3328 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Mai 1999 Dr. Peter Paziorek (A) sens – ist darauf ausgerichtet, gerechte Chancen für alle Staaten der Erde zu schaffen. Deshalb sind gerade wir als Industrieländer verpflichtet, immer wieder zu prüfen, ob wir unsere Produktions- und Konsumweisen im Hinblick auf die begrenzten natürlichen Ressourcen und Möglichkeiten noch aufrechterhalten können. Aber ein schrittweises, unter Standortgesichtspunkten verträgliches Umsteuern wird nur gelingen, wenn auf allen Ebenen – sowohl auf staatlicher und politischer wie auch auf privater und wirtschaftlicher Ebene – alle Entscheidungsträger in einen solchen Prozeß tatsächlich einbezogen werden und wenn wir im Sinne der Agenda 21 auf allen politischen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft unsere Kräfte bündeln. Diesen Weg hat mit großem Erfolg Angela Merkel beschritten, (Beifall bei der CDU/CSU) als sie zum Beispiel alle relevanten Umwelt- und Wirtschaftsverbände zu einem Dialog eingeladen hat und diesen Dialog sinnvoll geführt hat. (Zuruf von der SPD: Mit welchem Erfolg? – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/CSU]: Mit einem positiven Erfolg!) Sie aber, Herr Trittin, stoßen die Menschen vor den Kopf, wenn Sie meinen, Sie könnten durch eine Nadelstichpolitik Investitionen unwirtschaftlich machen oder mit einer Ökosteuer private Haushalte nur zu Steuern und Abgaben heranziehen. Sie haben noch nicht erkannt, daß man im Rahmen einer modernen Umweltpolitik Menschen, Vereine und Organisationen – kurz: die gesamte Gesellschaft – auch davon überzeugen muß, daß (B) das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung von allen getragen werden muß. Ihr Stil und Ihr Weg sind falsch. Somit stellt sich die Frage, ob dieser Weg im Sinne einer aufgeklärten Umweltpolitik in Deutschland weiterhin so beschritten werden kann. Wir sagen: Nein, es ist der falsche Weg; er führt leider in eine falsche Richtung. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ihre Umweltpolitik ist konturenlos. Sie konzentriert sich nur auf ein einziges Thema, nämlich auf den Atomausstieg. Dadurch wird deutlich, welche anderen wichtigen Bereiche Sie vernachlässigen und daß Sie in weiten Bereichen der Umweltpolitik kein Konzept und keine Politik haben, die geeignet sind, die Herausforderungen des nächsten Jahrtausends tatsächlich zu bewältigen. Konzeptionslos und verschwommen: So muß Ihre Umweltpolitik leider bezeichnet werden. Deutschland braucht eine andere Umweltpolitik als diejenige, die Sie vertreten. (Christoph Matschie [SPD]: Aktion „Schwarzer Peter“!) Herr Minister, Sie haben die Chancen für den Beginn einer neuen Umweltpolitik nicht sinnvoll genutzt. Das Traurige ist, daß Sie in der Umweltpolitik die Weichen falsch gestellt haben. (Horst Kubatschka [SPD]: Er hat sie nicht genutzt, und dann hat er die Weichen falsch gestellt! Was hat er denn nun gemacht?) SEITE ZURÜCK – Herr Kubatschka, ich habe es gerade deutlich ausgeführt; aber es ist genauso wie im Umweltausschuß. Sie wollen die Ausführungen zur Ökosteuer nicht wahrnehmen. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, daß der von Ihrer Koalition getragene Minister im Umweltausschuß erklärt hat: „Wir haben uns in Sachen Atomausstiegspolitik geeinigt“, obwohl in dieser Beziehung nichts kommt. Wir können der Presse entnehmen, daß selbst das einzige Thema, von dem der Minister sich vorgenommen hat, es in den ersten Monaten seiner Regierungszeit zu bewältigen, im Augenblick irgendwo versackt und versandet ist. Es ist weder im Umweltausschuß noch im Plenum angekommen. Herr Kubatschka, daraus kann ich nur die Schlußfolgerung ziehen: Mitglieder Ihrer Fraktion und vielleicht auch Sie haben erkannt, daß viele dieser Weichenstellungen falsch sind. Sie haben mitgeholfen, daß manches von dem, was vollmundig angekündigt worden ist, aber nicht realitätsbezogen ist, dieses Haus noch nicht erreicht hat. (C) Es kann nicht so weitergehen, daß wir Umweltpolitik in dieser Form gestalten. Deshalb lautet heute abend unser Appell an Sie als Mitglieder der rotgrünen Regierungskoalition und an Sie persönlich, Herr Minister: Machen Sie Schluß mit einer einseitigen Politik, die nur auf den Atomausstieg konzentriert ist! Machen Sie Schluß damit, daß Ihre Politik auf ein einziges Thema verengt ist, um damit Ihre Parteibasis, Ihre Parteiorganisation und letztlich auch Ihre Fraktion hinter sich zu bekommen! Helfen Sie mit, in Deutschland eine Umweltpolitik zu gestalten, die sämtliche Herausforderungen annimmt und internationalen Standards entspricht! Sie haben mit diesem Haushaltsplan diese Möglichkeiten nicht ergriffen. Sie haben mit diesem Haushaltsplan nicht belegt, daß Sie diese Weichenstellungen vornehmen wollen. Aus diesem Grunde können wir diesem Haushaltsplan nicht zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die SPDFraktion spricht jetzt die Kollegin Waltraud Lehn. Waltraud Lehn (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Paziorek, Ihr Vorwurf, der von uns vorgelegte Haushalt sei ein Haushalt der Untätigkeit, veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen am Beginn: Sie haben es wirklich nötig, diesen Vorwurf zu erheben. Ihre Tätigkeit im Umweltbereich bestand doch darin – man kann schon fast von Jahrzehnten sprechen –, Probleme schlichtweg auszusitzen. Was den Energiebereich angeht, kann man hinzufügen, daß das Augenzumachen das Höchstmaß der Bewegung bei Ihnen darstellt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zur langjährigen Problemverdrängung kommt heute die Realitätsverdrängung hinzu. Ein Blick in den Haushalt hätte Ihnen hier wirklich weitergeholfen. Es wäre bei den Vorbereitungen auf die heutigen Beratungen wirklich nicht zuviel verlangt gewesen, wenn Sie das gemacht hätten. SEITE VOR (D)