Falk Gastro-Kolleg Darm

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Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Chirurgische Therapie bei
chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen
Prof. Dr. G. Ruf
Koloproktologie, Abteilung für
Allgemeine und Viszeralchirurgie
Chirurgische Universitätsklinik
Hugstetter Str. 55
79106 Freiburg
Zusammenfassung
Die konservative Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hat durch Eskalation der Immunmodulation (Azathioprin, Anti-TNFα-Antikörper u. a.) die extensiven Operationen bei M. Crohn, aber nicht die
Operationsraten bei M. Crohn und Colitis ulcerosa reduziert. Die Operationen wurden
nur zeitlich aufgeschoben und erfolgen unter ungünstigeren Voraussetzungen. Die
chirurgischen Indikationen erfolgen nach den Leitlinien der DGVS bzw. der ECCO.
Standardverfahren beim M. Crohn ist eine darmsparende Operation wie die Strikturoplastik und/oder eine limitierte Resektion, ggf. ergänzt durch interventionelle oder
endoskopische Maßnahmen. Bei der Colitis ulcerosa gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch als Verfahren der Wahl. Bei beiden Erkrankungen wird die
laparoskopische Operationstechnik durchgeführt, die auch bei wiederholten Eingriffen
beim M. Crohn möglich ist.
Patienten mit elektiver Operation bei M. Crohn und Colitis ulcerosa unter immunsuppressiver Therapie haben eine 3–5-fach erhöhte Morbidität, insbesondere durch
Anastomoseninsuffizienz und septische Komplikationen, verglichen mit Patienten unter
Cortisontherapie. Bei perianalen Fisteln liegt nach operativem Fistelverschluss unter
medikamentöser Therapie die Frührezidivrate bei 36% gegenüber 11% ohne Immunsuppressiva. Bei Operationen während der akuten Entzündung unter Immunsuppression
kann durch Verzicht auf eine Anastomose die hohe Morbidität mit der Diskontinuitätsresekion gesenkt werden. Die Wahl des Operationszeitpunkts erfolgt unter Berücksichtigung der Wirkdauer der Immunsuppressiva in interdisziplinärer Kooperation.
Schlüsselwörter
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Morbus Crohn | Colitis ulcerosa | Immunsuppression | chirurgische Therapie |
Morbiditätsrisiko | chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Titelbild:
Ileozökal-Poolresektion bei Morbus Crohn
37
Chirurgische Therapie bei chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen
Einleitung
Durch die Einführung neuer Medikamente wie die Immunsuppressiva und Anti-TNFαAntikörper wurde die operative Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), insbesondere des Morbus Crohn, in den letzten Jahren weiter
zurückgedrängt. Nach den ECCO-Leitlinien wurde sie zum „last resort“ beim Versagen
der konservativen Therapie. Tatsächlich wurde durch die intensive Anwendung der
Immunsuppressiva die Anzahl der operierten Patienten nicht verringert, sondern
lediglich der Zeitpunkt der Operation verschoben (Cosnes et al. 2005). Die Rate der
dringlichen Operationen unter immunsuppressiver Therapie stieg an und führte zu
einer neuen Problematik in der Chirurgie.
Chirurgische Strategie bei CED
Die Indikationen und die chirurgische Therapie der CED sind seit Jahren standardisiert
und etabliert und richten sich nach den Leitlinien der DGVS bzw. ECCO. Bei der Colitis
ulcerosa gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch mit der minimalinvasiven Operationstechnik als Standardverfahren. Die ileorektale Anastomose oder
komplette Proktokolektomie sind Ausnahmen vorbehalten. Beim M. Crohn wird dagegen darmsparend in Form der „minimal surgery“ als limitierte Resektion und/oder
Strikturoplastik operiert. Perianale Läsionen des M. Crohn haben ihre eigene Problematik. Sie können der Erstmanifestation vorausgehen oder treten häufig im Krankheitsverlauf auf. Während bei Patienten mit M. Crohn in ca. 90% der Fälle im Krankheitsverlauf eine Operation notwendig wird, ist dies bei Patienten mit Colitis ulcerosa
nur in ca. 40% der Fall.
Alle Anastomosen in der kolorektalen Chirurgie haben eine gewisse Morbidität in
Form von intraabdominellen septischen Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienz, Abszess, Fistelbildung oder Wunddehiszenz. Die Chirurgie der CED ist durch die
Krankheit selbst mit einem erhöhten Komplikationsrisiko assoziiert. Häufig sind die
Patienten zum Zeitpunkt der Operation mit einem zusätzlichen Risiko behaftet wie
Malnutrition, Darmpassagestörung, Fisteln und/oder intrabdominellen Abszessen
oder einer Behandlung mit Steroiden und Immunsuppressiva. Mesalazin erhöht nicht
die perioperativen Komplikationen.
Der Fortschritt der medikamentösen Therapie durch die Immunsuppression bzw.
Anti-TNFα-Antikörper u. a. sowie die Erfahrung und Perfektion interventioneller Maßnahmen wie endoskopische Dilatation und perkutane Drainageverfahren als präliminäre Verfahren haben zur Reduktion der extensiven Operationen in der Akutphase
geführt. Die Rate der Patienten, die eine abdominelle Operation insgesamt benötigen, hat sich beim M. Crohn nicht verändert. Wie die Spätergebnisse zeigen, können
Fisteln und Stenosen nur in wenigen Fällen mit einer konservativen Therapie anhaltend behandelt werden. Für Patienten, die auf diese Therapie in der Akutsituation ansprechen, ist die Immunmodulation keine Dauerbehandlung. Unter Umständen sind
kurzfristige Therapieerfolge mit erheblichen Komplikationen und auch mit Todesfällen bzw. Malignomentstehung verbunden.
P Immunsuppression ist keine Dauertherapie bei komplizierten CED, sie
reduziert nicht die Operationsrate.
Chirurgische Indikationen beim M. Crohn
Die Indikationen zur elektiven chirurgischen Therapie haben sich im Prinzip nicht
geändert und entsprechen den Leitlinien der DGVS bzw. ECCO. In der Akutsituation
haben sie durch die interventionellen Möglichkeiten (sonografisch bzw. CT-gesteuert) sowie die Endoskopie Modifikationen erfahren.
38
Beim M. Crohn ist die Indikation zur chirurgischen Intervention bei einer funktionell
wirksamen Stenose und/oder Fistelbildung gegeben – interenterisch, enterokutan,
enterokolisch, enterovaginal oder enterovesikal. Die Dringlichkeit der Operation hängt
unmittelbar von der funktionellen Störung ab. Enterokutane, interenterische oder
enterokolische Fisteln stellen bei funktionellem Kurzdarm, bei enterovesikalen Fisteln
(chronischer Harnwegsinfekt bzw. Gefahr der Urosepsis) absolute Indikationen dar.
Enterovaginale Fisteln sind relative Indikationen und werden im entzündungsfreien
Intervall operativ verschlossen.
Klinische Symptome einer stenosebedingten Passagestörung sind die postprandialen, nahrungsabhängigen, krampfartigen Abdominalbeschwerden. Lokalisation und
Anzahl, weniger die entzündliche Aktivität, werden durch die MR-Sellink-Untersuchung des Dünndarms objektiviert. Subileussymptome bei einem akuten entzündlichen Schub können konservativ mit hohen Dosen von Glukokortikoiden therapiert
werden. Durch die Rückbildung des Schleimhautödems kann die Akutsymptomatik in
der Regel beseitigt werden. Ob eine Operation notwendig wird, ist nach den klinischen Symptomen in der entzündungsfreien Phase zu entscheiden.
P Indikationen zur operativen Therapie
sind abhängig vom Schweregrad der
Funktionseinschränkung.
Therapieverfahren beim M. Crohn
Stenosen sind in Form von Strikturoplastiken operativ zu beseitigen (Abb. 1), kurzstreckige nach Heinecke/Mikulicz und längerstreckige (bis 15 cm) nach Finney, oder
es erfolgt eine limitierte darmsparende Resektion im nicht-stenosierten, aber Crohnbefallenen Darmabschnitt. Kurzstreckige Anastomosenstenosen (unter 5 cm Länge),
beispielsweise nach Ileozökalresektion, können primär endoskopisch dilatiert werden.
Meistens sind 2–3 Dilatationen im Abstand von 3 Wochen notwendig, um eine kurzfristige funktionelle Restenose zu vermeiden. Die Rezidivrate nach Dilatation liegt
nach 3 Jahren bei 50%, nach Strikturoplastik müssen sich innerhalb von 3 Jahren
30–40% der Patienten einer Reoperation unterziehen.
Bei Kolonstenosen muss grundsätzlich ein Karzinom durch Biopsie bzw. bei geplanter
Strikturoplastik durch die intraoperative Schnellschnittdiagnostik ausgeschlossen
werden.
Strikturoplastik nach Heinecke/Mikulicz
Abb. 1
Intraabdominelle oder retroperitoneale Abszesse werden interventionell drainiert
und bei ungünstiger Lokalisation operiert. Die Drainage ist eine präliminare Maßnahme. Nach Abklingen eines Entzündungsschubs erfolgt die Diagnostik und ggf. auch
bei blind endender Fistel die chirurgische Sanierung. Aufgrund der in der Regel simultan vorhandenen Stenose ist eine spontane Abheilung nicht zu erwarten.
39
Perianale Abszesse und/oder Fisteln werden eröffnet bzw. mit einer Fadendrainage
versorgt. Transsphinktere/rektovaginale Fisteln werden im entzündungsfreien und
steroidfreien Intervall je nach Länge des Fistelgangs mit Advancement Flap (Muscularis-Mukosa-Lappen) oder AFP-Plug verschlossen, ohne dass ein protektives Ileostoma
erforderlich ist. Submuköse Fisteln ohne Symptome bedürfen keiner Therapie bzw.
werden andernfalls gespalten. Mit dieser Strategie können die Fisteln in großer Zahl
zur Abheilung gebracht werden. Spätergebnisse nach 10 Jahren zeigen, dass Fistelrezidive bzw. neue Fisteln beim M. Crohn in 40% zu beobachten sind, gegenüber
nicht-Crohn-bedingten Fisteln in 10%. Bei erneuten Rezidiven kann das Verfahren mit
entsprechenden Ergebnissen wiederholt werden.
P Chirurgisches Prinzip beim M. Crohn
ist die Darmerhaltung durch darmsparende Resektion bzw. Strikturoplastik im entzündungsfreien Intervall.
Chirurgische Indikationen bei Colitis ulcerosa
Bei der Colitis ulcerosa sind die Indikationen zur elektiven Chirurgie nach den Leitlinien der DGVS absolut bei therapierefraktärem Verlauf (Unverträglichkeit der Immunsuppression), Stenosen unklarer Dignität, beim Nachweis einer hochgradigen
intraepithelialen Neoplasie, bei DALMs, unabhängig vom Grad der Neoplasie, und
beim Karzinom. Relative Indikationen sind Nebenwirkungen der konservativen Therapie, eine Verbesserung der Lebensqualität und bei niedrigmalignen Neoplasien im
Rahmen der Sekundärprävention.
Bei relativ symptomarmem langem Krankheitsverlauf ist das Karzinomrisiko zu beachten (Tab. 1). Die Karzinominzidenz liegt nach einer Metaanalyse von Eaden et al. (2001)
nach 10 Jahren Erkrankungsdauer bei 2,1%, nach 20 Jahren bei 8,5% und nach 30 Jahren
bei 17,8%. Das Karzinomrisiko steigt mit Ausdehnung der Colitis um das 1,7-Fache bei
Proktitis, um das 2,8-Fache bei Linksseitenkolitis und um das 14,8-Fache bei Pankolitis
(Ekbom et al. 1990).
Karzinomrisiko
Tab. 1
Eaden et al. Gut 2001 (Metaanalyse von 115 Studien)
Prävalenz
3,7%
Inzidenz
2,1% nach 10 Jahren Erkrankung
8,5% nach 20 Jahren Erkrankung
17,8% nach 30 Jahren Erkrankung
Ekbom et al. N Engl J Med 1990
Proktitis
Faktor 1,7
Linksseitenkolitis
Faktor 2,8
Pankolitis
Faktor 14,8
Soetikno et al. Gastrointest Endosc 2002
PSC
Faktor 5 nach 30 Jahren
Die fulminante Colitis oder das toxische Megakolon, ohne Ansprechen auf einen konservativen Therapieversuch über maximal 3 Tage, stellen eine Notfallindikation dar.
Therapieverfahren bei Colitis ulcerosa
Als Standardverfahren gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch
(Abb. 2). Diese Operation wird laparoskopisch assistiert entweder einzeitig ohne oder
mehrzeitig mit temporärem Ileostoma im entzündungsfreien und wenn möglich cortisonfreien Intervall durchgeführt. Die ileorektale Anastomose bzw. die komplette
Proktokolektomie sind Ausnahmesituationen vorbehalten.
40
Restaurative Proktokolektomie
Abb. 2
Die funktionellen Ergebnisse werden mit einer Stuhlfrequenz (ohne Medikation) von
3–8-mal pro Tag und 0–1-mal pro Nacht, unmittelbar abhängig von der Qualität der
Nahrungsaufnahme, in ca. 85% subjektiv als gut eingeschätzt, bei voller Kontrolle der
Sphinkterfunktion.
Die Rate der Frühkomplikationen der restaurativen Proktokolektomie in Form von
Ileus, Pouchleckage, pelviner Sepsis und Anastomosenstenose liegt unter 20%. An
Spätkomplikationen werden nach 5–10 Jahren in 7% der Fälle ein operationsbedürftiger Ileus, in 2% vaginale/perineale Fisteln, in 12–50% eine Pouchitis und in 1–20%
Pouchfehlfunktionen beobachtet (Tab. 2). Symptomatisch fällt die Pouchitis durch anhaltende wässrige Diarrhöen, eine Erhöhung der Stuhlfrequenz und teils krampfartige
Abdominalschmerzen auf.
Morbidität
Frühkomplikationen
Tab. 2
19%
Ileus
Pouch­Leckage
Pelvine Sepsis
Anastomosenstenose
Spätkomplikationen (5–10 Jahre postoperativ)
Ileus
27% (Reoperation 7%)
Fisteln (vaginal/perineal)
2%
Pouchitis
12–50%
Pouchfehlfunktionen
1–20%
McLean et al. Arch Surg 2002
41
Bei der Pouchitis ist die Entzündung aufgrund einer Entleerungsstörung des Pouches
bei Anastomosenstenose oder zu großem Pouchvolumen mit konsekutiver bakterieller Überwucherung in 90% von der eigentlichen Pouchitis in bis zu 10% zu unterscheiden. Die wird entweder durch einen M. Crohn, der präoperativ als Colitis ulcerosa
fehlgedeutet wurde, oder durch eine „colitis-like“ Entzündung unklarer Genese hervorgerufen. Ist die erste Form der Pouchitis durch kurzzeitige orale Antibiotika sehr
gut zu therapieren, wird bei der zweiten Form der Einsatz von Mesalazin und/oder
Steroiden erforderlich.
Diagnostisch sind diese Entzündungen im Pouch endoskopisch zu unterscheiden. Bei
der bakteriell bedingten Form finden sich Schleimhautveränderungen mit Ulzerationen und Fibrinbelägen nur im distalen Pouchdrittel, das proximale Drittel ist dagegen
überwiegend entzündungsfrei. Bei der eigentlichen Pouchitis sind die Schleimhautulzerationen und Fibrinbeläge im gesamten Pouch ohne Betonung einer Region
nachzuweisen. Therapeutisch erfordern die Anastomosenstenosen nach Antibiotikagabe eine Bougierung. Mehrere Sitzungen im Abstand von 2–3 Wochen lassen eine
frühe Restenose vermeiden. Ein zu großes Pouchvolumen bei inzwischen ungenügender Kontraktionsfähigkeit der Darmwand ist operativ durch Pouchverkleinerung,
ggf. durch Neuanlage des Pouches, zu korrigieren.
P Standardoperation bei Colitis
ulcerosa ist die laparoskopische restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem
Pouch bei akzeptabler perioperativer
Morbidität und guten funktionellen
Ergebnissen.
Prinzip der chirurgischen Technik
Zur chirurgischen Technik der Darmanastomosen ist festzuhalten, dass durch den Einsatz der Klammernaht im Vergleich zur Handnaht keine Unterschiede in der Häufigkeit
von Anastomoseninsuffizienzen oder Fisteln bei Colitis ulcerosa und M. Crohn sowie
der Rezidive und der Dauer des rezidivfreien Intervalls beim M. Crohn bestehen. Seitzu-Seit-Anastomosen haben keinen Einfluss auf die Rezidiventstehung. Wegen der
Gefahr der bakteriellen Überwucherung ist dabei die Ausbildung eines Blindsacks zu
vermeiden. Die laparoskopische Operationstechnik als Standardverfahren unterscheidet sich beim M. Crohn von der konventionellen Technik, auch in Kombination mit
dem fast-track-Konzept, nur durch eine schnellere Rekonvaleszenz und damit der
Hospitalisation um 1 Tag. Wesentlicher Vorteil ist der Komfort des Patienten und das
kosmetische Resultat, das gerade bei jüngeren Patienten eine günstige psychologische Wirkung beinhaltet (Milson 2001). Auch bei wiederholten Eingriffen wegen eines
erneuten Rezidivs können diese überwiegend laparoskopisch durchgeführt werden.
Bei der Colitis ulcerosa werden zusätzlich die perioperativen Komplikationen, insbesondere beim einzeitigen Verfahren, und der Analgetikaverbrauch reduziert (Marcello
et al. 2001).
P Die laparoskopische Operationstechnik reduziert die perioperative
Morbidität und verbessert neben
dem kosmetischen Ergebnis den
Komfort des Patienten.
Chirurgie und Immunsuppression
Hauptproblem in der Therapie des M. Crohn ist das Rezidiv, unabhängig davon, ob
medikamentös oder chirurgisch behandelt wurde.
Die primäre Therapie der aktiven Erkrankung erfolgt medikamentös nach den Definitionen gemäß den S3-Leitlinien beim M. Crohn. Sowohl bei der Top-down- als auch
bei der Bottom-up-Strategie kommt die Kombination von Glukokortikoiden, Immunsuppressiva und ggf. Anti-TNFα-Antikörpern zur Anwendung. Gerade die massive und
wiederholte Anwendung der Immunsuppressiva wie Azathioprin u. a. führt bei einer
notwendigen Operation sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa zu
einer erheblichen Zunahme der perioperativen Morbidität.
Beim M. Crohn erhöht Azathioprin die Rate von Insuffizienzen, Fisteln und septischen
Komplikationen von 6% auf 13%, verglichen mit Crohn-Patienten ohne Immunsuppression (Tab. 3). Die Rate der Reoperationen steigt von 9% auf 20% (Myrelid et al.
2009). Nach eigenen Untersuchungen steigt bei der Colitis ulcerosa die Rate der septischen, teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen von 13% auf 53%, die Rate der
Anastomoseninsuffizienz um das 3,5-Fache auf 23%. Die Wirkung von Azathioprin auf
das Immunsystem ist nach Absetzen noch bis zu 3 Monate nachweisbar und sollte bei
einer geplanten resezierenden Operation für den Fall der Erweiterung der medikamentösen Therapie berücksichtigt werden.
P Die exzessive immunsuppressive
Therapie mit Kortikoiden, Azathioprin
und Anti-TNFα-Antikörpern erhöht
die operative Komplikationsrate um
das 3–5-Fache.
42
Präoperative Immuntherapie (Azathioprin/6­Mercaptopurin)
bei Morbus Crohn
AZA (–)
AZA (+)
Insuffizienz, Fistel, Abszess
18/292 (6%)
8/51 (13%)
Reoperation
25/292 (9%)
8/51 (20%)
Risikofaktoren
Operationen (n)
Komplikationen (n)
Keine
219
8 (3,7%)
1
107
14 (13%)
2
15
3 (20%)
Tab. 3
Risikofaktoren: Kolokolonische Anastomosen, präoperative Fisteln, AZA/6-MP
Myrelid et al. Dis Colon Rectum 2009
Aus diesen Erfahrungen gilt für den M. Crohn bei den genannten Indikationen, dass
eine elektive Operation im entzündungsfreien Intervall und 3 Monate nach Absetzen
der Immunsuppression und Reduktion der Glukokortikoide erfolgen sollte. Wird eine
chirurgische Intervention in der akuten Entzündungsphase unter maximaler Immunsuppression notwendig, kann je nach Crohn-Lokalisation der Verzicht auf eine Anastomose mit einer Diskontinuitätsresektion und temporärem Stoma die Morbidität
senken. Abszesse werden, wenn immer möglich, auf interventionellem Wege perkutan drainiert.
Bei der fulminanten Colitis ulcerosa bzw. beim toxischen Megakolon wird die chirurgische Intervention unter immunsuppressiver Therapie zweizeitig durchgeführt. Nach
primärer Kolektomie und Ileostoma erfolgt nach Abklingen der Entzündung, Absetzen der Medikamente und Erholung des Patienten ca. 4 Monate später die Restproktektomie mit ileoanalem Pouch.
Der Zeitpunkt der Operation wird in enger Kooperation von Gastroenterologen und
Chirurgen unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik und der Intensität der
immunsuppressiven Therapie gewählt. Bei Anwendung der Anti-TNFα-Antikörper
liegt der Zeitpunkt für eine elektive Operation wegen der kürzeren Wirkdauer 4 Wochen nach der letzten Applikation. Vor Eskalation der Immunsuppression ist die Frage
einer notwendigen chirurgischen Intervention zu beurteilen, um die perioperativen
Komplikationen einzugrenzen. Die Kontraindikationen wie Fisteln/Abszesse sind zu
beachten, ggf. kann eine Exazerbation durch Drainage vermieden werden.
Die Therapie der perianalen Crohn-Manifestationen folgt einem entsprechenden Prinzip. Während der aktiven Entzündungsphase unter Therapie mit Glukokortikoiden
und Immunsuppressiva werden perianale Abszesse oder submuköse Fisteln gespalten und transsphinktere Fisteln mit einem Faden drainiert. Nach Abklingen des Entzündungsschubs und Absetzen der medikamentösen Therapie können die Fisteln
definitiv durch Advancement Flap oder ggf. einen AFP-Plug verschlossen werden.
Fistelsysteme mit rezidivierenden Abszessen werden drainiert und die Entzündung
wird durch Ausschaltung über ein temporäres Ileostoma zum Abklingen gebracht.
Eine definitive Therapie erfolgt auch hier im entzündungs- und medikamentenfreien
Intervall. Werden Fisteln unter Glukokortikoid- und immunsuppressiver Therapie verschlossen, liegt nach eigenen Untersuchungen die Rate der Frührezidive (bis 4 Wochen
postoperativ) bei 36% gegenüber 11% ohne medikamentöse Therapie.
P Die operative Therapie der perianalen
Crohn-Fisteln unter Immunsuppression
wird durch Heilungsstörungen und
eine überproportionale Zahl an Frührezidiven belastet.
43
Fazit
Der intensive und wiederholte Einsatz von Immunsuppressiva und Anti-TNFα-Antikörpern hat zwar zu einer Reduktion der extensiven chirurgischen Eingriffe beim
M. Crohn geführt, die Gesamtzahl der Operationen sowohl beim M. Crohn als auch bei
der Colitis ulcerosa wurde jedoch nicht reduziert. Die Operationen werden lediglich
zeitlich aufgeschoben und erfolgen dann unter ungünstigen Voraussetzungen. Indikationen und chirurgische Operationsverfahren mit Einschluss der laparoskopischen
Operationstechnik sind seit Jahren standardisiert und haben sich gemäß den Leitlinien nicht geändert. Nach den bisherigen Erfahrungen wird bei einer elektiven Operation unter hoch dosierter immunsuppressiver Therapie die postoperative Komplikationsrate bei den CED um das 3–5-Fache erhöht. Bei einer Operation in der akuten
Entzündungsphase kann die Morbidität durch Verzicht auf eine Anastomose durch
Diskontinuitätsresektion und temporäres Ileostoma gesenkt werden. Unter Beachtung der Wirkdauer von Azathioprin oder der Anti-TNFα-Antikörper sollte der Operationszeitpunkt in interdisziplinärer Kooperation gewählt werden.
Zu empfehlende Literatur
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45
Fragen zur chirurgischen Therapie
bei chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 1:
Welche chirurgische Strategie ist beim Morbus Crohn anzuwenden?
EE
EE
EE
EE
EE
Keine Operation, da ein Rezidiv nicht vermieden werden kann
Extensive Operation, da die Rezidivwahrscheinlichkeit geringer ist
Bei Colitis keine Darmanastomosen, prinzipiell Stomaanlage
Darmsparende Operation, Vermeidung der Kurzdarmgefahr
Sofortige Resektion bei Subileus/Ileus im akuten Schub
Frage 2:
Welche Fisteln stellen eine absolute Operationsindikation dar?
EE
EE
EE
EE
EE
Enterokutane
Interenterische
Enterokolische
Enterovesikale
Enterovaginale
Frage 3:
Welche chirurgische Strategie gilt für die Colitis ulcerosa?
EE
EE
EE
EE
EE
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro­
Kolleg können Sie sich anmelden und die
Fragen beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
Resektion des befallenen Darmabschnitts
Keine Anastomosen, prinzipiell Stomaanlage
Hemikolektomie links meist ausreichend
Extensive Resektion: restaurative Proktokolektomie
Keine Operation bei extraintestinaler Manifestation
Frage 4:
Welches ist keine absolute Operationsindikation bei
Colitis ulcerosa?
EE
EE
EE
EE
EE
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie
Extraintestinale Manifestation
DALM
Stenose unklarer Dignität
Therapierefraktärer Verlauf
Frage 5:
Welche therapeutischen Maßnahmen werden bei symptomatischen
perinealen Fisteln erfolgreich angewandt?
EE
EE
EE
EE
EE
1 Antibiotika, Kortikosteroide
2 Immunsuppressiva
3 Operativer Fistelverschluss, solange die Entzündung noch floride ist
4 Fadendrainage
5 Die Antworten 1, 2 und 4 sind richtig
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
46
Frage 6:
Wie lässt sich die bakteriell verursachte Pouchitis von der
eigentlichen Pouchitis (Colitis­ähnlich) unterscheiden? Durch
EE
EE
EE
EE
EE
laborchemische Entzündungsparameter
Magnetresonanz-Tomografie
klinische Symptome
Endoskopie
Computertomografie
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 7:
Welchen Einfluss hat die Kombination von Glukokortikoiden und
Immunsuppressiva (Azathioprin) auf die chirurgische Therapie?
EE
EE
EE
EE
EE
Keinen
Verkürzt die Heilung
Erhöht die Komplikationen
Erleichtert die Präparation
Verhindert postoperative Verwachsungen
Frage 8:
Welchen Vorteil hat die laparoskopische Operationstechnik beim
M. Crohn gegenüber der konventionellen Operation? Sie
EE
EE
EE
EE
EE
erleichtert die Operation
verbessert den Komfort des Patienten
beschleunigt die Wundheilung
macht aus einer Darmresektion einen kleinen unkomplizierten Eingriff
reduziert das Narkoserisiko
Frage 9:
Welche Aussage trifft für die Colitis ulcerosa zu?
EE
EE
EE
EE
Die chirurgische Therapie ist nur bei ca. 40% der Patienten notwendig
Es besteht kein erhöhtes Karzinomrisiko
Es existieren keine funktionellen Beeinträchtigungen
Nach restaurativer Proktokolektomie ist eine Colitis-Medikation weiterhin
notwendig
EE Es gibt keine extraintestinale Manifestation
Frage 10:
Welche Aussage über Stenosen des Kolons ist falsch?
EE
EE
EE
EE
EE
Kolonstenosen sollen nur operiert werden, wenn sie funktionell wirksam sind
Kolonstenosen müssen immer durch Strikturoplastik operiert werden
Die endoskopische Dilatation kann eine Alternative zur Operation sein
Ein Karzinom muss bioptisch ausgeschlossen werden
Vor einer Operation muss ein Anus praeter angelegt werden
47
Zugehörige Unterlagen
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