VI Zusammenfassung - Ruhr

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Ein zentrales Kennzeichen der Alzheimer-Demenz sind die senilen Plaques, welche
hauptsächlich aus Aβ-Peptiden bestehen und aggregierte Spaltprodukte des APP-Proteins
darstellen. Basierend auf den Untersuchungen des Mechanismus der APP-Prozessierung ist
die Aβ-Domäne des APP bis dato intensiv erforscht worden. Dies gilt jedoch nicht für die
intrazelluläre Domäne des APP, das AICD („Amyloid precursor protein intracellular
domain“). Diese ist von besonderem Interesse, da bekannt ist, dass sich nach der
amyloidogenen Prozessierung des APP der sogenannte AICD-FE65-TIP60-Komplex
(AFT-Komplex) formieren kann. Man vermutet hierbei, dass dieser Komplex als
Transkriptionsfaktor agiert (Cao und Südhof, 2001; Kimberly et al., 2001; Müller et al., 2007,
2009), wobei verschiedene Zielgene kontrovers diskutiert werden (Baek et al., 2002; Bimonte
et al., 2004; von Rotz et al., 2004; Telese et al., 2005; Müller et al., 2007, 2008).
Betrachtungen in Knockout-Mäusen zeigen, dass, wenn die Einzelkomponenten des AFTKomplexes ausgeschaltet werden, sich die morphologische Veränderung einer kortikalen
Dysplasie in den Versuchsmäusen ausbildet. Sowohl APP/APLP1/APLP2-Knockout-Mäuse
als auch Mäuse mit einem FE65/FE65L1-Knockout weisen diese pathologische Auffälligkeit
auf (Herms et al., 2004; Guénette et al., 2006). Des Weiteren zeigen FE65-Knockout-Mäuse
eine gestörte frühe Phase der synaptisch-neuronalen Langzeit-Potenzierung (Wang et al.,
2009b). Funktionelle Untersuchungen zu AFT-Komplex-regulierten Proteinen sind aus der
Literatur jedoch nicht bekannt.
Um einen Beitrag zur Erforschung AFT-Komplex-regulierter Proteine zu leisten, wurden in
dieser Promotionsarbeit zwei humane Zellkulturmodelle mit reprimierten Komponenten des
AFT-Komplexes generiert. Zum einen wurde ein HEK 293T-Zellkulturmodell mit einem
selektiven Knockdown der APP-Proteinfamilie hergestellt, zum anderen wurde ein HEK
293T-Zellkulturmodell mit einem gezielten Knockdown des Adapterproteins FE65 generiert.
Anschließend wurden bis dato unbekannte Kandidatenproteine mittels differenzieller Analytik
massenspektrometrisch identifiziert und potenzielle Signalwege beschrieben, sowie validierte
Kandidatenproteine funktionell untersucht.
Die umfassende proteomische Untersuchung der APP/APLP1/APLP2-Knockdown-Zelllysate
gegen die entsprechenden Kontrollen zeigte eine signifikante Änderung der Abundanz von
mehr als 30 Proteinen. Die anschließende Validierung von ausgewählten Kandidatenproteinen
mittels „Immunoblotting“ bestätigte dabei die signifikante Herabregulation der Proteine
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MAT2A
(„S-adenosylmethionine
synthetase
isoform
type-2“)
und
PRDX4
(„Peroxiredoxin 4“). Analysen mittels quantitativer PCR dokumentierten des Weiteren die
signifikante MAT2A-Herabregulation auch auf Gen-Ebene. MAT2A katalysiert das Produkt
S-Adenosylmethionin (SAM) aus Methionin und ATP, welches entscheidend bei der
Methylierung von Neurotransmittern, DNA, Proteinen und Lipiden ist (Miller, 2008). Die hier
vorgestellten Resultate weisen erstmalig darauf hin, dass die APP-Proteinfamilie eine Rolle
im
zellulären
Methylierungsmechanismus
einnimmt.
Weiter
wurde
in
den
APP/APLP1/APLP2-Knockdown-Zellen eine differenzielle Genexpression von BACE1 und
PSEN1 detektiert, ein Effekt, welcher möglicherwiese die Konsequenz der Herabregulation
von MAT2A und eines daraus folgenden selbstregulierenden Mechanismus widerspiegelt. Die
anschließende Betrachtung der MAT2A-Proteinabundanz in Gewebeproben des frontalen
Kortex von Alzheimer-Patienten und den entsprechenden Kontrollen wies zudem eine
korrelierende Herabregulation von MAT2A auf und bestätigte somit die Relevanz der
vorgestellten Daten im Zusammenhang mit der Alzheimer-Demenz. Der in dieser Arbeit
vorgestellte MAT2A-vermittelte Mechanismus der APP-Familienmitglieder-abhängigen
Regulation könnte daher ein potenzielles „target“ für zukünftige pharmakologische
Interventionen bei der Alzheimerschen Krankheit darstellen.
In der FE65-Knockdown-Proteomstudie wurden insgesamt 136 differenziell regulierte
Proteine identifiziert. Anschließende Validierungsexperimente mittels „Immunoblotting“ und
quantitativer PCR bestätigten die signifikante Herabregulation von MCM3 („DNA replication
licensing factor MCM3“) und BLM („Bloom syndrome protein“) sowohl auf Protein- als auch
auf Gen-Ebene. Man weiß von beiden Proteinen, dass sie eine entscheidende Rolle bei der
DNA-Reparatur und bei DNA-Replikationsprozessen einnehmen (Liang und Forsburg, 2001;
Wu et al., 2001; Wu und Hickson, 2003; Bailis und Forsburg, 2004; Lillard-Wetherell et al.,
2004; Bhattacharyya et al., 2009; Snyder et al., 2009; Xu et al., 2009). Des Weiteren konnte
gezeigt werden, dass im FE65-Knockdown-Zustand eine intensive phänotypische Änderung
der Lokalisierung des BLM-Proteins im Vergleich zum Kontroll-Zustand vorlag. Während
HEK 293T-Zellen des Kontroll-Zustands für das BLM-Protein charakteristische Flecken und
Punktstrukturen im Zellkern aufwiesen, zeigte sich in HEK 293T-Zellen mit reprimiertem
FE65 eine perinukleäre Lokalisierung des BLM-Proteins im Endoplasmatischen Retikulum.
Anschließende funktionelle Untersuchungen zeigten, dass die FE65-Knockdown-Zellen auch
eine signifikant erniedrigte DNA-Replikation und Zellproliferation aufwiesen.
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Es ist bekannt, dass der AFT-Komplex mittels fluoreszierender Fusionsproteine im Zellkern
visualisiert werden kann und punktartige nukleäre Strukturen formiert (Muresan und
Muresan, 2004; von Rotz et al., 2004; Müller et al., 2009), wobei eine simultane
Überexpression der Proteine FE65 und TIP60 zu den selben punktartigen Strukturen führt
(Müller et al., 2009).
Im Zuge von Validierungsexperimenten wurde das FE65/TIP60-überexprimierende System
näher betrachtet. Hierbei wurde erstmalig entdeckt, dass die beschriebenen punktförmigen
Proteinkomplexe genauer betrachtet ringförmige nukleäre Strukturen in vivo bilden. Eine
detailliertere mikroskopische Analyse zeigte, dass es sich bei räumlicher Betrachtung dieser
Strukturen um Sphären handelt. Weiter konnte gezeigt werden, dass das BLM-Protein mit
dem FE65-Adapterptotein in diesen Sphären kolokalisiert ist und somit eine bislang
unbekannte Komponente des AFT-Komplexes darstellt. Weiter konnte mittels „pull-down“Experimenten in humanem Hirngewebe nachgewiesen werden, dass FE65 und BLM zu einer
Interaktion in der Lage sind. Eine anschließende bewegungsdynamische Analyse der
FE65/TIP60-Sphären zeigte, dass es sich um hoch bewegliche Objekte innerhalb des
Zellkerns handelt, welche die Fähigkeit aufweisen, ineinander zu fusionieren. Dieser
Fusionsprozess setzt sich soweit fort, bis sehr große FE65/TIP60-Sphären mit einem
maximalen Durchmesser von etwa 2,5 µm entstehen. Anhand der Resultate der
FE65-Knockdown-Studie und der Betrachtung des FE65/TIP60-überexprimierenden Systems
wurde anschließend die Hypothese aufgestellt, dass erhöhte nukleäre FE65-Level die
Zellproliferation
erhöhen,
ein
Effekt,
welcher
möglicherweise
in
Zellzyklus-
Wiedereintrittprozesse bei Neuronen mündet. Neurone proliferieren in adulten Gehirnen
allerdings kaum, was dazu führen könnte, dass Zellzyklus-Wiedereintrittprozesse Apoptose
auslösen, welche einen zentralen Bestandteil von neurodegenerativen Erkrankungen
darstellen. So kann postuliert werden, dass das Adapterprotein FE65 eine zentrale Rolle in
neuronalen Zellzyklus-Wiedereintrittprozessen einnimmt, welche bei der Alzheimer-Demenz
entscheidend sein könnten. Eine pharmakologische Inhibierung der Translokation des
FE65-Proteins in den Zellkern und somit eine Reduktion der nukleären FE65-Konzentration
könnte daher einen interessanten neuen therapeutischen Ansatz bei der Behandlung der
Alzheimerschen Erkrankung darstellen.
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