Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Management häufiger postoperativer Probleme und Komplikationen Teil 1 1 2 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. C. J. Krones 2, C. D. Klink 1, A. Lambertz 1 Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Katholische Stiftung Marienhospital Aachen In der postoperativen Phase können bei viszeralchirurgischen Dieser Beitrag beschreibt 4 Kasuistiken, deren strukturierte Patienten verschiedene Komplikationen auftreten, die sich Bearbeitung nicht nur den Fall löst, sondern auch Prinzipien schwerwiegend oder sogar lebensbedrohlich entwickeln, aufzeigt, die sich generalisieren lassen. In einem zweiten wenn man sie zu spät erkennt. Eine schnelle Diagnose und Beitrag werden nach dem gleichen Prinzip einige weitere die Durchführung der richtigen Erstmaßnahmen sind für die Kasuistiken dargestellt. Prognose der betroffenen Patienten dann entscheidend. besser „Häufiges ist häufig und Seltenes selten“: banal Einleitung imponierende Prinzipien, die den Alltag aber erheblich erleichtern. Die differenzialdiagnostischen Überlegungen In Anbetracht der oftmals komplexen postoperativen Phy- entwickeln, erhärten oder lösen sich dann im Prozess der siologie viszeralchirurgischer Eingriffe und einer auch Überprüfung der Verdachtsdiagnose. Am Ende steht fast nicht zu unterschätzenden Breite an möglichen Differen- immer die Lösung – nächtliche Notfälle sollten nicht in zialdiagnosen entwickelt sich in der postoperativen Phase den Tagdienst transportiert werden. Übrigens: Wenn insbesondere für jüngere oder klinisch weniger erfahrene man nach konzentrierter Bearbeitung trotzdem nicht Kollegen manchmal eine sehr anspruchsvolle Herausfor- weiter weiß, hilft das Telefon. Es gibt immer einen Ober- derung. Kann man im Tagdienst in solchen Fällen noch schnell kollegiale Hilfe anfordern, steigen Anspruch und Gefahr im Nachtdienst nicht nur gefühlt fast exponentiell Abkürzungen an, denn es ist meist keine schnelle Unterstützung verfügbar. Hier Ruhe und Überblick zu bewahren, um die richti- ABC‑Schema Airways, Breathing, Circulation gen Dinge in der richtigen Reihenfolge tun zu können, ist BGA Blutgasanalyse die zentrale Herausforderung für die jungen Kollegen. BMI Body-Mass-Index DGEM Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin Um diese Aufgabe zu bewältigen, muss man die Medizin GI gastrointestinal jedoch nicht in jedem Dienst neu erfinden. Stattdessen HBV Hepatitis-B‑Virus lassen sich zumeist einfache Raster anwenden. HCV Hepatitis-C‑Virus HIV humanes Immundefizienzvirus HTR hämolytische Transfusionsreaktion zu nehmen. Kaum etwas ist gefährlicher als eine ernste PDK Periduralkatheter klinische Bedrohung zu unterschätzen. TACO Transfusion associated circulatory Overload TRALI transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz Aus der ersten Befunderhebung muss sich eine Arbeits- TVT tiefe Venenthrombose hypothese entwickeln, die dann konsequent bestätigt ZVD zentraler Venendruck ▸ An erster Stelle steht, das Problem wahr- und ernst oder abgelehnt wird. Hier gilt „first things first“ oder Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 ŒDOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1358088 ŒVNR 2760512015147124008 19 Perioperative Medizin arzt, der auch von zu Hause aus bereit ist, dem unerfahreneren Kollegen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Luftnot und Thoraxschmerz: Lungenembolie Damit man jedoch nicht bei jeder unerwarteten Wendung auf noch nicht ganz sicherem Terrain zum Telefon Hintergrund und Klinik plarisch einige der häufigsten postoperativen Probleme Das klinische Erscheinungsbild der Lungenembolie reicht und Komplikationen dargestellt und analysiert. Dies ge- in Abhängigkeit von den betroffenen Lungenarterien von schieht natürlich ohne jeden Anspruch auf Vollständig- asymptomatischen Fällen bis hin zu fulminanten Ver- keit – in der Medizin ist nichts unmöglich und keine läufen, die unmittelbar zum Tode des Patienten führen. Konstellation unvorstellbar. Aber Notfallmanagement ist Dementsprechend ist die Diagnose der Lungenembolie auch in der durchaus anspruchsvollen viszeralchirurgi- im klinischen Alltag häufig schwierig. In ca. 90 % der Fälle schen Variante kein Buch mit sieben Siegeln. liegen die Symptome Dyspnoe, Tachypnoe und Thoraxschmerzen entweder einzeln oder in Kombination vor. Ganz am praktischen Alltag orientiert präsentieren wir in Außerdem kann es zu Husten und Hämoptysen kommen. diesem Teil 4 Beispiele, die dem Leser Handlungshilfen In ausgeprägten Fällen findet man durch die Rechtsherz- bieten sollen, um die nächste postoperative Komplikati- belastung mit erhöhtem ZVD gestaute Halsvenen bis on, mit der er konfrontiert ist, vielleicht noch frühzeitiger hin zum Schock mit ausgeprägter Hypotonie und Tachy- erkennen und behandeln zu können. kardie (s. Checkliste). Kasuistik Fallbeispiel 1 Ein 64-jähriger Patient klagt bei der Nacht- Drainage ohne jeden Druckschmerz. Die Pflas- eine Laboruntersuchung in Auftrag gegeben. schwester am 5. postoperativen Tag nach ter sind trocken und die Wunden darunter Ein Ultraschall des Abdomens fällt unauffällig Kolonresektion bei Divertikulitis über eine reizlos. Die Easy-Flow-Drainage fördert seröse aus. Danach wird eine CT des Thorax durch- neu aufgetretene Dyspnoe und beidseitige, Flüssigkeit. Der Mann klagt über inspiratorische geführt, die links zentral eine Lungenembolie leichte Thoraxschmerzen. Der Mann ist der Schmerzen im Brustkorb, obwohl er vor nachweist. Die Radiologen stellen im direkten diensthabenden Ärztin persönlich nicht 30 Minuten eine Metamizol-Infusion erhielt. Anschluss sonografisch eine Thrombose in bekannt. Er war auch nicht Thema der Die Lunge ist auskultatorisch frei. Leiste und Oberschenkel rechts dar. Die Ärztin dehnt ihre Untersuchung kon- Mittlerweile trifft das Ergebnis der Labor- sequent aus. Das rechte Bein ist im Seitenver- untersuchung ein: Die D‑Dimere sind erhöht, gleich etwas geschwollen und dazu distal was am 5. postoperativen Tag allerdings nur überwärmt. Der Druck auf die Wade ist auf begrenzt für die weiteren Entscheidungen dieser Seite schmerzhaft, auch nachdem die verwertbar ist. Der Kreislauf bleibt wie die Übergabe im Rahmen der Nachmittagsbesprechung. Sie schätzt den Fall zunächst unkompliziert ein – der PDK ist heute entfernt worden, vielleicht mangelt es an Analgesie –, bleibt aber aufmerksam. Die Nachtschwester informiert auf Nachfrage kurz über die Nebenerkrankungen: anamnestisch besteht eine koronare Herzerkrankung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie eine Adipositas mit einem BMI von 34. Bevor sie sich auf den Weg zur Station macht, bittet die Ärztin, die Kreislaufwerte zu erheben. Beim Eintreffen hat sich die Informationslage verbessert, die Situation aber auch verschärft. Klinisch liegt inzwischen eine Schocksituation vor: Der Patient ist mit einer Herzfrequenz von 130/min tachykard und etwas einschnürenden Unterschenkelkompres- BGA (paO2 = 60 mmHg, paCO2 = 24 mmHg) sionsstrümpfe abgelegt worden sind. Man grenzwertig. misst die Sauerstoffsättigung, die mit 79% eine Hypoxämie aufweist. Der Mann erhält sofort 2 l Sauerstoff über eine Nasensonde. Nach Rückkehr auf die Intensivstation zeigt eine Echokardiografie eine deutliche Rechtsherzbelastung mit rechtsventrikulärer Dila- Die Ärztin orientiert sich über die Zugänge, tation und inverser Septumbewegung. Unter legt einen zweiten Venenverweilkatheter und diesen Bedingungen wird trotz des Nach- begleitet den Patienten nach telefonischer An- blutungsrisikos eine Lysetherapie eingeleitet. kündigung unter dem Verdacht einer Lungen- Die Situation des Patienten bessert sich zu- embolie zur weiteren Diagnostik und Therapie sehends. sofort auf die Intensivstation. Nach Verlassen der Intensivstation wird er mit einem systolischen Blutdruck von Hier werden ein arterieller und ein zentralve- für die Dauer von 6 Monaten mit einem 90 mmHg hypoton. Das Abdomen ist weich nöser Zugang gelegt und parallel der Kreislauf Blutverdünnungspräparat eingestellt. und mit Ausnahme der Austrittsstelle der mittels Dobutamin-Perfusor stabilisiert sowie 20 Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. greifen muss, kann man üben. Dazu werden hier exem- Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Tabelle 1 Checkliste Dyspnoe Tachypnoe Differenzialdiagnose Leitsymptome Thoraxschmerz Lungenembolie n Tachykardie n Tachypnoe n Blutdruckabfall n stärkster Schmerz n Brustkorbenge n Angst n Tachypnoe n Hautemphysem n kein Geräusch n Hustenreiz n Orthopnoe n Fieber n Auswurf n Einsatz der Atemhilfsmuskulatur Tachykardie Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Differenzialdiagnosen bei postoperativer Luftnot und Thoraxschmerz und weitere Leitsymptome, die in der Abgrenzung helfen können. Klinik der Lungenembolie Husten akuter Myokardinfarkt Synkope Zeichen der TVT Hämoptyse Pneumothorax Zyanose Pleuraerguss Risikofaktoren Risikofaktoren für eine Lungenembolie n operatives Trauma n Immobilität n Malignom n frische Frakturen und Wirbelsäulenverletzungen n Thrombembolie in der Vorgeschichte n Übergewicht n orale Kontrazeptiva Pneumonie ▸ Vor allem beim postoperativen Patienten muss man bei akuten Beschwerden der Atemwege eine Lungenembolie erwägen! Diagnostisches Vorgehen Da die in der Checkliste genannten Symptome nicht spe- Auch in der Notfallsituation darf die gezielte Anamnese zifisch sind, kommt eine Reihe von Differenzialdiagnosen und klinische Untersuchung des Patienten nicht ver- wie Myokardinfarkt, Pneumonie, Pneumothorax, Pleura- nachlässigt werden. Initial erfolgt die Einschätzung der erguss und andere in Betracht (Tab. 1). vitalen Bedrohung anhand der Vitalparameter (Blutdruck, Puls, O2-Sättigung, BGA, Labor, EKG) und des kli- In 90% der Fälle kommt der Embolus aus dem Strom- nischen Bildes (Tachypnoe? Kaltschweißigkeit? abdomi- gebiet der V. cava inferior und hier meist aus den tiefen neller Befund? Drainagen?). Erst danach ist bei stabiler Beinvenen, sodass die klinische Untersuchung auch hier Situation die weitere Diagnostik durchzuführen. Die von entscheidender Bedeutung ist. möglicherweise indizierte Verlegung des vital bedrohten ▸ Patienten auf die Intensivstation darf keinesfalls durch Auch und gerade beim Notfall auf Station: Immer der Blick unter die Bettdecke! Obwohl die Lungenembolie in bis zu 20 % der Fälle primär oder idiopathisch, also ohne erkennbares Risikoprofil die Durchführung weiterführender diagnostischer Maßnahmen verzögert werden. ▸ Cave. Bei vital bedrohten Patienten keine weiterfüh- rende Diagnostik auf der Normalstation, sondern erst auftritt, gibt es in den meisten Fällen prädisponierende Stabilisierung und Verlegung auf eine Überwachungs- Faktoren, deren Vorliegen die Diagnosefindung erleich- station! tern kann (s. Infobox „Risikofaktoren“). Das Risikoprofil des einzelnen Patienten kann mithilfe des Geneva-Scores Es folgt die Durchführung einer Thoraxröntgenaufnahme, abgeschätzt werden (Le et al. 2006; s. Infobox „Risiko- um Differenzialdiagnosen wie Pneumothorax oder Pneu- faktoren“). monie auszuschließen. Erhärtet sich dann der Verdacht Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 21 Perioperative Medizin einer Lungenembolie, stellt die Computertomografie des Problemlösungen Thorax mit Kontrastmittel das wichtigste diagnostische Mittel dar. Die CT liefert eine schnelle Diagnose und ist weise der Ventilations-Perfusions-Szintigrafie in der n Sauerstoffgabe über Maske oder Nasensonde Notfallsituation klar überlegen. n Halbsitzende Lagerung und Immobilisation n Bei Schmerzen Analgesie, z. B. mit Pethidin Nach großen viszeralchirurgischen Resektionen kann n ggf. Sedierung, z. B. mit Diazepam erwogen werden, die CT‑Untersuchung des Brustkorbs n ggf. Beginn Heparingabe i. v. direkt mit einer Darstellung des Abdomens zu kombinie- n je nach Blutdruck ggf. Schockbehandlung ren. Dies trifft vor allem auf die Patienten zu, deren Verlauf schon vorher nicht ganz unkompliziert ist. Hier lautet die klinische Kette u. U.: n komplizierter Verlauf n längere Bettlägerigkeit n Thrombose n Lungenembolie Eine laborchemische Erhöhung der D‑Dimere ist bei geringer Spezifität gerade beim früh postoperativen Patienten dagegen kaum aussagekräftig. ▸ Bei Verdacht auf Lungenembolie schnelle CT‑Diagnose anstreben! Therapeutisches Vorgehen und Prävention Nach hämodynamischer und respiratorischer Stabilisierung des Patienten steht bei zentraler Lungenembolie die Abb. 1 n Basismaßnahmen der postoperativen Thromboseprophylaxe beinhalten unter anderem die Verwendung von Kompressionsstrümpfen (Bild: tibanna79/Fotolia). Lyse im Vordergrund. Beim früh postoperativen Patienten muss unbedingt das Blutungsrisiko berücksichtigt werden. Hier ist eine klare Risiko-Nutzen-Abwägung erfor- n die frühzeitige Mobilisation, derlich, die dem erfahrenen Arzt vorbehalten ist. In der n physikalische Maßnahmen wie das Tragen von Kompressionsstrümpfen (Abb. 1) und akut lebensbedrohlichen Situation ist das Blutungsrisiko jedoch in der Regel nachrangig. Um einen optimalen Ef- n in medikamentöse Thromboseprophylaxe durch Antikoagulation. fekt der Lyse zu erreichen, muss diese innerhalb von 48 Stunden nach dem Ereignis gestartet werden, was erneut die Dringlichkeit der schnellen Diagnosefindung unter- Tab. 2 zeigt die Maßnahmen nach Risikogruppen ge- streicht. gliedert (Torbicki et al. 2009). Da es sich bei der Therapie der Lungenembolie um eine Es ist zu beachten, dass es Kontraindikationen für die internistische und intensivmedizinische Domäne han- Anwendung von Thromboseprophylaxestrümpfen gibt: delt, liegt die Aufgabe des Chirurgen zusammenfassend n n der Prävention, n schwere Neuropathien, n der Durchführung der richtigen Akutmaßnahmen in n ausgeprägte periphere Ödeme, der Notfallsituation und n lokale Infekte, der frühzeitigen Diagnosestellung. n Nekrosen, n Verletzungen. n Die postoperative Thromboseprophylaxe gliedert sich dabei je nach Risikogruppe (Tab. 2) in Basismaßnahmen wie 22 kritische periphere arterielle Durchblutungsstörungen, in Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Akutmaßnahmen bei V. a. Lungenembolie bei zusätzlich hoher Spezifität und Sensitivität beispiels- Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Tabelle 2 Risiko für postoperative Thrombembolien Eingriff/Patientenspezifika Thromboseprophylaxe nach Risikogruppen niedriges Risiko n kleine operative Eingriffe n Basismaßnahmen n Verletzung ohne oder mit geringem Weichteilschaden n Kompressionsstrümpfe n kein zusätzliches bzw. nur geringes dispositionelles Risiko n keine medikamentösen Maßnahmen n länger dauernde Operationen n Basismaßnahmen n gelenkübergreifende Immobilisation der unteren Extremität im Hartverband n n arthroskopisch assistierte Gelenkchirurgie an der unteren Extremität Kompressionsstrümpfe (wenn keine Kontraindikation) n kein zusätzliches bzw. nur geringes dispositionelles Risiko n medikamentöse Antikoagulation n größere Eingriffe in der Bauch- und Beckenregion bei malignen Tumoren oder entzündlichen Erkrankungen n Polytrauma, schwerere Verletzungen der Wirbelsäule, des Beckens und/oder der unteren Extremität n größere Eingriffe an Wirbelsäule, Becken, Hüft- oder Kniegelenk n größere operative Eingriffe in Körperhöhlen der Brust-, Bauchund/oder Beckenregion mittleres Risiko hohes Risiko Delir und Aggressivität: Alkoholentzug Hintergrund und Klinik Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Risikogruppen für postoperative Thrombembolien und Thromboseprophylaxe individuell ausgeprägt und übrigens nicht trainierbar. Trainierbar ist nur der Umgang mit der Trunkenheit. ▸ Die Gewöhnung an Alkohol entsteht durch regel- mäßigen Konsum auch kleiner Mengen. Die Alkoholabhängigkeit ist eine häufig auftretende Die frühen Entzugssymptome sind vielfältig. Die Spann- Suchterkrankung, die im Krankenhaus ohne Zugang zu breite reicht vom klassischen Tremor über Schweißaus- Alkohol schnell zu Entzugserscheinungen führen kann. brüche und die Agitation bis zu epileptischen Anfällen. Nach aktuellen Schätzungen gibt es in Deutschland zwi- Die Symptome können schon 12 – 24 Stunden nach der schen 1,3 und 2,5 Millionen Alkoholabhängige, wobei zu letzten Alkoholzufuhr einsetzen. Manchmal wird diese ca. 70% Männer betroffen sind. Im Anamnesegespräch Entwicklung durch die zwischen letztem Konsum und geben die Patienten oft nicht an, dass sie regelmäßig Erstsymptom liegende Narkose maskiert. Alkohol trinken, oder sie verharmlosen ihren Konsum auf ein gesellschaftlich akzeptables Maß. 9,5 Millionen Men- Ohne Gegenmaßnahmen kommen in der nächsten Phase schen in Deutschland konsumieren Alkohol in riskanter Sinnestäuschungen, optische Halluzinationen, Erre- Dosis, nehmen also mehr als 24 g (Männer) bzw. 12 g gungszustände und eine vegetative Instabilität (Fluktua- (Frauen) reinen Alkohol pro Tag zu sich. tion der Vitalparameter) hinzu. Beim voll ausgeprägten Eine körperliche Gewöhnung kann sich aber auch schon vegetative Entgleisung über die Erhöhung von Puls, Blut- bei geringerer Menge einstellen. Neben der Dosis/Menge druck und Atemfrequenz unbehandelt letal verlaufen. ist auch die Regelmäßigkeit für eine Suchtentwicklung Auch eine protrahierte Atemdepression bis zur notfall- entscheidend. Es reichen manchmal schon das Feier- mäßigen Re-Intubation ist möglich. Alkoholentzugsdelir (Delirium tremens) kann die massive abendbier, das tägliche Glas Rotwein zum Fernsehen oder das Tonikum zur Herz- und Kreislaufstärkung zur Sucht- Gerade bei älteren oder multimorbiden Patienten ver- entwicklung aus. Die Aktivität des einzigen alkohol- schlechtert ein postoperatives Delir so die Prognose der abbauenden Enzyms, der Alkoholdehydrogenase, ist Grunderkrankung deutlich. Die unbehandelte Letalitäts- Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 23 Perioperative Medizin Kasuistik Fallbeispiel 2 Ein 54-jähriger Patient ist am 2. postopera- ihrer kontroversen Diskussionshaltung verhar- nächst auf den Verband, um nicht sofort tiven Tag nach laparoskopischer Cholezyst- ren, ist bald die halbe Station in Aufruhr. wieder in einen Konflikt mit dem uneinsich- Nachmittag unruhig und agitiert. Das Pflegepersonal ist besorgt, doch die Situation beruhigt sich beim Eintreffen der Angehörigen zunächst wieder. Der Stationsarzt sieht daraufhin keinen Grund einzugreifen. Erst der durch den Lärm aufgeschreckte erfahrene Kollege aus der Inneren Medizin kann helfen. In einem behutsamen Gespräch schöpft der Patient wieder so viel Vertrauen, dass er sich untersuchen lässt. Die Vitalparameter zeigen eine Hypertonie von 170/90 mmHg und tigen Patienten zu geraten. Mit etwas Überredungskunst lässt sich der Patient in einen Überwachungsbereich bringen. Hier bessert sich die Aggressivität unter der Gabe von Haloperidol etwas. Der Patient ist nun ruhiger und die optischen Halluzinationen verschwinden. In der Nacht wirkt der Mann aber erneut eine Tachykardie von 120/min. Unverändert ist verwirrt und schließlich sogar aggressiv. Die der Kopf gerötet und die Stirn etwas schweißig. Doch die vegetative Entgleisung besteht nach Nachtschwester informiert daraufhin telefo- Die Sauerstoffsättigung liegt bei 94%. Der wie vor. Sie bessert sich erst unter Einsatz nisch den jungen diensthabenden Arzt, der Mann ist Raucher. Der Chirurg überprüft jetzt von Clonidin als perfusorgesteuerte Infusion. sich bei hoher Arbeitsbelastung in der Am- auch den Bauch. Die Wunden sind reizlos. Der Ab 3:15 Uhr schläft der Patient normoton bulanz nur verzögert auf den Weg zur Sta- Patient hatte sich die Pflaster wie auch den und nur noch grenzwertig tachykard. Die tion machen kann und dort ca. 45 Minuten Zugang und die Drainage bereits selbst ent- Situation ist wieder im Griff. Der Dienst- nach der Meldung eintrifft. fernt. Der Drainagebeutel liegt auf dem Boden, habende verzichtet deshalb darauf, seinen er ist gering blutig-serös gefüllt. Der Bauch ist Hintergrund telefonisch über die Verlegung weich und nur etwas meteoristisch gebläht. auf die Intensivstation zu informieren. Auch Die Auskultation der Lunge ist wegen der das Angehörigentelefonat verschiebt er auf Unruhe anspruchsvoll, orientierend aber un- den kommenden Morgen. Er trifft auf einen motorisch unruhigen, schwitzenden Patienten mit hochrotem Kopf. Der Mann nestelt mit einem feinschlägigen Tremor an Bettdecke und Schlafkleidung. Die Kontaktaufnahme ist schwierig – auffällig. Am nächsten Tag gibt die Ehefrau wertvolle der Patient ist empört. Die Nachtschwester, Bei Durchsicht der Patientenakte fällt eine Hinweise auf ein seit Jahren bestehendes die die Wartezeit bis zum Eintreffen des Fluktuation bei Puls, Atmung und Körpertem- Alkoholproblem, was der Patient bei der Dienstarztes zwangsläufig überbrücken peratur in den letzten 12 Stunden auf. Die Aufnahme und in der Prämedikation ver- musste, hat ihn in seinem Bewegungsdrang Temperatur ist auch jetzt leicht erhöht. Das am schwiegen hatte. Im Verlauf kann die be- behindert. Das geschah natürlich zum Morgen desselben Tages abgenommene post- ruhigende Medikation zunächst auf eine Schutz des Patienten, der die Notwendigkeit operative Routinelabor zeigt keine Auffällig- orale Gabe umgestellt und dann ausschlei- dieser Maßnahme jedoch nicht einsieht. keiten. chend vermindert werden. Der Patient Er wolle jetzt gehen, denn in diesem Haus laufen überall kleine Tiere an den Zimmerwänden. Als der Dienstarzt diese halluzinatorische Wahrnehmung lächelnd, aber kon- Es wird die Verdachtsdiagnose eines Entzugsdelirs gestellt. Der Internist bringt den diensthabenden Chirurgen auf die richtige Fährte. sequent verneint, eskaliert die Situation: Neue Pflaster werden von dem Patienten Der Mann ruft laut und ausdauernd nach der nicht akzeptiert. Der Dienstarzt setzt jetzt Polizei. Da Schwester und Diensthabender in aber die richtige Priorität und verzichtet zu- bekommt zusätzlich ein Nikotinpflaster. Die Ärzte empfehlen einvernehmlich die Anbindung an die Suchtambulanz der nahe gelegenen psychiatrischen Klinik. rate von bis zu 25% kann aber durch eine rechtzeitige Aber Vorsicht: Die häufigste Ursache für eine Pankreatitis Diagnose und Therapie deutlich reduziert werden. Ins- sind immer noch Gallensteine, und auch nicht jede besondere muss man bei Patienten, die an einer Folge- Leberzirrhose ist alkoholinduziert. Die Diagnose einer erkrankung chronischen Alkoholkonsums wie der Alkoholentzugskrankheit stellt sich damit oft nach dem Pankreatitis, der Leberzirrhose oder einer Ösophagus- Ausschlussprinzip. varizenerkrankung behandelt werden, an die Möglichkeit eines Alkoholentzugs denken. ▸ Nicht jede Pankreatitis und jede Leberzirrhose sind alkoholinduziert! 24 Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. ektomie bei akuter Cholezystitis am Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen Tabelle 3 Da der Alkoholentzug mit dem beschriebenen hohen Differenzialdiagnosen des postoperativen Delirs und mögliches Check-Instrument. Risiko für den Patienten assoziiert ist, sind die schnelle Diagnose und die Therapie von großer Bedeutung. Ein postoperatives Delir hat jedoch eine breite Differenzial- Differenzialdiagnosen des postoperativen Delirs mögliches Check-Instrument Narkotika oder andere Medikamente Pupillen? Hypoxie Pulsoxymetrie? gestörtes Elektrolytgleichgewicht Labor? Infektion Fieber? am Ende eine Ausschlussdiagnose (Tab. 3). Die sichere Diagnose ergibt sich also erst nach kompletter körperlicher Untersuchung und gezielter Eigen- bzw. Fremd- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. diagnose. Der Alkoholentzug ist nur eine Möglichkeit und anamnese. Im konkreten Fall muss der Stationsarzt schon im Tagdienst die Angaben des Pflegepersonals ernst nehmen. Hier war die Situation noch kompensiert, eine gezielte Befragung hätte vielleicht Aufschluss gebracht. In der Hyponatriämie? Labor? Notsituation der Nacht kann man die Checkliste (s. Tab. 3) Wunde? dann strukturiert abarbeiten. Urin? Von ganz besonderer Bedeutung ist es, auf den Patienten Lunge? beruhigend einzuwirken. Kontroverse Diskussionen sind völlig kontraproduktiv. Ein Blick in die Krankenunterla- Flüssigkeitsmangel gen gibt Aufschluss über die Medikamentengabe und die Hautfalten? Urinproduktion? Laborergebnisse. Die Pupillen, die Oxymetrie und die Zunge? Temperatur sind leicht geprüft. Die nächtliche Anamnese kennt die anwesende Nachtschwester. Ein Blick auf Schlafentzug Anamnese der letzten Nächte? Wunde und OP‑Gebiet ist Pflicht. Danach muss man eventuell noch die Laborparameter kontrollieren. Ist jetzt das Vertrauen wiedergewonnen, kann man dazu direkt einen Zugang legen und freie Flüssigkeit einlaufen lassen. Der Zugang ist danach bei Bedarf auch der Weg in eine ▸ Beim frühen postoperativen Delir neben einem Alkoholentzug immer auch an Nikotin denken! angepasste Sedation. Da die Patienten häufig aggressiv und teilweise psychotisch sind, werden als Basistherapeutika Diazepam oder Clomethiazol eingesetzt. Symptomorientiert kann beispielsweise Haloperidol bei Hallu- Peranaler Blutabgang: Nachblutung zinationen oder Clonidin bei vegetativen Entgleisungen gegeben werden. Zur Verhinderung von Entzugskrämp- Hintergrund und Klinik fen kann zusätzlich bei Bedarf Carbamazepin eingesetzt werden. Unterstützend kann man versuchen, mit Thia- Die postoperative Nachblutung ist vor allem deshalb eine min (Vitamin B1) den Verwirrtheitszustand nicht durch gefürchtete Komplikation, weil sie oft erst spät entdeckt ein zusätzlich vorliegendes Wernicke-Syndrom (Vitamin- wird und in der Menge lange nicht ausreichend sicher B1-Mangel) zu aggravieren. Bei der Anwendung der ge- einzuschätzen ist. Bei einer Anastomosenblutung kann nannten Medikamente ist auf eine engmaschige Über- zum Zeitpunkt der Entdeckung durch Entleerung schon wachung der Vitalfunktionen zu achten, da sie häufig der ganze Kolonrahmen gefüllt sein. Der Blutabgang re- zusätzlich atemdepressive Wirkungen aufweisen. präsentiert in einem solchen Fall nur einen geringen Teil der tatsächlich verlorenen Blutmenge. Die Entleerung des Beim Vollbild des Delirium tremens ist eine Behandlung Blutes über den Anus läuft wie bei einer Diarrhö ab, die auf der Intensivstation indiziert. Längerfristig sollten die in der Konsistenz ja ähnlich ist, d. h. der Patient entleert Patienten dann an professionelle Betreuung und Selbst- flüssiges Material mit Druck, sodass häufig die ganze Toi- hilfegruppen angebunden werden. lettenschüssel bespritzt ist. In der Vermischung mit dem Toilettenwasser bleibt jede Mengeneinschätzung dann sehr vage. Es kann trotzdem hilfreich sein, die abgeführte Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 25 Perioperative Medizin Kasuistik Fallbeispiel 3 Ein 62-jähriger Mann fällt am 4. postopera- ZVK versehentlich disloziert: Der Patient war Die Arbeitshypothese ist eine Anastomosen- tiven Tag nach laparoskopischer Rektosig- aufgeregt und die Räumlichkeiten sind eng. blutung. moidresektion wegen Divertikulitis auf der Der Mann ist zurzeit also ohne Zugang. abgang beim Toilettengang auf. Der bisherige postoperative Verlauf war ansonsten eigentlich komplikationslos. Als die diensthabende Ärztin die Meldung erhält, fragt sie als erstes nach Schmerzen. Danach bittet sie die Pflegekraft, den Mann ins Bett zu legen, Blutdruck, Puls und Temperatur zu messen, und begibt sich auf die Station. Als sie dort eintrifft, ist die Menge des Blutverlustes nach dem Toilettengang nicht mehr zu quantifizieren. Der Patient berichtet, dass er Der Transport verläuft unkompliziert. Auf In Seitenlage ist das Gesäß noch etwas blut- der Intensivstation lässt sich sofort eine Blut- verschmiert. Die rektale Austastung ist nicht gasanalyse durchführen. Der Hb liegt bei schmerzhaft, fördert aber Koagel. Die Dienst- 8,7 mg% und weist damit einen Abfall von ärztin erklärt dem Patienten mit kurzen, ruhi- 1,5 mg% gegenüber der Kontrolle von vor gen Worten die Situation und signalisiert damit 2 Tagen auf. Das abgenommene Blut geht vor allem Sicherheit. Zeitgleich legt sie dem zur Laboruntersuchung – die Dienstärztin Patienten zwei großlumige venöse Zugänge, lässt zusätzlich 4 Blutkonserven einkreuzen. um allen Eventualitäten begegnen zu können. Eine Laborkontrolle wird dabei abgenommen. Die letzte Gerinnungskontrolle vor 2 Tagen war Die Chirurgin informiert den Endoskopierufdienst, der sofort ins Haus kommt, und danach ihren Hintergrund, der sich ebenfalls unauffällig. ankündigt. Die Situation ist auf der Intensiv- sich „explosionsartig“ entleert hätte. Die Der Patient erhält Clexane 0,2 als Thrombose- station jetzt entschärft. Bis zum Eintreffen Toilettenschüssel sein dann ganz rot gewe- prophylaxe 1× täglich als subkutane Injektion. kann die Chirurgin deshalb ergänzend noch sen, er habe sofort geschellt. Die Nacht- Die Nachtschwester will ins Labor eilen, aber eine Sonografie des Abdomens durchführen, schwester hält die Menge für relevant, hat die Dienstärztin hält sie zurück, um nicht mit die einen unauffälligen Befund ergibt. aber leider schon abgespült. dem Patienten allein zu bleiben. Eigentlich soll Der Patient ist besorgt, liegt aber schon wieder im Bett. Bei einer Herzfrequenz von 100/min liegt der Blutdruck bei 110/ 60 mmHg. Die Sauerstoffsättigung misst 98%. Der Mann ist schmerzfrei, der PDK läuft noch. Das Abdomen ist weich und ohne Abwehrspannung. Die Drainage fördert serös. Die Wunden sind alle unauffällig. Beim Rücktransport von der Toilette ist der die Nachtwache der Nachbarstation das Blut ins Labor bringen. Da diese aber ebenfalls gerade unabkömmlich ist, disponiert die diensthabende Chirurgin um. Während die Pflegekraft zur Stützung des intravasalen Volumens eine Infusion anhängt, kündigt die Chirurgin den Patienten auf der Intensivstation an. Der Blutverlust ist nicht abschätzbar, es sind Koagel abgegangen, und weitere stehen in der n und mit Clip versorgen lässt. Nach erfolgreicher Therapie informiert die Diensthabende noch telefonisch die Ehefrau des Patienten. Nach Volumengabe sinkt der Hämoglobingehalt auf minimal 7,5 mg%. Der Patient erhält 2 Blutkonserven transfundiert. Er Sie lässt die Schwester nicht sofort zum Labor gehen, nen. Meistens bleibt der erste Eindruck trotzdem unklar oder ▸ an der Anastomose, die sich unterspritzen um den Patienten immer zu zweit betreuen zu kön- wache war in dem oben geschilderten Fall damit falsch. besser unzureichend. startet, bestätigt sich eine arterielle Blutung erholt sich anschließend zügig. Ampulle. Menge zu inspizieren. Das Abspülen durch die Nacht- In der Endoskopie, die 15 Minuten später n Sie organisiert verschiedene Maßnahmen parallel, um Zeitverluste zu minimieren. Bis man die Blutung ausreichend einschätzen kann, n Sie wartet nicht auf der Station das Eintreffen der sollte aus Gründen der Sicherheit die gefährlichste Laborergebnisse ab, sondern transportiert den offen- Differenzialdiagnose angenommen werden – hier eine sichtlich blutenden Patienten direkt auf die Intensiv- größere kreislaufrelevante Blutung. station. Unter dieser Strategie entscheidet sich die Dienstärztin Diagnostische und therapeutische Maßnahmen parallel klugerweise mehrfach für die jeweils vorsichtigere laufen zu lassen, ist ein Prinzip in der Behandlung von Variante: Notfällen. Das darf natürlich nicht unstrukturiert enden, und man muss manche Maßnahmen in ihrer Wirkung zunächst abwarten, um sie bewerten zu können. Den- 26 Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Normalstation durch einen peranalen Blut- Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Potenziell instabile Kreislaufverhältnisse Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen Die akute obere GI‑Blutung kann sich unterschiedlich zeigen. Klassisch ist sicher der sogenannte Teerstuhl Patienten, die potenziell instabile Kreislaufverhältnisse (Meläna), dessen schwarze Färbung durch die Oxidation entwickeln, sollte man immer zu zweit betreuen, um des hämoglobingebundenen Eisens im Kontakt mit Ma- bei einem Kollaps besser reagieren zu können. Allein das gensäure entsteht. Sehr volumenstarke Blutungen im Lagern eines kollabierten Menschen kann eine Einzelperson Magen oder Duodenum können aber auch zu peranalem an die Grenzen führen. Abgang von Frischblut (Hämatochezie) führen. Die KonDieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Prinzip taktzeit hat dann einfach nicht ausgereicht, oder die Menge war zu groß. Außerdem kann es auch zu Bluterbrechen kommen, denn Blut ist ein starkes Emetikum. noch ist auch ein konsequentes Tempo gefragt. Bei Laborbestimmungen muss man berücksichtigen, dass sie Das Leitsymptom der unteren gastrointestinalen Blutung den Status der Abnahme repräsentieren. Bei dyna- ist dagegen immer die Entleerung von frischem Blut. mischen Prozessen wie einer Blutung kann dieser natür- Auch hier gibt es Farbunterschiede, denn bei längerem lich bei Eintreffen längst überholt sein. Verweilen im Darm finden auch hier eine Oxidation und ▸ vor allem eine Vermischung z. B. mit Gallesäften statt. Je Cave. Der Hämoglobinwert bleibt bei der akuten Blutung lange normal! In der postoperativen Phase trennt man frühe von späten Nachblutungen. Frühen Nachblutungen liegt oft ein Pro- dunkler, umso älter ist die Blutung. Die Menge lässt sich danach jedoch nicht abschätzen. ▸ Alle gastrointestinalen Blutungen können sich als frischer peranaler Blutabgang manifestieren! blem der Blutstillung zugrunde. Bei einer Darmanastomose kann z. B. die Klammernaht ein murales Gefäß nicht Je nach klinischem Schweregrad ist – wie in jeder Not- ausreichend sicher gefasst haben. Die Nachblutung kann fallsituation – auch bei der postoperativen Blutung die wie in diesem Fall auch dann auftreten, wenn die Anas- Kontrolle der vitalen Funktionen vorrangig. Vereinfacht tomose intraoperativ mittels Endoskop kontrolliert wur- kann man hier immer nach dem ABC‑Schema vorgehen de. Späte postoperative Blutungen sind häufig aber auch (s. Checkliste). ein Ausdruck eines Defizits in der Blutgerinnung. Dann hat die Stabilisierung der Gerinnung Priorität. Die Atmungssituation ist bereits aus einem gewissen räumlichen Abstand – etwa von der Zimmertür aus – zu Außerhalb der postoperativen Situation unterscheidet beurteilen. Die Kreislaufparameter erhebt die Pflegekraft man Blutungen im gastrointestinalen Bereich: Man bereits nach Alarmierung. Ergänzend werden die Sauer- unterscheidet nach Lokalisation in obere und untere stoffsättigung z. B. über eine Pulsoxymetrie und eine GI‑Blutungen. Dabei dient das Treitz-Band als Orientie- Blutgasanalyse als schnellste Bestimmung des Hämoglo- rungspunkt. bingehalts erhoben. Nun kann man sehr zügig reagieren. Die akute obere gastrointestinale Blutung hat in west- Nach der Anlage von mindestens 2 großlumigen venösen lichen Industrieländern eine Prävalenz von ca. Zugängen erfolgt die Blutabnahme zur Laborkontrolle 50 – 150 Fällen/100 000 Einwohner. Die häufigsten sowie von Kreuzblut für Erythrozytenkonzentrate und Ursachen bleiben trotz rückläufiger Tendenz peptische dann eine erste intravenöse Volumengabe. Das Kreuzblut Magen- und Duodenalgeschwüre, die ca. ⅔ der nicht varikösen oberen gastrointestinalen Blutungen auslösen. Das Duodenalulkus überwiegt dabei gering die gastralen Ulzera, was mit der unterschiedlichen Wandarchitektur zusammenhängen könnte. Checkliste ABC‑Schema Die massive untere gastrointestinale Blutung ist im kli- Airways nischen Alltag seltener. Die Divertikelblutung stellt mit Breathing 20 – 40% sicher die häufigste Ursache. Seltener sind Angiodysplasien, Entzündungen und Tumoren. Circulation Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 27 Perioperative Medizin kann immer noch verworfen werden, wenn es nicht ge- skopie als auch die Koloskopie zum Einsatz. Die Gastro- braucht wird. Eine Volumengabe schadet in der Kreis- skopie geht dabei zumeist vor, da sie eines geringeren laufdepression nie. Aufwandes bedarf und schneller durchzuführen ist. Für eine Koloskopie kann es auch sinnvoll sein, den Darm Für alle weiteren Maßnahmen wählt man ein sicheres zunächst zu spülen, da sonst die Blutungsquelle nicht zu Umfeld – hier die Intensivstation. Bei unklarem Blutver- identifizieren ist. In der postoperativen Situation rückt lust kann eine Sonografie des Abdomens diagnostische dagegen zunächst die Operationswunde – hier also die Hinweise bieten. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen Anastomose – in den Vordergrund. schall manchmal sehr anspruchsvoll. Auch einliegende Endoskopien lassen sich am sichersten auf der Intensiv- Drainagen können als Indikatoren für die Qualität der station durchführen. intraabdominellen Flüssigkeit dienen. Sie drainieren aber gerade intraabdominell durch die postoperativen Substanzverschiebungen im Rahmen von Atmung und Be- ▸ Cave. Die Sedation einer Intervention verstärkt immer die Kreislaufdepression! wegung oft gar nicht den kritischen Bereich und wiegen den Behandler dann in falscher Sicherheit. ▸ Die Substitution von Blut oder Blutprodukten muss differenziert erwogen und durchgeführt werden. Grundsätz- Cave. Die Beurteilung von Drainagen aller Art bietet in allen Lokalisationen nur eine sehr begrenzte Sicherheit! lich ist man heutzutage mit der Gabe deutlich defensiver. Das liegt einerseits an der Transfusionsgesetzgebung, die auch aus infektiologischen Gründen eine sehr strenge In- Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutungsquelle ist dikation verlangt (Abb. 2). Die Gabe von Fremdblut gilt aber natürlich die Endoskopie das diagnostische und gleich- auch als Risikofaktor für Komplikationen. Dahinter stehen zeitig auch therapeutische Mittel der 1. Wahl. Da man vor immunologische Implikationen. Außerdem gibt es selten der Intervention die Lokalisation der Blutung oft nicht schwerwiegende Komplikationen. Eine Übersicht über sicher festlegen kann, kommen dann sowohl die Gastro- Zahlen aus der Schweiz bietet Tab. 4. Tabelle 4 Risiko für Komplikationen durch Fremdbluttransfusion. Risiko Häufigkeit Volumenüberlastung (TACO) 1 : 14 000 Transfusionen1 Fehltransfusion 1 : 20 000 Transfusionen1 schwere allergische Transfusionsreaktion 1 : 20 000 Transfusionen1 hämolytische Transfusionsreaktion (HTR) 1 : 80 000 Transfusionen1 transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) 1 : 140 000 (2002 – 2007)2 1 : 400 000 (2008 – 2010)3 transfusionsassoziierte virale Infektionen HBV 1 : 170 000 Spenden4 HCV 1 : 3 200 000 Spenden4 HIV 1 : 3 400 000 Spenden4 1 2 3 4 28 CH‑Haemovigilance Daten 2010. CH‑Haemovigilance Daten 2002 2007. CH‑Haemovigilance Daten 2008 – 2010. Nationales Referenzzentrum für Infektionen durch Blut und Blutprodukte, 2010. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Abb. 2 n Ob ein hoher Blutverlust durch Transfusionen ausgeglichen werden sollte, muss abhängig vom Einzelfall entschieden werden (Bild: Dynamic Graphics). Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. koaguliertem Blut und gefüllten Darmanteilen im Ultra- Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Tabelle 5 Hämoglobin Anämiezeichen* Risikofaktoren** Transfusion ≤ 60 g/l ja ja ja 60 – 80 g/l ja nein ja nein ja ja nein nein nein ja nein ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein 80 – 100 g/l ≥ 100 g/l * Anämiezeichen: unerklärte Tachykardie, Myokardischämie im EKG, tiefe gemischtvenöse Sättigung, Laktatazidose. ** Risikofaktoren: kardiale Erkrankung, zerebrale Durchblutungsstörung, respiratorische Insuffizienz. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Beispiel für eine Empfehlung zur Bluttransfusion. Abb. 3 n Bei postoperativem Fieber gilt es, die Ursache schnell zu identifizieren (Bild: PhotoDisc). lichem Verständnis ist Fieber nie die Ursache einer Krankheit, sondern eine Reaktion des Organismus auf eine Störung. Deshalb muss man Fieber nicht nur symptomorientiert senken, sondern parallel auch den Auslöser suchen und bekämpfen (Abb. 3). Fieber unterscheidet sich deshalb auch von der Hyperthermie, an der keine Pyrogene beteiligt sind und gegen Es gibt eine Vielzahl an Handlungsempfehlungen, die die daher keine Antipyrese hilft. Bei der Hyperthermie ist untereinander alle etwas variieren. Sinnvoll ist es des- die Regulation des Organismus erschöpft. So ein Kon- halb, interdisziplinär einen hausinternen Standard zu trollverlust kann bei überstarker Erwärmung der Umge- entwickeln, an dem man sich orientieren kann. Die Ent- bung, bei körperlicher Aktivität, bei neurologischen Af- scheidung bleibt dann aber immer noch vom Einzelfall fektionen oder bei der malignen Hyperthermie auftreten. abhängig. Der Hämoglobinspiegel kann übrigens mehrere Stunden lang scheinbar normal bleiben, da es sich um Bedenklich wird es eigentlich erst ab einer Temperatur einen relativen Wert handelt und die Volumenauffüllung von 38,5 °C. Die Kontrolle der Körpertemperatur erfolgt und damit die Verdünnung des Blutes erst verzögert ein- im Hypothalamus. Hier finden sich wärmesensitive Neu- setzen. rone, die im feinen Zusammenspiel mit kältesensitiven ▸ Antagonisten die Körpertemperatur regulieren. PostDer Hämoglobinwert kann bei der akuten Blutung zunächst normwertig bleiben! operativ kommen als Störfaktoren dieser Homöostase eigentlich nur Pyrogene in Betracht. In der Chirurgie stammen Pyrogene vor allem aus Infekten. Je nach Ursa- Ein Beispiel für eine Empfehlung zur Bluttransfusion che ist Fieber deshalb mit unterschiedlichen und oft eher bietet das in Tab. 5 dargestellte Schema. unspezifischen Symptomen behaftet. Zu diesen Symptomen gehören: Postoperatives Fieber und Entzündungslabor: Katheterinfektion Hintergrund und Klinik Unter postoperativem Fieber versteht man vereinfacht eine Erhöhung der Körpertemperatur auf über 38,0 °C. Postoperatives Fieber wird zwischen dem 1. und dem n Schmerzen, n Atemnot, n Husten, n Brennen, n Schlappheit, n Müdigkeit. ▸ Ab 38,5 °C muss eine Fiebersenkung erwogen werden! 10. postoperativen Tag erhoben. Entgegen herkömm- Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 29 Perioperative Medizin Kasuistik Eine 74-jährige Patientin fällt dem Spät- tenunterlagen trotz PDK einige Tage etwas rechter intraabdomineller Befund. Besser dienst am frühen Abend des 6. postoperati- aton und hatte vorgestern noch erbrochen, gesagt: Der Diensthabende findet keine Hin- ven Tages nach konventioneller Sigmaresek- gestern aber endlich abgeführt. Die Labor- weise auf eine Anastomoseninsuffizienz, also tion mit einem Fiebersprung bis 39,2 °C auf. untersuchung vom Morgen zeigt nur eine weder freie Flüssigkeit in größeren Mengen Der Dienstarzt diskutiert nach seiner Alar- grenzwertige Leukozytose. Ein Kaliumdefizit noch eine Darmatonie. Die Nieren sind auch mierung am Telefon zunächst, warum die wurde bereits ausgeglichen. Der Blasenkathe- nicht gestaut. Die Gallenblase wirkt mäßig Stationsbesetzung sich nicht darum geküm- ter ist seit 2 Tagen entfernt, der PDK auch. Die gefüllt, aber bei Druck tut sie nicht weh. mert hat. Doch die sind längst zu Hause, Einstichstelle des PDK ist ebenfalls unauffällig. Ein Röntgenbild des Thorax ist ebenfalls un- und der ruhigen Stationsschwester gelingt Der ZVK läuft und lässt sich aspirieren, die Ein- auffällig. es trotzdem, dem Dienstarzt bereits fern- stichstelle ist auch reizlos. mündlich eine Fiebersenkung abzuringen. Er rät zu Metamizol per Kurzinfusion. Die Schwester bleibt überlegt – Allergie! Sie rate zu Paracetamol. Der Diensthabende ist aufgebracht, hat sich jedoch bei Ankunft auf der Station 30 Minuten später beruhigt. Man besucht zusammen die Patientin, die bei jetzt 38,8 °C immer noch fiebert. Die Frau zittert etwas, fühlt sich aber sonst eigentlich wohl. Inspektorisch fallen zusätzlich rote Wangen auf. Der Chirurg geht ab jetzt geordnet vor. „First things first!“ Der Bauch ist weich, die Wunde sieht reizlos aus. Die einliegende Drainage ist serös. Die Patientin war nach den Patien- Der Diensthabende ist ratlos und bittet um Der Dienstarzt nimmt Blut zur Laborkontrolle Hilfe. Der zufällig in der Ambulanz anwesende ab, die Schwester erhebt einen Urinbefund. Kollege aus der Anästhesie deutet auf den Die Patienten entfiebert jedoch weiterhin zentralen Venenkatheter in der V. jugularis nicht, bleibt aber gelassen. Keine Gefahr? Der interna links, der schon relativ lange liegt. Diensthabende verarztet in der Ambulanz in Nach Abnahme von Blutkulturen wird der der Zwischenzeit umgeknickte Füße, eine Ra- ZVK entfernt und die Spitze eingeschickt. diusfraktur und eine perianale Venenthrombo- Der Chirurg legt einen neuen Zugang. se. Dann ist die Schwester wieder am Telefon – Leukozytose von 15300, sonst keine auffälligen Befunde. Der Urinbefund bleibt uneindeutig. Die Patientin entfiebert nach der nächsten Paracetamol-Gabe endlich. Am nächsten Morgen liegt die Temperatur bei 36,7 °C, Die Patientin wird in die Ambulanz transpor- und die aktuell bestimmten Infektwerte sind tiert. Zum Glück hat der Schüttelfrost auf- rückläufig. Der Diensthabende bleibt im gehört. Jetzt wird sonografiert – der Chirurg Rahmen seiner Morgenrunde jetzt ruhig und hat eine dementsprechende Fortbildung ordnet bis zur Frühbesprechung keine Anti- besucht. Im Ultraschall zeigt sich ein regel- biotikagabe an. Zu den häufigsten Ursachen gehören Seltenere Ursachen sind Pneumonie, Sepsis, Lungen- n Venenverweilkanüleninfektionen, embolie, Cholezystitis, Kolitis oder ein intraabdomineller n Harnwegsinfektionen, Abszess (s. Übersicht). Bei einem chirurgischen Patienten n Wundinfektionen und lassen Fieber und eine Erhöhung der Infektwerte – klas- n Atemwegsinfektionen. sischerweise um den 5. – 7. postoperativen Tag – auch an eine Anastomoseninsuffizienz (die typischerweise am 4. – 7. postoperativen Tag auftritt) denken. Übersicht Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen Häufige Infektquellen für postoperatives Fieber Die Ursachensuche beginnt auch hier – wie eigentlich n Katheter in Gefäßen oder Hohlorganen immer – mit der Anamnese, gefolgt von der körperlichen n Harnwege Untersuchung. Ein kurzes Gespräch mit dem Patienten n Wunde, Einstichstellen und dem Pflegepersonal in Kombination mit einer n Atemwege Durchsicht der Patientendaten und die anschließende n Nahtundichtigkeit am Intestinum körperliche Untersuchung erlauben schon eine sehr gute Orientierung (s. Checkliste). 30 Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Fallbeispiel 4 Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 genüber einem infizierten Hämatom durchaus an- Checkliste Checkliste postoperatives Fieber Infektrisiko Was wurde wann operiert? spruchsvoll. Im Zweifel kann die Punktion oder Spreizung der Wunde pragmatisch helfen. Tiefer liegende Infekte lassen sich im günstigen Fall anhand der Drainagen erkennen. Doch viele Drainagen fördern gar nicht das, was sie fördern sollen, und führen dann eventuell sogar zu falscher Sicherheit. Komplikation Infizierte Wundverhalte werden entlastet. Der Verdacht Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Wie war der bisherige Verlauf? auf tiefer liegende Wundinfekte verlangt in der Regel Gefahr Wie hoch ist die Temperatur? Ist der Kreislauf stabil? → Atmung? Hinweise Wie sehen Wunde und Drainage aus? Neue Schmerzen? bildgebende Diagnostik. ▸ Bei Verdacht auf Anastomoseninsuffizienz CT‑ Abdomen mit wasserlöslichem Kontrastmittel! n Harnwegsinfektionen Die überwiegende Anzahl der Harnwegsinfektionen entstehen im Krankenhaus im Rahmen von Manipulationen Umgebung an den ableitenden Harnwegen. Nach chirurgischen Ein- Wie alt sind die Katheter? griffen sind es vor allem transurethrale Dauerkatheter, Sind die Einstichstellen gereizt? die zu Harnwegsinfektionen führen. Wegen des direkten Zusammenhangs von Manipulation und Infektion gelten viele Harnwegsinfektionen als vermeidbar. Ein Infekt der Harnwege kann sich unterschiedlich Eindeutige Hinweise wie z. B. eine stuhlige Drainage, eine äußern. Schmerzen über der Blase und Fieber bis zum eitrige Einstichstelle eines Katheters oder ein pneumo- Schüttelfrost sowie im aufsteigenden Fall auch Nieren- nisches Atembild verkürzen die zielführende Diagnostik schmerzen sind die Leitsymptome. Harnwegsinfekte im Anschluss natürlich erheblich. Zeitaufwendiger bleibt können aber auch asymptomatisch verlaufen. dagegen die unklare Situation. Hier muss in einer klugen Abwägung von Gefahr und Schnelligkeit kombiniert wer- Erste Maßnahme ist der Wechsel oder besser die Entfer- den, d. h. gefährliche, wahrscheinliche und schnell zu nung des Katheters. Eine Urinprobe geht ins Labor, bei klärende Ursachen haben Priorität. Erst danach kümmert Verdacht auf kompliziertere Keimlage auch eine Urinkul- man sich um seltene Ursachen. tur. Danach startet man zunächst eine Breitbandantibiotikatherapie, die ggf. in den nächsten Tagen an das Er- n Wundinfektionen und tiefer liegende Infekte Wundinfektionen nach operativen Eingriffen sind mittlerweile nicht mehr häufig. Das Risiko korreliert direkt gebnis der Urinkultur angepasst werden muss. ▸ Cave. Nicht alle Bakterien produzieren Nitrit. Es gibt also nitritnegative Harnwegsinfekte! mit der Art des Eingriffs bzw. der Kontamination des Operationsgebiets. Während aseptische Knochen- oder Gelenkeingriffe Infektraten von 2 – 5% aufweisen, liegen Problemlösungen septische Eingriffe je nach Publikation bei bis zu 40 %. Auch patientenspezifische Faktoren wie Diabetes mellitus oder Adipositas und die Art und Dauer des Eingriffs geben wichtige Hinweise. Die Wundinspektion umfasst die typischen Infektzeichen von Rötung, Überwärmung, Schmerz und bei Gelenken Liegedauer von Harnwegskathetern Da der transurethrale Harnwegskatheter der wichtigste Risikofaktor für die nosokomiale Harnwegsinfektion ist, stellt die Vermeidung unnötiger Katheterliegedauer das Grundprinzip aller Präventionskonzepte dar. auch die Fehlfunktion. Subkutane Infekte lassen sich Sobald es vertretbar ist, sollten Katheter aus den Harn- deutlich schlechter feststellen. Auch mithilfe der Sono- wegen entfernt werden. grafie ist die Unterscheidung von subkutanem Fett ge- Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 31 Perioperative Medizin n ▸ Venöse Verweilkatheter Die Entfernung bzw. der Ersatz dieser Katheter sollte aber auch immer anregen, die Indikationen von Infusio- Jeder Katheter besitzt ein Infektionsrisiko. Auch die zum nen und intravenöser Medikation zu überprüfen. Oft lässt Teil hochkomplexen Beschichtungen können die Infekt- sich überraschend viel oralisieren oder absetzen. rate nur senken, aber nicht gänzlich verhindern. induzierte Blutstrominfektion bietet Abb. 4. Das Schema auffälliger Eintrittsstelle wird der Katheterinfekt oft erst richtet sich nach der Leitlinie Parenterale Ernährung der nach dem Ausschlussprinzip erkannt. Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). V.a. katheterinduzierte Bakteriämie oder Fungämie Blutkulturen peripher und aus jedem Katheterlumen gleichzeitig ausgeprägte lokale Infektzeichen z.B. eitrige Sekretion keine oder fragliche lokale Infektzeichen Patient hämodynamisch instabil (RR-Abfall, Katecholamine) und/oder Auftreten eines akuten Sepsissyndroms mit perakutem Temperaturanstieg ZVK entfernen Antibiotikatherapie evaluieren Patient klinisch stabil kein perakuter Temperaturanstieg ZVK vorläufig belassen Antibiotikatherapie evaluieren Blutkulturen negativ und ZVK-Kulturen negativ Blutkulturen negativ und ZVK-Kulturen positiv ≥ 15 KbE ZVK belassen, andere Infektionsquelle suchen ZVK belassen; Antibiotikatherapie evaluieren; bei ZVK-Kolonisation mit Staphylococcus aureus oder Candida spp. und Patienten mit Herzklappenfehler Blutkulturen positiv und ZVK-Kulturen positiv ≥ 15 KbE → engmaschiges Infektionsmonitoring und regelmäßiges Wiederholen der Blutkulturen niedriges Risiko unkomplizierte Infektion durch koagulasenegative Staphylokokken mittelgradiges Risiko unkomplizierte Infektion durch Staphylococcus aureus oder Candida spp. ZVK kann belassen werden Beginn mit systemischer Antibiotikatherapie Abb. 4 32 n nicht tunnelierte ZVK tunnelierte ZVK oder Portsysteme ZVK entfernen Beginn mit systemischer Antibiotikatherapie Beginn mit systemischer Antibiotikatherapie Risikostratifizierung hohes Risiko komplizierte Infektion Hypertonie, Organhypoperfusion persistierendes Fieber oder Bakteriämie 48 h nach Beginn der Antibiotikatherapie septische Thrombosen, septische Embolien oder Endokarditis Patienten mit künstlichen Herzklappen Infekt von Eintrittsstelle oder Portsystem ZVK entfernen Beginn mit systemischer Antibiotikatherapie Flussschema bei Verdacht auf katheterinduzierte Blutstrominfektionen (aus: Jauch et al. 2007). Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Ein Handlungsschema bei Verdacht auf eine katheterBei einer Einstichrötung fällt die Diagnose leicht. Bei un- Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 Interessenkonflikt: Die Autoren bestätigen, dass kein Problemlösungen Interessenkonflikt vorliegt. Liegedauer von Venenverweilkathetern Die Infektionsraten steigen mit der Liegedauer. Damit gilt auch in diesem Fall die Regel, alle Zugänge möglichst zu Zum Weiterlesen und Vertiefen entfernen, sobald sie nicht zwingend gebraucht werden. überleitend zunächst durch einen peripheren Venenverweilkatheter ersetzt werden. Am nächsten Tag kann dann ein neuer zentraler Katheter gelegt werden. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S3-Leitlinie. Prophylaxe der venösen Thrombem- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Im Nachtdienst gilt das auch für einen ZVK. Dieser kann bolie. Im Internet: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/003001_S3_AWMF-Leitlinie_Prophylaxe_der_venoesen_Thromboembolie__VTE__Kurz_2009.pdf; Stand: 25.10.2014 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Arbeitskreis „Krankhaus- und Praxishygiene“. S1Leitlinie Perioperative Antibiotikaprophylaxe. Im Internet: http:// n Atemwegsinfektionen Eine Pneumonie entwickelt sich postoperativ zumeist durch eingeschränkte Atemexkursionen oder mangelhaftes Abhusten, manchmal auch durch Mikroaspirationen. Eine größere Aspiration führt dagegen fast immer zur Notfallintubation. Klinisch führend ist die Minderbelüf- www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/029-022l_S1_Perioperative_Antibiotikaprophylaxe_2012-02.pdf; Stand: 25.10.2014 Fontana S, Rigamonti V. Transfusion von Blutprodukten (2013). Im Internet: http://www.medicalforum.ch/docs/smf/2013/05/fr/ fms-01410.pdf; Stand: 25.10.2014 Jauch KW, Schregel W, Stanga Z et al. Technik und Probleme der Zugänge in der parenteralen Ernährung. Aktuelle Ernaehr Med 2007; 32 (Suppl 1): S41 – S53 tung des entsprechenden Lappens und Lungenanteils. Larsen JW, Hager WD, Livengood CH et al. Guidelines for the diagnosis, Zur Diagnose gehört ein Röntgenbild. Allerdings hängt treatment and prevention of postoperative infections. Infect Dis die radiologische Manifestation der Pneumonie der Klinik manchmal 1 – 2 Tage nach. Die Therapie erfolgt in der Regel als Antibiotikabehand- Obstet Gynecol 2003; 11: 65 – 70 Le GG, Righini M, Roy PM et al. Prediction of pulmonary embolism in the emergency department: the revised Geneva score. Ann Intern Med 2006; 144: 165 – 171 Torbicki A, Perrier A, Stavros K et al. [Guidelines on the diagnosis and lung nach hausinternem Standard. Dazu gehören even- management of acute pulmonary embolism]. G It Cardiol (Rome) tuell noch manuelle Maßnahmen der Schleimlösung 2009; 10: 303 – 347 und eine forcierte Mobilisation. Die Wirksamkeit von schleimlösenden Medikamenten ist umstritten. Auch hier Korrespondenzadresse sollte man sich am ehesten nach dem Hausstandard Dr. med. Carsten J. Krones richten. Allerdings kann ein Schleimlöser zur Nacht auch Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie zu schlaflosem Dauerhustenreiz führen. Schließlich sollte Marienhospital Aachen man immer auch nach der Ursache einer mangelnden Zeise 4 Atemexkursion suchen. Hier steht eine suffiziente 52066 Aachen Schmerztherapie im Vordergrund. Telefon: + 49-241/60 06-12 00 ▸ Zur Therapie der Lungeninfektion gehört eine Fax: + 49-241/60 06-12 09 E-Mail: [email protected] angemessene Analgesie! Teil 2 des Beitrags wird in Heft 2/2015 erscheinen. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 33 Perioperative Medizin CME‑Fragen Welche klinische Symptomatik ist nicht typisch für das Vorliegen einer postoperativen Lungenembolie? 1 A Dyspnoe B Thoraxschmerz C Tachykardie D Hämatochezie E Hämoptyse Welches Punktesystem berechnet das Risikoprofil eines Patienten für eine postoperative Lungenembolie? 2 A Gleason-Score B Geneva-Score C Apgar-Score D Child-Pugh-Score E Duke-Score Einer der folgenden Faktoren gehört nicht zu den Risikofaktoren für eine Lungenembolie. Welcher? 3 A Trauma: frische Frakturen, Wirbelsäulenverletzungen, OP‑Trauma B jüngeres Patientenalter (bis 40 Jahre) C Thrombembolie in der Vorgeschichte D Adipositas E orale Kontrazeptiva Welche Untersuchung ist der Goldstandard in der Notfalldiagnostik der akuten postoperativen Lungenembolie? 4 A Ventilations-Perfusions-Szintigrafie B Sonografie C D‑Dimer-Bestimmung D Thoraxröntgenaufnahme E CT des Thorax Welche anatomische Struktur unterscheidet die obere von der unteren gastrointestinalen Blutung? 5 A Treitz-Band B Pylorus C Cardia D Ileozökalklappe E Linea dentata 34 Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Bitte informieren Sie sich vorab online über die Gültigkeitsdauer. Häufige postoperative Komplikationen – Teil 1 In welchem postoperativen Zeitraum tritt eine Anastomoseninsuffizienz typischerweise auf? 6 A 1. – 3. Tag B 4. – 7. Tag C 8. – 11. Tag D 12. – 15. Tag E 16. – 20. Tag gekennzeichnet? 7 A Die Zahlenangaben zu Alkoholabhängigen in Deutschland schwanken zwischen 0,5 und 1,2 Millionen betroffenen Personen. B Unabhängig von der Menge des konsumierten Alkohols ist allein die Regelmäßigkeit des Konsums entscheidend für die Suchtentwicklung. C Im Verlauf der Alkoholabhängigkeit erfolgt eine körperliche Adaptation an steigende Alkoholmengen durch erhöhte Aktivität des Enzyms Alkoholdehydrogenase. D Fast alle Patienten geben im Aufnahmegespräch ihre Alkoholabhängigkeit an, um postoperativen Entzugserscheinungen vorzubeugen. E Frauen machen fast ⅓ der Betroffenen aus. Eine der folgenden Aussagen zu postoperativen Blutungen ist nicht korrekt. Welche? 8 A Der Hämoglobinwert bleibt bei der akuten Blutung lange normal. B Die häufigsten Ursachen für obere gastrointestinale Blutungen sind peptische Magen- und Duodenalgeschwüre. C Die schwarze Färbung von Teerstuhl (Meläna) entsteht durch Oxidation des hämoglobingebundenen Eisens im Kontakt mit Magensäure. D Die Tendenz für obere GI‑Blutungen ist in den westlichen Industrieländern steigend. E Untere gastrointestinale Blutungen kommen im klinischen Alltag seltener vor als obere GI‑Blutungen. Welcher Befund gehört nicht zu den häufigsten Ursachen für postoperatives Fieber? 9 A Atemwegsinfektionen B Harnwegsinfektionen C postoperative Übelkeit und Erbrechen D Venenverweilkanüleninfektionen E Wundinfektionen Eine der folgenden Aussagen zu Prinzipien der Notfallbehandlung ist unzutreffend. Welche? 10 A Bei viszeralchirurgischen Patienten können Komplikationen auftreten, die sich schwerwiegend oder sogar lebensbedrohlich entwickeln, wenn man sie zu spät erkennt. B Bei vital bedrohten Patienten müssen die Diagnostik und Therapie ganz zeitnah erfolgen; von einer Verlegung auf eine Überwachungsstation/Intensivstation sollte deshalb in dieser Situation abgesehen werden. C Gefährliche, wahrscheinliche und schnell zu klärende Ursachen haben Priorität in der Abklärung. D Treat first what kills first. E Im Notfall sollte sich aus der ersten Befunderhebung eine Arbeitshypothese entwickeln, die dann konsequent bestätigt oder negiert wird. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 1 Œ2015 Œ19 – 35 35 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Wodurch ist Alkoholabhängigkeit