Universität Bremen Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik Christian Kämpf, M. A. E-Mail: [email protected] / Tel.: 0421 218 67761 Veranstaltungskonzept zum Forschungsseminar mit Ausstellung im Sommersemester 2014: DER BREMER DOMKANTOR, PÄDAGOGE UND SCHRIFTSTELLER WILHELM CHRISTIAN MÜLLER ― Zur Person ― Der Bremer Domkantor, Pädagoge und Schriftsteller Wilhelm Christian Müller (1752– 1831) war die treibende Kraft der Bremer Musik- und Kulturlandschaft um 1800. Nach seinem Studium in Göttingen und Kiel, nach ersten Anstellungen in Altona und am Dessauer Philanthropinum initiierte er durch sein Wirken am Bremer Dom, am eigenen Erziehungsinstitut, durch die Einrichtung von Privatkonzerten und Lesegesellschaften ein erstes bürgerliches Kulturleben in der Hansestadt. Mit seinen vielfältigen Beziehungen zu bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit – er war u. a. bekannt mit Forkel, Pestalozzi, Campe, Knigge und Schleiermacher, traf C. P. E. Bach, Beethoven, Goethe und Schiller – motivierte er kirchen- und kulturpolitische Neuerungen, die die Entwicklung der Bremer Kulturlandschaft im 19. Jahrhundert, insbesondere die Gründung der Philharmonischen Gesellschaft Bremen, entscheidend förderten. Seine zahlreichen Publikationen auf den Gebieten der Ästhetik, Geschichte und Pädagogik belegen breite Kenntnisse über Fachgrenzen hinweg bis hin zu meteorologischen und physikalischen Überlegungen. Seine mehrbändigen Reiseberichte aus Frankreich und Italien bestechen durch genaue Beobachtung und Charakterisierung der besuchten Städte und Menschen. 1 ― Dokumente ― Die Herausbildung eines bürgerlichen Musiklebens in Bremen um 1800 steht im Kontext eines tiefgreifenden Transfor- mationsprozesses, der im Verlauf des 18. Jahrhunderts die ständische Gesellschaft im deutschsprachigen Raum bis spätestens zur Mitte des 19. Jh. in eine bürgerliche Gesellschaft umbildete. Die Ausgangslage in der calvinistisch geprägten Handelsstadt Bremen weist allerdings einige Besonderheiten auf, durch die sich die Entwicklungen hier deutlich von denen in anderen Städten unterscheiden lassen. Zeugnisse dieses gesellschaftlichen Wandels sind in Bremen unmittelbar mit Leben und Werk Wilhelm Christian Müllers verbunden. Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen ist im Besitz eines umfangreichen Teilnachlasses Müllers, der bislang noch kaum wissenschaftliche Beachtung fand und nur oberflächlich gesichtet worden ist. Die Erschließung und Auswertung dieses Bestandes ist Ziel des Forschungsseminars. Die zu erforschenden Archivalien bestehen aus einem größeren Konvolut von Textdrucken zu den von Müller geleiteten und zum überwiegenden Teil auch komponierten Dommusiken anlässlich hoher kirchlicher und weltlicher Feiertage, aus einer Vielzahl von gedruckten Gelegenheitsgedichten zu Begräbnissen und Hochzeiten namhafter Persönlichkeiten seiner Zeit, aus Nachrichten und Stundenplänen aus seinem eigenen Erziehungsinstitut Sammlung von sowie aus einer handschriftlichen Doku- menten, darunter einige Briefe, Vorlesungsund Vortragsmanuskripte, u. a. über Magne2 tismus und Diätetik, ein Katalog seiner mineralogischen Sammlungen, kleinere Gedichte, mehrere Bände autobiographischer Erinnerungen, Notizen und Skizzen zu späteren Publikationen und unveröffentlicht gebliebene Abhandlungen, u. a. eine umfangreiche Geschichte der Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen zur Zeit der Befreiungskriege. Ebenfalls über die Staatsund Universitätsbibliothek erreichbar ist der überwiegende Teil Publikationen zur von Müllers großen Musikästhetik und Musikgeschichte, insbesondere seine zweibändigen Aesthetisch-historischen Einleitungen in die Wissenschaft der Tonkunst, seine pädagogischen Streitschriften gegen Pestalozzi und Ewald und einige Lehrbücher, darunter eine Elementarschule und Lehrwerke der französischen Sprache, einige Bände seiner Lyriksammlungen in verschiedenen Auflagen, seine Reisebeschreibungen aus Frankreich, Italien und Süddeutschland, seine naturwissenschaftlichen Arbeiten sowie seine in der Allgemeinen musikalischen Zeitung und der Caecilia veröffentlichten Aufsätze und Berichte, hier insbesondere sein umfangreicher Nachruf auf Beethoven, in den er seine persönlichen Erinnerungen an ein Treffen mit dem Wiener Komponisten im Jahre 1820 einstreut. Hinzutreten Müllers 1777 in Kiel veröffentlichte Doktorarbeit und die detailreiche Beschreibung des von ihm erfundenen Harmonicons in Voigts Magazin für das neueste aus der Physik und Naturgeschichte von 1796. Archivalien zu öffentlichen Einrichtungen und Vereinen der Zeit stehen im Bremer Staatsarchiv ergänzend zur Verfügung. 3 ― Seminar und Ausstellung ― Mit dem Forschungsseminar richtet sich das wissenschaftliche Interesse umfassend auf die Person Wilhelm Christian Müller und die Etablierung bürgerlichen Musiklebens in Bremen. Im Mittelpunkt des Seminars steht die Erschließung der beschriebenen Dokumente. Die historische Forschungsarbeit geschieht in Kleingruppen. In kolloquiumsähnlichen Seminarsitzungen finden die Sicherung der Ergebnisse sowie die Planung ihrer Präsentation statt. Einführende Sitzungen stellen die grundlegende Literatur der sozialhistorischen Bürgertumsforschung vor, Kenntnisse Techniken der über Methoden und musikwissenschaftlichen Quellen- und Archivarbeit werden vertieft, Fertigkeiten für die Transkription Handschriften Führungen und im Staatsarchiv Drucke alter eingeübt. Dommuseum und vervollständigen im die Veranstaltungsreihe. Als öffentliche Präsentation des Forschungsprojektes ist eine Ausstellung in den Räumlichkeiten des Bremer Dommuseums in den Monaten November und Dezember 2014 geplant. Die im Seminar ausgewählten Briefe und anderen Handschriften, Gelegenheitsdrucke und Publikationen stellen den über- wiegenden Teil der Exponate. Sie werden für diesen Zweck von der SuUB zur Verfügung gestellt, ebenso die beiden originalen Brustbilder Müllers, eine Lithographie aus den 1820er Jahren und ein Gemälde aus den 1790er Jahren. Die Ausstellung zeigt damit mehrheitlich Exponate die bislang noch nie öffentlich präsentiert worden sind. Die Ausstellung wird durch eine Eröffnungsveranstaltung, durch studentische Vorträge und Führungen sowie durch einen Ausstellungskatalog unterstützt. 4 ― Teilnahme ― Das Forschungsseminar richtet sich an alle Studierende der Musikwissenschaft und Musikpädagogik an der Universität Bremen. Es wird ebenfalls für Studierende der Geschichtswissenschaft geöffnet. Erfahrungen im Umgang mit alten Handschriften und Drucken sind wünschenswert, werden aber nicht vorausgesetzt. Neben einem grundsätzlichen Interesse an der Musikgeschichte der Stadt Bremen sollten die Teilnehmenden auch offen sein für fachübergreifende Themen, die Aspekte der Ästhetik, der Kirchengeschichte sowie der Geschichte der Pädagogik aufgreifen und damit als Beitrag zu einer allgemeinen Kulturgeschichtsforschung des Bürgertums um 1800 zu verstehen sind. Die Bereitschaft zu selbständiger und eigenverantwortlicher Arbeit wird erwartet. Um eine frühzeitige Anmeldung wird gebeten! ― Literatur ― Als einführende Literatur wird empfohlen: ROSTECK, OLIVER: Art. „Müller, Wilhelm Christian“, in: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil, Bd. XII, Kassel und Stuttgart: Bärenreiter und Metzler 1996, Sp. 803–804. KÄMPF, CHRISTIAN: „Der Kantor, Pädagoge und Schriftsteller Wilhelm Christian Müller in den sozialen Netzwerken seiner Zeit zwischen Spätaufklärung und Biedermeier“, in: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins, Bd. XXVIII, Leipzig und Hildburghausen: Salier Verlag 2013, S. 133–150. Abbildungen: S. 1: Brustbild Wilhelm Christian Müllers von Rudolph Friedrich Karl Suhrland um 1820, SuuB Bremen. S. 2, oben: Titelblatt zu Wilhelm Christian Müller: Text zu der Pfingstmusik im Dom 1794, Bremen: Diedrich Meier 1794, SuUB Bremen, brem.b.1439. S. 2, unten: Titelblatt zu Wilhelm Christian Müller: Aesthetisch-historische Einleitungen in die Wissenschaft der Tonkunst, Erster Theil: Versuch ein Aesthetik der Tonkunst im Zusammenhange mit den übrigen schönen Künsten nach geschichtlicher Entwicklung, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1830. S. 3, oben: Titelblatt zu Wilhelm Christian Müller: Nachricht von meinem Erziehungs-Institut. An die Aeltern meiner Eleven beim 7ten Examen im Oktober 1787, Bremen: Diedrich Meier 1787, SuUB Bremen, brem.c.247.4b. S. 3, unten: Titelblatt zu Wilhelm Christian Müller: Briefe an deutsche Freunde von einer Reise durch Italien über Sachsen, Böhmen und Oestreich, 1820 und 1821 geschrieben und als Skizzen zum Gemälde unserer h herausgegeben, Bd. I, Altona: Hammerich 1824. S. 4, oben: Brustbild Wilhelm Christian Müllers um 1790, SuUB Bremen. S. 4, unten: Titelblatt zu Wilhelm Christian Müller: Zwei Vorlesungen über den Magnetismus 1804 und die Diätetik 1810. Für die Union, SuUB Bremen, brem.b.652.14a.b. 5