoperationen makroskopisch keine unmittelbare Bedeutung haben. Das Neumannsche Prinzip manifestiert sich, beispielsweise, unmittelbar in der Tracht eines idiomorphen Kristalls. Die ausgebildeten Flächenformen spiegeln einerseits die Punktsymmetriegruppe wider und bilden andrerseits eine Art natürliche Bezugsfläche für die Anisotropie der Grenzflächenenergie. In der Sprache der Gruppentheorie lautet das Neumannsche Prinzip GE ⊇ GK , d.h. die Symmetriegruppe GE der Eigenschaft ist entweder gleich der Symmetriegruppe GK des Kristalls oder einer ihrer Obergruppen (Abb. 4.1.3-2). (a) (b) (c) (d) Abb. 4.1.3-1 (a) Stereographische Projektion der Punktgruppe 32. (b) Morphologie von α-Quarz. (c) Piezoelektrischer Longitudinal-Effekt von Quarz in der Ebene (001). (d) Longitudinaler elastischer Widerstand in der (001)-Ebene von Quarz (Haussühl, 1993, 75; Klockmann, 1978, 102; Haussühl, 1983, 37). 91 Abb. 4.1.3-2 Gruppen-Untergruppen-Beziehungen der 32 kristallographischen Punktgruppen (International Tables for Crystallography, 10.3-2, 1992). Zur Beschreibung der Symmetrie physikalischer Eigenschaften als Obergruppen zu den 32 kristallographischen Punktgruppen benötigt man noch die sieben kontinuierlichen Punktgruppen, auch Curie-Gruppen genannt (Abb. 4.1.3-2 und Tab. 4.1.3-1): die Gruppen ∞, ∞2 und 2∞ sind enantiomorph, können also in Rechts- und Linksform auftreten. Die Gruppen ∞, ∞2, ∞m, ∞/m weisen eine ausgezeichnete Achse auf, während 2∞ und m∞ isotrope Medien kennzeichnen. Ein Symmetriezentrum besitzen nur die Gruppen ∞/m, ∞/mm und m∞ . Polare Achsen treten nur in den Gruppen ∞ und ∞m auf. Ein Beispiel für die Symmetrieklassifizierung von physikalischen Feldern ist in Tab. 4.1.3-1 gegeben. Abb. 4.1.3-2 Geometrische Darstellung der kontinuierlichen Punktgruppen (Kleber, 4-2, 1990). 92 Tabelle 4.1.3-1 Charakteristika der sieben kontinuierlichen Punktgruppen (Kleber, 4-4, 1990) Vollständiges Symbol Kurzsymbol Andere gebräuch -liche Symbole ∞ ∞ ∞ m ∞/ m ∞ ∞2 ∞2 ∞m ∞2 mm Symbol nach SCHÖN- Inversionszentrum Enantiomorphie Optische Aktivität Piezoelektrizität Pyroelektrizität C∞ — + + + + FLIES Beispiele nematischer flüssiger Kristall aus optisch aktiven, polaren Molekülen + — — — — ∞22 C∞h S∞ C∞i D∞ — + + + — ∞m ∞mm C∞v — — — + + ∞/mm ∞m 2 ∞m D∞h + — — — — nematischer flüssiger Kristall 2∞ ∞∞ K — + + — — m∞ ∞∞∞ ∞∞ ∞∞m ∞∞∞ m mm optisch aktive Flüssigkeit Kh + — — — — isotrope Flüssigkeit nematischer flüssiger Kristall aus paramagnetischen Molekülen nematischer flüssiger Kristall aus optisch aktiven Molekülen nematischer flüssiger Kristall aus polaren Molekülen ∞/mmm 2∞ 2 m∞ Tabelle 4.1.3-2 Punktsymmetrien physikalischer Felder (Paufler, 1986) _____________________________________________________________________ Punktgruppe Feld _____________________________________________________________________ ∞m homogenes elektrisches Feld E ∞/m homogenes magnetisches Feld H ∞/mm uniaxiale mechanische Zug-oder Druckspannung σii mmm reine Scherspannung σ ij mit i ≠ j m∞ hydrostatischer Druck p _____________________________________________________________________ Unter dem Einfluss induzierender Grössen können sich nicht nur die physikalischen Eigenschaften eines Kristalls ändern, sondern auch seine Symmetrie. Curie studierte den Zusammenhang zwischen der Punktsymmetrie elektrischer und magnetischer Felder im Vakuum und der Symmetrie der elektrischen und magnetischen Eigenschaften von Kristallen in diesen Feldern (Tab. 4.1.3-2). Curiesches Prinzip: ein unter einer äusseren Einwirkung stehender Kristall weist diejenigen Symmetrieelemente auf, die dem Kristall ohne diese Einwirkung und der Einwirkung ohne den Kristall gemeinsam sind. 93 Im Formalismus der Gruppentheorie wird dieses Prinzip durch GEF ⊇ GKF = G F ∩ G K beschrieben. Die Punktgruppe GKF des Kristalls im Feld ergibt sich als Schnittmenge der Punktgruppen GF des Feldes und GK des Kristalls. Dies bedeutet im allgemeinen eine Symmetrieerniedrigung für den Kristall im Feld, so dass nun physikalische Effekte auftreten können, welche im feldfreien Kristall aus Symmetriegründen verboten sind. Beispiel: 4 3m uniaxialen Druck Üben wir auf einen kubischen Kristall mit der Punktgruppe m längs der vierzähligen Achse aus, so erhalten wir als mögliche Punktsymmetrie beliebiger physikalischer Effekte an diesem Kristall 4 2 = ∞ 2 ∩432 GEF ⊇ m m mm m m 4 2 2 . So wird z.B. ein im eine Obergruppe der tetragonalen Punktgruppe m mm spannungsfreien Zustand optisch isotroper Kristall damit anisotrop, d.h. man beobachtet eine Doppelbrechung ∆n (vgl. § 4.3.2), die sogenannte Spannungsdoppelbrechung. 94 10. Thermische Eigenschaften 11. Der Tensor der thermischen Ausdehnung Die thermische Ausdehnung von Kristallen ist im allgemeinen richtungsabhängig (Tabelle 4.2.1-1). Die relative Längenänderung eines Materials in einer Richtung von lo auf l ist proportional zu einer Temperaturerhöhung von To auf T l –l 0 /l = α T– T0 wobei α, der lineare thermische Ausdehnungskoeffizient, eine Materialeigenschaft ist. Tabelle 4.2.1-1 Lineare thermische Ausdehnungskoeffizienten α einiger Materialien zwischen 0° und 100°C (Kleber, 4-1, 1990; Göpel/Ziegler, 2.1-3, 1996) Material Kristallklasse Ausdehnungskoeffizient α in 10 -6 K-1 Diamant C Steinsalz NaCl Fluorit CaF2 Invar Fe64Ni36 m3m m3m m3m m3m 1,2 40 19 1,6 Wolfram W m3m 4,5 Kupfer Cu m3m 16,5 Silber Ag m3m 19 Aluminium Al m3m 23,6 Cesium m3m 97 Quarzglas SiO2 m∞ 0,5 Al2O3-Keramik MgO-Keramik Polystyrol Teflon Polyisopren m∞ m∞ m∞ m∞ m∞ Quarz SiO2 Zink Zn Graphit C Brucit Mg(OH)2 Portlandit Ca(OH)2 Calcit 32 6/mmm 6/mmm bzw. 3m 3m 3m 8,8 13,5 50−85 135−150 220 || 9 55 26 45 33 26 a Aragonit Chrysoberyll α || α⊥ αa ,αb ,αc 14 14 -1,2 11 10 -6 b mmm 10 16 mmm 6,0 6,0 Ausdehnungskoeffizient parallel zur c-Achse Ausdehnungskoeffizient senkrecht zur c-Achse Ausdehnungskoeffizienten in Richtung der a-, b- bzw. c-Achse c 33 5,2 95 Die thermische Ausdehnung eines Materials könnte man experimentell dadurch veranschaulichen, dass man eine Kugel mit Radius R aus dem Material herausschneidet und erwärmt. Aufgrund der Richtungsabhängigkeit von α würde die Kugel im allgemeinsten Fall zu einem allgemeinem Ellipsoid verformt werden (Abb. 4.2.1-1). Ein ursprünglich auf der Kugeloberfläche liegender Punkt X mit dem Ortsvektor r würde um den Vektor u nach X' auf der Ellipsoidoberfläche verschoben. Diese Zuordnung, die die Komponenten ui von u linear mit den Komponenten xi von r verknüpft kann in der Form u=εr geschrieben werden. Da u und r unterschiedliche Richtungen haben können muss man für die Komponenten angeben u1 = ε11x1 + ε 12x2 + ε13x3 u2 = ε21x1 + ε 22x2 + ε23x3 u3 = ε31x1 + ε 32x2 + ε 33x3 Summarisch kann man schreiben ui = Σ ε ijx j oder kürzer, der Einsteinj Konvention gemäss, ui = εijx j , wobei über mehrfach vorkommende Indizes auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens aufsummiert wird. Abb. 4.1.1-1 Anisotrope thermische Ausdehnung, bei der aus einer Kugel ein allgemeines Ellipsoid wird (Kleber, 4-1, 1990) Die Koeffizienten ε ij repräsentieren die Komponenten eines Tensors zweiter Stufe und können in Matrixdarstellung geschrieben werden. Damit kann man die Beziehung ui = εijx j als Matrixmultiplikation formulieren u1 ε11 ε 12 ε 13 x1 u2 = ε21 ε22 ε 23 x2 u3 ε31 ε 32 ε33 x3 Bei einer thermischen Deformation sind innerhalb eines linearen Ansatzes die Komponenten ε ij proportional zur Temperaturänderung ∆T ε ij = α ij∆T Die Komponenten εii beschreiben Longitudinaleffekte, die Grössen εij (i≠j) geben direkt die Scherung eines Volumelements an. Von den neun Tensorelementen sind sechs voneinander unabhängig, die drei longitudinalen und die drei transversalen 96 Komponenten εii bzw. εij (i≠j, j>i). Beachte, hier wird die Einstein-Konvention nicht angewandt, da auf der rechten Seite der Gleichung keine Indizes doppelt vorkommen. Die Koeffizienten αij bilden ihrerseits gleichfalls einen Tensor, den Tensor der linearen thermischen Ausdehnung. Um die thermische Ausdehnung über einen grösseren Temperaturbereich zu beschreiben benötigt man jedoch noch weitere Terme ε ij = α ij∆T + β ij ∆T + γij ∆T +... 2 3 Die Tensoren der thermischen Ausdehnung αij , βij, γij sind alle von zweiter Stufe. (a) (b) Abb. 4.2.1-2 (a) Potentialverlauf für ein Teilchen im Kraftfeld eines ruhenden zweiten Teilchens als Funktion des Abstands r. (b) Potential eines Lithium-Atoms in Li 3N in der Richtung -N-Li-Li-N- bei 888 K. In beiden Fällen ist das harmonische Potential gestrichelt eingezeichnet (Paufler, 6-6,-7 1986). Atomistisch lässt sich das Zustandekommen der thermischen Ausdehnung durch den wachsenden Einfluss anharmonischer Terme bei zunehmenden Amplituden der Wärmeschwingungen der Atome erklären: in Abb. 4.2.1-2 (a) ist schematisch der Potentialverlauf für ein Atom als Funktion des Abstands von einem weiteren Atom eingezeichnet. Im Zustand Vo hält sich das Atom im Gleichgewichtsabstand r o auf, im Zustand V1 zwischen r 1 und r1 '. Während bei harmonischem Potential (gestrichelt) die Auslenkungen u=r-ro im zeitlichen Mittel verschwinden, muss die Bewegung im anharmonischen Potential zu einer mittleren Abstandsänderung u =r – r 0 führen. Je steiler die Potentialkurve verläuft, d.h. je stärker die interatomaren Bindungen sind, desto geringer fällt die thermische Ausdehnung aus. Geringvernetzte Polymere (van der Waals-Bindungen dominieren gegenüber kovalenten Bindungen) haben demzufolge typischerweise sehr hohe, Metalle hohe und Keramiken niedrige thermische Ausdehnungskoeffizienten (Tab. 4.2.1-1). Mit der Temperatur zunehmende thermische Schwingungen können aber auch zu einer Verringerung der Abstände zwischen Atomen führen (Abb. 4.2.1-3). 97 Die Kenntnis der αij von Werkstoffen ist von grosser technologischer Bedeutung. Kubisches α-Fe hat beispielsweise einen linearen Ausdehnungskoeffizienten von α=∆l/l=11.5•10-6K-1. Dementsprechend würde eine 1000 m lange Eisenbahnschiene bei einer Temperaturänderung von 10K ihre Länge um 11.5 cm ändern! Beim Bau von Maschinen und Motoren muss daher sorgfältig darauf geachtet werden, dass Materialien mit ähnlichen Ausdehnungskoeffizienten verwendet werden um mechanische Verspannungen während des Betriebs zu vermeiden. Nachteilig macht sich die unterschiedliche thermische Ausdehnung von epitaktischen Schichten und Substrat in der Dünnschichttechnik bemerkbar, beim Entstehen innerer Spannungen während des Erstarrens aus der Schmelze, etc. Abb. 4.2.1-3 Kontraktion der Einheitszelle mit zunehmender thermischer Schwingung der Sauerstoffatome in kubischem ZrV 2-xP xO7 (Nature 386 (1997) p.23). Für spezielle Anwendungen, wie z.B. Glasdurchführungen von Metalldrähten (in Fernsehröhren), die in Anwendung und/oder Herstellung starken Temperaturänderungen ausgesetzt sind, verwendet man Legierungen, die den Invar Effekt zeigen. Als Invar Effekt bezeichnet man die Kompensierung der thermischen Ausdehnung durch die mit zunehmender Temperatur abnehmende magnetostriktive Dehnung (siehe § 4.5.2). Das System Fe-Ni bildet wegen der starken Konzentrationsabhängigkeit der Magnetostriktion die Grundlage für Legierungen mit kontrollierter thermischer Ausdehnung (Abb. 4.2.1-4). Abb. 4.2.1-4 Thermischer Ausdehnungskoeffizient im System Fe-Ni bei 0°C und 200°C als Funktion des Nickel-Gehalts (Hornbogen/ Warlimont, 18-16,1996). 98 Die Messung der bei der thermischen Ausdehnung auftretenden Längenänderungen kann über Dilatometer (Abb. 4.2.1-5) oder, ungenauer, über die röntgenographische Präzisionsmessung der Temperaturabhängigkeit der Gitterkonstanten erfolgen. Mit der letzgenannten Methode lassen sich auch die Tensorkoeffizienten aus polykristallinem Material emitteln. (a) (b) (c) Abb. 4.2.1-5 (a) Induktiver und (b) kapazitiver Wegaufnehmer, (c) optisches Interferenzdilatometer. F...Ferritstab bzw. Fernrohr, G...Grundplatte, H...halbdurchlässiger Spiegel, K...Kristall, L...Lichtquelle, R...Distanzring und Spulenträger aus Invar oder Quarzglas, O...obere Elektrodenplatte, P...Referenzplatte, S...HF-Spule (Haussühl, 30, 31, 32, 1983). 12. Symmetrie der Tensoren Die Symmetrie kristallphysikalischer Eigenschaften widerspiegelt sich natürlich in der Symmetrie der sie beschreibenden Tensoren. Man unterscheidet dabei zwischen äusserer und innerer Tensorsymmetrie. Die Gesamtheit der orthogonalen Koordinatentransformationen, die alle Komponenten eines Tensors unverändert lassen, bildet die Gruppe seiner äusseren Symmetrie. Betrachten wir beispielsweise die Wirkung einer Spiegelebene senkrecht zur kristallographischen b-Achse im monoklinen Kristallsystem auf die Form des Deformationstensors. Nach Tab. 4.1.1-1 ist die b-Achse eines monoklinen Kristalls parallel zum kristallphysikalischen Basisvektor e2. Zu jedem Vektor r = (x1,x2 ,x3) muss es daher einen spiegelbildlichen Vektor r =(x 1,–x 2,x 3) geben und zum Vektor u = (u 1,u2 ,u3) ebenfalls einen spiegelbildlichen Vektor u =(u 1,–u2,u3 ) . Beide Vektorpaare sind durch denselben Deformationstensor miteinander verknüpft: u = εr sowie u = εr oder ausgeschrieben u1 = ε11x1 + ε 12x2 + ε13x3 u1 = ε11x1 – ε 12x2 + ε 13x3 u2 = ε21x1 + ε 22x2 + ε23x3 sowie –u2 = ε21x1 – ε22x2 + ε 23x3 u3 = ε31x1 + ε 32x2 + ε 33x3 u3 = ε 31x1 – ε 32x2 + ε33x3 99 Gelten alle Gleichungen simultan, findet man durch Koeffizientenvergleich ε 12 =– ε12 , ε 21 =– ε21 , ε 23 =– ε23 und ε 32 =– ε32 , was nur durch ε 12 = ε21 = ε23 = ε32 = 0 erfüllt werden kann. Berücksichtigt man noch, dass der Deformationstensor ein symmetrischer Tensor ist, für den ε ij = ε ji gilt, so erhalten wir ε11 0 ε13 0 ε 22 0 ε13 0 ε33 mit nur noch vier unabhängigen Komponenten. Eine Zusammenstellung der äusseren Symmetrie und Form polarer Tensoren zweiter Stufe ist in der Tabelle 4.2.2-1 gegeben. Aus der Form des Tensors lässt sich die Zahl der zu messenden unabhängigen Tensorkomponenten sofort ablesen. Als weiteres Beispiel betrachten wir die Einfluss eines im Kristall vorhandenen Inversionszentrums auf die Möglichkeit bestimmter physikalischer Effekte. Die Symmetriematrix des Inversionszentrums ist durch 1 00 R1 = 0 1 0 0 01 gegeben. Daraus resultiert unter Berücksichtigung der Transformation polarer Tensoren m-ter Stufe im n-dimensionalen Raum t 'ijk...s =u ii* u jj* ... uss* ti* j*...s* = tijk...s wobei über m Indizes i*, j*, k*,..., s* mit dem Wertevorrat 1,..., n summiert wird, t 'ijk...s =(– 1) m tijk...s weil uii = –1 und u ji = 0 für alle i ≠ j ist . Dies bedeutet, dass alle polaren Tensoren ungerader Stufe bei Existenz eines Inversionszentrums völlig verschwinden! Insbesondere gibt es dort keinen pyroelektrischen (Tensor 1.Stufe) und piezoelektrischen Effekt (Tensor 3.Stufe). Auch die elektrooptischen Effekte erster Ordnung und die nichtlinearen optischen Effekte erster Ordnung sowie die nichtOhmsche Leitfähigkeit treten dort nicht auf (Tensoren 3.Stufe). Da Tensoren gerader Stufe invariant gegen das Inversionszentrum sind, kann man sie als zentrosymmetrisch unabhängig von der Symmetrie des Mediums bezeichnen. Gerade umgekehrt verhält es sich bei den axialen Tensoren (Pseudotensoren). Da das Transformationsverhalten sich um das Produkt mit der Determinante u ij der Transformationsmatrix uij t 'ijk...s = uij uii* u jj* ... uss* t i* j*...s* =t ijk...s 100 von dem polarer Tensoren unterscheidet, existieren bei Anwesenheit eines Inversionszentrums gerade die axialen Tensoren ungerader Stufe und die geraden verschwinden. Tensoren weisen oft innere Beziehungen (innere Symmetrie) zwischen ihren Komponenten, unabhängig vom Medium und dessen Symmetrie, auf. Am wichtigsten ist die bereits genannte Beziehung t ij = t ji, die für den symmetrischen Tensor zweiter Stufe gilt. So lässt sich jeder Tensor zweiter Stufe in einen symmetrischen Anteil t (ij) und in einen antisymmetrischen Anteil t ij trennen gemäss t ij = t ij +t ji t ij – t ji 2 + 2 = t ij + t ij wobei t ij nur drei unabhängige Komponenten hat. Ein totalsymmetrischer Tensor mter Stufe ist dann durch die Beziehung t ij...s = t(ij...s) charakterisiert, wobei (ij...s) eine beliebige Permutation der Anordnung ij...s bedeutet. Der Symmetriecharakter ist gegen einen Wechsel des Bezugssystems invariant. Tabelle 4.2.2-1 Form von polaren symmetrischen Tensoren zweiter Stufe am Beispiel des Deformationstensors ε (Kleber, 4-3, 1990) Kristallsystem Triklin Monoklin β ≠ 90° γ ≠ 90° Rhombisch Tetragonal Trigonal Hexagonal Kubisch Tensorfläche dreiachsiges Ellipsoid in beliebiger Lage Symmetrie des Tensors mmm dreiachsiges Ellipsoid, eine Haupt-achse || zur b-Achse Schema der Komponen-ten εij = εij ε 11 ε12 ε13 ε12 ε 22 ε23 ε13 ε 23 ε33 ε11 0 ε13 0 ε 22 0 ε13 0 ε 33 Bezug zu den Hauptwerten Anzahl unabhängiger Komponenten — 6 ε22 = εb mmm dreiachsiges Ellipsoid, eine Hauptachse || zur bAchse dreiachsiges Ellipsoid, Hauptachsen || zur a-, bund c-Achse Rotationsellipsoid, Rotationsachse || zur c-Achse Kugel mmm ∞/mm m∞ 4 ε11 e12 0 e12 ε22 0 0 0 ε 33 ε33 = εc ε11 0 0 0 ε22 0 0 0 ε 33 ε11 = εa ε22 = εb ε33 = εc ε11 0 0 0 ε11 0 0 0 ε 33 ε11=εa =εb=ε ε11 0 0 0 ε11 0 0 0 ε 11 3 ⊥ 2 ε11 = ε 1 ε33=εc =ε|| 101 13. Der Wärmeleitfähigkeitstensor Die Wärmeleitfähigkeit ist ein Mass für die Wärmemenge Q, die in der Zeit t durch einen Kristallstab mit dem Querschnitt A und der Länge l fliesst, wenn zwischen seinen Enden die Temperaturdifferenz ∆T besteht: Q = λAt∆T l Dabei ist die Wärmeleitzahl (Wärmeleitfähigkeitskoeffizient) λ eine richtungsabhängige Materialeigenschaft. Die Masseinheit W/(mK) gibt die Wärmemenge in Joule (Wattsekunden), die in 1s durch einen Stab von 1m Länge und 1m 2 Querschnitt bei einer Temperaturdifferenz von 1° fliesst. Eine aus der Wärmeleitzahl λ abgeleitete Grösse ist die ebenfalls häufig verwendete Temperaturleitzahl (Temperaturleitfähigkeit) λ a = ρc mit der Dichte ρ und der spezifischen Wärmekapazität c. Eine weitere wichtige abgeleitete Grösse ist die Wärmestromdichte jQ jQ = λ∆T l die proportional zum Temperaturgradienten ist. Der Temperaturgradient ∆T, oder anders geschrieben grad T ∂T e + ∂T e + ∂T e grad T = ∇T = ∂x 1 ∂x2 2 ∂x3 3 1 ist ein polarer Vektor, dessen Komponenten dem Temperaturgefälle in Richtung der Koordinatenachsen entsprechen. Die Wärmestromdichte jQ ist ebenfalls ein polarer Vektor, der die in eine bestimmte Richtung in der Zeiteinheit transportierte Wärme angibt. Diese beiden Vektoren sind dann durch den Tensor der Wärmeleitfähigkeit λ , einem polaren Tensor zweiter Stufe verknüpft: jQ = – λ∇T oder ijQ = – λ ij ∂T ∂x j Das negative Vorzeichen resultiert aus der Konvention, dass die positive Richtung des Temperaturgradienten von der niedrigeren Temperatur zur höheren weist, der Wärmefluss aber umgekehrt erfolgt. In einem isotropen Material fliesst die Wärme längs dem steilsten Temperaturgradienten, im Kristall ist dies im Allgemeinen nicht so. Aufgrund der physikalischen Natur der Wärmeleitung, wie auch der anderen Transportvorgänge (elektrische Leitung, Diffusion), gilt λij = λ ji , der Wärmeleitfähigkeitstensor ist also symmetrisch. 102 Die Wärmeleitung erfolgt über die thermischen Schwingungen der Atome (Gitterschwingungen = Phononen) und, falls vorhanden, über freie Elektronen. Sie verringert sich wenn die Elektronen oder Phononen an Baufehlern (Punktdefekten etc.), an Elektronen oder anderen Phononen gestreut werden (Abb. 4.2.3-1) und sich ihrer mittlere freie Weglänge dadurch verringert. Dies ist auch die Ursache der meist deutlich geringeren Wärmeleitfähigkeit von (polykristallinen) Keramiken im Vergleich zu Einkristallen. Die Wärmeleitfähigkeit ist stark temperaturabhängig und wächst bei Gläsern mit zunehmender Temperatur während sie bei Kristallen abnimmt (Abb. 4.2.3-2). Polymere sind meistens sehr schlechte Wärmeleiter, da sie normalerweise keine freien Elektronen enthalten und die Wärmeenergie in Form von Schwingungen und Rotationen von einzelnen Kettenteilen lokal gespeichert und nur schwer transportiert wird. Am absoluten Nullpunkt verschwindet generell jegliche thermische Leitfähigkeit. Abb. 4.2.3-1 Einfluss der Dotierung auf die Wärmeleitfähigkeit von Silicium: Dotierung mit (a) 1.10 13cm-.3, (b) 4.1016cm-.3 und (c) 5.10 20cm-.3 Boratomen (p-Leitung) (Paufler, 6-50, 1986). (a) (b) Abb. 4.2.3-2 Temperaturabhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit λ (a) von einkristallinem synthetischem Saphir, und (b) von Gold unterschiedlicher Reinheit (Paufler, 6-49, 1986). 103 In Tab. 4.2.3-1 sind die Wärmeleitfähigkeiten λ einiger Materialien zusammengestellt. Metallische Elemente haben die grössten Werte, dann folgen Legierungen und mit grossem Abstand Ionenkristalle und kovalente Kristalle. Kristalline Strukturen leiten besser als glasartige, bei Vorliegen starker Bindungen leiten Materialien besser als bei nur schwachen Bindungen. Wärmedämmstoffe mit Porendurchmessern <10-7 m, wie Microtherm, erreichen bessere Werte als Luft. Stoffe mit hoher Wärmeleitfähigkeit werden z.B. als Temperaturmessfühler eingesetzt. Wichtiger ist jedoch die Anwendung von Stoffen besonders niedriger thermischer Leitfähigkeit zur Wärmedämmung. Die Messung der Wärmeleitfähigkeit ist nicht ganz einfach. Man kann sich dazu eines Wärmekonduktometers (Abb. 4.2.3-3) bedienen: die plattenförmige Probe wird zwischen zwei Platten mit hoher Wärmeleitfähigkeit (Kupfer) gebracht. Auf einer der Platten wird mit einem Heizer Wärme erzeugt, die dann über die Probe der Dicke D und dem Querschnitt F zu einer gekühlten (gleichmässiger Strom eines Kühlmittels oder Peltier-Element) zweiten Platte strömt. Die eingespeiste elektrische Energie W el entspricht dann der transportierten Wärme Q: Q= – λ11(T1 – T2) =W el / F D wobei T1 und T2 die sich im Gleichgewicht einstellenden Plattentemperaturen sind. 104 Tabelle 4.2.3-1 Wärmeleitfähigkeit λ einiger Materialien (Paufler, 6-16, 1986; Göpel/Ziegler, 2.12,1996) Substanz Punktsymmetrie CaSO4 (Anhydrit) BaSO4 (Baryt) Al2[(F, OH)2/SiO4] (Topas) CaCO3 (Calcit) Fe2O3 (Hämatit) Al2O3 (Korund) SiO 2 (α-Quarz) Cd Zn C (Graphit) H2O (Eis) (O°C) Te TiO2 (Rutil) ZrO 2 . SiO2 (Zirkon) Fe3O4 (Magnetit) MgO . Al 2O3 (Spinell) NaCl TeBr 4 . TeJ4 SiO 2 (Glas) Sand (trocken) Polystyrol Nylon Teflon Polyethylen Si Ge GaP InAs Al Ag Cu Fe Cs Ni W C (Diamant) mmm mmm mmm 3m 3m 3m 32 6/mmm 6/mmm 6/mmm 32 4/mmm 4/mmm m3m m3m m3m ∞∞m ∞∞m ∞∞m ∞∞m ∞∞m ∞∞m m3m m3m 43m 43m m3m m3m m3m m3m m3m m3m m3m m3m λ/Wm-1 K-1 || a || a || a ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c ⊥c 5,6 1,8 21,9 4,2 14,7 31,2 6,5 105,0 120,4 355,0 1,9 20,2 9,3 9,7 13,8 6,5 0,2 1,3 0,3 0,13 0,24 0,25 0,38 136,5 54,2 77 6,7 247 422 402 73,3 18,4 58,6 168 545,3 (300K) ≈ 3000 (55K) || b || b || b || c || c || c || c || c || c || c || c || c || c || c 5,3 1,7 22,3 5,0 12,1 38,9 11,3 83,7 124,2 89,4 2,3 39,4 12,9 4,8 || c || c || c 5,9 1,6 23,4 105 Abb.4.2.3-3Wärmekonduktometer: H...Heizplatte, Platten I1 und I2 mit den Temperaturen T1 und T 2, K... Kristall (Haussühl,25, 1983). Wesentlich einfacher gestaltet sich eine Relativmessung der Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten, wie sie in einem historischen Experiment von Senarmont (1847) durchgeführt wurde: man überzieht einen Kristall mit Wachs und drückt die Spitze eines heissen Nagels in das festgewordene Wachs. Dieses schmilzt von innen nach aussen, jedoch der Wärmeleitfähigkeit des Kristalls entsprechend, sich in unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich rasch ausbreitend. So erhält man eine Bezugskurve des Wärmewiderstandstensors w (Abb. 4.1.4-4). Der Wärmewiderstandstensor w ist der zu λ reziproke Tensor Q –∇T = –w jQ oder – ∂T ∂x j = wij ij . Abb. 4.2.3-4 Schmelzisotherme in einer Wachsschicht auf einer (010)-Fläche von Gips (Kristallklasse 2/m) (Kleber, 4-3, 1990). 106 14. Elektrische Eigenschaften 15. Elektrische Leitfähigkeit Phänomenologisch wird die elektrische Leitfähigkeit analog zur thermischen Leitfähigkeit beschrieben: die elektrische Stromdichte j (Strom pro Flächeneinheit) wird durch den Tensor der elektrischen Leitfähigkeit mit dem Gradienten des elektrischen Potentials ϕ verknüpft ∂ϕ j=– σ∇ϕ bzw. ji =– σ ij ∂x j Da aber der negative Gradient des elektrischen Potentials die elektrische Feldstärke, E =– ∇ϕ , darstellt, können wir schreiben j= σ E bzw. ji =– σ ij E j Wie beim Wärmeleitfähigkeitstensor λij handelt es sich bei σ ij um einen symmetrischen, polaren Tensor zweiter Stufe. Der dazu reziproke Tensor ist der Tensor ρ des elektrischen Widerstands und es gilt E = ρ j bzw. Ei = ρij jj In Tab. 4.3.1-1 sind die Werte für den elektrischen Widerstand einiger Materialien angegeben. Die Werte differieren um etwa dreissig Grössenordnungen! Die Leitfähigkeit ist temperaturabhängig und nimmt bei Metallen zu tiefen Temperaturen hin zu. Tabelle 4.3.1-1 Elektrischer Widerstand ρ einiger Materialien (Paufler, 6-13, 1986). Stoff Bernstein Quarzglas / el m 1023 ≥ 10 16 10 Diamant 1010...10 11 10 13 Porzellan 10 ...10 B 1,8 . 10 10 Ge 0,46 ∞∞m Bi . || c 2,8 10 -4 ⊥ c 6,1 10 || a 16,1 . 10 -8 || b 7,5 . 10 -8 Symmetrie m || c 1,30 . 10 -6 . ⊥ c 1,02 10 ∞∞m Mn 2,78 . 10 -6 Cu 1,55 . 10 -8 Ag 1,49 . 10 -8 32 (hex) mmm 3m -6 1,45 . 10 -6 Kanthal A1 -4 || c 50,5 . 10 -8 / el m3m m3m m3m . Ga Stoff ∞∞m 15 NaCl Te Symmetrie (Fe,Cr,Al,Co) 43m m3m m3m 107 Der Transport der Ladungen durch den Leiter kann dabei wie in Metallen durch Elektronen erfolgen oder auch durch Ionen. Die Ionenleitung läuft über Diffusionsvorgänge, die eine Aktivierungsenergie benötigen, die bei Raumtemperatur zumeist nicht zur Verfügung steht. Es gibt jedoch eine ganze Anzahl von Festkörperelektrolyten (Superionenleiter), die bereits bei relativ niedrigen Temperaturen beachtliche Leitfähigkeit erreichen. Ein Beispiel dafür ist Silberiodid, AgI, das sich bei 146°C von einer hexagonalen in eine kubische Modifikation umwandelt. Dabei steigt die von den Ag+-Ionen getragene Leitfähigkeit sprunghaft von 10– 2 Ω– 1 m– 1 auf über 100 Ω– 1 m– 1 an. Superionenleiter werden u.a. in elektrochemischen Batterien und Sensoren, sowie als Membranen in Brennstoff- und elektrolytischen Zellen angewendet. 16. Elektrische Polarisation, Pyroelektrizität, Ferroelektrizität Bringt man ein elektrisch nichtleitendes Material (Dielektrikum) in ein elektrisches Feld, so verschieben sich die in ihm enthaltenen elektrischen Ladungen, es wird polarisiert. Dabei können Elektronenhüllen gegen Atomkerne verschoben werden, oder Ionen gegeneinander; es kann aber auch eine Umorientierung bereits vorhandener Dipole auftreten. Die elektrische Polarisation P (Dipolmoment/Volumen) ist ebenso wie die elektrische Feldstärke E eine vektorielle Grösse, beide werden durch einen symmetrischen, polaren Tensor zweiter Stufe, dem Tensor der dielektrischen Suszeptibilität χ miteinander verknüpft: P = ε0χeE bzw. Pi = ε0χ eijE j wobei ε 0 = 8,854.10–12 As / (Vm) die elektrische Feldkonstante (Dielektrizitätskonstante des Vakuums) darstellt. Führt man eine Kapazitätsmessung einmal im Vakuum und einmal mit einem Dielektrikum zwischen den Kondensatorplatten aus, so erhält man als Verhältnis der beiden gemessenen Kapazitätswerte die Dielektrizitätszahl (relative Dielektrizitätskonstante) εr , die bei den meisten Materialien Werte zwischen 1 und 100 annimmt. Die absolute Dielektrizitätskonstante (Permittivität) ist dann ε = ε0εr und es gilt χe = εr – 1= ε /ε0 – 1 Auch ε r und ε sind Materialeigenschaften, die bei einem anisotropen Material durch einen Tensor zweiter Stufe darzustellen sind χije = εrij – δij= εij /ε0 – δij mit δ ij = Beide Tensoren stellen gemäss D = ε0ε rE = εE i= j { 10 für für i ≠ j 108 die Beziehung zwischen dem Vektor der elektrischen Feldstärke E und der dielektrischen Verschiebung D = ε0E + P her. Aufgrund der direkten Proportionalität von P und E folgt, dass bei Abschalten des elektrischen Feldes die Polarisation verschwindet. Bei bestimmten Kristallen ist dies jedoch nicht der Fall, es tritt eine spontane Polarisation auf, die beispielsweise in Alkali- und Erdalkaliniobaten Werte von 0.1 bis 1 Asm-2 annehmen kann. Man findet die spontane Polarisation in Kristallen, die ein permanentes Dipolmoment aufweisen und deren Symmetrie eine nicht verschwindende Gesamtpolarisation erlaubt. Dies ist nur in Punktgruppen der Fall, die ausgezeichnete polare Achsen erlauben (Tab. 4.3.21). Auch in polykristallinen Materialien aus polaren Kristallen (z.B.Keramiken) kann spontane Polarisation auftreten, wenn deren Textur eine polare Richtung aufweist. Tabelle 4.3.2-1 Kristallklassen, in denen spontane Polarisation und damit auch Pyroelektrizität auftreten können (Kleber, 4-6, 1990). Punktgruppen1) Komponenten 1 P 1, P 2, P 3 m P 1, P 3 2 P2 || zur b - Achse (d.h. || zur zweizähligen Drehachse) mm2 3, 3m 4, 4m 6, 6m ∞, ∞m P3 || zur c - Achse Richtung der spontanen Polarisation2) jede Richtung ⊥ zur b -Achse (d.h. in der Spiegelebene) 1 ) einschliesslich der kontinuierlichen Punktgruppen (Texturen mit Pyroelektrizität) ) Entsprichendes gilt für den Vektor der pyroelektrischen Koeffizienten. 2 Die spontane Polarisation nimmt mit steigender Temperatur im allgemeinen ab. Dies bedeutet eine Verschiebung von elektrischen Ladungen, die als pyroelektrischer Effekt unmittelbar nach der Temperaturänderung nachgewiesen werden kann. Die Änderung der spontanen Polarisation beträgt bei Temperaturänderung um 1K etwa 105 V/m. Beispiel: Ein Turmalinkristall (Ringsilikat mit Kristallklasse 3m) wird in einem klassischen Experiment auf etwa 120°C erwärmt und während des Abkühlens mit einem feingepulverten Gemisch aus Schwefel (gelb) und Mennige (rot) bestäubt. Die durch Reibung negativ geladenen Schwefelteilchen lagern sich am positiv geladenen Ende des Kristalls, die positiv geladenen Mennigeteilchen am negativ geladenen Ende an. 109 Die Änderung der spontanen Polarisation P wird durch einen Vektor beschrieben, der mit der skalaren Temperaturänderung ∆T über einen pyroelektrischen Koeffizienten p verknüpft ist, der ebenfalls durch einen Vektor (polarer Tensor erster Stufe) dargestellt wird: ∆P = p∆T bzw. ∆Pi =p i ∆T Turmalin besitzt aufgrund seiner Symmetrie nur eine unabhängige Komponente mit dem Wert p =3,8.10 – 6 As / (m2K) . Höhere Werte findet man beispielsweise in Triglycinsulfat ( p =0,2.10 – 3 As / (m2K) ), Lithiumniobat ( p =0,083.10 – 3 As / (m2K) ) oder komplexeren Niobaten. Pyroelektrika finden Anwendung in Detektoren für Wärmestrahlung (Infrarotdetektoren), Laserkalorimetern und anderen thermoelektrischen Messgeräten. Ein spezielle Gruppe der Pyroelektrika wird durch die Ferroelektrika gebildet, bei denen die Orientierung der spontanen Polarisation durch ein angelegtes elektrisches Feld geändert werden kann. Das bedeutet, dass die Strukturbereiche, die Träger der Polarisation sind, spontan bei Anlegung eines äusseren elektrischen Feldes umklappen. Dies ist in Abb. 4.3.2-1 am Beispiel des Lithiumniobat gezeigt, das eine vom kubischen Perowskittyp abgeleitete Struktur mit der polaren Punktsymmetrie 3m besitzt: die innerhalb der verzerrten Sauerstoffoktaeder asymmetrisch sitzenden Lithiumionen besetzen beim Umpolen die entgegengesetzten asymmetrischen Positionen und kehren damit die Polarität um. Bei weiterer Erhöhung der Temperatur findet am Curie-Punkt eine Umwandlung in eine höhersymmetrische, paraelektrische Phase statt, bei der die Lithiumionen dann im Mittel zwischen den beiden asymmetrischen Positionen liegen und das permanente Dipolmoment verschwindet. Die Symmetrie der Hochtemperaturphase wird dann durch eine Obergruppe der Punktgruppe der Tieftemperatuphase beschrieben. Abb. 4.3.2-1 Die Struktur von Lithiumniobat LiNbO3: (a) längs c projizierte Elementarzelle, (b) Verknüpfung der verzerrten Sauerstoffoktaeder längs c, (c) Anordnung der Lithiumionen bei spontaner Polarisation, (d) nach der Umpolung, (e) in der paraelektrischen Phase (Kleber, 4-5, 1990). 110 Man kennt heute bereits einige hundert ferroelektrische Materialien (Tab. 4.3.2-2), die sich durch anomal grosse Werte für die Dielektrizitätskonstante (1000 und mehr) sowie für die elektrooptischen, nichtlinear optischen und piezoelektrischen Koeffizienten, auszeichnen. Sie finden daher u.a. Anwendung in Kondensatoren, Thermistoren, Ultraschallgebern, akustischen und optischen Frequenzvervielfachern und Frequenz-modulatoren, etc.. Tabelle 4.3.2-2 Einige ferroelektrische Materialien (Kleber, 4-7, 1990) Substanz Bariumtitanat BaTiO3 Kristallklasse der ferroelektrischen Phase 4mm Lithiumniobat LiNbO3 3m m3m 3m 4mm 4/mmm 570 4mm 4/mmm 20...100 mm2 42m 159 Kaliumdihydrogenphosphat (KDP) KH 2PO4 mm2 42m -150 Kaliumdideuteriumphosphat (KD*P) KD 2PO4 mm2 42m -60 2 2/m 47 2 3 222 24...-16 178 Bariumnatriumniobat (Banana) Ba2NaNb5O15 Strontiumbariumniobat (SBN) Sr 1-xBaxNb2O6 Gadoliniummolybdat (GMO) Gd2(MoO4)3 Triglycinsulfat (TGS) Kaliumnatriumtartrat (Seignettesalz) Bleigermanat Pb5Ge 3O11 Kristallklasse der paraelektrischen Phase 6 CurieTemperatur in °C 120 1140 Ähnlich, wie man beim pyroelektrischen Effekt eine elektrische Polarisation hervorrufen kann, die sich innerhalb eines kleinen Temperaturbereichs proportional zur Temperaturdifferenz ändert, kann auch durch eine mechanische Spannung σ eine elektrische Polarisation P erzeugt werden. Diese Erscheinung heisst piezoelektrischer Effekt und es gilt Pi = d ijkσ jk mit i, j,k = 1,2,3 Der Spannungstensor σ ist ein symmetrischer, polarer Tensor zweiter Stufe, der piezoelektrische Tensor d ein Tensor dritter Stufe. Da σ jk = σkj muss auch für die piezoelektrischen Moduln (Koeffizienten) die innere Symmetrie dijk =d ikj bestehen. Daraus folgt, dass von den 27 Koeffizienten dijk nur maximal 18 unabhängig sein können. Wie wir bereis in Kapitel 4.2.2 gesehen haben, verschwinden polare Tensoren ungerader Stufe bei Vorliegen eines Inversionszentrums, und aufgrund der 111 Beziehung dijk =d ikj scheidet auch noch die Kristallklasse 432 aus. Damit verbleiben nur noch 20 Kristallklassen, die den piezoelektrischen Effekt erlauben (Tab. 4.3.2-3). Tabelle 4.3.2-3 Kristallklassen, die den piezoelektrischen Effekt erlauben (Kleber, 4-8, 1990). Punktgruppen 1 m 2 3 mm2 Anzahl der unabhängigen Tensorkomponenten 18 10 8 6 5 4 4 6 ∞ 4 4 3m 222 4 3 4mm 6mm ∞m 3 4m2 32 6 2 2 2 422 622 ∞2 1 6m2 23 43m 1 1 Aufgrund der Gestalt des Tensors lassen sich 16 Typen von Piezoelektrika unterscheiden. Die in der Tabelle angeführten kontinuierlichen Punktgruppen ∞, ∞m, ∞2 können die Symmetrie axial polar texturierter polykristalliner Keramiken beschreiben: technisch bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die PZT-Keramiken aus Pb(Zr,Ti)O3 Mischkristallen, die bei hoher Temperatur in einem starken elektrischen Feld gepolt werden und bis zu hundertfach höhere piezoelektrische Koeffizienten als Quarz erreichen können (328≤Tc ≤370°C). Auch speziell behandelte Polymere, wie Polyvinylidendifluorid (PVDF), (CH2-CH2)n, können piezoelektrisch sein. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Polymere einen hohen Anteil (5080%) an kristallinen Bereichen besitzen (Abb. 4.3.2-2). Heute sind bereits mehr als 1000 Substanzen mit piezoelektrischem Effekt bekannt. Sie finden Anwendung in Quarzuhren, Lautsprechern, Ultraschallsendern, Tonabnehmern, mechanischen Sensoren, Mikropositionierern, Tintenstrahldruckern, etc. Abb. 4.3.2-2 Schematische Darstellung eines teilkristallinen Polymers (Göbel/Ziegler, 3.122,1996). 112 Beispiel: Man schneidet aus einem Quarzkristall, SiO 2 , Tiefquarz mit Kristallklasse 32, eine Platte senkrecht zu einer der drei zweizähligen polaren Achsen (a-Achse). Wird die Platte nun in X-Richtung zusammengedrückt (Abb. 4.3.2-3), dann erscheinen auf beiden Plattenflächen senkrecht zur X-Achse Ladungen. Ein Druck von 1N/m 2 ergibt bei diesem longitudinalen Piezoeffekt eine Ladungsdichte von 2,3 .10–12 As / m2 . Ein Druck parallel zur Y-Achse (transversalerPiezoeffekt) erzeugt genausoviele Ladungen auf den beiden gleichen Plattenflächen senkrecht zur XAchse, nur diesmal mit entgegengesetzten Vorzeichen. Beim Phasenübergang zum Hochquarz verschwindet der longitudinale piezoelektrische Effekt entlang der polaren zweizähligen Achsen, obwohl er in der Kristallklasse 622 von der Symmetrie her möglich wäre. Der Piezoeffekt lässt sich auch umkehren: legt man an die Quarzplatte eine elektrische Spannung an, zeigt diese Kontraktion bzw. Dilatation. Der reziproke piezoelektrische Effekt (lineare Elektrostriktion) wird gewöhnlich durch die lineare Beziehung zwischen der elektrischen Feldstärke E und der durch sie bewirkten Verzerrung (Deformationstensor ε) beschrieben ε = dE bzw. ε ij = dijk Ek mit i, j,k =1,2,3 Dieser Effekt kann bei einer Spannung von 1 V eine Dilatation von etwa 0.5 nm bewirken. (d) Abb. 4.3.2-3 Detail der Quarzstruktur: (a) ungestört, (b) mit Druck parallel zu X und (c) Y , (d) natürlicher Rechtsquarzkristall (Kleber, 4-10, 1990; Paufler, 7-2, 1986). 113 17. Optische Eigenschaften Licht, als räumlich und zeitlich veränderliches transversales elektromagnetisches Feld, tritt mit einem durchstrahlten Material im wesentlichen über die elektrische Polarisation der Elektronenhüllen durch die elektrische Feldkomponente in Wechselwirkung. Damit sind die massgebenden Materialeigenschaften für die Kristalloptik die dielektrische Permittivität ε bzw. die relative Dielektrizitätskonstante ε r (siehe Kapitel 4.3.2). Die theoretische Ableitung erfolgt über die Lösung der Maxwellschen Gleichungen für die Ausbreitung des Lichts in einem anisotropen Medium. Abb. 4.4-1 Elektromagnetische Welle der Wellenlänge λ mit elektrischem Feldvektor E, Magnetischem Feldvektor H und Poyntingvektor S=E×H in Ausbreitungsrichtung. Die Polarisationsrichtung der Strahlung wird durch die Richtung von E definiert. Sichtbares Licht besitzt Wellenlängen im Bereich von 400 bis 700 nm. (Göpel/Ziegler, 4.5-1, 1996). 18. Lichtbrechung In einem isotropen Material breitet sich eine elektromagnetische Welle kugelförmig aus: jedes Atom, dessen Elektronenhülle durch das räumlich und zeitlich veränderliche elektromagnetische Feld zur Schwingung gebracht wird, wird zum Ausgangspunkt einer Kugelwelle. Alle diese Wellen überlagern sich so, dass die mit der Geschwindigkeit v fortschreitende Wellenfront durch die Tangentialebene mit dem senkrecht dazu stehendem Wellennormalenvektor N definiert wird (Abb. 4.4.1-1 (a)). Da die Lichtgeschwindigkeiten vi in unterschiedlichen Medien unterschiedlich sind, verändert das Licht beim Übertritt vom einen Medium ins andere seine Ausbreitungsrichtung, es wird gebrochen. Die Lichtbrechung lässt sich leicht anhand Abb. 4.4.1-1 (b) verstehen: eine Wellenfront W1 im Medium 1 erreicht das Medium 2 zuerst im Punkt A. Die sich dort ausbildende Kugelwelle nimmt den Radius AA'= v2t an, während die Wellenfront von B nach B', also um die Strecke BB'= v1t fortschreitet. Sind die Ausbreitungsgeschwindigkeiten v1 , v2 unterschiedlich, so sind es auch die 114 Ausbreitungsrichtungen. Vergleicht man nun die beiden rechtwinkligen Dreiecke ABB' und AA'B' miteinander, so erhält man das Brechungsgesetz von Snellius (1610) sin i /sin r =v1 / v2 = const. wobei i für den Einfalls- und r für den Brechungswinkel steht. Kommt der Lichtstrahl aus dem Vakuum ( v1 =c), so wird durch sin i /sin r =c/ v2 = n der Brechungsindex n definiert. Damit kann man auch für die Brechung an der Grenzfläche zweier Medien schreiben sin i /sin r =v1 / v2 = n2 / n1 Der Brechungsindex n ist eine Temperatur- und Wellenlängenabhängige Materialkonstante mit Werten, die im Bereich zwischen 1 und 3 liegen (Luft: 1.0003, Wasser: 1.33, Glas 1.50, Diamant 2.42). (a) (b) Abb. 4.4.1-1 Huygenssche Konstruktion (1690) (a) für die Fortpflanzung einer ebenen Welle in einem Medium und (b) für die Lichtbrechung an einer ebenen Grenzfläche zwischen zwei Medien (b) (Kleber, 4-15,-16, 1990). 115 Es gilt für isotrope Medien ausserdem die Maxwellsche Relation n2 = εr Da diese Regel jedoch die atomistische Struktur ausser Acht lässt, gilt sie für Kristalle und sichtbares Licht bei Vernachlässigung der Dispersionskorrekturen nur näherungsweise. Für NaCl, besipielsweise, berechnet man n = εr = 2.41 , während die Messung (Na D-Linie) den Wert n=1.54 ergibt. Ist der Brechungsindex des ersten Materials höher als der des zweiten, n1 > n 2 , so ist auch der Brechungswinkel grösser als der Einfallswinkel, r > i. Bei einem bestimmten Wert i t , dem Grenzwinkel der Totalreflexion, nimmt der Brechungswinkel den Wert rt =90° an. Licht, das mit einem Einfallswinkel i ≤ it einfällt, tritt daher nicht mehr in das zweite Medium über, sondern wird totalreflektiert (Abb. 4.4.1-2). Wegen sin rt= sin90° = 1 kann man dann schreiben sin it /sin r t =v 1 / v2 = n2 / n1=sin i t bzw. n2 = n 1 sin it Bei bekanntem n1 lässt sich somit n2 durch eine Winkelmessung ermitteln. Diese Methode wird beim Totalrefraktometer verwendet: der zu untersuchende Kristall wird auf einen optischen Prüfkörper mit möglichst hohem bekannten Brechungsindex aufgesetzt, und der Winkel der Totalreflexion gemessen. Abb. 4.4.1-2 Brechung und Totalreflexion von Lichtstrahlen in einem Prisma (Hecht/Zajac, 4-29, 1974). Eine wichtige Anwendung findet die Totalreflexion in Glasfasern zur Lichtleitung. Man verwendet dafür hauptsächlich Quarzglas (SiO 2). Durch Dotierung mit Boroxid (B2O3) oder Germaniumoxid (GeO 2) erhält ein Kernbereich von 5-50 µm Durchmesser im Inneren der Glasfaser einen etwas höheren Brechungsindex. Licht 116 wird dann durch Totalreflexion an der inneren Grenzfläche im dotierten Kernbereich innerhalb der Faser geführt (Abb. 4.4.1-3). Abb. 4.4.1-3 Schematische Darstellung zweier wichtiger Ausführungsformen optischer Fasern (a) Stufen-Index-Faser mit stufenförmiger Brechungsindex-Charakteristik. Strahlen, die schräg zur Faserachse laufen, legen einen längeren Weg zurück als solche, die sich parallel dazu ausbreiten. Der Lichtpuls wird dadurch verwischt. (b) Glasfaser mit parabolischer Brechungsindex-Charakteristik. Strahlen, die in den äusseren Faserbereich geraten, werden wegen des geringeren Brechungsindexes beschleunigt, so dass eine Verbreiterung des Lichtpulses weitgehend vermieden werden kann (Göpel/Ziegler, 3.10-7, 1996). Der grösste Lichtverlust wird für Wellenlängen < 1µm durch Rayleigh-Streuung verursacht. Dafür verantwortlich sind statistischen Brechungsindex-Schwankungen durch thermische Gitterschwingungen (Phononen) oder Gitterdefekte. Für grössere Wellenlängen überwiegen Absorptionseffekte, die vor allem durch Anregung von OH-Schwingungen entstehen. 19. Die Indikatrix Die Richtungsabhängigkeit des Brechungsindex n im anisotropen Medium kann durch eine Fläche zweiter Ordnung, ähnlich wie die Repräsentationsflächen von Tensoren zweiter Stufe, dargestellt werden. Trotz ihrer engen Beziehung zum Dielektrizitätstensor ε über die Maxwellsche Relation n2 = εr bilden die Brechungsindizes als solche jedoch keinen Tensor. Ordnet man nun zweckmässigerweise dem reziproken Tensor ε –1 eine charakteristische Fläche zu, x2 /ε ra + y2 /εrb +z 2 /εrc =1 so erhält man ein allgemeines dreiachsiges Ellipsoid, von Fletcher als Indikatrix bezeichnet, dessen Radien ε ra =n α , ε rb =n β, εrc =n γ mit nα ≤ nβ ≤ n γ 117 als die Hauptbrechungsindizes des betreffenden Kristalls bezeichnet werden. Ein Hauptbrechungsindex ist dann der Brechungsindex einer Welle, die in Richtung der betreffenden Hauptachse der Indikatrix schwingt. Abb. 4.4.2-1 zeigt wie mit der Indikatrix das Verhalten von Lichtwellen beliebiger Fortpflanzungsrichtung veranschaulicht werden kann. Die Wellennormale N des einfallenden Strahls und eine dazu senkrechte Ebene wird durch den Mittelpunkt der Indikatrix gelegt. Die Hauptachsen der Schnittellipse repräsentieren dann die Brechungsindizes nα' und n'γ der in den betreffenden Achsrichtungen schwingenden Wellen. Abb. 4.4.2-1 Dreiachsiges Ellipsoid (Indikatrix) mit Schnittellipse zur Konstruktion der zur Wellennormalen N gehörenden beiden Hauptschwingungsrichtungen (Kleber, 4-24, 1990). Tab. 4.4.2-1 gibt die Hauptbrechungsindizes für einige Kristalle mit anisotropen Brechungseigenschaften. Die Symmetrie der Indikatrix genügt natürlich dem Neumannschen Prinzip: in isotropen Körpern und im kubischen Kristallsystem ist sie eine Kugel, im trigonalen, tetragonalen und hexagonalen ein Rotationsellipsoid, dessen Rotationsachse mit der optischen Achse (c-Achse) zusammenfällt; im triklinen, monoklinen und orthorhombischen Kristallsystem ist sie ein dreiachsiges Ellipsoid. Tabelle 4.4.2-1 Hauptbrechungsindizes einiger Kristalle unterschiedlicher Symmetrie (Paufler, 1986). Material Quarz SiO2 Rutil TiO2 Zirkon ZrSiO4 Turmalin Apatit Ca 5[F/PO4)3] Aragonit CaCO 3 Gips CaSO4.2H2O Muskovit Punktsymmetrie 32 4/mmm 4/mmm 3m 6/m mmm 2/m 2/m n1 n2= n1 n3 1.544 2.616 1.92 1.637 1.646 n1 n2 1.553 2.903 1.97 1.619 1.642 n3 1.530 1.520 1.572 1.681 1.523 1.611 1.686 1.530 1.615 118 Der Zusammenhang zwischen Struktur und Anisotropie der optischen Eigenschaften soll an zwei Beispielen (Abb. 4.4.2-2 und 4.4.2-3) illustriert werden: Abb. 4.4.2-2 Brechungsindizes und Molekülpackung in einem Naphtalinkristall. Der grösste Brechungsindex wird längs der Richtung dichtester Packung gefunden (Glusker, 5-11, 1994). (a) (b) electric vector of light 119 + O - C+ O- + O - electron displacements electric vector of light small refractive index (c) + O C electron displacements + + O O large refractive index (d) Abb. 4.4.2-3 Brechungsindizes in rhomboedrischem Calcit (CaCO3, Raumgruppe R3c , Punktgruppe 3m , a=b=4.9898 Å, c=17.060 Å, γ=120° ). Kristallstruktur (a) perspektivisch, (b) Projektion längs der hexagonalen c-Achse, (c) Projektion senkrecht zur in (b) gezeigten Ansicht. (d) Veranschaulichung der unterschiedlichen Brechungsindizes als Funktion von Elektronenverschiebungen (Glusker, 5-12, 1994). Anders als bei den optisch einachsigen Kristallen, ist bei den Materialien, deren Indikatrix durch ein allgemeines Ellipsoid dargestellt wird, in allen drei Hauptachsenrichtungen Doppelbrechung (siehe § 4.4.3) zu beobachten. Nichtsdestotrotz findet man zwei ausgezeichnete Richtungen, in denen keine Doppelbrechung auftritt, da die Schnittellipsen zu Kreisen entarten (Abb. 4.4.3-4). Diese beiden Richtungen stellen dann die beiden in diesen Kristallen möglichen optischen Achsen dar. Darum spricht man auch in diesen Fällen von optisch zweiachsigen Kristallen. Abb. 4.4.2-4 Indikatrix für den optisch zweiachsigen Fall. Die optischen Achsen schliessen den optischen Achswinkel 2V miteinander ein (Kleber, 4-26, 1990). 120 20. Doppelbrechung Im Falle optisch anisotroper Materialien findet man, dass das einfallende Lichtstrahlenbündel aufgespalten wird: ein Strahl folgt dem Snelliusschen Brechungsgesetz (ordentlicher Strahl), der andere tut dies scheinbar nicht (ausserordentlicher Strahl). Dieses erstmals am Calcit (Kalkspat, CaCO 3,, 3m ) beobachtete Phänomen (Abb. 4.4.3-1) wurde von Huygens so interpretiert, dass sich im anisotropen Kristall zwei Wellen ausbreiten. Die ordentliche, die sich wie im isotropen Medium verhält, sowie die ausserordentliche, für die die Ausbreitungsgeschwindigkeit richtungsabhängig ist und die Wellenfläche die Form eines Rotationsellipsoids hat. Die Rotationsachse (optische Achse) fällt im Fall des Calcits mit der c-Achse zusammen. Abb. 4.4.3-1 Doppelbrechung beim Calcit (Kleber, 4-17, 1990; Hecht/Zajac, 8-20, 1974). 121 Nach Huygens, breitet sich also von jedem Punkt im Calcit-Kristall eine zweischalige Wellenfläche, aus einem Rotationsellipsoid mit eingeschriebener Kugel bestehtend, aus. Beide berühren einander in den Durchstosspunkten der optischen Achse (cAchse). Die Wellenfronten für den ordentlichen und den ausserordentlichen Strahl ergeben sich als Tangenten zu den beiden Wellenflächen, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten veN (Wellennormalengeschwindigkeiten) fortpflanzen (Abb. 4.4.3-2 und 4.4.3-3). Beim ausserordentlichen Strahl unterscheidet sich zudem die Strahlengeschwindigkeit ve =AA e' / t von der Wellennormalengeschwindigkeit veN = AANe / t . Damit gilt auch beim ausserordentlichen Strahl das Brechungsgesetz wieder sin i /sin reN =c / veN =n e' mit ne' als Brechungsindex des ausserordentlichen Strahls. Mit no als Brechungsindex des ordentlichen Strahls wird dann die Grösse der Doppelbrechung durch die Differenz ∆n ' =n e' – no der Brechungsindizes angegeben. Abb. 4.4.3-2 Huygenssche Konstruktion für die Fortpflanzung von Licht in einem Calcit-Rhomboeder. (a) Ein Lichtstrahl mit zwei orthogonalen Feldkomponenten spaltet in einen ordentlichen und einen ausserordentlichen Strahl auf. Eine einfallende ebene Welle (b) senkrecht bzw. (c) parallel zur Abbildungsebene polarisiert verhält sich unterschiedlich (Hecht/Zajac, 8-22,-23,-24, 1974). 122 (a) (b) Abb. 4.4.3-3 Huygenssche Konstruktion für die Fortpflanzung von Licht in einem Calcit-Rhomboeder bei (a) senkrechtem, und (b) schrägem Einfall. O...optische Achse, S o...ordentlicher und S e...ausserordentlicher Strahl (Kleber, 4-19,-20, 1990). 123 Für die Brechung an der Grenzfläche zweier Medien erhalten wir dann sin ieN / sinr eN =ve1N / ve2N =n 'e2 / n 'e1 mit n'e1 und n'e2 als Brechungsindizes des ausserordentlichen Strahls. Bei Einstrahlung des Lichts parallel zur optischen Achse besitzen ordentlicher und ausserordentlicher Strahl die gleiche Wellenfront und Ausbreitungsgeschwindigkeit. Bei Einstrahlung senkrecht zur optischen Achse ist die Ausbreitungsrichtung ebenfalls gleich, die Ausbreitungsgeschwindigkeit und damit auch die Brechungsindizes sind jedoch am unterschiedlichsten (Abb. 4.4.3-4) . Abb. 4.4.3-4 Grenzfälle für die Fortpflanzungsrichtung von Licht in Calcit bei Einstrahlung (a) parallel und (b) senkrecht zur optischen c-Achse (Kleber, 4-21, 1990). Beispiel: Calcit: ne = 1.4864, no = 1.6584 für Na D-Linie mit λ=589.3 nm, Grösse der Doppelbrechung ∆n = ne – no = 1.4864 – 1.6584 = – 0.172 , optisch negativ. Das negative Vorzeichen bedeutet, dass die Geschwindigkeit der ausserordentlichen Welle grösser ist als die der ordentlichen. Das Maximum der Strahlaufspaltung wird mit 6.25° bei einem Eintrittswinkel des Lichts von ν = arctan (ne /n o) = 41.87° erreicht. 124 Unpolarisiertes Licht kann in einem optisch anisotropen Medium linear polarisiert werden, d.h. der elektrische Feldvektor E besitzt nur mehr noch eine Schwingungsrichtung senkrecht zur Strahlrichtung S. Der Vektor der dielektrischen Verschiebung D = εE = ε0 E + P (vgl.Kapitel 4.3.2) schwingt dagegen senkrecht zur Wellenormalen N (Abb. 4.4.3-2). Bei den optisch einachsigen Kristallen (Kristallsystem: trigonal, tetragonal, hexagonal) liegt die optische Achse in der Schwingungsebene der ausserordentlichen Welle (Abb. 4.4.3-2), die Schwingungsebene der ordentlichen Welle steht senkrecht dazu. Dieser Effekt kann zur Erzeugung linear polarisierten Lichtes genutzt werden. Beim Nicolschen Prisma verwendet man einen in bestimmter Orientierung in zwei Teile gesägten und mit Kanadabalsam wieder zusammengekitteten Calcit-Spaltrhomboeder. Der Schnitt und die Strahlrichtungen sind so gewählt, dass der Brechungsindex der ausserordentlichen Welle mit ne =1.54 den gleichen Wert wie der Brechungsindex von Kanadabalsam erhält und der Strahl deshalb den Kitt ohne Brechung durchlaufen kann. Der ordentliche Strahl mit no=1.66 wird dagegen am Kanadabalsam totalreflektiert (Abb. 4.4.3-5). Einfacher aufgebaut sind Polarisationsfilter, die sich die in manchen Substanzen (z.B. Herapathit, ein Periodid des Chininsulfats oder orientierte langkettige organische Farbstoffmoleküle) extrem unterschiedliche Absorption des ordentlichen und des ausserordentlichen Strahls (Pleo- oder Dichroismus) zunutze machen. Auch optisch isotrope kubische Kristalle können unter mechanischer Spannung doppelbrechend werden (Spannungsdoppelbrechung). Abb. 4.4.3-5 Strahlengang im Nicolschen Prisma (Kleber, 4-22, 1990) 125 21. Optische Aktivität Wird die Polarisationsebene des Lichts beim Durchgang durch ein Medium gedreht, spricht man von optischer Aktivität oder Gyrotropie.Die Drehung (Drehwinkel ϕ ) ist dabei proportional zur Schichtdicke D des durchstrahlten Mediums ϕ = ρD das auch isotrop (kubisch, Flüssigkeit) sein kann (Abb. 4.4.4-1). Die spezifische Drehung ρ ist wellenlängenabhängig (Rotationsdispersion) und stellt eine Materialeigenschaft dar (Tab. 4.4.4-1). Abb. 4.4.4-1 Drehung der Polarisationsebene von Licht beim Durchgang durch ein optisch aktives Material (Hecht/Zajac, 8-54, 1974). Tabelle 4.4.4-1 Spezifisches Drehvermögen Material NaClO3 NaBrO3 HgS (Zinnober) SiO 2 (Tiefquarz) Punktgruppe 23 23 32*) 32*) *) Parallel zur optischen Achse ρ einiger Materialien (Paufler, 1986) λ (nm) T (°C) ρ (°mm-1) 489.12 491.64 589.3 589.3 1040 152.35 0.154 11.9 18.5 18.6 20 20 20 4.587 3.67 554.98 21.72 6.69 779.9 0.35 126 Die Drehung der Polarisationsebene kann man wie folgt interpretieren: eine linear polarisierte Welle lässt sich in zwei gegenläufig zirkular polarisierte Wellen aufspalten (Abb. 4.4.4-2). Beide durchlaufen ein optisch aktives Medium mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Der Gangunterschied bewirkt bei der Superposition beider Wellen eine Drehung der Polarisationsebene. Im Bogenmass lässt sich dies anschreiben als ρ = π(n 1 – nr)λ vac wobei n1 und nr die Brechungsindizes der links- und der rechts-zirkularpolarisierten Welle sind und auch gleichzeitig die Wellenlängenabhängig-keit des Drehwinkels zum Ausdruck kommt. Abb. 4.4.4-2 Aufspaltung einer linear polarisierten Welle in zwei gegenläufig zueinander zirkular polarisierte Wellen (Kleber, 4-50, 1990). Phänomenologisch kann man die optische Aktivität durch Erweiterung des Zusammenhangs zwischen der dielektrischen Verschiebung D und der elektrischen Feldstärke E darstellen ∂E Di = εijE j +g ijk ∂x j k gijk bedeutet einen in den ersten beiden Indexpositionen antisymmetrischen, polaren Tensor dritter Stufe, denn man zur Vereinfachung durch 2π g =γ und G = γ g i ij j λ ijk lk ersetzt und damit Di = εijE j –i(G × E) i erhält. Da D und E polare Vektoren sind, muss (G × E) auch einen polaren Vektor liefern. Daraus folgt, dass der Vektor G ein Pseudotensor ist. Damit ist auch der Gyrationstensor γ ein Pseudotensor (axialer Tensor) zweiter Stufe. Bei Existenz eines Inversionszentrums ist dann optische Aktivität nicht möglich; ebenso nicht in den Kristallklassen 4mm, 3m, 6 , 6m2, 6mm und 43m . Optische Aktivität können auch flüssige Kristalle sowie Texturen mit der Symmetrie ∞, ∞2 oder 2∞∞ aufweisen. Die optische Aktivität von Kristallen, die keine chiralen Moleküle enthalten ist eine Folge der Enantiomorphie (Chiralität) ihrer Struktur. 127 22. Nichtlineare optische Effekte Die bisher verwendete Beschreibung des Zusammenhangs zwischen elektrischer Feldstärke und der durch sie hervorgerufenen Polarisation P = ε0χeE bzw. Pi = ε0χ eijE j beruht auf der Annahme einer linearen Beziehung. Bei hohen Feldstärken (Laser) beobachtet man jedoch Abweichungen davon und man muss schreiben P = χ(1)E + χ (2)E2 + χ (3)E3 +..... wobei χ(1)= ε 0 χe die lineare dielektrische Suszeptibilität und χ(2) , χ(3) ,... die nichtlinearen Suszeptibilitäten unterschiedlicher Ordnung repräsentieren. In Komponentenschreibweise erhält man dann (2) (3) Pi = χ(1) ij E j +χijk E jEk + χijkl E jEkEl... Die nichtlinearen optischen Effekte 2.Ordnung werden durch einen Tensor 3.Stufe (2) beschrieben. Da χijk = χ (2) ikj gilt, entspricht die innere Symmetrie dieses Tensors derjenigen des Tensors des piezoelektrischen Effekts (Kapitel 4.3.2). Oft numeriert man die Koeffizienten so um, dass sie nur zwei Indizes enthalten (1) χijk 2ε 0 = dim mit m=j=k=1,2,3 für j=k und m=9-(j+k)=4,5,6 für j≠k Ein wichtiger nichtlinearer optischer Effekt 2.Ordnung ist die Erzeugung der zweiten Harmonischen (second harmonic generation, SHG). Es kommt dabei zur Frequenzverdopplung: beschreibt man eine Lichtwelle der Frequenz ω, deren elektrischer Feldvektor in einem Punkt des Mediums der Funktion E 1 = E0 cos ωt folgt und eine Polarisation (2) (1) (2) 2 2 P1 = χ(1) 11 E 1 +χ111E 1E1 +... = χ11 E0 cos ωt + χ 111E 0cos ωt +... erzeugt, so erhält man wegen cos2 ωt =1/2(1+cos 2ωt) in der nichtlinearen Polarisation einen konstanten Anteil und einen periodischen Beitrag doppelter Frequenz. Besitzen die Grundwelle und die Oberwelle in einer bestimmten Richtung die gleiche Ausbreitungsgeschwindigkeit, kommt es zur Verstärkung der Oberwelle. 128 23. Magnetische Eigenschaften 24. Grundbegriffe, Magnetische Anisotropie und Ordnung Wird ein Material in ein magnetisches Feld gebracht, so wird in ihm ein magnetisches Moment induziert. Das pro Volumeneinheit erzeugte magnetische Moment (magnetische Polarisation) J ist proportional zur magnetischen Feldstärke H J = µ 0χm H bzw. J i = µ0χmij H j wobei µ0 =4π.10– 7 Vs / (Am) die magnetische Induktionskonstante (Permeabilität des Vakuums) ist, und die magnetische Suszeptibilität χm einen symmetrischen polaren Tensor zweiter Stufe darstellt. In Analogie zur Beschreibung dielektrischer Eigenschaften (Tabelle 4.5.1-1), führt man die magnetische Induktion B ein B = µH = µ0 µr H = µ 0H +J =µ0 (H +M) µr , der relativen, und µ , der absoluten mit den polaren Tensoren zweiter Stufe Permeabilität, für die gilt µrij = µrij / µ 0 =χ mij + δij mit δ ij = { 1 für i = j 0 füri ≠ j Tabelle 4.5.1-1 Analogie magnetischer zu elektrischen Grössen (Kleber, 4-12, 1990) Elektrische Grössen bzw. Eigenschaften Magnetische Grössen bzw. Eigenschaften E H P J P/ M 0 D B χe m χ ε0 0 ε εr p d µ µr q Q Während E, P und D als polare Vektoren durch einen Betrag und eine Richtung gekennzeichnet sind, besitzen H, J, M und B als axiale Vektoren (Pseudovektoren) nur Betrag und Drehsinn um eine Achse. Erst durch die Konvention einer Rechtsschraube in einem rechtshändigen Koordinatensystem wird ihnen eine Richtung zugeordnet (Abb. 4.5.1-1). Ein polarer Vektor hat für sich die Symmetrie ∞m, ein axialer Vektor ∞/m. Abb. 4.5.1-1 Spiegelung von (a) polaren und (b) axialen Vektoren (Kleber, 4-59, 1990). 129 Man unterscheidet folgende Gruppen magnetischen Verhaltens: Diamagnetismus: diamagnetische Substanzen besitzen kein eigenes magnetisches Moment. Sie werden von einem Magnetfeld abgestossen, da dieses eine schwache, dem äusseren Feld entgegengerichtete Magnetisierung induziert. Diese hängt kaum von der Temperatur ab. Typische Vertreter sind die Edelgase, Metalle wie Zn, Au, Hg, Nichtmetalle wie Si und P, anorganische Salze der Hauptgruppenelemente wie NaCl, CaF2 , CaCO3 , SiO 2 , sowie viele organische Verbindungen. χm < 0 , Grössenordnung 10– 6 (Abb. 4.5.1-2). Paramagnetismus: paramagnetische Substanzen besitzen Atome, Ionen oder Moleküle mit permanenten magnetischen Momenten. Sie werden in ein Magnetfeld hineingezogen, da sich die magnetischen Momente im äusseren Feld ausrichten. Die Wärmebewegung wirkt dieser Orientierungsordnung entgegen und es gilt Cij m χm = C T bzw. χij = T wobei C als Curie-Konstante bezeichnet wird. Typische Vertreter sind die Übergangselemente und Seltenen Erden sowie ihre Salze. χm > 0 , Grössenordnung 10– 5 (Abb. 4.5.1-2). Die in Metallen durch die Ausrichtung der mit dem Spin der Leitungselektronen assoziierten magnetischen Momente hervorgerufene Magnetisierung wird als PauliParamagnetismus bezeichnet. Abb. 4.5.1-2 Molsuszeptibilität χm .Vm , mit V m als Molvolumen, der Elemente als Funktion der Ordnungszahl Z. (Göppel/ZIegler, 2.6-2, 1996). 130 Dia- und Paramagnetismus sind Eigenschaften der einzelnen Atome, Ionen oder Moleküle selbst, unabhängig von ihrer Fernordnung (kristallin, amorph, flüssig, gasförmig) im Gegensatz zu den folgenden Fällen: Ferromagnetismus: ferromagnetische Materialien besitzen magnetische Momente mit spontan paralleler Anordnung innerhalb bestimmter Bereiche (Weisssche Bezirke). Im äusseren Magnetfeld kommt es zu einer Parallel-Ausrichtung der magnetischen Mo-mente aller Weissschen Bezirke durch Verschiebung der Bloch-Wände (Abb. 4.5.1-3). [100] [010] (a) (b) Abb. 4.5.1-3 Weisssche Bezirke im (a) unmagnetisierten und (b) magnetisierten Kristall (Cahn, 5-76, 1992, 14-9, 1994). Dabei treten Richtungen besonders leichter Magnetisierbarkeit auf: beim krz α-Eisen sind das die sechs [100]-Richtungen, während die [111]-Richtungen am ungünstigsten sind. Beim kfz Nickel dagegen, sind die acht [111]-Richtungen diejenigen leichtester Magnetisierbarkeit; beim hdp Kobalt sind es die beiden Richtungen parallel zur cAchse (2.5.1-4). Diese magnetokristalline Anisotropie ist eine Folge des kristallinen elektrischen Felds: die Atomorbitale nehmen eine bestimmte energetisch günstige Orientierung zum Gitter an, und damit sind auch ihre Bahnmomente und über die Spin-Bahn-Koppelung die Spinmomente an das Gitter gekoppelt (Abb. 4.5-4). 131 (a) (c) (b) (d) Abb. 4.5.1-4 Magnetisierungskurven von Einkristallen: (a) krz α-Eisen, (b) hdp Kobalt. dxy -Orbitale im elektrischen Kristallfeld: (c) energetisch günstige und (d) ungünstige Orientierung (Cahn , 5-17,18,-19,1994). Bringt man ein Ferromagnetikum mit statistisch orientierten Weissschen Bezirken in ein Magnetfeld, so wird ab einer bestimmten Feldstärke eine Sättigungsmagnetisierung Ms (alle Weissschen Bezirke sind orientiert) erreicht. Schaltet man das Magnetfeld ab, so bleibt eine Restmagnetisierung Mo (Remanenz) bestehen. Erst mit dem Anlegen eines entgegengesetzt gerichteten Koerzitivfelds mit dem Betrag H o geht die Magnetisierung wieder auf Null zurück (Abb. 4.4-5). Die Form dieser Hystereseschleifen ist dabei auch stark von der kristallographischen Orientierung der Magnetisierungsrichtung abhängig. Materialien mit kleinen Werten für M o und H o nennt man weich, solche mit grossen Werten hartmagnetisch. In Spulenkernen oder Transformatorblechen, in denen magnetische Wechselfelder induziert werden sollen, verwendet man zur Minimierung der Verlustenergie (Wärme) weichmagnetische Materialien (Fe, Co, Ni,...). Für Permanentmagnete, die nicht schon bei kleinen Magnetfeldern wieder entmagnetisiert werden sollen (z.B. durch das Erdmagnetfeld), finden hartmagnetische Materialien Verwendung (Abb. 4.5.1-5). 132 (a) (b) Abb. 4.5.1-5 (a) Magnetisierung M eines Ferromagneten in Abhängigkeit von einem Magnetfeld H (Kleber, 4-52, 1990). (b) Remanenz und Koerzitivfeldstärke magnetischer Werkstoffe (Göpel/Ziegler, 2.6-9, 1996). Der für Dia- und Paramagnetismus geltende lineare Zusammenhang zwischen Feldstärke H und Magnetisierung M trifft hier nicht mehr zu. χm ist nicht mehr konstant sondern stark feldabhängig. Die Sättigungsmagnetisierung M s nimmt mit steigender Temperatur ab, bei der Curie-Temperatur Tc bricht die ferromagnetische SpinOrdnung zusammen, der Kristall wird paramagnetisch (Eisen T c=768°C, Nickel Tc=360°C). Es gilt dabei das Curie-Weiss-Gesetz Cij m χm = T C bzw. χ = ij – Tc T – Tc Typische Ferromagnetika sind Fe, Co, Ni, Gd und ihre Legierungen, aber auch z.B. CrTe, EuO, MnP, CrBr3 oder CdCr2Se4 (Tab. 4.5.1-2). χm > 0 , Grössenordnung bis etwa 106 . Tabelle 4.5.1-2 Magnetische Eigenschaften einiger Ferromagnetika (Jäger/Perthel, 4-1, 1966). Substanz Fe Co Ni Gd CrO2 CrBr3 EuO EuS α-UH3 CdCr 2Se4 Curie-Temperatur TC [K] 1043 1400 630 292 405 37 69 16,5 182 129 Magnetisches Moment bei 0K pro Volumeneinheit, M0 [Am-1] 1,74.106 1,46.106 0,524.106 2,12.106 0,666.106 0,27.106 1,91.106 1,22.106 0,23.106 0,36.106 Magnetisches Moment bei 0K pro Molekül/Atom, nB 2,217 1,729 0,617 7,55 2,03 3,0 7,0 7,0 0,9 3,0 133 Antiferromagnetismus: antiferromagnetische Substanzen besitzen eine antiparallele Ausrichtung der magnetischen Momente. Ob parallele oder antiparallele Ordnung der magnetischen Momente auftritt, hängt vom Vorzeichen des Austauschintegrals ab (Abb. 4.5.1-6). Die Art der magnetischen Ordnung kann mit Hilfe von Neutronenstreuung untersucht werden. Abb. 4.5.1-6 Austauschintegral als Funktion des Verhältnisses von Atomabstand ra zu Elektronenbahnradius re (Lindner, 12-8, 1978). Erstmals wurde Antiferromagnetismus in MnO bobachtet. Manganoxid kristallisiert im NaCl-Typ und die Spins der Mn 2+ Ionen sind in aufeinanderfolgenden (111)Ebenen jeweils entgegengerichtet orientiert (Abb. 4.5-7). Die Zahl der bekannten Antiferromagnetika übertrifft die der Ferromagnetika bei weitem. Einige Beispiele sind in Tab. 4.5.1-3 angeführt. Abb. 4.5.1-7 Spinorientierung der Mn2+ Ionen in MnO (Kleber, 4-55, 1990). 134 Tabelle 4.5.1-3 Magnetische Eigenschaften einiger Antiferromagnetika (Jäger/Perthel, 4-2, 1966). Substanz Néel-Temperatur TN [K] 308 72 53 116 198 291 525 130 150 340 100 307 Cr MnF2 CrF 2 MnO FeO CoO NiO α-MnS β-MnS VO2 MnSe2 α-Cr2O3 Bravais-Gittertyp cI tI mC cF cF cF cF cF cF tI cF R Effektives Magnetisches Moment bei 0K pro Molekül/Atom, neff (0,40) 5,7 5,1 5,95 4,6 5,10 4,6 5,82 5,97 1,73 5,93 3,73 Die magnetische Suszeptibilität der Antiferromagnetika nimmt bis zur NeelTemperatur TN zu, dann bricht die antiferromagnetische Ordnung zusammen, die Substanz wird paramagnetisch. Ein Vergleich der Temperaturabhängigkeit von ferro-, antiferro- und paramagnetischen Materialien ist in Abb. 4.5.1-8 gegeben. 1 χ ) 0K ro ifer ant (at a par T= Abb. 4.5.1-8 Schematische Darstellung der Temperaturabhängigkeit der reziproken magnetischen Suszeptibilitäten (Cahn, 5-9, 1992). ro fer 0 p T Ferrimagnetismus: ferrimagnetische Substanzen besitzen antiparallel orientierte magnetische Momente, wobei die Anzahl der magnetischen Momente in den beiden Orientierungen unterschiedlich ist (Abb. 4.5.1-9). Typisch ist für Ferrimagnetika, dass sie sich bei tiefen Temperaturen ähnlich wie Ferromagnetika und bei hohen Temperaturen ähnlich wie Antiferromagnetika verhalten. Der Name rührt von den Ferriten her; das sind Verbindungen der Art n(MeO).m(Fe2 O3 ), Me steht für ein Übergangselement, die die Spinellstruktur besitzen: Die Sauerstoffionen bilden eine kubisch dichteste Kugelpackung, in der die Fe3 + die Oktaederlücken und die Me2 + die Tetraederlücken besetzen. 135 (e) Abb. 4.5.1-9 Spinordnung in (a) Ferromagnetika, (b) Antiferromagnetika, (c) und (d) in Ferrimagnetika; (e) Spinellstruktur (Kleber, 4-54, 1990; Kittel, 17, 1993). Beispiel: Beim Magnetit FeO.Fe2 O3 enthalten die beiden Fe3 + je 5 und das Fe2 + 4 Magnetonen µB (Einheit des magnetischen Spinmoments), was bei paralleler Anordnung zu einem magnetischen Moment von 14 µB führen würde. Man beobachtet aber ein magnetisches Moment von lediglich etwa 4 µB . Daraus kann man schliessen, dass die magnetischen Momente der beiden Fe3 + antiparallel zueinander stehen und einander gegenseitig aufheben (Abb. 4.5-10). 8 Fe 3+ Tetraederplätze A S= 5 2 Oktaederplätze B S= S=2 5 2 8 Fe 3+ 8 Fe 2+ Abb. 4.5.1-10 Spinanordnung in Magnetit (Kittel, 16, 1993). Die 3d-Valenzelektronenspins der Metallionen sind durch einen Superaustausch über Sauerstoffionen gekoppelt (Abb. 4.5.1-11). 136 (a) (b) (c) Abb. 4.5.1-11 (a) Oktaeder und Tetraeder durch Sauerstoffionen in einer kubischen Spinellstruktur gebildet; (b) Lage der Metallionen in den Oktaeder und Tetraederlücken; (c) Superaustausch zwischen den Spins zweier Metallionen über ein Sauerstoffion (Lindner, 12-19,-20,-21, 1978). Die grosse praktische Bedeutung der Ferrite beruht auf ihrem hohen spezifischen Widerstand, der sie wegen geringerer Wirbelstromverluste als Kernmaterial für Hochfrequenzspulen besonders geeignet macht. Zur Beschreibung der Symmetrie von magnetisch geordneten Strukturen benötigt man eine weitere Symmetrieoperation, die die Spinorientierung umkehrt: symbolisch von +1 nach -1. Eine allgemeine Symmetrieoperation besteht dann aus einer räumlichen Bewegung, die wie bisher symmetrieäquivalente Atome in einer Struktur ineinander überführt sowie einem zusätzlichen Operator, der die Spinorientierung belässt oder umkehrt. Bei Spinumkehr spricht man von einer Antisymmetrieoperation. Die Zahl der kristallographischen Antisymmetrie-Punktgruppen erhöht sich dabei von 32 auf 122 (davon 90 magnetische Punktgruppen) (Tabelle 4.5.1-4), die der Raumgruppen auf 1651 Antisymmetrie-Raumgruppen (davon 1421 Schwarz-Weiss-Raumgruppen). Tabelle 4.5.1-4 Klassifizierung der 122 Antisymmetrie-Punktgruppen (Paufler, 4-5, 1986). Farbe nach Zweifarbensymmetrie graue weisse schwarz-weisse Anzahl 32 krist. + 7 kontin. 32 krist. + 7 kontin. 58 krist. + 7 kontin. Einteilung nach magnetischer Ordnung ungeordnet magnetische (unmagnetische) Anzahl 32 + 7 Gesamtzahl 122 krist. + 21 kontin. = 143 geordnet magnetische 90 + 14 Eine Darstellung weisser, grauer und schwarz-weisser Punktgruppen ist in Abb. 4.512 gegeben. 137 Abb. 4.5.1-12 Die antisymmetrischen, tetragonalen Dipyramiden in Seitenansicht und Draufsicht (Kleber, 4-58, 1990). 25. Magnetostriktion Bei der Magnetisierung eines Kristalls tritt eine spontane Verformung ein. Dies bedeutet, dass die durch die Deformation verursachte Verringerung der Kristall- bzw. Austauschenergie grösser ist als die Erhöhung der elastischen Energie des Kristalls. Die mit der Deformation verbundenen Längen- und Volumenänderungen, werden als spontane Magnetostriktion λs bzw. ωs bezeichnet. Die Längenänderung hängt vom Winkel zwischen Feldrichtung und Achsrichtung (magnetischer Vorzugsrichtung, siehe auch magnetokristalline Anisotropie in § 4.5.1), gegeben durch den Richtungscosinus α i, ab. Damit gilt für die magnetostriktive Dehnung ε ijM ε ijM = λijklαkαl mit i, ,jk,l =1,2,3 Der Tensor vierter Stufe reduziert sich im kubischen auf die zwei Komponenten λ 100 und λ 111. Die Indizes sind hier die Millerschen Indizes der entsprechenden Kristallrichtungen. Im Falle polykristalliner Materialien ergibt sich aufgrund der statistischen Orientierung der Körner der Näherungswert λs = 2λ100 + 3λ111 5 Für amorphe (d.h. isotrope) Materialien gibt es nur eine unabhängige Tensorkomponente. Die Sättigungs-Magnetostriktionskonstanten der meisten ferround ferrimagnetischen Materialien liegen zwischen 10 -6 und einigen 10 -3 (Tab. 4.5.21). Sehr hohe Magnetostriktionswerte sind von Interesse für Anwendungen in der Mikromechanik zur Umwandlung elektrischer Signale in mechanische Bewegungen (Aktoren). Für weichmagnetische Materialien soll die Magnetostriktion dagegen möglichst klein sein. Die Magnetostriktion spielt auch eine wichtige Rolle bei den Invar-Legierungen, die sich durch eine sehr geringe thermische Ausdehnung auszeichnen (siehe § 4.2.1). 138 Tabelle 4.5.2-1 Sättigungs-Magnetostriktionskonstanten einiger Materialien (Hornbogen/Warlimont, 18-2, 1996; Jäger/Perthel, 1996). Material Fe Co Ni Co-Fe-Si-B amorph Fe14Nd2B tetragonal TbFe2 Tb0.27 Dy0.73 Fe2 amorph λ100 [10-6] λ111 [10-6] 19,5 -18,8 -45,9 -24,3 > 30 λhk0 > 125 2450 λs [10-6] -9 -50 -34 <1 175 1750 > 5000 Magnetostriktive Materialien können sehr hohe Kräfte erzeugen. So erreicht man beispielweise mit einem Bauelement von 10 mm Durchmesser bei 0.1% Dehnung Kräfte bis zu einigen kN (Abb. 4.5.2-1). Das Material mit der höchsten Magnetostriktionskonstante ist Terfenol-D (TERbium, FE, Naval Ordinance Laboratory, Dysprosium) im Zusammensetzungsbereich TbxDy1-xFey mit 0.27≤x≤0.3 und 1.9≤y≤1.95. In einkristalliner Form kann Terfenol in Stäben bis zu 20 cm erhalten werden. Es wird vor allem in Sonar Systemen eingesetzt. Abb. 4.5.2-1 Verformungs-/Feldstärke-Diagramm eines typischen magnetostriktiven Aktors (Culshaw, 4-16, 1996). 139 26. Elastische Eigenschaften Wird ein Kristall durch mechanische Spannungen (Druck, Zug) verformt, so ist die Verformung innerhalb eines gewissen Bereichs reversibel (elastische Deformation). Bei höheren Spannungen kann es zur bleibenden Deformation (plastische Deformation) und schliesslich zum Bruch kommen (Abb. 4.6-1). Abb. 4.6-1 Zerreissdiagramm: Dehnung ε als Funktion der mechanischen Spannung σ an einer metallischen Probe (Kleber, 460, 1990). Eine elastische Deformation ist in erster Näherung proportional zur mechanischen Spannung. Wird ein Stab der Länge l durch eine Zugspannung σ längs der Stabachse belastet, so erfährt er eine longitudinale Dilatation ∆l , und für die elastische Dehnung ε = ∆l/ l gilt das Hooksche Gesetz ε = ∆l =s σ bzw σ = E ∆l = Eε l l mit dem Elastizitätskoeffizienten s=1/E und dem Elastizitätsmodul (Youngscher Modul) E. Für eine vollständige Beschreibung der elastischen Eigenschaften muss das Hooksche Gesetz allgemeiner formuliert werden: der Deformationszustand wird durch den Deformationstensor ε (siehe Kapitel 4.2.1) und der Spannungszustand durch den Spannungstensor σ (siehe Kapitel 4.3.2) beschrieben ε ij = sijkl σ kl bzw. σij = cijkl ε kl i, j,k,l = 1,2,3 wobei die Elastizitätskoeffizienten sijkl und die Elastizitätsmoduln c ijkl zueinander reziproke, polare Tensoren vierter Stufe sind. Aufgrund der inneren Symmetrie des Deformationstensors mit ε ij = ε ji folgt sijkl = s jikl , und da für den Spannungstensor σ kl = σlk gilt, ergibt sich sijkl = sijlk . Sowohl die vorderen als auch die hinteren Indizes sind somit vertauschbar, und wegen der Reversibilität der Deformationsarbeit ebenso das vordere Indexpaar mit dem hinteren. Damit bleiben von den ursprünglich 34 = 81 möglichen Tensorkomponenten im allgemeinsten Fall lediglich noch 21 unabhängige Materialkonstanten übrig. Diese Zahl wird durch die äussere Symmetrie des Tensors noch weiter reduziert (Tabelle 4.6.1-1). 140 Tabelle 4.6.1-1 Zahl unabhängiger Elastizitätskoeffizienten (Kleber, 4-13, 1990). Kristallsystem Triklin Monoklin Rhombisch Trigonal Tetragonal Hexagonal Kubisch Isotrop Kristallklasse alle Klassen alle Klassen alle Klassen 3 4 alle Klassen *) alle Klassen **) 5 3 2 Anzahl der unabhängigen Komponenten 21 13 9 32 3 3m 4 3m 4/m 7 6 7 4mm 42m 422 4/mmm 6 *) sowie die “wirteligen” kontinuierlichen Punktgruppen ∞; ∞/m; ∞2; ∞m; ∞/m **) kontinuierliche Punktgruppen 2∞ und m ∞ Trägt man den Betrag des Elastizitätsmoduls eines Kristalls in Richtung des Radiusvektors auf, so erhält man "Elastizitätsmodulkörper", Flächen vierten Grades, die auch für den kubischen Fall von der Kugelsymmetrie abweichen. Das heisst, dass sich auch kubische Kristalle nicht isotrop verhalten, und dass auch isostrukturelle Metalle (Gold und Aluminium; Magnesium und Zink) sehr unterschiedliche "Elastizitätsmodul-körper" haben können (Abb. 4.6.1-1) Abb. 4.6.1-1 "Elastizitätsmodulkörper" von kubischem (a) Gold und (b) Aluminium mit der Symmetrie m3m sowie von hexagonalem (c) Magnesium und (d) Zink mit der Symmetrie 6/mmm (Kleber, 4-62, 1990). Es ist gebräuchlich, die Viererindizes der Einfachkeit halber durch Zweierindizes zu ersetzen: ii→ i, ij→ 9-i-j für i ≠ j, also z.B. c 1122 → c12, c1232 → c 64 . Man erhält dann ε µ = sµν σν bzw. σµ = cµν εν µ,ν =1,...,6 wobei sµν und c µν in der Form symmetrischer, zueinander inverser, 6x6-Matrizen geschrieben werden können.Das bedeutet jedoch keineswegs eine Reduktion eines 141 Tensors 4.Stufe auf einen Tensor 2.Stufe! Tab. 4.6.1-2 gibt elastische Konstanten einiger Materialien. Tabelle 4.6.1-2 Elastische Konstanten c µν 1010Nm –2 (Haussühl, XII(a), 1983). c11 Diamant Si LiF NaCl λ-NaCN CsCl CaFl2 Y3Ga 5O12 KAl(SO4)2 . 12H2O CsAl(SO 4)2 . 12H2O NaBrO3 KH2PO4 ( 4 2) α-Quarz (32) Ga (mmm) c11 c13 c12 104 16,5(1) 11,37(2) 4,944(8) 2,534(2) 3,64(1) 16,357(20) 28,70(1) 2,465(3) 3,118(5) 5,478(5) = 7,165(5) = 1,494(8) c33 c66 c44 = c66 17 6,4(1) 4,76(3) 1,29(2) 1,444(6) 0,92(2) 4,401(16) 11,60(6) 1,021(8) 1,541(9) 1,628(6) = 5,640(5) = 0,621(4) c12 c44 55 7,92(3) 6,35(3) 1,266(5) 0,033(1) 0,80(1) 3,392(13) 9,04(4) 0,867(5) 0,840(5) 1,505(5) = -0,627(6) = 1,248(6) c E11 = 8,674 c E13 = 1,19 c E33 = 10,72 c E44 = 5,79 c E12 = 6,98 c E14 = -1,79 c11 c12 c66 c22 c13 c55 c33 c23 c44 = 10,16(1) = 4,601(10) = 4,079(10) = 9,156(10) = -3,057(10) = 4,155(10) = 13,64(1) = 2,804(10) = 3,499(10) Die elastischen Konstanten isotroper Körper (z.B. auch polykristalline Metalle ohne Textur) werden üblicherweise durch den Elastizitätsmodul E = 1 / s11 , den Torsionsmodul G = 1 /2 (s 11 – s12) und das Poisson-Verhältnis ν = – s12 / s11 beschrieben, wobei 2G = E/ (1 +ν) gilt. 27. Index abbildenden Methoden, 22 Absorptionskante, 29 AFM, 21, 22 Anisotropie, 85 Anregungsspannung, 27, 28 Antiferromagnetismus, 133 Antisymmetrieoperation, 136 Atomformfaktor, 33 Auger-Elektronen Erzeugung, 30 Auslöschungen, 50 Ausscheidungen, 4, 14, 18 ausserordentlicher Strahl, 120, 122, 123 Austauschintegral, 133 axiale Vektoren, 85, 128 axialen Tensor, 99, 100 Berg-Barrett-Methode, 83 Beugungsbild, 47 Beugungsmethoden, 21, 24, 47 Beugungssymmetrie, 47 Beugungsvektor, 43 Bildplatte, 32, 62, 63 Bloch-Wände, 130 Bragg-Reflexe, 36 Braggsche Gleichung, 36, 38, 41, 43, 59 Brechungsgesetz, 114, 121 Brechungsindex, 114 Bremsstrahlung, 26, 27 Burgers-Vektor, 9, 10, 11, 12 Calcit, 94, 104, 119, 120, 121, 122, 123, 124 CCD ("Charge Coupled Device"), 64 charakteristische Strahlung, 26 chiral, 126 Compton-Streuung, 30 Crowdion, 6, 7 Curie-Gruppen, 91 Curie-Punkt, 55, 109 Curiesches Prinzip, 92 Curie-Weiss-Gesetz, 132 Deformationstensor, 98, 99, 100, 139 142 Detektoren, 31, 32, 33, 55, 58, 62, 63, 64, 65, 66, 73, 74, 75, 78, 109 Diamagnetismus, 129 dielektrische Verschiebung, 108, 124, 126 Dielektrizitätskonstante, 107 Diffusion, 1, 7, 18, 19, 20, 101, 107 Dilatometer, 98 Domänen, 4 Doppelbrechung, 93, 119, 120, 121 Drehanode, 25 Eichstandard-Methode, 76 Eigenschaftstensor, 85 elastische Deformation, 139 elastische Neutronenstreuung, 54 Elastizitätskoeffizienten, 139, 140 Elastizitätsmodul, 139, 140, 141 elektrische Feldstärke, 43, 85, 106, 107, 108, 112, 126 elektrische Leitfähigkeit, 106 elektrische Polarisation, 107, 110, 113 Elektronenmikroskopie, 21, 22 Elektronenstörstellen , 3 Elektrostriktion, 112 Ewaldkonstruktion, 41 Ewaldkugel, 41 Farbzentren, 8, 32, 63 Ferrimagnetismus, 134 Ferrite, 134, 136 Ferroelektrika, 109 Ferromagnetismus, 130 Flächendetektor, 32, 62, 63, 64, 65 Fluoreszenz, 30 Formgedächtnislegierungen, 1 Frenkel-Defekt, 5, 8 Frequenzverdopplung, 127 Friedelsches Gesetz, 48 Gitter-Diffusion, 19 Gitterschwingung, 3, 29, 54, 102, 116 Glasfaser, 64, 115, 116 Grenzflächen, 4, 19, 90 Grösse der Doppelbrechung, 121 Grosswinkelkorngrenze, 15, 16, 17 Guinier-Preston Zonen, 4 Guinier-Verfahren, 71 Gyrotropie, 125 Halbleiter-Detektor, 31 Hauptbrechungsindizes, 117 Hooksche Gesetz, 139 HRTEM, 21, 22 Idealkristall, 1 Imaging Plate Detektor, 63 Indikatrix, 116, 117, 119 induzierende Grösse, 89 induzierte Grösse, 89 inelastische Neutronenstreuung, 54 Inelastische Streuung, 29 Innere Spannungen, 1 innere Symmetrie, 100 Intensität der Braggreflexe, 47 Interferenz, 34, 35 Invar Effekt, 97 Kleinwinkelkorngrenze, 15, 16 Koerzitivfelds, 131 Koinzidenzgitter, 16, 17 Korngrenzen, 4, 7, 19, 83, 84 Korngrenzen-Diffusion, 19 Kristallphysik, 85 Lang-Methode, 84 Laser, 32, 63, 109, 127 Lauegleichungen, 35, 36 Laue-Gruppe, 48 Laue-Methode, 58, 61 Lauesche Interferenzfunktion, 45 Laue-Symmetrie, 58 Leerstellen, 1, 5, 7, 8, 11, 12, 18, 19 Lichtbrechung, 1, 113, 114 Linear-Detektor, 31 Liniendefekte, 4 Luminiszenz, 3, 63 magnetische Feldstärke, 128 magnetische Induktion, 128 magnetische Polarisation, 128 magnetische Punktgruppe, 136 magnetische Suszeptibilität, 128, 134 magnetisches Feld, 89, 92, 113, 128 magnetisches Moment, 128, 130, 134 magnetokristalline Anisotropie, 130, 137 Magnetostriktion, 97, 137, 138 Martensitische Phasenumwandlung, 2 Materialkonstante, 89 Maxwellsche Relation, 115, 116 Millersche Indizes, 37 Mischkristall, 4, 111 Mosaikbau, 15 Neel-Temperatur, 134 Neumannsche Prinzip, 90 Neutronenstreung, 2 nichtlinearer optischer Effekt, 99, 127 Nicolsches Prisma, 124 Nitinol, 1 optisch zweiachsig, 119 optisch einachsig, 119, 124 optische Achse, 120, 122, 124 optischr Aktivität, 125 ordentlicher Strahl, 120, 122, 123 Orientierungsverteilungsfunktion (ODF), 81 Paramagnetismus , 129 Pauli-Paramagnetismus, 129 Permeabilität, 128 Permittivität, 107, 113 Phasenanalyse, 25, 76 Phononen , 2, 3, 29, 54, 102, 116 Photoelektrischer Effekt, 30 Photographischer Film, 31 Piezoelektrika, 111 piezoelektrischer Effekt, 110 piezoelektrischer Tensor, 110 plastische Deformation, 139 Poisson-Verhältnis, 141 polare Vektoren, 126, 128 polarer Tensor, 99, 100 Polarisationsfilter, 124 Polfigur, 81 Polymere, 96, 102, 111 143 Poyntingvektor, 113 Pseudotensor, 85, 99, 126 Pulverdiagramm, 66 Punktdefekte , 3, 4, 5, 7, 8, 11, 19, 102 Pyroelektrika, 109 pyroelektrischer Effekt, 108 PZT-Keramik, 111 Quarz, 77, 90, 94, 98, 104, 106, 111, 112, 115, 117, 141 Realkristall, 1 Realstruktur, 1, 22, 24, 25, 78 Reflexionsbedingung, 52 Remanenz, 131 Ringdiffusion, 18, 19 Röntgenbeugung, 21, 25, 31, 46, 54, 63, 65, 66 Röntgenröhre, 25, 26, 27, 28, 66, 71, 72 Röntgenstrahlung, 25, 28, 29, 33, 43, 46, 54, 58, 59, 63, 66, 67 Röntgentopographie, 83 Rotationsdispersion, 125 RTM, 23 Schottky-Defekt, 5, 7, 8 Schraubenversetzung, 9, 10, 14 Schwarz-Weiss-Raumgruppe, 136 second harmonic generation, SHG, 127 shape memory alloys, 1 Spannungsdoppelbrechung, 93, 124 Spannungstensor, 110, 139 Spektroskopische Methoden, 21, 24 spontane Polarisation, 108 STM, 21, 22 Strahlengeschwindigkeit, 121 Streuquerschnitte, 53 Strukturamplitude, 46 Strukturfaktor, 46 Stufenversetzung, 9, 10, 14, 15 Subkorngrenze, 15 Superaustausch, 135 Superionenleiter, 107 Synchrotronstrahlung, 28, 46, 74, 75, 83 Szintillationszähler, 31 Temperaturleitfähigkeit, 101 Temperaturleitzahl, 101 Tensor, 85 Tensor der elektrischen Leitfähigkeit, 106 Tensor des elektrischen Widerstands, 106 Tensorsymmetrie, 98 Terfenol, 138 Textur, 80 thermische Ausdehnung, 94, 95, 96, 97, 137 thermische Leitfähigkeit, 106 thermische Neutronen, 53 thermischer Ausdehnungskoeffizient, 94, 96 Torsionsmodul, 141 Totalreflexion, 115 Versetzungen, 1, 4, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 83, 84 Versetzungsdichte, 13, 14 Versetzungskern, 10 Versetzungslinie, 9, 10, 13, 14 Versetzungsring, 10, 12 Vorzugsorientierung, 80 Wärmedämmung, 103 Wärmekonduktometer, 103 Wärmeleitfähigkeit, 101, 102, 103, 104, 105, 106 Wärmeleitfähigkeitstensor, 101, 106 Wärmeleitzahl, 101 Wärmestromdichte, 89, 101 Wärmewiderstandstensor, 105 Weisssche Bezirke, 130 Wellennormalengeschwindigkeit, 121 Youngscher Modul, 139 Zwillingsgrenze, 4, 15, 17 Zwischengitterdiffusion, 18, 19 Zwischengitterplätze, 5, 8