DIE JAHRESRECHNUNG EINER AKTIENGESELLSCHAFT

Werbung
BETRIEBSWIRTSCHAFT
DIE JAHRESRECHNUNG EINER
AKTIENGESELLSCHAFT
Urs
Baumgartner
Geschäftsführer
Birkhäuser + GBC AG,
Reinach
Konzernrechnung
Eine Konzernrechnung beinhaltet die Zusammenfassung aller
Jahresrechnungen derjenigen
Gesellschaften, die einen Konzern bilden. Dabei müssen
gegenseitige Lieferungen und
Leistungen sowie allfällige
«interne» Darlehens- und Beteiligungsverhältnisse eliminiert
werden. Dieser Vorgang wird
Konsolidierung genannt.
Prüfbestätigung
Schriftlicher Bericht der Revisionsstelle an die Generalversammlung über das Ergebnis
der Prüfung mit Empfehlung
über Abnahme (mit oder ohne
Einschränkung) oder Rückweisung der Jahresrechnung.
Zudem werden die Personen,
welche die Revision geleitet
haben, genannt und deren
Anforderungen an die Befähigung und Unabhängigkeit
bestätigt.
Ordnungsmässige Rechnungslegung
Eine ordnungsmässige Rechnungslegung beinhaltet folgende
Grundsätze: Vollständigkeit;
Klarheit und Wesentlichkeit der
Angaben; Vorsicht; Fortführung
der Unternehmenstätigkeit;
Stetigkeit in Darstellung und
Bewertung; Unzulässigkeit der
Verrechnung von Aktiven und
Passiven sowie Aufwand und
Ertrag.
Erfolgsrechnung
Die Erfolgsrechnung zeigt den
Jahresgewinn bzw. den Jahresverlust. Sie unterscheidet
betriebliche, betriebsfremde
und ausserordentliche Erträge
(Erlös aus Lieferungen und
Leistungen, Finanzertrag sowie
Gewinne aus Veräusserung von
Anlagevermögen) und Aufwendungen (Material- und Warenaufwand, Personalaufwand
sowie Aufwand für Abschreibungen sind gesondert auszuweisen).
6
Sobald das Geschäftsjahr, das
sich nicht mit dem Kalenderjahr
decken muss, abgeschlossen
ist, herrscht in den Finanzabteilungen ein reges Treiben: Der
Jahresabschluss wird erstellt.
Das Obligationenrecht (OR) schreibt
vor, dass alle Gesellschaftsformen, die
verpflichtet sind, Geschäftsbücher zu
führen, am Ende eines Geschäftsjahres
ein Inventar, eine Betriebsrechnung
und eine Bilanz zu erstellen haben. Für
die Kapitalgesellschaften wurden die
gesetzlichen Bestimmungen in den Bereichen Darstellung und Bewertung der
Jahresrechnung erweitert, weil hier die
persönliche Haftung der Gesellschafter
ausgeschlossen ist. Haftungsgegenstand bildet nur noch das Eigenkapital
der Unternehmung selbst.
Gesellschaftsformen
Personengesellschaften
– Einzelgesellschaft
– Kollektivgesellschaft
– Kommanditgesellschaft
Kapitalgesellschaften
– Aktiengesellschaft (AG)
– Gesellschaft mit beschränkter
Haftung (GmbH)
– Kommanditaktiengesellschaft
Sonderfälle
– Genossenschaft
– Stiftung
– Verein
Überblick über die im Obligationenrecht geregelten Gesellschaftsformen.
Gesetzliche Grundlagen und
Vorschriften
Das Obligationenrecht beschreibt in
den Art. 620 bis Art. 771 die gesetzlichen Bestimmungen der AG*. Unter
anderem wird der Verwaltungsrat einer
Gesellschaft beauftragt, jährlich einen
Geschäftsbericht zu erstellen.
* Im Hinblick auf die weite Verbreitung der Aktiengesellschaft bezieht
sich dieser Artikel auf diese Gesellschaftsform.
■ PRODUKTION&PRINT 12/2000
Dieser setzt sich aus dem Jahresbericht, der Jahresrechnung und einer
Konzernrechnung zusammen:
– Im Jahresbericht werden der Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft dargestellt. Zusätzlich weist
der Jahresbericht die im Geschäftsjahr erfolgten Kapitalerhöhungen
aus und bestätigt die Prüfung (Prüfbestätigung) durch die Revisionsstelle.
– Die Jahresrechnung lässt sich in die
Bereiche Bilanz, Erfolgsrechnung
und Anhang gliedern. Sie wird nach
den Grundsätzen der ordnungsmässigen Rechnungslegung mit
dem Ziel aufgestellt, dass die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft möglichst zuverlässig beurteilt werden kann. Sie stellt somit
den finanziellen Rechenschaftsbericht einer Gesellschaft dar und ist
vom Verwaltungsrat der Generalversammlung vorzulegen. Neben den
Aktionären gibt es weitere interessierte Kreise, die einen finanziellen
Status von der Gesellschaft wünschen (Steuerbehörde, Kreditgeber
[z. B. Banken], die Öffentlichkeit
[z. B. bei börsenquotierten Gesellschaften], die Lieferanten [z.B. bei
neu gegründeten Unternehmen]).
– Die Konzernrechnung ist nur unter
bestimmten Voraussetzungen notwendig, darum soll hier nicht näher
darauf eingegangen werden.
Organisation einer AG
Auf Grund der besonderen Organisation der AG überträgt die Gesamtheit der
Aktionäre (Generalversammlung) die
direkte Eingriffsmöglichkeit in die Geschäftsführung dem Verwaltungsrat.
Dieser wiederum kann die Geschäftsführung an eine hierarchisch tiefer
stehende Organisation (Geschäftsleitung) delegieren. Damit die Aktionäre
dennoch über eine Kontrollmöglichkeit verfügen, wählen sie eine oder
mehrere Personen als Revisionsstelle.
Die Revisionsstelle muss befähigt
sein, die an sie gestellten Prüfungsaufgaben zu erfüllen; sie muss vom Verwaltungsrat sowie vom über die Stim-
Aktionäre
Generalversammlung
Verwaltungsrat
Revisionsstelle
Geschäftsleitung
Organisationsstruktur einer AG:
Erstes Organ ist die Generalversammlung, zweites Organ der Verwaltungsrat, und drittes Organ ist die
Revisionsstelle. Der Verwaltungsrat
kann die Geschäftsführung an eine
untergeordnete Stelle abtreten.
menmehrheit verfügenden Aktionär
unabhängig sein.
Gefahrenpotenziale für den
Aktionär
Die Jahresrechnung, die dem Aktionär
vorgelegt wird, birgt zwei Gefahrenpotenziale in sich:
– Das ausgewiesene Vermögen kann
entweder nicht oder nur noch teilweise vorhanden sein, oder die Positionen sind überbewertet.
– Beim Ausweis der Schulden ist deren
Vollständigkeit nicht gewährleistet,
die Schulden können daher zu tief
angegeben sein.
Durch beide Tatbestände präsentiert
sich die Unternehmensbilanz besser,
als sie in Wirklichkeit ist. Dadurch werden die Aktionäre bzw. Investoren
getäuscht.
Neben diesen Gefahren in der Bilanz können auch Falschaussagen in
der Erfolgsrechnung den Aktionär zu
falschem finanziellem Engagement
verleiten. Dies ist etwa dann der Fall,
wenn Erträge und Aufwendungen miteinander verrechnet werden, also das
BETRIEBSWIRTSCHAFT
Bruttoprinzip nicht mehr eingehalten
wird. Oder wenn betriebliche Erträge
und Aufwendungen mit betriebsfremden und ausserordentliche mit ordentlichen vermischt oder Erträge und Aufwendungen einer «falschen» Periode
zugewiesen werden.
Verschiebungen des Jahresergebnisses
Gerade in der Jahresabgrenzung wird
die Erfolgsrechnung häufig manipuliert. So führen Erträge, die im alten
Geschäftsjahr zwar eingenommen
wurden, aber das neue Geschäftsjahr
betreffen, und Aufwendungen, die erst
im neuen Geschäftsjahr bezahlt werden, aber noch zur alten Periode hinzuzurechnen wären, zu massiven Verschiebungen des Jahresergebnisses.
Ertrag
Aufwand
altes Jahr
neues Jahr
Problematik der Jahresabgrenzung.
Ertrag im alten Geschäftsjahr bezieht
sich auf die neue Periode und bezahlter Aufwand im neuen Geschäftsjahr
gehört noch in die alte Periode.
Die Jahresrechnung ist deshalb
durch die Revisionsstelle zu überprüfen, damit sie keine wesentlichen
Fehlaussagen mehr aufweist und Aktionäre oder Dritte einen rellen Einblick in die wirtschaftliche und finanzielle Lage erhalten. Das heisst aber
nicht, dass die Revisionsstelle alle Fehler findet und diese korrigiert…!
Bewertungsrichtlinien bei der
Erstellung der Jahresrechnung
Im Zusammenhang mit dem Ausweis
von Vermögen und Schulden wurden
vom Gesetzgeber zusätzlich zu den
Grundsätzen einer ordnungsmässigen
Rechnungslegung spezielle Bewertungsregeln aufgestellt (siehe Tabelle).
Das Prinzip eines sicheren Einblicks in die finanzielle Situation der
Unternehmung wird aber durch die gesetzlich verankerte Möglichkeit einer
Bildung von stillen Reserven relativiert.
So darf die finanzielle Lage von Unternehmen schlechter dargestellt werden,
als sie in Wirklichkeit ist, wenn dadurch ein andauerndes Gedeihen der
Unternehmung oder die Ausrichtung
einer möglichst gleichmässigen Dividende gewährleistet wird.
Dass der Aktionär in der Beurteilung eines Unternehmens getäuscht
werden kann, wurde bei einer früheren
Aktienrechtsreform bewusst in Kauf genommen. Einziger Hinweis auf stille
Reserven in der Gesellschaft kann der
Aktionär aus dem Anhang entnehmen,
sofern stille Reserven teilweise oder
ganz aufgelöst wurden. Im Weiteren
kann er das bilanzierte Anlagevermögen mit dem Brandversicherungswert
aus dem Anhang vergleichen.
Internationaler Vergleich
Die in der Schweiz gültigen Bestimmungen orientieren sich in erster Linie
am Gläubigerschutz und weniger am
Aktionärsschutz. Gleichzeitig erhöht
sich dadurch die Macht der Verwaltung, in dem Reserven durch sie gebildet und aufgelöst werden können.
Der internationale Vergleich mit
der Europäischen Union oder mit den
USA zeigt auf, dass unsere Regeln dort
nicht akzeptiert werden. Globale Unternehmen stellen deshalb auf IAS oder
US-GAAP um (an der US-Börse wird
z. B. nur zugelassen, wer nach USGAAP bilanziert), oder sie führen ihre
Finanzen schon nach den erwähnten
Richtlinien – und nur der Jahresabschluss erfolgt dann nach schweizerischen Regeln.
Steuerlicher Vergleich
Neben dem handelsrechtlichen Jahresabschluss müssen die Kapitalgesellschaften auch einen steuerlichen Abschluss aufstellen. Durch die Möglichkeit der Gewinnmanipulation (z. B.
durch Bildung von stillen Reserven)
haben die Steuerbehörden begonnen,
eigene Bewertungsvorschriften und
-richtlinien zu schaffen.
Im Gegensatz zum Handelsrecht,
wo diese eher als Bewertungsobergrenze anzusehen sind, bedeuten sie
im Steuerrecht Bewertungsuntergrenze. So können steuerliche Abschreibungen in der Höhe beschränkt werden,
was zu einem höheren Gewinnausweis
und in der Konsequenz zu einer höheren Steuerlast führt.
Bewertungsrichtlinien für die Jahresrechnung
Gegenstand
Bewertungsregel
Gründungs-, Kapitalerhöhungs- Sofern sie aus der Errichtung, der Erweiteund Organisationskosten
rung oder Umstellung des Geschäfts ent-
stehen, dürfen sie bilanziert (aufgeführt)
werden, müssen aber innert fünf Jahren
abgeschrieben werden.
Anlagevermögen
Darf höchstens zu den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten bewertet werden, unter
Abzug der notwendigen Abschreibungen.
Beteiligungen
Beteiligungen gehören zum Anlagevermögen
und müssen aufgeführt werden, wenn die
Beteiligung eine Quote von mindestens
20 Prozent an stimmberechtigten Anteilen
der anderen Unternehmung aufweist.
Vorräte
Rohmaterialien, Halb- und Fertigfabrikate
dürfen höchstens zu den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten bewertet werden, sofern
der Marktwert höher ist. Ansonsten gilt der
Marktwert.
Wertschriften
Wertschriften mit Kurswert (an der Börse
gehandelt) dürfen höchstens zum Durchschnittskurs des letzen Monats vor dem
Bilanzstichtag bewertet werden. Wertschriften
ohne Kurswert höchstens zu den Anschaffungskosten, unter Abzug allfällig notwendiger Wertberichtigungen (z.B. bei Gesellschaften mit Verlust).
Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen
Sofern sie nach allgemein anerkannten
kaufmännischen Grundsätzen notwendig
sind, müssen sie vorgenommen werden.
Aufwertung
Ist die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven infolge eines Bilanzverlustes nicht mehr gedeckt, so dürfen zur
Beseitigung der Unterbilanz Grundstücke
oder Beteiligungen bis zu deren Marktwert
aufgewertet werden (die Revisionsstelle muss
die Einhaltung bestätigen).
Schwierige
Unternehmensbewertung
Durch unterschiedliche Bewertungsmethoden und gesetzlich gesicherte
Schlupflöcher resultieren unterschiedliche Jahresrechnungen und Gewinne
in der Erfolgsrechnung. Das erschwert
die Bewertung von Unternehmungen
■
erheblich.
Stille Reserven
Diese werden gebildet, wenn in
der Bilanz der Wert eines Vermögenswertes (z. B. Vorräte)
kleiner ausgewiesen wird, als
er effektiv ist, oder die bilanzierten Rückstellungen höher
sind als notwendig.
Gläubigerschutz
Durch die Bildung von stillen
Reserven werden Gewinne zur
Ausschüttung an den Aktionär
vorenthalten. Das stärkt den
Vermögensschutz und somit
indirekt auch die Gläubiger der
Gesellschaft.
IAS / US-GAAP
Internationale Buchhaltungsund Bewertungsvorschriften
(International Accounting Standards). US-GAAP (US Generally
Accepted Accounting Principles) beinhalten ebenfalls Buchhaltungs- und Bewertungsvorschriften, sind jedoch auf
US-Börsen-quotierte Gesellschaften zugeschnitten.
PRODUKTION&PRINT 12/2000 ■
7
Herunterladen