Prof. Dr. Moritz Kaßmann Fakultät für Mathematik Sommersemester 2016 Universität Bielefeld Übungsaufgaben zu Funktionalanalysis Lösungen von Blatt VIII vom 03.06.16 Aufgabe VIII.1 (5 Punkte) Sei X 6= {0} ein normierter Raum. Zeigen Sie, dass jedes Funktional T ∈ X 0 mit T 6= 0 offen ist. Aufgabe VIII.2 (4 Punkte) Wir betrachten den normierten Raum C 1 ([0, 1]), versehen mit der Supremumsnorm. Sei D der Ableitungsoperator, d.h. D : (C 1 ([0, 1]), k · k∞ ) → (C([0, 1]), k · k∞ ), D(f ) = f 0 . Aus der Vorlesung ist bekannt, dass D ein linearer und unbeschränkter Operator ist. Zeigen Sie, dass D abgeschlossen ist. Was bedeutet dies für den normierten Raum (C 1 ([0, 1]), k · k∞ )? Aufgabe VIII.3 (3+2 Punkte) Sei X ein Banachraum. a) Seien Y und Z abgeschlossene Unterräume von X derart, dass jedes x ∈ X eindeutig in der Form x = y + z mit y ∈ Y, z ∈ Z darstellbar ist. Beweisen Sie die Existenz einer Konstanten C ≥ 0, die für alle x = y + z ∈ X die Ungleichungen kyk ≤ Ckxk, kzk ≤ Ckxk erfüllt. Hinweis: Betrachten Sie die Abbildungen Q : X → Y, Q(x) = Q(y + z) = y, P : X → Z, P (x) = P (y + z) = z. Wenden Sie auf P und Q den Satz vom abgeschlossenen Graphen an. b) Sei T : X → X eine lineare Abbildung, die T 2 = T erfüllt. Weiterhin seien der Nullraum N (T ) und das Bild T (X) abgeschlossene Unterräume von X. Zeigen Sie, dass T stetig ist. Hinweis: Überlegen Sie sich zunächst, dass X = N (T ) ⊕ T (X) ist. Benutzen Sie nun a). Aufgabe VIII.4 (4+2 Punkte) a) Seien X = Y = `2 (K) und A : X ⊃ D → Y definiert als A((xn )) = (nxn ), (xn ) ∈ D, wobei (i) D = {(xn ) ∈ `2 (K) | (nxn ) ∈ `2 (K)} (ii) D = {(xn ) ∈ KN | xn 6= 0 für höchstens endlich viele n}. Untersuchen Sie, ob A in beiden Fällen ein abgeschlossener Operator ist. b) Seien X, Y normierte Räume, D ein Untervektorraum von X und A : D → Y definiert durch Ax = 0 für alle x ∈ D. Ist A abgeschlossen? Lösungsvorschläge Aufgabe VIII.1 Sei T ∈ X 0 , T 6= 0. Dann existiert a ∈ X : T a = 1. Es ist zu zeigen, dass die Bilder offener Mengen wieder offen sind. Zunächst zeigen wir, dass offene Mengen, die die Null enthalten, unter T auf Umgebungen von 0 abgebildet werden. Sei dazu D ⊂ X offen und 0 ∈ D. Dann existiert ε > 0 derart, dass Bε (0) ⊂ D. Die Abbildung p : K × X → X, p(λ, x) = λx Erreichbare Punktzahl: 20 Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 2 ist stetig in (0, a). Damit existiert ein δ > 0, so dass p(λx) = λx ∈ Bε (0) sofern (λ, x) ∈ Bδ (0, a). Insbesondere existieren δ1 , δ2 > 0 derart, dass für alle (λ, x) ∈ K × X mit |λ| < δ1 und x ∈ Bδ2 (a) folgt, dass p(λ, x) = λx ∈ D. Dies liefert für |λ| < δ1 die Eigenschaft λa ∈ D. Daher λ = λT a = T (λa) ∈ T (D), d.h. Bδ1 (0) ⊂ T (D). Das bedeutet, dass T (D) eine Umgebung von 0 ∈ K ist. Sei jetzt D ⊂ X eine beliebige offene Menge. Sei x ∈ D. Dann ist 0 ∈ D − {x} und D − {x} ist offen, somit ist T (D − {x}) eine Umgebung von 0 ∈ K. Es existiert also ein ε > 0 : Bε (0) ⊂ T (D − {x}). Äquivalent ist: ∃ε > 0 : Bε (T (x)) ⊂ T (D). Dies impliziert die Aussage ∀λ ∈ T (D) ∃ε > 0 : Bε (λ) ⊂ T (D). Deshalb ist T (D) eine offene Teilmenge von K. Aufgabe VIII.2 Sei fn eine gegen f ∈ C 1 ([0, 1]) konvergierende Folge mit Folgengliedern in C 1 ([0, 1]) und fn0 → g ∈ C([0, 1]). Wir müssen zeigen, dass g = f 0 gilt. Aus dem Hauptsatz der Analysis folgt für x ∈ (0, 1]: Zx Zx g(s) ds = 0 lim f 0 (s) ds n→∞ n 0 Zx = lim n→∞ fn0 (s) ds 0 = lim (fn (x) − fn (0)) n→∞ = f (x) − f (0). Wir haben benutzt, dass bei gleichmäßiger Konvergenz Integral und Grenzwert vertauschbar sind. Ableiten nach x liefert f 0 (x) = g(x) für alle x ∈ (0, 1]. Aus der Stetigkeit von g folgt schließlich auch f 0 (0) = g(0). Die Abgeschlossenheit von D ist gleichbedeutend damit, dass der Graph von D abgeschlossen ist. Aus dem Satz vom abgeschlossenen Graphen folgt nun, dass (C 1 ([0, 1]), k · k∞ ) kein Banachraum sein kann. Aufgabe VIII.3 a) Zunächst bemerken wir, dass Y und Z als abgeschlossene Unterräume des Banachraums X ebenfalls wieder Banachräume sind (bezüglich der auf X gegebenen Norm). Da jedes x ∈ X eindeutig in der Form x = y + z mit y ∈ Y, z ∈ Z darstellbar ist, können wir die Projektionen Q : X → Y, Q(x) = Q(y + z) = y, P : X → Z, P (x) = P (y + z) = z Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 3 betrachten. Aus der Eindeutigkeit der Darstellung x = y + z für jedes x folgt sofort die Linearität der beiden Projektionen P und Q. Wir wollen zeigen, dass die Projektionen stetig sind. Hierzu zeigen wir, dass P und Q abgeschlossene Operatoren sind. Sei (xn ) ∈ X N mit xn → x ∈ X und Qxn → y ∈ Y . Für jedes xn existieren eindeutig bestimmte Elemente yn ∈ Y, zn ∈ Z, so dass xn = yn + zn . Also Qxn = yn , d.h. lim yn = lim Qxn = y. Dies impliziert zn → x − y und damit x − y ∈ Z, n→∞ n→∞ weil Z abgeschlossen ist. Also x = y + z und Qx = y. Damit ist Q abgeschlossen, was gleichbedeutend dazu ist, dass der Graph von Q abgeschlossen ist. Aus dem Satz vom abgeschlossenen Graphen folgt, dass Q ∈ L(X, Y ). Analog erhält man P ∈ L(X, Z). Setze C = max{kQk, kP k}. Jetzt erhalten wir für x = y + z sofort kyk = kQxk ≤ kQkkxk ≤ Ckxk und kzk = kP xk ≤ kP kkxk ≤ Ckxk, wie gefordert. b) Sei x ∈ X. Da T 2 = T folgt T (x − T x) = T x − T (T x) = T x − T x = 0, d.h. x − T x ∈ N (T ). Daher ist x darstellbar in der Form x = (x − T x) + T x ∈ N (T ) + T (X). Sei z ∈ (N (T ) ∩ T (X)). Dann T z = 0 und z = T x für ein x ∈ X. Es folgt 0 = T z = T (T x) = T x = z, d.h. N (T ) ∩ T (X) = 0. Wir haben X = N (T ) ⊕ T (X) gezeigt. Deshalb ist jedes x ∈ X eindeutig als Summe x = y + z mit y = x − T x ∈ N (T ), z = T x ∈ T (X) darstellbar. Nach Voraussetzung sind N (T ) und T (X) abgeschlossen. Nach Teil a) existiert daher ein C ≥ 0 derart, dass ∀x = y + z ∈ X mit y = x − T x, z = T x die Aussage kyk ≤ Ckxk, kzk ≤ Ckxk gilt. Also kT xk = kzk ≤ Ckxk ∀x ∈ X und damit kT k ≤ C. Aufgabe VIII.4 a) Wir merken zunächst an, dass A linear und unbeschränkt ist. Die Linearität ist offensichtlich. Die Unbeschränktheit ist z.B. durch die Wahl der Folge en = (0, . . . , 0, 1, 0, . . .) ∈ `2 (K) , wobei das n-te Folgenglied gerade eins ist und alle übrigen Folgenglieder null sind, ersichtlich, denn kAen k = n. (i) Sei D1 = {(xn ) ∈ `2 (K) | (nxn ) ∈ `2 (K)} ⊂ X. Zunächst ist für x = (xn ) ∈ D1 kAxk = k(nxn )k = X ∞ 2 2 n |xn | 1/2 ≥ kxk. (1) n=0 Wegen (1) und der Linearität von A folgt die Injektivität des Operators, denn N (A) = {0} und dies ist bei linearen Abbildungen äquivalent zur Injektivität. Weiterhin ist A surjektiv, denn für beliebiges y = (y1 , y2 , y3 , . . .) ∈ Y ist A−1 y := (y1 , y22 , y33 , . . .) ∈ D1 . Damit ist A bijektiv. Daraus folgt die Abgeschlossenheit von A, denn seien m→∞ m→∞ (xm ) ∈ D1N mit xm −−−−→ x ∈ X und Axm −−−−→ y ∈ Y. Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 4 Dann folgt mit z = A−1 y ∈ D1 und (1): m→∞ kxm − zk ≤ kA(xm − z)k = kAxm − yk −−−−→ 0, also x = z ∈ D1 und Ax = y. 6 0 für höchstens endlich viele n}. Wähle nun (ii) Sei nun D2 = {(xn ) ∈ KN | xn = ein x = (xn ) ∈ D1 mit x 6∈ D2 (z.B. x = ( n12 )). Betrachte nun eine Folge (xm ) = ((xm n )n )m deren Glieder definiert sind durch ( xn , falls n ≤ m m xn = . 0, falls n > m m→∞ m→∞ Dann ist (xm ) ∈ D2N und (xm ) −−−−→ x ∈ X und A(xm ) −−−−→ (nxn ) ∈ Y , denn ∞ X m→∞ m 2 k(xn ) − (xn )k = x2n −−−−→ 0 n=m+1 und 2 kA(xm n ) − (nxn )k = ∞ X m→∞ n2 x2n −−−−→ 0. n=m+1 Aber x 6∈ D2 , also ist A nicht abgeschlossen. b) Falls D ein abgeschlossener Untervektorraum von X ist, so ist A abgeschlossen. Zum Beweis betrachten wir n→∞ n→∞ (xn ) ∈ DN mit xn −−−→ x ∈ X und Axn −−−→ y ∈ Y. Dann ist wegen der Abgeschlossenheit von D auch x ∈ D und somit auch Ax = 0. n→∞ Wegen 0 = Axn −−−→ y ist y = 0 = Ax und somit A abgeschlossen. Ist D nicht abgeschlossen, so ist i.A. auch A nicht abgeschlossen. Als Beispiel dafür betrachte wiederum X = Y = `2 (K) und D = D2 aus a). Sei x = (xn ) ∈ X N mit x 6∈ D2 . Definiere die Folge (xm ) = ((xm n )n )m ∈ D2 wie in a). Dann ist m→∞ m→∞ (xm ) −−−−→ x ∈ X und A(xm ) −−−−→ (0) ∈ Y , aber x 6∈ D2 und somit A nicht abgeschlossen.