Alters – Medizin Fallbesprechungen Ernährung 19. Engadiner Fortbildungstage 2013 [email protected] Besonderheiten im hohen Alter Feminisierung Singularisierung Institutionalisierung Funktionsverluste Multimorbidität Multimedikation Klinik für Innere Medizin – Kantonsspital Winterthur Vortrag Fr. Prof. Dorothee Volkert Regulation der Nahrungsaufnahme Altersveränderungen • Geschmack- und Geruchsempfinden • „Altersanorexie“: Appetit • Fehlender Ausgleich der Nahrungsmenge nach Phasen erniedrigter Zufuhr Körperzusammensetzung Altersveränderungen • Fettfreie Körpermasse Körperwasser, Knochenmasse, Innere Organe, Muskelmasse • Körperfett Umverteilung Vortrag Fr. Prof. Dorothee Volkert Vortrag Fr. Prof. Dorothee Volkert Wasserhaushalt Altersveränderungen • Durstempfinden • Konzentrierungsfähigkeit der Niere • Körperwassergehalt Obstipation Altersveränderungen • Prävalenz 25 – 50% der älteren Bevölkerung • Defäkationsreflex Abnahme der Sensibilität im Rektum Geschwächte Muskulatur Exsikkose-Risiko • Obstipation Divertikulose Vortrag Fr. Prof. Dorothee Volkert Divertikulitis Vortrag Fr. Prof. Dorothee Volkert Fr. R.M. 89 jährig Einweisungsgrund • Stürze bei chronischem Schwindel Persönliche Anamnese • 1996 Hysterektomie und Radiotherapie, seit Jahren Fröhlich Aufgestellt Immer zufrieden Erzählt gern Schwindel Soziales • Wohnt alleine, 2 Töchter, Spitex 2x pro Tag Einfache Visiten Messen was man messen kann Screening Verschlechterung des Ernährungszustandes Keine Verschlechterung Grad 1 (leicht) Gewichtsverlust > 5% in 3 Monaten oder Hat während der letzten Woche etwas weniger gegessen (50-75%) 61.2 kg 156 cm BMI 25.1 kg/m2 Grad 2 (mässig) Gewichtsverlust > 5% in 2 Monaten oder BMI 18.5 bis 20.5 + reduzierter AZ oder Hat während der letzten Woche weniger als die Hälfte gegessen (25-50%) Grad 3 (schwer) Gewichtsverlust > 5% in 1 Monat oder BMI < 18.5 + reduzierter AZ oder Hat während der letzten Woche praktisch nicht gegessen (0-25%) Schwere der Erkrankung (Stressmetabolimus) 0 Kein Stressmetabolismus Grad 1 (leicht) Hüftfraktur, chronische Patienten mit akuten Komplikationen: z.B. Zirrhose, COPD Chronische Hämodialyse, Diabetes, 1 maligne Tumoren Grad 2 (mässig) Grosse Bauchoperationen Cerebrovaskuläre Insulte 2 Schwere Pneumonie, Hämoblastosen 3 Intensivstationspatienten (APACHE > 10) Vertieftes Assessment Ausser Elektrolytstörungen (K , Na ) und einer Niereninsuffizienz mit Clearance von 45 keine Laborveränderungen Detaillierte Anamnese ergab deutliche kognitive • MMS 15 von 30 2 Grad 3 (schwer) Schädel - Hirn - Trauma Knochenmarkstransplantation Kondrup J. et al. Clin Nutr 2003;22:415-421. Störungen 1 1 Alter > 70 j. : + 1 Punkt Ernährungsmässig alles in Ordnung? 0 3 Uhrentest Demenzabklärung und Sturzabklärung Vitamin B12: Homocystein: 25-(OH)-D3: 39 (kontr. 43) pmol/L (150 – 660) 44 μmol/L (5-13.5) 10 μmol/L (10-42) Timed Up & Go Test: 32 Sekunden COOH 3N C COO- H H 3N CH2 H2 C S METHIONIN H2 Vit. B12 C S H3 HOMOCYSTEIN Vit. B6 CYSTATHIONIN Cyst.-Synth. MethioninSynth(et)ase THF H CH2 CH3 CH3 C Serin 5-MethylTHF Einfaches Mobilitätsscreening mittels Timed Up & Go Test (nach 5,10-MTHF-Reduktase* 5,10-MethylentetrahydroFOLSÄURE Podsiadlo, 1991). *Mutation 10-15% Sekundenmessung von Aufstehen, 3 m Vor- und Zurückgehen, Hinsetzen (bei normalem komfortablem Tempo): < 14 s: gute Gangsicherheit; < 20 s: unabhängig mobil. Nach: Prof. Reto Kressig Massnahmen? Ernährung • 89 jährige Patientin mit kognitiver Störung / Demenz Bewegung / Beweglichkeit • Deutlich eingeschränkt: 32 Sekunden im Gehtest • Stürzt Vitamin D Mangel Vitamin B12 Mangel Lebens-, Gesundheits- und Versorgungssituation älterer Menschen Zuhause Eigene Küche selbständig gesund Mahlzeitendienst gebrechlich hilfsbedürftig Im Heim chronisch krank verwirrt pflegebedürftig akut krank Im Spital Aktuel Ernahrungsmed 2013;38: e1–e48 Heimverpflegung Spitalverpflegung Demenz und Ernährung Functional Assessment Staging Scale von Reisberg • Leichte Demenz Hilfe bei komplexen Aufgaben • Mässige Demenz 60 konsentierte Empfehlungen hinsichtlich grundlegender Prinzipien klinischer Ernährung und relevanter Indikationen Hilfe bei der Auswahl sauberer Kleidung • Mässig schwere Demenz allgemeine Indikation, Mangelernährung Hilfe beim Anziehen und beim Toilettengang Gebrechlichkeit, Dysphagie Patienten beginnen inkontinent zu werden Depression, Demenz, Delir Dekubitus, Hüftfrakturen Demenz und Ernährung Functional Assessment Staging Scale von Reisberg • Schwere und fortgeschrittene Demenz Patienten können nicht mehr ohne Hilfe gehen Patienten kommunizieren schlecht mit weniger als 7 Worten Entscheidung unter Berücksichtigung des Schweregrades der Demenz und der bisherigen Entwicklung Sondenernährung bei Demenz Kulturelle und regionale Einflussfaktoren Haltung der Pflegefachpersonen ABER • Derzeit gibt es keine einzige prospektive randomisiertkontrollierte Studie, die Sondenernährung bei Demenzpatienten mit alternativen Ernährungsmethoden vergleicht Trinknahrung bei Demenz 7 randomisierte und 1 nicht randomisierte Studie • Gewichtszunahme • Tricepshautfaltendicke • Infektionshäufigkeit, Krankheitstage im Bett • Kein Effekt auf funktionellen Status Körperliche und geistige Funktion Studienpopulation 24 Männer, 38 Frauen; 80.1 jährig Spezial-Aquarien auf Augenhöhe, 76 x 50 cm 8 hell leuchtende Fische in jedem Teich Frau mit Fieber, Schüttelfrost und Bauchweh 75 j • T 39.5°; Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen • Schmerzen im rechten Oberbauch • Quadrantenperitonitis rechter Oberbauch • GOT 125 (<40 U/L); GPT 93 (<40 U/L) • γGT 335 (<50 U/L), aP 520 (<300 U/L) • Albumin 25 (<35 g/L) Resultate Nahrungsaufnahme 21.1% Körpergewicht 0.75 kg in wenigen Wochen Nahrungssupplemente / Zusatztrinknahrung Kosten Anthropometrie bei Eintritt Verlauf im Spital Behandlung Körpergewicht 53 kg, 156 cm, BMI ? • ERCP erfolgreich • konservative Therapie • 13 Tage hospitalisiert 53 kg = BMI = m2 • Austritt: KG 50 kg, 156 cm, BMI 20.5 = 21.7 • Cholecystektomie à froid in 3 Monaten 1.562 Ernährungszustand bei Austritt Herausforderung Der Gewichtsverlust im Spital ist ein häufiges Phänomen. Folgende Feststellungen sind richtig: Ernährungszustand bei Austritt ist normal Nur wenig Gewicht verloren = belanglos Wird sich daheim schnell erholen Cave: Hinweis für Unterernährung Schnittstellen - Management Zuhause – Praxis – Spital – Pflegeheim – etc. Sind 5% in 13 Tagen viel? Mess age • Dynamik des Gewichtsverlustes chtsverlustes ch inheit nheit h it • % Verlust pro Zeiteinheit 50 aktuelles KG % Verlust = X 100 letztes KG = X 100 = 94.3% Nein Bezogen auf BMI belanglos Ja Bei Cholecystitis normal 53 Konsultation 3 Wochen vor Operation Keine Schmerzen, Appetit etwas vermindert Fühlt sich relativ wohl, Angst vor Operation Abdomen weich, keine Resistenzen GOT 45, GPT 51 γGT 45, aP 235 Hb 12.3, INR 1.0 Albumin 34 47.5 kg, 156 cm, BMI 19.5 Was tun Sie nun? Sieht gut aus, ad OP wie geplant Mache eine Abdomensonographie Verordne ein Anxiolytikum Ernährungsassessment und Beratung z.B. Ergänzungsnahrung Mess age Schön, kreativ servieren • Dynamik des Gewichtsverlustes w wichtsverlustes i einheit iteinheit • % Verlust pro Zeiteinheit 47.5 aktuelles KG % Verlust = X 100 letztes KG = X 100 = 89.6% 53 Basiszutaten der Zusatztrinknahrung Wasser 1100 kcal Milcheiweiss, Sojaeiweiss Pflanzenöle Maisstärke Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente K Massgeschneiderte vollbilanzierte Trinknahrung Delmi M. Lancet 1990;335:1013-16. ONS Was ist das Ziel? Appetit Gewicht Muskelmasse Muskelkraft Energie Freude, Abwechslung Ernährungsunterstützung normale Ernährung - individuelle Zusammenstellung Anreicherungen (nat. + Spez.produkte) Ergänzungs-/Zusatztrinknahrung Enterale Ernährung Parenterale Ernährung Individuell angepasst an Indikation, Ziel, Bedürfnisse Tipps und Tricks Ideen zur Appetitförderung Gerüche Information = Motivation Essen appetitlich gestalten • Mit Gewürzen und Zutaten das Aroma verstärken Petersilie, Basilikum, Schnittlauch, Curry, Muskat, Pfeffer • Mahlzeiten nicht zu heiss • Variation der Konsistenz Ganz, flüssig, gemixt Gesellschaft, Familie, Freunde, Wohngemeinschaft Selbständigkeit Fingerfood Zwischenmahlzeitenschale frisch gelüftet gutes Essen Sauberkeit Kräuter, Gewürze Ätherische Öle/Essenzen Präsentation P Dekoration Garnitur angemessene Portionen farbenfroh frisch abwechslungsreich Atmosphäre Ruhe Keine Hektik Musik Genügend Zeit Angenehme Gesellschaft Licht Farben Auswahl „Rituale Lieblingsspeisen Traditionelle Menüs Auswahlmöglichkeiten Menükarte mit Bildern Tee/Kaffee nach dem Essen Zvieri zum Tee/Kaffee Dessert Fr. A.R. 88 jährig Jetziges Leiden (aus KG übernommen) • A.R., die schon jahrelang an diversen Nahrungsmittelunverträglichkeiten (Kohl, Salat, einige Obstsorten..fettarme Diät) mit Blähungen, Übelkeit und Magenbrennen leidet, habe seit ca. 3 Jahren eine chron. Hyperaziditätsproblematik und Stuhlinkontinenz, die sich seit Oktober 2007 verschlechtert habe. Zudem sind dem Hausarzt noch eine progrediente hepatopankreatische Insuffizienz und eine Verarmung der Mimik aufgefallen. Vor 2-3 Wochen ist es nun zu einem Rektumprolaps gekommen, so dass die Patientin nun zur Abklärung eines möglichen CREST-Syndroms eingewiesen wurde. Einweisungsgrund • Abklärung eines möglichen CREST-Syndromes Persönliche Anamnese • Essentielle Hypertonie, Schlaganfall 2005, Handoperation 2005, Cholecystektomie 1960 Soziales • Ledig, keine Kinder, lebt allein zuhause, fährt Auto, Labor • Na 132, Glukose 7.2 (um 13.31 Uhr), sonst alles o.B. kommt gut zurecht Screening Verschlechterung des Ernährungszustandes Keine Verschlechterung Grad 1 (leicht) Gewichtsverlust > 5% in 3 Monaten oder Hat während der letzten Woche etwas weniger gegessen (50-75%) Schwere der Erkrankung (Stressmetabolimus) 0 Kein Stressmetabolismus Grad 1 (leicht) Hüftfraktur, chronische Patienten mit akuten Komplikationen: z.B. Zirrhose, COPD Chronische Hämodialyse, Diabetes, 1 maligne Tumoren Grad 2 (mässig) Grad 2 (mässig) Grosse Bauchoperationen Gewichtsverlust > 5% in 2KG Monaten 46.4 kg bei Eintritt bei 160 cm (BMI = 18 kg/m2) oder Cerebrovaskuläre Insulte Im Oktober 2007 noch 56 kg gewogen BMI 18.5 bis 20.5 + reduzierter AZ oder = 17% weniger Gewichtsverlust in 6 Monaten Hat während der letzten Woche als die 2 Schwere Pneumonie, Hämoblastosen Hälfte gegessen (25-50%) Grad 3 (schwer) Gewichtsverlust > 5% in 1 Monat oder BMI < 18.5 + reduzierter AZ oder Hat während der letzten Woche praktisch nicht gegessen (0-25%) 1 5 2 Grad 3 (schwer) Schädel - Hirn - Trauma Knochenmarkstransplantation 3 Intensivstationspatienten (APACHE > 10) Alter > 70 j. : + 1 Punkt Kondrup J. et al. Clin Nutr 2003;22:415-421. 0 3 Was tun? Praktische Aspekte Ursachen Messen was man messen kann Zweimal pro Jahr • Gewicht und Grösse Leichte Kleidung, ohne Schuhe Zirkadiane Varianz: 2kg Gewicht notieren als %Veränderung Die 9 D‘s Disease Dementia Dysphagia Dentition Dysfunction 1 Depression Diarrhea Dysgeusia Drugs Don‘t know1 gehört nicht zur Originalpublikation Robbins LJ. Geriatrics 1989;44:31-37. Abklärung First: verify! Abklärung Anamnese Klinische Untersuchung Ca. 50% hatten keinen keinen Gewichtsverlust Marton KI. Ann Intern Med 1981;95:568-574. Teste Komplettes Blutbild Na, K, GOT, GPT, γ-GT, alk. Phos Albumin Glukose, Kalzium, Kreatinin, TSH Urinstatus, Urinsediment Hämoccult Test im Stuhl (?) Thoraxröntgen Bringt die initiale Abklärung nichts Watchful waiting ABER: sie sollte essen Ernährungsintervention 120 10 13 5 in % des Bedarfs 100 80 17 40 ONS Snacks 60 Anreicherungen 70 79 73 Mahlzeiten 56 20 0 ET-G Baseline ET-G Messpunkt 1 S-G Baseline S-G Messpunkt 1 Rüfenacht U et al. Nutrition 2010:26:53–60 Gesund oder krank? Roberts SB. Physiol Rev 2006;86:651-67. Physiologisches Modell der Anorexie im Alter Gewichtsverlust im Alter? Gewichtsverlust im Alter ist für welche der folgenden Zustände prädiktiv? Hüftfrakturen Institutionalisierung Mortalität Wie führt Gewichtsverlust zum Tod? Protein-Energie-Mangelernährung / Unterernährung Okkulte Karzinome adipöse Sarkopenie Lipolyse mit akzelerierter Arteriosklerose Fett- und Eiweissverlust • Veränderung der Pharmakokinetik Medikamententoxizität Sarkopenie Atrophie der Skelettmuskulatur • Muskelmasse, Körperzellmasse Muskelkraft Knochendichte Sturz-, Frakturrisiko Sarkopenie im Alter Adipöse Sarkopenie Verringerung der Muskelmasse • 10% bis zum 60. Lebensjahr • 30% - 40% bis zum 80. Lebensjahr • bis zu 30% zwischen dem 80. und 90. Lebensjahr Verringerung der Muskelstärke (> 60 j) • 3% Verlust pro Jahr bei Männern • 4% Verlust pro Jahr bei Frauen nach: Roth E. Stimulation der Proteinsynthese. edi 2007, Berlin Baumgartner MN et al. Obes Res 2004;12:1995-2004. Therapieansätze Mess age Anorexie • Grundleiden, Antidepressiva, • Ernährungsberatung • Orexigene: Megestrol, Cannabis, Dronabinol Sarkopenie • Widerstandstraining Verhindern der adipösen Sarkopenie • Testosteron, anabole Steroide umstritten Die negativen Auswirkungen des Gewichtsverlustes können auftreten bei initial • Untergewichtigen • Normalgewichtigen • Übergewichtigen Informationsmaterial für die Praxis Informationsma Mess age Klinische Bedeutung • Gewichtsverlust bei Älteren bedeutet Morbidität, Behinderung, Institutionalisierung, Tod • Die 4 wichtigsten Gründe für Gewichtsverlust bei Älteren Anorexie, Sarkopenie, Kachexie, Dehydratation • Denke bei Älteren an die Depression • Management Grundkrankheit, Ernährung (Supplemente), evtl. Orexigene Mangelernährung trotz Überfluss?! Broschüren auf deutsch, französisch, italienisch. Bestellen bei: Vereinigung Diät, Fachgruppe Medizinische Ernährung, Elfenstr.19, Postfach 1009, 3000 Bern 6. Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz www.geskes.ch Zertifikatskurs Kongresse & Kurse Heimernährung