Rundschau - BIOspektrum

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Rundschau
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Journal-Club
mit Lothar Jaenicke
Mais-Protease stört die Nährstoffaufnahme von
Die Weiche zur
Raupen
Serinsynthese wird
Pflanzen reagieren auf Insek-
Phosphorylierung/
Dephosphorylierung
im PlectinCytoplasmanetz
Durchfall-auslösende Toxine
von Mollusken (Ocadasäure)
oder Meeresalgen (Microcystine) wirken durch Hemmung von
Proteinphosphatasen (PP) verschiedenen Typs (–1, –2A usw.),
sodass phosphorylierte Signalkettenproteine phosphoryliert
bleiben. Eine Folge ist die Aktivierung des Transkriptionsregulators p53, wodurch Apoptose
ausgelöst wird. Naringin, das
Flavonoid-glycosid aus Grapefruitschalen, greift bei Hepatocyten in diesen Ciculus vitiosus
ein, nicht aber bei Hepatomzellen, was eventuell für eine Chemotherapie von malignem
Wachstum genutzt werden kann.
Die PP dieser Signalkette wurden von A.-K. RUND-LARSSEN et
al., P.O. SEGLEN (J. Biol. Chem.
277 (2002) 34826 –34835) durch
6M Harnstoff/5%PAGE und Immunfärbung mit P-Tyr-gerichtetem Antikörper isoliert. Dabei
fällt ein ca. 500 kDa Makroprotein auf, das zugleich Ocadasäure und Naringin bindet. Es wurde durch tryptischen Fingerabdruck, MALDI und Immunfärbung als das Zell-Verbindeprotein Plectin identifiziert. Nach
dem Hemmverhalten ist es sowohl eine PP-1, als auch eine
PP-2A. Durch Ocadasäure zerfällt das cytoskelettale Plectin
und das Gallenkanälchennetz;
Naringin gibt fast 90% Schutz.
Andere gerichtete Proteinkinase-Hemmer haben keine Wirkung. Ocadasäure induziert die
Naringin-ausgelöste Hemmung
einer Signalkette der eindrucksvollen Akronymenfolge AMPKK/
AMPK/SEK1/JNK/S6K, und vermittelt zwischen Leben und Tod
der Zelle.
tenfraß häufig mit der Bildung
von speziellen Abwehrproteinen, die weiteren Fraßschäden
vorbeugen. Den bislang unbekannten Wirkmechanismus einer 33 kDa-Cystein-Protease,
die in resistenten Maissorten
(Zea mays) bei Befall mit Spodoptera frugiperda-Raupen induziert wird, klärten T. PECHAN et
al., W.P. WILLIAMS (PNAS 99,
13319–13323, 2002) jetzt auf.
Diese Cystein-Protease (398 AS)
gehört zur Papain-Superfamilie
und besitzt Chitin-bindende Aktivität. Ihre Anhäufung korreliert
mit einem um etwa 50% verringerten Wachstum der Raupen.
Fressen die Raupen transformierten Mais-Kallus, der die
Protease überexprimiert, ist ihr
Gewicht um 60–80% gegenüber
mit untransformiertem Kallus
kultivierten Kontrollen reduziert.
Mit Hilfe von Elektronenmikroskopie zeigten die Autoren, dass nach Verzehr von Protease-haltigem Mais oder Kallus
die Peritrophischen Membranen
(PM) der Raupen geschädigt wa-
ren. Die PM bestehen aus Chitin mit Glycoproteinen und Proteoglycanen und umhüllen die
Nahrung im Mitteldarm, sodass
sie den Darm vor physikalischen
und chemischen Verletzungen
schützen. Am meisten waren die
innenliegenden Schichten beschädigt, die am stärksten mit
der Nahrung in Kontakt kamen.
Im Gegensatz dazu waren die
PM von Raupen, die mit nicht
resistenten Pflanzen, untransformiertem Kallus oder mit Kontrollvektor transformiertem Kallus gefüttert worden waren, intakt.
Da die PM wichtig für die
Kompartimentierung während
der Verdauung sind, ist sehr
wahrscheinlich, dass eine Änderung ihrer Zusammensetzung
die Verdauung und Aufnahme
der Nahrung beeinträchtigt. Die
Störung des normalen Austausches von Enzymen und Nährstoffen über die Membranen
hinweg kann zu verringertem
Wachstum der Raupen führen.
Johanna Schmitt, Marburg
Wasserstoffbindungs-Vierbuchstabencode mit
Kontrollzahl
Weshalb hat sich die Natur
aus allen 16 möglichen Basen gerade A, C, G und T(U) zur Nukleinsäure-Paarung ausgewählt?
Auch andere kamen in der Ursuppe vor. Es wird nun von D.
MACDONAILL diskutiert, dass
dies mit einer irrtumsfreien Codierung zusammenhänge, die so
wirkt, wie bei den Strichcodes
unserer Warenhäuser oder den
IS-Nummern bei Büchern und
Anschlussnummern. Aus den
systematischen Arbeiten von
A. ESCHENMOSER und den
Strukturüberlegungen von E.
SZATMÁRTHY schließt er, dass
nur mit diesen vier wasserstoff-
brückenden Basen ein Parity-Bit
in die Alphabet-Information der
Gene angehängt werden kann,
die strikt zwischen Donator und
Acceptor, Pyrimidin und Purin
unterscheidet. Die Zahl muss
gerade sein. Kleine Misspassungen sind zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich. Sie führen
zu Mutationen. Große sind von
vornherein ausgeschlossen. Ungerade Paarungen gibt es nicht
im natürlichen Alphabet. Eine
anregende Sache für Bioinformatiker und Evolutionstheoretiker, überzeugend für die Überzeugten.
durch das Endprodukt
blockiert
3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase (PG-DH) ist das festlegende Enzym der Synthese von
L-Serin aus der Glykolyse nach
der Reaktion 3-Phosphoglycerat
+ NAD+ s 3-Phosphopyruvat +
NADH + H+. Das Schlüsselenzym wird streng durch das Endprodukt der Kette, L-Serin, über
Vmax (nicht wie sonst meist Km!)
kontrolliert. PG-DH gehört zur
Familie der D-HydroxysäureDehydrogenasen, zu der auch
die Dehydrogenasen für Formiat, Lactat oder Glycerat gehören.
Ihre Sequenzhomologie ist etwa
50%; ihre Sequenzidentität 25%.
Die meisten Glieder der Familie sind Dimere, mit Ausnahme
eben der PG-DH, die ein Tetramer aus Dreidomänen-Untereinheiten in Form eines gestreckten Rotationsellipsoids ist.
Die Domänen sind das Bindeprotein für den Cofaktor (NBD),
für das Substrat (SBD) und für
den Regler (RBD). Die Regelung geschieht nicht dadurch,
dass das Tetramere zu Dimeren
dissoziiert, sondern durch eine
Umlagerung des Aggregats im
Gelenkstück des RBD beim
Binden von Serin. Dadurch wird
das Scharnier versteift, das Aktive Zentrum im Auf-Zustand gesperrt und kann kein Substrat
mehr binden. J.K. BELL et al.,
G.A. GRANT, L.J. BANSZAK (Eur.
J. Biochem. 269 (2002) 4176 –
4184) messen mit dem molekularbiologisch hergestellten
Chimär-Enzym NBD-SBD im
Steady State unveränderte katalytische und kinetische Parameter, aber eine hohe Thermolabilität. Auch dreht sich das
Rumpfenzym nicht mehr zur geschlossenen Konformation. In
inverser Perspektive ähnelt das
der Festlegung von tetramerem
Hämoglobin durch Einbinden
von Polysäuren in den Tetradenzwickel, wodurch das Aggregat versteift wird.
BIOspektrum · 2/03 · 9. Jahrgang
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Das bakterielle Thermometer wirkt wie ein
Rückkopplungskontrolle der Proteinsynthese im
Bimetall-Thermoschalter
Ribosom
Manche Bakterien werden in
ihrer Lebensnische unter ganz
definierten Milieubedingungen
pathogen. Zu ihnen gehören
Listerien, die im Freien harmlos
sind, im Körper bei 37 °C aber
neue Gene für Infizierung, Hämo- und Phospholipolyse anschalten, sodass sie für Immunschwache und Schwangere gefährlich werden können. Der
Schalthebel ist die Kontrolle des
Transkriptionsregulators PfrA,
eines 233 Aminosäure-Polypeptids (P. CORRAT, M. LECUIT,
EMBOJ 17 (1998) 3797 – 3806).
Dessen Expression wird durch
Wärme reguliert, indem ihre untranslatierte mRNA (UTR) aus
einer inaktiven in eine Ribosomenbinde-Struktur übergeht,
denn ihre Konformation ändert
sich thermisch so, dass die ShineDelgano-Sequenz oberhalb von
30° aufgeht, zur Expression des
PrfA und damit zur Virulenz
führt, wie P. MANDLIN et al.,
P. COSSART (Cell 110 (2002)
551–561) mitteilen. Eine solche
Konformationsänderung der
UTR vor pfrA zwischen einer
suboptimalen Faltung, bei der
das 5’-Ende des RNA-Stiels mit
dem Shine-Delgano-Dublett der
pfrA interagiert und dadurch die
Ribosomenbindung behindert
und einer optimalen bindenden
Form übergeht, wurde zunächst
in silico berechnet und nun durch
chemische Sonden, native Gelelektrophorese, in vitro-Translation und gezielte kompensatorische und stabilisierende Mutationen bewiesen. Fusionsproteine in E. coli aus dem PfrA und
dem Grünfluoreszenzprotein
zeigen ebenfalls beim Übergang
auf 37 °C Aktivierung. Es sind
keine anderen Faktoren nötig.
Die Hitzekontrolle der Synthese rhizobieller Hitzeschockproteine (A. NOCKER et al., H.
HENNECKE, F. NARBERHAUS,
Nucleic Acids Res. 29 (2001)
4800–4807) lässt sich wohl in
gleicher Weise erklären.
Man kennt nun die Struktur
des Ribosoms mit allen Komponenten, durch die die Proteinsynthese in ihm katalysiert wird,
den Acceptor- und Polymerisationsort, die Editorialschranke,
die Matern-RNA und die Decodierungsstelle, den Ausgangstunnel mit seinem Flaschenhals,
an dessen Eingang das Peptidyltransferasezentrum steht.
Das Ganze bildet einen Kanal,
an dessen Eingang eine Schleuse wacht, der aber mit Schleifen
von RNA ausgekleidet ist und
dadurch Engen und Weiten hat,
mit denen er sich durch die Mitte der 50S-Untereinheit zieht.
Diese RNA-Schleifen haben
Affinität zu bestimmten wachsenden Peptidketten und kontrollieren dadurch den Fortgang
der Peptidsynthese. Ein überzeugendes Beispiel für solche
Kontrolle geben F. GING und
C. YANOFSKY (Science 297 (2002)
1864 – 1867) bei der Synthese
der Tryptophanase von E. coli.
CH..O-Kontaktkleber für Proteine
Wasserstoffbindungen zwischen N- und O-Atomen sind
überall die Stabilisatoren von
Makromolekülstrukturen, bekannt und experimentell gut untersucht. Dagegen steht es anders mit den CH..O-Kontakten,
die zwischen parallelen und
antiparallelen β-Faltblatt-Proteinen aber auch zwischen benachbarten α-Helices sterisch
möglich und wohl auch genutzt
sind. Man betrachtet sie heute
zunehmend als regelrechte Wasserstoffbindungen und findet
passende Verhältnisse auch an
Berührungsflächen von ProteinUntereinheiten. Es sind zwar
nur schwache Wechselbindungen, aber ihre Zahl kann groß
sein. Rechnungen dazu stellen
L. JIAN und L. LAI (J. Biol. Chem.
277 (2002) 377-2 – 37740) an.
Die berechnete Energie hat ein
Tal bei 3.4 Å und zeigt die typischen Charakteristika von Wasserstoffbindungen, bestätigt damit die ab initio-Quantenrechnungen von S. SCHEINER, T. KAR
und Y. GU (J. Biol. Chem. 276
(2001) 9832 – 9840). Die Potenziale von 469 Protein/ProteinWechselwirkungen wurden benutzt, um die verschiedenen Typen von nicht-covalenten oder
ionischen Bindungen zu ermitteln. Im Ergebnis überwiegen
hydrophobe Kräfte (50%), gefolgt von Wasserstoffbindungen
zwischen N und O, aber der
CH..O-Anteil liegt mit 17%
durchaus markant, kann sogar
bis auf 40 oder 50% steigen. Die
Bindungsenergie errechnet sich
zu -1 bis -2 kJ/Mol; die C..OAbstände zu 3.2 bis 3.4 Å, die
H..O-Abstände zu 2.1 bis 2.5 Å;
die Winkelung liegt zwischen
125° und 160°. Die Geometrie
zwischen benachbarten β-Strängen und α-Helices ist durch die
auffällig gegabelte Wasserstoffbindung an den CαH..OVerbrückungen charakterisiert.
Durch die Vernetzungen erhalten Kontaktflächen von Proteinen erhebliche Zusatzklebefähigkeit und wird die Assoziation der Makromoleküle stabilisiert.
Dieses katabole Enzym katalysiert den Abbau von Tryptophan
(Trp) zu Indol, Pyruvat und Ammoniak, und sein Operon ist
hochgradig durch Katabolitrepression und Trp-induzierte Antitermination justiert.
Ein Induktionsort, der durch
Trp aktiviert wird, entsteht im
arbeitenden Ribosom während
der Synthese von TnaC, dem 25Aminosäuren-Führungspeptid,
an dessen Position 12 das Regelungs-kritischte Trp sitzt. Es
hemmt das Freisetzen des RF2
am tnaC-Stopcodon. Es wird
nun gezeigt, dass Trp12 durch
den Tryptophanyl-Teil von beladener tRNATrp ersetzt werden
kann. Das heißt, die RibosomenA-Stelle ist nach Belegung durch
das Schaltelement der Ort der
Induktion. Für diese ist es wesentlich, dass Trp12 des wachsenden TnaC-Peptids ordnungsgemäß besetzt ist. Das
heißt, es gibt bei der Peptid-Synthese am Ribosom kommunikative Fernwirkungen, die Fortgang und Schluss der Vorgänge
im translatierenden Ribosom
kontrollieren. In der Sequenz
der wachsenden (hier TnaC)
Peptidkette steckt Information,
die dem translatierenden Ribosom vermittelt und umgesetzt
wird, um die Bindung einer
Schlüssel-Aminosäure an das Ribosom zu regeln. Dadurch lässt
sich entweder die Geschwindigkeit der Kettenverlängerung
oder die co-translationale Faltung oder – in Konkurrenz – ein
Freisetzungsfaktor kontrollieren, durch den das Ribosom zum
Halt an einer Stelle, die für die
Bindung eines Rho-Faktors
nötig ist, gezwungen wird. Dies
sind vermutlich Einengungen
durch bestimmte RNA-Schleifen im Flaschenhals des Tunnels.
BIOspektrum · 2/03 · 9. Jahrgang
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Fluoro-Poren zur Serienanalyse
Das analytische Auswerten
großer Probenzahlen in den verschiedenen -omics ruft nach einfachen und anpassungsfähigen
Methoden. Die immunologischen Verfahren sind zwar extrem empfindlich und spezifisch, aber wenig flexibel; man
braucht für jeden Stoff einen eigenen Antikörper. Ein geschickter Schachzug in diesem Spiel
ist, die Selektivität von natürlichen (H. BAYLEY & P.S. CREMER,
Nature 413 (2001) 226 – 230) oder
synthetischen (G. DAS et al., S.
Matile, ChembioChem 3 (2002)
1089 – 1091) Membranporen
auszunutzen und die durch die
durchtretenden Ionen entstehenden Potenziale elektrochemisch zu messen. Eine noch intelligentere fluorometrische Methode schlagen nun G. DAS, P.
TALUKDAR & S. MATILE (Science
298 (2002) 1600 – 1602) vor. Sie
bauen selbstassemblierende
supramolekulare Poren in (Eigelb)Phosphatidylcholin-Vesikel
ein, die mit dem anionischen
Fluoreszenzfarbstoff 5(6)-Carboxyfluorescein in selbst-quenchender Konzentration gefüllt
sind. Die Poren sind ein selbstaggregierendes β-Fass, dessen
Dauben p-Octaphenyl-Ketten
von etwa der Länge der Lipiddoppelschicht-Dicke ist. Die
aromatischen Ringe stehen
übereinander in rechten Winkeln. Sie sind über O-CH2Carboxygruppen mit ungradzahligen Oligopeptiden substituiert, deren ungradzahlige
Reste hydrophob, deren gradzahlige Reste ionisiert sind. Hier
hat man es durch die Auswahl in
der Hand, die gegebenen Minimum-Dissoziationskonstanten
der Analyten (KD) anzupassen.
Die Seitenketten jeder Daube
wechselwirken miteinander (s.
G.M. WHITESIDES et al., Acc.
Vernetzung von
Chem. Res. 28 (1995) 37) zu einem
β-Faltblatt, das sich zu einem
Stäbchen-Zylinder rollt, der
außen hydrophob in der Vesikelmembran steckt und sie
durchdringt, innen mit den ionischen Aminosäure-Seitenketten
austapeziert ist. Durch diese
„Pore“ können niedermolekulare, auch fluoreszierende Stoffe
diffundieren. Werden Mg2+-Ionen zugefügt, binden diese an
die sauren Innengruppen und
schließen die Pore, quenchen
damit die Fluoreszenz im Inneren der Vesikel. Gibt man nun
aber konkurrierende ionische
Moleküle als Analyte hinzu, werden die Ionen-permeablen Poren je nach den KD-Werten des
Analyten oder, bei enzymatischen Reaktionen, der Bindungsverhältnisse zwischen
Substrat und Produkt aktiviert
(oder deaktiviert), was leicht
durch das Auslecken der Fluoreszenz verfolgt werden kann.
Je nach Größe und Ladung der
Reste auf der Innenfläche und
der Affinität der Analyten ändert
sich die Permeabilität, sodass
sich die Konzentrationsverhältnisse zum Beispiel in einer Mikrotiterplatte vergleichen oder
Kinetiken in einer Küvette messen lassen. Als enzymatische
Reaktionen zur Demonstration
verwendet wurde die Apyrase,
die Aldolase, die alkalische
Phosphatase und die Gatactosyltransferase.
Die Fluoreszenz-Austrittsstärke ist eine gut zu manipulierende Größe, die sich unabhängig von der eigenen Struktur von
Substrat oder Produkt des Analyten bis hinunter in den Nanomol-Bereich empfindlich messen lässt.
Protein/DNAKomplexen durch
Schwefel-Lost
O6 von Guanin ist besonders
reaktionsfähig und wird in DNA
leicht alkyliert, wodurch Mutationsgefahr besteht. Eine spezifische Alkyl-Guanin-Transferase (AGT) schützt. Ein merkwürdiger Befund aber ist, dass
1,2-Dibromethan durch die
AGTs verschiedener Organismen nicht entgiftet wird und
deshalb als Carcinogen erkannt
(und verbannt) worden ist. Der
Grund für die paradoxe Toxizität
liegt nach L. LIU et al., F.P. GIENGERICH (J. Biol. Chem. 277 (2002)
37920 – 37928) darin, dass
Br(CH2)2Br mit einer spezifischen Cystein-SH-Gruppe ein
Addukt eingeht, das zu einem
Episulfonium(-S+ = (CH2)2)-Ion
cyclisiert, das rasch mit Nucleophilen (O oder N) reagiert. In
vitro wurde mit der gereinigten,
rekombinierten AGT vom
Menschen der Ort des „HalbSchwefellosts“ gefunden: C145
im tryptischen Dodekapeptid
G136X7C145XR147. Diese hochreaktive Zwischenverbindung reagiert dann mit Basen der DNA
und vernetzt so das Gen-Material; sonst reagiert es mit Wasser
zum Peptidyl-Cys-S-(CH2)2OH
ab. Dies ist ein neuartiger Mechanismus zur Erzeugung eines
toxischen Gen-Schadens, angerichtet durch die Affinität des
AGT-Proteins zu DNA-Abschnitten, wodurch die potenziellen Reaktanden zusammengebracht werden. Der chemische Mechanismus selbst hat
seine Präzedenz in der Reaktion
von Di-bromethan mit Glutathion durch eine Glutathion-STransferase, die aber keine Affinität zu DNA hat, sondern zu
einer P450-Monooxigenase, sodass als Produkt über 2-Bromacetaldehyd 2-Bromethanol entsteht (N.S. GRAY et al., P.G.
SCHULTZ, Science 281 (1998)).
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