Erste Schritte in Java • Im einführenden Kapitel haben wir die Grundbegriffe der imperativen Programmierung an einem Beispiel (Algorithmus von Euklid) kennengelernt. • In diesem Kapitel sehen wir uns an einem kleinen Beispiel wichtige Grundbegriffe der objektorientierten Programmierung an. • Wir wollen ein Programm schreiben, das in der Lage ist, Bankkonten zu verwalten. • Ein Konto wird durch einen Wert, den Kontostand, gekennzeichnet. • Außerdem werden wir Methoden zum Einzahlen und Abheben sowie zur Kontostandsabfrage programmieren. 2. Erste Schritte in Java 2-1 Klassen- u. Objektdiagramm Konto stand: int void einzahlen(int betrag) void abheben(int betrag) int abfrage() kon1:Konto kon2:Konto stand: int = 12 stand: int = -5 2. Erste Schritte in Java 2-2 Abstraktion und Modellbildung • Die Erstellung eines Algorithmus oder Programms erfordert die Abstraktion von der Realität. Das heißt, es werden die zur Lösung des Problems irrelevanten Bestandteile weggelassen. • Das Ergebnis der Abstraktion ist ein Modell, das dem Computer in geeigneter Form zur Bearbeitung übergeben wird. 2. Erste Schritte in Java 2-3 Die Klasse Konto public class Konto { int stand = 0; public void einzahlen(int betrag) { stand = stand + betrag; } // Attribut der Klasse // Methode zum Einzahlen public void abheben(int betrag) { stand = stand - betrag; } // Methode zum Abheben public int abfrage() { return stand; } // Methode zur Abfrage } 2. Erste Schritte in Java 2-4 Die Klasse KontoTest public class KontoTest { public static void main(String[] args) { Konto kon1 = new Konto(); Konto kon2 = new Konto(); kon2.abheben(5); kon1.einzahlen(12); kon2.einzahlen(2); kon1.einzahlen(18); kon2.einzahlen(8); kon1.abheben(15); System.out.println("Kontostand kon1: " + kon1.abfrage()); System.out.println("Kontostand kon2: " + kon2.abfrage()); } } 2. Erste Schritte in Java 2-5 Abstraktion und Modellbildung Nennen Sie einige Aspekte, die bei dieser Modellbildung nicht berücksichtigt wurden! 2. Erste Schritte in Java 2-6 Klassen und Objekte • Unter einer Klasse versteht man die Zusammenfassung von Objekten gleicher Struktur und gleichen Verhaltens. Die Struktur der Objekte wird durch Attribute, ihr Verhalten durch Methoden definiert. • Eine Klasse kann als Schablone gesehen werden, die beschreibt, wie Objekte aufgebaut und wie sie bearbeitet werden können. • Es ist guter Stil, aber nicht zwingend erforderlich, jede Klassendefinition in einer eigenen Datei zu speichern. Die Datei trägt den Namen der Klasse: Konto.java, KontoTest.java. • Es gibt evtl. auch Attribute und Methoden einer Klasse, die nicht an Objekte gebunden sind. Sie werden statisch genannt. 2. Erste Schritte in Java 2-7 Methoden und Konstruktoren • Methoden definieren das Verhalten der Objekte. Sie werden innerhalb einer Klassendefinition angelegt und haben auf alle Attribute des Objekts Zugriff. • Methoden können Parameter besitzen und einen Rückgabewert liefern. • Um von einer Klasse ein Objekt anzulegen, kann eine Variable vom Typ der Klasse deklariert und ihr mithilfe des new-Operators ein neu erzeugtes Objekt zugewiesen werden. Es können – zumindest im Prinzip – beliebig viele Objekte angelegt werden. • Konstruktoren sind Methoden zum Erzeugen von Objekten einer Klasse. Sie besitzen den Namen der Klasse. 2. Erste Schritte in Java 2-8 Klassen- u. Objektdiagramm Klassenname Attribut1 ... Attributn Methode1 ... Methodem 2. Erste Schritte in Java objektname:Klassenname Attribut1 = . . . ... Attributn = . . . 2-9 Applikationen und die main-Methode • Eine Applikation oder auch Anwendung ist ein eigenständiges Programm, das zu seiner Ausführung nur den Java-Interpreter, aber keinen Browser oder sonstige Hilfsprogramme benötigt. • Eine Klasse wird durch eine main-Methode zu einer Applikation. public static void main(String[] args) { ... } • Applets sind ebenfalls lauffähige Java-Programme, werden aber aus einer Html-Seite heraus aufgerufen und benötigen zur Ausführung einen Web-Browser. Applets werde nicht durch die main-Methode gestartet. 2. Erste Schritte in Java 2-10 Regeln zur Code-Formatierung Beispiele: • Untergeordnete Teile werden hier um zwei Leerzeichen eingerückt. In den Hausaufgaben sollen sie die Teile um vier Leerzeichen einrücken. • Es steht niemals mehr als ein Befehl in einer Zeile. • Sich öffnende geschweifte Klammern stehen am Ende des vorangehenden Befehls, sich schließende in einer eigenen Zeile. • Klassennamen beginnen mit einem Groß-, Variablen- und Methodennamen mit einem Kleinbuchstaben. Setzen sich Namen aus mehr als einem Wort zusammen, fängt jedes weitere mit einem Großbuchstaben an. Paketnamen bestehen nur aus Kleinbuchstaben. Die Regeln für Ihre Hausaufgaben stellen wir in den Übungen vor. 2. Erste Schritte in Java 2-11 javadoc – Der Java-Dokumentationsgenerator • Mit dem Programm javadoc können aus einem Java-Programm Html-Seiten generiert werden. Dabei wird spezieller Programmkommentar zur Dokumentation verwendet. • javadoc Konto.java KontoTest.java javadoc *.java • javadoc -version -author *.java 2. Erste Schritte in Java 2-12 Dokumentationskommentare /** * Diese Klasse realisert Konten. Jedes Konto wird * durch den aktuellen Kontostand dargestellt. Außerdem * werden Methoden zum Einzahlen und Abheben sowie * zur Kontostandsabfrage zur Verfügung gestellt. * * @author Werner Struckmann * @version 1.0 vom 17. Oktober 1702 * */ public class Konto { ... } 2. Erste Schritte in Java 2-13 Dokumentationskommentare /** * Diese Methode erhöht den Betrag auf dem * Konto um den Wert des Parameters. * * @param betrag eingezahlter Betrag * */ public void einzahlen(int betrag) { stand = stand + betrag; } 2. Erste Schritte in Java 2-14 Dokumentationskommentare /** * Diese Methode liefert den Kontostand. * * @return Kontostand * */ public int abfrage() { return stand; } 2. Erste Schritte in Java 2-15 Der Algorithmus von Euklid class Euklid { static int ggt(int a, int b) { // eine statische Methode int r; // eine lokale Variable while (b != 0) { r = a % b; a = b; b = r; } return a; } public static void main(String[] args) { System.out.println("ggt(36,52) = " + ggt(36,52)); } } 2. Erste Schritte in Java 2-16 Objektorientierte Programmiersprachen • Programmiersprachen, die in erster Linie für die Formulierung objektorientierter Algorithmen gedacht sind, heißen objektorientiert. • Objektorientierte Programmiersprachen sind beispielsweise Simula (1967), Smalltalk, C++, Oberon, Java, C# und Eiffel. • Java enthält – im Gegensatz zu einigen anderen objektorientierten Sprachen – auch imperative Elemente: hybrides Paradigma. 2. Erste Schritte in Java 2-17 Sprachmerkmale Java wurde vollständig neu entworfen. Die Syntax lehnt sich an C und C++ an. Laut Sun ist Java eine einfache, objektorientierte, verteilte, interpretierte, robuste, sichere, architekturneutrale, portable, performante, nebenläufige, dynamische Programmiersprache, kurz die „Eier legende Wollmilchsau“. Jetzt ist Oracle für Java zuständig. 2. Erste Schritte in Java 2-18 Entwicklung von Java 1992–1995 Januar Anfang Dezember Januar Mai Februar Ende Dezember Juli März 1996 1997 1998 1999 2000 2002 2004 2006 2011 2014 Java-Vorläufer, zuerst unter dem Namen „Oak“. Oak: Object Application Kernel, Eiche. Neu: Applets (little applications) JDK 1.0 (Java Development Kit) JDK 1.1 JDK 1.2, wurde umbenannt in „Java 2 Plattform“ Java 2, JDK 1.3 Java 2, JDK 1.4 Java 2, JDK 5.0 (interne Versionsnummer: 1.5.0) „Tiger“ Java Standard Edition 6 „Mustang“ Java Standard Edition 7 „Dolphin“ Java Standard Edition 8 Die installierte Version kann mit java -version ermittelt werden. 2. Erste Schritte in Java 2-19 Einige Java-Konzepte • strukturierte Fehlerbehandlung (Exception Handling, assertions), • Nebenläufigkeit (Multithreading), • Unterstützung von Applets, • große Grafik- und Multimediafähigkeiten, • umfangreiche Klassenbibliothek. 2. Erste Schritte in Java 2-20 Einige Programme des JDK • javac – der Compiler, • java – der Interpreter, • javadoc – der Dokumentationsgenerator, • jdb – der Debugger, • jar – das Archivierungswerkzeug, • appletviewer – der Appletviewer, • javap – der Disassembler. 2. Erste Schritte in Java 2-21 Zusammenfassung: Objektorientierung • Eine Anwendung besteht aus einer Menge von Klassen. Anwendungen müssen eine main-Methode enthalten. • Eine Klasse beschreibt Objekte. Die Objekte modellieren reale oder abstrakte Gegenstände. Von einer Klasse können beliebig viele Objekte erzeugt werden. Ein Objekt ist also eine konkrete Ausprägung einer Klasse. • Die Objekte werden durch Attribute beschrieben und mit Methoden bearbeitet. • Attribute und Methoden können statisch sein. • Klassen lassen sich durch Pakete hierarchisch strukturieren. • Mit Modifikatoren können Zugriffsrechte und andere Eigenschaften beeinflusst werden. 2. Erste Schritte in Java 2-22 Was haben wir in der Einführung einführend gesehen? • Intuitiver Algorithmusbegriff • Paradigma: Formulierung von Algorithmen • partielle/totale Korrektheit: Spezifikation, Verifikation • Komplexität: Landau-Symbole • Formaler Algorithmusbegriff: Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit • Datenstrukturen: Abstrakte Datentypen • Entwurf von Algorithmen, Standardalgorithmen • Abstraktion, Modellierung: Erstellung von Algorithmen • Variationen des Algorithmusbegriffs 2. Erste Schritte in Java 2-23 Was haben wir in der Einführung einführend gesehen? • Programm • Programmiersprache: Lexik, Syntax, Semantik • Paradigma: imperativ, funktional, oo, logisch, prozedural, deklarativ, hybrid • Typsystem, Datenstrukturen • Ausführung: Compiler, Interpreter, Mischverfahren • Software: Systemsoftware, Anwendungssoftware, Softwarewerkzeuge • Imperatives Beispielprogramm: Algorithmus von Euklid • Objektorientiertes Beispielprogramm: Konto • Sprachen der Informatik: GPL, DSL 2. Erste Schritte in Java 2-24 Warum haben wir so etwas in der Einführung gesehen? Frage: Warum müssen in einführenden Veranstaltungen die grundlegenden theoretischen Aspekte mit betrachtet werden? Gibt es dafür später keine Spezialveranstaltungen? Natürlich gibt es dafür Spezialveranstaltungen. Aber trotzdem erhält man die folgende Antwort. Inhaltliche Antwort von Didaktikern: Dinge, die immer zusammengehören, müssen bei der Einführung zusammenvorgestellt werden. Sonst bleiben sie auf Dauer im Kopf getrennt. 2. Erste Schritte in Java 2-25