Gene gleichzeitig

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Methoden
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Alle Gene gleichzeitig: Transkriptionsprofilierung
in der mikrobiellen Stammoptimierung
Oliver Sorgenfrei, F+E Mikrobiologie, BASF-LYNX Bioscience AG
A Zahlreiche mikrobielle und einige eukaryontische Genome sind dank mehrerer Genomsequenzierungsprojekte mittlerweile bekannt. Zwar wurden selbst bei sehr intensiv
untersuchten Modellorganismen viele offene
Leseraster (ORFs) unbekannter Funktion gefunden, doch eine vorliegende Genomsequenz erlaubt dennoch einen recht tiefen Einblick in die möglichen Eigenschaften des sequenzierten Organismus. Welche Eigenschaften allerdings unter welchen Umständen zu
beobachten sind, ist aus der Genomsequenz
nicht ablesbar. Auch Zellen mit identischer
Genomsequenz können sehr verschiedene
Phänotypen und physiologische Eigenschaften zeigen. So verändert sich der Metabolismus eines Mikroorganismus stark in Abhängigkeit vom Medium und der Wachstumsphase. Zellen aus verschiedenen Geweben eines
Organismus enthalten dasselbe Genom, haben
aber völlig andere Aufgaben und Eigenschaften. Zum großen Teil sind diese Unterschiede auf die unterschiedliche Expression ganzer Gengruppen unter veränderten Bedingungen zurückzuführen. Die vollständige und
gleichzeitige Analyse der Transkription aller
Gene einer Zelle (Transkriptionsprofilierung)
erlaubt eine umfassende Charakterisierung
des physiologischen Zustands dieser Zelle.
Daher ist die Transkriptionsprofilierung ein effektives Werkzeug, das in unterschiedlichen
Bereichen, wie zum Beispiel bei der Produktivitätssteigerung von Mikroorganismen oder
der Aufklärung von Wirkmechanismen von
Antibiotika, einsetzbar ist. Auch das Auffinden neuer Angriffspunkte für Medikamente
und die Prüfung auf unerwünschte Nebenwirkungen von Leitsubstanzen aus der pharmazeutischen Entwicklung sind Einsatzgebiete
der Transkriptionsprofilierung.
Verschiedene Methoden für
verschiedene Anforderungen
Für die Transkriptionsprofilierung stehen eine Reihe von Methoden zur Verfügung, die sich sowohl bezüglich des Aufwands als auch der Qualität und Quantität
der erhaltenen Daten unterscheiden. Zum
einen gibt es Methoden, mit denen eine
begrenzte (wenn auch große) Zahl von Transkripten analysiert werden kann. Hier ist an
erster Stelle die DNA-Array-Technologie zu
nennen. Hierbei können einige zehntausend
Gene gleichzeitig untersucht werden. Da bei
der DNA-Array-Technologie ausschließlich
Gene analysiert werden, für die entspre-
chende Proben auf einen festen Träger immobilisiert wurden, hat man es hier mit einem geschlossenen System zu tun (Abb.1). Im
Unterschied hierzu gibt es auch Methoden,
die die Anzahl der untersuchten Gene nicht
a priori begrenzen. Diese offenen Systeme
finden vor allem bei der Analyse komplexer
Organismen Anwendung. In diesen Bereich
gehören unter anderem verschiedene „differential display“-Methoden und subtraktive
Hybridisierungen (Abb.1). In beiden Fällen
werden differentiell exprimierte Gene aus
komplexen Mischungen isoliert; quantitative Aussagen über alle Gene gleichzeitig sind
jedoch nur bedingt möglich. Ebenfalls zu
den offenen Systemen zu rechnen sind so
genannte Tag-Sequencing-Methoden (Abb.1.).
Diese zielen darauf ab, von jedem mRNAMolekül einer Zelle eine bestimmte kurze
Sequenz (Signature) zu erhalten. Hier sind
zum Beispiel Methoden wie serial analysis
of gene expression (SAGE™) (1) und massively
parallel signature sequencing (MPSS®) (2) zu
erwähnen. Die MPSS®-Technologie basiert
auf der Fixierung jedes einzelnen mRNAMoleküls auf ein spezifisches Glaskügelchen
(Bead). Die so auf Beads gebrachten Moleküle können dann hochparallel (etwa
350.000 gleichzeitig) sequenziert werden.
Da jedes Bead ein mRNA-Molekül repräsentiert, korreliert die Frequenz, mit der eine
bestimmte Signatur beobachtet wird, mit der
Expressionshöhe.
Die Grenze zwischen geschlossenen Systemen, bei denen die Analyse auf einen festgelegten Satz von Genen beschränkt ist, und
offenen Systemen, die die Analyse aller Gene
eines Organismus erlauben, verschwimmt
im Falle von Mikroorganismen. Die meisten
Mikroorganismen besitzen weniger als
10.000 Gene, somit können mit DNA-Arrays
alle Gene gleichzeitig analysiert werden.
Für die Herstellung und Auswertung
von DNA-Arrays gibt es verschiedene Ansätze. Allen gemeinsam ist, dass DNA-Sonden in einer hochdichten Anordnung auf
einen festen Träger aufgebracht werden.
Dieser Array wird dann für die Hybridisierung eingesetzt. Anschließend wird für jede
DNA-Sonde auf dem Array quantifiziert,
wieviel markierte Probe dort hybridisiert hat
(Abb.2). Ein Unterschied zwischen verschiedenen DNA-Array-Technologien liegt in der
Herstellung der DNA-Arrays. Die Firma
Affymetrix beispielsweise synthetisiert Oligonukleotide mittels einer photolithographischen Methode direkt auf einer Oberfläche.
Hierfür werden aus der Sequenz der zu untersuchenden ORFs geeignete Sequenzen
ausgewählt. Während sich mit dieser Technik sehr hohe Dichten erzielen lassen, ist die
Länge der Sonde, die für eine spezifische
Hybridisierung zur Verfügung steht, begrenzt. Ein anderer Ansatz besteht darin,
vorher produzierte DNA auf einen Träger
zu übertragen. Üblicherweise werden hierbei PCR-Produkte verwendet, die mit ORFspezifischen Primern hergestellt wurden.
Darüber hinausgehend werden bei BASFLYNX auch DNA-Arrays für nicht sequenzierte Mikroorganismen hergestellt. Hierfür
werden zunächst genomische Fragmente
geeigneter Größe in einen Vektor kloniert,
anschließend werden die Inserts amplifiziert
und auf Arrays übertragen. Für die Ablage
der DNA-Sonden als hochdichte Arrays werden ebenfalls verschiedenen Techniken eingesetzt. Zu den am weitesten verbreiteten
Methoden gehören neben piezoelektrischen
Methoden, die sich an die Funktionsweise
eines Tintenstrahldruckers anlehnen, verschiedene Kontakt-Printing-Verfahren, bei
denen eine Nadel in die zu übertragende
Lösung eintaucht und dann eine bestimmte Menge Lösung überträgt. Als Trägermaterialien für die Arrays kommen in erster
Abb. 1: Verschiedene
Technologien der
Transkriptionsprofilierung und ihre Vorund Nachteile
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Linie modifizierte Gläser und Nylonmembranen zum Einsatz. Während bei Glas als
Trägermaterial die Dichte der Arrays in der
Regel über 1000 Spots/cm2 beträgt, werden
auf Nylonmembranen nur Dichten von 100150 Spots/cm2 erreicht. Das verwendete Trägermaterial entscheidet auch über die Art
der verwendeten Markierung. Fluoreszenzmarkierungen, die eine gleichzeitige kompetitive Hybridisierung mit unterscheidbaren Markierungen erlaubt, kommen vor allem auf Glasoberflächen zum Einsatz, da bei
Nylonmembranen eine hohe Eigenfluoreszenz die Detektion erschwert. Entsprechend
werden für Hybridisierungen auf Nylonmembranen hauptsächlich radioaktive Markierungen verwendet.
Durch den Einsatz von DNA-Arrays
wird in jedem einzelnen Experiment eine
große Datenmenge erzeugt. Je nach Fragestellung steigen die zu verarbeitenden Datenmengen sehr schnell an, so dass häufig
weit mehr als 100.000 Datenpunkte zu analysieren sind. Um aus dieser Datenmenge
die relevanten Informationen zu erhalten, ist
eine leistungsfähige Bioinformatik erforderlich. Diese muss nicht nur Algorithmen bereitstellen, die Gene mit ähnlichen Transkriptionsmustern gruppieren – clustern –
(Abb. 3), sondern muss auch in der Lage
sein, Informationen aus anderen Experimenten und Datenbanken mit den Transkriptionsdaten zu verknüpfen.
Transkriptionsprofilierung für verbesserte
mikrobielle Produktionsstämme
Fermentative Prozesse (d.h. die Verwendung lebender Zellen als Stoffproduzenten
oder Stoffumwandler) bieten in vielen Fällen eine attraktive und kostengünstige Alternative gegenüber chemischen Synthesen
von Feinchemikalien. Komplexere Produkte, wie beispielsweise Proteine, lassen sich
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ausschließlich fermentativ herstellen. Die
effiziente Optimierung solcher Prozesse ist
essentiell, um im Wettbewerbsumfeld zu
bestehen.
Während in der Vergangenheit mikrobielle Produktionsstämme hauptsächlich
durch ungezielte Mutagenese und anschließende Selektion optimiert wurden, gewinnen zielgerichtete Methoden der Stammoptimierung zunehmend an Bedeutung. Da für
viele fermentativ hergestellte Produkte die
Biosynthesewege bekannt sind, waren die
direkt beteiligten Enzyme häufig verwendete Ziele einer Stammoptimierung. In vielen Fällen hat sich allerdings gezeigt, dass
die Beeinflussung der Expression eines Genes nicht den erwarteten Effekt zeigte. Vielmehr ist häufig eine aufeinander abstimmte
Beeinflussung mehrerer Gene notwendig.
Die Kenntnis von regulatorischen Netzwerken der Zelle stellt somit eine wichtige Voraussetzung für ein zielgerichtetes und
schnelles Vorgehen bei der Stammoptimierung dar. Eine allumfassende Methode wie
die Transkriptionsprofilierung bietet die
Möglichkeit, Einblicke in die regulatorischen Netzwerke zu erhalten. Wird zum Beispiel ein Mikroorganismus durch einen äußeren Reiz – wie Hitze, hohe Osmolarität,
ein Antibiotikum oder einen Enzyminhibitor␣ – beeinflusst, so lassen sich durch eine
Transkriptionsprofilierung die dadurch betroffenen Gene feststellen. Ein Vergleich der
Transkritionsprofile verschiedener Stämme
liefert Daten über produktionsrelevante
Gene, die außerhalb des direkten Biosynthesewegs liegen und daher nur durch einen umfassenden Ansatz wie die Transkriptionsprofilierung identifiziert werden können. Durch die Analyse eines Fermentationsverlaufs mittels Transkriptionsprofilierung kann festgestellt werden, welche Gene
in ihrer Expressionshöhe beispielsweise mit
der Produktionsrate korrelieren. Neben
Genen, die die Produktionsrate positiv beeinflussen, können auch Gene entdeckt
werden, die die Produktionsrate verschlechtern. In beiden Fällen gewinnt man Informationen darüber, welche Gene produktionsrelevant sind und somit interessante Angriffspunkte für die Stammoptimierung darstellen.
Die Untersuchung der Expressionsmuster während eines Fermentationsverlaufs
liefert nicht nur Daten über produktionsrelevante Gene, sondern auch über den physiologischen Zustand der Zellen während
der Fermentation. Diese Informationen können dann auch ohne Veränderung des Stammes zur Verfahrensoptimierung genutzt werden.
Nachdem die Expression von Genen
verändert wurde, ist die Transkriptionsprofilierung ein wichtiges analytisches Werkzeug, um den veränderten Stamm zu charakterisieren und festzustellen, ob neben der
beabsichtigten Veränderung in der Zelle unvorhergesehene Nebeneffekte aufgetreten
sind. Diese Art der Analyse ist nicht nur im
Bereich der industriellen Stammoptimierung wichtig, sondern auch im Rahmen der
Grundlagenforschung. Wird beispielsweise
ein Gen noch unbekannter Funktion deletiert und ein veränderter Phänotyp beobachtet, so muss untersucht werden, ob der Phänotyp nicht dadurch auftritt, dass das regulatorische Netzwerk der Zelle reagiert und
Sekundäreffekte erzeugt. Nur dann kann der
beobachtete Phänotyp mit der Funktion des
Gens gleichgesetzt werden.
Die Sequenzierung von Genomen stellt
dem Wissenschaftler das Inventar an allen
Genen zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Informationen kann vorhergesagt werden,
welche Stoffwechselwege prinzipiell vorhanden sein könnten und welche ausgeschlossen werden können (metabolische Rekonstruktion). Die Transkriptionsprofilierung
stellt das dynamische Bild der aktiven Gene
zur Verfügung. Diese Informationen ermöglichen Einblicke in die unter bestimmten
Bedingungen aktiven Stoffwechselvorgänge.
Aus der Gesamtheit von Daten aus verschiedenen Messungen werden relationale Datenbanken erzeugt, mit deren Hilfe Einblikke in die regulatorischen Funktionen einer
Zelle möglich sind.
Literatur
(1) Velculescu V.E., Zhang L., Vogelstein B.,
Kinzler K.W. (1995) Serial analysis of gene
expression. Science, 270: 484-487.
(2) Brenner S, Johnson M, Bridgham J, Golda
G, Lloyd DH, Johnson D, Luo S, McCurdy S, Foy
Abb. 2. Herstellung,
Hybridisierung und
Auswertung eines
DNA-Arrays
M, Ewan M, Roth R, George D, Eletr S, Albrecht
G, Vermaas E, Williams SR, Moon K, Burcham
T, Pallas M, DuBridge RB, Kirchner J, Fearon K,
Mao J, Corcoran K (2000) Gene expression
Methoden
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analysis by massively parallel signature sequencing (MPSS) on microbead
arrays. Nat. Biotechnol.,18: 630-634
Korrespondenzadresse
Dr. Oliver Sorgenfrei
F+E Mikrobiologie
BASF-LYNX Bioscience AG
Im Neuenheimer Feld 515
D-69120 Heidelberg
Tel.: 06221-454 728
Fax: 06221-454 778
eMail: [email protected]
Abb. 3: Beispiel für ein hierarchisches Clustering von Transkritionsprofilen.
Für jedes Gen ist die Expressionshöhe zu verschiedenen Zeitpunkten einer
Fermentation farblich dargestellt: rot= hohe Expression, blau= niedrige
Expression. Die Zeitpunkte während der Fermentation sind zeilenweise
angeordnet, die Gene spaltenweise. Beim hierarchischen Clustering werden
jeweils Gene mit ähnlichen Expressionscharakteristika nebeneinander
dargestellt.
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