Physik Department Technische Universität München Ahmed Omran Blatt 5 Ferienkurs Theoretische Mechanik – Frühjahr 2009 Hamilton Mechanik (Lösungen) 1 Poisson-Klammern (*) • Im Folgenden bezeichnen li , i = 1, 2, 3 die Komponenten des Drehimpulses. Berechnen Sie folgende Poisson-Klammern: [li , xj ] , [li , pj ] , [li , lj ] , [ ] ~l2 , li [li , ~r · p~] , [pi , rn ] Lösung: [li , xj ] = [li , pj ] = 3 ∑ [²kli xk pl , xj ] = l,k=1 3 ∑ 3 ∑ [²kli xk pl , pj ] = 3 ∑ [li , ²klj xk pl ] = 3 ∑ 3 ∑ ²ijk xk k=1 ²kli pl δkj = l,k=1 l,k=1 = −²kli xk δlj = l,k=1 l,k=1 [li , lj ] = 3 ∑ 3 ∑ ²ijl pl l=1 ²klj ([li , xk ] pl + xk [li , pl ]) l,k=1 3 ∑ ²klj (²ikm xm pl + ²ilm xk pm ) l,k,m=1 = 3 ∑ 3 ∑ (δlm δij − δli δmj ) xm pl + l,m=1 (δjm δki − δji δkm ) xk pm k,m=1 = xi pj − xj pi = 3 ∑ ²ijk lk k=1 3 3 [ ] ∑ [2 ] ∑ ~l2 , li = l j , li = 2lj [lj , li ] j=1 = 3 ∑ j,k=1 j=1 2lj ²jik lk = 3 ∑ lj lk ²jik + j,k=1 3 ∑ k,j=1 1 lk lj ²kij = 0 [li , ~r · p~] = 3 ∑ [li , xk pk ] = ²ikl (xk pl + pk xl ) = 0 (1) l,k=1 k=1 [pi , rn ] = − 3 ∑ ∂rn ∂r = −nrn−1 = −nxi rn−2 ∂xi ∂xi (2) • Zeigen Sie, unter der Annahme, dass f und g Erhaltungsgrößen sind, auch [f, g] erhalten ist. Lösung: Laut Annahme gilt: ∂f dg ∂g df = [f, H] + = 0, = [g, H] + =0 dt ∂t dt ∂t Folglich ist: [ ] [ ] [ ] [ ] df dg ∂f ∂g ∂ 0= , g + f, = [f, H] + , g + f, [g, H] + = [[f, H], g] + [f, [g, H]] + [f, g] dt dt ∂t ∂t ∂t ∂ ∂ d = [f, [g, H]] + [g, [H, f ]] + [f, g] − [H, [g, f ]] + [f, g] = [f, g] ∂t ∂t dt Daher ist [f, g] eine Erhaltungsgröße. 2 Hamilton-Mechanik 2.1 Hamilton-Funktion in verschiedenen Koordinatensystemen(*) (Klausuraufgabe) Ein Wagen wird mit konstanter Geschwindigkeit v0 auf der x-Achse bewegt. Auf seiner Ladefläche schwingt eine Masse m, die über eine Feder mit der hinteren Ladewand verbunden ist, reibungsfrei in x-Richtung hin und her. Dabei sei l0 der Abstand der Masse m von der hinteren Ladewand im Gleichgewicht. • Berechnen Sie die Hamilton-Funktion im ruhenden Inertialsystem und untersuchen Sie, ob sie eine Erhaltungsgröße ist und gleich der Energie ist. Begründen Sie das Ergebnis physikalisch. • Führen Sie die Transformation x = x0 + v0 t auf das bewegte Bezugssystem des Wagens durch und untersuchen Sie die Hamilton-Funktion erneut Lösung: • Im ruhenden Inertialsystem lautet die Lagrange-Funktion: L= m 2 k 2 ẋ − (x − v0 t − l0 ) 2 2 Daraus bekommt man die Hamilton-Funktion: H= p2 k 2 + (x − v0 t − l0 ) = T + V = E 2m 2 Die Hamilton-Funktion ist somit gleich der Energie. Allerdings ist sie wegen der expliziten Zeitabhängigkeit keine Erhaltungsgröße. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Oszillator bei zusammengedrückter Feder Energie vom Wagen aufnimmt und bei gedehnter Feder wieder an den Wagen zurückgibt. 2 • m 0 k 2 2 (ẋ + v0 ) − (x0 − l0 ) 2 2 ∂L ⇒ p0 = = m (ẋ0 + v0 ) ∂ ẋ0 L (x0 , ẋ0 ) = Daraus folgt für die transformierte Hamilton-Funktion: H0 (x0 , p0 ) = k p02 2 + (x0 − l0 ) − v0 p0 = H [x(x0 ), p(p0 )] − v0 p0 6= E 2m 2 Hier haben wir die umgekehrte Situation. Wegen der Zeitunabhängigkeit der Hamilton-Funktion ist sie eine Erhaltungsgröße, aber wegen dem Term −v0 p0 nicht mehr gleich der Energie. Dennoch führen beide Hamilton-Funktionen auf die gleichwertigen Bewegungsgleichungen mẍ + kx = k (v0 t + l0 ) 2.2 ⇔ mẍ0 + kx0 = kl0 Aus Doctoral General Examination (2002) des MIT (**) Ein Teilchen der Masse m ist durch einen Faden mit variabler Länge l(t) mit dem Ursprung verbunden. Ferner ist das Teilchen in einer Ebene gebunden. Die Länge l(t) des Fadens ist beliebig, aber stets gilt, dass |l/l|˙ viel größer als die Schwingungsdauer des Pendels ist und l˙ ≥ 0. Die Ebene enthält den Aufhängepunkt des Fadens und ihre Normale stehe senkrecht zu einem homogenen Gravitationsfeld. • Bestimmen Sie die Lagrange-Funktion L(θ, θ̇, t) und die Hamilton-Funktion H(θ, p, t) dieses dynamischen Systems. Lösung: Wenn θ den Winkel bezeichnet, der die Auslenkung aus der Ruhelage des Systems beschreibt, so ist die potentielle Energie stets gegeben durch: V = −mgl cos θ Ferner kann die Berechnung der kinetischen Energie in ebenen Polarkoordinaten erfolgen: ) m ( ˙2 T = l + l2 θ̇2 2 Die Lagrange-Funktion des Systems lautet daher: ) m (˙ 2 L(θ, θ̇, t) = l(t) + l(t)2 θ̇2 + mgl(t) cos θ 2 Der zu θ kanonisch konjugierte Impuls errechnet sich zu: p= ∂L = ml(t)2 θ̇ ∂ θ̇ Über die Definition der Hamilton-Funktion H folgt daher: H(θ, p, t) = θ̇p − L = − p2 m˙ 2 l(t) + − mgl(t) cos θ 2 2ml(t)2 • Ist die Hamilton-Funktion gleich der Gesamtenergie des Systems? Ist die Hamilton-Funktion erhalten? Falls die Hamilton-Funktion nicht gleich der Gesamtenergie ist, ist die Gesamtenergie erhalten? 3 Lösung: Die Gesamtenergie des Systems T + V ist E =T +V = p2 m˙ 2 ˙ 2 6= H l(t) + − mgl(t) cos θ = H + ml(t) 2 2ml(t)2 Offenbar ist die Hamilton-Funktion nicht gleich der Gesamtenergie des Systems. Die HamiltonFunktion ist nicht erhalten, da 2 ∂H dH ˙ ¨l(t) − p l(t) ˙ − mg l(t) ˙ cos θ 6= 0 = = −ml(t) dt ∂t ml(t)3 Die Gesamtenergie ist auch nicht erhalten, da dE dH ˙ ¨l(t) 6= 0 = + 2ml(t) dt dt • Geben Sie eine Bewegungsgleichung für den Winkel θ an. Wie groß ist die Periodendauer der Schwingung, wenn l˙ = 0 gilt, in der Kleinwinkelnäherung? Lösung: Die Bewegungsgleichung für θ ergibt sich beispielsweise aus den Euler-Lagrange-Gleichungen: d d ∂L ∂L ml(t)2 θ̇ = = = −mgl(t) sin θ dt dt ∂ θ̇ ∂θ Daraus kann die Bewegungsgleichung gewonnen werden: θ̈ + 2 ˙ g l(t) θ̇ + sin θ = 0 l(t) l(t) Setzt man nun l˙ = 0 und sin θ ≈ θ an, so findet sich die Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators: g θ̈ + θ = 0 l Offenbar beträgt die Schwingungsdauer: √ T = 2π 3 l g Perle auf rotierendem Draht (**) Ein Teilchen sei auf einem halbkreisförmig rotierenden Draht angebracht und auf diesem frei beweglich. Der Draht rotiere mit konstantem ω um die fest vorgegebene Achse im kräftefreien Raum. • Stellen Sie die Lagrangefunktion L auf. • Berechnen Sie damit die Hamiltonfunktion H und stellen Sie die kanonischen Gleichungen auf. • Bestimmen Sie die Gesamtenergie E und berechne • Berechnen Sie dH dt dE dt . Was ist dafür die physikalische Begründung? und vergleichen Sie H mit der Energie. 4 Lösung: 1. Die Lagrange-Funktion für ein freies Teilchen in Kugelkoordinaten lautet ) 1 ( L = m ṙ2 + r2 ϑ̇2 + r2 sin2 (ϑ) ϕ̇2 2 Zwangsbedingungen einsetzen: r = R, ϕ = ωt ( ) 1 ⇒ L = m R2 ϑ̇2 + R2 sin2 (ϑ) ω 2 2 2. Bei der Hamilton-Funktion beachte man, dass es nur einen Freiheitsgrad gibt. Zuerst den kanonischen Impuls ausrechnen: ∂L = mR2 ϑ̇ pϑ = ∂ ϑ̇ Jetzt nach der Geschwindigkeit auflösen: pϑ ϑ̇ = mR2 dann die Hamilton-Funktion bestimmen und die Geschwindigkeit durch den kanonischen Impuls eliminieren: H = pϑ ϑ̇ − L ) p2ϑ 1 ( 2 2 2 2 2 − m R ϑ̇ + R sin (ϑ) ω mR2 2 1 p2ϑ − mR2 sin2 (ϑ) ω 2 = 2 2mR 2 Jetzt die kanonischen Gleichungen berechnen und zu einer einzigen Bewegungsgleichung zusammenführen: ∂H ṗϑ = − = mR2 sin (ϑ) cos (ϑ) ω 2 ∂ϑ ∂H pϑ ϑ̇ = = ∂pϑ mR2 = ⇒ϑ̈ − sin (ϑ) cos (ϑ) ω 2 = 0 Das ist die DGL für ϑ. 3. Da L = T = E, weil V = 0 ist, folgt: ( ) dE dL = = m R2 ϑ̇ϑ̈ + R2 ϑ̇sin (ϑ) cos (ϑ) ω 2 dt dt ( ) = mR2 ϑ̇ ϑ̈ + sin (ϑ) cos (ϑ) ω 2 | {z } 6=0 6= 0 Das folgt aus der Bewegungsgleichung für ϑ (Man beachte das Plus!). Die physikalische Begründung ist natürlich, dass die Zwangsbedingung zeitabhängig ist (der Draht dreht sich ständig) und somit dem System Energie zu- und abgeführt werden kann. 4. Die totale Zeitableitung der Hamilton-Funktion ist gleich ihrer partiellen: ∂H dH = =0 dt ∂t pϑ ṗϑ andererseits: = − ϑ̇mR2 sin (ϑ) cos (ϑ) ω 2 mR2 pϑ ṗϑ pϑ ṗϑ = − mR2 mR2 =0 5 Die Hamilton-Funktion ist also erhalten, die Energie aber nicht! Daraus folgt sofort: H 6= E 4 Teilchen im elektromagnetischen Feld (***) Ein geladenes Teilchen bewege sich in einem beliebigen elektromagnetischen Magnetfeld. Die LagrangeFunktion beschreibt die Bewegung: m ~ (~r(t), t) · ~v − eΦ (~r(t), t) L = ~v 2 + eA 2 • Berechnen Sie den konjugierten Impuls P~ und bestimmen Sie die Hamilton-Funktion H. • Leiten Sie daraus die kanonische Bewegungsgleichungen des Teilchens Hinweise: - In Gradienten rechnen spart Schreibarbeit! ) ( ) ( ) ( - Nützliche Vektoridentität: ∇ ~a · ~b = (~a · ∇) ~b + ~b · ∇ ~a + ~b × (∇ × ~a) + ~a × ∇ × ~b ˙ • Setzen Sie die Gleichung für ~v in die Gleichung für P~ ein und ( weisen Sie ) nach, dass die Formel für ~ = − ∇Φ + ∂ A~ und B ~ = ∇ × A. ~ die Lorentz-Kraft rauskommt. Dabei verwende man: E ∂t Lösung: 1. Den konjugierten Impuls P~ berechnet man aus: ~ P~ = ∇~v L = m~v + eA ⇔ ~v = ~ P~ − eA m Daraus bekommt man die Hamilton-Funktion: H = P~ · ~v − L ( ) ( )2 ( ) ~ ~ ~ P~ − eA ~ P~ P~ − eA P~ − eA eA = − − + eΦ m 2m m ( )2 ( )2 ~ ~ P~ − eA P~ − eA − + eΦ = m 2m ( )2 ~ P~ − eA = + eΦ 2m Diese sieht aus wie die Hamilton-Funktion eines Teilchens im gewöhnlichen Potential, allerdings ~ mit der Modifikation P~ → P~ − eA 2. Koordinatenfreie Bestimmung der kanonischen Gleichung für ~r˙ : ( ) ~ P~ − eA ~v = ∇P~ L = m ˙ Und für P~ : ( ˙ P~ = −∇L = −∇ = ( ) ~ e∇ P~ · A m − ~ + e2 A ~2 P~ 2 − 2eP~ A + eΦ 2m ~ · A) ~ e2 ∇(A − e∇Φ 2m 6 ) Die gegebene Vektoridentität setzt man hier ein, beachte aber dabei, dass P~ nicht explizit von irgendeinem Ort abhängt, womit∇P~ und ∇ × P~ verschwinden: ) ( ) ) ( ( ) 2 2 e (~ ˙ ~ + e P~ × ∇ × A ~ − e ·2 A ~·∇ A ~ − e · 2A ~× ∇×A ~ − e∇Φ P ·∇ A P~ = m [( m 2m ) ( )2m ] e ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ = P · ∇ A + P × B − e A · ∇ A − eA × B − e∇Φ m 3. Zuerst löst man die Gleichung für ~v nach P~ auf: ~ P~ = m~r˙ + eA ~ = A(~ ~ r(t), t) über die Kettenregel und differenziert sie nach der Zeit. Achtung: Hier soll man bei A die implizite Zeitabhängigkeit von ~r berücksichtigen! ~ ∂A ˙ P~ = m~v˙ + e +e ∂t [( d~r dt ) ] ( ) ~ ~ ~ = m~r¨ + e ∂ A + e ~r˙ · ∇ A ·∇ A ∂t ˙ Diese Gleichung setzt man zusammen mit der Definition von P~ in die kanonische Gleichung für P~ ein und eliminiert damit den Impuls: m~r¨ + e ( ) [( ) ( ) ] ~ ∂A ~= e ~ + P~ × B ~ −e A ~·∇ A ~ − eA ~×B ~ − e∇Φ + e ~r˙ · ∇ A P~ · ∇ A ∂t m {[( ) ] ( ) ( ) } e ~ ∇ A ~ + m~r˙ + eA ~ ×B ~ −e A ~·∇ A ~ − eA ~×B ~ − e∇Φ = m~r˙ + eA m {( ) } e ~ + m~r˙ × B ~ − e∇Φ = m~r˙ · ∇ A m( ) ~ + e~r˙ × B ~ − e∇Φ = e ~r˙ · ∇ A Aufgelöst nach dem Kraftterm m~r¨ ergibt dies: ( ) ( ) ~ ∂ A ~ =e E ~ + ~v × B ~ m~r¨ = −e ∇Φ + + e~r˙ × B ∂t womit man wieder die Lorentz-Kraft bekommt. 7