Falk Gastro-Kolleg Darm Chirurgische Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Prof. Dr. G. Ruf Koloproktologie, Abteilung für Allgemeine und Viszeralchirurgie Chirurgische Universitätsklinik Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg Zusammenfassung Die konservative Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hat durch Eskalation der Immunmodulation (Azathioprin, Anti-TNFα-Antikörper u. a.) die extensiven Operationen bei M. Crohn, aber nicht die Operationsraten bei M. Crohn und Colitis ulcerosa reduziert. Die Operationen wurden nur zeitlich aufgeschoben und erfolgen unter ungünstigeren Voraussetzungen. Die chirurgischen Indikationen erfolgen nach den Leitlinien der DGVS bzw. der ECCO. Standardverfahren beim M. Crohn ist eine darmsparende Operation wie die Strikturoplastik und/oder eine limitierte Resektion, ggf. ergänzt durch interventionelle oder endoskopische Maßnahmen. Bei der Colitis ulcerosa gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch als Verfahren der Wahl. Bei beiden Erkrankungen wird die laparoskopische Operationstechnik durchgeführt, die auch bei wiederholten Eingriffen beim M. Crohn möglich ist. Patienten mit elektiver Operation bei M. Crohn und Colitis ulcerosa unter immunsuppressiver Therapie haben eine 3–5-fach erhöhte Morbidität, insbesondere durch Anastomoseninsuffizienz und septische Komplikationen, verglichen mit Patienten unter Cortisontherapie. Bei perianalen Fisteln liegt nach operativem Fistelverschluss unter medikamentöser Therapie die Frührezidivrate bei 36% gegenüber 11% ohne Immunsuppressiva. Bei Operationen während der akuten Entzündung unter Immunsuppression kann durch Verzicht auf eine Anastomose die hohe Morbidität mit der Diskontinuitätsresekion gesenkt werden. Die Wahl des Operationszeitpunkts erfolgt unter Berücksichtigung der Wirkdauer der Immunsuppressiva in interdisziplinärer Kooperation. Schlüsselwörter Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Morbus Crohn | Colitis ulcerosa | Immunsuppression | chirurgische Therapie | Morbiditätsrisiko | chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) Titelbild: Ileozökal-Poolresektion bei Morbus Crohn 37 Chirurgische Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Einleitung Durch die Einführung neuer Medikamente wie die Immunsuppressiva und Anti-TNFαAntikörper wurde die operative Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), insbesondere des Morbus Crohn, in den letzten Jahren weiter zurückgedrängt. Nach den ECCO-Leitlinien wurde sie zum „last resort“ beim Versagen der konservativen Therapie. Tatsächlich wurde durch die intensive Anwendung der Immunsuppressiva die Anzahl der operierten Patienten nicht verringert, sondern lediglich der Zeitpunkt der Operation verschoben (Cosnes et al. 2005). Die Rate der dringlichen Operationen unter immunsuppressiver Therapie stieg an und führte zu einer neuen Problematik in der Chirurgie. Chirurgische Strategie bei CED Die Indikationen und die chirurgische Therapie der CED sind seit Jahren standardisiert und etabliert und richten sich nach den Leitlinien der DGVS bzw. ECCO. Bei der Colitis ulcerosa gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch mit der minimalinvasiven Operationstechnik als Standardverfahren. Die ileorektale Anastomose oder komplette Proktokolektomie sind Ausnahmen vorbehalten. Beim M. Crohn wird dagegen darmsparend in Form der „minimal surgery“ als limitierte Resektion und/oder Strikturoplastik operiert. Perianale Läsionen des M. Crohn haben ihre eigene Problematik. Sie können der Erstmanifestation vorausgehen oder treten häufig im Krankheitsverlauf auf. Während bei Patienten mit M. Crohn in ca. 90% der Fälle im Krankheitsverlauf eine Operation notwendig wird, ist dies bei Patienten mit Colitis ulcerosa nur in ca. 40% der Fall. Alle Anastomosen in der kolorektalen Chirurgie haben eine gewisse Morbidität in Form von intraabdominellen septischen Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienz, Abszess, Fistelbildung oder Wunddehiszenz. Die Chirurgie der CED ist durch die Krankheit selbst mit einem erhöhten Komplikationsrisiko assoziiert. Häufig sind die Patienten zum Zeitpunkt der Operation mit einem zusätzlichen Risiko behaftet wie Malnutrition, Darmpassagestörung, Fisteln und/oder intrabdominellen Abszessen oder einer Behandlung mit Steroiden und Immunsuppressiva. Mesalazin erhöht nicht die perioperativen Komplikationen. Der Fortschritt der medikamentösen Therapie durch die Immunsuppression bzw. Anti-TNFα-Antikörper u. a. sowie die Erfahrung und Perfektion interventioneller Maßnahmen wie endoskopische Dilatation und perkutane Drainageverfahren als präliminäre Verfahren haben zur Reduktion der extensiven Operationen in der Akutphase geführt. Die Rate der Patienten, die eine abdominelle Operation insgesamt benötigen, hat sich beim M. Crohn nicht verändert. Wie die Spätergebnisse zeigen, können Fisteln und Stenosen nur in wenigen Fällen mit einer konservativen Therapie anhaltend behandelt werden. Für Patienten, die auf diese Therapie in der Akutsituation ansprechen, ist die Immunmodulation keine Dauerbehandlung. Unter Umständen sind kurzfristige Therapieerfolge mit erheblichen Komplikationen und auch mit Todesfällen bzw. Malignomentstehung verbunden. P Immunsuppression ist keine Dauertherapie bei komplizierten CED, sie reduziert nicht die Operationsrate. Chirurgische Indikationen beim M. Crohn Die Indikationen zur elektiven chirurgischen Therapie haben sich im Prinzip nicht geändert und entsprechen den Leitlinien der DGVS bzw. ECCO. In der Akutsituation haben sie durch die interventionellen Möglichkeiten (sonografisch bzw. CT-gesteuert) sowie die Endoskopie Modifikationen erfahren. 38 Beim M. Crohn ist die Indikation zur chirurgischen Intervention bei einer funktionell wirksamen Stenose und/oder Fistelbildung gegeben – interenterisch, enterokutan, enterokolisch, enterovaginal oder enterovesikal. Die Dringlichkeit der Operation hängt unmittelbar von der funktionellen Störung ab. Enterokutane, interenterische oder enterokolische Fisteln stellen bei funktionellem Kurzdarm, bei enterovesikalen Fisteln (chronischer Harnwegsinfekt bzw. Gefahr der Urosepsis) absolute Indikationen dar. Enterovaginale Fisteln sind relative Indikationen und werden im entzündungsfreien Intervall operativ verschlossen. Klinische Symptome einer stenosebedingten Passagestörung sind die postprandialen, nahrungsabhängigen, krampfartigen Abdominalbeschwerden. Lokalisation und Anzahl, weniger die entzündliche Aktivität, werden durch die MR-Sellink-Untersuchung des Dünndarms objektiviert. Subileussymptome bei einem akuten entzündlichen Schub können konservativ mit hohen Dosen von Glukokortikoiden therapiert werden. Durch die Rückbildung des Schleimhautödems kann die Akutsymptomatik in der Regel beseitigt werden. Ob eine Operation notwendig wird, ist nach den klinischen Symptomen in der entzündungsfreien Phase zu entscheiden. P Indikationen zur operativen Therapie sind abhängig vom Schweregrad der Funktionseinschränkung. Therapieverfahren beim M. Crohn Stenosen sind in Form von Strikturoplastiken operativ zu beseitigen (Abb. 1), kurzstreckige nach Heinecke/Mikulicz und längerstreckige (bis 15 cm) nach Finney, oder es erfolgt eine limitierte darmsparende Resektion im nicht-stenosierten, aber Crohnbefallenen Darmabschnitt. Kurzstreckige Anastomosenstenosen (unter 5 cm Länge), beispielsweise nach Ileozökalresektion, können primär endoskopisch dilatiert werden. Meistens sind 2–3 Dilatationen im Abstand von 3 Wochen notwendig, um eine kurzfristige funktionelle Restenose zu vermeiden. Die Rezidivrate nach Dilatation liegt nach 3 Jahren bei 50%, nach Strikturoplastik müssen sich innerhalb von 3 Jahren 30–40% der Patienten einer Reoperation unterziehen. Bei Kolonstenosen muss grundsätzlich ein Karzinom durch Biopsie bzw. bei geplanter Strikturoplastik durch die intraoperative Schnellschnittdiagnostik ausgeschlossen werden. Strikturoplastik nach Heinecke/Mikulicz Abb. 1 Intraabdominelle oder retroperitoneale Abszesse werden interventionell drainiert und bei ungünstiger Lokalisation operiert. Die Drainage ist eine präliminare Maßnahme. Nach Abklingen eines Entzündungsschubs erfolgt die Diagnostik und ggf. auch bei blind endender Fistel die chirurgische Sanierung. Aufgrund der in der Regel simultan vorhandenen Stenose ist eine spontane Abheilung nicht zu erwarten. 39 Perianale Abszesse und/oder Fisteln werden eröffnet bzw. mit einer Fadendrainage versorgt. Transsphinktere/rektovaginale Fisteln werden im entzündungsfreien und steroidfreien Intervall je nach Länge des Fistelgangs mit Advancement Flap (Muscularis-Mukosa-Lappen) oder AFP-Plug verschlossen, ohne dass ein protektives Ileostoma erforderlich ist. Submuköse Fisteln ohne Symptome bedürfen keiner Therapie bzw. werden andernfalls gespalten. Mit dieser Strategie können die Fisteln in großer Zahl zur Abheilung gebracht werden. Spätergebnisse nach 10 Jahren zeigen, dass Fistelrezidive bzw. neue Fisteln beim M. Crohn in 40% zu beobachten sind, gegenüber nicht-Crohn-bedingten Fisteln in 10%. Bei erneuten Rezidiven kann das Verfahren mit entsprechenden Ergebnissen wiederholt werden. P Chirurgisches Prinzip beim M. Crohn ist die Darmerhaltung durch darmsparende Resektion bzw. Strikturoplastik im entzündungsfreien Intervall. Chirurgische Indikationen bei Colitis ulcerosa Bei der Colitis ulcerosa sind die Indikationen zur elektiven Chirurgie nach den Leitlinien der DGVS absolut bei therapierefraktärem Verlauf (Unverträglichkeit der Immunsuppression), Stenosen unklarer Dignität, beim Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie, bei DALMs, unabhängig vom Grad der Neoplasie, und beim Karzinom. Relative Indikationen sind Nebenwirkungen der konservativen Therapie, eine Verbesserung der Lebensqualität und bei niedrigmalignen Neoplasien im Rahmen der Sekundärprävention. Bei relativ symptomarmem langem Krankheitsverlauf ist das Karzinomrisiko zu beachten (Tab. 1). Die Karzinominzidenz liegt nach einer Metaanalyse von Eaden et al. (2001) nach 10 Jahren Erkrankungsdauer bei 2,1%, nach 20 Jahren bei 8,5% und nach 30 Jahren bei 17,8%. Das Karzinomrisiko steigt mit Ausdehnung der Colitis um das 1,7-Fache bei Proktitis, um das 2,8-Fache bei Linksseitenkolitis und um das 14,8-Fache bei Pankolitis (Ekbom et al. 1990). Karzinomrisiko Tab. 1 Eaden et al. Gut 2001 (Metaanalyse von 115 Studien) Prävalenz 3,7% Inzidenz 2,1% nach 10 Jahren Erkrankung 8,5% nach 20 Jahren Erkrankung 17,8% nach 30 Jahren Erkrankung Ekbom et al. N Engl J Med 1990 Proktitis Faktor 1,7 Linksseitenkolitis Faktor 2,8 Pankolitis Faktor 14,8 Soetikno et al. Gastrointest Endosc 2002 PSC Faktor 5 nach 30 Jahren Die fulminante Colitis oder das toxische Megakolon, ohne Ansprechen auf einen konservativen Therapieversuch über maximal 3 Tage, stellen eine Notfallindikation dar. Therapieverfahren bei Colitis ulcerosa Als Standardverfahren gilt die restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch (Abb. 2). Diese Operation wird laparoskopisch assistiert entweder einzeitig ohne oder mehrzeitig mit temporärem Ileostoma im entzündungsfreien und wenn möglich cortisonfreien Intervall durchgeführt. Die ileorektale Anastomose bzw. die komplette Proktokolektomie sind Ausnahmesituationen vorbehalten. 40 Restaurative Proktokolektomie Abb. 2 Die funktionellen Ergebnisse werden mit einer Stuhlfrequenz (ohne Medikation) von 3–8-mal pro Tag und 0–1-mal pro Nacht, unmittelbar abhängig von der Qualität der Nahrungsaufnahme, in ca. 85% subjektiv als gut eingeschätzt, bei voller Kontrolle der Sphinkterfunktion. Die Rate der Frühkomplikationen der restaurativen Proktokolektomie in Form von Ileus, Pouchleckage, pelviner Sepsis und Anastomosenstenose liegt unter 20%. An Spätkomplikationen werden nach 5–10 Jahren in 7% der Fälle ein operationsbedürftiger Ileus, in 2% vaginale/perineale Fisteln, in 12–50% eine Pouchitis und in 1–20% Pouchfehlfunktionen beobachtet (Tab. 2). Symptomatisch fällt die Pouchitis durch anhaltende wässrige Diarrhöen, eine Erhöhung der Stuhlfrequenz und teils krampfartige Abdominalschmerzen auf. Morbidität Frühkomplikationen Tab. 2 19% Ileus Pouch­Leckage Pelvine Sepsis Anastomosenstenose Spätkomplikationen (5–10 Jahre postoperativ) Ileus 27% (Reoperation 7%) Fisteln (vaginal/perineal) 2% Pouchitis 12–50% Pouchfehlfunktionen 1–20% McLean et al. Arch Surg 2002 41 Bei der Pouchitis ist die Entzündung aufgrund einer Entleerungsstörung des Pouches bei Anastomosenstenose oder zu großem Pouchvolumen mit konsekutiver bakterieller Überwucherung in 90% von der eigentlichen Pouchitis in bis zu 10% zu unterscheiden. Die wird entweder durch einen M. Crohn, der präoperativ als Colitis ulcerosa fehlgedeutet wurde, oder durch eine „colitis-like“ Entzündung unklarer Genese hervorgerufen. Ist die erste Form der Pouchitis durch kurzzeitige orale Antibiotika sehr gut zu therapieren, wird bei der zweiten Form der Einsatz von Mesalazin und/oder Steroiden erforderlich. Diagnostisch sind diese Entzündungen im Pouch endoskopisch zu unterscheiden. Bei der bakteriell bedingten Form finden sich Schleimhautveränderungen mit Ulzerationen und Fibrinbelägen nur im distalen Pouchdrittel, das proximale Drittel ist dagegen überwiegend entzündungsfrei. Bei der eigentlichen Pouchitis sind die Schleimhautulzerationen und Fibrinbeläge im gesamten Pouch ohne Betonung einer Region nachzuweisen. Therapeutisch erfordern die Anastomosenstenosen nach Antibiotikagabe eine Bougierung. Mehrere Sitzungen im Abstand von 2–3 Wochen lassen eine frühe Restenose vermeiden. Ein zu großes Pouchvolumen bei inzwischen ungenügender Kontraktionsfähigkeit der Darmwand ist operativ durch Pouchverkleinerung, ggf. durch Neuanlage des Pouches, zu korrigieren. P Standardoperation bei Colitis ulcerosa ist die laparoskopische restaurative Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch bei akzeptabler perioperativer Morbidität und guten funktionellen Ergebnissen. Prinzip der chirurgischen Technik Zur chirurgischen Technik der Darmanastomosen ist festzuhalten, dass durch den Einsatz der Klammernaht im Vergleich zur Handnaht keine Unterschiede in der Häufigkeit von Anastomoseninsuffizienzen oder Fisteln bei Colitis ulcerosa und M. Crohn sowie der Rezidive und der Dauer des rezidivfreien Intervalls beim M. Crohn bestehen. Seitzu-Seit-Anastomosen haben keinen Einfluss auf die Rezidiventstehung. Wegen der Gefahr der bakteriellen Überwucherung ist dabei die Ausbildung eines Blindsacks zu vermeiden. Die laparoskopische Operationstechnik als Standardverfahren unterscheidet sich beim M. Crohn von der konventionellen Technik, auch in Kombination mit dem fast-track-Konzept, nur durch eine schnellere Rekonvaleszenz und damit der Hospitalisation um 1 Tag. Wesentlicher Vorteil ist der Komfort des Patienten und das kosmetische Resultat, das gerade bei jüngeren Patienten eine günstige psychologische Wirkung beinhaltet (Milson 2001). Auch bei wiederholten Eingriffen wegen eines erneuten Rezidivs können diese überwiegend laparoskopisch durchgeführt werden. Bei der Colitis ulcerosa werden zusätzlich die perioperativen Komplikationen, insbesondere beim einzeitigen Verfahren, und der Analgetikaverbrauch reduziert (Marcello et al. 2001). P Die laparoskopische Operationstechnik reduziert die perioperative Morbidität und verbessert neben dem kosmetischen Ergebnis den Komfort des Patienten. Chirurgie und Immunsuppression Hauptproblem in der Therapie des M. Crohn ist das Rezidiv, unabhängig davon, ob medikamentös oder chirurgisch behandelt wurde. Die primäre Therapie der aktiven Erkrankung erfolgt medikamentös nach den Definitionen gemäß den S3-Leitlinien beim M. Crohn. Sowohl bei der Top-down- als auch bei der Bottom-up-Strategie kommt die Kombination von Glukokortikoiden, Immunsuppressiva und ggf. Anti-TNFα-Antikörpern zur Anwendung. Gerade die massive und wiederholte Anwendung der Immunsuppressiva wie Azathioprin u. a. führt bei einer notwendigen Operation sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa zu einer erheblichen Zunahme der perioperativen Morbidität. Beim M. Crohn erhöht Azathioprin die Rate von Insuffizienzen, Fisteln und septischen Komplikationen von 6% auf 13%, verglichen mit Crohn-Patienten ohne Immunsuppression (Tab. 3). Die Rate der Reoperationen steigt von 9% auf 20% (Myrelid et al. 2009). Nach eigenen Untersuchungen steigt bei der Colitis ulcerosa die Rate der septischen, teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen von 13% auf 53%, die Rate der Anastomoseninsuffizienz um das 3,5-Fache auf 23%. Die Wirkung von Azathioprin auf das Immunsystem ist nach Absetzen noch bis zu 3 Monate nachweisbar und sollte bei einer geplanten resezierenden Operation für den Fall der Erweiterung der medikamentösen Therapie berücksichtigt werden. P Die exzessive immunsuppressive Therapie mit Kortikoiden, Azathioprin und Anti-TNFα-Antikörpern erhöht die operative Komplikationsrate um das 3–5-Fache. 42 Präoperative Immuntherapie (Azathioprin/6­Mercaptopurin) bei Morbus Crohn AZA (–) AZA (+) Insuffizienz, Fistel, Abszess 18/292 (6%) 8/51 (13%) Reoperation 25/292 (9%) 8/51 (20%) Risikofaktoren Operationen (n) Komplikationen (n) Keine 219 8 (3,7%) 1 107 14 (13%) 2 15 3 (20%) Tab. 3 Risikofaktoren: Kolokolonische Anastomosen, präoperative Fisteln, AZA/6-MP Myrelid et al. Dis Colon Rectum 2009 Aus diesen Erfahrungen gilt für den M. Crohn bei den genannten Indikationen, dass eine elektive Operation im entzündungsfreien Intervall und 3 Monate nach Absetzen der Immunsuppression und Reduktion der Glukokortikoide erfolgen sollte. Wird eine chirurgische Intervention in der akuten Entzündungsphase unter maximaler Immunsuppression notwendig, kann je nach Crohn-Lokalisation der Verzicht auf eine Anastomose mit einer Diskontinuitätsresektion und temporärem Stoma die Morbidität senken. Abszesse werden, wenn immer möglich, auf interventionellem Wege perkutan drainiert. Bei der fulminanten Colitis ulcerosa bzw. beim toxischen Megakolon wird die chirurgische Intervention unter immunsuppressiver Therapie zweizeitig durchgeführt. Nach primärer Kolektomie und Ileostoma erfolgt nach Abklingen der Entzündung, Absetzen der Medikamente und Erholung des Patienten ca. 4 Monate später die Restproktektomie mit ileoanalem Pouch. Der Zeitpunkt der Operation wird in enger Kooperation von Gastroenterologen und Chirurgen unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik und der Intensität der immunsuppressiven Therapie gewählt. Bei Anwendung der Anti-TNFα-Antikörper liegt der Zeitpunkt für eine elektive Operation wegen der kürzeren Wirkdauer 4 Wochen nach der letzten Applikation. Vor Eskalation der Immunsuppression ist die Frage einer notwendigen chirurgischen Intervention zu beurteilen, um die perioperativen Komplikationen einzugrenzen. Die Kontraindikationen wie Fisteln/Abszesse sind zu beachten, ggf. kann eine Exazerbation durch Drainage vermieden werden. Die Therapie der perianalen Crohn-Manifestationen folgt einem entsprechenden Prinzip. Während der aktiven Entzündungsphase unter Therapie mit Glukokortikoiden und Immunsuppressiva werden perianale Abszesse oder submuköse Fisteln gespalten und transsphinktere Fisteln mit einem Faden drainiert. Nach Abklingen des Entzündungsschubs und Absetzen der medikamentösen Therapie können die Fisteln definitiv durch Advancement Flap oder ggf. einen AFP-Plug verschlossen werden. Fistelsysteme mit rezidivierenden Abszessen werden drainiert und die Entzündung wird durch Ausschaltung über ein temporäres Ileostoma zum Abklingen gebracht. Eine definitive Therapie erfolgt auch hier im entzündungs- und medikamentenfreien Intervall. Werden Fisteln unter Glukokortikoid- und immunsuppressiver Therapie verschlossen, liegt nach eigenen Untersuchungen die Rate der Frührezidive (bis 4 Wochen postoperativ) bei 36% gegenüber 11% ohne medikamentöse Therapie. P Die operative Therapie der perianalen Crohn-Fisteln unter Immunsuppression wird durch Heilungsstörungen und eine überproportionale Zahl an Frührezidiven belastet. 43 Fazit Der intensive und wiederholte Einsatz von Immunsuppressiva und Anti-TNFα-Antikörpern hat zwar zu einer Reduktion der extensiven chirurgischen Eingriffe beim M. Crohn geführt, die Gesamtzahl der Operationen sowohl beim M. Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa wurde jedoch nicht reduziert. Die Operationen werden lediglich zeitlich aufgeschoben und erfolgen dann unter ungünstigen Voraussetzungen. Indikationen und chirurgische Operationsverfahren mit Einschluss der laparoskopischen Operationstechnik sind seit Jahren standardisiert und haben sich gemäß den Leitlinien nicht geändert. Nach den bisherigen Erfahrungen wird bei einer elektiven Operation unter hoch dosierter immunsuppressiver Therapie die postoperative Komplikationsrate bei den CED um das 3–5-Fache erhöht. Bei einer Operation in der akuten Entzündungsphase kann die Morbidität durch Verzicht auf eine Anastomose durch Diskontinuitätsresektion und temporäres Ileostoma gesenkt werden. Unter Beachtung der Wirkdauer von Azathioprin oder der Anti-TNFα-Antikörper sollte der Operationszeitpunkt in interdisziplinärer Kooperation gewählt werden. Zu empfehlende Literatur Literatur 1 Cosnes J, Nion-Larmurier I, Beaugerie L, Afchain P, Tiret E, Gendre JP. Impact of the increasing use of immunosuppressants in Crohn’s disease on the need for intestinal surgery. Gut 2005; 54: 237–241. 2 Eaden JA, Abrams KR, Mayberry JF. The risk of colorectal cancer in ulcerative colitis: a meta-analysis. Gut 2001; 48: 526–535. 3 Ekbom A, Helmick C, Zack M, Adami HO. Ulcerative colitis and colorectal cancer. A population-based study. N Engl J Med 1990; 323: 1228–1233. 4 European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO). European evidence based consensus on the diagnosis and management of Crohn’s disease. 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Azathioprine and 6-mercaptopurine for the prevention of postoperative recurrence in Crohn’s disease: a meta-analysis. Am J Gastroenterol 2009; 104: 2089–2096. 12 Soetikno RM, Lin OS, Heidenreich PA, Young HS, Blackstone MO. Increased risk of colorectal neoplasia in patients with primary sclerosing cholangitis and ulcerative colitis: a meta-analysis. Gastrointest Endosc 2002; 56: 48–54. 45 Fragen zur chirurgischen Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Falk Gastro-Kolleg Darm Frage 1: Welche chirurgische Strategie ist beim Morbus Crohn anzuwenden? EE EE EE EE EE Keine Operation, da ein Rezidiv nicht vermieden werden kann Extensive Operation, da die Rezidivwahrscheinlichkeit geringer ist Bei Colitis keine Darmanastomosen, prinzipiell Stomaanlage Darmsparende Operation, Vermeidung der Kurzdarmgefahr Sofortige Resektion bei Subileus/Ileus im akuten Schub Frage 2: Welche Fisteln stellen eine absolute Operationsindikation dar? EE EE EE EE EE Enterokutane Interenterische Enterokolische Enterovesikale Enterovaginale Frage 3: Welche chirurgische Strategie gilt für die Colitis ulcerosa? EE EE EE EE EE Bitte beachten Sie: Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich. Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro­ Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken! Resektion des befallenen Darmabschnitts Keine Anastomosen, prinzipiell Stomaanlage Hemikolektomie links meist ausreichend Extensive Resektion: restaurative Proktokolektomie Keine Operation bei extraintestinaler Manifestation Frage 4: Welches ist keine absolute Operationsindikation bei Colitis ulcerosa? EE EE EE EE EE Hochgradige intraepitheliale Neoplasie Extraintestinale Manifestation DALM Stenose unklarer Dignität Therapierefraktärer Verlauf Frage 5: Welche therapeutischen Maßnahmen werden bei symptomatischen perinealen Fisteln erfolgreich angewandt? EE EE EE EE EE 1 Antibiotika, Kortikosteroide 2 Immunsuppressiva 3 Operativer Fistelverschluss, solange die Entzündung noch floride ist 4 Fadendrainage 5 Die Antworten 1, 2 und 4 sind richtig Wichtig: Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 46 Frage 6: Wie lässt sich die bakteriell verursachte Pouchitis von der eigentlichen Pouchitis (Colitis­ähnlich) unterscheiden? Durch EE EE EE EE EE laborchemische Entzündungsparameter Magnetresonanz-Tomografie klinische Symptome Endoskopie Computertomografie Falk Gastro-Kolleg Darm Frage 7: Welchen Einfluss hat die Kombination von Glukokortikoiden und Immunsuppressiva (Azathioprin) auf die chirurgische Therapie? EE EE EE EE EE Keinen Verkürzt die Heilung Erhöht die Komplikationen Erleichtert die Präparation Verhindert postoperative Verwachsungen Frage 8: Welchen Vorteil hat die laparoskopische Operationstechnik beim M. Crohn gegenüber der konventionellen Operation? Sie EE EE EE EE EE erleichtert die Operation verbessert den Komfort des Patienten beschleunigt die Wundheilung macht aus einer Darmresektion einen kleinen unkomplizierten Eingriff reduziert das Narkoserisiko Frage 9: Welche Aussage trifft für die Colitis ulcerosa zu? EE EE EE EE Die chirurgische Therapie ist nur bei ca. 40% der Patienten notwendig Es besteht kein erhöhtes Karzinomrisiko Es existieren keine funktionellen Beeinträchtigungen Nach restaurativer Proktokolektomie ist eine Colitis-Medikation weiterhin notwendig EE Es gibt keine extraintestinale Manifestation Frage 10: Welche Aussage über Stenosen des Kolons ist falsch? EE EE EE EE EE Kolonstenosen sollen nur operiert werden, wenn sie funktionell wirksam sind Kolonstenosen müssen immer durch Strikturoplastik operiert werden Die endoskopische Dilatation kann eine Alternative zur Operation sein Ein Karzinom muss bioptisch ausgeschlossen werden Vor einer Operation muss ein Anus praeter angelegt werden 47