„Gemeinsame Aktivitäten zwischen Muslimen und

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„Gemeinsame Aktivitäten zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden“:
Eine detaillierte Übersicht über die Ergebnisse des Projektträgertreffens am
22./23.01.2013 im Bundesamt in Nürnberg
1. Die Referenten beschrieben alle eine ähnliche Ausgangssituation, die die Notwendigkeit gemeinschaftlichen Handelns von Polizei und muslimischen Bürgern deutlich machte:
•
Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im jeweiligen Viertel/in der jeweiligen
Stadt ist hoch.
•
Die Situation einiger Migrantenjugendlichen ist gekennzeichnet durch mangelnde
Sprachkenntnisse, Schulabbruch, Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Perspektivlosigkeit,
Unkenntnis über bestehende Hilfsangebote.
•
Es besteht die Gefahr der Gewalttätigkeit und der Zuwendung zu kriminellen oder extremistischen Gruppierungen.
•
Von den bestehenden Freizeitangeboten gehen wenig positive Impulse aus.
•
Polizeiliche Einsätze eskalierten, es herrschte eine aggressive Stimmung gegen Polizisten bis hin zu tätlichen Angriffen.
•
Beide Seiten berichteten von Unwissenheit übereinander und von gegenseitigen Berührungsängsten. So hatten beispielsweise die Migranten kaum Kenntnisse über Zuständigkeiten und Befugnisse der Polizei in Deutschland, bei der Polizei wiederum bestand die
Scheu, eine Moschee zu betreten.
2. Die ins Leben gerufenen gemeinschaftlichen Aktivitäten streben an:
•
sich gegenseitig kennenzulernen: „Der Polizei ein Gesicht geben“, „Polizei erklären“.
•
Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen.
•
ein Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der muslimischen Bevölkerung aufzubauen.
•
die interkulturelle Kompetenz auf beiden Seiten zu steigern: Beispielsweise Handlungssicherheit an religiösen Orten oder im Umgang mit muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu erlangen oder Verständnis für das polizeiliche Vorgehen zu wecken.
•
gefährdete Jugendliche einzubinden, die Kriminalität unter Jugendlichen zu vermindern,
radikalen Tendenzen entgegenzuwirken, polizeiliche Einsätze zu deeskalieren.
•
die Dialogbereitschaft zu fördern und Konflikte gewaltfrei zu lösen.
•
Netzwerke aufzubauen.
•
bestehenden Hilfsangebote auszubauen und bekanntzumachen, z.B. Opferschutz.
•
das Freizeitangebot zu erweitern.
3. Die Referenten stellten ein breites Spektrum an Angeboten im Rahmen der Kooperationsprojekte vor:
•
•
•
Einige Angebote binden die Polizeibeamten und die Muslime gleichermaßen ein, wie bei
gemeinsamen sportlichen Aktivitäten, Wettkämpfen gegeneinander, gemeinsames Kochen oder Grillen und die gegenseitige Einladung zu Festen.
Andere wenden sich insbesondere an die muslimische Bevölkerung, wie
• Informationsveranstaltungen über Aufgaben und Befugnisse der Polizei
• Seminarangebote aus der polizeilichen Prävention (Drogen, Gewalt, Internet)
• Freizeitangebote
• Schaffung eines Jugendtreffs mit Kletterwand
• Training zur Zivilcourage
• Anti-Rassismus-Training
• Anti-Gewalt-Training
• Selbstbehauptungstraining für muslimische Mädchen
• Film-und Theaterprojekte
• Fotografieren
• Besichtigung einer Jugendvollzugsanstalt
• Einstellungsberatung/Werbung für den Polizeiberuf
Andere wiederum dienen der Kompetenzerweiterung der Polizisten:
• Interkulturelle Schulungen
• Vorträge zu Islam, Islamismus, Salafismus
• Besuch einer Moschee
4. Eine Fülle von Funktionen übernehmen die polizeilichen und muslimischen Projektträger im Rahmen der gemeinsamen Aktivitäten:
•
Sie sind zuallererst authentische Repräsentanten ihrer jeweiligen Gruppe.
•
Sie können Vorbilder sein.
•
Sie können Ansprechpartner sowie Freund und Helfer sein und von sich aus auf die Jugendlichen zugehen.
•
Sie können Berater sein für:
• die Jugendlichen
• die eigenen Kolleginnen und Kollegen
• andere Behörden
• die ratsuchende Bevölkerung
•
Sie können Vermittler sein:
• von Jugendlichen an unterstützende Institutionen (Arbeitsagentur, Jugendeinrichtungen, Drogenhilfe, Weiterbildungsinstitutionen, Unternehmen etc.)
• von extremistisch gefährdete Jugendlichen an gemäßigte Imame
• von Opfern an Opferschutzorganisationen
• in Konfliktfällen zwischen beiden Seiten
• zwischen allen relevanten muslimischen und nicht-muslimischen Einrichtungen.
•
Sie können Fortbilder sein (z.B. Vorträge halten in der eigenen Behörde oder in Schulen).
5. Folgende Faktoren wurden beispielhaft für den erfolgreichen Verlauf eines gemeinsamen Projektes genannt:
•
Ein engagierter muslimischer Mitbürger wendet sich an die Polizei und bietet seine Zusammenarbeit an. Trifft er dort auf offene Ohren, bestehen gute Chancen für ein gelungenes Kooperationsprojekt.
•
Einige der vorgestellten erfolgreichen Projekte werden von einem freundschaftlich verbundenen Team Polizist-Muslim getragen, die beide mit großem Engagement die Arbeit
voranbringen.
•
Entscheidend ist auch die Häufigkeit der Kontakte und das persönliche Gespräch.
Kleinstprojekte an der Basis können so eine große und nachhaltige Wirkung entfalten.
Ihnen sollte der Vorzug vor einmaligen Großveranstaltungen gegeben werden.
•
In der Regel sind keine großen Finanzmittel erforderlich. Dies ist bei der Ausgestaltung
von Förderprogrammen und Projektwettbewerben zu bedenken. Hier sollten beispielsweise lieber mehr Projekte mit anteilig weniger Preisgeld ausgezeichnet werden.
•
Im Idealfall wäre die Kooperationstätigkeit die einzige Aufgabe des Polizisten. Er sollte
sie aber zumindest mit Freiräumen gestalten können.
•
Die Anzusprechenden dort aufsuchen, wo sie sich in ihrem Alltag ohnehin aufhalten.
•
Schriftliche Vereinbarungen wurden nicht immer als zielführend beurteilt.
6. Eine sichtbare Wertschätzung stärkt die Position sowie die Motivation von Projektträgern und Projektteilnehmenden. Diese Wertschätzung kann in vielfältiger Weise
zum Ausdruck kommen:
Für die polizeilichen und muslimischen Projektträger:
•
Die polizeiliche Behördenleitung wird selbst aktiv, schafft geeignete Rahmenbedingungen, gibt Gestaltungsspielräume und/oder unterstützt das Projekt nach innen und nach
außen.
Die durchführende Organisationseinheit wird weit oben in der Hierarchie angesiedelt, etwa als Stabsstelle beim Präsidenten.
•
Die Vorgesetzten bzw. der Imam und die Verantwortlichen der Dachverbände unterstützen die Projektarbeit.
Mehrmals wurde die Bedeutung der Einbindung der Imame in die Projektarbeit betont.
Hierzu äußerten insbesondere die Vertreter der muslimischen Organisationen, dass die
Imame häufig keine Kenntnisse über die Aufgaben und Grundsätze der deutschen Polizei hätten und oftmals (auch deswegen) Vorbehalte gegenüber gemeinsamen Projekten
bestünden.
•
Die sichtbare Kooperation mit der Polizei oder einer Behörde kann von Muslimen getragene Projekte aufwerten.
•
Die Anwesenheit der Clearingstelle Präventionskooperation vor Ort wird als Zeichen der
Verbundenheit mit der Thematik und Unterstützung seitens des Bundes empfunden.
•
Die Würdigung durch den Innenminister im Rahmen eines Projektwettbewerbs der Initiative Sicherheitspartnerschaft: Wichtig sei nicht die Höhe des Preisgelds gewesen, sondern die Anerkennung, dass vor Ort, manches Mal auch unter widrigen Umständen,
Wichtiges geleistet werde.
Für die Teilnehmenden:
•
Offizielle Einladungen und Preisverleihungen.
•
Ausgabe von Zeugnissen/Urkunden nach Abschluss der Aktivität oder an Multiplikatoren
nach erfolgreicher Qualifizierung.
•
Möglichkeit des öffentlichen Auftritts und Belohnungen für Kinder
•
Dokumentation der Veränderung durch Fotografieren
•
Kontakt mit der Polizei
7. Lässt sich der Erfolg präventiver Maßnahmen messen? Diese vieldiskutierte Frage
konnten die Teilnehmenden des Erfahrungsaustauschs mit Hinweis auf fühlbare
und messbare Veränderungen in ihren Projekten bejahen. Von folgenden Erfolgen
wurde berichtet:
•
Das Interesse an interkulturellen Themen auf Seiten der Polizei hat zugenommen.
•
Ein Teilnehmer bemerkte aufgeschlossenere Kollegen im Hinblick auf seine Kooperationsaktivitäten.
•
Das Verhältnis zwischen Polizei und muslimischer Bevölkerung hat sich in dem betroffenen Bezirk spürbar und nachhaltig verbessert: die Aggressivität hat stark nachgelassen,
Vertrauen ist gewachsen, es herrscht ein kameradschaftliches Verhältnis und eine Gesprächsbereitschaft auf der Straße.
•
Funktionelle Netzwerke sind entstanden.
•
Die Straffälligkeit der beteiligten Jugendlichen ist zurückgegangen.
•
Aufgrund der persönlichen Bekanntschaft konnte eine problematische Situation durch
„Runterreden“ bereinigt werden.
•
Die angebotenen Partizipationsmöglichkeiten werden genutzt.
•
Ehemals straffällige Jugendliche übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben in dem Projekt.
•
Bei den Kooperationspartnern ist ein gegenseitiger Vertrauensgewinn spürbar.
•
Die Werbemaßnahmen der Polizei, Jugendliche mit Migrationshintergrund für den Polizeiberuf zu gewinnen, zeigen erste Erfolge.
8. Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer erfolgreichen Projektarbeit:
•
Der geringe Zeitanteil, der häufig für die Kooperation nur zur Verfügung steht, sowohl auf
polizeilicher als noch viel mehr auf muslimischer Seite, da es sich hier in der Regel um
ein ehrenamtliches Engagement handelt.
Mögliche Lösung: Unterstützungsmöglichkeiten jenseits der Polizei/des Verbands finden
•
•
finanziell: Akquise externer Fördergelder (z.B. städtische Gelder für AntiAggressions-Training, Projektfördertöpfe des Bundesamtes)
externes Knowhow akquirieren
•
Mangelnde Unterstützung und Anerkennung durch die polizeiliche Leitungsebene.
•
Der ein oder andere Polizei-Kollege muss erst von der Notwendigkeit des Projekts überzeugt werden.
•
Dem ehrenamtlichen Engagement sind wirtschaftliche Grenzen gesetzt.
9. Bedeutung einer guten Öffentlichkeitsarbeit:
Für die Polizei:
•
Schulungen für eine angemessene Wortwahl bei der Beschreibung von Situationen, die
in Zusammenhang mit Muslimen/Migranten stehen; Pressemeldungen und Pressegespräche mit der jeweiligen Pressestelle abstimmen.
•
Einbindung der arabischen und türkischen Presse bzw. Zusammenarbeit mit türkischen
und arabischen Journalisten; Aktives Zugehen auf die Presse.
•
Beteiligung an Straßenfesten
•
Öffentlichkeitsarbeit über die Verbände
Allgemein:
•
Nutzung des Internets zur Bekanntmachung von Veranstaltungen und zur Richtigstellung
von falsch dargestellten Sachverhalten.
10. Ausgefallene Ideen:
•
Einladung einer türkischen Polizeitheatergruppe, die häusliche Gewalt und Drogenmissbrauch thematisiert.
•
Heranführen schon jüngerer Kinder an die Polizei.
•
Kenntnis einer „Bedarfssprache“ der Polizei neben Deutsch als Pluspunkt bei der Bewerbung
•
Einstellung von Bewerbern in privatwirtschaftliche Unternehmen aufgrund von Empfehlung der Projektträger, das Zeugnis spielt eine nachgeordnete Rolle.
•
Sich Kennenlernen in überschaubarem Raum (z.B. drei-Straßen-großer Kiez), Großveranstaltungen sind dagegen häufig wirkungslos.
•
Vermittlung einer multikulturellen Selbsthilfegruppe durch die Polizei, jedoch ohne Beteiligung der Polizei: „Mütter helfen Mütter“ im Bereich Drogenproblematik, der kulturelle
Hintergrund wird zweitrangig.
•
Hospitationen ausländischer Polizisten bei deutscher Polizei.
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