G 1 – der Außenseiter in M 31

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Mayall II – der Außenseiter in M 31
Jens Bohle
Zu Beginn der neunziger Jahre zählte die amateurastronomische Beobachtung
der Kugelsternhaufen in M 31 zu den exotischeren Zielen für
Amateurastronomen. Dies hat sich aufgrund größer werdender Teleskope und
empfindlicheren Kameras geändert. Unter den Kugelsternhaufen in M 31 dürfte
Mayall II, oder auch G 1 genannt, der bekannteste Vertreter sein. Seinen relativ
hohen Bekanntheitsgrad verdankt er wohl seiner Helligkeit von 13,5 mag im
visuellen Spektralbereich. Der Artikel befasst sich mit diesem interessanten
Sternhaufen.
During the early nineties the visual observing of the M 31 Globular Clusters
belongs to the „exotic targets“ for amateur astronomers. This has changed due
to larger telescopes and more sensitive cameras. Among the M 31 Globular
Cluster system Mayall II (or G 1) belongs to most prominent objects (or the
most prominent anyway). His publicity results of its brightness of 13, 5 mag.
This article attends to this interesting Star Cluster.
Mayall II verdankt seinen Namen Nicholas Ulrich Mayall (* 1906, † 1993). Zusammen
mit O. J. Eggen veröffentlichte er 1953 seine Untersuchungen unter dem Titel „Four
nebulous objects in the outer parts of the Andromeda nebula“ [1]. Auf einer 1948
durch Edwin Hubble gewonnen Aufnahme, welche dem Lick Observatorium (Mayalls
„Stammobservatorium“ dessen Direktor er später wurde) zur Verfügung gestellt
wurde, identifizierten Mayall und Eggen sechs Objekte von nebulöser Gestalt welche
eindeutig nicht stellar erschienen. Sie ordneten sie, genau wie es Hubble Jahre zuvor
bei anderen Objekten in M 31 tat, den Kugelsternhaufen zu. Dafür sprachen auch
spektroskopische Messungen mit deren Hilfe man ausschließen konnte, dass es sich
um Vordergrundobjekte handelte. Nach der Spektroskopie folgte die Photometrie. Im
Falle von Mayall II gestaltete sich diese aber recht schwierig, da sich in unmittelbarer
Nachbarschaft zwei Vordergrundsterne befinden, welche auch der Amateur mit
mittelgroßem Fernrohr bei der Beobachtung immer mit im Blickfeld hat. Mayall und
Eggen gaben eine korrigierte Helligkeit (Berücksichtigung des Streulichts der beiden
Vordergrundsterne) im Bereich von 14 mag an. Diese enorme scheinbare Helligkeit
unterschied Mayall II von den anderen Objekten (der nächsthellere Kugelsternhaufen
ist gut 0,75 Magnituden schwächer). Auch im ermittelten Farben-Helligkeitsdiagramm
kam Mayall II eine Ausnahmestellung zu. Während andere Objekte dort gleichmäßig
verteilt waren, ist Mayall II deutlich heller und steht somit abseits im oberen Teil des
Diagramms. Schon damals wurde der Vergleich mit dem prominenten Ω Centauri
beschrieben – dennoch sollte die absolute Helligkeit von Mayall II gut eine
Größenklasse über dem hellsten Kugelhaufen unserer Heimatgalaxie liegen. Ein
weiterer Punkt, welcher Mayall II schon sehr früh zum besonderen Objekt avancieren
ließ, war dessen recht isolierte Lage außerhalb der Andromedagalaxie. Eine
Beobachtung die auch der Amateur beim Aufsuchen des Kugelsternhaufens
zwangsläufig macht. Mit 3° Distanz zum Zentrum ist dessen Kerndistanz so groß wie
bei keinem anderen der Kugelhaufen in M 31. Diese 3° scheinbare Distanz zum
Zentrum entsprechen einer wahren Kerndistanz von etwa 40 Kpc (ca. die Entfernung
unserer Heimatgalaxie zu den Magellanschen Wolken). Die isolierte Lage weitab der
Halopopulation von M 31-Feldsternen begünstigt spätere Untersuchungen.
Die wohl bekanntere Bezeichnung von Mayall II lautet G 1. Diese geht auf eine
Untersuchung von Sargent, Kowal, Hartwick und van den Bergh ende der 70er Jahre
zurück [2]. Auf fotografischen Platten identifizierten sie 355 M 31-Kugelsternhaufen.
In einer nach Rektaszension geordneten Liste ist Mayall II der erste Eintrag. In den
folgenden Jahren konzentrierte sich die Untersuchung der M 31-Kugelsternhaufen
auf einzelne Mitglieder. Ganz besonders gilt dies für Mayall II. Mit fortschreitender
Technologie und daraus resultierenden Beobachtungsmöglichkeiten gelang es
erstmalig ende der 80er Jahre Einzelsterne in Mayall II aufzulösen [3]. Dabei konnten
nur die Außenbereiche aufgelöst werden (ähnlich wie es der Sternfreund bei der
visuellen Beobachtung galaktischer Kugelsternhaufen kennt). Von Heasley und
seinen Mitarbeitern werden erstmalig photometrische Messungen von Einzelsternen
in einem M 31-Kugelsternhaufen präsentiert (die Grenzgröße lag bei ~24mag v). In
ihrer Arbeit weisen die Forscher auf die Schwierigkeit solcher Untersuchungen hin.
Nur bei exzellentem Seeing unter einer Bogensekunde waren derartige
Bestimmungen mit erdgebundenen Teleskopen möglich (adaptive Optiken folgten ja
erst später).
Die Probleme mit dem Seeing konnten bei einer ganz neuen Art von
Teleskopstandort umgangen werden: der Weltraum selbst. Wie bei vielen
astronomischen Untersuchungen brachte das Hubble Space Teleskop (HST) auch
aufregend neue Bilder von Mayall II (Abbildung 1). Die hellsten Sterne welche zu
Mayall II gehören, haben etwa 22,5 mag v – die Hauptbevölkerung des Haufens ist
etwa 25 mag v hell. Die Grenzgröße des HST liegt im Bereich visueller Wellenlängen
bei ~27 mag. So war die Tür für weitere Untersuchungen geöffnet. Dabei bestätigte
sich, dass Mayall II ein wahrhafter Gigant ist. Er übertrifft die Masse unseres
galaktischen massereichsten Kugelsternhaufen Ω Centauri mindestens um den
Faktor drei. Mayall II hat zwischen 7 - 17 Millionen Sonnenmassen (die Werte
einzelner Messungen schwanken sehr). Sehr auffällig auch dessen hohe
Konzentration und die daraus resultierende hohe Flächenhelligkeit des Objekts. Im
etwa 0,52 Parsec (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre) messenden Zentralgebiet steigt die
Flächenhelligkeit auf rund 13mag / “² an. Selbst NGC 1851, welcher als
Kugelsternhaufen mit der höchsten zentralen Flächenhelligkeit in unserer Galaxie
gilt, kann da mit rund 14,5 mag / “² nicht mithalten. Ganz zu schweigen von Ω
Centauri, welcher mit 16,8 / “² mag Flächenhelligkeit deutlich schwächer ist
(allerdings ist dessen Zentralgebiet rund siebenmal größer) [4]. Auch die Form des
Kugelsternhaufens ist recht ungewöhnlich. Von einem Kugelsternhaufen kann man
da fast schon nicht mehr sprechen, beträgt doch die Abweichung von der Kreisform
(Elliptizität) bei einem Radius von 8 pc immerhin 0,3. Im Schnitt weist Mayall II eine
Elliptizität von 0,2 auf und ist damit „länger“ als „breit“. Es gibt nur wenige
Kugelsternhaufen deren Gestalt noch extremer in die „Länge“ gezogen ist. Ein
Beispiel ist der jüngst entdeckte Kugelsternhaufen NGC 1023-13 welcher eine
Elliptizität von 0,37 aufweist [4].
Abbildung 1: Mayall II mit Hubbles Augen
Ein wichtiger Punkt, welcher im Zusammenhang mit Kugelsternhaufen immer wieder
genannt wird, ist deren Metallizität. Den Begriff „Metall“ dürfen wir hier nicht im
allgemein üblichen bzw. klassischen chemischen Sinn verstehen. Astronomen
verstehen unter Metallen all jene Stoffe, deren Gewicht höher als Wasserstoff und
Helium ist. Die Metallizität gibt also deren Häufigkeit an. In klassischen alten
Kugelsternhaufen ist diese Metallizität gering, da zu deren Entstehungszeit keine
schwereren Elemente vorhanden waren. Mayall II zeigt hier auch wieder
Besonderheiten. Neben Ω Centauri weist auch Mayall II eine recht große Spreizung
der Metallizität auf. Dies bedeutet, dass die Sterne in diesen Systemen nicht alle
gleich alt sind. Dies widerspricht der gängigen Meinung, dass Sterne in einem
Kugelsternhaufen selben Alters sind. Gründe für diese Verteilung der Metallizität
könnte eine Selbstanreicherung durch Sternkollision oder dunkle Materie sein, eine
inhomogene Verteilung in der Protohaufenwolke oder, der meines Erachtens
interessanteste Aspekt, die Zuordnung als Kugelsternhaufen ist falsch. Dies könnte
bedeuten, dass Mayall II (gleiches könnte auch für Ω Centauri gelten) gar kein
Kugelsternhaufen ist, sondern vielmehr der Überrest bzw. Kern einer Zwerggalaxie,
welche Massenanteile in ihrer Peripherie bereits an M 31 verloren hat. Diese Art von
Kannibalismus ist nicht ungewöhnlich. So wird z.B. die Sagittarius Dwarf Elliptical
Galaxie (Sag DEG) derzeit von unserer Milchstraße „verspeist“ - ein Schicksal, was
auch dem Magellanschen Wolken bevorsteht. Ob es sich bei Mayall II nun um den
Überrest einer Zwerggalaxie handelt ist noch ungewiss [5].
Doch nun zu den Amateurbeobachtungen. Die Zahl der Veröffentlichungen zum
Thema Kugelsternhaufen in M 31 ist in den letzten Jahren stetig gewachsen ( [6] –
[14] ). Oft besuchtes Objekt ist auch Mayall II, denn mit 13,5 mag v ist er der hellste
der 450 Kugelsternhaufen (dreimal so viel wie in unserer Milchstrasse). In der
Amateurszene habe ich schon von Sichtungen mit 6 Zoll–Geräten gelesen. Einen
eigenen Versuch habe ich mit einem 6 Zoll Refraktor unter einen Himmel mit knapp 6
mag Grenzgröße durchgeführt. Eine Sichtung mit diesem Gerät blieb mir allerdings
versagt. Hans Günter Diederich beschreibt eine Sichtung mit 7 Zoll: Meine erste
Beobachtung von G1 war eine visuelle. Am 20.12.2000 beobachtete ich ihn mit
meinem 7"Mak im 24,5mm-Okular: "Mehrmals identifiziere ich ihn mit indirekter Sicht.
Der Bildeindruck entspricht dem Kartenbild in Guide. Dort ist er als grüner "non-star"
eingetragen. Das absolute Top-Highlight dieser Nacht." Im 13,8mm-Okular ist er
nicht besser erkennbar.
Meine Beobachtung führte ich mit meinem 20 Zoll Newton durch. Bei höherer
Vergrößerung ist dieses Objekt deutlich nicht-stellar. Eine Eigenschaft, welche ich
schon von anderen M 31-Kugelsternhaufen kenne (z.B. G 76, G 231 und G 233).
Scheinbare Durchmesser von 2-3 Bogensekunden finden sich bei einigen Objekten
(siehe auch [6]). Abbildung 2 gibt meinen visuellen Eindruck bei 432facher
Vergrößerung wieder. Interessant ist, dass ich sogar den Außenbereich vom
Zentralbereich unterscheiden konnte!
Abbildung 2: Mayall II im 20 Zoll Dobson bei 432facher Vergrößerung.
Felddurchmesser 9 Bogenminuten
Selbstverständlich rücken nicht nur die visuellen Beobachter dem „Paradehaufen“ in
M 31 zu Leibe. Stellvertretend für das Heer der Astrofotografen zeigt Abbildung 3
eine Aufnahme von Mayall II welche mir Hans Günter Diederich zur Verfügung
gestellt hat.
Abbildung 3: Mit 7"Mak in Alt-Az, ST-7 im Binning3-Modus nehme ich 50
Einzelbildern a 20s auf. Zuhause entsteht daraus ein Summenbild mit 640 s
Integrationszeit. Der kH bildet mit zwei schwächeren Sternen ein gleichseitiges
Dreieck. Trotz des Binning3-Modus ist der G1 als diffuses d. h. eindeutig nichtstellares Pünktchen erkennbar. (Hans Günter Diederich)
Bleibt nur noch zu sagen, dass es mich sehr freuen würde, wenn Sie nun auf den
Geschmack gekommen sind, einen Kugelsternhaufen zu beobachten der vielleicht
keiner ist...
Literaturhinweise:
[1] Mayall, N.U.; Eggen, O.J. : Four nebulous objects in the outer parts of the
Andromeda nebula; Publ. Astron. Soc. Pac., 65, 24 - 29 (1953)
[2] Sargent, W., Kowal, C., Hartwick F., Van den Bergh, S.: Search for Globular
Clusters in M 31; AJ 82, 947 - 953 (1977)
[3] Heasley, J. N. et. al.: Photometry of giant-branch stars in the M 31 Globular
Cluster G1, AJ 96, 1312 (1988)
[4] Larsen, S.S: A G1-like Globular Cluster in NGC 1023; AJ,122,1782 (2001)
[5] Meylan G., Sarajedini A., Jablonka P., Djorgovski S. G., Bridges T., Rich R. M. :
Mayall II = G1 in M31: Giant Globular Cluster or Core of a Dwarf Elliptical Galaxy AJ,
121, 2584, (2001)
[6] Skiff, Brian; Deep Sky Magazine # 8: All about M 31
[7] Higgins, David; Deep Sky Magazine # 32: The M 31 globular system
[8] Büchner, Michael und Niebling, Frank; Sternzeit 2 /93: Kugelsternhaufen in M 31
[9] Veit, Klaus; interstellarum 1: Kugelsternhaufen in M 31
[10] Veit, Klaus; interstellarum 12: G1 visuell
[11] Stoyan, Ronald C.; interstellarum 9: Galaxien der Lokalen Gruppe Teil III
[12] Bohle, J. : Extragalaktische Kugelsternhaufen; VdS Journal Sommer 2000
[13] Wacker, Wilfried: G-Punkte; Magellan 1/2001
[14] Donelasci, Giovanni: The heart of the andromeda galaxy; Magellan 1/2001
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