Konsequenzen der Verwaltungsreformen für die Personalwirtschaft

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Karl - Heinz Seekatz
Konsequenzen der
Verwaltungsreformen
für die Personalwirtschaft
in Behörden
INAUGURALDISSERTATION
zur Erlangung des Grades eines Doktors
der Wirtschaftswissenschaft
(Dr. rer. pol.)
des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaft
der FernUniversität Gesamthochschule in Hagen
vorgelegt von
Dipl.-Kfm.
Karl-Heinz Seekatz
aus Koblenz
2001
Die vorliegende Arbeit ist unter dem Originaltitel
„Konsequenzen des New Public Managements für die
Personalwirtschaft administrativer Betriebe Eine Untersuchung über Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit
einer betriebswirtschaftlichen Theorie auf staatliche Institutionen
am Beispiel der Bundeswehrverwaltung“
vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der FernUniversität Gesamthochschule in Hagen als Dissertation angenommen worden.
Erstgutachter:
Univ.-Prof. Dr. Dr. Ortner
Zweitgutachter:
Priv.-Doz. Dr. habil. Bogumil
Tag der Disputation:
29. April 2002
Vorwort
III
Vorwort
„Die Öffentliche Verwaltung muss effizienter werden !“
„Ökonomie statt Bürokratie !“
„Steuergelder müssen sinnvoller verwendet werden !“
„Der Staat gehört modernisiert !“
So oder ähnlich klingt es seit einiger Zeit immer wieder aus den Mündern von
Politikern, Wirtschaftsfunktionären, Interessenvertretungen und einzelnen Bürgern.
Die einzelnen Staaten und die Verwaltungen reagieren darauf mit entsprechenden Programmen und Projekten zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung –
und dies mittlerweile auch auf allen staatlichen Ebenen in Deutschland.
Ich habe dem nichts entgegen zu setzen und kann als Betriebswirt mit nahezu
20-jähriger Berufserfahrung im öffentlichen Dienst auch nur zustimmen, wenn
gefordert wird, Methoden und Instrumente der Betriebswirtschaftslehre auch in
staatlichen Institutionen einzusetzen, um die oben geforderten Ziele auch erreichen zu können.
Doch - ist das vom Grundsatz her überhaupt möglich?
Sind staatliche Institutionen auf Grund ihrer Konstitution und im Hinblick auf
die besonderen Rahmenbedingungen überhaupt dazu geeignet, sie mit betriebswirtschaftlichen Methoden zu führen, sie zu „managen“?
Diese Fragen im Allgemeinen und im Besonderen bezogen auf einen sehr wichtigen und immer bedeutsamer werdenden Bereich der Betriebswirtschaftslehre,
nämlich der Personalwirtschaft, beschäftigten mich schon seit vielen Jahren.
Deshalb war ich froh, die Möglichkeit zu erhalten, am Lehrstuhl „Personalwirtschaft und Unternehmenskommunikation“ der FernUniversität Hagen im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit dieser Thematik eingehend nachgehen zu
dürfen.
IV
Vorwort
Für diese Gelegenheit und für die methodische wie fachliche Unterstützung
danke ich meinem Betreuer und Erstgutachter Univ.-Prof. Dr. Dr. Ortner sowie
seinem Team, aus dem ich stellvertretend für alle Frau Lipps hervorheben
möchte.
Weiterhin danke ich Herrn Priv.Doz. Dr. Bogumil, der sich freundlicherweise
als Zweitgutachter zur Verfügung gestellt hat. Es war für mich sehr wichtig,
dass die vorliegende Arbeit auch aus der Sicht eines Politikwissenschaftlers bewertet wurde, der sich schon länger mir der Materie „Verwaltungsreformen“
beschäftigt.
Schließlich danke ich allen meinen Freunden und Kollegen, die mich bei dieser
Arbeit emotional, oftmals auch fachlich unterstützt haben. Allen voran gilt dieser Dank selbstverständlich:
Andrea !!!
Koblenz, im April 2002
Karl-Heinz Seekatz
Inhaltsverzeichnis
V
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.................................................................................................................. III
Abbildungsverzeichnis........................................................................................ XIII
Abkürzungsverzeichnis....................................................................................... XV
Einleitung..............................................................................................................
1
Erster Teil
7
1. Hauptabschnitt
Der Administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt
der Betriebswirtschaftslehre
8
1.1 Betriebseigenschaft staatlicher Institutionen.............................................
9
1.1.1 Negation der Betriebseigenschaft als triviale Lösung......................................................
9
1.1.2 Merkmale des Betriebsbegriffes.....................................................................................
11
1.1.3 Untersuchung der Betriebseigenschaften bei staatlichen Institutionen............................
13
1.1.3.1 Betriebseigenschaft des Staates als Ganzes..........................................................
13
1.1.3.2 Institutionen der Legislative....................................................................................
14
1.1.3.3 Institutionen der Judikative.....................................................................................
15
1.1.3.4 Institutionen der Exekutive.....................................................................................
16
1.1.3.4.1 Exekutivinstitutionen des Staates als formale Organisationen.........................
16
1.1.3.4.2 Betriebseigenschaften im engeren Sinne........................................................
19
1.1.3.4.3 Untersuchung des Bedarfsdeckungszieles .....................................................
20
1.1.3.5 Sonstige staatliche Institutionen..............................................................................
21
1.1.4 Besonderheiten von staatlichen Betrieben .....................................................................
22
1.1.4.1 Verschiedene Ansätze einer speziellen Betriebslehre.............................................
22
1.1.4.2 Verwaltungsbetriebslehre........................................................................................
23
VI
Inhaltsverzeichnis
1.2 Administrative versus dispositive Betriebe................................................. 25
1.2.1 Begriffskerne..................................................................................................................
25
1.2.2 Rahmenbedingungen......................................................................................................
26
1.2.2.1 Rechtsformen.........................................................................................................
27
1.2.2.2 Formale Existenz....................................................................................................
28
1.2.2.3 Finanzwirtschaftliche Sphäre..................................................................................
30
1.2.3 Systemzwecke und Zielsetzungen..................................................................................
32
1.2.4 Soziale Strukturen..........................................................................................................
33
1.2.5 Güterströme...................................................................................................................
34
1.2.6 Betriebliches Rechnungswesen.......................................................................................
36
1.2.7 Zusammenfassung der Unterschiede..............................................................................
38
1.3 Systemtheoretische Analyse administrativer Betriebe............................... 40
1.3.1 Systemtheoretische Grundlagen.....................................................................................
40
1.3.2 Umweltdifferenzierung administrativer Betriebe..............................................................
41
1.3.3 Innendifferenzierung administrativer Betriebe.................................................................
43
1.4 Die Bundeswehrverwaltung als administrativer Betrieb............................ 45
1.4.1 Besonderheiten des Verteidigungsressorts......................................................................
45
1.4.2 Innendifferenzierung der Bundeswehrverwaltung............................................................
46
1.4.2.1 Behörden der Territorialen Bundeswehrverwaltung.................................................
46
1.4.2.2 Behörden des Rüstungsbereiches...........................................................................
49
1.4.3 Verwaltung innerhalb der Streitkräfte..............................................................................
50
1.4.4 Überblick........................................................................................................................
51
2. Hauptabschnitt:
Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt
der Betriebswirtschaftslehre
52
2.1 Entwicklung des Personalwesens in Theorie und Praxis.......................... 54
2.1.1 Die Entwicklungsphasen des Personalwesen in der Praxis.............................................
54
2.1.1.1 Die Bürokratsierungsphase.....................................................................................
55
2.1.1.2 Die Institutionalisierungsphase................................................................................
55
2.1.1.3 Die Humanisierungsphase......................................................................................
55
2.1.1.4 Die Ökonomisierungsphase....................................................................................
56
2.1.1.5 Die Entre- und Intrapreneuringphase......................................................................
56
Inhaltsverzeichnis
2.1.2 Die Entwicklung des Personalwesens in der betriebswirtschaftlichen Theorie.................
VII
57
2.1.2.1 Die Vorbereitungsphase..........................................................................................
57
2.1.2.2 Die Gründungsphase..............................................................................................
57
2.1.2.3 Expansions- und Profilierungsphase.......................................................................
58
2.1.2.4 Die Reflexionsphase...............................................................................................
58
2.1.2.5 Die Reökonomisierungsphase.................................................................................
59
2.1.3 Analyse beider Entwicklungslinien..................................................................................
59
2.1.4 Die Konsequenzen für eine Begriffsdefinition.................................................................
60
2.2 Abgrenzung des Begriffs der Personalwirtschaft....................................... 62
2.2.1 Kritik an einer rein ökonomischen Betrachtung des Produktionsfaktors Arbeit...............
62
2.2.2 Die gedankliche Trennung von Mensch und dessen Arbeitsleistung..............................
63
2.2.3 Personalwirtschaft versus Personalführung und Personalmanagement..........................
64
2.3 Ökonomische Ansätze zur Personalwirtschaftstheorie............................. 68
2.3.1 Das Personalvermögenskonzept nach ORTNER............................................................
69
2.3.1.1 Übertragung des Humankapitalkonzeptes auf die betriebliche Infrastruktur............
69
2.3.1.2 Das betriebliche Personalvermögen........................................................................
69
2.3.1.3 Die Personalvermögensrechnung...........................................................................
70
2.3.1.4 Bewertungsprobleme des Personalvermögenskonzeptes........................................
71
2.3.1.5 Bedeutung des Personalvermögenskonzeptes für die Personalwirtschaftslehre......
71
2.3.2 Relevante Ansätze der Neuen Institutionenökonomik.....................................................
72
2.3.2.1 Die Neue Institutionenökonomik.............................................................................
72
2.3.2.2 Der Property-Rights-Ansatz....................................................................................
73
2.3.2.3 Die Transaktionskostentheorie................................................................................
75
2.3.3 Die Personalwirtschaftslehre als rein ökonomische Disziplin..........................................
79
2.4 Die personalwirtschaftlichen Aufgaben des Betriebes.............................. 81
2.4.1 Die personalwirtschaftliche Wertkette...........................................................................
81
2.4.2 Die personalwirtschaftlichen Einzelaktivitäten...............................................................
85
2.4.2.1 Personalbeschaffung..............................................................................................
85
2.4.2.2 Personalentwicklung..............................................................................................
87
2.4.2.3 Personalausstattung und –freisetzung....................................................................
89
2.4.2.4 Personalmarketing.................................................................................................
92
2.4.2.5 Personalservice.....................................................................................................
93
2.4.3 Personalcontrolling........................................................................................................
95
VIII
Inhaltsverzeichnis
3. Hauptabschnitt:
Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
98
3.1 New Public Management als Leitbild des modernen Staates.................
99
3.1.1 Notwendigkeit von Reformen im staatlichen Bereich......................................................
99
3.1.2 Begriff und Idee des New Public Managements..............................................................
100
3.1.3 Abkehr von konkurrierenden Leitbildern des öffentlichen Sektors...................................
102
3.1.4 Entwicklungsstand des New Public Managements im internationalen Vergleich.............
104
3.1.5 Entwicklungsstand in Deutschland..................................................................................
106
3.1.6 Privatisierung durch New Public Management................................................................
108
3.1.6.1 Aufgabenverlagerung durch Modernisierungsmaßnahmen.....................................
108
3.1.6.2 Verschiedene Privatisierungsformen......................................................................
109
3.2 Modernisierung des Staates......................................................................... 111
3.2.1 Konzept staatlicher Aufgaben.........................................................................................
111
3.2.2 Reduzierung staatlicher Aufgaben..................................................................................
113
3.2.2.1 Formelle Privatisierung ..........................................................................................
114
3.2.2.2 Materielle Privatisierung.........................................................................................
115
3.2.2.3 Funktionelle Privatisierung .....................................................................................
116
3.3 Modernisierung administrativer Betriebe.................................................... 118
3.3.1 Prämissen der öffentlichen Verwaltung..........................................................................
118
3.3.1.1 Dominanz der Eigenerstellung................................................................................
118
3.3.1.2 Notwendigkeit hierarchischer Kontrolle...................................................................
119
3.3.1.3 Einheitlichkeit der staatlichen Dienstleistungen.......................................................
119
3.3.1.4 Politische Legitimation............................................................................................
120
3.3.1.5 Standardisiertes Personalwesen ............................................................................
120
3.3.1.6 Administrative Kultur..............................................................................................
120
3.3.2 Modell des modernen administrativen Betriebes.............................................................
121
3.3.3 Gestaltungsansätze für die Verwaltungsmodernisierung.................................................
122
3.3.3.1 Modernisierung der Organisationsstrukturen...........................................................
122
3.3.3.2 Modernisierung der Verfahren................................................................................
124
3.3.3.3 Modernisierung des Personalwesens......................................................................
125
3.3.3.4 Modernisierung des Außenverhältnisses.................................................................
126
3.3.3.5 Zusammenfassung der Gestaltungsmaßnahmen....................................................
127
Inhaltsverzeichnis
IX
3.4 New Public Management in Deutschland.................................................... 130
3.4.1 Politische Vorgaben zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung...................................
130
3.4.1.1 Konzept „Schlanker Staat“ bis 1998........................................................................
131
3.4.1.2 Leitbild „aktivierender Staat“ seit 1998....................................................................
131
3.4.2 Modernisierung der Bundesverwaltung...........................................................................
132
3.4.2.1 Flexible Budgetierung ............................................................................................
132
3.4.2.2 Controlling .............................................................................................................
133
3.4.2.3 Maßnahmen im Bereich des Personalwesens.........................................................
134
3.4.3.4 Ergänzende und unterstützende Instrumente .........................................................
135
3.5 Konkrete Maßnahmen am Beispiel der Bundeswehrverwaltung............... 137
3.5.1 Situation der Bundeswehr zur Jahrtausendwende...........................................................
137
3.5.2 Das Konzept “Kosten- und Leistungsverantwortung“ (KLV).............................................
138
3.5.2.1 KLV-Controlling......................................................................................................
139
3.5.2.2 Kosten- und Leistungsrechnung (KLR)....................................................................
140
3.5.2.3 Kontinuierliches Verbesserungsprogramm (KVP)....................................................
142
3.5.2.4 Dezentralisierung von Verantwortung......................................................................
143
3.5.2.5 Einsatz unterstützender Instrumente.......................................................................
143
3.5.3 Besonderheiten im Rüstungsbereich...............................................................................
145
3.5.3.1 Umgestaltung der Rüstungsorganisation.................................................................
146
3.5.3.2 Neue Verfahrensregeln für Entwicklungen und Beschaffungen...............................
147
3.5.3.3 Rüstungscontrolling................................................................................................
149
Zweiter Teil
151
4. Hauptabschnitt:
Das Personalwesen administrativer Betriebe vor
den Verwaltungsreformen
152
4.1 Das klassische Personalwesen der öffentlichen Verwaltung.................... 153
4.1.1 Historische Entwicklung des Berufsbeamtentums...........................................................
154
4.1.2 Grundsätze des Berufsbeamtentums..............................................................................
156
4.1.2.1 Das Lebenszeitprinzip.............................................................................................
157
4.1.2.2 Das Laufbahnprinzip...............................................................................................
157
4.1.2.3 Das Alimentationsprinzip........................................................................................
158
4.1.2.4 Das Disziplinarprinzip.............................................................................................
159
4.1.2.5 Das Leistungsprinzip...............................................................................................
159
4.1.3 Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst..............................................................................
160
X
Inhaltsverzeichnis
4.1.3.1 Historische Entwicklung der Beschäftigung von Arbeitnehmern..............................
162
4.1.3.2 Exkurs: Alternative Verwendung von Beamten und Arbeitnehmern........................
163
4.1.3.3 Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums im Tarifrecht der Arbeitnehmer............
164
4.1.4 Die Bedeutung des Haushaltsrechts im öffentlichen Personalwesen...............................
167
4.1.5 Kernbereiche des klassischen Personalwesens...............................................................
168
4.1.5.1 Personalplanung.....................................................................................................
169
4.1.5.2 Personaleinsatz......................................................................................................
170
4.1.5.3 Beurteilungen als Personalkontrolle........................................................................
170
4.2 Grundzüge des Personalwesens der Bundeswehrverwaltung.................. 172
4.2.1 Rechtliche Grundlagen...................................................................................................
174
4.2.1.1 Rechtsquellen des Beamtenrechts..........................................................................
174
4.2.1.2 Rechtsquellen des Tarifrechts.................................................................................
176
4.2.1.3 Verwaltungsinterne Vorschriften..............................................................................
176
4.2.2 Organisation des Personalwesens..................................................................................
177
4.2.3 Ausgewählte Verfahren im Personalwesen der Bundeswehrverwaltung..........................
180
4.2.3.1 Personalbedarfsermittlung......................................................................................
180
4.2.3.2 Deckung des Personalbedarfs ................................................................................
181
4.2.3.3 Personaleinsatz und Personalbewirtschaftung.........................................................
183
4.2.3.4 Ausschreibungsverfahren und Personalauswahl......................................................
184
4.2.4 Überblick über das Personalinformationssystem der Bundeswehrverwaltung .................
185
4.3 Personalwirtschaftliche Analyse des klassischen Personalwesens......... 187
4.3.1 Aktivitäten der personalwirtschaftlichen Wertkette..........................................................
187
4.3.1.1 Personalbeschaffung..............................................................................................
187
4.3.1.2 Personalentwicklung...............................................................................................
188
4.3.1.3 Personalausstattung und -freisetzung.....................................................................
189
4.3.1.4 Personalmarketing..................................................................................................
191
4.3.1.5 Personalservice......................................................................................................
192
4.3.2 Definition Personalwirtschaft...........................................................................................
193
4.3.2.1 Personalvermögen..................................................................................................
194
4.3.2.2 Zielorientierte Bereitstellung von Personalvermögen..............................................
194
4.3.2.3 Anwendung des ökonomischen Prinzips ................................................................
195
4.3.2.4 Ergebnis der Subsumtion........................................................................................
195
4.3.3 Personalmanagement.....................................................................................................
196
4.3.4 Fazit...............................................................................................................................
197
Inhaltsverzeichnis
XI
5. Hauptabschnitt:
Die personalwirtschaftlichen Elemente der
Verwaltungsreformen
199
5.1 Paradigmenwechsel im klassischen Personalwesen ................................ 200
5.1.1 Entwicklung eines Personalmanagements als Führungsinstrument.................................
201
5.1.2 Personalentwicklung als wesentliches Element des modernen Personalwesens..............
203
5.1.3 Forderung nach Abschaffung des Berufsbeamtentums...................................................
205
5.2 Modifikation der Rahmenbedingungen........................................................ 208
5.2.1 Dienstrechtsreform.........................................................................................................
208
5.2.1.1 Projekt: Dienstrechtsnovelle....................................................................................
209
5.2.1.2 Dienstrechtsreform von 1997..................................................................................
210
5.2.1.3 Reform des Hochschuldienstrechts.........................................................................
211
5.2 2 Reform des Haushaltsrechts...........................................................................................
212
5.2.2.1 Kosten- und Leistungsrechnung..............................................................................
213
5.2.2.2 Interessenbekundungsverfahren.............................................................................
214
5.2.2.3 Budgetierung..........................................................................................................
215
5.2.2.4 Flexibilisierung........................................................................................................
216
5.2.2.5 Globalisierung.........................................................................................................
217
5.2.3 Organisatorische Änderungen.........................................................................................
218
5.2.3.1 Änderung der Organisationsform............................................................................
218
5.2.3.2 Änderung der Organisationsstrukturen....................................................................
220
5.2.3.3 Änderung der Verfahren..........................................................................................
221
5.3 Ausgewählte Projekte und Konzepte........................................................... 223
5.3.1 Ausgewählte Konzepte der Bundesländer.......................................................................
224
5.3.1.1 Personalmanagementkonzept der Freien Hansestadt Bremen................................
224
5.3.1.2 Rahmenkonzept: Personalentwicklung des Bundeslandes Niedersachsen..............
226
5.1.3.3 Personalentwicklungsplanung im Bundesland Brandenburg....................................
227
5.3.2 Projekte der Bundesregierung........................................................................................
228
5.3.3 Personalentwicklungskonzeption der Bundeswehrverwaltung.........................................
231
5.4 Personalwirtschaftliche Analyse der Verwaltungsmodernisierung.......... 236
5.4.1 Konsequenzen des Paradigmenwechsels.......................................................................
236
5.4.2 Konsequenzen der veränderten Rahmenbedingungen....................................................
238
5.4.2.1 Konsequenzen der Dienstrechtsreform...................................................................
238
5.4.2.2 Konsequenzen des modernen Haushaltsrechts.......................................................
240
5.4.2.3 Konsequenzen der organisatorischen Veränderungen............................................
241
5.4.3 Definition Personalwirtschaft...........................................................................................
241
XII
Inhaltsverzeichnis
5.4.3.1 Personal als Personalvermögen..............................................................................
242
5.4.3.2 Zielorientierte Bereitstellung...................................................................................
242
5.4.3.3 Anwendung des ökonomischen Prinzips.................................................................
243
5.4.3.4 Fazit.......................................................................................................................
243
6. Hauptabschnitt:
Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für
administrative Betriebe
245
6.1 Alternative Theorien zur Personallehre in administrativen Betrieben....... 247
6.1.1 Zweck der Theorie..........................................................................................................
247
6.1.2 Theorie der uneingeschränkten Übertragbarkeit..............................................................
249
6.1.3 Theorie der Impraktikabilität...........................................................................................
252
6.1.4 Theorie einer besonderen Personalwirtschaftslehre........................................................
253
6.2 Grundzüge einer Administrativen Personalwirtschaftlehre....................... 257
6.2.1 Abgrenzung zur Allgemeinen und Dispositiven Personalwirtschaftslehre........................
257
6.2.2 Annahmen zur Theorie der Administrativen Personalwirtschaftslehre.............................
262
6.2.3 Begriffssystem der Administrativen Personalwirtschaftslehre..........................................
264
6.2.4 Kernaussagen der Administrativen Personalwirtschaftslehre...........................................
265
6.3 Ein Personalrahmenkonzept der Bundeswehrverwaltung
(Personalwirtschaftlicher Teil)...................................................................... 273
6.3.1 Zielsetzung des Konzeptes ............................................................................................
274
6.3.2 Entstehungsgang des Konzeptes....................................................................................
275
6.3.3 Grundlagen des Konzeptes.............................................................................................
276
6.3.4 Gliederung des Konzeptes .............................................................................................
277
6.3.5 Personalwirtschaftlicher Teil des Konzeptes...................................................................
278
6.3.6 Vorgehen bei der Umsetzung des Konzeptes..................................................................
298
Schlussbetrachtungen......................................................................................... 299
Literaturverzeichnis............................................................................................. 307
Lebenslauf des Verfassers.................................................................................. 319
Erklärung gem. § 6 (8) Promotionsordnung...................................................... 321
Abbildungsverzeichnis
Seite XIII
Abbildungsverzeichnis
Hervorhebungen im Text, insbesondere bei Definitionen, Zusammenfassungen oder
Übersichten werden ebenso wie Tabellen, Grafiken, Schaubilder etc. vereinfachend
als „Abbildungen“ bezeichnet.
Einleitung
Abb. I
Zentrale Fragestellung der Arbeit.................................................
1
Abb. II
Kernfragen der Arbeit...................................................................
1
Hauptabschnitt 1- 6
Abb. 1
Merkmale des Betriebsbegriffes................................................... 12
Abb. 2
Aufbau und Gliederung der Exekutiven........................................ 18
Abb. 3
Konstitutive Unterschiede zwischen
dispositiven und administrativen Betrieben..................................
39
Abb. 4
Die Bundeswehrverwaltung.......................................................... 51
Abb. 5
Entwicklung des Personalwesen.................................................. 58
Abb. 6
Gegenüberstellung und Analyse der Entwicklungslinien im
Personalwesen............................................................................. 60
Abb. 7
Begriffliche Zusammenhänge im betrieblichen Personalwesen... 66
Abb. 8
Formen transaktionskosteneffizienter (interner) Koordination...... 78
Abb. 9
Definition der Personalwirtschaftslehre........................................
80
Abb. 10
Wertkette eines idealtypischen Industriebetriebes.......................
82
Abb. 11
Die personalwirtschaftliche Wertkette..........................................
85
Abb. 12
Struktur eines Personalinformationssystems...............................
91
Abb. 13
Konkurrierende Leitbilder öffentlicher Dienstleistungsproduktion. 103
Abb. 14
Entwicklungsvarianten des öffentlichen Sektors im
internationalen Vergleich.............................................................. 105
Abb. 15
Modernisierungsinitiativen nach OECD-Ländern 1980-1993......
106
Abb. 16
Analytik eines abgestuften Staatsaufgabenkonzeptes ................ 113
Abb. 17
Gegenüberstellung beider Regulierungsmodelle......................... 121
Abb. 18
Gestaltungselemente des New Public Management.................... 128
XIV
Abb. 19
Abbildungsverzeichnis
Überblick über das KLV-Konzept zur Modernisierung der
Bundeswehrverwaltung................................................................ 145
Abb. 20
Phasenmodelle der unterschiedlichen Verfahren zur
Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial......................... 148
Abb. 21
Personal im Öffentlichen Dienst: Anteil der
Berufsgruppen zum 30.06.99....................................................... 161
Abb. 22
Personalbestand (Haushaltsstellen) der Bundeswehrverwaltung
im Jahr 2001................................................................................. 173
Abb. 23
Personalausgaben der Bundeswehr in den Jahren 1990-2000... 174
Abb. 24
Rechtsquellen (Gesetze und Rechtsverordnungen) und
Regelungen zum Beamtenverhältnis............................................ 175
Abb. 25
Organisation des Personalwesens im BWB................................. 179
Abb. 26
Personalmanagement der Freien Hansestadt Bremen als
System.......................................................................................... 225
Abb. 27
Eckpunkte der Personalentwicklung............................................. 230
Abb. 28
Grundstruktur der „Personalentwicklungskonzeption zivil“ der
Bundeswehrverwaltung................................................................ 234
Abb. 29
Teilbereiche der Personalwirtschaftslehre.................................... 254
Abb. 30 a
Zuordnung der Rechtsgebiete...................................................... 259
Abb. 30 b
Zuordnung der Aufgabenfelder..................................................... 260
Abb. 30 c
Zuordnung der Instrumente.......................................................... 261
Abb. 31
Das Personalmanagement des Konzerns BWB als System........ 280
Schlussbetrachtungen
Abb. III
Antworten zu den Kernfragen der Arbeit...................................... 305
Abb. IV
Gesamtergebnis der Arbeit........................................................... 306
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A
Österreich
a.a.O.
am angegebenen Ort
AA
Akademische Ausbildung
AB
Alternative Möglichkeiten der Personalbeschaffung
Abb.
Abbildung
Abs.
Absatz
AG
Aktiengesellschaft
AKV
Prinzip zur Einheit von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung
Art.
Artikel (des Grundgesetztes bzw. der WRV)
ASR
Arbeits- und Sozialrecht
ATR
Allgemeines Tarifrecht
AUS
Australien
BA
Berufsausbildung
BAkWVT
Bundesakademie für Wehrverwaltung und –technik
BAT
Bundesangestelltentarifvertrag
BAWV
Bundesamt für Wehrverwaltung
BB
Betriebliche Bildung
BBG
Bundesbeamtengesetz
BBR
Berufsbildungsrecht
Bd.
Band
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BLV
Bundeslaufbahnverordnung
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung (auch: Bundesminister)
BMF
Bundesministerium der Finanzen (auch: Bundesminister)
BMI
Bundesministerium des Inneren (auch: Bundesminister)
BMT-G
Manteltarifvertrag für Arbeiter im kommunalen Bereich
BMVg
Bundesministerium der Verteidigung (auch: Bundesminister)
BR
Beamtenrecht
BRHG
Bundesrechnungshof-Gesetz
BRRG
Beamtenrechtsrahmengesetz
BSpA
Bundessprachenamt
BVR
Betriebsverfassungsrecht
Bw (Verw)
Bundeswehr (-verwaltung)
BWB
Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung
BWFachS
Bundeswehrfachschule
BwVerwSt
Bundeswehrverwaltungsstelle im Ausland
BWVS
Bundeswehrverwaltungsschule
bzw.
beziehungsweise
XV
XVI
Abkürzungsverzeichnis
CCT
Compulsory Competitive Tendering Program
CPM 2001
Verfahrensrichtlinie (neu) für die Beschaffung und Entwicklung von
Wehrmaterial
d.h.
das heißt
DBW
Zeitschrift „Die Betriebswirtschaft“
DGFP
Deutsche Gesellschaft für Personalführung
DK
Dänemark
DÖV
Zeitschrift „Die öffentliche Verwaltung“
DVerbStRü
Deutsche Verbindungsstelle des BWB für USA und Kanada
DW
Disziplinarwesen
E (-Commerce)
Elektronischer (Handel)
EBMat
Verfahrensrichtlinie (alt) für die Beschaffung und Entwicklung von
Wehrmaterial
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EP
Einführungsprogramme
EPl
Einzelplan des Bundeshaushaltsplanes
et al.
und andere
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
f. / ff.
folgende bzw. mehrere folgende Seiten
FA
Flexible Arbeitsmodelle
FES
Flexible Entgeltsysteme
FH Bund-FB BWV
Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Bundeswehrverwaltung
FHB
Fachhochschule des Bundes
FRG
Deutschland
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft)
GEBB
Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH
gem.
gemäß
GG
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
GmbH-Gesetz
GO-BWB
Geschäftsordnung für das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung
HA
Hauptabschnitt dieser Dissertation
HG
Haushaltsgesetz
HGB
Handelsgesetzbuch
HGR
Handels- und Gewerberecht
HGrG
Haushaltsgrundsätzegesetz
HH /HHM
Haushalt / Haushaltsmittel
HHR
Haushaltsrecht
Hrsg.
Herausgeber
Abkürzungsverzeichnis
i.e.S.
im engeren Sinne
i.w.S.
im weiteren Sinne
IA
Interner Arbeitsmarkt
IABG
Industrieanlagen Baugesellschaft
IPF
Instrumente der Personalfreisetzung
IT
Informationstechnologie
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KGSt
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
KKBw
Kleiderkasse für die Bundeswehr
KLR
Kosten- und Leistungsrechnung
KLV
Kosten- und Leistungsverantwortung
KOLIBRI
Kostenrechnungsprogramm der Bundeswehrverwaltung
KRP
Kostenrechnungspraxis
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KVP
Kontinuierliches Verbesserungsprogramm
KWEA
Kreiswehrersatzamt
LHO
Landeshaushaltsordnung
LSP
Leitsätze für die Ermittlung von Selbstkostenpreisen
MArs
Marinearsenal
MbC
Management by Competition
MbO
Management by Objectives
MbR
Management by Result
MIS
Management-Informationssystem
MT
Market Testing
MTArb
Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes und der Länder
N
Norwegen
NATO
Nordatlantisches Verteidigungsbündnis
NETMA
NATO-Agentur für die Beschaffung der Waffensysteme
„TORNADO“ und „EUROFIGHTER“
NL
Niederlande
NSDAP
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
OCCAR
Europäische Rüstungsagentur
ODP
Organisations- und Dienstpostenplan
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OHG
Offene Handelsgesellschaft
ORAG 7
Kostenrechnungsprogramm des Rüstungsbereichs
ÖTR
Öffentliches Tarifrecht
OTV
Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr
ÖVB
Öffentlicher Verwaltungsbetrieb
PA/PF
Personalausstattung und -freisetzung
XVII
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
PB
Personalbeschaffung
PBW
Personalbewertung
PC
Personalcomputer
PCO
Personalcontrolling
PE
Personalentwicklung
PEK
Personalentwicklungskonzeption der Bundeswehrverwaltung
PERFIS
Personalführungs- und –informationssystem der BwVerwaltung
PIS
Personalinformationssystem
PM
Personalmanagement
PP
Personalplanung
PS
Personalservice
PTR
Privates Tarifrecht
PVR
Personalvertretungsrecht
PVRE
Personalvermögensrechnung
PWL
Personalwirtschaftslehre
R
Abteilung „Recht“ im BMVg
RKO
Reichskassenordnung
RRO
Reichsrechnungslegungsordnung
Rü
Hauptabteilung „Rüstung“ im BMVg
S
Schweden
S.
Seite
s.o. (s.u.)
siehe oben (unten)
SAP R/3 (HR)
Betriebliche Standardsoftware der Fa. SAP
(Modul Human Resources)
SF
Finnland
SO
Sonderaufgaben
sog.
sogenannte (r/s)
Sp.
Spalte
StOV
Standortverwaltung
StWG
Stabilitäts- und Wachstumsgesetz
TQM
Total Quality Management
TÜV
Technischer Überwachungsverein
TVG
Tarifvertragsgesetz
Tz.
Teilziffer des „Rahmenkonzept für ein Personalmanagement im Konzern
BWB“ (Abschnitt 6.3)
u.a.
unter anderem (anderen)
UBBWV
Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift)
UK
Großbritannien
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
usw.
und so weiter
VER.Di
Neue Dienstleistungsgewerkschaft ( u.a. ÖTV)
Abkürzungsverzeichnis
vgl.
vergleiche
VOL
Verdingungsordnung für Leistungen
VOP
Zeitschrift „Verwaltung, Organisation, Personal“
VOPR 30/53
Preisverordnung für öffentliche Aufträge
VpflA
Verpflegungsamt
VR
Verfassungsrecht
vs.
versus
VWR
Verwaltungsrecht
WBBeklA
Wehrbereichsbekleidungsamt
WBV
Wehrbereichsverwaltung
WPflG
Wehrpflichtgesetz
WRV
Weimarer Reichsverfassung
WTD
Wehrtechnische Dienststelle
WV
Abteilung „Wehrverwaltung“ im BMVg
WWD
Wehrwissenschaftliche Dienststelle
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZR
Zivilrecht
XIX
Einleitung
1
Einleitung
Mit der Dissertation zum gewählten Thema soll untersucht werden, ob und inwieweit es möglich ist, ein wirtschaftswissenschaftliches Erkenntnisobjekt, die
Personalwirtschaftslehre als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre, auf Erfahrungsobjekte anzuwenden, die bisher in der Literatur selten in diesem Kontext abgehandelt wurden. Es sollen Gründe hierfür herausgearbeitet werden,
warum die Personalwirtschaftstheorien nicht oder nur bedingt auf Behörden und
andere Institutionen der öffentlichen Verwaltung (administrative Betriebe)
Bezug nehmen konnten.
In Zeiten der umfangreichen Verwaltungsreformen, die unter dem Begriff „New
Public Management“ durch die Implementierung betriebswirtschaftlicher
Denkweisen und Methoden unter anderem die Modernisierung der exekutiven
Staatsgewalt zum Ziel haben, ist es angebracht, die Fragestellung differenziert
zu betrachten. Es ist zu erwarten, dass die Untersuchungen in verschiedenen
Phasen, nämlich vor und nach den Verwaltungsreformen des New Public Managements, unterschiedliche Ergebnisse liefern. Am Ende der Arbeit sind damit
konkrete Antworten auf die zentrale Fragestellung des Themas zu erwarten:
Zentrale Fragestellung
Welche Konsequenzen bringt das New Public Management für
die Personalwirtschaft administrativer Betriebe
und damit für die Personalwirtschaftslehre?
Abb. I: Zentrale Fragestellung der Arbeit
Diese Frage impliziert wiederum die drei nachstehend aufgeführten Kernfragen,
deren einzelne Beantwortung zusammengefasst zu einer Gesamtantwort auf die
zentrale Fragestellung führt:
Kernfragen
·
Konnte vor den Reformen bereits von Personalwirtschaft bezüglich administrativer Betriebe gesprochen werden ?
·
Wie und durch welche Faktoren verändern die Verwaltungsreformen das
Personalwesen administrativer Betriebe?
·
Ist es möglich oder gar notwendig, eine spezielle (administrative)
Personalwirtschaftslehre zu entwickeln?
Abb. II: Kernfragen der Arbeit
2
Einleitung
Die eingangs genannte Untersuchung wird im Rahmen der Dissertation in zwei
Teilen und sechs Hauptabschnitten durchgeführt. Der erste Teil der Arbeit
(Hauptabschnitte 1-3) beschäftigt sich ausführlich mit den Grundlagen und den
zentralen Begriffen des Themas,
· dem „administrativen Betrieb“
als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre,
· der „Personalwirtschaft“
als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre sowie
· dem „New Public Management“ als Bezugsrahmen der Untersuchungen.
Die einzelnen Begriffe sind hierbei eingehend zu definieren und zu erläutern,
weil
-wie an der entsprechenden Stelle aufzuzeigen ist- diese in der Literatur bisher
nicht oder uneinheitlich behandelt wurden. Außerdem sollen hierüber Erkenntnisse bereitgestellt werden, auf die dann im zweiten Teil der Arbeit zurückgegriffen werden kann.
In diesem zweiten Teil (Hauptabschnitte 4-6) wird dann jeweils einer der drei
oben aufgeführten Kernfragen nachgegangen.
Am Beispiel der Bundeswehrverwaltung wird zum Veranschaulichen ein administrativer Betrieb vorgestellt, der sich in doppelter Hinsicht in einem Reformprozess befindet. Einerseits, weil auch hier die aus den Zwängen knapper Ressourcen erwachsenen neuen betriebswirtschaftlichen Denkweisen, Methoden
und Instrumente eingeführt werden. Andererseits, weil aufgrund veränderter
sicherheitspolitischer Gegebenheiten, aber auch möglicher gesellschaftspolitischer Veränderungen (z.B. Diskussion um Abschaffung der Wehrpflicht), die
Ziele und Aufgaben dieser Institution gegenwärtig zur Disposition stehen.
Im Einzelnen werden in den jeweiligen Hauptabschnitten folgende Inhalte abgehandelt:
1. Erfahrungsobjekt „administrativer Betrieb“
Der erste Hauptabschnitt beinhaltet zunächst die ausführliche Definition
des Begriffes, sowie des zur Abgrenzung wichtigen Pendants „dispositiver Betrieb“. Im Rahmen dieser Abgrenzung wird ein Raster erstellt, das
die konstitutiven Unterschiede dokumentiert. Es werden sowohl die
staats- und verfassungsrechtlichen Grundlagen herangezogen als auch die
einzelnen Erscheinungsformen dargestellt, in denen „administrative Betriebe“ auftreten können, da hier Grenzfälle auftreten und anzusprechen
sind. Daneben werden systemtheoretische Überlegungen angestellt, um
herauszufinden inwieweit sich ein administrativer Betrieb von anderen
seiner Art abgrenzt, d.h. ab welcher Ebene (staatliche, ministerielle Ebene
Einleitung
3
oder Behördenebene) von einem eigenständigen System gesprochen werden kann.
Unter Anwendung des herausgearbeiteten Rasters wird anschließend die
Bundeswehrverwaltung als ein administrativer Betrieb identifiziert und
systemtheoretisch eingeordnet.
2. Erkenntnisobjekt „Personalwirtschaft“
In diesem Hauptabschnitt geht es zunächst um eine Darstellung aller relevanten Theorien, die sich allgemein mit dem Personalwesen und im Besonderen innerhalb der Betriebswirtschaftlehre mit Personalwirtschaft befassen. Dies erfolgt unter Einbezug der historischen Entwicklung. Dabei
gefundene divergente Ansätze werden gegeneinander abgewogen. Ansätze anderer Wissenschaftsbereiche werden aufgezeigt und ausgegrenzt, so
dass für den weiteren Verlauf der Arbeit ausschließlich die ökonomische
Perspektive bleibt. Dazu werden schließlich die Terminologie und Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls „Personalwirtschaft“ der FernUniversität Hagen vorgestellt und als ökonomische Leittheorie festgelegt.
In diesem Zusammenhang werden sodann die Begriffe „Personalwirtschaft“ und „Personalwirtschaftslehre“ definiert. Zum Abschluss werden
schließlich die personalwirtschaftlichen Aufgaben eines Betriebes im Überblick vorgestellt.
3. Staats- und Verwaltungsreformen des New Public Managements
Ausgehend von der bereits politisch anerkannten Notwendigkeit, in öffentlichen Verwaltungen mehr betriebswirtschaftliche Strukturen, Denkweisen und Methoden zu implementieren, werden die einzelnen Veränderungsmaßnahmen im Gesamtzusammenhang aufgezeigt und erläutert. Da
es sich hierbei um einen weltweiten Trend handelt, dem auch immer mehr
deutsche Staaten und Verwaltungen folgen, ist in diesem Hauptabschnitt
der vollständige Bezugsrahmen unter dem Begriff New Public Management vorzustellen.
Unter den beiden zentralen Aspekten des New Public Management, der
Staats- und der Verwaltungsmodernisierung, ist auf die konkreten Auswirkungen für administrative Betriebe im Ganzen einzugehen. Personalwirtschaftliche Aspekte werden hierbei zunächst nur kurz angerissen;
ausführlich behandelt und analysiert werden diese im Hauptabschnitt 5.
4
Einleitung
Abschließend kann aufgezeigt werden, welche Qualität die Reformen in
der Bundeswehrverwaltung haben und wie sich das Gesamtsystem mit
seinen Subsystemen als administrativer Betrieb durch die Reformen verändern wird.
4. Personalwirtschaft administrativer Betriebe
vor den Verwaltungsreformen
Inhalt dieses Hauptabschnittes ist das klassische Personalwesen des öffentlichen Dienstes, d.h. soweit es noch nicht von den im Hauptabschnitt
3 genannten Reformen betroffen ist. Ein historischer Abriss, der an den
früheren Reformen des 19. Jahrhunderts festmacht, und Ausführungen zu
den Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums sowie deren Auswirkungen auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern sollen Klarheit darüber
bringen, wie und warum das Personalwesen entsprechend ausgestaltet
war.
Das klassische Personalwesen der Bundeswehrverwaltung soll auch hier
beispielhaft konkrete Erkenntnisse der Praxis bereitstellen, um die allgemeinen Überlegungen anschaulich zu machen.
Im Rekurs zu Hauptabschnitt 2 werden im Wege einer personalwirtschaftlichen Analyse die Erkenntnisse dahingehend überprüft, ob und inwieweit von Personalwirtschaft in administrativen Betrieb bis zu den Reformen schon gesprochen werden konnte.
5. Personalwirtschaftliche Elemente der Verwaltungsreformen
Die Veränderungen, die sich durch das New Public Management im Personalwesen administrativer Betriebe auswirken, sind Inhalt dieses Hauptabschnittes. Es wird dabei zunächst ein Paradigmenwechsel bezüglich der
Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgegriffen, der schon weit vor den
Reformen begonnen hat und durch diese deutlich vorangetrieben wurde.
Anhand von ausgewählten Konzepten und Projekten verschiedener Bundesländer, der Bundesregierung und konkret der Bundeswehrverwaltung
wird der Veränderungsprozess im Personalwesen sowie die diesbezüglich
veränderten Rahmenbedingungen vorgestellt.
Schließlich erfolgt vor diesem Hintergrund wieder eine personalwirtschaftliche Analyse, um festzustellen, wie sich das klassische Personalwesen durch den Reformprozess verändert hat und wie dies in Bezug auf
die Personalwirtschaftlehre bewertet werden kann.
Einleitung
5
6. Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
Abhängig von den Ergebnissen aller vorausgegangener Abschnitte soll
hier resümierend eine abgeschlossene, konsistente und allgemeingültige
Theorie zum Zusammenhang von Personalwirtschaftlehre und administrativen Betrieben vorgestellt werden. Es wird sich hierbei um eine MetaTheorie handeln, welche die Frage der Anwendbarkeit der Personalwirtschaftslehre und ihrer Theorien für modernisierte administrative Betriebe
beantwortet. Abhängig von den Ergebnissen der vorausgegangenen
Hauptabschnitte ist eine der drei folgenden Theorien zu erwarten, nämlich
· der uneingeschränkten Übertragbarkeit der Personalwirtschaftslehre
auf
administrative Betriebe,
· der Impraktikabilität der Personalwirtschaftslehre in administrativen
Betrieben oder
· einer Administrativen Personalwirtschaftslehre als Teil einer Allgemeinen Personalwirtschaftslehre und gegenüber einer Dispositiven
Personalwirtschaftslehre.
Die Annahmen und das Begriffssystem der gefundenen Theorie sowie die
Kernaussagen werden wieder auf die Bundeswehrverwaltung bezogen,
um hiermit die Aussagefähigkeit und das Umsetzungspotenzial dieser
Theorie aufzuzeigen. Hierzu wird ein mögliches Personalkonzept für die
Bundeswehrverwaltung vorgestellt, das die Personalwirtschaft in einem
modernen administrativen Betrieb beschreibt und auf der beschriebenen
Theorie
beruht.
Zum Abschluss dieser Einleitung müssen noch folgende Hinweise zum Verständnis und zur Lesart der Dissertation gegeben werden:
(1) Alle Untersuchungen, Feststellungen und Ergebnisse dieser Arbeit sind
auf den Herbst 2001 bezogen. Zu diesem Zeitpunkt sind noch längst nicht
alle Modernisierungsprozesse des New Public Managements in Deutschland abgeschlossen. Dies ist im Übrigen schwer festzustellen, da viele
administrative Betriebe sich mittlerweile als lernende Organisationen
verstehen und sich damit in einem permanenten Wandelprozess befinden.
Es zeigt sich daher auch ein heterogenes Bild bezüglich der Entwicklungsstände in den Gemeinden, den Bundesländern und in der Bundesverwaltung. An den entsprechenden Stellen dieser Arbeit ist deshalb von
einem rein fiktiven Abschluss des Reformprozesses auszugehen. Es liegt
hierbei die Überlegung zu Grunde, dass die Verwaltungsreformen so weit
6
Einleitung
fortgeschritten sind, dass von einem modernen administrativen Betrieb
auszugehen ist, der sich insbesondere durch ein modernes Personalwesen
(in Abgrenzung zu dem klassischen Personalwesen, welches in Hauptabschnitt 4 ausführlich beschrieben wird) auszeichnet.
(2) Die Antwort auf die Frage, ob ein administrativer Betrieb modernisiert im
Sinne des NPM ist oder nicht, wird vereinfacht am Vorliegen entsprechender Konzepte festgemacht. Dies ist zwar eine optimistischidealistische Betrachtung, bei der unterstellt wird, dass die Ergebnisse
konzeptioneller Diskussionen auch zu tatsächlichen Veränderungen in
der Praxis führen werden, welche für die Logik dieser Dissertation aber
notwendig
ist.
Der Verfasser verkennt damit allerdings nicht die Implementationsproblematik, die bei jeder Organisationsveränderung, sowohl bei
dispositiven als auch bei administrativen Betrieben, besteht. Jedoch würde eine – notwendigerweise sehr eingehende – Beschäftigung mit dieser
Problematik vom Thema und der Zielsetzung wegführen und vom Umfang her den Rahmen der Arbeit sprengen.
(3) Zur besseren Lesbarkeit und zur sprachlichen Vereinfachung sind alle
Personenbezeichnungen, Funktionen etc. geschlechtsneutral zu verstehen
(z.B. Mitarbeiter, Bürger, Bearbeiter). Es wird also bewusst darauf verzichtet, jedes Mal sowohl die männliche als auch die weibliche Form zu
verwenden.
(4) Aus dem selben Grund ist auch der Begriff „Beamter“ in einem weiten
Sinne zu verstehen. Gemeint sind hiermit alle auf ähnlichen rechtlichen
Konstruktionen beruhenden öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisse, nämlich die der Beamte, Richter, Professoren und Soldaten.
Wenn eine Differenzierung notwendig ist, so wird an der betreffenden
Stelle selbstverständlich darauf hingewiesen.
Erster Teil
7
8
Erster Teil
1. Hauptabschnitt:
Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der
Betriebswirtschaftslehre
Die Betriebswirtschaftslehre wird heutzutage als eigenständige sozialwissenschaftliche Disziplin anerkannt. Ihr Erkenntnissinteresse richtet sich nach dem
faktortheoretischen Ansatz GUTENBERGs vornehmlich auf die „Produktivitätsbeziehungen alternativer Faktorkombinationen“ (vgl. ULRICH, P./HILL
1979, S. 171 f.) innerhalb ihrer Erfahrungsobjekten, den Betrieben.
Als „tragfähige Erkenntnistheorie“ konnte sich die Betriebswirtschaftslehre allerdings erst in den letzten Jahrzehnten etablieren. Das mag zum Einen an dem
Mangel an Forschungsergebnissen und haltbaren Theorien gelegen haben; zum
Anderen erschwerte und erschwert auch heute noch das Fehlen eines „Instrumentariums klarer Grundbegriffe“ ihre Konsistenz. Die Betriebswirtschaftslehre
präsentiert sich demnach mit ihrer uneinheitlichen Terminologie als Sozialwissenschaft ohne „einheitlichem Gesicht“ (vgl. ULRICH, H. 1970, S. 16.f, S.29 u.
S.98 f.).
Will man vor diesem Hintergrund aber dennoch zu allgemeingültigen, in sich
schlüssigen und vorurteilsfreien wissenschaftlich Aussagen kommen, so scheint
eine ausführliche und sorgfältige Definition der zentralen Grundbegriffe unerlässlich.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es zunächst der Begriff des „Betriebes“ selbst, der
als einer dieser zentralen Begriffe anzusehen ist und der in diesem Hauptabschnitt entsprechend ausführlich definiert (Nominaldefinition) und im Hinblick
auf seine, in der Realität auftretenden Erscheinungsformen analysiert wird.
Letzteres geschieht dadurch, dass diese Institutionen zunächst auf ihre Betriebseigenschaft hin überprüft werden, weil schließlich staatliche Institutionen als
Erfahrungsobjekte der Betriebswirtschaftslehre zu untersuchen sind. Anschließend werden die entsprechend identifizierten realen Erscheinungsformen unter
dem Begriff des administrativen Betriebs von Betrieben anderer Art (dispositiven Betrieben) abgegrenzt. Im Anschluss daran werden – dem Vorschlag
H.ULRICHs folgend – systemtheoretische Überlegungen zu den so definierten
administrativen Betrieben angestellt, um deren Wirklichkeit, also das „wesentlich Scheinende“ dieser Institutionen auch theoretisch erfassen zukönnen (vgl.
ULRICH, H. 1970, S. 100). Schließlich werden diese Überlegungen auf die
Bundeswehrverwaltung als exemplarisch gewähltes Anschauungsobjekt übertragen, wobei dieser administrative Betrieb auch gleichzeitig im Überblick vorgestellt werden kann.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
9
1.1 Betriebseigenschaft staatlicher Institutionen
Um das Erkenntnisinteresse der Betriebswirtschaftslehre mit allen ihren Teildisziplinen auf staatliche Institutionen richten zu können, bedarf es zunächst der
Klärung, ob diese Institutionen überhaupt Objekte des Erkenntnisinteresses sein
können. Mit dieser Fragestellung wird gleichzeitig auch die Beantwortung der
Ausgangsfrage verknüpft sein, in dem nämlich die eindeutige Negation der Betriebseigenschaft zu der Überzeugung führt, dass eine Personalwirtschaftslehre
als Teil der Betriebswirtschaftslehre auf den staatlichen Bereich überhaupt keine Anwendung finden kann. An dieser Stelle wäre -mathematisch gesprochendie „triviale Lösung" des zu untersuchenden Kernproblems gefunden.
1.1.1 Negation der Betriebseigenschaft als triviale Lösung
Der Begriff des Betriebes für eine Wirtschaftseinheit, d.h. für Einzelinstitutionen, die nicht aggregiert wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen werden, ist in der Literatur keineswegs einheitlich definiert. Insbesondere
am Abgrenzungspotenzial zu anderen Begriffen, die ebenso einzelwirtschaftlich
betrachtet, Wirtschaftseinheiten mit ihren unterschiedlichen Rollen im Wirtschaftskreislauf beschreiben, werden die divergenten Ansätze deutlich. So werden im Begriffstriangel von Betrieb, Unternehmung und Haushalt die unterschiedlichsten Konstellationen referiert. Am Beispiel der Abgrenzung zwischen
Betrieb und Unternehmen treten alle denkbar möglichen Beziehungen auf, die
Betrieb als Oberbegriff (z.B. KOSIOL 1978, S. 26), dem der Unternehmung
untergeordnet (z.B. LOHMANN 1964, S. 12 ff.) oder beide als nebengeordnete
Begriffspaare (z.B. RÖSSLE 1956, S. 16) sehen.
Im Rahmen dieser Abgrenzungsdiskussion werden sodann nicht selten staatliche Institutionen den Haushalten zugeordnet. Und wenn dabei nicht in irgendeiner Form Haushalte als Betriebe definiert werden, wie beispielsweise bei KOSIOL, der Haushalte als ursprüngliche Betriebe auffasst (KOSIOL 1978, S. 23),
werden sie damit gänzlich dem betriebswirtschaftlichen Erkenntnisinteresse
entzogen.
Es mag daran liegen, dass es oft Autoren von Standardwerken der betriebswirtschaftlichen Basisliteratur (z.B. WÖHE 1990, S. 2 u. 16 oder SCHIERENBECK
1995, S. 24) sind, die derart vorgehen und damit im wissenschaftlichen Prozess
der Erkenntnisfindung frühzeitig die Perspektive für eine andere Zuordnung
verbauen. Selbst Fachlexika verweisen darauf, dass die Ausdehnung des Betriebsbegriffes auf „Arbeitsstätten der (öffentlichen) Verwaltung“ umstritten ist
(GABLER, Bd. 1, Sp. 629). Das geringe Interesse der betriebswirtschaftlichen
Literatur in Deutschland an bestimmten fachspezifischen Fragestellungen, wie
10
Erster Teil
also auch der Personalwirtschaft, in staatlichen Institutionen verwundert schon
aus diesem Grunde nicht.
Daher sind es andere wissenschaftliche Disziplinen, die das Phänomen und die
Zusammenhänge der staatlichen Institutionen beschreiben und zu erklären versuchen. Im Bereich der so entstandenen, aber bisher noch wenig etablierten
Verwaltungswissenschaft (vgl. BECKER 1989, S.147) wird aus der wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive fast ausschließlich auf die Finanzwissenschaft zurückgegriffen, die allerdings gegenüber der Rechtswissenschaft zumindest in Deutschland- nur einen geringen Anteil repräsentiert (REICHARD
1987, S. 4). Hierbei ist selbst eine Unterordnung wirtschaftswissenschaftlicher
Erkenntnisse unter die juristische Theorie zu beobachten. Als Indiz hierfür können die Grundsätze für das zulässige Handeln der staatlichen Institutionen, die
sog. Verwaltungsgrundsätze herangezogen werden (WALLERATH 1985, S.
102 ff.). Diese Prinzipien umfassen unter anderem die Gebote der „Recht- und
Gesetzmäßigkeit“ oder der „Verhältnismäßigkeit“, nicht aber das Gebot der
„Wirtschaftlichkeit", obwohl es gesetzlich normiert (z.B. § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz) ist und somit ebenfalls das staatliche Handeln bindet. Da dieses
Prinzip aber lediglich als formaljuristisch und zwar bezogen auf die Aufstellung
und Ausführung von staatlichen Haushaltsplänen in Parlamenten und Verwaltungen gilt, sagt es über die Motive und Zielsetzungen (GORNAS/BEYER
1991, S. 43) des konkreten staatlichen Handelns nichts aus. Der Widerspruch
zwischen der gesetzlichen Normierung einerseits und der zu beobachteten mangelnden Befolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots in der Praxis des öffentlichen
Verwaltungshandelns andererseits (REICHARD 1987, S. 11) ist folglich nichts
anderes als konsequent.
Damit der Staat auch in seinen täglichen Handlungen dem Wirtschaftlichkeitspostulat auch praktisch und nicht nur formell nachkommen kann, was er in
Zeiten angespannter Kassenlagen auch muss, werden die Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre auch für staatliche Institutionen immer wichtiger (vgl.
EICHHORN 1985, S. 5). Dies bedeutet, es kann nicht bei der Auffassung bleiben, diese Institutionen begrifflich weiterhin von Betrieben abzugrenzen und
dadurch die Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre den Institutionen des
Staates vorzuenthalten.
Von der trivialen Lösung wird also im Rahmen dieser Arbeit dadurch Abstand
genommen, indem Argumente zusammengetragen werden, die für eine eindeutige Subsumtion dieser Institutionen unter den Betriebsbegriff sprechen.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
11
1.1.2 Merkmale des Betriebsbegriffes
Trotz der oben schon erwähnten Meinungspluralität (Schmidt, H.-J. 1995 S. 6)
zum Bedeutungsinhalt des Begriffes, kristallisieren sich in der Literatur bestimmte Merkmale heraus, die als hinreichende Bestimmungsfaktoren dafür angesehen werden, dass ein bestimmter Untersuchungsgegenstand den Tatbestand
eines Betriebes erfüllt.
Hierzu ist zunächst einmal festzustellen, dass es sich bei Betrieben um „Sozialgebilde mit einer einheitlichen Planung“ (KOSIOL 1978, S. 23) handelt. Soziale
Systeme also, die in der Form von Organisationen, Interaktionen oder Gesellschaften (LUHMANN 1985, S. 16) erscheinen können und sich insbesondere
dadurch auszeichnen, dass sie sich gegen die globale, meist komplexe Umwelt
und auch untereinander eindeutig abgrenzen (LUHMANN 1985, S.34f). Betriebe sind demnach soziale Systeme in der Erscheinungsform formaler Organisationen (vgl. LUHMANN 1985, S. 268). Sie sind Organisationen im institutionellen Sinne, in dem sie durch eine spezifische Zweckorientierung, einer geregelten Arbeitsteilung sowie durch beständige Systemgrenzen gekennzeichnet sind
(KIESER/KUBICEK 1992, S. 4).
Diese Organisationen werden dann im engeren Sinne als Betriebe angesehen,
wenn die drei von einem konkreten Wirtschaftssystem indifferenten Bestimmungsfaktoren nach GUTENBERG zutreffen (u.a. STEINEBACH 1980, S. 13).
GUTENBERG (1972, S. 457 ff.) nennt hierzu zunächst die Kombination von
Produktionsfaktoren um bestimmte Leistungen hervorzubringen, was den obengenannten spezifischen Zweck dahingehend konkretisiert, dass in Betrieben die
Güterproduktion gegen über der Konsumtion überwiegt. In seiner klassischen
Einteilung unterscheidet GUTENBERG (1972, S.2 ff.) zwischen den Elementarfaktoren, (objektbezogene Arbeitsleistungen, Arbeits- und Betriebsmittel sowie Werkstoffe) und den dispositiven Faktoren, also „Arbeitsleistungen (...), die
mit der Leitung und Lenkung der betrieblichen Vorgänge im Zusammenhang
stehen“. Aus der Definition der Werkstoffe, die als Rohstoffe bzw. als Halbund Fertigfabrikate in den Produktionsprozess eingehen und häufig Bestandteil
des Endproduktes werden (GUTENBERG 1972, S. 122), läßt sich für den
Dienstleistungsbereich eine wichtige Erkenntnis ableiten. Besteht hier nämlich
das meist immaterielle Endprodukt aus einer Information bzw. aus einem Bündel von Informationen, so müssen auch die Informationen, die notwendigerweise in den Informationsgewinnungsprozess eingehen als Werkstoffe (konkreter:
Rohstoffe) im Sinne GUTENBERGS angesehen werden (vgl. Schmidt H.-J.
1995, S. 56).
Die Faktorkombination erfolgt in Betrieben nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip. Jenes rationale Prinzip gibt vor, entweder durch einen konstanten Einsatz
12
Erster Teil
an Mitteln den größtmöglichen Nutzen zu erzielen (Maximalprinzip) oder ein
vorgegebenes Ergebnis mit dem geringsten Mitteleinsatz zu erreichen (Maximalprinzip).
Letztlich gilt noch das Streben nach dem finanziellen Gleichgewicht als notwendige Voraussetzung einer dauerhaften Existenz eines Betriebes, was die Beständigkeit oben schon genannter Systemgrenzen sicherstellt.
Auch die in der Literatur als Haushalte definierten sozialen Systeme betreiben
vielfach und bei einem angestrebten finanziellen Gleichgewicht Faktorkombination nach dem ökonomischen Prinzip, um Leistungen zu erzeugen, die allerdings überwiegend der Eigenbedarfsdeckung dienen. Hieraus wird zur eindeutigen Abgrenzung oftmals ein weiteres Wesensmerkmal der Betriebe abgeleitet,
da in Betrieben die Leistungserstellung überwiegend mit dem Ziel der Fremdbedarfsdeckung (u.a. SCHMIDT H.-J. 1995, S. 6) erfolgt. Dieser Ansicht wird
im Rahmen der Nominaldefinition des Betriebsbegriffes für die Zwecke dieser
Arbeit nicht nur gefolgt; das Kriterium der Fremdbedarfsdeckung wird, wie
später noch zu zeigen ist, zudem als ein zentrales Wesensmerkmal angesehen.
Merkmale des Betriebsbegriffes
Organisationsmerkmale
Fremdbedarfsdeckung
Prinzip
der
Wirtschaftlichkeit
Kombination
von
Produktionsfaktoren
Finanzielles
Gleichgewicht
Betriebsmerkmale i.e.S.
Abb. 1: Merkmale des Betriebsbegriffes
Beständige Systemgrenzen
Geregelte Arbeitsteilung
unter einheitlicher Planung
Spezifische Zweckorientierung
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
13
Anhand dieser, in Abbildung 1 nochmals zusammengefaßt dargestellten Begriffsmerkmale wird im folgenden Abschnitt durch Subsumtion versucht, die
Betriebseigenschaft von staatlichen Institutionen nachzuweisen. Dies geschieht
zunächst einmal beim Staat als Gesamtsystem. Danach werden die Institutionen
der einzelnen Staatsgewalten auf Ihre Betriebseigenschaften hin untersucht. Die
Unterteilung zwischen den Staatsgewalten ist allerdings als idealtypisch anzusehen, d.h. mögliche Verflechtungen, wie sie beispielsweise dann auftreten,
wenn Parlamente Aufgaben der Exekutiven übernehmen (z.B. ALBACH 1989,
S. 325), werden vernachlässigt.
Diese Untersuchung wird ausschließlich bezogen auf die Bundesrepublik
Deutschland und zwar auf die Bereiche mit Staatsqualität, wie der Bund selber
und die Bundesländer, wobei die zitierten Verfassungsgrundlagen und die ausgewählten Beispiele schwerpunktmäßig den Bund reflektieren. Wegen des sog.
„Homogenitätsgrundsatzes" des Art. 28 I GG, nachdem die staatliche Grundstruktur der Länder der des Bundes entsprechen muss (KATZ 1989, S. 114),
werden die meisten Erkenntnisse entsprechend übertragbar sein. Hinsichtlich
der Gemeinden, die wegen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes
der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 II GG) staatsähnliche Strukturen
aufweisen, sind ebenfalls Analogien erlaubt. Aus diesem Grunde können im
weiteren Verlauf dieser Arbeit auch besonders prägnante Beispiele aus dem
Kommunalbereich herangezogen werden.
Werden in den unmittelbar nachfolgenden Abschnitten staatliche Institutionen
ohne Betriebseigenschaft identifiziert, so wird nicht weiter untersucht, welche
begriffliche Zuordnung statt dessen zu erfolgen hat. Es sollen lediglich die Institutionen heraus gearbeitet werden, die -dem Zweck der Arbeit entsprechendals Erfahrungsobjekte für eine weitere Untersuchung herangezogen werden
können.
1.1.3 Untersuchung der Betriebseigenschaften bei staatlichen
Institutionen
1.1.3.1 Betriebseigenschaft des Staates als Ganzes
Der Staat mit seinen Einzelelementen Staatsvolk, -gebiet und -gewalt muss insgesamt also zunächst einmal ein soziales System mit den oben beschriebenen
Merkmalen darstellen. Bezogen auf die Gesamtheit der Personen, die als
Staatsvolk einer dieser elementaren Bestandteile ist, kann der Staat zunächst
einmal als soziales System angesehen werden, da das Staatsvolk sich in dem
systemtheoretischen Sinne LUHMANNS von der Umwelt (im Sinne von Natur)
und von Völkern anderer Staaten eindeutig abgrenzt. Allerdings können in
Deutschland die Staatsbürger aufgrund der ihnen verfassungsgemäß zugestan-
14
Erster Teil
denen Grundrechte auf Freizügigkeit gem. Art. 11 GG im Allgemeinen und der
Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG im Konkreten nicht arbeitsteilig organisiert sein.
Das bedeutet, dass hier lediglich ein soziales System im Sinne einer Gesellschaft bzw. eines Teiles davon vorliegt, nicht aber eine formale Organisation
und somit noch weniger ein Betrieb.
1.1.3.2 Institutionen der Legislative
Anders könnte es allerdings bei den vom jeweiligen Staatsvolk gewählten Parlamenten als Institution der Legislative sein. Da sowohl der Bund als auch die
einzelnen
Länder
in
Deutschland
Staatsqualität
besitzen
(SCHUNCK/DECLERCK 1989, S. 28), könnten die 18 Bundes- und Landesparlamente (einschließlich der Stadtstaaten und des Bundesrates) soziale Systeme in dem als formale Organisation definierten Sinne sein.
Hierzu kann zunächst festgestellt werden, dass die Parlamente einem spezifischen Zweck dienen, nämlich als gewählte Volksvertretung, d.h. als Repräsentant des Souveräns, dessen Anteil an der Staatsgewalt auszuüben (vgl.
SCHUNCK/DECLERCK 1989, S. 48). Hierzu gehören neben der Wahl der Regierungschefs die Ausübung der Gesetzgebungsbefugnis sowie die Wahrnehmung weiterer parlamentarischer Funktionen (siehe hierzu KATZ 1989, S. 157).
Auch kann von einer arbeitsteiligen Organisation unter einheitlicher Planung
ausgegangen werden. Dies kommt insbesondere durch die Geschäftsordnung
(z.B. für den Bundestag gem. Art. 40 I GG) zum Ausdruck, die den Parlamentariern unterschiedliche Aufgaben und Rollen im Präsidium und in den Ausschüssen zuweist sowie die parlamentarischen Geschäftsgänge regelt (JARASS/PIEROTH 1989, S.429). Des Weiteren sind die Systemgrenzen durch die
regelmäßigen Wahlen verfassungsmäßig abgesichert und damit als beständig
anzusehen. Parlamente sind insofern zu nächst einmal formale Organisationen.
Fraglich ist jedoch, ob auch die Betriebseigenschaften im engeren Sinne zutreffen, insbesondere ob die Leistungserstellung durch Faktorkombination und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips zustande kommt. Das Hauptprodukt der Parlamente dürften die Beschlüsse sein, die nicht notwendigerweise
immer Gesetzescharakter haben. Das Zustandekommen dieser Beschlüsse erfolgt durch Kombination von Produktionsfaktoren insofern, als die Abgeordneten bei Nutzung der sachlichen und personellen Ausstattung der Parlamente im
Wesentlichen auf Informationen (vgl. Abschnitt 1.2.2) zurückgreifen, die aus
den unterschiedlichsten Quellen stammen (z.B. aus den Fraktionen, den Ausschüssen oder den Äußerungen anderer Paralmentarier), um sie in Beratungen
und Debatten entsprechend zu verarbeiten. Allerdings kann man nicht unterstellen, dass diese Kombinationsprozesse immer, d.h. einem generellen Leitprinzip folgend, unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zustande kommen. Parla-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
15
mentarische Entscheidungen sind politische und demokratische Entscheidungen. D.h. sie berücksichtigen meist ethisch-moralische Wertvorstellungen oder
parteipolitisch vorgegebene Grundsätze (sog. Fraktionszwang) und kommen
nach dem Mehrheitsprinzip zustande. Das schließt selbstverständlich nicht aus,
dass einzelne Parlamentarier in ihrem freien und unabhängigen Abstimmverhalten („freies Mandat“; vgl. SCHUNCK/DECLKERCK 1989, S. 50) auch ökonomischen Erwägungen folgen, was sich aber auf den Beschluß insgesamt
nur dann auswirkt, wenn zufällig die Mehrheit der Abgeordneten sich analog
verhält. Beispiele für Entscheidungen jenseits des ökonomischen Prinzips lassen sich gegenwärtig viele finden, denkt man an die Beschlüsse, den Regierungssitz nach Berlin zu verlegen oder Bundeswehreinsätze im Ausland zu genehmigen. Am letztgenannten Beispiel läßt sich auch aufzeigen, dass im Rahmen der kollektiven Beschlußfassung eine Untersuchung zum Verhältnis von
Nutzen (Wahrnehmung sicherheitspolitischer Verantwortung oder Verbesserung des Ansehens in der Weltpolitik) und Aufwand (Kosten der Einsätze) nicht
systemimmanent ist und bestenfalls -wie oben gezeigt- nur individuell stattfindet. Das einfachgesetzlich, d.h. unterhalb der Verfassungsebene vorgeschriebene, Wirtschaftlichkeitsprinzip des Haushaltsgrundsätzegesetzes (§ 6 s.o.) ändert
hieran nichts.
Damit findet also der Produktionsprozess in Parlamenten grundsätzlich nicht
nach wirtschaftlichen, sondern vorrangig nach politischen und demokratischen
Prinzipien statt. Parlamente können demnach nicht als Betriebe angesehen werden.
1.1.3.3 Institutionen der Judikative
Der Bereich der Judikative im engeren Sinne, also nur auf die Personenkreise
der Richter beschränkt, also der Personen, die Recht sprechen, wird ebenso mit
dem Begriff „Gericht“ bezeichnet, wie die Institutionen, die diese Personen unterstützen. Es soll daher der Bereich der Gerichts- bzw. Justizverwaltung (Gerichte im weiteren Sinne) hier ausgeklammert und später zusammen mit den Institutionen der Exekutiven untersucht werden. Gleiches gilt für den Bereich der
sog. „freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (SCHUNCK/DECLERCK 1989, S. 26), da
es sich von seinem Wesen her (z.B. Grundbuchangelegenheiten) eher um eine
staatliche Dienstleistung im administrativen Bereich handelt, als um Rechtsprechung im klassischen Sinne.
Unterstellt, dass Gerichte i.e.S. formale Organisationen darstellen, was aus den
verschiedenen sachlichen und räumlichen Zuständigkeiten und den hierarchischen Beziehungen der Gerichte untereinander geschlossen werden kann (vgl.
KATZ1989, S. 233), soll die weitere Untersuchung bezüglich der Betriebseigenschaft ausschließlich an der Frage nach Geltung des Wirtschaftlichkeitsprin-
16
Erster Teil
zips im Rechtsfindungsprozess festgemacht werden. An dieser Stelle sind nämlich bezüglich der Rechtsstellung der Richter bestimmte Parallelen zu den Abgeordneten evident. Wenn auch gerichtliche Beschlüsse nicht immer pluralistische Entscheidungsfindungsprozesse sind, weil auch Einzelrichter Recht sprechen, so kann doch wegen der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der
Richter (KATZ 1989, S. 232) auf den Produktionsprozess in Parlamenten verwiesen werden.
Außerdem hat ein einzelner Richter ausschließlich das geltende Recht zu beachten, d.h. er kann bei seiner Entscheidung nicht von gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsfolgen abweichen, weil etwa andere Konsequenzen wirtschaftlicher wären. Insofern stellen die Gerichte i.e.S. ebenfalls keine Betriebe dar.
1.1.3.4 Institutionen der Exekutive
Nach gegenwärtig herrschender Meinung zerfällt die Exekutive, also die Staatsgewalt, deren Aufgabe es ist, Gesetze und andere politische Vorgaben der Parlamente zu vollziehen, in zwei Bereiche (KATZ 1989, S. 183). Einerseits werden Institutionen der Regierungen einschließlich ihrer politischen Leitungsgremien (den Ministerien) der Gubernative zugeordnet, während andererseits die
übrigen Institutionen des sog. „Verwaltungsapparates“ (u.a. GORNAS/BEYER
1991, S. 57) durch den Begriff der Administrative bzw. als öffentliche Verwaltung bezeichnet sind. Zu dem letztgenannten Bereich zählen aufgrund ihrer wesensmäßigen Verwandtschaft funktional (vgl. REICHARD 1987, S. 3) auch
bestimmte Institutionen der Legislative (z.B. Bundestagsverwaltung), der Judikative (s.o. Gerichte i.w.S.) und der im Folgeabschnitt noch näher zu betrachtenden übrigen Staats- und Verfassungsorgane (z.B. Bundespräsidialamt).
Da beide Bereiche auf vielfältige Weise miteinander verwoben (GORNAS/BEYER 1991, S. 1) sind, so dass sie, obwohl aus methodischen Gründen
getrennt voneinander zu betrachten, „strukturell und prozessual eine Einheit
bilden“ wird die Untersuchung des Betriebsbegriffes für beide Bereiche daher
gemeinsam durchgeführt. Auf bestehende Unterschiede bzw. Besonderheiten
wird dann im Einzelnen hingewiesen.
1.1.3.4.1 Exekutivinstitutionen des Staates als formale Organisationen
Die Frage, ob die zu untersuchenden Institutionen soziale Systeme mit einer
spezifischen Zweckorientierung darstellen, die bei geregelter Arbeitsteilung
unter einheitlicher Planung beständige Grenzen aufweisen, soll vornehmlich
unter staats- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geklärt werden, weil
dort Aussagen über den Charakter dieser Institutionen zur Verfügung stehen. So
wird in der entsprechenden Fachliteratur der Gubernativen die Wahrnehmung
der gestaltenden und richtungsgebenden Funktion des Staates zugewiesen (vgl.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
17
KATZ 1989, S. 183 u. SCHUNCK/DECLERCK 1989, S. 76). Sie ist damit die
oberste politische Staatsleitung, was der spezifischen Zwecksetzung entspricht.
Der öffentlichen Verwaltung werden in diesem Zusammenhang mit dem Vollzug der politischen Vorgaben der Gubernative und natürlich auch der Rechtsnormen der Legislative eigene Zwecke zugeteilt. Die Öffentliche Verwaltung
soll also öffentliche Aufgaben erfüllen, in dem sie durch „Vorbereitung, Umsetzung und Kontrolle politischer Entscheidungen und auf diesen basierender Aktionen“ (REICHARD 1987, S. 3) tätig wird.
Diese Aufgaben werden auch arbeitsteilig wahrgenommen, indem die jeweilige
Verfassung eine entsprechende Ordnung bereits auf der Ebene der Gubernative
vorgibt. Ohne näher auf die konkreten Aufgaben einzugehen verweist z.B. das
Grundgesetz auf verschiedene Geschäftsbereiche innerhalb der Bundesregierung, die von den jeweiligen Bundesministern selbständig geleitet und verantwortet werden (vgl. Art. 65 GG). Dies geschieht innerhalb der Vorgaben politischer Richtlinien des Regierungschefs, in diesem Falle des Bundeskanzlers, und
wird zur exakten Kompetenzverteilung durch eine entsprechende Geschäftsordnung ausgestaltet. Obwohl -wie gezeigt- eine Abhängigkeit des Handelns der
öffentlichen Verwaltung von den Vorgaben der Gubernative besteht, kann nicht
automatisch auch auf eine entsprechende organisatorische Aufgabenverteilung
innerhalb der Verwaltungsinstitutionen geschlossen werden. Mit anderen Worten: nicht jedes Ministerium hat seinen eigenen Verwaltungsunterbau. Auf
Bundesebene verteilt die Verfassung die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
nicht analog zu den Geschäftsbereichen der Bundesregierung, sondern macht
sie abhängig von der Ausführungskompetenz der Bundesgesetze, die sie entsprechend der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gem. Art. 30 GG (vgl. JARASS/PIEROTH 1989, S.379f.) den Bundesländern zuweist. Nur dort, wo es das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zuläßt (Art. 83 GG), ist die Existenz der Bundesverwaltung mit den dort (Art. 86 90 GG) zugewiesenen Aufgaben abschließend geregelt. Sie wird sodann bezüglich der weiteren Aufgabenverteilung noch weiter ausdifferenziert, was zu dem
typischen dreistufigen Verwaltungsaufbau (vgl. GORNAS/BEYER 1991, S. 57)
führt, der an einer anderen Stelle noch erläutert wird. Auch innerhalb der Institutionen deutet die dortige Existenz von Abteilungen, Referaten Dezernaten etc.
auf eine arbeitsteilige Organisation hin (vgl. Schmidt 1995, S. 16).
Mit dieser Betrachtungsweise bilden die einzelnen Ministerien, gleichwohl
noch der Gubernative zuzurechnen, als oberste Instanz der Verwaltung, die
Schnittstelle zwischen beiden Bereichen der Exekutive (vgl. Abbildung 2).
Während der jeweilige Minister mit seinen Staatssekretären die politische Führung repräsentiert, stellen die übrigen Instanzen im Ministerium die Verwaltungsspitze dar.
18
Erster Teil
Aufbau und Gliederung der Exekutiven
(Schematische Darstellung)
Bereich der Gubernative
Regierung:
Bundeskanzler bzw. Ministerpräsident und Minister
M
M
M
M
B
B
B
B
M
M
B
B
Bereich der öffentlichen Verwaltung
B
Legende:
Geschäftsbereich
Ministerium
Behörde
Unterbau
Abb. 2: Aufbau und Gliederung der Exekutiven
Sowohl die Gubernative als auch die öffentliche Verwaltung weisen damit eine
geregelte Arbeitsteilung auf, die auch einer einheitlichen Planung unterliegt,
nämlich indem für beide Bereiche der Exekutiven gemeinsam eine zur Handlungsfähigkeit aufgestellte Finanzplanung existiert. Diese gemeinsame Finanzplanung wird mit dem Begriff des „Öffentlichen Haushalts“ bezeichnet und
„dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfs, der zur Erfüllung der
Aufgaben“ (vgl. WIESNER 1997, S. 47) in einem definierten Planungszeitraum, nämlich dem (oder den) Haushaltsjahr(en), notwendig ist.
Geht man davon aus, dass staatliche Institutionen aufgrund ihrer Legitimation
durch die Verfassung und der ihr immanenten Bestandsregelungen, insbesondere durch Art 79 Abs. 3 GG (sog. Ewigkeitsklausel), auf eine dauerhafte Existenz
ausgerichtet sind, so kann auch das Kriterium der beständigen Systemgrenzen
sowohl für die Gubernative, also auch für die Institutionen der öffentlichen
Verwaltung als erfüllt angesehen werden.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
19
Die Institutionen der Exekutive sind damit eindeutig als soziale Systeme in der
Erscheinung formaler Organisationen anzusehen.
1.1.3.4.2 Betriebseigenschaften im engeren Sinne
Nach den Wirtschaftssystem indifferenten Betriebsmerkmalen GUTENBERGS
müßten beide Organisationstypen der Exekutive unter Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips Produktionsfaktoren einsetzen und dabei ein finanzielles
Gleichgewicht anstreben.
Sowohl die Organisationen der Gubernative als auch die der öffentlichen Verwaltung verfügen über einen „Bestand an personellen und sächlichen Mitteln“
(GORNAS/BEYER 1991, S. 57), um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Die
hierbei erzeugten Produkte sind als staatliche Dienste zumeist immateriell.
Auch hier gehen zu diesem Zwecke häufig Informationen als Werkstoffe in den
Produktionsprozess ein, an dessen Ende meist wieder Informationen stehen. Als
Beispiele für die Produkte der Gubernative seien die Beschlüsse oder Gesetzesvorlagen der Regierung bzw. bei den Ministerien die Beantwortung von Anfragen aus dem Parlament oder die Fertigung von Erlassen als Weisungen an den
nachgeordneten Verwaltungsbereich genannt. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung bieten sich als Beispiele für typische Produkte die Fertigung und Verkündung von Verwaltungsakten gem. § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
(WALLERATH 1985, S. 149 ff.) an. Des Weiteren erzeugen die Organisationen
der Exekutive im Verbund auch andere immaterielle Produkte, die z.B. in der
Sicherstellung der „inneren Sicherheit“, „Bildung“ oder bestimmter Grundversorgungen bestehen und die wiederum durch eine personelle, materielle und
informationelle Faktorkombination erzeugt werden.
Dass diese Produktionen unter den Bedingungen des Wirtschaftlichkeitsprinzip
zu erfolgen hat, ist bereits im Grundgesetz vorgeschrieben. Art. 114 Abs. 2 GG
fordert in diesem Zusammenhang eine ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung, die als Prinzip der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ über
den Art. 109 Abs. 3 GG im Haushaltsgrundsätzegesetz (§ 6) kodifiziert und für
den Bund in der Bundeshaushaltsordnung (§7; für die Länder entsprechend in
Landeshaushaltsordnungen) konkretisiert wurde. Da, wie bereits festgestellt,
sowohl Gubernative als auch die öffentliche Verwaltung gleichermaßen der
gemeinsamen Haushaltsplanung und -ausführung unterliegen, gilt das Wirtschaftlichkeitsprinzip ebenfalls für beide Bereiche. Sie erfahren tendenziell
auch durch die Knappheit der zur Verfügung gestellten Mittel die Notwendigkeit, im praktischen Handeln das Verhältnis von Mitteleinsatz und Ergebnis zu
optimieren, was exakt dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entspricht. Tendenziell
übrigens deshalb, weil (wie schon in Abschnitt 1.1.1 angedeutet) die gesetzliche
Vorschrift, insbesondere durch die Verwendung der Begriffe „Wirtschaftlich-
20
Erster Teil
keit“ und „Sparsamkeit“ nebeneinander, nicht eindeutig ist (vgl. SCHMIDT
1995, S. 18 f. oder GORNAS/BEYER 1991, S. 41 f.) und es deshalb nach dem
Motto „Spare, koste es was es wolle!“ gelegentlich zu unwirtschaftlichen Verhaltensweisen kommt.
Das Streben nach dem finanziellen Gleichgewicht ist ebenfalls verfassungsmäßig vorgeschrieben, da Art. 110 Abs. 1 vorgibt, den Haushalt nach Einnahmen
und Ausgaben auszugleichen. Aufgrund der bestehenden Haushaltssystematik,
die als Ordnungssystem (vgl. STAENDER 1989, S. 182) eben auch die Forderung nach finanziellem Ausgleich sicherstellt, tragen auch alle Einzelinstitutionen der Exekutiven während der Ausführung des Haushaltsplanes durch die
entsprechende Bewirtschaftung der begrenzt zugewiesenen Haushaltsmitteln
dazu bei.
Somit kann festgehalten werden, dass die Organisationen der Gubernative und
der öffentlichen Verwaltung die Betriebsmerkmale im engeren Sinne erfüllen.
Ob sie dann als Betrieb im Sinne der Nominaldefinition dieser Arbeit gelten,
entscheidet die Frage, ob die erzeugten Produkte überwiegend der Fremdbedarfsdeckung dienen.
1.1.3.4.3 Untersuchung des Bedarfsdeckungszieles
Die Autoren, die öffentliche Institutionen als reine Haushalte oder als „besondere Wirtschaftseinheiten“ (SCHIERENBECK 1995, S. 24) und damit abgegrenzt
von den Betrieben sehen wollen, begründen ihre Sichtweise zumeist damit,
dass ein Element des Staates (hier ein Teil der Staatsgewalt) Leistungen für ein
anderes Element (entweder für einen anderen Teil der Staatsgewalt oder für das
Staatsvolk) des selben Systems erbringt. Sie sehen darin eine Leistungserstellung, die -aus dieser Perspektive logisch und konsequent- den eigenen Bedarf
deckt. Somit ist methodisch betrachtet kein wesentlicher Unterschied zu den
privaten Haushalten zu sehen, die gleichermaßen wirtschaften.
Entgegen dieser Meinung kann die Aufteilung des Staates als politisches System (vgl. LUHMANN 1984, S. 627) in mehrere soziale Systeme zu einer anderen Überzeugung führen. Dies nämlich dann, wenn die zu betrachtenden Institutionen der Exekutiven Leistungen nicht für sich selbst, sondern für die anderen sozialen Systeme, sei es für die oben vorgestellten formalen Organisationen
des Staates, also die Institutionen der Legislative und der Judikative oder sei es
für das Staatsvolk (als soziales System in Form der Gesellschaft) erbringen.
Aus der beschrieben Zweckbestimmung der Exekutivorganisationen und der
daraus abgeleiteten Aufgabenstellung wird deutlich, dass die Zielrichtung der
Leistungserstellung keineswegs nach innen weist. Vielmehr sind die anderen
sozialen Systeme die Leistungsempfänger, was innerhalb der Exekutiven viel-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
21
leicht noch nicht ganz deutlich wird, weil die Gubernative vorwiegend Verwaltungsvorschriften und Erlasse erzeugt, die für die Administrative bestimmt
sind. Da aber die methodische Betrachtung sowohl beide Bereiche, als auch alle
ihre Einzelinstitutionen von einander trennt, wird die Außenwirkung der Leistungserstellung evident. Dieses um so deutlicher, wenn die Beziehungen zu den
anderen Systemen, insbesondere die der öffentlichen Verwaltung zur Gesellschaft analysiert werden. Folgt man der verwaltungsrechtlichen Definition des
Verwaltungsbegriffes, dann erkennt man durch die Formulierung, dass Verwaltung als „unmittelbar leistende oder eingreifende, gestaltende oder teilplanende Wahrnehmung von Angelegenheiten des Gemeinwesens“ (WALLERATH 1985, S. 3) verstanden wird, die Zielrichtung des produktiven Handelns
und zwar in Richtung des Staatsvolkes. Und in den Fällen, in denen staatliche
Dienstleistungen nicht für die Bürger bestimmt sind, sind es andere staatliche
Institutionen, wie beispielsweise die Gerichte i.e.S. als Leistungsempfänger der
Gerichtsverwaltung.
Vergleichsweise selten sind dagegen die Leistungen an die bzw. innerhalb der
eigenen Organisation, so dass insgesamt von einer Fremdbedarfsdeckung ausgegangen werden kann. Auch der Aspekt, dass die staatlichen Institutionen überwiegend kollektiven Bedarf (CHMIELEWICZ 1971, S.586) decken, ändert
nichts an dem Ergebnis, so dass die untersuchten Institutionen der Gubernative
und der öffentlichen Verwaltung Betriebe im Sinne dieser Definition und somit
Erfahrungsobjekte des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisinteresses sind.
1.1.3.5 Sonstige staatliche Institutionen
Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle noch auf die staatlichen Institutionen eingegangen werden, die in der bisherigen Aufteilung noch nicht berücksichtigt wurden. Es sind dies Staats- und Verfassungsorgane, wie z.B. der Bundespräsident oder die Bundesversammlung. An diesen Beispielen soll aber
deutlich gemacht werden, dass derartige Institutionen aufgrund ihres Besonderheitscharakters keinen wesentlichen Einfluß auf die Ergebnisse dieser Arbeit
haben werden. Denn zum Einen ist die Institution des Bundespräsidenten eine
Einzelperson und zum Anderen tritt die Bundesversammlung nur alle fünf Jahre
zum Zwecke der Wahl des Bundespräsidenten (Art. 54 GG) zusammen.
Hierzu gehörende Verwaltungsorganisationen, wie beispielsweise das Bundespräsidialamt werden dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zugeordnet (vgl.
Abschnitt 1.1.3.4) und als Betriebe betrachtet.
Gleiches gilt für den Bundesrechnungshof (bzw. die Landesrechnungshöfe), die
als oberste Verwaltungsbehörden (vgl. JARAS/PIEROTH 1989, S. 703) ebenfalls Betriebe sind.
22
Erster Teil
1.1.4 Besonderheiten staatlicher Betriebe
1.1.4.1 Verschiedene Ansätze einer speziellen Betriebslehre
Nachdem -wie gezeigt- der Einordnung staatlicher Institutionen als Betriebe in
der Literatur nicht einstimmig gefolgt wird, so ist wegen der Betrachtung dieser
Betriebe als Erfahrungsobjekte der Betriebswirtschaftslehre besonders auf deren
Besonderheiten zu achten und einer sorgfältigen Untersuchung zu unterziehen.
Dieses Vorgehen ist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre nicht ungewöhnlich.
Auch bei anderen Betrieben werden die branchenspezifischen Besonderheiten
gesondert analysiert und als eigenständige Teildisziplin geführt. Beispiele hierfür sind unter den Stichworten „Bankbetriebslehre“, „Handelsbetriebslehre“ oder „Industriebetriebslehre“ zu finden (vgl. ULRICH, H. 1970, S. 57). Bei einer
derart differenzierten Betrachtungsweise werden die besonderen Betriebstypen
durch entsprechende Begriffe (Industriebetrieb etc.) bezeichnet.
Entsprechende Versuche, eine eigene Theorie für staatliche Betriebe zu entwickeln, können zum heutigen Stand der Wissenschaft als noch nicht abgeschlossen angesehen werden. Ganz besonders die begriffliche Vielfalt, mit der die
staatlichen Betriebe bei solchen Untersuchungen bezeichnet werden, macht
deutlich, dass hier eine konsistente Theorie noch nicht gefunden ist. Unter der
Intention, ein spezielles Erfahrungsobjekt zu definieren, wobei insbesondere
dessen Besonderheiten und Abgrenzungsmerkmale zu den anderen Betriebstypen, die hauptsächlich als „Unternehmungen“ gekennzeichnet werden, herausgestellt werden sollen, kamen unterschiedliche Ergebnisse zu Tage.
Neben KOSIOL, der zwar die meisten staatlichen Institutionen wegen ihrer Eigenbedarfsdeckungsabsicht zunächst als „öffentlichen Haushalte“ (vgl. KOSIOL 1978, S. 25) von „Unternehmungen“, aber unter dem Oberbegriff des „Betriebs als Zelle der Wirtschaft“, einordnet, grenzt POHMER (zitiert bei KOSIOL 1978, S. 27) diese als „Finanzwirtschaftliche Betriebe“ von „Martktwirtschaftlichen Betrieben“ ab.
Beide Ansätze gehen davon aus, dass es auch staatliche Betriebe mit der Zielsetzung gibt, fremden Bedarf zu decken, die dort dann als „Öffentliche Unternehmungen“ bezeichnet sind. Da aber im Rahmen dieser Arbeit alle staatlichen
Betriebe definitionsgemäß als fremdbedarfsdeckend angesehen werden, sind
diese Ansätze wenig hilfreich, an ihnen die Besonderheiten staatlicher Betriebe
heraus zu arbeiten. Auch deshalb, weil bei den dort als Unternehmungen angesehenen öffentlichen Betrieben offenbleibt, wo konkret der Unterschied zwischen bestimmten Institutionen der öffentlichen Verwaltung bestehen, die u.a.
als „Nettobetriebe“, „Eigenbetriebe“ oder Stiftungen (vgl. STEINEBACH 1980,
S. 173) in nicht privatrechtlicher Form gegenüber privatrechtlich organisierten
Betrieben auftreten, an denen der Staat finanziell beteiligt ist.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
23
Ebensowenig hilfreich sind die aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum
stammende Betrachtungen der „Non-Profit-Organization“ (u.a. HANSMANN
1987, P. 28) bzw. die „Public-Administration“-Lehre. Erstens deshalb, weil
letztere „mehr oder weniger zwanglos“ verschiedene wissenschaftstheoretische
Aussagen (BECKER 1989, S. 149) miteinander verknüpft und dadurch den Fokus nicht auf das rein betriebswirtschaftliche Erkenntnisinteresse gerichtet wird.
Zweitens, weil die Einordnung der „Non-Profit-Organization“ nach USamerikanischen Kriterien erfolgt, womit spezifische Institutionen der deutschen
Verwaltung (z.B. „Bundesbetriebe“ nach § 26 der Bundeshaushaltsordnung)
außen vor bleiben, obwohl sie häufig rechtlich und organisatorisch mit den Betrieben der öffentlichen Verwaltung verbunden sind. Also liegt hier ebenfalls
ein Abgrenzungsproblem vor, das eine spezielle Betrachtung von Betrieben des
öffentlichen Sektors methodisch behindert.
1.1.4.2 Verwaltungsbetriebslehre
Eine brauchbarer Ansatz für eine differenzierte Untersuchung staatlicher
Betriebe wurde im deutschen Sprachraum scheinbar mit der Theorie der
„Öffentlichen Verwaltungsbetriebe - ÖVB“ (GORNAS/BEYER 1991, S. 61),
der sog. „Verwaltungsbetriebslehre“ gefunden (einen Überblick über die verschiedenen Autoren bietet REICHARD 1987, S.13).
Diese geht allerdings noch nicht von einem einheitlichen Begriff für das Erfahrungsobjekt „Verwaltungsbetrieb“ aus (vgl. STEINEBACH 1980, S. 15), da
diesem offenbar die „Komplexität und Heterogenität der öffentlichen Verwaltung“ im Wege steht. Insbesondere mit der von fast allen Vertretern dieser Theorie vorgenommenen Ausgrenzung der „Öffentlichen Betriebe“ (u.a. REICHEARD 1987, S. 16) bleiben auch hier wieder mit der öffentlichen Verwaltung verbundene bzw. ihr immanente Institutionen (vgl. 1.1.4.3) außerhalb der
Betrachtung. Eine konsistente Theorie zur Analyse aller zuvor als staatliche
Betriebe definierten Organisationen liegt also mit der „Verwaltungsbetriebslehre“ auch nicht vor.
Allerdings bietet diese Theorie ein auf CHMIELEWICZ (1971, S. 603 ff.) zurückgehendes Untersuchungsmodell, anhand dessen insbesondere die konstitutionellen Unterschiede zwischen privaten Haushalten, Unternehmungen und den
staatlichen Betrieben (als öffentliche Betriebe und Verwaltungsbetriebe) bezüglich ihrer Ziel-, Leistungs-, Eigentums- und Finanzstruktur untersucht werden (REICHARD 1987, S. 17) und worauf verschiedene Autoren ihre weiteren
Überlegungen aufbauen (z.B. STEINEBACH 1980, S. 16 ff.).
Außerdem stellt dieser Ansatz auch ein Raster bereit, um die als Verwaltungsbetriebe definierten Organisationen untereinander zu unterscheiden (EICH-
24
Erster Teil
HORN/ FRIEDRICH 1976, S. 62 ff.). Dies nämlich nach der Funktion im
Staatssystem (z.B. Lenkung oder Ausführung), nach den vorherrschenden
Leistungszielen (Ordnung oder Dienstleistung) sowie nach der Stellung in der
Staatsorganisation (Bund, Länder oder Gemeinden).
Um auf alle diese Erkenntnisse auch weiterhin zurückgreifen zu können, soll im
folgenden der Ansatz der Verwaltungsbetriebslehre dahingehend modifiziert
werden, dass das oben genannte Abgrenzungsproblem gelöst wird. Und zwar in
dem Sinne, dass zumindest die Institutionen, die existenziell mit der öffentlichen Verwaltung verbunden sind, bei einer Untersuchung von Verwaltungsbetrieben simultan mit eingeschlossen sind, diese also „mit ins Boot“ genommen
werden können.
Aus diesen Gründen wird im nächsten Abschnitt der Begriff des „administrativen Betriebes“ vorgestellt, der als einziges Pendant den „dispositiven Betrieb“
kennt und unter den sich dann alle die Betriebe subsumieren lassen, die gemäß
der zentralen Fragestellung dieser Arbeit als Erfahrungsobjekte zu untersuchen
sind, nämlich alle Institutionen der Gubernative und der öffentlichen Verwaltung.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
25
1.2 Administrative versus dispositive Betriebe
Mit dieser dichotomen Begriffstypologie zum Erfahrungsobjekt Betrieb soll
zum Einen das oben mehrfach angesprochene Abgrenzungsproblem mittels einer modellhaften Typologie gelöst werden, die Auffangtatbestände für alle in
der Realität vorhandenen Institutionen bietet. Zum Andern soll sie ermöglichen,
dass durch eine klare Abgrenzung beider Erscheinungsformen, genau die Besonderheiten herausgestellt werden, die den staatlichen Betrieben zu eigen sind,
um sie dann für den weiteren Verlauf der Arbeit als die wesentlichen Charakteristika zu verwenden.
Außerdem wird die folgende Definition aus einer reinen betriebswirtschaftlichen Sicht erfolgen. Das äußert sich zunächst darin, dass keine Abgrenzungsdiskussion zu privaten Haushalten geführt wird. Des Weiteren geht die Untersuchung davon aus, dass es staatliche Institutionen gibt. D.h. es erfolgt keine
politische oder volks- bzw. finanzwirtschaftliche Diskussion darüber, ob oder in
welchen Bereichen der Staat Dienstleistungen zu erbringen hat. Was hierbei
allerdings notwendigerweise erfolgen muss, ist eine juristische Analyse der Abgrenzungskriterien, da sich -wie noch zu zeigen ist- hieraus die gravierenden
Unterschiede zwischen beiden Betriebstypen ergeben.
Aus diesen Gedanken heraus erfolgt für die Definition der Begriffe, nach einer
kurzen Betrachtung der Begriffskerne (1.2.1), die Untersuchung der Rahmenbedingungen, insbesondere der rechtlichen (1.2.2), unter denen die sozialen Systeme jeweils existieren und welche Konsequenzen sich daraus auf ihre Erscheinungsform im Einzelnen ergeben. Anschließend werden die jeweiligen Systemstrukturen sowohl innerbetrieblich als auch in Beziehung zu ihrer Umwelt untersucht. Hierbei wird auf das oben bereits zitierte Untersuchungsraster von
CHMIELEWICZ zurückgegriffen und zunächst die Systemzwecke bzw. -ziele
(1.2.3), danach die sozialen Strukturen (1.2.4) sowie die Güterströme (1.2.5)
und schließlich das Rechnungswesen (1.2.6) beider Betriebstypen betrachtet.
1.2.1 Begriffskerne
Der grundsätzliche Unterschied zwischen administrativen und dispositiven Betrieben kann schon durch die bloße Übersetzung der adjektivischen Begriffsbestandteile herausgestellt (vgl. DUDEN S. 29, S.129 bzw. S. 192) werden.
So bezeichnet „administrativ“ einen Betriebstyp, der sich bezüglich seiner Verfügungen, d.h. in seinem tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Verhalten tendenziell bürokratisch verhält. Bürokratisch zunächst einmal in dem Sinne, dass
Willenserklärungen, Realakte oder sonstige Maßnahmen innerhalb dieser Be-
26
Erster Teil
triebe bzw. solche mit Außenwirkung in einem besonderen Maße an gesetzliche
oder sonstige von der Rechtsordnung anerkannte Vorschriften gebunden sind.
Als „dispositiv“ sind dann alle übrigen Betriebe zu kennzeichnen, die -analog
zu dem eben gesagten- eher freie Verfügungen treffen können. Selbstverständlich ist auch dieser Betriebstyp dem geltenden Recht unterworfen und insofern
in seinem Verhalten nicht völlig ungebunden. Jedoch können alle Maßnahmen,
die nicht rechts- oder sittenwidrig (vgl. §§ 135 u. 138 I BGB) sind, nach freiem
Ermessen des oder der Entscheidungsträger, d.h. völlig willkürlich getroffen
werden. Dem gegenüber sind Ermessensentscheidungen, die auch in administrativen Betrieben vorkommen, an strenge Regeln gebunden (vgl. WALLERATH 1985 S. 109 ff.), die beispielsweise gerade ein Willkürverbot beinhalten.
Zur Verdeutlichung der grundsätzlichen Unterschiede werden in den folgenden
Abschnitten die oben aufgeführten Detailuntersuchungen sowohl im rechtlichen
Umfeld als auch betriebsintern vorgenommen.
1.2.2 Rahmenbedingungen
Als erstes und vielleicht auch als das entscheidende Abgrenzungskriterium kann
das jeweilige Rechtsgebiet aufgezeigt werden, innerhalb dessen die jeweiligen
Betriebe einzuordnen sind.
Dabei sind zunächst administrative Betriebe dem Bereich des öffentlichen
Rechtes zuzuordnen, in dem es um die Beziehungen staatlicher Instanzen als
Hoheitsträger und den Bürgern (als natürliche oder juristische Personen) im
Rahmen der Subordination bzw. um die Beziehung staatlicher Institutionen untereinander geht (vgl. KATZ 1989 S.6). Demgegenüber steht der Bereich des
Privatrechts (synonym: Zivilrecht, Bürgerliches Recht), welches Rechtsbeziehungen „zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft auf Grundlage
ihrer Gleichberechtigung und Selbstbestimmung regelt“ (KAISER 1989, S. 9),
dem alle dispositiven Betriebe zuzurechnen sind.
Die Auswirkungen der unterschiedlichen Rechtsnormen auf die Betriebstypen,
zeigen sich (im Wesentlichen über den sachlichen Geltungsbereich vieler Einzelgesetze) in den unterschiedlichen Rechtsformen und in der formalen Existenzen (von Entstehung über die Ausgestaltung bis hin zur Auflösung) der jeweiligen Betriebe. Außerdem leiten sich daraus wesentliche Unterschiede in der finanzwirtschaftlichen Sphäre, wie der Finanzstruktur einschließlich der Kapitalausstattung und der damit verbundenen Eigentumsfrage, ab.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
27
1.2.2.1 Rechtsformen
Die Formen dispositiver Betriebe werden also nach privatrechtlichen Normen
bestimmt. Diese sind in erster Linie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu finden. Hiernach können zunächst natürliche Personen als Einzelunternehmungen
oder in Personengemeinschaften als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
innerhalb ihrer Betriebsführung Rechtsgeschäfte tätigen. Zu den weiteren Gesellschaften, die aufgrund ihrer Personenmehrheit grundsätzlich dem Vereinsrecht des BGB unterliegen, aber durch das Handelsgesetzbuch (HGB) spezialgesetzlich geregelt sind, zählen die Offenen Handelsgesellschaften (OHG) sowie die Kommanditgesellschaften (KG). Diese Formen der Personengesellschaften werden innerhalb des HGB von den sog. Kapitalgesellschaften unterschieden, die als Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien
(KGaA) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) wiederum spezialgesetzlicher Regelungen (z.B. Aktien-Gesetz oder GmbH-Gesetz) unterliegen.
Der Vollständigkeit halber seien noch die Genossenschaften und die Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit sowie alle rechtlich möglichen Mischformen vorgenannter Gesellschaften (vgl. THOMMEN/ACHLEITNER 1999, S.
71) genannt, die ebenfalls privatrechtliche Betriebsformen darstellen.
Hingegen sind alle administrative Betriebe öffentlich-rechtlicher Natur. In der
Erscheinungsform von Gebiets- oder Personalkörperschaften (vgl. WALLERATH 1985, S. 65), letztere meist auch als Anstalten bezeichnet, weisen sie jeweils eine eigene Rechtspersönlichkeit auf; gleiches gilt auch für die öffentlichrechtlichen Stiftungen (vgl. STEINEBACH 1980, S. 172 f.). Weitere administrative Betriebe, die als unselbständige oder nur zum Teil selbständige Rechtspersönlichkeiten auftreten sind in den sog. Regiebetrieben, den Eigenbetrieben
(vgl. REICHEARD 1987, S. 22 f.) sowie in dem Sondervermögen des Bundes
(vgl. STAENDER 1989, S. 298) zu sehen. Auch die sog. Parafisci, das sind Organisationen, die als „intermediäre Finanzgewalten (...) öffentliche Aufgaben
erfüllen, sich selbst verwalten, einer Staatsaufsicht unterliegen sowie teilweise
mit Hoheitsrechten ausgestattet sind“ (WIESNER 1997, S. 34) und zu denen
beispielsweise die Berufskammern (Handwerkskammer, Rechtsanwaltskammer
etc.), aber auch die staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften zählen, sind
administrative Betriebe.
Ein Indiz dafür, dass allen diesen Institutionen öffentlich-rechtliche Regelungen
zugrunde liegen, kann zunächst negativ darin gesehen werden, dass die sachliche Zuständigkeit der zivilrechtlichen Normen (BGB, HGB etc.) hier nicht gegeben ist. Weitere Argumente hierfür werden im Zusammenhang mit der formalen Existenz der einzelnen Betriebe erbracht.
Zuvor soll noch auf die möglichen Grenzfälle eingegangen werden, die auftreten, wenn staatliche Dienstleistungen in privatrechtlicher Form, z.B. im Falle
28
Erster Teil
der Goethe-Institute o.ä. (vgl. BECKER 1989, S. 317), erbracht werden oder
wenn sich der Staat als Eigenkapitalgeber an den privatrechtlichen Gesellschaften (z.B. Salzgitter AG, IABG, Telekom AG oder Deutsche Post AG) beteiligt. In beiden Fällen bleibt es bei dem zuvor Gesagten, nämlich dass diese
Organisationen aufgrund ihres privatrechtlichen Charakters dispositive Betriebe
sind. Dies, weil im zuerst genannten Fall wegen des absoluten Ausnahmecharakters dieser Konstellation, eine detaillierte Betrachtung zu keinen grundsätzlich anderen Erkenntnissen führt und weil im Falle der staatlichen Beteiligung
an privaten Gesellschaften diese nicht automatisch öffentlich-rechtlich werden,
d.h. konkret, dass die jeweilige Rechtslage gegenüber einer rein privaten Beteiligung keine Besonderheiten vorsieht.
Eindeutig den dispositiven Betrieben zuzuordnen sind die zur selbständigen
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben befugten natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts. Diese sog. „Beliehenen“ (WALLERATH 1985, S. 71)
sind z.B. die Technischen Überwachungsvereine (TÜV), Notare oder Schiffskapitäne. Sie nehmen diese Aufgaben teilweise nebenher wahr und bilden sicherlich auch eher eine Ausnahme. Deshalb ist auch hier eine weiter gehende
Betrachtung entbehrlich.
Ganz bestimmte Ausnahmefälle können nur über eine Einzelfallbetrachtung
dem jeweiligen Betriebstyp zugeordnet werden. Zum Beispiel die kommunalen
Sparkassen, die je nach Bundesland sowohl Anstalten des öffentlichen Rechts
(vgl. STEINEBACH 1980, S. 175), somit administrative Betriebe, als auch (wie
beispielsweise im Stadtstaat Hamburg) privatrechtliche Gesellschaft, mithin
dispositive Betriebe, sein können.
1.2.2.2 Formale Existenz
Das Existieren der jeweiligen Betriebe, d.h. der „Lebenszyklus“ von der Entstehung bzw. Gründung bis hin zur freiwilligen oder unfreiwilligen Auflösung der
Organisation, hängt ebenfalls vom jeweiligen Rechtsgebiet und den darin enthaltenen Grundsätzen und Regelungen ab.
So gilt für die zum Bereich des Privatrechts zählenden dispositiven Betriebe in
der Bundesrepublik Deutschland der dort verankerte Grundsatz der Vertragsfreiheit (vgl. KAISER 1989, S. 76 f.) als rechtliche Ausgestaltung der im
Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte in Verbindung mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf Eigentum. Hiernach ist der Einzelne
frei in der Entscheidung, alleine oder gemeinsam mit anderen eine entsprechende Organisation zu gründen bzw. diese auch wieder aufzulösen. Auch bleibt die
Ausgestaltung dieser Organisation, d.h. von der Wahl der Rechtsform über die
Festlegung des Leistungsspektrums und der internen Organisationsstrukturen
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
29
bis hin zur Wahl der Absatzmärkte im freien Ermessen der oder des Eigentümers, was insbesondere den dispositiven Charakter (vgl. Abschnitt 1.2.1) dieses
Betriebstypes ausmacht. Die jeweiligen Entscheidungen, die selbstverständlich
der Rechtsordnung entsprechen müssen und nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfen, werden ausschließlich nach wirtschaftlichen Aspekten getroffen;
äußere Einflüsse werden maßgeblich von den vorliegenden Marktverhältnissen
bestimmt.
Die Tatsache, dass in bestimmten Fällen staatlicherseits die Beachtung bestimmter Vorschriften, z.B. bei der Gründung die Einschaltung eines Notars und
die Eintragung in gerichtlich geführte Register (z.B. Handelsregister), überwacht und teilweise durchgesetzt werden, ändert an dieser Sachlage nichts, da
es hier nur um ordnungspolitische Rahmenbedingungen handelt, die formalen
Charakter haben und nicht auf die Einschränkung der Dispositionsfreiheit abzielen. Ebensowenig die Möglichkeit des Staates, auf den Wettbewerb zwischen
den einzelnen Betrieben einzuwirken, um gerade diesen zu erhalten und damit
durch Chancengleichheit die formale Existenz möglichst vieler dispositiver Betriebe zu schützen. Ähnlich zu sehen sind gravierendere Interventionen des
Staates, welche die unfreiwillige Auflösung der Organisation zum Gegenstand
haben können, wie im Falle der Überschuldung bzw. Illiquidität. Auch hier besteht ein Schutzinteresse u.a. der Geschäftspartner (als Gläubiger des Betriebes), welche meist wieder dispositive Betriebe sind und ebenfalls ruiniert werden könnten.
Letztere Gedanken deuten allerdings auch an, dass dispositive Betriebe, bei
allen Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheiten, auch einem latenten Bestandsrisiko unterliegen. Ein gesetzlicher Bestandsschutz, der über die genannten
Ordnungsregeln hinausgeht, existiert nicht. Tendenziell bestimmen die Gesetze
des Marktes über den Fortbestand der Organisationen, wenn beispielsweise Betriebe ihre Produktion einstellen, weil die durchschnittlich zu erlösenden Preise
ihrer Leistungen die Kosten auf Dauer nicht decken.
Einem dementsprechenden Bestandsrisiko sind administrative Betriebe nicht
ausgesetzt. Sie verdanken ihre Existenz keiner freien Willensentscheidung privat handelnder Personen, sondern unterliegen im Wesentlichen den verfassungsrechtlichen, damit öffentlich-rechtlichen Regelungen im Rahmen der
Staatsorganisation des Grundgesetzes bzw. der Landesverfassungen. Als Organisationen, die politische Entscheidungsprogramme zu vollziehen haben, ist die
Existenz der administrativen Betriebe untrennbar mit der Existenz dieser politischen Entscheidungsprogramme verbunden. Da diese Programme aber nur von
der Legislativen hergestellt werden können (BECKER 1989, S. 111), bedarf es
vom Grundsatz her zur Gründung eines entsprechenden Betriebes auch eines
entsprechenden parlamentarischen Willensaktes. Dieser besteht a priori in bestimmten Verfassungsnormen (vgl. die Ausführungen in Abschnitt 1.1.3.4.1)
und darüber hinaus in einzelgesetzlichen Regelungen, wozu insbesondere die
30
Erster Teil
jährlichen bzw. zweijährigen Haushaltsgesetze (vgl. WIESNER 1997, S. 49)
zählen, da diese das politische Entscheidungsprogramm „ziffernmäßig“ zum
Ausdruck bringen (vgl. NEUMARK 1952, S. 558) und es der Exekutive als
Handlungsprogramm vorgeben. In Ausübung dieser abstrakten Organisationsgewalt übergibt die Legislative der jeweiligen Gubernative eine konkrete Organisationsgewalt (vgl. WALLERATH 1985, S. 90), die dann zur Ausgestaltung
der einzelnen administrativen Betriebe auf der Ebene der öffentlichen Verwaltung berechtigt. Mithin ein Akt der Subordination, der den individuellen Organisationen grundsätzlich keinen Raum gibt, für selbständige Entscheidungen
bezüglich der Gründung, der internen Ausgestaltung und ihrer finalen Auflösung. Das bedeutet aber für die administrativen Betriebe gleichzeitig die gesetzliche Bestandsgarantie und damit das Nichtvorhandensein eines Bestandsrisikos.
Aus diesen grundlegenden Unterschieden zwischen administrativen und dispositiven Betrieben ergeben sich weitere, die finanzwirtschaftlichen Sphäre der
Organisationen betreffende Differenzen.
1.2.2.3 Finanzwirtschaftliche Sphäre
Da sowohl dispositive als auch administrative Betriebe notwendigerweise nach
dem finanziellen Gleichgewicht streben (vgl. Abschnitt 1.1.2), ist die finanzwirtschaftliche Sphäre einer besonderen Betrachtung zu unterziehen. Hier ergeben sich nämlich in Bezug auf die Finanzierung der Betriebe, also in der Art
und Weise der Kapitalbereitstellung (vgl. SCHIERENBECK 1995, S. 307) ganz
gravierende Unterschiede. Wegen der unterschiedlichen Regelungen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zeigen sich die jeweiligen Eigenheiten der
beiden Betriebstypen bezüglich der Kapitalherkunft, womit zum Teil auch die
Eigentumsfrage verbunden werden kann.
Bis auf die gesetzlichen Vorgaben, welche die Konsequenzen im Falle der Überschuldung und der Illiquidität regeln, gibt es innerhalb des Privatrechts keinerlei Vorschriften, wie dispositive Betriebe ihre Finanzierung zu betreiben haben (vgl. STEINEBACH 1980, S. 157). Hier kommt also auch wieder der Gedanke des frei disponierbaren Handelns innerhalb dieses Betriebstypes zum
Ausdruck. So können diese Betriebe die Kapitalherkunft entsprechend ungebunden steuern und diesbezügliche Entscheidungen nach freiem Ermessen treffen. Im Bereich der Innenfinanzierung sind es hauptsächlich die Überschüsse
aus Umsatzerlösen, die zur Kapitalerhöhung führen können. Deren Höhe ist nur
in ganz wenigen Ausnahmefällen durch gesetzliche Regelungen bedingt (z.B.
bei Rechtsanwälten) und wird sonst im Wege der freien Preisgestaltung und
natürlich über die abgesetzten Leistungsmengen bestimmt. Werden bei der Betriebsgründung oder bei späteren Investitionsprojekten Maßnahmen der Außen-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
31
finanzierung notwendig, so haben dispositive Betriebe verschiedene Möglichkeiten, aus denen sie frei wählen können. So bestehen neben den Möglichkeiten
der Kreditfinanzierung (z.B. kurz -oder langfristige Bankkredite, Lieferantenkredite etc.) auch Möglichkeiten, durch Beteiligungen Kapital zu beschaffen. In
diesem Falle werden gleichzeitig Entscheidungen über die künftige Eigentümerstruktur der Betriebe getroffen, wobei auch hier Gestaltungsmöglichkeiten
bestehen, den oder die neuen Eigentümer nicht nur am Gewinn, sondern mehr
oder weniger auch an grundsätzlichen Entscheidungen (beispielsweise bei Aktiengesellschaften durch entsprechend gezielte Emissionen sogar prozentual
festlegbar) oder an der Haftung zu beteiligen.
Die Finanzierung administrativer Betriebe ist durch zahlreiche öffentlichrechtliche Normen sowohl formell als auch materiell streng geregelt. Bereits im
Grundgesetz finden sich in der sog. Finanzverfassung der Artikel 104 bis 115
Regelungen mit fundamentaler Bedeutung. Mit dem „Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder“, dem sog. Haushaltsgrundsätzegesetz existiert eine Rahmengesetzgebung, die auf Rechtseinheitlichkeit
abzielt (vgl. WIESNER 1997, S. 2). Ausgestaltet wird dieser rechtliche Rahmen
durch die Bundeshaushaltsordnung bzw. den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen sowie durch die jährlichen Haushaltsgesetze, die insbesondere die jeweiligen Haushaltspläne feststellen. Mit diesem Akt der Legislative, die hiermit
über die Finanzierung der administrativen Betriebe bestimmt, wird klar, dass
letztere keine eigenen Kompetenzen in diesem Bereich haben. Sicherlich arbeiten sie zwar wesentlich bei der Entstehung der Entwürfe mit, haben aber keine
finale Entscheidungsbefugnis zur Steuerung der eigenen Finanzierung. Das gilt
sowohl für den Bereich der Innenfinanzierung, der ohnehin aufgrund der meist
unentgeltlichen Leistungsabgabe beschränkt ist (vgl. REICHARD 1987, S. 68),
als auch für die Außenfinanzierung, bei der die einzelnen administrativen Betriebe beispielsweise keine Kredite aufnehmen können. Die gesetzliche Ermächtigung zur Kreditaufnahme, die im übrigen nur für Investitionszwecke erlaubt ist (vgl. Art. 115 GG), gilt nur für das jeweilige Finanzressort, das zentral
für alle Betriebe des Staates zur Schließung der Finanzlücke im jeweiligen Etat
entsprechende Mittel beschafft. Entsprechende Finanzlücken entstehen, wenn
die übrigen Finanzierungsmöglichkeiten nicht ausreichen. Diese sind neben der
Erhebung öffentlichen Abgaben, also den Steuern, Gebühren und Beiträgen, im
Wesentlichen noch die zwischenstaatlichen Finanzausgleiche und die Gewinne
aus Beteiligung an dispositiven Betrieben (vgl. Abschnitt 1.2.2.1). Da der umgekehrte Fall einer privaten Beteiligung an administrativen Betrieben nicht
möglich ist, kann sich hieraus auch keine weitere Finanzierungsmöglichkeit ergeben. Die damit auch verbundene Eigentumsfrage ist dann auch eindeutig dahingehend zu beantworten, dass administrative Betriebe immer und ausschließlich dem Staat bzw. im Falle der Kooperation (z.B. die Rundfunkanstalten)
mehreren Staaten gehört.
32
Erster Teil
Als weitere Besonderheit im Bereich der administrativen Betriebe ist noch anzuführen, dass die Finanzierungsentscheidungen der Legislative nicht nur rein
betriebswirtschaftlicher Art sind. Beim sog. „deficit-spending“ werden mit einer
antizyklischen Haushaltspolitik gesamtwirtschaftliche Aspekte (vgl. REICHARD 1987, S. 64) in die Entscheidung eingebunden, die administrative Betriebe in konjunkturschwachen Zeiten durch eine höhere Finanzmittelausstattung mehr Nachfrage erzeugen lassen. Dieser Gedanke deutet schon auf die
spezifischen Zwecke der administrativen Betriebe hin, die im folgenden Abschnitt mit den Zwecken und der Zielsetzung dispositiver Betriebe verglichen
werden soll.
1.2.3 Systemzwecke und Zielsetzungen
Die begriffliche Trennung von Zwecken und Zielen (ULRICH, H. 1970, S. 114)
entspricht einer differenzierten Betrachtung, nämlich wie die sozialen Systeme
einerseits in ihrer Funktion von außen, also von ihrer Umwelt aus wahrgenommen werden (passives Moment) und andererseits, wie sich selbst als produzierende Organisationen sehen wollen (aktives Moment). Es geht also darum, administrative und dispositive Betriebe ausschließlich nach diesen beiden Betrachtungsweisen zu unterscheiden. Auf die in der Literatur in diesem Zusammenhang geführte Diskussion um die sog. „Sachzieldominanz“ staatlicher Betriebe (vgl. REICHARD 1987, S. 36; CHMIELEWICZ 1971, S. 601 f.) wird
hier nicht näher eingegangen. Der Grund hierfür liegt darin, dass bei einer Analyse der jeweiligen Sach- bzw. Produktionsziele und der Formal- bzw. Erfolgsziele (vgl. KOSIOL 1972, S. 212 ff.) nicht der Inhalt dieser Ziele von Bedeutung ist, sondern vielmehr die Möglichkeiten, darauf aktiv Einfluß nehmen
zu können.
Zur Funktion der administrativen Betriebe in ihrer Umwelt wurden bereits im
Zusammenhang mit ihrer Eigenschaft als formale Organisationen die wesentlichen Kriterien erwähnt (vgl. Abschnitt 1.1.3.4.1), die als Besonderheiten gegenüber dispositiven Betrieben angesehen werden können. Ergänzt werden
können diese Merkmale nun, da klar ist, dass es sich formal um Betriebe handelt, um ihre Bedeutung im Wirtschaftssystem. Das in der Betriebsdefinition
enthaltene Kriterium der Fremdbedarfsdeckung gestaltet sich hierbei als das
wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden zu untersuchenden
Betriebstypen. Während der Stellenwert der dispositiven Betriebe dadurch gekennzeichnet ist, dass sie innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems die Aufgaben haben, Leistungen für die anderen Wirtschaftseinheiten zu erstellen und
abzusetzen, ist demgegenüber den administrativen Betrieben eine ergänzende
Rolle zugedacht. Nämlich dort, wo der Markt versagt (vgl. GORNAS/BEYER
1990, S. 4 ff.) oder eine Produktion von privater Seite politisch für nicht op-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
33
portun gehalten wird, sollen die staatlichen Betriebe die entstandenen Lücken
schließen. Die Produkte administrativer Betriebe sind demzufolge überwiegend
für die kollektive Bedarfsdeckung gedacht, während dispositive Betriebe eher
individuelle Bedarfsdeckung betreiben.
Daneben definiert sich der Zweck administrativer Betriebe, wie im vorausgegangenen Abschnitt bereits angedeutet, auch in der Funktion, wirtschafts- oder
sozialpolitisches Instrument zu sein, mit dem der Staat beispielsweise die in
§ 1 StWG vorgegebenen Ziele erreichen kann. Hierbei geht es im Wesentlichen
um die Vorgaben des StWG, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung zu erhalten u.a. durch einen hohen Beschäftigungsgrad (administrative Betriebe als Arbeitgeber) oder durch ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum (administrative Betriebe als wichtiger Nachfragefaktor, z.B. über ein „deficit spending“).
Bezogen auf die jeweilige Zielsetzung beider Betriebe ergibt sich der gravierende Unterschied in der Möglichkeit, die einzelnen Betriebsziele, insbesondere
diejenigen, die strategischer Art sind, frei wählen zu können.
Dem Begriffskern entsprechend, steht dispositiven Betrieben diese Möglichkeit
offen, denn sie entscheiden selbst über ihre Erfolgsziele (z.B. über die Vorgaben bestimmter Gewinngrößen oder Renditen), die sie für erreichbar halten.
Gleiches gilt auch für die Wahl der Produktionsziele, was angesichts der Tatsache, dass eine unabhängige Anpassung an die Umwelt, konkret also die permanente Ausrichtung auf die Märkte, nahezu überlebenswichtig ist.
Anders sieht es im Falle der administrativen Betriebe aus. Hierbei ergibt sich
aus der hierarchischen Subordination von der Legislativen, der Gubernativen
und der öffentlichen Verwaltung, dass die jeweils übergeordnete Ebene die
Ziele der Untergeordneten weitestgehend vorgibt. Grundsätzlich determiniert
sind alle diese Zielvorgaben durch die Staatsziele, die überwiegend in der jeweiligen Verfassung abgebildet sind (vgl. BECKER 1989, S. 110). Auch ist der
grundsätzliche Zusammenhang zwischen Zwecken und Zielen, der theoretisch
nicht vorhanden sein muss (vgl. ULRICH, H. 1970, S. 115), bei administrativen
Betrieben gegeben, während dispositive Betriebe den diesbezüglichen „Ermessensspielraum“ nutzen.
1.2.4 Soziale Strukturen
In diesem Abschnitt geht es um die einzelnen Personen und ihre Beziehungen
untereinander, welche die sozialen Strukturen der jeweiligen Organisation ausmachen. Es geht damit allerdings nur um die jeweiligen Unterschiede im Bereich der Personalführung, nicht um die der Personalwirtschaft, weil letztere
nicht auf die Interaktionen, insbesondere auf Verhaltenssteuerungen von Menschen abzielt. Außerdem bildet die Personalwirtschaft administrativer Betriebe
34
Erster Teil
den Kern dieser Arbeit und wird noch ausführlich einer gesonderten Analysen
unterzogen.
Geht man davon aus, dass die sozialen Strukturen und hier primär die Führungsstrukturen in den Betrieben im Wesentlichen von den organisatorischen
Strukturen abhängen bzw. diese auch abbilden, so dürfte man die Unterschiede
zwischen administrativen und dispositiven Betrieben hieraus herleiten können.
Dabei wäre dann wiederum aufgrund der Dispositionsfreiheit anzunehmen, dass
die nicht-staatlichen Betriebe über die freien organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten andere Führungsstrukturen aufweisen als die administrativen
Betriebe, die auf die traditionelle hierarchischen und bürokratischen Organisationsformen festgelegt zu sein scheinen. Da es sich aber hierbei um eher historisch bedingte, als um konstitutive Unterschiede handelt (vgl. CHMIELEWICZ
1971, S. 588) ist eine genauere Betrachtung erforderlich.
Unter der Annahme, dass die organisatorischen Strukturen der Betriebe abhängig sind von bestimmten Umweltkonstellationen, kann man einen Zusammenhang von Komplexität und Dynamik der Umwelt einerseits und den Grad an
Bürokratie und Hierarchie in der Organisation andererseits feststellen (vgl.
MINTZBERG 1979, S. 285ff). Im einen Extrem ist die Organisation tendenziell
bürokratisch und hierarchisch strukturiert sein, wenn sich die Umwelt als stabil
und wenig komplex zeigt. Anderenfalls treten eher dezentralisierte und organische, damit jederzeit auf Änderungen reagierbar strukturierte Betriebe da auf,
wo deren Umwelt dynamisch und komplex erscheint. Unter diesen Annahmen
und der Unterstellung, administrative Betriebe dürften über ihre internen
Strukturen frei bestimmen, ist nicht zu sehen, ob diese Betriebe auch tatsächlich
andere Strukturen aufweisen würden. Nach dem oben zum rechtlichen Rahmen
Festgestellten, befinden sich diese Betriebe in einem stabilen Umfeld und müssen auch keine turbulenten Marktveränderungen befürchten, da sowohl der Absatz, wie auch die permanente Finanzierung als sichergestellt angesehen wird.
Und daran wird sich nichts ändern, solange die administrative Betriebe als solche dem wirtschaftlich mächtigen Staat (vgl. CHMIELEWICZ 1971, S. 591)
gehören und die Sicherheit des rechtlichen Umfeldes genießen.
Administrative Betriebe würden demzufolge auch bei freier Disposition ihre
traditionellen Strukturen behalten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Betriebstypen läßt sich also bezüglich der sozialen Strukturen nicht erkennen.
1.2.5 Güterströme
Bezüglich der materiellen Strukturen lassen sich in Betrieben bestimmte Güterströme (vgl. KOSIOL 1978, S. 127 ff.) feststellen, deren einzelne Phasen den
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
35
betrieblichen Grundfunktionen Beschaffung, Produktion und Absatz einschließlich der jeweiligen Lagerhaltung entsprechen.
Unter dem Begriff der Produktion wird die Umwandlung von Einsatzgütern,
also den Produktionsfaktoren in Absatzgüter, d.h. die Fertigung bzw. Herstellung der betrieblichen Leistung verstanden. Das betriebliche Leistungsprogramm, d.h. die Art und die Mengen der herzustellenden Güter einschließlich
der Beschaffung der Einsatzgüter und aller Aktivitäten in Bezug auf den Absatz, hängen grundsätzlich vom Zweck und der Zielsetzung des Betriebes ab.
Das gilt gleichermaßen für administrative als auch für dispositive Betriebe,
weshalb hier zunächst kein grundlegender Unterschied zwischen beiden Betriebstypen feststellbar ist.
Gleiches läßt sich prinzipiell auch aus der Aussage herleiten, das alle die Aktivitäten, die diese Güterströme steuern und beeinflussen, dem Wirtschaftlichkeitsprinzip unterliegen, was auch allen Betrieben immanent ist.
Administrative Betriebe haben aber bei der Leistungserstellung neben den Wirtschaftlichkeitsaspekten noch bestimmte Grundprinzipien zu beachten, die sich
wieder aus den öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben und eingangs als Verwaltungsgrundsätze (vgl. Abschnitt 1.1.1) bereits erwähnt wurden.
Diese Prinzipien schränken das Handeln in administrativen Betrieben in den
Phasen der Beschaffung, Produktion und Absatz teilweise gravierend ein. Die
wichtigsten Bereiche, in denen die Dispositionsfreiheit entsprechend fehlt oder
erheblich eingeschränkt ist, werden an dieser Stelle kurz skizziert.
Bereits bei der Beschaffung von Produktionsfaktoren werden Betriebe der administrativen Art durch entsprechenden Vorschriften gebunden. So sind es zunächst gesetzliche Regelungen (z.B. HGrG, BHO und LHO), die unter anderem
die Ausschreibungspflicht oder die Behandlung von Vorauszahlungen regeln
(vgl. WALKIEWICZ 1987, S. 15). Daneben gibt es mit der VOPR Nr. 30/53
eine Rechtsverordnung, welche die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen dahingehend regelt in dem sie Marktpreise vor Selbstkostenpreisen den Vorrang
gibt. Diese eher generellen Vorschriften werden weiter konkretisiert, wie z.B.
die VOL Teil A in Bezug auf die Ausschreibungspraxis und die LSP für die
Kalkulation von Selbstkostenpreise (vgl. EBISCH/GOTTSCHALK 1987, S.
213 ff.), in den Fällen in denen keine Marktpreise bestehen.
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Beschaffungsaufgaben in administrativen Betrieben aufgrund dieser rechtlichen Vorgaben weitestgehend zentralisiert
werden müssen (vgl. REICHARD1987, S. 50).
Im Bereich Produktion ist die Wahl des Produktionsstandortes in administrativen Betrieben ebenfalls eingeschränkt (vgl. STEINEBACH 1980, S. 178), da
36
Erster Teil
sich aus den verwaltungsrechtlichen Prinzipien ein entsprechender Anspruch
auf „Bürgernähe“ herleiten läßt. Ähnlich verhält es sich aufgrund bestimmter
politischer Vorgaben mit den Entscheidungen, welche die Auslastung der Produktionskapazität betreffen. Während dispositive Betriebe im Rahmen ihrer
Entscheidungsfreiheit und entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgedanken geneigt sind, bestimmte Überkapazitäten, die sich nicht zusätzlich auslasten lassen, abzubauen, sind administrative Betriebe aus verschiedenen Gründen oftmals dazu gezwungen, eine gewisse Leistungsbereitschaft vorzuhalten (vgl.
STEINEBACH 1980, S. 180).
Auf der Absatzseite gibt es ebenso Restriktionen zu beachten, in dem für die
administrativen Betriebe eine Art „Kontraktionszwang“ besteht, dem auf der
Kundenseite ein entsprechender Abnahmezwang gegenübersteht (vgl. CHMIELEWICZ 1971, S. 591). Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dispositiven
Betrieben ergibt sich im Bereich des Absatzes auch in Bezug auf die jeweilige
Gegenleistung, also dort dem jeweiligen Verkaufspreis. Es liegt in der Natur der
Sache, dass öffentliche Leistungen überwiegend ohne unmittelbare Gegenleistungen abgegeben werden. Und selbst in den Fällen, in denen über Beiträge und
Gebühren entsprechende Gegenleistungen erhoben werden, können diese nicht
als Preise angesehen werden, die als „Ergebnis des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage“ (REICHARD 1987, S. 598) entstehen. Hieraus und in
Verbindung mit den meist monopolistischen (teilweise oligopolistischen, wie
z.B. im Bildungsbereich) Strukturen der Absatzmärkte, entsteht bei administrativen Betrieben von der Absatzseite kein zusätzlicher, über die haushaltsrechtlichen Vorschriften hinausgehender Kostendruck. Der wesentliche Unterschied
zu den dispositiven Betrieben besteht also weniger darin, dass administrative
Betriebe bezüglich der Kostenminimierung nicht disponieren „dürfen“, sondern
nicht zusätzlich disponieren „müssen“.
1.2.6 Betriebliches Rechnungswesen
Das Vorhandensein und die Art des jeweiligen Rechnungswesens hängt von
verschiedenen Faktoren ab, die zum größten Teil in den vorhergehenden Abschnitten bereits referiert wurden. So ist zunächst, was das rechtliche Umfeld
betrifft, das Informationsinteresse zu nennen, dass die Öffentlichkeit an allen
Betrieben hat und welches in den einschlägigen Gesetzten (z.B. HGrG, BHO,
HGB oder GmbHG) dadurch berücksichtigt wird, dass bestimmte Regelungen
zum externen Rechnungswesen verbindlich vorgegeben sind.
Für die dispositiven Betriebe bedeutet dies, dass zum Schutze der Gläubiger,
aber auch anderer an den Betrieben interessierter Personen, einschließlich des
Staates (hier u.a. der Finanzverwaltung) nicht nur die Existenz eines Rechnungswesens vorgeschrieben ist. Es ist daneben auch vorgegeben, dass diese
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
37
Betriebe bestimmte betriebliche Sachverhalte abzubilden haben, wie die Bestände an Vermögen und Kapital über eine Bilanz oder die jeweilige Erfolgssituation mittels Gewinn- und Verlustrechnung. Gleichzeitig ist auch das Verfahren der Verrechnung vorgeschrieben, nämlich über eine doppelte Buchführung
(Doppik), die bestimmten Ansprüchen (Grundsätze der ordnungsgemäßen
Buchführung) zu genügen hat. Das geht soweit, dass beispielsweise die Verfahren der Bestandsermittlung zum Teil sehr detailliert geregelt sind.
Administrativen Betrieben ist ein Rechnungswesen auferlegt, um die Informationsbedürfnisse der Parlamente über die sie unterstützenden Rechnungshöfe aber
auch übergeordneter Verwaltungen (vgl. REICHARD 1987, S. 283) und nicht
zu letzt der Steuern zahlenden Bürger zu befriedigen. Über die zahlreichen Vorschriften (zur Ergänzung o.a. Beispiele seien noch die RKO oder die RRO genannt) sind administrative Betriebe an eine reine Finanzrechnung und eher seltener an eine Vermögens- bzw. so gut wie gar nicht an eine Erfolgsrechnung
gebunden. Ein prägnanter von vielen Unterschieden zwischen dieser sog. Kameralistik und der doppelten Buchführung dispositiver Betriebe dürfte das
Bruttoprinzip sein, das administrativen Betrieben das Saldieren bestimmter
Vorgänge verbietet (vgl. WIESNER 1997, S. 95), was jedoch der Doppik immanent ist. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass administrative Betriebe
keine kalkulatorischen Kosten kennen bzw. verrechnen dürfen.
Diese Unterschiede sind allerdings historisch bedingt (vgl. STEINEBACH
1980, S. 200 f.) und vor allem, wie eben gezeigt, zum Teil gesetzlich sehr detailliert geregelt. Somit haben auch dispositive Betriebe ebensowenig Gestaltungsmöglichkeiten wie diejenigen administrativer Art. Veränderungen im externen Rechnungswesen bedürfen in allen Fällen einer Änderung der Gesetzeslage, so dass sich hieraus kein konstitutioneller Unterschied herleiten läßt.
Anders könnte dies im Bereich des internen Rechnungswesen sein, das nach
langläufiger Meinung ein freiwilliges Rechnungswesen ist und in seiner Form
und Ausgestaltung keinen gesetzlichen Vorgaben unterliegt. Die Informationsziele dieser betriebsinternen Maßnahmen, die im Kern eine irgendwie geartete
Kostenrechnung beinhalten, hängen im Wesentlichen von den Zielen der Betriebe (vgl. ALBACH 1989, S. 31) ab. Gleichermaßen dürfte die Art der Finanzierung maßgeblichen Einfluß auf die Art und die Inhalte des internen Rechnungswesen haben, weil hierbei auch externe Informationsbedürfnisse auftreten
können, die es zu befriedigen gilt, was z.B. bei Kapitalgesellschaften dann der
Fall ist, wenn es den sog. „shareholder value“ zu ermitteln gilt (z.B. über die
Renditen mittels den einschlägigen „Return on...“ Kennziffern).
Gleichermaßen determinieren auch bestimmte soziale Strukturen, insbesondere
die jenen zugrunde liegenden organisatorischen Strukturen, das Rechnungswe-
38
Erster Teil
sen, was innerhalb der Kostenrechnung bei der Kostenstellenbildung bzw. einer
kostenmäßigen Prozessabbildung der Fall ist. Gleiches gilt dann auch im Rahmen einer Kostenträgerrechnung für die Art der jeweiligen Outputgüter, die ebenfalls aus einem anderen Entscheidungsbereich heraus vorgegeben ist.
Aus dieser Aufzählung wird klar, dass bei dispositiven Betrieben ebenso wie
bei administrativen Betrieben die Gestaltungsmöglichkeiten des internen Rechnungswesens durch andere Faktoren bestimmt werden.
Das bedeutet insgesamt, dass die Unterschiede im Rechnungswesen staatlicher
und private Betriebe, obwohl sie prägnant und evidenten vorhanden sind (und
deshalb häufig zitiert werden; vgl. STEINEBACH 1980, S. 193 f.), keineswegs
einen konstitutiven Charakter haben. Dieser läßt sich dann aus allen, das Rechnungswesen beeinflussenden Untersuchungsfeldern (s.o.) herleiten, was im folgenden Abschnitt nochmals zusammengefaßt dargestellt werden soll.
1.2.7 Zusammenfassung der Unterschiede
Folgende Abbildung fasst nochmals die in den vorausgehenden Abschnitten
heraus gearbeiteten Unterschiede zwischen beiden Betriebstypen zusammen.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
39
Konstitutive Unterschiede
Kriterien
Dispositive Betriebe
Administrative Betriebe
Rechtsgebiet
Privates Recht
Öffentliches Recht
Güterströme
Soziale Strukturen
Systemzweck und
Ziele
Rahmenbedingungen
Rechtsformen
Formale Existenz
·
·
·
·
·
Finanz-wirtschaftliche
Sphäre
Betriebszweck
Einzelunternehmungen, GbR, OHG,
KG, GmbH, AG, KGaA, Genossenschaften;
Mischformen
Vertragsfreiheit
Dispositionsfreiheit bezüglich
Gründung, Ausgestaltung und Auflösung
Bestandsrisiko
·
·
·
·
·
·
·
·
Innenfinanzierung über Umsatzerlöse bei grunds. Preisgestaltungsfreiheit
·
·
Außenfinanzierung frei bestimmbar
·
individuelle Bedarfsdeckung im
marktwirtschaftlichen System
·
·
·
Betriebsziele
·
freie Wahl der strategischen Erfolgs- und Produktionsziele
·
·
Gebiets- und Personenkörperschaften (Anstalten),
Regie-, und Eigenbetriebe
Parafisci
determiniert durch politische Entscheidungsprogramme
fremd bestimmte Ausgestaltung im
Wege der Subordination
gesetzliche Bestandsgarantie
Innenfinanzierung beschränkt wegen vorwiegend unentgeltlicher
Leistungsabgabe
Außenfinanzierung von der Legislativen fremd bestimmt
zum Teil andere als betriebswirtschaftliche Finanzierungsentscheidungen
kollektive Bedarfsdeckung zur
Ergänzung des marktwirtschaftlichen Systems
wirtschafts- und sozialpolitisches
Instrument
durch verfassungsmäßige Staatsziele determiniert
Vorgabe strategisch-politischer
Ziele durch Subordination
Führungs-struktur
Abhängig von Organisationsstruktur, die wiederum von der jeweiligen Umweltsituation bestimmt wird
Organisations-struktur
· tendenziell bürokratisch· alle möglichen Formen, je nach
hierarchisch wegen stabiler und sikonkreter Umweltsituation
cherer Umwelt
· Vergabe- und PreisbildungsBeschaffung
vorschriften
· Dispositionen nach vorwiegend
· zentralisierte Verfahren
ökonomischen Aspekten
· gesetzliche Bindung durch VerProduktion
waltungsgrundsätze
· häufig Standortgebundenheit und
· über Kostendruck teilweise DispoLeistungsbereitschaft
sitionszwang
· oftmals Kontraktions- und AbnahAbsatz
mezwang
· meist ohne Gegenleistung
Betriebliches Rechnungswesen
evidente Unterschiede (hauptsächlich Doppik vs. Kameralistik), die aber historisch
bedingt sind und von den übrigen o.a. Kriterien abhängen
Abb. 3: Konstitutive Unterschiede zwischen dispositiven und administrativen
Betrieben
40
Erster Teil
1.3 Systemtheoretische Analyse administrativer Betriebe
Den gesamten Bereich der Gubernativen und der öffentlichen Verwaltung eines
Staates als einen administrativen Betrieb, d.h. als ein einziges Erfahrungsobjekt
zu behandeln, ist problematisch. Globale betriebswirtschaftliche Untersuchungen über ein derartiges „konzernähnlich verflochtenes Mehrbetriebssystem“
(CHMIELEWICZ 1971, S. 583) können bei solch einer hohen Aggregation wegen der Komplexität und Heterogenität der staatlichen Aufgaben (vgl. GORNAS/BEYER 1990, S. 61) keine befriedigenden Ergebnisse liefern. Es müssen
also Kriterien dafür gefunden werden, den gesamten Regierungs- und Verwaltungsapparat sinnvoll in einzelne Teileinheiten zu zerlegen, um sie dann einer
einzelwirtschaftlichen, damit betriebswirtschaftlichen Betrachtung zugänglich
zu machen.
Einen brauchbaren Ansatz hierfür bietet die Systemtheorie. Durch die Ausdifferenzierung der Systeme von ihrer Umwelt, welche beide einander existenziell
bedingen (vgl. LUHMANN 1984, S. 35 ff), und der anschließenden Betrachtung der internen Strukturen, können die methodischen Grundlagen für wissenschaftliche Analysen ursprünglich komplexer Sachverhalte geschaffen werden.
Im Folgenden werden zu diesem Zwecke administrative Betriebe systemtheoretisch untersucht und zwar bezüglich ihrer Abgrenzung nach außen hin, damit
also auch untereinander (Umweltdifferenzierung) sowie bezüglich ihrer internen Ausgestaltung (Innendifferenzierung). Zuvor müssen allerdings noch einige
Grundbegriffe der Systemtheorie erläutert werden, mit deren Hilfe die vorgenannten Untersuchungen erfolgen.
1.3.1 Systemtheoretische Grundlagen
Ein System kann allgemein als „geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen
denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können“
(ULRICH, H. 1970 S. 105), verstanden werden. Diese für alle Systemarten allgemeingültige Definition ist in Bezug auf soziale Systeme in einem wirtschaftswissenschaftlichen Kontext noch zu erweitern, indem zusätzlich die Offenheit und Dynamik dieser Systeme herausgestellt wird.
Unter offenen Systeme werden die „Gesamtheiten“ verstanden, die mit ihrer
Umwelt in permanenten Austauschbeziehungen stehen. Über diese Interaktionen sind insbesondere soziale Systeme wie die Betriebe gezwungen, bei Veränderungen in der Umwelt, welche die Grenzziehung zwischen beiden betrifft,
sich entsprechend anzupassen, um den eigenen Bestand zu sichern (vgl. ULRICH, H. 1970, S. 112). Systeme der öffentlichen Verwaltung, wie sie die administrativen Betriebe darstellen, werden aus diesem Grunde zwar zusätzlich
von außen gesichert, indem sie einfach strukturiert sind und über die entspre-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
41
chenden gesetzlichen Regelungen konstant gehalten werden (vgl. BECKER
1989, S. 83). Sie bleiben damit aber immer noch offene Systeme, die weiterhin
Input-Output-Relationen mit ihrer Umwelt, respektive mit anderen Systemen,
unterhalten. Mit dem Merkmal der Dynamik wird daneben noch betont, dass
diese Systeme nach außen hin aktiv sind und dass intern bestimmte Prozesse
ablaufen (vgl. BEER 1966, P. 250).
Um die Differenzierung der administrativen Betriebe nach außen hin und auch
intern betrachten zu können, werden an dieser Stelle die Begriffe Supersystem,
Umsystem, Subsystem und Element (vgl. ULRICH, H. 1970, S. 107 f.) eingeführt und ihre Relationen zu dem zentralen Begriff System vorgestellt.
Mit dieser Terminologie kann erstens beschrieben werden, dass ein administrativer Betrieb als eigenständiges System Bestandteil eines oder mehrerer übergeordneter Systeme sein können. Es ist also auf alle Fälle Bestandteil eines Supersystems, das in diesem Falle immer der Staat darstellt. Für einzelne Bereiche, in
denen zwischen Staat und administrativem Betrieb noch eine Zwischenebene
auftritt, die wiederum Systemcharakter aufweist, könnte man dann dabei von
einem Umsystem sprechen.
Daneben ist zweitens möglich, mit Hilfe der übrigen Begriffe das Ergebnis der
Innendifferenzierung zu beschreiben. Bestimmte Teile des Systems, für die
wiederum die Systemeigenschaften der allgemeinen Definition zutreffen, werden als Subsysteme bezeichnet, während die Teile, bei denen dies nicht zutrifft,
Elemente des Systems (bzw. des Subsystems) sind
Es erfolgt also nun eine Untersuchung zur Differenzierung von administrativen
Betrieben als Einzelsysteme gegenüber dem Supersystem Staat im Rahmen der
Umweltdifferenzierung sowie eine Betrachtung der Subsysteme und Elemente
der administrativen Betriebe im Wege der Innendifferenzierung.
1.3.2 Umweltdifferenzierung administrativer Betriebe
Die Grenzen zwischen Umwelt und Systemen entstehen aus Evolution oder
Planung (vgl. LUHMANN 1984, S. 40). Letzteres trifft insbesondere auf soziale
Systeme zu, bei denen der Mensch bewußt die Grenzziehung vornimmt. Dabei
müssen allerdings Kausalzusammenhänge zerschnitten werden, wodurch
zwangsläufig die Fragestellung nach den Kriterien dieser Grenzziehung auftritt.
Der Hauptansatzpunkt dürfte hierbei sicherlich der Systemzweck sein, aus dem
heraus sich sowohl funktionale als auch strukturelle Erkenntnisse zur Systembildung herleiten lassen (vgl. LUHMANN, zitiert bei BECKER 1989, S. 84).
42
Erster Teil
Im Falle der administrativen Betriebe, deren näheres Umfeld das Supersystem
Staat ist, wäre damit ein Blick in die jeweilige Verfassung des Staates notwendig, um über die dort manifestierten Systemzwecke Anhaltspunkte für die Abgrenzung der einzelnen Systeme zu finden. Hierbei wird man allerdings nur bedingt fündig. Sind noch relativ detaillierte Angaben zur Staatsorganisation, also
für die Grenzziehung des Supersystems selbst zu seiner Umwelt zu finden, so
beschränken sich die Regelungen bezüglich der Gubernativen und der öffentlichen Verwaltung vornehmlich auf die Rahmengestaltung. Wenn in der Verfassung sinngemäß gesagt wird, dass Verwaltungsinstitutionen dort existieren, wo
die Gesetze des jeweiligen Staates auszuführen sind, ließe sich im Wege der
Deduktion über die Gesetzgebungs- und Ausführungskompetenzen entsprechende Erkenntnisse finden.
Doch scheint es noch einen günstigeren Weg zu geben. Bedenkt man, dass die
Existenz und die Handlungen der öffentlichen Verwaltung über eine vom Parlament vorgegebene Finanzausstattung legitimiert werden müssen, dann läßt
sich über die Planung der Haushalte gleichermaßen eine Planung der Einzelsysteme und damit deren Grenzen herleiten. Diese „budgetäre Ressortgliederung“ (BECKER 1989, S. 685 f.) erfolgt nicht nur regelmäßig bei der Erstellung
der jeweiligen öffentlichen Haushalte, sie wird als Haushaltsplan, der Bestandteil des vom Parlament verabschiedeten Haushaltsgesetzes ist, auch ebenso regelmäßig veröffentlicht. Es herrscht hierbei also eine Transparenz bezüglich der
administrativen Betriebe in Relation zu ihren jeweiligen Zwecken, denn genau
dafür werden die Mittel bereitgestellt. Diese werden im Haushaltsplan mittels
der recht detaillierten Veranschlagungssystematik exakt ausgeworfen.
Im Falle des Bundeshaushaltes wird gegenwärtig jährlich, d.h. für ein Haushaltsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht ein, ein Haushaltsgesetz erlassen.
Dieses Gesetz stellt den Haushalt fest und dokumentiert diesen in einem Gesamtplan, welcher in mehrere Einzelpläne untergliedert ist. Die Gliederungslogik folgt dem Institutionalprinzip, mit Ausnahme einiger weniger Bereiche, die
nach dem Realprinzip gegliedert sind, wie z.B. der Einzelplan für die Bundesschuld (vgl. WIESNER 1997, S. 125). Hieraus sind somit alle aktuellen Geschäftsbereiche der Gubernativen und darüber dann auch deren Verwaltungsbereiche, sowie der anderen Verfassungsorgane, die -wie oben schon gezeigt- im
Unterbau ebenfalls Verwaltungsinstitutionen haben können, ersichtlich.
Die einzelnen Institutionen innerhalb dieser Geschäftsbereiche stellen über diese Untergliederung eine homogenere Gesamtheit dar, als das beim Staat insgesamt der Fall ist. Auch wurde dadurch bezüglich der Komplexität ein wichtiger
Beitrag zu deren Reduktion erreicht. Mithin können die Geschäftsbereiche und
Verfassungsorgane, für die ein eigener Einzelplan aufgestellt wurde, als eigenständige Systeme aufgefaßt werden. Sie stellen damit jeder für sich einen admi-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
43
nistrativen Betrieb dar, den es nun bezüglich seiner internen Strukturen, eventuellen Subsystemen und einzelnen Elementen zu untersuchen gilt.
1.3.3 Innendifferenzierung administrativer Betriebe
Zu Beginn der systemtheoretischen Binnenanalyse soll zunächst noch einmal
auf die Abgrenzung von der Gubernativen und der öffentlichen Verwaltung
eingegangen werden. Wie bereits weiter oben in Abbildung 2. gezeigt (vgl. Abschnitt 1.1.3.4.1), verläuft die Grenzziehung durch die Institutionen die als Ministerien bezeichnet sind. Da diese Ministerien aber originär zum Geschäftsbereich der Regierung gehören und letztere als solche im Gesamtplan keinen Einzelplan führt, ist klärungsbedürftig, wo exakt die Grenze zwischen der Gubernativen und der Verwaltung verläuft, bevor eine weitere Untergliederung betrachtet werden kann.
In jeder ministeriellen Spitzenorganisation befindet sich der Minister und eine
bestimmte Anzahl von Staatssekretären, welche entweder Spitzenbeamte sind
oder als Mitglieder des jeweiligen Parlamentes Aufgaben im Ministerium wahrnehmen, weswegen sie parlamentarische Staatssekretäre genannt werden. Da
eine dieser Aufgaben der parlamentarischen Staatssekretäre darin besteht, den
Minister im jeweiligen Kabinett, also in der Gemeinschaft aller Minister unter
Vorsitz des Regierungschefs, in der Regierungsarbeit zu vertreten, gehören sie
zusammen mit dem Minister der Gubernativen an. Die beamteten Staatssekretäre sind hingegen der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen. Da aber sowohl das
Gehalt der Minister und ihrer parlamentarischen Staatssekretäre, als auch deren
materielle Ausstattung und personelle Unterstützung aus dem jeweiligen Einzelplan finanziert werden, kann die Grenzziehung zur Verwaltung nur theoretisch erfolgen. Praktisch gehören sie trotz ihrer überwiegend gubernativen Aufgaben zum selben administrativen Betrieb, wie die Institutionen des betreffenden Geschäftsbereiches. Eine ähnliche Zuordnung kann auch beim Regierungschef erfolgen, für dessen Verwaltungsunterbau (auf Bundesebene das Kanzleramt; bei den Ländern die Staatskanzleien) ein eigener Einzelplan existiert. Insofern ist die Gubernative als ein eigenständiger administrativer Betrieb nur ein
theoretisches Gebilde, das näher zu untersuchen für die Zwecke dieser Arbeit
nicht erforderlich ist. Deswegen erfolgt nun ausschließlich eine Binnenanalyse
der administrativen Betriebe der öffentlichen Verwaltung.
Administrative Betriebe können zunächst einmal intern nach verschiedenen
Verwaltungsbereichen unterteilt sein. Da diese vertikale Unterteilung aber nicht
bei allen Geschäftsbereichen der Fall ist und diese Unterteilung eher nach technisch-funktionalen als nach systemtheoretischen Gesichtspunkten erfolgt, wird
sie deshalb nicht weiter verfolgt. Vielmehr interessiert die horizontale Ausdifferenzierung der einzelnen Systeme, welche organisatorisch betrachtet den
44
Erster Teil
Strukturtyp einer hierarchischen Bürokratie (vgl. WEBER 1964, S. 162 ff.) ergeben. Hierzu ist allen Systemen gemein, dass an deren Spitze ein Ministerium
oder eines der Verfassungsorgane steht. Subsysteme auf dieser Stufe werden
oberste Bundes- bzw. Landesbehörden genannt. Darunter erfolgt, sofern verfassungsmäßig ein Verwaltungsunterbau vorgesehen ist, ein meist dreistufiger
Unterbau (vgl. WALLERATH 1985, S. 90 ff. und Anlage 1), der mit Ober-,
Mittel- und Unterbehörden, letztere häufig auch Ortsbehörden genannt, den Geschäftsbereich des administrativen Betriebs hierarchisch weiter untergliedert.
Somit soll an dieser Stelle und im weiteren Verlauf der Arbeit auch der Begriff
„Behörde“ ein Subsystem ersten Grades innerhalb eines administrativen Betriebes bezeichnen. Als Subsysteme weiterer Grade interessieren behördenintern,
ebenfalls unter Vernachlässigung der vertikalen Unterteilung nach Abteilungen
(auch Haupt- und Unterabteilungen, Dezernatsgruppen etc.), die „tragende Einheiten im organisatorischen Aufbau“ der einzelnen Behörden (vgl. REICHARD
1987, S. 175 f.). Diese werden je nach der Stufe im Verwaltungsaufbau verschieden bezeichnet. Tendenziell kann gesagt werden, dass diese Subsysteme
bei den obersten und oberen Behörden „Referate“ und auf der Ebene der Mittelbehörden „Dezernate“ genannt werden. Auf der untersten Stufe, also bei den
Unter- bzw. Ortsbehörden finden sich mehrere Bezeichnungen, wie z.B. „Fachgebiet“, wovon das „Sachgebiet“ die häufigste sein dürfte.
Zu den wichtigsten Elementen administrativer Betriebe zählt, da es sich ja um
soziale Systeme handelt, der einzelne Mensch. Dieser erfüllt, wie im nächsten
Hauptabschnitt noch ausführlich darzustellen ist, als maßgeblicher Produktionsfaktor eines Dienstleistungsbetriebes seine an ihn gestellten Aufgaben innerhalb
der eben aufgezeigten Strukturen. Daher korrespondiert seine Funktionsbezeichnung (nicht zu verwechseln mit der beamtenrechtlichen Amtsbezeichnung)
mit der Bezeichnung des jeweiligen Subsystems bzw. mit der Bezeichnung analog der vertikalen Gliederung. So tragen Behördenangehörige, die überwiegend dispositive Arbeit zu verrichten haben, zu diesen Bezeichnung den Zusatz
„Leiter“ (Referats-/Dezernatsleiter, Abteilungsleiter etc.). Das gilt mit Ausnahme der unteren Behörden (hier also Behördenleiter) nicht für die Behördenspitze. Dort trifft man am häufigsten auf die Bezeichnung „Präsident“, ob als monokratisch oder kollegial geführte Behörde (vgl. WALLERATH 1985, S. 94 f.),
die dann mehrere (Vize-) Präsidenten hat. Diese Bezeichnung tritt gelegentlich
auch auf Abteilungsebene (z.B. „Abteilungspräsident“) auf; die Bezeichnungen
für die Spitze eines Ministeriums wurde oben bereits erläutert.
Behördenangehörige, die nahezu zu gleichen Teilen dispositive wie ausführende Tätigkeiten wahrnehmen oder als exponierte Fachkräfte ausschließlich nicht
dispositiv tätig sind, werden Referenten bzw. Dezernenten genannt. Auf der Arbeitsebene, wo nur noch geringfügig dispositive Aufgaben im Sinne eines „Lower-Managements“ (vgl. STEINEBACH 1980, S. 96 f.) oder keine dieser Art
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
45
zu erfüllen sind, werden die Mitarbeiter „Sachbearbeiter“, „Bürosachbearbeiter“, „Büro- oder Schreibkraft“ oder ähnlich bezeichnet.
Diese Elemente und Subsysteme eines administrativen Betriebes werden im folgenden Abschnitt, neben einer Darstellung seiner Umweltbeziehungen, am Beispiel der Bundeswehrverwaltung aufgezeigt.
1.4 Die Bundeswehrverwaltung als administrativer Betrieb
1.4.1 Besonderheiten des Verteidigungsressorts
Nach den bisherigen Feststellungen kann ein administrativer Betrieb gemäß der
budgetären Ressortgliederung als der Geschäftsbereich des einzelplanführenden
Ministeriums bzw. Staatsorganes aufgefaßt und gegen andere Betriebe dieser
Art abgegrenzt werden. Das gilt grundsätzlich auch für den Geschäftsbereich
des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), der sog. Bundeswehr, für
die im Bundeshaushalt der Einzelplan (EPl) 14 gilt.
Allerdings zeigt sich hier eine Besonderheit gegenüber den anderen Bundesverwaltungen, die sich schon allein aus der besonderen Aufgabenstellung der
Bundeswehr ergibt, der die Umsetzung politischer Programme auf höchst eigentümliche Art aufgetragen wird. Sie darf bzw. muss nämlich im Extremfall
durch Anwendung von Waffengewalt im Rahmen kriegerischer Handlungen
und unter Beachtung des Art. 25 GG (Verbot des Angriffskrieges) und des Völkerrechts ihren Zweck erfüllen, der damit in der „Herstellung“ der äußeren Sicherheit besteht. Das führt natürlich dazu, dass die Bundeswehr gegenüber anderen administrativen Betrieben besondere personelle und materielle Strukturen
aufweist. Eine weitere Besonderheit in diesem Zusammenhang ist die nicht in
allen Armeen der Welt übliche Aufteilung nach zivilen und militärischen Aufgaben. Diese Aufgabenteilung ist bereits im Grundgesetz manifestiert und
trennt die Funktion der Streitkräfte als die eigentliche militärische Verteidigungsinstitution (vgl. Art 87 a GG) von der Funktion der Bundeswehrverwaltung, die mit eigenem Verwaltungsunterbau das „Personalwesen“ und die „unmittelbare Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte“ zur Aufgabe hat (vgl. Art
87 b GG).
Analog dieser verfassungsmäßigen Aufteilung bietet sich somit an, das Verteidigungsressort als Geschäftsbereich mit zwei administrativen Betrieben, den
„Streitkräften“ und der „Bundeswehrverwaltung“ aufzufassen. Dies nicht zuletzt deshalb, da hiermit eine homogenere Betrachtung beider Systeme ermöglicht wird.
Für die Heranziehung als Beispiel für einen typischen administrativen Betrieb
bietet sich weiterhin an, die Bundeswehrverwaltung und nicht die Streitkräfte
46
Erster Teil
näher zu betrachten, da in ihr eher die „klassischen“ staatlichen Verwaltungsaufgaben anfallen, wie sie auch in anderen Verwaltungen zu erledigen sind (vgl.
BMVG 1999, S. 102).
„Klassisch“ übrigens auch deswegen, weil eine Wehrverwaltung, neben der
Justizverwaltung (EPl 07), den Verwaltungen der Aussen- und Innenressorts
(EPl’e 05 und 06) sowie der Finanzverwaltung (EPl 08), traditionell zu den
fünf Hauptverwaltungsaufgaben eines Staates gehört. Man erkennt dieses an der
Bezeichnung der Ministerien bzw. der Minister, da hier die Formulierung „der“
bzw. „des“ verwendet wird, im Gegensatz zu moderneren Ressorts, die mit „für“
bezeichnet sind, wie z.B. das Bundesministerium für Wirtschaft (EPl 09).
1.4.2 Innendifferenzierung der Bundeswehrverwaltung
Die Bundeswehrverwaltung differenziert sich intern als System, das übrigens
innerhalb des Supersystems „Staat“ aufgrund der zusätzlichen Unterteilung einem Umsystem (vgl. Abschnitt 1.3.1), der „Bundeswehr“ angehört, analog seiner Aufgabenstellung.
Hierdurch zerfällt die Bundeswehrverwaltung zunächst in zwei Verwaltungsbereiche, in die sog. „Territoriale Bundeswehrverwaltung“ sowie in den „Rüstungsbereich“ (vgl. SCHNELL 1999, B16, S. 1). Diese Unterscheidung ergibt
sich daraus, dass zum Einen der Auftrag unmittelbare Personal- und Sachbedarfsdeckung zu leisten, eine gewisse Standortnähe zu den Streitkräften, also
eine dezentralisierte Leistungserbringung „vor Ort“ erfordert. Auf der anderen
Seite ist aber aufgrund der immensen Volumina (vgl. BMVG 1999, S. 130 ff.)
und der Eigenart der zu beschaffenden Rüstungsgüter in diesem Ressort ganz
besonders die Existenz eines zentralen Beschaffungswesens (vgl. Abschnitt
1.2.5) angezeigt.
Nach diesen beiden Verwaltungsbereichen getrennt, erfolgt nun also die Vorstellung der Subsysteme des administrativen Betriebes „Bundeswehrverwaltung“, also seiner einzelnen Behörden im Hinblick auf deren Aufgaben und auf
deren groben Aufbau.
1.4.2.1 Behörden der Territorialen Bundeswehrverwaltung
Unter der Berücksichtigung des Art 36 GG und der territorialen militärischen
Organisation (vgl. BUNDESHAUSHALTSPLAN 1999, EPl. 14, S. 3), ist dieser
Verwaltungsbereich der Bundeswehrverwaltung ebenfalls nach territorialen Gesichtspunkten gegliedert. Hierbei ist die Bundesrepublik Deutschland in mehrere „Wehrbereiche“ eingeteilt, die räumlich einem oder mehreren Bundesländern
entsprechen. In diesen Wehrbereichen sind verschiedene „Standorte“ eingerichtet, deren Grenzen sich mit einer oder mehreren Gemeindegrenzen decken.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
47
Auf der unteren Verwaltungsstufe äußert sich diese territoriale Differenzierung
darin, dass die Bundeswehrverwaltung Ortsbehörden betreibt, deren Zuständigkeitsbereich sich auf einen oder mehrere Standorte erstreckt und deren Bezeichnung auch den Namen der Gemeinde beinhaltet, in dem sie ansässig ist. Für die
unmittelbare Unterstützung der Streitkräfte an deren Standorten ist dementsprechend jeweils die „Standortverwaltung“ (StOV) mit ihren vier Sachgebieten zuständig. Deren Aufgabe besteht u.a. darin, das zur Truppe abgestellte Zivilpersonal (vgl. hierzu Abschnitt 1.4.3) zu betreuen, Küchen und Bekleidungskammern am Standort, respektive in den Kasernen zu betreiben und –mit Ausnahme
des Bauwesens (vgl. Art. 87 b GG)- alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der
Liegenschaftsbetreuung wahrzunehmen.
Da die Bundeswehr als Wehrpflichtarmee konzipiert ist, fallen auch Aufgaben
des Wehrersatzwesens an, mit Ausnahme der Wehrerfassung, die den Kommunalverwaltungen im Rahmen des Einwohnermeldewesens obliegt. Diese Aufgaben des Wehrersatzwesens, die explizit in der Musterung, Einplanung und
Wehrüberwachung ausgeschiedener, aber der Bundeswehr als Reservisten zur
Verfügung gehaltenen Wehrpflichtigen (deutsche volljährige Männer gem. § 1
WPflG) bestehen, werden jeweils durch das örtlich zuständige „Kreiswehrersatzamt“ (KWEA) mit sechs Fach- und drei Sachgebieten wahrgenommen.
Als weitere untere Verwaltungsbehörden, die allerdings nicht in jedem Wehrbereich eingerichtet sind, sind die in Sachgebiete gegliederten, „Wehrbereichsbekleidungsämter“ (WBBeklA) und „Verpflegungsämter“ (VpflA) zu erwähnen,
deren Aufgaben hauptsächlich in der Lagerung, im Umschlag sowie im haushaltsrechtlichen Nachweis von Bekleidung bzw. Verpflegung besteht. Diese
Behörden haben zwei (WBBeklA) bzw. drei (VpflA) Sachgebiete.
Auf der mittleren Verwaltungsebene existieren zur Zeit sieben (künftig: vier)
„Wehrbereichsverwaltungen“, (WBV), die ihren Sitz in der Hauptstadt des jeweiligen Bundeslandes haben (bzw. in einer der Hauptstädte der Bundesländer,
die gemeinsam einen Wehrbereich bilden). Dieser Mittelbehörde, die in fünf
Abteilungen und mehrere Dezernate untergliedert ist, sind alle im Wehrbereich
ansässigen Unterbehörden unterstellt, womit die Koordinierungsfunktion dieser
Institution ersichtlich wird. Des Weiteren kommt ihr die Aufgaben des Gebührniswesens (z.B. Gehaltsberechnungen und -zahlungen für Soldaten und zivile
Mitarbeiter) zu, die bis vor Kurzem noch von eigens dafür eingerichteten Unterbehörden wahrgenommen (den ehemalige „Wehrbereichsgebührnisämtern“)
wurde, was aber nach einer entsprechenden Umstrukturierung nicht mehr der
Fall ist.
Über diesen Wehrbereichsverwaltungen steht als zentrale Koordinierungsin-
48
Erster Teil
stanz eine Oberbehörde, die als „Bundesamt für Wehrverwaltung“ (BAWV) bezeichnet ist. Sie ist in vier Abteilungen gegliedert, welche wiederum in mehrere
Referate zerfallen. Dem BAWV unterstehen neben den Wehrbereichsverwaltungen noch mehrere „Bundeswehrverwaltungsstellen“ (BwVerwSt), die im
Ausland auf der mittleren und unteren Verwaltungsstufe Aufgaben analog der
nationalen WBV und StOV erfüllen.
Ebenfalls der territorialen Wehrverwaltung zuzuordnen ist das „Bundessprachenamt“ (BSpA), das als Oberbehörde für das Sprachmittlerwesen und die
Sprachausbildung mit eigenem Lehrbetrieb zuständig ist.
Als weitere Bildungseinrichtungen bzw. „Dienststellen mit besonderen Aufgaben“ (vgl. BUNDESHAUSHALTSPLAN 1999, EPl. 14, S. 36), die allerdings
nicht in den dreistufigen Verwaltungsaufbau passen, gehören zu diesem Verwaltungsbereich,
· die Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik in Mannheim
(BAkWVT),
· der Fachbereich Bundeswehrverwaltung der Fachhochschule des Bundes für
öffentliche Verwaltung (deren Zentralbereich zum Geschäftsbereich des
Bundesinnenministeriums zählt), ebenfalls in Mannheim (FH Bund - FB
BWV),
· vier Bundeswehrverwaltungsschulen (BWVS)
in Mannheim, Berlin, Mölln und Oberammergau sowie
· mehrere Bundeswehrfachschulen (BWFachS) im gesamten Bundesgebiet.
Eine Besonderheit stellt die „Kleiderkasse für die Bundeswehr“ (KKBw) in
Koblenz dar, die zwar dem BAWV unmittelbar unterstellt ist, aber nicht als Behörde, sondern als Bundesbetrieb gem. § 26 BHO geführt wird. Dieser Einrichtung obliegt es, Bekleidungszuschüsse von Selbst- bzw. Teilselbsteinkleidern (Offiziere und Unteroffiziere der Streitkräfte, die sich einen Teil der
Dienstbekleidung selbst beschaffen und diese nicht unentgeltlich durch die
StOV im Rahmen der Einkleidung zur Verfügung gestellt bekommen) zu verwalten und ihnen auch die entsprechen Teile durch den Betrieb lokaler und mobiler Verkaufsstellen entgeltlich bereitzustellen. Obwohl hierbei Überschüsse
anfallen können, sind diese nach der Geschäftsordnung der KKBw nicht beabsichtigt. Auch bleibt es bei der Einordnung als Teil eines administrativen Betriebes obgleich die KKBw kein kameralistisches Rechnungswesen, sondern
eine doppelte Buchführung betreibt. Im Rahmen des Jahresabschlusses ist gem.
§ 26 BHO zur Verknüpfung mit dem Bundeshaushalt ein die Bilanz und Erfolgsrechnung beihaltender Wirtschaftsplan zu erstellen. Nach den haushaltsrechtlichen Regelungen sind alle Zuführungen bzw. Ablieferungen, die sich als
Geschäftsergebnis nach dem Wirtschaftsplan ergeben können, im Haushaltsplan
des Bundes einzustellen. Damit ist die KKBw, ebenso wie die Behörden, von
den Vorgaben der Legislative abhängig. Dies und die Tatsache, dass die Preis-
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
49
gestaltung von einem bei der vorgesetzten Behörde (dem BAWV) eingerichteten „Kleiderkassenausschuss“ erfolgt, unterstreicht den administrativen Charakter dieser Institution.
Wie bereits gezeigt, steht allen Einrichtungen der territorialen Bundeswehrverwaltung das BMVg vor. In der obersten Behörde sind vornehmlich die Referate
der Abteilungen „Recht“ (R) und „Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz“ (WV) zuständig für die zentralen Planungen und Steuerungen dieses
Verwaltungsbereiches.
1.4.2.2 Behörden des Rüstungsbereiches
Der Rüstungsbereich hat die gesamte Ausrüstung der Streitkräfte von komplexen Waffensystemen bis hin zur persönlichen Ausrüstung der Soldaten sicherzustellen. Dazu werden neben den reinen Beschaffungsverfahren insbesondere
Forschungsaktivitäten und technologische Entwicklungen initiiert und bewertet.
Für alle Lieferungen und Leistungen an die Bundeswehr schließt der Rüstungsbereich, vermehrt auch in Kooperation mit verbündeten Staaten, Verträge mit
der gewerblichen Wirtschaft ab (vgl. BMVG 1999, S. 109).
An der Spitze des Rüstungsbereiches steht wiederum das BMVg mit seiner
Hauptabteilung „Rüstung“ (Rü). In ihren Referaten werden die Rüstungsaufgaben zentral geplant; des Weiteren werden von hier aus die Rüstungsaktivitäten
des „Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung“ (BWB) gelenkt und überwacht. Diese Bundesoberbehörde hat die Aufgabe, zusammen mit den
Streitkräften Ausrüstungslücken zu identifizieren und technisch-wirtschaftliche
Lösungen zu erarbeiten. Im Rahmen der Beschaffung werden, angefangen bei
Studien- und Forschungsaufträgen , bis hin zum vertraglichen Fertigungsauftrag, Aufträge an die Industrie vergeben; dem schließt sich ein komplexes Verfahren zur Qualitätssicherung (Güteprüfung) an, das bereits während der Fertigung greift.
Das BWB mit Sitz in Koblenz ist gegliedert in drei Querschnittsabteilungen
sowie in sieben Fachabteilungen, die miteinander in einer Art Matrixorganisation in Beziehung stehen. In allen Abteilungen sind dann wiederum Referate als
„kleinste tragende Einheiten im organisatorischen Regelaufbau“ (GO-BWB
1999, S.8) vorzufinden.
Der dem BWB nachgeordnete Bereich besteht aus mehreren Behörden auf der
mittleren Ebene, ohne dass ihnen weitere Behörden untergeordnet sind. Die im
gesamten Bundesgebiet verstreuten „Wehrwissenschaftlichen Dienststellen“
(WWD), „Wehrtechnischen Dienststellen“ (WTD) bzw. das „Marinearsenal“
(MArs) sind unterteilt in Fachgruppen bzw. Bereiche (vergleichbar Abteilungen) und weiterhin in einzelne Dezernate. Diesen Behörden obliegt die Erforschung (WWD), Erprobung (WTD) sowie zum Teil auch die Instandsetzung
50
Erster Teil
(MArs) von Wehrtechnik bzw. Wehrmaterial.
Der Vollständigkeit halber muss noch die dem BWB unterstellte „Deutsche
Verbindungsstelle des Rüstungsbereiches USA/Kanada für Wehrmaterial“ in
Reston/USA genannt werden, deren Aufgabe sich aus der Bezeichnung herleiten lässt.
1.4.3 Verwaltung innerhalb der Streitkräfte
Zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben und bestimmten technischen Aufgaben sowie für die Rechtspflege werden im Bereich der Streitkräfte auch zivile
Mitarbeiter eingesetzt. Diese werden nicht wie die Soldaten von den streitkräfteeigenen personalbearbeitenden Stellen betreut. Die Betreuung dieses Personenkreises obliegt den Behörden der territorialen Bundeswehrverwaltung, was
auch im Bundeshaushalt dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Planstellen
und Personalausgaben dieser Mitarbeiter dort in dem für die territoriale Bundeswehrverwaltung vorgesehenen Kapitel 1404 veranschlagt sind (vgl. BUNDESHAUSHALTSPLAN 1999, S.21). Damit gehören die Verwaltungsabteilungen bzw. die sog. „Truppenverwaltungen“ aber nicht automatisch zur Bundeswehrverwaltung. Es sind Organisationseinheiten der Behörden des administrativen Betriebes „Streitkräfte“, die ihrerseits in der Personalbetreuung der zivilen Mitarbeiter durch die Bundeswehrverwaltung eine von mehreren Serviceleistungen gem. den Bestimmungen des Art. 87 b GG erhält.
1. Der administrative Betrieb als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre
51
1.4.4 Überblick
Eine Gesamtschau auf den administrativen Betrieb „Bundeswehrverwaltung“
vermittelt diesen Hauptabschnitt abschließend nachfolgende Übersicht. Die
Darstellung des BMVg erfolgt hierbei nur schematisch, die übrigen Abteilungen
bzw. Organisationseinheiten bleiben deshalb unberücksichtigt.
Die Bundeswehrverwaltung
Minister/Staatssekretäre
Rü
BMVG
BWB
MArs
WTD
WV/R
BSpA
BAWV
WWD
WBV
BwVerwSt
(Ausland)
KKBw
DVerbSt Rü
(USA/Canada)
VpflA
KWEA
StOV
WBBeklA
Dienststellen mit besonderen Aufgaben:
BAkWVT, FH Bund–FB BWV, BWVS, BWFachS
Abb. 4: Die Bundeswehrverwaltung im Überblick
52
Erster Teil
2. Hauptabschnitt:
Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der
Betriebswirtschaftslehre
Entsprechend der Thematik dieser Arbeit soll nicht das Erfahrungsobjekt „Administrativer Betrieb“ als Ganzes, sondern nur ein Teilbereich dessen untersucht
werden und zwar nur der, welcher den Produktionsfaktor Arbeit betrifft. Da
hierunter die dispositive und objektbezogene Leistung der Menschen in einem
sozialen System zu verstehen ist, kann das Erkenntnisinteresse dem Menschen
an sich, den sozialen Beziehungen der Menschen untereinander oder den soziotechnischen Strukturen gelten. Daher ist eine weitere Einschränkung erforderlich, die das Erkenntnisinteresse konkretisiert und dabei den Fokus nur auf den
Beitrag des Individuums zur Zielerreichung der Organisation richtet. Es interessiert nur der Anteil menschlicher Arbeit am Wertschöpfungsprozess des Betriebes unter den Prämissen des ökonomischen Prinzips (Knappheit der Ressourcen, die zu wirtschaftlichem Handeln zwingt), im Schwerpunkt also die wirtschaftliche Bereitstellung dieser Produktionsfaktoren. Dazu liegt nahe, dieses
Erkenntnisobjekt „Personalwirtschaft“ analog zum Begriff „Materialwirtschaft“
zu nennen, was allerdings aus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch
ist.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik hat bisher noch
keine eindeutigen und umfassenden Ergebnisse geliefert (vgl. u.a. DRUMM
1995, S. 10 ff.), weswegen eine derartige Begriffswahl allein deshalb schon
nicht bedenkenlos vorgenommen werden kann. Insbesondere die in der Literatur auftretende Begriffsvielfalt, bei der Begriffe, welche das Wort „Personal“
oder „Human“ enthalten, zum Teil substituierbar sind oder bei der gleiche Begriffe von verschiedenen Verfassern mit unterschiedlichen Inhalten definiert
werden, zwingt also wieder zu einer sorgfältigen Festlegung und Definition zu
Beginn der wissenschaftlichen Arbeit. Daher ist in diesem Hauptabschnitt die
Definition der Begriffe „Personalwirtschaft“ für das entsprechende Erkenntnisobjekt und der „Personalwirtschaftslehre“ als betriebswirtschaftlich relevante
normative Theorie zu diesem Erkenntnisobjekt herauszuarbeiten und zu erläutern.
Hierzu wird zunächst einmal die historische Entwicklung des Erkenntnisobjektes in Theorie und Praxis, unter Verwendung des allgemein und umfassend zu
verstehenden Begriffes „Personalwesen“, beschrieben und analysiert werden.
Dabei ist auf alle relevanten wissenschaftliche Ansätze, auch jener, die nicht
ökonomischer Art sind, Bezug zu nehmen. Aus der rein ökonomischen Perspektive erfolgt dann die Definition des Begriffes Personalwirtschaft, was eine
sorgfältige Abgrenzung zu den verwandten Begriffen und eine anschließende
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
53
Darstellung der zu Grunde liegenden ökonomischen Ansätze einschließt. Diese
Ansätze sind sodann Bestandteil der rein ökonomisch ausgerichteten Personalwirtschaftslehre, welche im Wege einer Nominaldefinition zu beschreiben und
damit als Disziplin ausschließlich der Betriebswirtschaftslehre zu verstehen ist.
Schließlich wird zur weiteren Erläuterung auf die wichtigsten personalwirtschaftlichen Aufgaben des Betriebes eingegangen.
54
Erster Teil
2.1 Entwicklung des Personalwesens in Theorie und Praxis
Das betriebswirtschaftliche Erkenntnissinteresse an der menschlichen Arbeit
erwachte im Vergleich zu jenem in anderen betrieblichen Bereichen bzw.
Funktionen erst relativ spät. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis
führte dies dazu, dass bis heute weder eine homogene Theorie gefunden wurde
(vgl. WEIBLER 1995, S. 120 ff.) noch einheitliche Handlungsmuster in der
Praxis zu beobachten sind. Letzteres mag daran liegen, dass die Beschäftigung
mit der Bereitstellung und dem Einsatz des Personals im Betrieb und allen damit verbundenen funktionalen und administrativen Aufgaben, was also hier unter dem Begriff „Personalwesen“ verstanden werden soll, in der Praxis lange
Zeit unterentwickelt war. Es fiel auf, dass „sich zu lange auf operative Funktionen sowie die Administration konzentriert“ wurde (WUNDERER 1998, S. 7)
und die Aufgaben des Personalwesens in den Betrieben zu den „ungeliebtesten“
gehörten und nicht selten an die Chefsekretärin abgegeben wurden.
So kam es, dass sich erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis eine methodische Auseinandersetzung mit dem
Personalwesen zu entwickeln begann. Wenn auch die Zeitspanne bis zum heutigen Tage noch relativ kurz ist, so lässt sich dieser Entwicklungsprozess dennoch in verschiedene Phasen zerlegen. Dieses hat WUNDERER für beide Bereiche getan und entsprechend publiziert. Er hat für die Entwicklung des Personalwesens in der Praxis fünf „idealtypische Phasen“ identifiziert (WUNDERER
1998, S. 24 f.) sowie die Entwicklung als Disziplin der Betriebswirtschaftslehre
in vier Phasen unterteilt (WUNDERER 1983, S. 219 ff.). Um eine Analyse analog der zeitlichen Verteilung der einzelnen Phasen durch einen Vergleich der
Entwicklung im theoretischen und praktischen Kontext zu ermöglichen und die
richtigen Schlüsse für die Zwecke dieser Arbeit zu ziehen, wird das Konzept
WUNDERERS in Bezug auf die wissenschaftliche Entwicklungslinie von vier
auf fünf Phasen an der entsprechenden Stelle erweitert. Zuvor werden beide Linien in den nun folgenden Abschnitten vorgestellt.
2.1.1 Die Entwicklungsphasen des Personalwesen in der Praxis
WUNDERER identifizierte fünf Phasen der Entwicklung des Personalwesens.
Die Ursache dieser Entwicklung liegt seiner Meinung nach in dem „rasanten
Wandel“, dem die Organisationen ausgesetzt sind, an deren Ende „eine strategische und unternehmerische Ausrichtung des Personalmanagements“ steht. Es
kann und konnte hierbei aber nicht genügen, dass die betriebliche Praxis auf
Veränderungen theoretischer Ansätze der Wissenschaft reagiert, sondern sie
musste selbst „aktiv, initiativ und teilweise federführend Veränderungsprozesse
in die Wege leiten und professionell begleiten“ (WUNDERER 1998, S. 24).
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
55
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich das Personalwesen in der betrieblichen Praxis wie folgt:
·
·
·
·
·
bis ca. 1960:Bürokratisierungsphase
ab ca. 1960: Institutionalisierunsphase
ab ca. 1970: Humanisierungsphase
ab ca. 1980: Ökonomisierungsphase
ab ca. 1990: Entre- und Intrapreneuringphase
(vgl. auch ACHLEITNER/THOMMEN 1999, S. 584)
2.1.1.1 Die Bürokratisierungsphase
In dieser Phase ging es im Wesentlichen um den Aufbau vorwiegend administrativer Personalfunktionen, welche lediglich der kaufmännischen Bestandspflege der Personalkonten dienten. Zu den Hauptfunktionen zählten demnach die
Verwaltung der Personalakten sowie die Durchführung personalpolitischer Entscheidungen. Wahrgenommen wurden diese zum Teil in Nebenfunktionen, die
insgesamt von der kaufmännischen Leitung zu verantworten waren.
2.1.1.2 Die Institutionalisierungsphase
Geprägt war diese Phase durch verschiedenen Sozialisationskonzepte, deren
Anliegen es war, das Personal an organisatorische Anforderungen anzupassen.
Es erfolgte hierzu neben der Zentralisierung des Personalwesens die Professionalisierung der Personalleiter unter Spezialisierung der Personalfunktionen.
Diese bestanden im Kern in der Verwaltung, der Einstellung und dem Einsatz
des Personals sowie in der Entgeldfindung und der juristischen Konfliktregelung. Daneben war zusätzlich die qualitative Sozialpolitik (Bildung, Freizeit,
Arbeitsplätze) auszubauen. In großen und mittelgroßen Betriebe waren es eben
die Personalleiter, die hierfür verantwortlich zeichneten.
2.1.1.3 Die Humanisierungsphase
Einer entgegengesetzten Philosophie wurde in dieser Phase gefolgt, indem die
Organisation an das Personal anzupassen war. Die Personalfunktionen sollten
hierbei ausgebaut und weiter spezialisiert, dabei aber an den Mitarbeitern orientiert werden. Humanisierung und Partizipation zählten ebenso zu den Hauptfunktionen wie der Ausbau der qualitativen Personalfunktionen. Diese bestanden in der Aus- und Weiterbildung, der kooperativen Mitarbeiterführung, den
Human Relations und der Personalbetreuung. Aber auch die Humanisierung
von Arbeitsplätzen, der Arbeitsumgebung sowie der Arbeitszeit zählten zu den
qualitativen Funktionen, die es auszubauen galt, ebenso wie die Maßnahmen
zur Organisations- und Personalentwicklung.
Soweit vorhanden, war hierfür das Personalressort in der Geschäftsleitung bzw.
die einzelnen Personalstäbe verantwortlich. Diese Verantwortung wurde aller-
56
Erster Teil
dings mit der Personalvertretung geteilt, die im Rahmen ihrer Mitwirkungsbzw. Mitbestimmungsrechte zu beteiligen war.
2.1.1.4 Die Ökonomisierungsphase
Durch Dezentralisierung, Generalisierung und Entbürokratisierung von Personalfunktionen, sicherlich mit dem Ziel der Rationalisierung, versuchte man in
dieser Phase nach Wirtschaftlichkeitsaspekten auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Im Vordergrund stand die Anpassung von Organisation
und Personal gleichzeitig an externe Einflüsse der Umwelt, wie z.B. Veränderungen der Märkte oder des politisch-rechtlichen Umfeldes. Als Hauptfunktionen des Personalwesens wurden die Flexibilisierung der Arbeit und der Arbeitskräfte, die Rationalisierung der Arbeitsplätze sowie die Bewertung des Arbeits- und Entwicklungspotenzials gesehen. Außerdem gehörte der Aufbau
quantitativer und freiwilliger Leistungen ebenso zum Schwerpunkt des Personalwesens wie die Orientierung auf eine Freisetzungspolitik.
Neben der Geschäftsleitung und dem institutionellen Personalwesen wurde seit
dem auch das Linienmanagement in die Verantwortung genommen.
2.1.1.5 Die Entre- und Intrapreneuringphase
Da die traditionelle Agrar- und Industriegesellschaft im Begriff ist, sich zu einer
modernen Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft zu verschieben,
ändert sich gleichsam auch die Bedeutung der „Human Ressourcen“ (vgl.
WUNDERER 1998, S. 7) in den Betrieben auf diesen Marktsektoren. Die Philosophie des Personalwesens wird daher von der Erkenntnis geleitet, dass die
Mitarbeiter als wichtigste, wertvollste und sensibelste Ressource anzusehen
sind. Sie als Mitunternehmer zu gewinnen, entwickeln und zu erhalten, sind die
Mittel des Personalmanagements, um das Oberziel, nämlich Wertschöpfung
(value added) erreichen zu können. Hierzu werden das strategische und konzeptionelle Personalmanagement wieder zentralisiert, während gleichzeitig die
operative Personalarbeit an die Linie bzw. an interne oder auch an externe
Dienstleister delegiert wird. Die Hauptfunktionen des Personalwesens bestehen
darin, unternehmerisches Mitwissen, Mitdenken, Mithandeln und Mitverantworten beim Personal zu erzeugen bzw. zu fördern. Eine integrierte und gleichberechtigte Mitwirkung des Personals bei der Unternehmensphilosophie, politik und –strategie mit besonderer Berücksichtigung von „Mensch und Arbeit“ wird angestrebt. Auch erhält ein Personalcontrolling, zur Evaluation der
ökonomischen und sozialen Folgen von Unternehmensentscheidungen, eine
zentrale Bedeutung.
In der Gesamtverantwortung stehen die Geschäftsleitung, hier insbesondere ein
für Personal (Human Ressourcen, Humankapital) zuständiges Mitglied, das von
WUNDERER als „Wertschöpfungs-Center“ verstandene Personalmanagement
sowie dezentrale Personalstellen und die Linie.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
57
2.1.2 Die Entwicklung des Personalwesens in der
betriebswirtschaftlichen Theorie
„Das Personalwesen ist der junge Sproß einer jungen Mutter, Betriebswirtschaftslehre genannt, und eines etwas betagten Vaters, von Beruf
Nationalökonom.“
Mit diesem einprägsamen Bild leitet WUNDERER (1983, S. 217) seine Ausführungen zu den „Entwicklungstendenzen des Personalwesens in der Betriebswirtschaftslehre“ ein. Er hat darin auch für die Entwicklung des Personalwesens innerhalb der betriebswirtschaftlichen Theorie bestimmte Phasen ausgemacht und dekadisch zugeordnet. Da er die Arbeit aber bereits Anfang der
achtziger Jahre abgeschlossen hatte, wird für die letzte Dekade, die bis in die
heutige Zeit hinein reicht, eine Fortschreibung dieser Entwicklungstendenz versucht.
Somit kann also der Entwicklungsprozess des Personalwesens als Disziplin der
Betriebswirtschaftlehre -analog der dekadischen Einteilung in Abschnitt 2.1.1in folgende Phasen zerlegt werden:
·
·
·
·
·
bis ca. 1960:Vorbereitungsphase
ab ca. 1960: Gründungsphase
ab ca. 1970: Expansions- und Profilierungsphase
ab ca. 1980: Reflexionsphase
ab ca. 1990: Reökonomisierungsphase
2.1.2.1 Die Vorbereitungsphase
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges waren es einzelne Projekte, die sich der Erforschung personalwirtschaftlicher Probleme in den Betrieben widmeten. Auch
wurden erste theoretische Grundüberlegungen zu bestimmten Spezialfragen des
Personalwesens ebenso publiziert, wie die ersten Versuche einer handbuchartigen Zusammenstellung vor allem instrumenteller Lösungsansätze der Personalpraxis (einen Aufzählung der relevanten Autoren und z.T. derer Werke befindet
sich an der zitierten Stelle, WUNDERER 1983, S. 219).
2.1.2.2 Die Gründungsphase
Die Grundsteinlegung für eine theoretische Fundierung des Personalwesens innerhalb der Betriebswirtschaftslehre erfolgte quasi zur gleichen Zeit und am
selben Ort. Nämlich im Jahre 1961 in Mannheim, als zunächst KOLBINGER
die Vorbereitungen für die erste deutschsprachige wissenschaftliche Monographie über das betriebliche Personalwesen unter gleichnamigen Titel abschloss.
Auch die Gründung des ersten Lehrstuhls für „Personalwesen und Arbeitswis-
58
Erster Teil
senschaften“ (Inhaber war der katholische Theologe A. MARX), bei gleichzeitiger Aufnahme des „Personalwesens“ als spezielle Betriebswirtschaftslehre in
die Prüfungsordnung, erfolgte in diesem Jahr an diesem Ort. Ebenfalls in 1961,
allerdings in Düsseldorf, gründet sich die „Deutsche Gesellschaft für Personalführung“ (DGFP), die sich der modernen Personalpraxis widmen sollte.
2.1.2.3 Expansions- und Profilierungsphase
Im Zuge der Bildungsreformen in den frühen siebziger Jahren entstanden mehrere neue Hochschulen. Da diese von Beginn an das Personalwesen in die
Strukturplanung ihrer betriebswirtschaftlichen Fakultäten miteinbezogen, vervielfachte sich bis zum Ende dieser Phase die Anzahl der Lehrstühle und damit
auch die Kopfzahl der Hochschullehrer für Personalwirtschaftslehre (PWL).
Parallel dazu erschienen mehrere Lehrbücher zum Thema Personalwesen sowie
zwei umfassende Enzyklopädien und zahlreiche Veröffentlichungen zu Spezialthemen des Personalwesens in den einschlägigen Periodika.
Einen entsprechenden Eindruck von der sprunghaften Entwicklung des Personalwesens gerade in dieser Phase, vermitteln die Zahlen in nachstehender Abbildung:
Entwicklungsstand
im Jahre
Anzahl der
Personalleiter
(gem. DGFP)
Anzahl der
Hochschullehrer
für PWL
1962
1972
1982
2.500 - 3.000
4.000 - 4.500
5.500 – 6.000
1
4
28
Anzahl der
Lehrbücher zur
PWL an Universitäten
1
2
16
Abb. 5: Entwicklung des Personalwesens (WUNDERER 1983, S. 220)
2.1.2.4 Die Reflexionsphase
Durch die zahlreichen Publikationen von Sammelrezensionen und dogmengeschichtlicher Monographien (die Autoren dieser Werke sind wieder an der zitierten Stelle aufgeführt, S. 221) fand in dieser Phase die kritische Auseinandersetzung mit der personalwirtschaftlichen Theorie statt. Zusammen mit einer
vermehrt durchgeführten Empirie wurde versucht, allgemein akzeptierbare Bezugsrahmen und Betrachtungsweisen zu gewinnen und die entsprechenden
Theorien weiter wissenschaftlich zu fundieren. WUNDERER bezeichnet diesen
Abschnitt der Entwicklung des Personalwesens daher auch Reifungs- bzw.
Konsolidierungsphase.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
59
2.1.2.5 Die Reökonomisierungsphase
Bei der Betrachtung der bisherigen Entwicklung des Personalwesens innerhalb
der Betriebswirtschaftslehre fällt allerdings auf, dass im Kern der Theorien nur
eine sehr geringe ökonomische Ausrichtung zu verzeichnen ist. Das Verständnis
über das Fachgebietes der Betriebswirtschaftslehre der entsprechenden Autoren
reichte daher von der Einordnung als „spezielle Betriebswirtschaftslehre mit
verhaltenwissenschaftlicher und damit interdisziplinärer Öffnung“ bis hin zur
Interpretation des Personalwesens als „interdisziplinäre Sozialwissenschaft“
(WEBER 1992, Sp. 1834). Zumindest im deutschsprachigen Raum wurde, bis
auf vereinzelte Ausnahmen, diese Disziplin offenbar nicht vor einem ökonomischen Hintergrund betrieben (vgl. BACKES-GELLNER 1996, S. 298). Es entstand daher die Forderung, das Personalwesen zu reökonomisieren (vgl.
WEIBLER 1995, S. 114), d.h. dem Attribut „wirtschaftlich“ durch den Rückgriff auf meist mikroökonomische und betriebswirtschaftliche Begriffe und Erkenntnisse entsprechend Rechnung zu tragen. Im Rahmen dieser Debatte wurde
allerdings eine „Gegenposition zur verhaltenswissenschaftlichen Tradition des
Faches aufgebaut“, bei der auch die Diskussion über eine scharfe „terminologische Trennung“ der Adjektive „ökonomisch“ und „verhaltenswissenschaftlich“
entstanden ist (WEIBLER 1996, S. 649).
Da die Reökonomisierungstendenzen innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Personalwesen als noch nicht abgeschlossen angesehen
werden können bzw. noch keine Erkenntnisse über eine weitere Entwicklungsphase vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass die Reökonomisierungsphase bis in das neue Jahrtausend hinreicht.
2.1.3 Analyse beider Entwicklungslinien
Führt man beide Entwicklungslinien zusammen und analysiert dabei die
Schwerpunkte der theoretischen Ausrichtung in der jeweiligen Phase, so ergibt
sich folgende Gegenüberstellung:
60
Erster Teil
Phase
bis ca. 1960
ca.
1960 – 1970
ca.
1970 – 1980
ca.
1980 – 1990
Entwicklung
in der Praxis
Entwicklung
in der Wissenschaft
Administration:
Bestandspflege des
Personals
Sporadisches Interesse:
Publikation einzelner Beiträge zu Spezialfragen des
Personalwesens
Sozialisation:
Methodisches Interesse:
Anpassung des PersoErste wissenschaftliche
nals an die Organisation Monographie sowie erster
durch Professionalisie- Lehrstuhl und Prüfungsfach
rung und Spezialisierung
Humanisierung:
Anpassung der
Organisation an das
Personal
Quantitativer Aufwuchs:
Mehr Literatur und Ausweitung der Lehrstühle
Rationalisierung:
Anpassung der Organisation und des
Personals an die Umweltbedingungen
Qualitativer Aufwuchs:
Kritische Auseinandersetzung und Empirie
Schwerpunkt der theoretischen
Ausrichtung
natur- bzw.
arbeitswissenschaftlich
sozialwissenschaftlich
anthropologisch
bzw. verhaltenswissenschaftlich
ökonomisch
(mikroökonomisch
und operativ –
betriebswirtschaftlich)
Wertschöpfung:
Hohe Bedeutung der
Human-Ressource als
kritischer, weil knapper
Erfolgsfaktor
Dezidiertes Interesse:
ab ca. 1990
Differenzierte
ökonomisch
Auseinandersetzung zwi(strategisch –
schen den Polen
betriebswirtschaftlich)
„verhaltenswissenschaftlich“ und „ökonomisch“
Abb. 6: Gegenüberstellung und Analyse der Entwicklungslinien im Personalwesen
2.1.4 Die Konsequenzen für eine Begriffsdefinition
Die dargestellten Entwicklungslinien zeigen, dass sich eine „allgemeine systemtheoretisch orientierte Theorie der Personalwirtschaft aufgrund ihrer Komplexität“ und insbesondere wegen der starken Einflüsse fachverschiedener Theorien nicht entwickelt hat. Es entstand vielmehr eine „systematische Sammlung
von Kunstlehren“, die vornehmlich aus Erfahrungen der Praxis beeinflusst wurde (DRUMM 1995, S. 16).
Auf Grund dieser Erkenntnis dürfte es schwer fallen, daraus unmittelbar eine
allgemeingültige und konsistente Definition des Begriffes herzuleiten, der die
moderne Personalwirtschaft bezeichnet. Insbesondere die allein im deutschsprachigen Raum sowohl in der Theorie als auch in der Praxis vorhandene Begriffs-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
61
vielfalt (Personalwesen, Personalökonomie, Personalwirtschaft, Personalführung, Personalmanagement) zeigt, dass für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Personal in den Betrieben eine sorgfältige Abgrenzung und
Festlegung der einzelnen Begriffe im Wege der Nominaldefinition notwendig
ist.
Ausgangspunkt hierzu muss die Erkenntnis sein, dass das Personal mittlerweile
den kritischen, weil knappen, Produktionsfaktor in den Betrieben darstellt. Dies
bedeutet, dass die Betriebe bestrebt sind, diesen Faktor besonders hinsichtlich
der Kosten und Leistung zu optimieren. Das wiederum bedeutet für die moderne
Personalpraxis, Optimierungsstrategien zu wählen, die das „Bewirtschaften“
dieses Produktionsfaktors in den Vordergrund rücken und das heißt also, ein
Personalwesen unter konsequenter Anwendung des ökonomischen Prinzips zu
betreiben.
Dies bleibt zweifellos nicht ohne Auswirkung auf das Begriffsverständnis über
ein Erkenntnisobjekt und die diesbezügliche Theorie, die sich mit dem Bereitstellen und dem Einsatz der menschlichen Arbeitsleistung unter wirtschaftlichen
Aspekten beschäftigt. Eine Theorie, die zumal als eine einzige und umfassende
Lehre vom Personal in der Wissenschaft nicht existiert und ihrerseits wiederum
selbst als „Kunstlehre“ angesehen wird (so DRUMM 1995, S. 10 ff.). Der Begriff „Personalwirtschaftslehre“ müsste also wegen seines zentralen Begriffsbestandteiles genau die rein ökonomische Ausrichtung dieser Theorie widerspiegeln, müsste also bar aller verhaltenswissenschaftlicher Einflüsse sein und bestenfalls interdisziplinäre Schnittstellen enthalten. Da dieses aber insbesondere
im Hinblick auf die überwiegend sozial- und verhaltenswissenschaftliche geprägte Entwicklung des Personalwesens nicht unproblematisch ist, sind entsprechende Ansätze in der Literatur deshalb auch umstritten.
Es erfolgen daher, nach der Darstellung dieser Kritik, für eine ausführliche Definition der Begriffe Personalwirtschaft und später der Personalwirtschaftslehre
eine Abgrenzung der meist synonym oder inhaltsüberschneidend verwendeten
Bezeichnungen wie „Personalführung“ und „Personalmanagement“
62
Erster Teil
2.2 Abgrenzung des Begriffs der Personalwirtschaft
2.2.1 Kritik an einer rein ökonomischen Betrachtung
des Produktionsfaktors Arbeit
Selbstverständlich erfordert eine spezielle Betriebswirtschaftslehre eine gewisse
Bezugnahme auf Nachbardisziplinen, wie z.B. der Psychologie und den
Rechtswissenschaften (vgl. WEBER 1992, Sp. 1828). Doch dürfte dies nicht ein
alleiniges Problem der Personalwirtschaftslehre sein. Auch im Bereich der Materialwirtschaft müssen beispielsweise naturwissenschaftliche Erkenntnisse herangezogen werden, um etwa die Lagerhaltung, den Transport oder die Verpackung bestimmter Materialien sachgerecht und damit nicht unwirtschaftlich zu
bewerkstelligen. Dennoch werden diese nicht-ökonomischen Ansätze bestenfalls zu Hilfsdisziplinen. Die ökonomische Disziplin bleibt dabei im Kern dominierend, eine Verwässerung durch fremde Theorien findet dadurch nicht statt.
Eine sich an GUTENBERGs Produktionsfaktoransatz orientierte Faktorlehre,
wie die Personalwirtschaftslehre mit einer ausschließlich ökonomischen Ausrichtung verstanden werden könnte, steht aber nicht ohne Kritik da. Zu den
Hauptargumenten gehört hierbei, dass bestimmte menschliche sowie zwischenmenschliche Probleme ausgeklammert würden (vgl. WÄCHTER 1979, S. 64f.).
Hierzu gehören unter anderem die soziale Probleme, die aus Interessengegensätzen innerhalb der Belegschaft resultieren, genau so wie die Probleme aus
dem weiten Bereich der Mitarbeiterführung.
Da diese Probleme sich aber negativ auf den betrieblichen Wertschöpfungsprozess auswirken können und dabei den Betriebszielen zuwiderlaufen können, ist
die vorgebrachte Kritik auch aus der ökonomischen Perspektive nachzuvollziehen. Es scheint hier ein Dilemma vorzuliegen, dass scheinbar nur über das Ergebnis der Diskussion zu lösen ist, ob die ökonomische Perspektive eine sinnvolle Gegenposition zur traditionell verhaltens-wissenschaftlichen Perspektive
darstellt (vgl. Abschnitt 2.1.2.5). Der faktortheoretische Ansatz GUTENBERGs
würde mit einem systemtheoretischen Ansatz konkurrieren, wie ihn z.B.
ULRICH vertritt.
In diesem Kontext hat WEIBLER (1996, S. 649 ff.) aber klargestellt, dass eine
Kontoverse zwischen ökonomischer und verhaltenswissenschaftlicher Ausrichtung der Personalwirtschaftslehre nicht unbedingt notwendig ist. Er sieht
beide als sich „arbeitsteilig ergänzende Wege“, die zu dem noch entsprechende
Synergien freisetzen, weil „die Kraft unterschiedlicher Positionen produktiv“
genutzt werden könne. Hiermit wird zwar die eingangs dargestellte Kritik relativiert, das beschriebene Dilemma bezüglich einer eindeutigen Begriffsauffassung von Personalwirtschaft bleibt aber weiterhin ungelöst.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
63
Um dennoch eine für den weiteren Verlauf der Arbeit notwendige eindeutige
Begriffsbestimmung vornehmen zu können, die Personalwirtschaft im Sinne der
modernen ökonomischen Ausrichtung versteht und die entsprechenden verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse lediglich definitorisch ab- und keineswegs
ausgrenzt, wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen:
Erstens erfolgt eine sorgfältige Analyse dessen, was den Produktionsfaktor Arbeit, um den es ja vornehmlich geht, ausmacht. Hierbei wird im folgenden Abschnitt zu unterscheiden sein zwischen dem Mensch an sich
einerseits und dessen Leistungspotenzial, das im Betrieb einzusetzen ist,
andererseits. Analog hierzu wird dann zweitens eine begriffliche Abgrenzung von Personalwirtschaft und Personalführung vorgenommen, wobei
dann auch das Verhältnis zum Begriff des Personalmanagements erläutert
wird.
2.2.2 Die gedankliche Trennung von Mensch und dessen Arbeitsleistung
Am Beispiel eines Datenverarbeitungssystems sei einmal ein beliebiges Optimierungsproblem angenommen. Dieses System besteht im Wesentlichen aus
zwei Subsystemen, nämlich der Hardware, verstanden als Gesamtheit aller Gerätschaften, und der Software, also alle Informationen, die strukturiert als Datenbestände oder Programme notwendig sind. Im Wege der Optimierung des
Gesamtsystems ist es notwendig, beide Bestandteile sowie deren Schnittstellen
getrennt zu analysieren und ggf. zu optimieren. Es kommt insbesondere bei PCSystemen (bei Großrechneranlagen mag dies anders sein) niemand auf die Idee,
das Problem komplex anzugehen und physikalisch-technische mit mathematisch-logischen Ansätzen zu vermengen oder gar unter ausschließlicher Betrachtung nur eines dieser Erkenntnisfelder optimieren zu wollen.
Ein ähnlich undifferenziertes Vorgehen scheint allerdings, wie oben dargestellt,
bisher im Bereich des traditionellen betrieblichen Personalwesens sowohl in
Theorie als auch in der Praxis vorgeherrscht zu haben. Der Mensch als Lebewesen einerseits und andererseits seine kognitiven, affektiven und psychomotorischen Fähigkeiten, die in einem Betrieb zur Wertschöpfung führen können,
wurden vorwiegend aus der verhaltenswissenschaftlichen Blickrichtung untersucht. Der Mensch als solches stand vorwiegend im Mittelpunkt, doch ist er für
eine rein ökonomische Analyse nur selbst als ein „Mittel“ (nicht im Sinne einer
„Sache“) zum Zweck anzusehen: „Der Mensch ist nicht Mittelpunkt. Der
Mensch ist Mittel. Punkt.“ (NEUBERGER 1990).
Die gedankliche Trennung von Mensch und dessen Arbeitsleistung ist also für
eine moderne, ausschließlich ökonomisch ausgerichtete Begriffsbestimmung
innerhalb der Personalwirtschaftslehre angezeigt.
64
Erster Teil
2.2.3 Personalwirtschaft versus Personalführung und Personalmanagement
Viele Autoren verwenden den Begriff „Personalwirtschaft“ in einem derart
weiten Sinne, dass auch das Einwirken auf den Menschen mit dem Ziel, dessen
Verhalten zu steuern, also die Personalführung, mit einbezogen ist (z.B.
WEBER 1992, Sp. 1827, WEIBLER 1995, S. 126 ff., TÜRK 1978, S.1,
DRUMM 1995, S. 9 ff.). Hierin mag die Hauptursache für das oben beschriebene Dilemma liegen, denn das Ergebnis einer Verhaltenssteuerung mit Effizienzkriterien bewerten zu wollen und dabei nur sozial- und verhaltenswissenschaftliche Ansätze heranzuziehen, kann nicht zu trennscharfen Erkenntnissen führen.
Um in dem obigen Bild zu bleiben, hieße das, ein Softwareproblem etwa ausschließlich mit den Regeln der Physik lösen zu wollen.
Beruhend auf der gedanklichen Trennung von Mensch und Arbeitsleistung kann
also eine analoge Trennung der Verhaltenssteuerung (des Menschen) während
dessen Arbeitseinsatzes nach sozialwissenschaftlichen und anthropologischen
Grundsätzen von der Bereitstellung seiner (also der im Menschen verkörperten)
Leistungsmöglichkeiten unter Beachtung des ökonomischen Prinzips erfolgen.
Eine Trennung nach Personalwirtschaft und Personalführung also in zwei nebeneinander auftretenden und sich nicht gegenseitig ausschließenden Managementfunktionen.
Bei dieser Perspektive wäre zumindest ein Kritikpunkt entkräftet, nämlich dass
sich das klassische Personalwesen neuerdings ausschließlich auf die ökonomische Betrachtung fokusiert und andere Betrachtungswinkel außen vor blieben
(vgl. Abschnitt 2.2.1).
Ein weiterer Ansatz zur Kritik entsteht natürlich nun daraus, dass eine faktortheoretische Betrachtung des Personals darin mündet, die menschliche Arbeitsleistung mit anderen Produktionsfaktoren, wie den Betriebsmitteln und den
Werkstoffen gleichzusetzen (vgl. STAEHLE 1975, S.716 f.). Dabei ist aufgrund
der Trennung von Mensch und Leistung weniger eine ethisch-moralische Diskussion notwendig, als eine ökonomische, innerhalb dieser sich der Argumentation nicht verschlossen werden kann, dass die persönlichen Dienstleistungen
wegen ihrer Heterogenität mit Sachgütern nur schwer verglichen und schon gar
nicht gleichgesetzt werden können. Das Produktionspotenzial, das Menschen
mitbringen, ist aufgrund der anthropologischen Besonderheiten, die vornehmlich in der Individualität und damit in den unterschiedlichen Motivationen zu
sehen ist, bei jedem Menschen verschieden. Anders als bei Sachgütern, bei welchen Waren gleicher Art und Güte entsprechend gleiche Fähigkeiten hervorbringen, die also ohne Weiteres substituierbar sind.
Diese, dann auch berechtigte, Kritik aufgreifend müsste die Personalwirtschaft
neben einer Materialwirtschaft innerhalb eines „Faktormanagements“ eingeordnet werden, in der auch zwei andere Produktionsfaktoren mit spezifischen Be-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
65
sonderheiten gesondert aufzunehmen sind, nämlich die Informationen (vgl. Abschnitt 1.1.2) und die Finanzen. Innerhalb dieser Faktorwirtschaft geht es dann
vornehmlich um die bloße Bereitstellung der einzelnen Produktionsfaktoren
und zwar ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten, aber aufgrund
ihrer jeweiligen Eigenarten auch unter Berücksichtigung bestimmter hilfswissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. Abschnitt 2.2.1).
Damit wird die Personalwirtschaftslehre schon im Entwurf eine betriebswirtschaftliche Disziplin „im Sinne Gutenbergs“ (vgl. SADOWSKI 1991, S. 130 f.).
Der Bereich, in dem es nicht um die Bereitstellung sondern um die Verwendung
und den Einsatz der Produktionsfaktoren geht, könnte in Abgrenzung zum
„Faktormanagement“ dann „Systemmanagement“ genannt werden, innerhalb
dessen zunächst die Systemstruktur (Organisationstheorie) definiert wird sowie
die Systemelemente im Einzelnen und in ihrer Beziehung untereinander behandelt werden. In Bezug auf den Einsatz materieller Produktionsfaktoren, also die
sachlich-fachlichen Leitung des Systems, wären dazu (z.B. im Rahmen der Produktionsplanung) eher naturwissenschaftliche oder andere Erkenntnisse notwendig, bevor Aussagen ökonomischer Art getroffen werden können. In Bezug
auf das Personal, das im Wege der Führung, also über eine „zielorientierte Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in bzw. mit einer strukturierten Arbeitssituation“ (WUNDERER 1996, S. 141) im System eingesetzt wird,
werden vornehmlich verhaltenswissenschaftliche, aber auch rechtswissenschaftliche Grundlagen heranzuziehen sein. So sind beispielsweise einerseits
beim Einsatz und der Bedienung von Maschinen deren technischphysikalischen Eigenschaften ebenso interessant, wie andererseits die anthropologischen Besonderheiten des Menschen bei dessen Einsatz im Produktionsprozess. In allen Fällen werden letztlich auch ökonomische Aspekte mit einbezogen, da es sich beim „Systemmanagement“ um die Steuerung eines Systems
in Form eines Betriebes handelt, dem -wie gezeigt (vgl. Abschnitt 1.1.2)- das
Handeln nach dem ökonomischen Prinzip zwingend immanent ist.
Insofern liegen die Unterschiede zwischen Personalwirtschaft und Personalführung darin, dass es beim ersten Begriff um die Bereitstellung des Produktionsfaktors Arbeit (losgelöst vom Menschen) im Sinne des Produktionsfaktoransatzes gemäß GUTENBERG geht, während der Zweite den Einsatz des Menschen
im Betrieb, verstanden als soziales System (wie bei z.B. ULRICH), beschreibt.
Der beiden Bereichen übergeordnete Begriff, der funktional gesehen auch die
Koordination und Integration der vom Ansatz her doch verschiedenen Managementaufgaben unter gesamtheitlichen Aspekten umfasst, wäre dann der Begriff des „Personalmanagements“. Bezogen auf die gedankliche Trennung von
Mensch und Dienstleistung, beinhaltet er dabei auch die Schnittstelle zwischen
beiden.
66
Erster Teil
Damit bedeutet also jeweils der Begriff
· Personalwirtschaft,
“eine menschliche Aktivität bzw. ein Aktivitätenbündel (...), dessen Ziel
die Verringerung von Knappheit, in der Regel durch Bereitstellung von
knappen Gütern (...) unter Beachtung des ökonomischen Prinzips ist“
(ORTNER/ THIELMANN-HOLZMAYER 2000 S. 24) und zwar hier bezogen auf den Produktionsfaktor Arbeit (später wird an diese Stelle der
Begriff des Personalvermögens treten, siehe Abschnitt 2.3.1),
· Personalführung,
Mitarbeiter eines Betriebes im Produktionsprozess „zu einem bestimmten
Verhalten zu veranlassen, welches sie aus eigenem Antrieb nicht gezeigt
hätten“ (ORTNER/THIELMANN-HOLZMAYER 2000, S. 29) sowie
· Personalmanagement,
sowohl die Personalwirtschaft als auch die Personalführung (vgl.
ORTNER/ THIELMANN-HOLZMAYER 2000 S. 32) unter gesamtheitlicher Betrachtung.
Einen Überblick über die gerade beschriebenen begrifflichen Zusammenhänge
im Personalwesen bietet die nun folgende Abbildung:
Management
Personalmanagement
Faktormanagement
Materialwirtschaft
Informations wirtschaft
Finanzwirtschaft
Systemmanagement
Personalwirtschaft
Bereitstellung der Produktionsfaktoren nach vorwiegend
ökonomischen Aspekten
Produktionsfaktoransatz (GUTENBERG)
Personalführung
Sachl ./ Fachl .
Leitung
Einsatz der Produktionsfaktoren nach
ökonomischen und natur -, sozial-,
rechtswissenschaftl. (etc.) Aspekten
Systemtheoretischer Ansatz (z.B. ULRICH)
Abb. 7: Begriffliche Zusammenhänge im betrieblichen Personalwesen
Die Übertragung dieser Zuordnung auf die betriebliche Praxis spiegelt sich in
den dort häufig vorzufindenden Strukturen wider, in denen besondere Stellen
und Organisationseinheiten eigens für die Wahrnehmung personalwirtschaftli-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
67
cher Aufgaben zuständig sind (vgl. THOMMEN/ACHLEITNER 1999, S. 583
f.), während die Aufgaben der Personalführung über alle Instanzen verteilt sind,
ausgehend von -und selbstverständlich auch unter der Gesamtverantwortungder obersten Betriebsleitung, wobei letztere auch das Personalmanagement zu
verantworten hat.
Mit allen diesen Erkenntnissen ist aber noch keine abschließende Definition der
Personalwirtschaftslehre möglich. Es wurde lediglich eine grobe Einordnung
und eine erste Abgrenzung hinsichtlich der verwandten Begriffe zum Erkenntnisobjekt vorgenommen. Ein weiterer Schritt in Richtung dieser Definition wird
im nun folgenden Abschnitt durch Einbezug geeigneter ökonomischer Ansätze
in die personalwirtschaftliche Theorie unternommen.
68
Erster Teil
2.3 Ökonomische Ansätze zur Personalwirtschaftstheorie
Nachdem nun mittels einer Einordnung des Begriffes der Personalwirtschaft in
den rein ökonomischen Bereich des betrieblichen Managements eine erste grobe
Abgrenzung erfolgte, kann auf dieser Basis eine konkrete Definition weiterverfolgt werden. Hierzu ist allerdings erforderlich, entsprechend ökonomisch ausgerichtete Ansätze zu finden, mit deren Hilfe die konkreten Begriffsinhalte
festgelegt werden können.
Mögliche, sich in der Literatur anbietende ökonomische Ansätze können unter
der „Humankapitaltheorie“ zusammengefasst werden. Allerdings sind diese Ansätze vornehmlich volkswirtschaftlich orientiert und reflektieren daneben überwiegend die bildungsökonomische Perspektiven bezüglich der Menschen in den
Betrieben. Der Begriff „Humankapital“ wird dabei verstanden als die „durch
Ausbildung erworbenen Qualifikationen, durch welche die Erwerbstätigen zur
Erstellung von Gütern beitragen“. Er stellt damit einen funktionalen Bezug
„zwischen dem Ausbildungsprozess und verschiedenen Verwendungssituationen für die Qualifikationen her“ (SCHMITZ 1973, S. 37). Durch die verkürzte
Perspektive ausschließlich auf inner- und außerbetriebliche Bildungsprozesse,
sind diese Ansätze weniger geeignet, die betriebliche Personalwirtschaft insgesamt zu erklären. Zur Bereitstellung des Produktionsfaktors Arbeit gehört zwar
zu einem nicht unerheblichen Teil auch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, doch ist bereits die Akquisition eine personalwirtschaftliche Maßnahme,
für welche die Humankapitaltheorie keine ausreichende Erkenntnisse bereitstellen kann.
Insofern interessant für die bisherige Diskussion um eine rein ökonomische
Begriffsauffassung von Personalwirtschaft sind diese Ansätze dennoch, weil
auch hier eine Abstraktion vom Mensch und dessen Bildung (Qualifikationen)
vorgenommen wird, wie z.B. im Modell BECKER’s (1970, S. 132 ff.). Die
humankapitaltheoretischen Ansätze sind damit geeignet, die bisherigen Erkenntnisse zu unterstreichen; für eine weitere rein betriebswirtschaftliche Untersuchung des Begriffes sind sie allerdings unzureichend.
Erfolg versprechender scheinen dagegen das Personalvermögenskonzept nach
ORTNER sowie die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik zu sein, die in
den beiden folgenden Abschnitten vorgestellt werden.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
69
2.3.1 Das Personalvermögenskonzept nach ORTNER
2.3.1.1 Übertragung des Humankapitalkonzeptes auf die
betriebliche Infrastruktur
Noch relativ eng an die Humankapitaltheorie angelegt und auch überwiegend
aus der bildungsökonomischen Perspektive betrachtet ist der Ansatz ORTNERs.
Dieser nimmt allerdings deutlich auf eine betriebswirtschaftliche Betrachtung
der Personalinfrastruktur als Ganzes Bezug und beschränkt sich insofern nicht
nur auf die Bildung des Personals. In seinem Beitrag „Personalvermögensrechnung: zur Übertragung des Humankapital-Konzeptes auf die betriebliche Personalinfrastruktur“ (ORTNER 1982, S. 357 – 395) geht ORTNER unter anderem
auf die Legitimation dieser Übertragung ein, definiert die betrieblichen Zielfunktionen und beschreibt deren Veränderungen; schließlich diskutiert er bestimmte Lösungsstrategien zur Bewertung des betrieblichen Personalvermögens. Er geht aber auch auf die Outputseite des Personals ein, indem er verschiedene Ansätze, den betrieblichen Personalertrag zu bestimmen, beschreibt.
Von besonderer Bedeutung für eine moderne, rein an betriebswirtschaftlichen
Erkenntnissen orientierten Personalwirtschaftslehre dürften hieraus die Begriffe
des „Personalvermögens“ und der „Personalvermögensrechnung“ sein, die geeignet sind, sowohl explizit als auch implizit in einer allgemeinen Definition
zum Begriff „Personalwirtschaft“ (siehe Definition „Personalwirtschaft“ im Abschnitt 2.2.3) eine Rolle zu spielen.
2.3.1.2 Das betriebliche Personalvermögen
Während der Begriff „Humankapital“ in einer „gesellschaftlichen Betrachtung
als Pendant des sozialen Produktionsfaktors Arbeit innerhalb des sozioökonomischen Systems gesehen werden“ kann (ORTNER 1982, S. 362), beschreibt
der Begriff „Personalvermögen“ dessen institutionsindividuelle Entsprechung,
also den Produktionsfaktor Arbeit im Betrieb. Aus der, dem Bereich der betrieblichen Finanzbuchhaltung entstammenden, Bezeichnung „Vermögen“ wird
hierbei deutlich, dass es nicht mehr um die rein arbeitswissenschaftliche Würdigung der menschlichen Arbeit im Betrieb geht, wie z.B. bei TAYLOR im Rahmen seines „Scientific Managements“ oder den Forschungen des REFAVerbandes. Es geht vielmehr um eine (bildungs-) ökonomische Betrachtung und
der damit notwendigerweise verbundenen Bewertung dieses Produktionsfaktors. Es handelt sich somit um die Ausgangsbasis für betriebswirtschaftliche
Überlegungen zur Bereitstellung der menschlichen Arbeitsleistung (und nicht
des Menschen selbst ! - vgl. Abschnitt 2.2.2) unter möglichst optimalen Bedingungen im Betrieb. Die für materielle Produktionsfaktoren üblichen Quantifizierungen und Analysen von Kosten und Leistungen, Investitionen und Ertrags-
70
Erster Teil
erwartungen etc. sollten damit auch beim Produktionsfaktor Arbeit möglich
werden.
ORTNER definiert Personalvermögen daher als die „Summe von Qualifikationen (Wissen und Können) und Motivationen (Einstellung und Wollen)“
(ORTNER/MROSS 1999, S. 14), die das Personal dem Betrieb zur Verfügung
stellt. Je nach Sichtweise unterscheidet ORTNER nach dem individuellen (das
des einzelnen Mitarbeiters) und institutionellen (das des Personals insgesamt,
also damit das der Organisation) Personalvermögen. Hierbei wird der Begriff
„Personal“ bewusst dichotomisch von dem des „Materials“ abgegrenzt, was gerade parallele ökonomischen Analysen beider Faktorarten nach den einschlägigen betriebswirtschaftlichen Methoden (z.B. Kosten- und Leistungsvergleiche),
selbstverständlich unter Beachtung der jeweiligen Besonderheiten, möglich
macht. Wird individuelles Personalvermögen gar auf die Technik beziehungsweise auf Medien übertragen, kann Personalvermögen zu Material, also zu
Sachvermögen werden; erfolgt die Übertragung zur Nutzung im Betrieb, so entspricht dies dem Schritt vom individuellen zum institutionellen Personalvermögen (vgl. ORTNER/MROSS 1999 a.a.O.).
2.3.1.3 Die Personalvermögensrechnung
Das wesentliche Instrument zur Quantifizierung und Analyse von Personalvermögen ist die Personalvermögensrechnung. Ihre Aufgabe ist es, das „Personalvermögen einer Institution in seiner Bedeutung für die Leistungserstellung der
Gesamtsituation darzustellen bzw. rechnerisch abzubilden“ (ORTNER 1982, S.
366). Es handelt sich somit nicht nur um die rein wertmäßige Erfassung des
Personalvermögens als Aktivum der betrieblichen Bilanz, sondern es geht auch
um die analytische Betrachtung dieser Wertgrößen im Verhältnis zu anderen
Wertgrößen des Betriebes. Auch Zeitvergleiche oder überbetriebliche Vergleiche werden durch eine Personalvermögensrechnung möglich.
Die Personalvermögensrechnung zielt damit insgesamt ab (vgl. ORTNER 1982,
S. 364 f., SCHAEFER 1975, S. 53) auf die „Sicherung einer leistungsfähigen
Personalinfrastruktur zur Erfüllung der betrieblichen bzw. betriebspolitischen
Zielstellung“. Des Weiteren ermöglicht sie eine „Darstellung des Gesamtpotentials einer Institution unter Berücksichtigung aller am betrieblichen Leistungsprozess Beteiligten“. Es wird mit einer Personalvermögensrechnung auch versucht, die Kosten nachzuweisen, die über die sozial- und arbeitsrechtlich geforderte „menschengerechte Gestaltung der Arbeit“ (MARCHAL 1975, S. 12) im
Betrieb entstehen. Und schließlich soll der Anteil des „Produktionsfaktors Arbeit als mindestens gleichberechtigtes Wirkungspotential, insbesondere in Bezug zum Betriebs-Kapital (mit allen denkbaren betrieblichen und politischen
Konsequenzen)“ dargestellt werden.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
71
2.3.1.4 Bewertungsprobleme des Personalvermögenskonzeptes
Die Erfassung und Bewertung des Personalvermögens ist nicht unproblematisch; insbesondere die Aktivierung in der betrieblichen Bilanz, deren vorwiegend externer Zweck sich auf handels- und unternehmensrechtliche, finanzwirtschaftliche sowie steuerrechtliche Informationsbereitstellung beschränkt, ist
umstritten (vgl. ORTNER/MROSS 1999, S. 15). Vor dem Hintergrund, dass
Aktivposten u.a. aus Gläubigerschutzinteressen möglichst realistische Aussagen
zur Liquidierbarkeit enthalten müssen, könnten bestenfalls professionelle
Sportvereine das in den Spitzensportlern verkörperte Personalvermögen gemäß
den traditionellen Bilanzzwecken aktivieren, dabei annähernd realistisch bewerten (Marktwert) und nach außen hin dokumentieren. Bei allen anderen Betrieben dürfte dies ungleich schwieriger sein.
Andererseits ist die Aussagekraft einer Bilanz ohne aktiviertem Personalvermögen angesichts der (mittlerweile) hohen Bedeutung (vgl. Abschnitt 2.1.3) bezüglich der betrieblichen Wertschöpfung entsprechend gering.
Neben diesen eher „technischen Problemen“ bestehen eine Vielzahl von “methodisch-organisierten Detailproblemen“ (ORTNER 1982, S. 369) in der Bewirtschaftung des Personalvermögens, insbesondere bei der Gestaltung der Personalvermögensrechnung, die durch Ausklammerung derselben im Wege einer
vereinfachten Modellbildung zunächst trivial gelöst werden könnten. Hierbei
werden allerdings Investitionen in das Personalvermögen als unbeeinflussbare
Daten hingenommen, womit sie sich einer Analyse entziehen und Optimierungsmöglichkeiten a priori erst gar nicht gegeben sind. ORTNER schlägt daher
daneben eine differenzierte Lösungsstrategie vor, die durch Reduktion von Einarbeitungs- und Personalverlustkosten auf eine Verbesserung der Kostensituation abzielt. Daneben versucht er im Rahmen eines „Einzelbewertungsansatzes“
eine „betriebswirtschaftliche und bildungsökonomische bzw. bildungsbetriebliche Kostenbestimmung“ (ORTNER 1982, S. 370 – 375).
2.3.1.5 Bedeutung des Personalvermögenskonzeptes
für die Personalwirtschaftslehre
Wenn auch ORTNERS Personalvermögenskonzept bezüglich der vom Autor
selbst aufgezeigten Legitimations- und Bewertungsprobleme umstritten sein
kann, so sollte allerdings festgehalten werden, dass er gegenwärtig einer der
wichtigsten und ein für eine betriebswirtschaftliche Betrachtung menschlicher
Arbeitsleistung tauglicher Ansatz darstellt. Der Grund für diese Einschätzung
liegt in der Definition des Personalvermögens, bei der einerseits die oben erläuterte Abstraktion von Mensch und Arbeitsleistung implizit vorliegt und andererseits der Produktionsfaktor Arbeit durch die Hinzunahme der Begriffe
„Qualifikation“ und „Motivation“ näher konkretisiert und damit operationabel
72
Erster Teil
gemacht wird. Ein wichtiger Beitrag also für die weiteren Definitionsbemühungen des Begriffes Personalwirtschaft im Sinne dieser Arbeit, bei der als Zwischenergebnis festgehalten werden kann, dass es in der Personalwirtschaft um
die Bereitstellung von Personalvermögen geht.
Auch kann die Personalvermögensrechnung als eine wichtige Teilaufgabe der
Personalwirtschaft angesehen werden. Dass hierbei allerdings die aufgezeigten
Bewertungsprobleme insbesondere im Zusammenhang mit der Bilanzierung existieren, ist für eine Übertragung auf den Bereich der administrativen Betriebe
insoweit unerheblich, als dort überwiegend kameralistisch abgerechnet wird
(vgl. Abschnitt 1.2.6). Es dürfte bei diesen Betrieben ausreichen, das Personalvermögen über das „Berechnungssurrogat der Kosten“ zu bewerten (ORTNER
1982, S. 378).
Welche Kosten hierbei allerdings relevant sind und auf welche Art und Weise
diese ermittelt und verrechnet werden können, ist allerdings auch nicht einfach
zu beantworten. Eine Verrechnung der traditionellen Kostenarten „Personalkosten“, „Personalnebenkosten“, „Sozialkosten“ etc. dürfte allein schon wegen
der notwendigen separaten Zuordnung zu personalwirtschaftlichen Aktivitäten
und Personalführungsmaßnahmen schwer fallen.
Im folgenden Abschnitt werden daher nun weitere ökonomischer Ansätze vorgestellt, mit deren Hilfe zum Einen die Definition des Begriffs Personalwirtschaft abgeschlossen werden kann und zum Anderen eine Kostentheorie vorgestellt wird, die für personalwirtschaftliche Optimierungsleistungen aussagekräftiger ist. Es handelt sich hierbei einerseits um den Ansatz der „Property Rights“
und andererseits um die „Transaktionskostentheorie“, die beide der sogenannten
„Neuen Institutionenökonomik“ zugerechnet werden.
2.3.2 Relevante Ansätze der Neuen Institutionenökonomik
2.3.2.1 Die Neue Institutionenökonomik
Mit der Neuen Institutionenökonomik liegt ein relativ homogener Strang einer
modernen ökonomischen Theorie vor, deren Einflüsse aus verschiedenen Richtungen, mit Schwerpunkt aus der volkswirtschaftlichen Mikroökonomie kommen (vgl. ELSNER 1987, S. 5). Hierbei werden ökonomische Überlegungen
bezüglich „Institutionen“ angestellt, die begrifflich nichts mit Organisationen
(im institutionellen Sinne) zu tun haben. Sie stellen dem entgegen Systeme
„formgebundener (formaler) und formungebundener (informeller) Regeln einschließlich der Vorkehrungen zu deren Durchsetzung“ dar, mit dem „Zweck,
individuelles Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern“
(RICHTER/FURUBOTN 1996, S.7).
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
73
Die einzelnen Individuen, deren Verhalten und deren Entscheidungen an die
Regeln der Institutionen gebunden sind („institutionalisiertes Verhalten und
Entscheiden“; vgl. ELSNER 1987, S. 5), bilden die Verknüpfung der Begriffe
„Organisation“ (Individuen sind die wesentlichen Elemente eines sozialen Systems; vgl. Abschnitt 1.1.2) und „Institutionen“ (Individuen als Subjekte des Regelsystems) . Um sie drehen sich die wesentlichen Grundgedanken der Neuen
Institutionenökonomik
(vgl.
ORTNER/MROSS
1999,
S.
65,
RICHTER/FURUBOTN 1996, S. 3ff, RICHTER 1990, S. 573), die zunächst
von einem methodologischem Individualismus und dem Streben nach Verfolgung der Eigeninteressen des Individuums ausgehen. Unter der weiteren Annahme, dass die Individuen nur über eine unvollständige Rationalität verfügen,
führt das Verfolgen der Eigeninteressen tendenziell zu opportunistischem Verhalten beim Einzelnen, dem daher ein System von Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen entgegen zu stellen ist.
Aus der institutionstheoretischen Perspektive stellen sich ökonomische Aktivitäten, sei es auf den Märkten oder innerhalb der Organisationen, anders dar als
aus den klassischen Blickwinkeln. Da es sehr unterschiedliche wirtschaftliche
Aktivitäten gibt, lassen sich auch verschiedene Ansätze aus der Neuen Institutionenökonomik herleiten. Relevant für die bisher verfolgte Definition der Personalwirtschaft, in der es -wie zwischenzeitlich festgestellt- im Kern um das Personalvermögen und eine kostenorientierte Personalvermögensrechnung geht,
sind daraus dann nur zwei Ansätze, nämlich die der „Property Rights“ und der
„Transaktionskostentheorie“. Alle weiteren Ansätze der Neuen Institutionenökonomik werden daher im Folgenden ausgeblendet.
2.3.2.2 Der Property-Rights-Ansatz
Über die Neue Institutionenökonomik erfährt der Anwendungsbereich der traditionellen Mikroökonomie eine Erweiterung, ohne sich dabei von seiner methodischen Grundausrichtung zu lösen (vgl. GANSKE 1996, S. 60).
Die Theorie der Property Rights leistet ihren Beitrag hierzu dadurch, dass sie im
Kern eine radikale Veränderung des Güterbegriffes enthält. Ausgehend von der
Vorstellung, dass auf den Märkten Angebot und Nachfrage nicht mehr nach
tangiblen bzw. intangiblen Waren und Dienstleistungen besteht, sondern es
mehr als nur um die Sache selbst geht. Es geht vielmehr um die Möglichkeiten,
die mit der Nutzung dieser Güter verbunden sind. Im Sinne der Institutionentheorie rücken die allgemein anerkannten Regelungen bezüglich dieser Güter, nämlich die Rechte (im positiven und negativen Sinne), bestimmte Handlungen an bzw. mit diesen Gütern durchzuführen in das Zentrum des Markgeschehens (vgl. PICOT 1981, S. 156f.). Der Begriff des Eigentums wird bei dieser Betrachtungsweise relativiert und erhält eine nur untergeordnete Bedeutung,
74
Erster Teil
weil er für die ausschließlich institutionenökonomischen Betrachtung keinen
Wert mehr darstellt.
Insofern ist auch die unmittelbare Übersetzung des Begriffs „Property Rights“
in „Eigentumsrechte“ nicht ganz sauber. Da es wie gezeigt weniger um das Eigentum, als um die Möglichkeit geht, Handlungen mit und an den bzw. Verfügungen bezüglich der betroffenen Gütern vorzunehmen. Insofern wäre eine Übersetzung in „Handlungsrechte“ oder „Verfügungsrechte“ sinnvoller (vgl.
ORTNER/MROSS 1999, S.66).
Vollständig definiert sind Property Rights die „durch Gesetz, Gewohnheit, Sitte
und Moral begründeten Rechte, durch die der Verfügungsbereich jedes Einzelnen hinsichtlich der Aneignung, Nutzung und Übertragung von Ressourcen gegenüber anderen Personen begrenzt wird“ (SCHÜLLER 1985, S. 260). Aus dieser Definition lassen sich die folgenden vier Gruppen von Rechten erkennen
(vgl. PICOT 1981, S. 157; TIETZEL 1981, S. 210):
· Rechte, welche die Art der Nutzung einer Ressource betreffen (Usus)
· Rechte zur formalen und materiellen Veränderung einer Ressource (Abusus)
· Rechte der Aneignung der Erträge aus der Nutzung (Usus fructus)
· Rechte zur Veräußerung und sonstige Übertragung der anderen Rechte
auf Dritte (Übertragungsrechte).
Nicht immer sind die Rechte nur einem Einzelnen zuzuordnen oder in vollem
Umfange ausübbar. In den Fällen in den Verfügungsrechte auf mehrere Personen aufgeteilt sind oder in denen sie durch formale Regelungen oder durch ethisch-moralische Restriktionen beschränkt sind, spricht man von „verdünnten“
Verfügungsrechten, also von „Attenuated Property Rights“ (vgl.
FURUBOTN/PEJOVICH 1972, S. 1140). Allerdings darf der Umkehrschluss
nicht dazu führen, dass „unverdünnte“ Verfügungsrechte grenzenlos ausgeübt
werden können. Die Rechte eines Individuums finden immer dort ihre Grenzen,
wo die Rechte eines anderen Individuums beginnen. Reine, also „NonAttenuated Property Rights“ bestehen darin, dass „sämtliche auf ein (physisch
definiertes) Gut bezogenen Nutzungsmöglichkeiten zulässig (...) sind, wobei
aber Verfügung über fremdes Eigentum ausgeschlossen ist (bzw. diesbezügliche
Transaktion voraussetzt), da die entsprechenden Rechte Dritter beachtet werden
müssen“ (GANSKE 1996, S. 22).
Bezogen auf die Personalwirtschaft bietet der Property-Rights-Ansatz eine vollkommen neue Perspektive. War es in der Vergangenheit lediglich das Tauschverhältnis Arbeitskraft gegen Arbeitsentgelt, also die wirtschaftliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem Gut „Dienstleistung des
Arbeitnehmers“ im Zentrum der Betrachtung, so kann nunmehr viel weiter darüber nachgedacht werden. Der erweiterte institutionenökonomische Hinter-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
75
grund erlaubt eine sorgfältigere und systematischere Analyse der jeweiligen
Regelungen in diesem Bereich. Konkreter bedeutet dies, dass das Verfügungsrecht des Arbeitgebers über die Nutzung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers
zunächst über eine Analyse des zugrundeliegenden Vertrages definiert wird.
Das hat in der modernen Wirtschaft bereits Konsequenzen hinsichtlich der Vertragstypen. Es sind längst nicht mehr ausschließlich die auf ein Dauerschuldverhältnis ausgerichteten Arbeitsverträge, die für eine Bereitstellung von Personalvermögen in Frage kommen. Verträge, welche die Überlassung von Arbeitskräften regeln, deren Verfügungsrechte originär an andere übertragen waren,
sind ebenso keine Seltenheit mehr, wie reine Dienstverträge, die (z.B. im Falle
der Beratung oder bei EDV-Programmierung) im Wege einer freien Mitarbeiterschaft nur fallweise oder zeitlich bzw. auf ein Projekt begrenzt abgeschlossen
werden.
Darüber hinaus bietet der Property-Rights-Ansatz weitere methodische Hilfestellung bzw. Erklärungsmuster an, z.B. in den Fällen, in denen die Nutzung der
Verfügungsrechte durch staatliche Restriktionen eingeschränkt sind (vgl.
GANSKE 1996, S. 30 ff.). Gleiches gilt auch für die Fälle der Vertragsstörungen mit oder ohne Sanktionsnotwendigkeiten.
Auf einen weiteren Bereich innerhalb der Neuen Institutionenökonomik zielt
die Fragestellung, wie und unter welchen Umständen Property Rights erworben
werden können. Insbesondere die Frage nach den diesbezügliche Kosten dürfte
von einem ganz besonderen ökonomischen Interesse sein. Im folgenden Abschnitt wird daher im Rahmen der Vorstellung der Transaktionskostentheorie
auf diese Aspekte näher eingegangen.
2.3.2.3 Die Transaktionskostentheorie
Auch wenn die Begriffe Transaktion respektive Transaktionskosten dort nicht
verwendet wurden, so werden doch die Arbeiten von COASE als Ursprung dieses Ansatzes angesehen (vgl. GANSKE 1996, S. 107; ORTNER/MROSS 1999,
S. 75). In seinem Aufsatz über „The Nature of the Firm“ (COASE 1937, P. 386
ff.) trägt er Argumente dafür zusammen, dass die Annahmen der neoklassischen
Mikroökonomie zu kurz greifen. Die Illusion des vollkommenen Marktes, auf
dem ausschließlich der Preismechanismus die Grundlage für Informationen bezüglich der Kosten ökonomischer Aktivitäten bildet, geht in einem für die Modellbildung nicht mehr zu tolerierenden Maße an der Realität vorbei. COASE
weist nach, dass die Verwendung des Preismechanismus selbst kostenwirksam
ist („costs of using the price mechanism“). Basierend auf dieser Erkenntnis leitet er sodann die Existenz der Unternehmungen ab, welche im Wesentlichen die
Kosten, Mühen und den zeitlichen Aufwand dieser Marktnutzung kompensieren
will.
76
Erster Teil
Vor dem Hintergrund der Überlegungen zu den Property Rights, bei denen es
wie gezeigt nicht um die Güter, die auf den Märkten getauscht werden, an sich
geht, sondern um die damit verbundenen Rechte, gelangt man damit zu einer
mikroökonomischen Betrachtung, die auf den Übergang der Rechte und auf die
daraus resultierenden ökonomischen Konsequenzen gerichtet ist. Hierbei bekommt der Begriff der Transaktion und damit die eher rechtliche als technische
Dimension beim Austausch von Property Rights, die auf notwendigerweise
vertraglich geregelter Basis stattfindet, eine zentrale Bedeutung (vgl.
MICHAELIS 1985, S. 69). Die transaktionskostentheoretische Forschung besteht dann darin (GANSKE 1996, S. 107 f.),
· die so als Transaktionen definierten ökonomischen Aktivitäten zu systematisieren, wobei „insbesondere der jeweilige Zusammenhang zwischen
den Verhaltens- und Umweltannahmen einerseits und den hieraus resultierenden Koordinationsproblemen andererseits“ bedeutsam ist,
· die Instrumente zu systematisieren, „mit deren Hilfe diese Problemen
entgegengewirkt werden kann“ und
· die Regeln zu Erarbeiten, „nach denen Transaktionen und Koordinationeninstrumente einander sinnvoll zugeordnet“ werden können (vgl. auch
WILLIAMSON 1985, S. 41).
Erweitert man diesen Ansatz um die Kostenkomponente, führt dies zur Transaktionskostentheorie, bei der es um die Kosten geht, die ausschließlich die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Transaktionen betreffen, also die
damit im Wesentlichen Informations- bzw. Kommunikationskosten darstellen
(vg. PICOT 1993, Sp. 4195). Insofern grenzen sich Transaktionskosten deutlich
von Produktionskosten ab (vgl. GANSKE 1996, S. 111).
Die Transaktionskostentheorie erhebt somit „den Anspruch, Grundlage einer
umfassenden ökonomischen Organisationstheorie zu sein“ (GANSKE 1996, S.
108 mit Verweis auf WILLIAMSON 1985, MICHAELIS 1985, PICOT 1986
sowie PICOT/SCHNEIDER/LAUB 1989). Eine Organisationstheorie, der allerdings ein besonderes Menschenbild zu Grunde liegt, in der der Mensch folglich
als „contractual man“ (WILLIAMSON 1985, S. 43 ff.) angesehen wird, dessen
individuelles Verhalten geprägt ist von (vgl. ORTNER/MROSS 1999, S. 76)
· einer begrenzten Rationalität, ausgehend von begrenzten Informationen,
die dem Individuum zur Verfügung stehen sowie seinen beschränkten
kognitiven Fähigkeiten bezüglich der Informationsverarbeitung,
· einem Opportunismus, verstanden als eine besondere Form der Verfolgung von Eigeninteressen, wobei -ohne ein allzu negatives Menschenbild
zu erzeugen-, auch List, Lügen und der Rechtsordnung konträre Verhaltensweisen (z.B. Betrug, Diebstahl etc.) eine Rolle spielen und
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
77
· einer gewissen Risikoneutralität.
Für eine geeignete Systematisierung der Transaktionskosten zum Zwecke der
analytischen Betrachtung bietet sich an, die jeweiligen Kosten analog der einzelnen Phasen einer Transaktion zu betrachten. So werden Kostenüberlegungen
vor, während und nach einer konkreten Transaktion angestellt, die analog hierzu als “ex ante-Transaktionskosten”, Transaktionskosten im engeren Sinne und
“ex post-Transaktionskosten” bezeichnet werden können (vgl. WILLIAMSON
1985, S. 20 f.). Im Einzelnen entstehen ex ante-Transaktionskosten dann aus
Aufwendungen für die Anbahnung der Transaktion und für die Vereinbarung
des konkreten Transaktionsinhaltes, während Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kontrolle der Leistungs- bzw. Vertragserfüllung und der Anpassung aufgrund veränderter Bedingungen während der Vertragslaufzeit zu ex
post-Transaktionskosten führen (vgl. auch PICOT 1986, S. 3; zitiert bei
ORTNER/MROSS 1999, S. 78). Es besteht hierbei auch ein nicht
unwesentlicher impliziter Zusammenhang zwischen ex ante- und ex postTransaktionskosten, denn sobald der Aufwand im Vorfeld einer Transaktion zu
gering ist, führt dies tendenziell zu einem höheren Aufwand nach erfolgter
Transaktion. Ökonomische Aktivitäten, die auf eine konsequente
Kostenreduzierung abzielen, müssen vor diesem Hintergrund also differenziert
vorgenommen werden, wenn unter dem Strich ein effizientes Ergebnis zu
Stande kommen soll. Die Transaktionskostentheorie kann somit auch als
Kostenoptimierungstheorie verstanden werden.
Dies gilt selbstverständlich auch bezogen auf personalwirtschaftliche
Aktivitäten, welche an Hand transaktionskostentheoretischer Überlegungen
kostenoptimal und damit insgesamt wirtschaftlicher gestaltet werden können.
Hierzu ist zunächst der Produktionsfaktor der menschlichen Arbeitsleistung als
ein Bündel Property Rigths zu verstehen, welches der Betrieb im Wege einer
Transaktion erwirbt. Er erhält damit also die Verfügungsrechte über die
Arbeitskraft des Mitarbeiters aufgrund vertraglicher oder hoheitsrechtlicher (bei
Beamten und Soldaten) Regelungen. Eine Transaktion, die somit im Sinne
ORTNERS zu einem Zuwachs des institutionellen Personalvermögens führt, da
der Mitarbeiter dem Betrieb im Gegenzug zur vereinbarten Entgeltzahlung qua
Vertrag oder Hoheitsakt (Entgegennahme einer Ernennungsurkunde bei
Beamten und Soldaten) die Verfügungsrechte über sein individuelles
Personalvermögen überträgt (vgl. ORTNER/MROSS 1999, S. 89).
Eine Analyse der damit verbundenen Transaktionskosten wird hierbei zunächst
einmal durch eine Klassifizierung der zugrundeliegenden Verträge ermöglicht.
In der modernen betrieblichen Praxis dürfte dabei nicht mehr nur allein das
klassiche Dauerschuldverhältnis im Blickpunkt stehen, das im Wege eines auf
eine längere Beschäftigung gerichteteten Arbeitsvertrages zu Stande kommt.
78
Erster Teil
Ebenso wie bei alternativen Transaktionen zum Erwerb von Verfügungsrechten
bei materiellen Produktionsfaktoren (z.B. Leasing statt Kauf) bieten sich sich
auch in der Personalwirtschaft mittlerweile einige Alternativen an.
Verfügungsrechte über menschliche Arbeitsleistung lassen sich auch außerhalb
der klassischen. Beziehungsverträge (vgl. ORTNER/MROSS 1999, S. 92 mit
Verweis auf MCNEIL 1974 u. 1978), wie z.B. im Falle von Dienstverträgen
oder bei Verträgen zwecks Arbeitnehmerüberlassungen, erwerben. Im
staatlichen Bereich treten im Falle der Beschäftigung von Beamten oder
Soldaten zwar öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse an die Stelle
von den Dauerschuldverhältnisse begründende Arbeitsverträgen, wobei aber die
Alternative zumindestens im Bereich nicht hoheitlicher Aufgaben darin besteht,
die Verfügugsrechte über die menschliche Arbeitskraft im Wege
dienstvertraglicher Regelungen extern zu beziehen (bezüglich der hierin
enthaltenen Privatisierungsproblematik siehe den folgenden 3. Hauptabschnitt).
Damit sind also auch bei diesen besonderen Beschäftigungs-verhältnissen der
administrativen Betriebe transaktionskostentheoretische Überlegungen schon
vom Ansatz her möglich.
Im Rahmen dieser institutionellen Überlegungen zu den Transaktionen im
personalwirtschaftlichen Kontext hat WILLIAMSON (1985, S. 247) zur
weiteren Analyse der Transaktionskosten, die insbesondere der Optimierung im
Verhältnis zum Personalvermögen dienlich ist, bestimmte differenzierte
Bindungspraktiken
aus
den
Klasiffizierungen
herausgearbeitet.
Arbeitsverhältnisse lassen sich somit einordnen je nach einer niedrig oder hoch
ausgeprägten
Spezifität,
Unsicherheit
bzw.
Schwierigkeit
der
Leistungsbemessung und bei einer vorhandenen oder nichtvorhandenen
“unternehmensspezifischen” Verwendungsmöglichkeit des individuellen
Personalvermögens. Letzteres besagt, inwieweit dieses Personalvermögen auch
in anderen Betrieben eingestzt werden kann. Dieses Klassifikationsmodell der
“Formen transaktionskosteneffizienter (interner) Koordination” stellt sich im
Überblick wie folgt dar:
Personalvermögen
Nicht
unternehmensspezifisch unternehmensspezifisch
Unsicherheit,
Interner
Interner
Komplexität,
Niedrig
Spot-Markt
Arbeitsmarkt
Schwirigkeit der
Einfaches
Beziehungsorientiertes
Leistungsbeurteilung
Hoch
Team
Team
Abb. 8: Formen transaktionskosteneffizienter (interner) Koordination
(Quelle: ORTNER/MROSS 1999, S. 95; verändert nach WILLIAMSON 1985, S. 247)
Nach Einordnung eines Arbeitsverhältnisses in eine der vier Klassen, lassen
sich insbesondere auch Aussagen über die jeweiligen ex-ante- und ex-post-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
79
Transaktionskosten herleiten. Neben diesen institutionellen Betrachtungen der
personalwirtschaftlichen Transaktionskosten sind analog auch weitere
systematische Denkmodelle möglich, die damit die rein ökonomische
Ausrichtung der Personalwirtschaftlehre gestatten, welche sowohl für die
Theorie als auch für die Praxis von Nutzen sein können.
Bevor allerdings die endültige, rein ökonomischen Definition des Begriffes
Personalwirtschaftslehre unter Verwendung der vorgestellten ökonomischen
Ansätze erfolgt, soll an dieser Stelle noch kurz auf das der
Transaktionskostentheorie zu Grunde liegende und oben schon angesprochene
Menschenbild eingegangen werden. Dieses scheint nämlich mit seiner
tendenziell negativen Ausrichtung modernen betriebswirtschaftlich relevanten
Ansätzen entgegen zu stehen, wie z.B. dem von MCGREGOR (1960, p. 33 ff).
Dieser hat in seinen entgegengesetzten Theorien X und Y unter Anderem
aufgezeigt, dass allzu negative Annahmen über die Einstellungen und
Verhaltensweisen der Mitarbeiter einen Teufelkreis (“circulo vitiosus”) erzeugt,
der wiederum zu weniger Leistungen der Mitarbeiter und damit zur Bestätigung
der ursprünglichen Annahme führt und insgesamt unwirtschaftliche, weil
suboptimale Betriebsergebnisse liefert. Dem ist allerdings entgegen zu halten,
dass die Forschungen MCGREGORS organisationstheoretischer Natur sind und
im Wesentlichen die betriebliche Führungsstruktur betreffen. Damit sind
derartige Erkenntnisse dem Bereich der Personaführung zuzuordnen, der wie
gezeigt eindeutig von der Personalwirtschaft abzugrenzen ist. Lediglich
innerhalb des Personalmanagements müsste eine Abstimmung dahingehend
erfolgen, dass die transaktionskostentheoretischen Annahmen bezüglich der
Personalbereitstellung nicht eine bewußt positiv eingestellte Betrachtung des
Personals beim Personaleinsatz überstrahlen und damit wieder einer
wirtschaftlichen Personalführung im Wege stehen.
2.3.3 Die Personalwirtschaftslehre als rein ökonomische Disziplin
Nach der erfolgten begrifflichen Einordnung des Begriffes Personalwirtschaft
(Abschnitt 2.2.3) und auf Basis der dargestellten ökonomischen Ansätze kann
der Begriff „Personalwirtschaftslehre“ als normative Theorie zum Erkenntnisobjekt wie folgt definiert werden:
80
Erster Teil
Personalwirtschaftslehre
Lehre über die Bereitstellung der Verfügungsrechte über individuelles Personalvermögen unter Anwendung des ökonomischen Prinzips als betriebliche
Funktion, die im Wege bestimmter Transaktionen darauf abzielt, institutionelles Personalvermögen zu erwerben, zu vermehren und zu erhalten, welches daraufhin den Betriebeszielen entsprechend optimal eingesetzt werden
kann.
Abb. 9: Definition der Personalwirtschaftslehre
Ausgehend von diesem Begriffsverständnis kann nun folgend dargestellt werden, inwiefern Personalvermögen erworben, vermehrt und erhalten werden
kann. Die ökonomische Zielsetzung der optimalen Personalbereitstellung vor
Augen, wird hierbei auch auf die jeweiligen Transaktionskosten Bezug genommen. Da aber in der Literatur die unterschiedlichsten Vorstellungen mit verschiedenen Schwerpunkten referiert werden, wird dabei versucht, die personalwirtschaftlichen Einzelmaßnahmen und Aktivitäten entsprechend zu systematisieren und gleichgewichtet zu untersuchen.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
81
2.4 Die personalwirtschaftlichen Aufgaben des Betriebes
2.4.1 Die personalwirtschaftliche Wertkette
Geht man davon aus, dass alle betrieblichen Aktivitäten definitionsgemäß (vgl.
Hauptabschnitt 1) darauf abzielen, unter Beachtung des ökonomischen Prinzips
Leistungen zu erzeugen, die später Dritten zur Verfügung gestellt werden, so
muss grundsätzlich der Annahme gefolgt werden, dass eine wirtschaftliche Produktion dieser Leistungen nur dann stattfindet, wenn insgesamt eine Werterhöhung, mindestens aber eine Werterhaltung der insgesamt eingesetzten Ressourcen bei Abgabe der Leistung im Vergleich zu deren Beschaffung der stattgefunden hat. Es findet damit bei der betrieblichen Leistungserstellung notwendigerweise ein Wertschöpfungsprozess statt, der über die einzelnen betrieblichen
Grundfunktionen von der Beschaffung über die Produktion bis zum Absatz hin
zu verzeichnen ist. Anderenfalls wäre bei einer dauerhaften Wertvernichtung
durch die damit verbundene Unwirtschaftlichkeit die Betriebseigenschaft des
produzierenden System in Frage zu stellen.
Der Beitrag der betrieblichen Personalwirtschaft an diesem Wertschöpfungsprozess dürfte wegen der mittlerweile hohen Bedeutung des Produktionsfaktor
Arbeit nicht unerheblich sein. In der Literatur wird deshalb der Personalbereich
auch als maßgebliche Quelle der betrieblichen Wertschöpfung diskutiert (vgl.
z.B. das Konzept des „Personalmanagements als Wertschöpfungscenter“ von
WUNDERER 1998).
Dem Begriffsverständnis zur Personalwirtschaft folgend kann dieser Beitrag
aber nur stattfinden, wenn ein wirtschaftliches Verhältnis von bereitgestelltem
Personalvermögen zu den Transaktionskosten existiert, welche durch den Erwerb, die Vermehrung und Erhaltung sowie dem Einsatz des Personalvermögens entstehen. Analog zu den beiden Erscheinungsformen des ökonomischen
Prinzips wird dann die Maximierung (Ergänzung und Ausbau) des Personalvermögens bei konstanten Transaktionskosten oder die Minimierung der Transaktionskosten bei Erhaltung eines bestimmten Personalvermögensbestandes zur
zentralen Aufgabe der betrieblichen Personalwirtschaft. Die Institution, welche
diese Aufgabe wahrzunehmen hat wird damit quasi zum „Dienstleistungsbetrieb
im Betrieb“, der auf die Produktion von Personalvermögen abzielt, in dem konsequenterweise ein (personalwirtschaftlicher) Wertschöpfungsprozess stattfinden muss.
Eine Analyse dieser personalwirtschaftlichen Wertschöpfung wird allerdings
dadurch erschwert, dass die Bewertung des Personalvermögens (wie in Abschnitt 2.3.1.4 bereits beschrieben) äußerst schwierig ist. Es soll daher im Folgenden ein Konzept aufgestellt werden, dass sich überwiegend an den personalwirtschaftlichen Transaktionskosten orientiert und welches das Ziel verfolgt,
82
Erster Teil
diese nicht rigoros zu minimieren, sondern im Hinblick auf die Personalvermögenserhaltung bzw. –vermehrung zu optimieren (vgl. ORTNER 1982, S. 360).
Dieses Konzept wird zwar für eine allgemeine Analyse der Personalwirtschaft
auf Grund der Quantifizierungsproblematik zu kurz greifen, doch dürfte es für
die Zwecke dieser Arbeit ausreichen, weil es ausschließlich um administrative
Betriebe geht, die ohnehin nicht oder nur äußerst selten Bilanzen erstellen und
Vermögensbestandteile zu bewerten haben.
Es folgt daher die Entwicklung eines Modells zur Analyse der personalwirtschaftlichen Transaktionskosten, welches sich an dem oben angesprochenen
Wertschöpfungsprozess orientiert und demzufolge als „Personalwirtschaftliche
Wertkette“ bezeichnet werden kann. Dieses Modell wird abgeleitet aus den Überlegungen zu einer (allgemeinen) betrieblichen Wertkette, die bei der Betrachtung der Wertschöpfung des Betriebes insgesamt hergeleitet werden kann.
Eine derartige gesamtbetriebliche Wertkettenanalyse („value chain analysis“)
hat M.E. PORTER (1986, S.62 ff.) bezogen auf den Idealtyp des Industriebetriebes herausgearbeitet. Diese Wertkette enthält fünf „typische primäre Aktivitäten“, welche die Wertschöpfung bei der Herstellung und beim Vertrieb eines
Produktes innerhalb des Betriebes beeinflussen. Diese Aktivitäten bezeichnet
PORTER im Einzelnen als „Eingangslogistik“, „Operationen“, „Ausgangslogistik“, „Marketing und Vertrieb“ sowie „Kundendienst“. In einer (allerdings
rein gedanklichen) linearen Abfolge dieser Einzelaktivitäten stellt sich die
Wertkette in der Übersicht wie folgt dar:
Die primären Aktivitäten der betrieblichen Wertkette
Eingangslogistik
Operationen
Ausgangslogistik
Marketing
& Vertrieb
Kundendienst
Wertschöpfungsprozeß
Abb. 10: Wertkette eines idealtypischen Industriebetriebes
(modifiziert nach PORTER 1986 S. 62)
Unter der „Eingangslogistik“ werden hierbei alle Aktivitäten verstanden, die
den Eingang, die Lagerhaltung und die Bereitstellung von Betriebsmitteln und
Werkstoffen betreffen. „Operationen“ sind dann alle die Tätigkeiten, welche die
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
83
eigentliche Produktion betreffen, also im Wesentlichen den Faktoreinsatz, die
Materialumformung, die Zwischenlagerung, die Qualitätskontrolle, die Verpackung etc. Danach werden alle weiteren Aktivitäten zur Auslieferung der Produkte, also die das Fertiglager, den Transport, die Auftragsabwicklung usw.
betreffen, als „Ausgangslogistik“ bezeichnet. Weitere Aktivitäten, beispielsweise im Rahmen der Werbung, der Verkaufsförderung, des Außendienstes oder
der Preisgestaltung werden unter „Marketing“ und Vertrieb“ zusammengefasst.
Letztlich versteht PORTER unter „Kundendienst“ alle die Serviceleistungen,
die ein Betrieb zur Förderung des Einsatzes und der Werterhaltung des abgesetzten Produktes beim Kunden erbringt.
Alle die Kosten, welche bei einer detaillierten Analyse dieser Wertkette bezüglich des Erwerbs und der Inanspruchnahme von Verfügungsrechten über die
verschiedenen Einsatzfaktoren zu beobachten sind, können auch als Transaktionskosten definiert werden. Analog der hierzu aufgezeigten Klassifizierung entstehen ex ante-Transaktionskosten im Bereich der Eingangslogistik durch die
Anbahnung und Vorbereitung der Verträge für den Erwerb dieser Property
Rights. Ebenso entstehen durch den Übergang der Verfügungsrechte in den
Betrieb im selben Bereich Transaktionskosten im engeren Sinne. Ex postTransaktionskosten können dann während allen folgenden Aktivitäten der
Wertkette entstehen, wenn beispielsweise Vertragsstörungen dazu führen, dass
die einzusetzenden Produktionsfaktoren nicht oder nur mangelhaft zur wirtschaftlichen Produktion der Absatzgüter taugen; wenn also die diesbezüglichen
Verfügungsrechte nicht oder nur zum Teil ausgeübt werden können. Jeder dadurch entstandene höhere Aufwand bei den Operationen, der Ausgangslogistik,
im Marketing und Vertrieb sowie beim Kundendienst führt somit unweigerlich
zu ex post-Transaktionskosten. Besonders in dem Bereich des Einsatzes
menschlicher Arbeitskraft werden diese Art der Transaktionskosten eine große
praktische Relevanz haben, da der Arbeitnehmer zwar die Verfügungsrechte
über sein individuelles Personalvermögen de jure an den Arbeitgeber abtritt, de
facto aber letztendlich doch selbst hierüber verfügt (vgl. EGER/WEISE 1982, S.
75) und damit die Umsetzung der Arbeitsbereitschaft in Arbeitsleistung selber
bestimmt, was arbeitgeberseitig einen entsprechenden Aufwand zur Vertragsdurchsetzung nach sich zieht. Gleiches gilt dann auch oppertunitätskostenmäßig
betrachtet für das wirtschaftliche Ergebnis von nicht- bzw. schlechtgeleisteter
Arbeit.
Bei einer Modifikation der relevanten Besonderheiten müsste es gelingen, das
Modell der Wertkette mit seinen Möglichkeiten zur Transaktionskostenanalyse
in seinen Kernelementen auch auf Betriebe anzuwenden, die immaterielle Produkte erzeugen, also auch auf den Dienstleistungsbetrieb. Insofern ist auch der
interne personalwirtschaftliche „Betrieb“, der die Her- und Bereitstellung von
Personalvermögen zur Aufgabe hat und damit diesbezüglich einen –wie immer
84
Erster Teil
auch zu quantifizierenden- Wertezuwachs erzeugt, einer derartigen Wertkettenanalyse zugänglich.
Eine so definierte personalwirtschaftliche Wertkette könnte dann, analog zu
dem Modell PORTERs und unter Einbezug seiner Begriffe, folgende Gruppen
von Einzelaktivitäten aufweisen:
1. Personalwirtschaftliche Eingangslogistik (Personalbeschaffung)
umfasst alle Aktivitäten der Personalakquisition, die auf den externen
Arbeitsmärkten anfallen bis hin zur Anstellung der ausgewählten Mitarbeiter.
2. Personalwirtschaftliche Operationen (Personalentwicklung)
sind dann alle die Personalentwicklungsmaßnahmen, die vorhandenes
Personalvermögen vermehren, aber auch erhalten, damit schwerpunktmäßig dem Bereich der betrieblichen Bildung zuzuordnen sind.
3. Personalwirtschaftliche Ausgangslogistik (Personalausstattung und freisetzung)
bezeichnet dann die Aktivitäten, die im engeren Sinne der Bereitstellung
des Personals für die operativen Einheiten des Betriebes entsprechen.
Hierzu zählt freilich auch die Freisetzung von nicht benötigtem Personal.
4. Personalwirtschaftliches Marketing (Personalmarketing)
bezeichnet alle die Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Erforschung,
Gestaltung und Bearbeitung der externen und des betriebsinternen Arbeitsmarktes stehen.
5. Personalwirtschaftlicher Kundendienst (Personalservice)
sind dann alle Dienstleistungen in Bezug auf die Mitarbeiter, mit der die
operativen Einheiten bezüglich der Personalverwaltung entlastet werden.
Im Überblick stellt sich diese personalwirtschaftliche Wertkette mit ihren Aktivitäten wie folgt dar:
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
85
Die Aktivitäten der personalwirtschaftlichen Wertkette
Personalbeschaffung
Personalentwicklung
Personalausstattung/
- freisetzung
Personalmarketing
Personalservice
Wertschöpfungsprozeß
Abb. 11: Die personalwirtschaftliche Wertkette
2.4.2 Die personalwirtschaftlichen Einzelaktivitäten
In diesem Abschnitt werden nun (auf Grund der sich ständig weiterentwickelnden Prozesse innerhalb der Wirtschaftswissenschaft und in der betrieblichen
Praxis ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die relevanten, weil Transaktionskosten auslösenden Einzelaktivitäten der personalwirtschaftliche Wertkette näher betrachtet. Maßnahmen, die nicht rein ökonomischer Ausrichtung sind, wie
z.B. die arbeitswissenschaftlichen Bewertungsmethoden bzw. die Aktivitäten
die der Personalführung zuzuordnen sind, bleiben dabei definitionsgemäß außer
Betracht.
2.4.2.1 Personalbeschaffung
Die Beschaffung von Personal ist „eine der wichtigsten personalwirtschaftlichen Funktionen“, weil hierdurch „diejenige Ressource bereitgestellt wird, ohne
die“ kein Betrieb „erfolgreich arbeiten kann. Das Ergebnis dieser Arbeit hängt
ganz erheblich von der Qualität der Personalbeschaffung“ und damit von der
Güte des dadurch in den Betrieb zu überführenden Personalvermögens ab
(DRUMM 1995, S. 265). Einfluss auf die Qualität der Beschaffung hat insbesondere die Auswahl der Bewerber, die entweder aus dem externen oder dem
internen Arbeitsmarkt zu akquirieren sind. Es besteht somit für die verantwortlichen Stellen dieser personalwirtschaftlichen Aktivitäten ein zweidimensionales Entscheidungsproblem.
Es gilt dabei zunächst auszuwählen, ob Mitarbeiter neu einzustellen sind oder
ob betriebsintern auf das vorhandene Personalvermögen zurückgegriffen werden kann. Weil die zweiten Alternative maßgeblich von den zu ergreifenden
Personalentwicklungsaktivitäten und von der Qualität eines internen Personalmarketings abhängt und worauf später eingegangen wird, soll hier nur die ex-
86
Erster Teil
terne Zuführung von Personalvermögen, also die Personalakquise behandelt
werden.
Hierbei entsteht auf der zweiten Ebene ein weiteres Entscheidungsproblem,
nämlich die Auswahl von mehreren sich mehr oder weniger aus eigener Initiative anbietenden Bewerbern. Es liegt damit allerdings ein Entscheidungsproblem
vor, dass gerade vor dem transaktionskostentheoretischen Hintergrund als zentral angesehen werden muss. Innerhalb der Analyse der Transaktionskosten für
die „Anwerbung, die Auswahl und die Einstellung“ hebt sich die „Bewerberauswahl besonders scharf als zentrale Aufgabe (...) hervor“ (DRUMM 1995, S.
266). Besonders vor dem Hintergrund, dass falsch eingesparte ex anteTransaktionskosten wie gezeigt zu höheren, nicht selten überproportional höheren, ex post-Transaktionskosten führen können ist ein, wenn auch aufwendigeres, systematisches Vorgehen angezeigt. Ein Vorgehen, bei dem die der Bewerberauswahl vorhergehenden und nachfolgenden Aktivitäten mit einbezogen
werden, um ein insgesamt wirtschaftliches Ergebnis anzustreben. Dieses könnte
zunächst darin bestehen, den gesamten Beschaffungsvorgang in einzelne Teilprozesse zu zergliedern (vgl. FINZER/MUNGENAST 1992, Sp. 1584, mit
Verweis auf GAUGLER 1974), nämlich in
· die Personalbedarfs- und Anforderungsermittlung,
die sich im Wesentlichen aus anderen organisatorischen und personalwirtschaftlichen Aktivitäten ergibt
· der Ansprache und der Werbung,
· der Personalauswahl
· der Einstellung sowie
· der Einführung.
Besonders die der Personalauswahl vorhergehenden Aktivitäten determinieren
eine transaktionskostenoptimale Personalbeschaffung. Im Vorfeld der Auswahl
mehrerer Bewerber kann zur Vermeidung überflüssiger Transaktionskosten sichergestellt werden, dass sich nur grundsätzlich geeignete Bewerber zur Verfügung stellen, was eine gezielte Ansprache bzw. Werbung voraussetzt. Dies wiederum erfordert eine sorgfältige qualitative Personalbedarfs- und Anforderungsermittlung, deren Ergebnis ein detailliertes Qualifikationsprofil liefert,
welches Grundlage für die Ansprache und die Werbung ist und einen sinnvollen
Abgleich mit dem Bewerberprofil der Kandidaten ermöglicht.
Zum eigentlichen Auswahlverfahren werden in der Literatur vielfach entsprechende Methoden referiert, um die Qualifikation der Kandidaten einzuschätzen,
von denen die „Assessment-Center-Methode bisher noch am besten“ (DRUMM
1995, S. 266) geeignet scheint, ein differenziertes Bild der Bewerber und deren
Fähigkeitspotenzial zu erzeugen. Allerdings bestimmt in diesem Bereich die
Zweck-Mittel-Relation die Angemessenheit der damit verbundenen Kosten. Ein
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
87
Assessment-Center für die Beschaffung von niedrig qualifiziertem Personal
durchzuführen, dürfte ebenso zu unwirtschaftlichen Ergebnissen führen, wie die
Wahl weniger aufwendiger Methoden für die Einstellung von hochqualifizierten
Führungskräften.
Ein weiteres Potenzial zur Optimierung von Transaktionskosten im Bereich der
Personalbeschaffung besteht sicherlich auf dem Wege des Outsourcing, durch
die Einschaltung externer Personaldienstleistungsbetriebe, wie Personalberater
oder Zeitarbeitsunternehmen. Allerdings kann hierbei lediglich der Aufwand
bezüglich der Ansprache und Werbung und vielleicht der mit der Einstellung
erforderlichen Vertragsvorbereitung minimiert werden. Alle übrigen Maßnahmen, insbesondere das Entscheidungsproblem im Zusammenhang mit der Auswahl sind originäre Aufgaben des betreffenden Betriebes, weil falsche Einsparungen hier besonders die Gefahr bergen, höhere ex post- Transaktionskosten
zu erzeugen.
2.4.2.2 Personalentwicklung
Die werterhaltenden und werterhöhenden Operationen, die in Bezug auf das
Personalvermögen im Betrieb durchzuführen sind, können unter dem Begriff
der Personalentwicklung zusammengefasst werden. Da dieser Begriff aber in
Theorie und Praxis keineswegs einheitlich gehandhabt wird (vgl. DRUMM
1995, S. 324) werden hierunter, als Grundlage für die weiteren Darstellungen,
alle Maßnahmen der betrieblichen Bildung verstanden. Diese Maßnahmen können sowohl stellenbezogen als auch mitarbeiterbezogen sein (vgl. THOM 1992,
Sp. 1676 f.), werden auf alle Fälle aber entsprechend der Definition zum Personalvermögen auf die betrieblichen Ziele gerichtet sein.
Die Notwendigkeit von Maßnahmen der Qualifizierung nach einer erfolgten
Einstellung im Betrieb ist vielschichtig. Zunächst einmal erfordert die im Zusammenhang mit der Personalbeschaffung angesprochene Einführung eine entsprechende Anpassung der Eingangsqualifikation an die betrieblichen Erfordernisse. Nur im Ausnahmefall dürfte der neu eingestellte Mitarbeiter ein sofort
und uneingeschränkt einsetzbares „Fähigkeitspotential“ mitbringen. Es sind dagegen vielmehr die „benötigten Fähigkeitspotentiale“ betriebsindividuell selbst
aufzubauen (vgl. DRUMM 1995, S. 309).
Aber auch für die bereits länger im Betrieb eingesetzten Mitarbeiter sind Bildungsmaßnahmen unerlässlich. Unter der Prämisse, dass Betriebe in ihrem Umfeld nicht statisch verharren, sondern sich selbst wegen ständig veränderter
Rahmenbedingungen anpassen, die u.a. technologischer, politisch-rechtlicher
oder gesellschaftlicher Art sind, ist der Bereich der Anpassung des Personalvermögens an neue Anforderungen unerlässlich. Ohne dies näher quantifizieren
zu wollen, kann davon ausgegangen werden, dass das institutionale Personal-
88
Erster Teil
vermögen dadurch an Wert verliert, wenn individuelles Personalvermögen nicht
an die Organisationsentwicklung angepasst wird. Die Gründe für eine Schere
zwischen vorhandenem Personalvermögen und gestiegenen Anforderungen
(vgl. auch HOFMANN 1992) liegen u.a. in den neuen Technologien, den anspruchsvoller werdenden Produkten, den komplexeren Verfahren sowie den dynamischen Märkten, die dabei auch immer weiter dem Internationalisierungsbzw. Globalisierungstrend folgen. Aber auch zur Auslösung entsprechender
Prozesse selbst, die den Betrieb in die Lage versetzen aktiv auf seine Umwelt
einzuwirken, um durch deren Veränderung etwa Wettbewerbsvorteile zu erreichen, erfordert eine Ausweitung des Personalvermögens bei gleichem Personalbestand.
Betriebliche Bildungsmaßnahmen, die zum Erhalt bzw. zur Erhöhung des Personalvermögens erforderlich sind, zielen entweder auf die funktionalen Qualifikationen, also auf die konkreten Tätigkeiten des Personals ab oder erzeugen besondere Einstellungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen, die tätigkeitsübergreifend als extrafunktionale Qualifikationen bzw. „Schlüsselqualifikationen“ (vgl. MERTENS 1975, S. 411) bezeichnet werden.
Die Möglichkeiten der Gestaltung betrieblicher Bildungsmaßnahmen sind vielschichtig und variieren von Betrieb zu Betrieb auf Grund deren Verschiedenartigkeit und unterschiedlicher Zielsetzungen. Auch sind die Mittel, die ein Betrieb zur Erreichung der Bildungsziele zur Verfügung hat noch variantenreicher
als in klassischen Bildungseinrichtungen, da sie den gesamten Arbeitsbereich
einschließen und sich nicht nur auf Unterrichts- und Laborsituationen beschränken müssen.
Für eine Analyse der Transaktionskosten von Personalentwicklungsmaßnahmen
bietet sich daher eine Systematisierung an, die sich an den verschiedenen Lernorten orientiert und daher drei Kategorien aufweisen kann:
· Training on the job:
alle Bildungsmaßnahmen, die unmittelbar am Arbeitsplatz stattfinden
· Training near the job:
alle Maßnahmen, die einen recht nahen Bezug zum Arbeitsplatz haben,
wie z.B. die simulierten Arbeitsplätze in Lehr- und Versuchswerkstätten
oder in Übungsfirmen
· Training off the job:
alle übrigen Personalentwicklungsmaßnahmen, die nicht am oder in der
sachlichen Nähe zum Arbeitsplatz stattfinden, wie z.B. die klassischen
Unterrichtsveranstaltungen, Seminare, Workshops etc.
Transaktionskosten, die je nach Art der Personalentwicklungsmaßnahme ex
ante- (bei der betrieblichen Ausbildung im Rahmen des dualen Systems und Ü-
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
89
bernahmeabsicht der Auszubildenden) oder ex post-Transaktionskosten (bei der
Anpassungsfortbildung) sowie solche im engeren Sinne (bei der Einführung neu
eingestellter Mitarbeiter) sein können, fallen daher nicht nur durch die unmittelbaren Maßnahmen selbst an, wie beispielsweise durch die Personal- und
Sachkosten bei internen Aktivitäten oder durch Gebühren externer Veranstalter.
Vielmehr sind auch Kosten durch einen Produktionsausfall bzw. der –verzögerung einzubeziehen, wenn etwa Training on the job durchgeführt werden soll
oder solche, die gegebenenfalls durch eine Gehaltserhöhung nach erfolgter Höherqualifizierung entstehen (zu der hiermit verbundenen Problematik siehe
ORTNER 1982, S. 381 f.).
Um die Effizienz der angefallenen Transaktionskosten exakt bestimmen zu
können, müsste auch der Wert des zusätzlich gebildeten bzw. des nicht verfallenen Personalvermögens in Relation dazu betrachtet werden. Es gibt zwar Möglichkeiten Personalentwicklung zu evaluieren, entweder als „summative Evaluation“ (SCRIVEN 1967, S. 43), die das Ergebnis der Maßnahmen oder als
„formative Evaluation“ (SANDERS/CUNNINGHAM 1974, S. 279), die den
Qualifizierungsprozess selbst betreffen. Allerdings stoßen diese Verfahren dort
auf ihre Grenzen, wo es um die Quantifizierung der Ergebnisse geht, was analog
zu der schon beschriebenen Quantifizierungsproblematik bezüglich des Personalvermögens zu sehen ist.
Auf alle Fälle aber dürften die Kosten der Personalentwicklung als Hilfsgröße
auch hier ein Indikator für die Erhaltung bzw. den Zuwachs des Personalvermögens darstellen (vgl. Abschnitt 2.3.1.5).
2.4.2.3 Personalausstattung und -freisetzung
Eine weitere zentrale Aufgabe der Personalwirtschaft ist die zielgerichtete, d.h.
zeitnahe und bedarfsgerechte, Bereitstellung von individuellem Personalvermögen im engeren Sinne (Personalausstattung), also welches bei den operativen
Einheiten konkret benötigt wird. Genau betrachtet, gehört allerdings hierzu
auch, dort nicht mehr benötigtes Personalvermögen entweder anderweitig zu
verwenden oder endgültig abzubauen (Personalfreisetzung).
Nach den bisher vorgestellten Aktivitäten der Personalbeschaffung und –entwicklung wären diese reinen Vollzugsmaßnahmen keiner besonderen Erwähnung wert, wenn Personal problemlos, d.h. „zu beliebigen Zeitpunkten in beliebiger Menge mit jeder gerade gewünschten Qualifikation“ beschafft bzw. entwickelt werden werden könnte. Da diese Bedingungen aber nur im absoluten
Ausnahmefall zutreffen, ist der Betrieb zu einer sorgfältigen Personalplanung
gezwungen (vgl. DRUMM 1995 S. 177f.). Die Planungsmaßnahmen umfassen
im Einzelnen die Planung
90
Erster Teil
·
·
·
·
·
des Personalbedarfs,
des Personalbestands einschließlich dessen Prognose,
der Personalfreisetzung,
der Personalbeschaffung und –zuweisung sowie
der Personalentwicklung.
Aus dieser Aufzählung wird deutlich, dass der Prozess der personalwirtschaftlichen Wertkette nur theoretisch und aus Gründen der vereinfachten Darstellung
als linear angesehen werden kann. De facto liegt hier ein innerer Zyklus im Sinne eines Regelkreises vor, der die Personalbeschaffung, Personalentwicklung
und Personalplanung logisch miteinander verbindet und der sich wegen möglicher Feed-back-Effekte in beide Richtungen bewegen kann.
Der Personalplanung wird in der betrieblichen Praxis eine eher untergeordnete
Stellung zugewiesen, was empirischen Untersuchungen bei großen dispositiven
Betrieben ergeben haben (vgl. WÄCHTER 1974, S. 40). Die dort festgestellte
Rangordnung verschiedener Arten betrieblicher Planung rührt daher, dass Personalplanung grundsätzlich aus den strategischen Programmen (basierend auf
einem festgelegten Produkt/Markt-Konzept) über die daraus erstellten operativen Pläne wie z.B. Umsatz- Absatz-, Produktions- und Finanzpläne abgeleitet
wird. Die Vorgaben und Restriktionen der vorgelagerten Planungsaktivitäten
münden dann in die Personalbedarfsplanung auf der dann wiederum die weiteren o.a. Elemente der Personalplanung aufbauen, womit der Personalbedarfsplanung eine wichtige, weil grundlegende Bedeutung zukommt. In Bezug auf
die qualitative Dimension dieses Planungsteils kommt es darauf an, im Dialog
mit den Bedarfsträgern sorgfältig detaillierte Anforderungsprofile zu erstellen,
mittels derer es möglich ist, die „Disponibilität“ (Verfügbarkeit) und die
„Funktionalität“ (Wirksamkeit) des Personalvermögens zu planen und zu steuern; der bloße „Rückgriff auf Berufsbezeichnungen und Bildungsabschlüsse“
stellt in diesem Zusammenhang aber „eine übermäßige Vereinfachung dar, die
letztlich zu Fehlallokationen und Verteuerungen der personellen Ressourcen
führt“ (KOSSBIEL 1992, Sp. 1597).
Bei der Durchführung der Personalplanung fallen eine Vielzahl von Informationen an, z.B. über die Anforderungen der Arbeitsplätze, das bereits bestehende
Personalvermögen oder über den Bedarf an zu beschaffendem Personalvermögen, welche entsprechend verarbeitet und vorgehalten (gespeichert) werden
müssen. Zur Bewältigung dieser Informationsflut bietet sich an, ein Personalinformationssystem (PIS) einzusetzen welches wegen der Interdependenzen mit
anderen Teilbereichen der betrieblichen Gesamtplanung als Subsystem in ein
Management-Informationssystem (MIS) zu integrieren ist (vgl. DOMSCH
1975, S. 108). Ein derartiges
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
91
„System der geordneten Erfassung, Speicherung, Transformation und
Ausgabe von für die Personalarbeit relevanten Informationen über das
Personal und die Tätigkeitsbereiche/Arbeitsplätze mit Hilfe organisatorischer und methodischer Mitteln inklusive der EDV unter Berücksichtigung des Bundesdatenschutzgesetzes, des Betriebsverfassungsgesetzes
sowie anderer relevanter Gesetze, Verordnungen, Tarifverträgen und
Betriebsvereinbarungen zur Versorgung der betrieblichen und überbetrieblichen Nutzer des Systems mit denjenigen Informationen, die sie zur
Wahrnehmung ihrer Planungs-, Entscheidungs-, Durchführungs- und
Kontrollaufgaben unter Berücksichtigung von sozialen und wirtschaftlichen Zielen benötigen“ (DOMSCH 1980, S. 17)
kann folgende Struktur aufweisen:
MIS Total-System
Personal- und Arbeitsplatz-Informationssystem
Arbeitsplatzdatenbank
EDVAnlage
Personaldatenbank
Methoden- und
Modellbank
Abb. 12: Struktur eines Personalinformationssystems
(vereinfacht nach DOMSCH 1980, S.25)
Zum Bereich der Personalfreisetzung sei noch angemerkt, dass im Falle des
endgültigen Personalvermögensabbaus wegen der gravierenden rechtlichen Restriktionen die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsvertrages nur als Ultima-
92
Erster Teil
Ratio anzusehen ist (vgl. §1 (2) KSchG) und daran einige Bedingungen geknüpft sind (z.B. Herstellung der Sozialverträglichkeit, Anhörung des Betriebsbzw. Personalrates). Aus diesem Grund ist es angezeigt, andere Alternativen zur
Verfügung zu halten, die u.a. im Wege befristeter oder bedingter Arbeitsverträge, Beschäftigung von Leiharbeitern oder Abschluss von speziellen Dienstverträgen (z.B. Berater) entstehen können. Ist die Kündigung unausweichlich, können durch „Outplacement“, „Attitüden-Strategien“ oder „Reaktivierung im Sinne des Verlagsmodells“ (vgl. DRUMM 1995, S. 248 f.) abgemilderte Maßnahmen ergriffen werden.
Maßnahmen der Personalfreisetzung verursachen allerdings Kosten, wie beispielsweise im Falle von Abfindungszahlungen, die allesamt als ex postTransaktionskosten einzustufen sind. Diese sind, wie oben schon mehrfach aufgezeigt, um so höher, je mehr bei den hierzu korrespondierenden ex anteTransaktionskosten gespart wurde. Das wäre im Bereich der in diesem Abschnitt vorgestellten personalwirtschaftlichen Aktivitäten dann der Fall, wenn
keine oder nur eine unzureichenden Personalplanung betrieben und (bzw. oder)
diese nicht durch ein geeignetes Personalinformationssystem unterstützt würde.
2.4.2.4 Personalmarketing
Ein weiterer Bereich personalwirtschaftlicher Aktivitäten ist das Personalmarketing, welches, analog zum Absatzmarketing, die aktive Gestaltung von Arbeitsmarktbeziehungen zum Gegenstand hat (vgl. BERTSCHER/FRITSCH
1992, Sp. 1749). Da in der Literatur zu diesem Begriff, den Zielen, Gegenständen und Methoden des Personalmarketings unterschiedliche Ansätze referiert
werden, soll an dieser Stelle auf die Auffassung von DRUMM (1995, S. 279286) zurückgegriffen werden, der Personalmarketing ebenfalls als eine einzelne
Funktion der Personalwirtschaft sieht und den Begriff versteht als „die Erschließung des externen Arbeitsmarkts durch Auf- und Ausbau eines positiven
Images auf beschaffungsrelevanten Arbeitsmarktsegmenten“.
Diese im Gegensatz zu zahlreichen anderen Autoren eher enge Sichtweite hat
den Vorteil, dass hier eine höhere Präzision vorliegt und sie dabei weitestgehend „Überschneidungsfreiheit mit anderen personalwirtschaftlichen Funktionen“ ermöglicht. Die umfassende und integrative Dimension entspricht (wie
schon an anderer Stelle dieser Arbeit gezeigt) dem Personalmanagement.
Die Einschränkung des Personalmarketings nur auf den externen Arbeitsmarkt
relativiert DRUMM insoweit, als er darauf hinweist, dass die „Bindung des eigenen Personals“ an den Betrieb durch Personalmarketing auch den internen
Arbeitsmarkt (insoweit von diesem in den einzelnen Organisationen gesprochen
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
93
werden kann) aktiviert und auf alle Fälle einer übermäßigen und Transaktionskosten auslösenden Fluktuation entgegenwirken.
Die Ziele des Personalmarketing bestehen erstens in der „Förderung des Wunsches bei Personen auf dem Arbeitsmarkt, ein Beschäftigungsverhältnis“ mit
dem Betrieb eingehen zu wollen und zweitens in der „Aktivierung dieses Wunsches durch eine Bewerbung oder eine positive Reaktion auf ein Stellenangebot“ im Rahmen der Personalbeschaffung. Bezogen auf einen internen Arbeitsmarkt zielt Personalmarketing darauf ab, Mitarbeiter zu halten.
Im Kern soll durch Personalmarketing eine „Stärken-Schwächen-Analyse“ der
Beschäftigungsbedingungen im Betrieb erstellt werden, die sich aus den systematischen Analysen des eigenen Betriebes, der möglichen Konkurrenten und
der relevanten Marktsegmente ergibt. Hierbei können Informationen aus dem
Bereich der strategischen Planung sowie der Personalplanung verwertet werden.
Die Medien, mit denen die (freilich nur positiven) Erkenntnisse dieser Analysen
an potenzielle Mitarbeiter übermittelt werden, entsprechen weitestgehend denen, auf die im Absatzmarketing zurückgegriffen wird. Für die Ansprache von
Hochschulabsolventen bietet sich daneben noch an, Kooperationen mit der Forschung und der Lehre einzugehen und Praktikantenplätze anzubieten oder Diplomarbeiten oder Dissertationen zu vergeben. Die eigenen Mitarbeiter können
angesprochen werden über betriebseigene Publikationen oder aber auch durch
entsprechende Public-Relations-Maßnahmen in der Presse bzw. den Massenmedien. Für letztgenannten Personenkreis kann der Betrieb, neben der Hersaustellung des positiven Images, in Verbindung mit Personalentwicklungsmaßnahmen (wie z.B. job-rotation) attraktive Aufstiegsmöglichkeiten und ausgefeilte Karrieresysteme bereitstellen und entsprechend dafür werben.
Bei der Betrachtung der Kosten des Personalmarketings verursachen alle Maßnahmen, die auf den externen Arbeitsmarkt gerichtet sind, ex anteTransaktionskosten, während Aktivitäten in Bezug auf bereits akquiriertes Personalvermögen ex post-Transaktionskosten darstellen.
2.4.2.5 Personalservice
An dieser Stelle wird die Restmenge der Aktivitäten vorgestellt, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Personalvermögen innerhalb der personalwirtschaftlichen Wertkette wahrzunehmen sind. Es handelt sich hierbei um
Aufgaben, die administrativer Natur sind, weswegen sie in der Literatur häufig
unter den Begriffen „Personalverwaltung“ oder „Personaladministration“ behandelt werden. Dieser Begriffsauffassung soll aber nicht gefolgt werden, da im
Wesentlichen Tätigkeiten zu beschreiben sind, die zum Einen als Serviceleis-
94
Erster Teil
tungen gegenüber dem Personal erbracht werden und zum Anderen als Dienstleistungen für die operativen Einheiten bei deren Personaleinsatz (also für die
Personalführung) zu verstehen sind, mit denen diese von bestimmten administrativen Aufgaben entlastet werden und die Personalführung, hauptsächlich die
Personalmotivation, aktiv unterstützen. Aus diesen Gründen wird das hier zu
behandelnde Aufgabenfeld als „Personalservice“ bezeichnet, welches aus zwei
wesentlichen Teilbereichen, der „Personalbetreuung“ (vgl. KÜRPICK 1992, Sp.
1810ff.) und den betrieblichen „Sozialleistungen und Sozialeinrichtungen“ (vgl.
NICK 1992, Sp. 2066ff.) besteht.
Zum Bereich der Personalbetreuung gehören u.a. die Aufgaben, die mit der
Entgeltabrechnung zusammenhängen. Hierzu zählt einerseits die Abrechnung
aller Bruttoentgelte („Bruttoentgeltabrechnung“), die auch die Urlaubsvergütung, die Sondervergütungen und Aufwandsentschädigungen (z.B. Reisekosten)
einschließen und andererseits die Abrechnung der Entgelte, die nicht an die Beschäftigten ausgezahlt werden. Bei dieser „Nettoentgeltabrechnung“ werden
Leistungen entweder im Betrieb verrechnet (z.B. die Miete für Werkswohnungen) oder an Dritte ausgezahlt, wie im Falle der Einkommensteuer und der Sozialabgaben.
Daneben sind Mitarbeiterinformationen jeglicher Art ebenfalls Betreuungsaktivitäten, wie beispielsweise Aushänge und andere Publikationen aber auch einzelne Personalgespräche, soweit diese nicht als Personalentwicklungsgespräche
geführt werden. Außerdem gehören zur Personalbetreuung zahlreiche Dokumentationsaufgaben, von der Erfassung, Führung und Archivierung der Personalakten, einschließlich der Eingaben in ein eventuell vorhandenes Personalinformationssystem, bis hin zum Berichtswesen und ggf. einer Personalstatistik.
Der Teilbereich der Sozialleistungen und Sozialen Einrichtungen reicht von einer betrieblichen Altersvorsorge über die verschiedenen Formen der Vermögensbildung der Beschäftigten und den Gesundheitsdienst bis hin zur Belegschaftsverpflegung, um nur einige der Möglichkeiten zu nennen. Neben diesen
sozialen Maßnahmen, die relativ häufig vorzufinden sind, wären noch alle weiteren Maßnahmen denkbar, die ein Betrieb auf Grund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Regelungen, aber auch freiwillig, ergreift. Weitere Beispiele hierfür sind betriebliche Einrichtungen zur Kinderbetreuung, Büchereien (soweit
nicht Fachbüchereien) oder kulturelle Veranstaltungen für die Belegschaft.
Um die Kosten, insbesondere die der freiwilligen Maßnahmen nicht ausufern zu
lassen, kann für jeden einzelnen Mitarbeiter ein Budget vereinbart werden, innerhalb dessen er (mit dem Vorteil nur die sozialen Leistungen zu empfangen,
die er auch wirklich in Anspruch nehmen will) nach dem Modell eines Selbstbedienungsrestaurants frei auswählen kann, welches deshalb als „CafeteriaSystem“ bezeichnet wird.
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
95
Alle Kosten, die aus betrieblichen Sozialleistungen und sozialen Einrichtungen
entstehen, sind ebenso wie die Kosten für die Personalbetreuung ex postTransaktionskosten, weil sie dem Personalzusatzaufwand für bereits akquiriertes Personalvermögen entsprechen.
2.4.3 Personalcontrolling
Nachdem die einzelnen Aufgaben der Personalwirtschaft an Hand der Wertkette
dargestellt wurden, stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit eine Abstimmung der einzelnen Maßnahmen unter transaktionskostenoptimalen Gesichtspunkten möglich ist, um dem ökonomischen Anspruch der Personalwirtschaft insgesamt gerecht zu werden.
Die Verschiedenartigkeit der Aufgaben zum Erwerb, Erhalt und der Pflege des
Personalvermögens erfordert, insbesondere unter dem Aspekt knapper Mittel zu
deren Erledigung, eine übergreifende und integrative Betrachtungsweise. Hierzu hat sich in der Literatur in letzter Zeit die „Idee von einem Personalcontrolling“ durchgesetzt, welche mittlerweile keineswegs mehr als „Modeerscheinung“ abgetan werden kann (DRUMM 1995, S. 570). Allerdings ist hierbei
wieder einmal ein unterschiedliches Begriffsverständnis evident.
Im Anschluss an die eingangs dargestellten Gedanken, kann Personalcontrolling
zunächst als „laufende Überprüfung der Effektivität und Effizienz personalwirtschaftlichen Handelns mit der Folge korrigierender Eingriffe bei unerwünschten
Abweichungen“ (DRUMM 1995, S. 565) verstanden werden, womit ersichtlich
ist, dass die Definition des Begriffes „Personalcontrolling“ unmittelbar mit dem
Begriff der „Personalwirtschaft“ verknüpft ist. Folgt man aber dem Verständnis
zum Begriff „Personalwirtschaft“ wie in dieser Arbeit, so würde sich Personalcontrolling nur auf die rein ökonomisch ausgerichtete Bereitstellung von Personalvermögen beschränken, wobei alle anderen ökonomischen Aspekte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Personalvermögen nicht erfasst wären.
Dies entspricht aber nicht dem derzeitigen Stand der betriebswirtschaftlichen
Theorie. In ihr wird Personalcontrolling vielmehr als eine Teilfunktion eines
gesamtbetrieblichen Controllings verstanden, welche den gesamten Personalbereich, also auch die Personalführung, reflektiert und somit auf der Ebene des
Personalmanagements anzusiedeln wäre.
Um aber dennoch eine isolierte Darstellung des Personalcontrollings zu ermöglichen, welche sich nur auf die personalwirtschaftliche Perspektive fokusiert,
bietet sich eine differenzierte Betrachtungsweise an, bei der Personalcontrolling
eine qualitative und eine quantitative Dimension erhält (vgl. KÜPPER 1990, S.
522ff.).
96
Erster Teil
Quantitatives Personalcontrolling bezieht sich dabei auf den Führungsprozess,
während unter qualitativem Personalcontrolling im Schwerpunkt die Steuerung
der Personalwirtschaft über die Personalkosten, also eine „erfolgsorientierte
Bewertung, Abstimmung und Korrektur personalwirtschaftlicher Maßnahmen“
(DRUMM 1995, S. 572), verstanden werden kann.
Abgesehen von der übergeordneten Absicht, alle personalwirtschaftlichen Aktivitäten im Hinblick auf die gesamtbetriebliche Wertschöpfung zu planen, zu
steuern und zu überwachen, können die einzelnen Controllingzwecke „ganz
unterschiedlicher Natur sein, wie z.B. Zurechnung von (Miß-)Erfolgen auf
Maßnahmen und Verantwortliche, Motivation zu besserer Personalarbeit, Warnung vor Fehlentwicklungen im Personalbereich oder auch Durchsetzung von
Personalerfordernissen im Management“ (REMER 1992, Sp. 1639).
Folgende Aufgabenschwerpunkte können bei einer so verstandenen „strategischen Personalarbeit“ durch Personalcontrolling identifiziert werden (vgl.
WUNDERER 1990, S. 508):
· Koordination der Personalplanung mit der betrieblichen Gesamtplanung
und anderen Bereichsplänen;
· Abstimmung der Bereitstellungsplanung der erforderlichen Personalressourcen für den betrieblichen Leistungsprozess mit anderen Ressourcen;
· Abschätzung von wichtigen Einflussfaktoren auf die zukünftige Personalstruktur;
· Integrierte Beurteilung von ökonomischen und sozialen Wirkungen betriebspolitischer Entscheidungen;
· Klärung von Schnittstellen zwischen dem gesamtbetrieblichen Erfolgscontrolling mit dem Personalcontrolling und zwischen den qualitativen
und quantitativen Dimensionen des Personalcontrollings;
· Übersicht über die Struktur und Entwicklung personalwirtschaftlicher
Transaktionskosten und Einblick in die Möglichkeiten der Einflussnahme;
· Verbesserung der personalwirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen.
Die beiden letztgenannten Aufgabenbereiche deuten darauf hin, dass als wesentliches Instrument des Personalcontrollings ein funktionierendes Personalinformationssystem (siehe Abschnitt 2.4.2.3) notwendig ist, mit dessen Hilfe die
entsprechende Datenflut strukturiert und analysiert werden kann und welches
die personalwirtschaftlichen Transaktionskosten in den einzelnen Teilbereichen
transparent macht sowie diese im Hinblick auf die Leistungen des Personals,
also bezogen auf den Wert des Personalvermögens, zu optimieren hilft.
Letztgenannter Gedanke führt aber wieder zu der schon mehrfach angesprochenen Bewertungsproblematik, die somit auch dem Personalcontrolling immanent
2. Die Personalwirtschaft als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre
97
ist (vgl. REMER 1992, Sp. 1643). Der Erfolg des Personalcontrollings wird
sich nämlich nur dann Einstellen, wenn die „klassischen Controllingbedingungen“ erfüllt sind, also auf die Personalwirtschaft bezogen, wenn die „erforderlichen Leistungen feststehen“, die „Arbeitskosten das zentrale Problem darstellen“, die „Beziehungen zwischen dem Personal und seinen Beiträgen“ kalkulierbar, die „ Arbeitskräfte verfügbar“ sind und der „Erfolg dem Personalwesen
zurechenbar“ sowie der „Personalverantwortliche seiner Aufgaben absolut gewachsen“ ist (REMER 1992, Sp. 1651f.). Aus der Bewertungsproblematik heraus, aber auch auf Grund anderer Problembereiche, wie z.B. der zunehmenden
Komplexität der Betriebe, können diese klassischen Bedingungen als kaum
noch gegeben angesehen werden.
Diese Erkenntnis muss aber nicht zwangsläufig ein Personalcontrolling grundsätzlich in Frage stellen. Personalcontrolling rechtfertigt sich vielmehr durch
das Vorhandensein einer entsprechenden „Denkhaltung“ (DRUMM 1995, S.
588), welche den notwendigen Problemdruck auf die einzelnen Teilbereiche
ausübt, eine kostenoptimale und damit insgesamt effiziente Personalwirtschaft
zu betreiben. Außerdem kann Personalcontrolling dadurch unterstützen, dass
dort, wo eine Quantifizierung problemlos möglich ist, bestimmte Kennzahlen
für eine Steuerung der Personalwirtschaft gebildet und bereitgestellt werden
(z.B. die Fluktuationsquote), ohne aber eine eigenständige Funktion innerhalb
der personalwirtschaftlichen Wertkette wahrzunehmen.
98
Erster Teil
3. Hauptabschnitt:
Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
Staats- und Verwaltungsreformen hat es in der einen oder anderen Weise schon
häufig gegeben. Doch erscheint das, was gegenwärtig in einigen westlichen
Ländern und ganz besonders in der Bundesrepublik Deutschland diesbezüglich
vor sich geht, eine neue Dimension anzunehmen. Dem starken Druck, der einerseits durch knappe Finanzmittel und andererseits durch den sich rasant entwickelnden technischen und ökonomischen Fortschritt (z.B. Internet und Globalisierungstrend) verursacht wird, halten die einzelnen Staaten nur dann Stand,
wenn entsprechende Anpassungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden.
Es steht für die einzelnen Nationen sehr viel auf dem Spiel, bedenkt man die
negativen Folgen einer immer größer werdenden Staatsverschuldung und einer
unverhältnismäßig anwachsenden Staatsquote für den lokalen Wirtschaftsstandort, das soziale Netz und damit insgesamt für den Wohlstand der Bürger.
So sind es nicht mehr nur allein dispositive Betriebe, welche ein Change Management betreiben, um die Organisation an die sich rasant ändernden und immer
komplexer werdenden Umweltbedingungen anzupassen und dies einfach nur
um das langfristige Überleben sicherzustellen. Auch staatliche Institutionen und
der Staat selbst als Ganzes versuchen sich nun weiterzuentwickeln und zwar im
Wege umfassender Reformen.
Die einzelnen Ansätze und Ausprägungen dieser Reformen lassen sich zusammen fassen unter dem Begriff des New Public Managements. Um später untersuchen zu können, inwieweit das Personalwesen administrativer Betriebe hiervon beeinflusst oder gar verändert wird, ist in diesem Hauptabschnitt das New
Public Management zunächst in seinen Grundzügen vorzustellen. Mit besonderem Augenmerk auf die darin enthaltene Privatisierungsproblematik werden die
wichtigsten Konzepte und Maßnahmen erörtert, sowohl was die Modernisierung des Staates an sich als auch die Binnenmodernisierung seiner Betriebe angeht. Abschließend werden die Auswirkungen auf den Staat in der Bundesrepublik Deutschland allgemein am Beispiel des Bundes und konkreter am Beispiel
der in Hauptabschnitt 1 vorgestellten Bundeswehrverwaltung untersucht. Konkrete personalwirtschaftliche Konsequenzen werden hierbei allerdings weitestgehend vernachlässigt; eine eingehende Untersuchung dieser Thematik erfolgt
in Hauptabschnitt 5.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
99
3.1 New Public Management als Leitbild des modernen Staates
3.1.1 Notwendigkeit von Reformen im staatlichen Bereich
Die Aufgabenwahrnehmung des Staates in seiner bürokratisch organisierten
Form galt lange Zeit als die effizienteste Möglichkeit, administrative Aufgaben
zu erfüllen. Insbesondere durch die Lehre MAX WEBER’s hat sich dieser organisationswissenschaftliche Ansatz in staatlichen Organisationen etabliert und
wurde auch für Betriebe außerhalb des Staates populär. Noch heute finden sich
bei einigen größeren dispositiven Betrieben zumindest Rudimente dieser Organisationsform.
Nach WEBER (1976, S. 124 ff.) ist die bürokratische Organisation gekennzeichnet durch eine hohe Regelgebundenheit bei exakt abgegrenzten Kompetenzbereichen. Die Prinzipien der Amtshierarchie und der Aktenmäßigkeit der
Verwaltung stellen eine unpersönliche Amtsführung sicher. Daneben sind klar
definierte Qualifikationserfordernisse der Stelleninhaber Grundlage für fixierte
Laufbahnen und einer standardisierten Gehaltshierarchie. Strukturen also, die
noch fast einhundert Jahre nach WEBER’s Wirken in administrativen Betrieben
in Deutschland vorliegen.
Die Vorteile dieser Organisationsform liegen nach WEBER (1976, S. 561 f.),
der ihre Funktionsweise mit denen einer Maschine vergleicht, in der hohen Effizienz. Diese rührt aus der „Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffen Unterordnung,
Ersparnissen an Reibung, sachlichen und persönlichen Kosten“, welche bei
strenger bürokratischer Verwaltung „auf das Optimum gesteigert“ werden können. Das waren offensichtlich genug Gründe auch für dispositive Betriebe, sich
lange Zeit an den staatlichen Vorbildern zu orientieren.
Zum Ausgang des 20. Jahrhunderts scheint sich dieses Bild aber umgekehrt zu
haben. Bürokratie wird längst nicht mehr mit Effizienz gleich gesetzt. Ganz im
Gegenteil: In modernen dispositiven Betrieben wird mittlerweile Bürokratie als
effizienzhemmend gewertet, welche notwendige Innovationen behindert und
einem organisatorischen Wandel im Wege steht. Für Betriebe, die auf Grund
sich ständig verändernden Rahmenbedingungen (z.B. durch den technischen
Fortschritt, der Globalisierung oder einfach nur auf Grund des Wettbewerbs)
einem entsprechenden Problemdruck ausgesetzt sind, ist die Bürokratie längst
nicht mehr die optimale Organisationsform.
Das scheint auch im Bereich der administrativen Betriebe erkannt worden zu
sein (vgl. FREY 1994, S. 23 ff.). Immer mehr wird sich dort betriebswirtschaftlicher Instrumente bedient, die in modernen dispositiven Betrieben erfolgreich
Anwendung finden. Begriffe wie „Controlling“, „Kundenorientierung“ und
100
Erster Teil
„Qualitätsmanagement“ finden immer mehr Eingang in den öffentlichen
Dienstleistungsbereich. Die Gründe hierfür liegen nicht zuletzt in der Tatsache,
dass die Mittel für die staatliche Aufgabenerfüllung immer knapper werden. Die
permanent steigende Staatsverschuldung hat ihre Ursachen offensichtlich auch
in der unwirtschaftlichen Staatstätigkeit und damit auch in einer ineffizient agierenden öffentlichen Verwaltung.
Um zu einem effizienteren Verhalten auf staatlicher Seite zu gelangen, wird die
Notwendigkeit entsprechender Reformen, die also eine Staats- und Verwaltungsmodernisierung zum Ziel haben, zumindest auf der politischen Ebene in
den OECD-Staaten (siehe NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 19) schon seit
längerer Zeit international anerkannt und umgesetzt. Die entsprechenden Theorien und Ansätze werden unter dem Begriff „New Public Management“ bzw.
„Public Management“ zusammengefasst.
3.1.2 Begriff und Idee des New Public Managements
New Public Management bildet also den “Oberbegriff der weltweit relativ einheitlichen ‘Gesamt-Bewegung’ der Verwaltungsreformen” (SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 5), deren Zielsetzung u.a. die Analyse und Gestaltung von Steuerungsprozessen in administrativen Betrieben ist. New Public
Management hat sowohl die Neubewertung von Staatsaufgaben als auch die
Neuorganisation der Aufgabenerledigung in den jeweiligen Organisationen zum
Gegenstand (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 203).
Der Idee des New Public Managements liegen folgende Grundprämissen
zugrunde, die bestimmte Vorstellungen über die Menschen, den Staat und seine
Verwaltungseinheiten in einer modernen Gesellschaft reflektieren (SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 41 ff.):
· ein grundsätzlich optimistisches Menschenbild,
· die Notwendigkeit von Staat und öffentlicher Verwaltung,
· das Problem der Verwaltung, welches nicht primär die Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie, sondern deren Effektivität ist,
· die prinzipielle Möglichkeit eines rationalen Managements der Verwaltung,
· die Erkenntnis, dass Wettbewerb zu mehr Effektivität und Effizienz führt,
als nur Planung und Steuerung sowie
· die Lernfähigkeit von Politik und Verwaltung.
Bezüglich der Annahmen über das menschliche Handeln in Organisationen der
öffentlichen Verwaltung kann auf die idealtypische „Theorie Y“ MC GREGOR’s (1960, S. 45 ff.) verwiesen werden, welche die Mitarbeiter nicht desinteressiert, unengagiert und verantwortungsscheu sieht. Vielmehr streben die
Mitarbeiter grundsätzlich nach Selbstentfaltung und persönlichem Wachstum in
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
101
ihrer Arbeit, die sie bestrebt sind, verantwortungsbewusst und optimal zu erledigen. Ein Menschenbild also, welches die bürokratischen Strukturen insofern
obsolet werden lassen, als Kontrolle und detaillierte Anweisungen den Entfaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter im Wege stehen würde.
Die grundsätzliche Existenz des Staates und seiner Verwaltungsorganisationen
wird durch das New Public Management nicht angetastet. Ganz im Gegenteil
wird durch die Konzepte und Methoden versucht, den Staat als bewährte Form
gesellschaftlichen Zusammenlebens zu erhalten, indem dessen Organe und ausführenden Instanzen hinsichtlich der Quantität und Qualität zu optimieren sind.
Das eingangs dargestellte Effizienzproblem rührt weniger aus der Problematik,
dass die öffentliche Verwaltung nicht in der Lage ist, ihre Aufgaben im Rahmen
der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu erfüllen. Vielmehr ist es der hohe
Aufwand, den diese Institutionen betreiben müssen, um die jeweiligen Staatsziele zu erreichen. Damit stellt sich die Frage, wie effektiv die Methoden und
Mittel sind, die hierzu eingesetzt werden. An dieser Fragestellung knüpft das
New Public Management an, indem Alternativen zu den klassischen bürokratischen Methoden und Mitteln angedacht werden, die mehr Effektivität bei
rechtsstaatlichem und demokratischen Verwaltungshandeln versprechen.
Im Rahmen des New Public Managements bestehen keine Zweifel bezüglich
der Eigenschaften staatlicher Institutionen als Organisationen, die einem rationalem Handeln zugänglich sind. Verwaltungseinheiten, die als administrative
Betriebe klassifiziert werden können (vgl. Hauptabschnitt 1) sind demnach wie
dispositive Betriebe nach betriebswirtschaftlichen Aspekten führ- und steuerbar. Der Begriff des Managements sowie dessen jeweilige Methoden und Instrumente sind entsprechend übertragbar.
Planung und Steuerung staatlicher Institutionen erfolgt traditionell ohne jeglichen Wettbewerbsdruck. Das New Public Management geht demgegenüber davon aus, dass gleichwohl bestimmte Marktmechanismen auch im staatlichen
Bereich greifen können, die auch hier zu einer effizienten Ressourcenallokation
zwischen und in den einzelnen Organisationen zwingt. Die latente Konkurrenz
zwischen bestimmten Verwaltungseinheiten oder gar zwischen staatlichen oder
privaten Anbietern kann über den Bürger im Rahmen der demokratischen Willensbildung hergestellt werden. Der Bürger wird somit zum Kunden staatlicher
Dienstleistungen und die Institutionen der öffentlichen Verwaltung zu modernen Dienstleistungsbetrieben, die damit gezwungen sind, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien und vor allem ergebnisorientiert zu handeln.
Letztlich betrachtet das New Public Management die Politik und öffentliche
Verwaltung nicht als statische Systeme, deren Strukturen und Abläufe unverän-
102
Erster Teil
derbar sind. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass auch diese Organisationen
lernfähig sind und sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen können und
manchmal sogar müssen. Wenn auch die Veränderungen der Umweltbedingungen des Staates hinlänglich als eher langsam angenommen wurden, so haben
doch die sich immer rascher verändernden Bedingungen der Wirtschaft auf eine
gewisse Weise Einfluss auf die Rahmenbedingungen des Staates. Das Beispiel
des gegenwärtigen Internet- und Telekommunikationsbooms zeigt, dass der
Staat in gleicher Weise Schritt halten muss mit der rasanten Entwicklung, weil
dessen Aufgaben in vielfältiger Weise betroffen sind, wie etwa die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur oder die Reglementierung von neuen Geschäftsbeziehungen („E-Commerce“, „E-Cash“ etc.).
3.1.3 Abkehr von konkurrierenden Leitbildern des öffentlichen Sektors
Die Idee des New Public Managements führt nicht unbedingt zu einem vollständig neuen Leitbild des öffentlichen Sektors. Vielmehr entsteht eine Art
Synergie der traditionellen, sich diametral gegenüberstehenden Leitbilder, die
der idealen Dienstleistungsproduktion bisher zu Grunde lagen und die sich über
„parteipolitische Symboliken“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 26) definierten.
Aufbauend auf parteipolitischen Traditionen haben sich in der Vergangenheit
zwei Leitbilder herauskristallisiert, die vollständig miteinander konkurrierten
und sich in den einzelnen Dimensionen wie folgt unterschieden (siehe NASCHOLD 1993, S. 18 und die dort angegebene Literatur):
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
103
Theoretischer
Begründungszusammenhang
Theorie vom öffentlichen Interesse des wohlfahrts-maximierenden Staates
Wettbewerbstheorie von privaten Märkten und öffentlichen
Institutionen
Zentrale
Legitimationsbasis
Demokratischer Wahlmechanismus für Regierungen
mit umfassendem Mandat
Markt- und Wahlkonkurrenz mit
differenzierten Verantwortungsbereichen
Principal agent Beziehung
Internalisierung der politischen
Zielvorgaben durch die Agenten
(Verwaltung)
Anreizstrukturen für die Realisierung politischer Zielvorgaben durch die Agenten
Zentrale
Steuerungselemente
Staatlicher Sektor, staatliche Regulation, staatliche Sozialkompensation
Effizienter Wettbewerb auf den
Güter- und Investitionsmärkten
Reichweite des Staates Expansiv-aktiv
Minimalistisch
zentrales
Strukturdefizit
Marktversagen
Politik-Versagen
Abb. 13: Konkurrierende Leitbilder öffentlicher Dienstleistungsproduktion
(NASCHOLD 1993, S.18)
Im Rahmen des New Public Managements soll eine derartig extremistische Betrachtung des idealen Staates nicht mehr stattfinden. Aufbauen auf der Erfahrung, die in den letzten Jahren gerade aus den Staats- und Wirtschaftsformen
gewonnen werden konnten, die extrem eine dieser Positionen einnahmen, wie
z.B. nach dem „Zusammenbruch der kommunistischen Kommandowirtschaft“
(NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 26), wandelt sich die Argumentation von
einem „entweder-oder“ zu einem „sowohl-als-auch“ (SCHEDLER/PROELLER
2000, S. 33). Dies nicht zuletzt, weil sowohl Vor- als auch Nachteile der einzelnen Systeme bekannt sind und hinreichende Erfahrungen bezüglich der jeweiligen Strukturdefizite, Politik-Versagen einerseits und Marktversagen andererseits, vorliegen.
Mit New Public Management wird also das moderne Leitbild von Staat und
Markt definiert, das auf den Erfahrungen der Vergangenheit fußt und in eine
neue „Phase im Verhältnis von staatlicher Regulierung, ökonomischem Wettbewerb und gesellschaftlicher Teilhabe“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 26)
einleitet.
104
Erster Teil
3.1.4 Entwicklungsstand des New Public Managements
im internationalen Vergleich
Wenn auch, wie oben definiert, das New Public Management eine weltweit relativ einheitliche Gesamtbewegung von Modernisierungsinitiativen darstellt, so
darf daraus aber nicht geschlossen werden, dass alle Staaten einen gleichen
Entwicklungsstand vorweisen. Es sind ohnehin fast ausschließlich die hochentwickelten OECD-Staaten, die entsprechende Maßnahmen zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung konzeptionieren und umsetzen. Daneben finden sich
selbst innerhalb der OECD-Staaten jeweils unterschiedlichen Ausprägungen,
bezüglich der Reformmodi, der Reformschwerpunkte und der Anzahl der einzelnen Initiativen.
Auch die grundsätzliche Stoßrichtung des New Public Managements ist zum
Teil grundverschieden. Während in europäischen Staaten der Trend vom expansiv-aktivem Staat in Richtung eines minimalistisch-passiven Staates zu beobachten ist, geht dieser Trend z.B. in den USA nicht selten in die entgegensetzte
Richtung.
Die verschiedenen Entwicklungsvarianten des New Public Managements im
internationalen Vergleich (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 27 ff.) werden in
folgender Abbildung zusammengefasst dargestellt:
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
EntwicklungsReformträger
dimensionen
Länder
Großbritannien
(UK) Zentralstaat
Neuseeland
(NZ)
Schweden
Niederlande
USA
Reformmodus
105
Reform-schwerpunkte
Top-Down,
Gesetzesbindung,
ideologische
Orientierung,
radikal umfassend
Kostensenkung,
Privatisierung,
Fremdbezug
(S) Staat und
Gemeinden
Konzentrierung
öffentlicher Institutionen, programmatisch /
pragmatisch, instrumental
weitreichende Binnenmodernisierung,
Verringerung der
Leistungstiefe inkl.
3. Sektor-Strategie
(NL) Staat und
Gemeinden
Konzentrierung
öffentlicher Institutionen, programmatisch /
pragmatisch, instrumental
weitreichende Binnenmodernisierung,
Verringerung der
Leistungstiefe inkl.
3. Sektor-Strategie
Entkopplung von Stand-Alone
Zentralstaat und Strategien,
Gemeinden
programmatisch /
pragmatisch,
instrumental
Australien
(AUS) Zentralstaat mit
System
industrieller Beziehungen
Privat-PublicPartnership,
programmatisch,
instrumental
Deutschland
(FRG) Entkopplung von Stand-AloneZentralstaat und Strategien,
Gemeinden
pragmatisch,
subkritisch
Verknüpfung von
Auslagerung & Privatisierung mit Binnenmodernisierung
inkl.
3. Sektor-Strategie
Auslagerung und
Binnenmodernisierung
begrenzte Binnenmodernisierung &
3. Sektor-Strategie
Abb. 14: Entwicklungsvarianten des öffentlichen Sektors im internationalen Vergleich
(modifiziert nach NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 30)
Bezüglich der Anzahl der Initiativen im Zeitraum 1980-1993 und in den verschiedenen OECD-Staaten vermittelt nachfolgende Abbildung den unterschiedlichen Entwicklungsstand (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 32 ):
106
Erster Teil
größere Initiative
kleinere Initiative
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
NZ
UK
NL
DK
S
SF
N
J
FRG
USA
A
Abb. 15: Modernisierungsinitiativen nach OECD-Ländern 1980-1993
(NASCHOLD 1995, S. 43)
(die international gebräuchlichen Länderkürzel entsprechen denjenigen der Abb. 13,
zusätzlich: DK=Dänemark, SF=Finnland, N=Norwegen, J=Japan und A=Österreich)
Die Zahlen aus Abb. 15 stammen aus mehrfach ausgewerteten OECDErhebungen (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 33 f) in den Jahren 1990
und 1993. Daraus sind neben den unterschiedlichen Entwicklungsständen aber
auch gemeinsame Entwicklungstendenzen zu erkennen. Während in den 80er
Jahren der Schwerpunkt in der Binnenmodernisierung lag, nahmen in den 90er
Jahren die Maßnahmen zu, die „in den ihren vielfältigen Formen auf die Verringerung der Leistungstiefe des öffentlichen Sektors und eine Neuausrichtung
der öffentlichen Aufgabenerbringung abzielen“. NASCHOLD (a.a.O., S. 32)
resümiert hierzu eine allgemeine Entwicklungstendenz, die sich „recht eindeutig
vom Referenzmodell der klassischen öffentlichen Verwaltung“ entfernt.
3.1.5 Entwicklungsstand in Deutschland
Wie bereits aus der oben dargestellten Abbildung 15 ersichtlich, lag die Bundesrepublik Deutschland, gemessen an den anderen OECD-Staaten, 1993 im
hinteren Bereich. Die vier kleineren gezählten Maßnahmen drücken auch aus,
dass bis dahin in Deutschland „keine nennenswerten Modernisierungsaktivitäten“ stattfanden (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 31).
Begründet werden kann dieser Zustand durch folgende Stärken, die dem öffentlichen Sektor in Deutschland zugeschrieben werden (vgl. NASCHOLD 1995a,
S.22):
· korrekte Rechtsanwendung
· verlässliche Produktion von Standard-Dienstleistungen
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
107
· pluralistische und dezentral angelegte Struktur
· funktionale Fachlichkeit.
Diese Vorteile führten dazu, dass sich die „Beharrlichkeit eines bürokratischen
Regelungssystems“ gegen „alle Varianten einer Ergebnissteuerung“ durchzusetzen schien. Das Modernisierungsprofil ist in Deutschland bestimmt durch „Stabilisierung und Qualifizierung der bürokratischen Regelsteuerung“. Nur sporadisch waren seit 1980 „Maßnahmen der Privatisierung von Staatsunternehmen
und der Deregulierung ohne ein weitergehendes Wettbewerbskonzept oder ein
übergreifendes Konzept staatlicher Gewährleistung“ zu verzeichnen (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 33).
Allerdings weist der öffentliche Sektor in Deutschland auch einige Schwächen
auf, welche zusammen mit der sich drastisch verschlechternder Haushaltslage
die Modernisierungsdebatte vorantrieben. Die Schwächen liegen insbesondere
in den ungünstigen Kostenstrukturen, den wenig kunden- bzw. bürgerorientierten Qualitätsstandards sowie in einer mangelnden Innovations- und Zeitdynamik (vgl. NASCHOLD 1995a, S. 22). Nachdem, wie NASCHOLD es ausdrückt, „die 80er Jahre quasi verschlafen wurden“ (NASCHOLD/BOGUMIL
1998, S. 34), erfolgten deshalb in den 90er Jahren größere Anstrengungen, die
entsprechenden Modernisierungsrückstände wieder aufzuholen. Neben einer
deutlichen Zunahme des Interesses in der Wissenschaft (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 121), sind seit dem viele Aktivitäten in der Praxis zu beobachten, die nicht zuletzt durch entsprechenden Anstöße aus der Politik, und zwar quer durch alle Parteien, initiiert bzw. vorangetrieben wurden.
Auch die positiven Erfahrungen anderer OECD-Staaten, die über ein deutlich
umfangreicheres Erfahrungsspektrum verfügen, haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die zunehmende Popularität des New Public Managements in
Deutschland.
Zweifellos am weitsten entwickelt ist der kommunale Bereich, der durch die
Arbeiten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
(KGSt) unterstütz wird. Die KGSt, der Verband für kommunales Management,
der bereits am 01. Juni 1949 in Köln gegründet wurde, ist eine dienstleistungsorientierte Fachorganisation der Städte, Gemeinden und Kreise, die unabhängig
vom Staat und den politischen Parteien arbeitet. Der Zielsetzung dieser KGSt
entsprechend, beabsichtigen viele Gemeinden und Gemeindeverbände, die Effektivität der Kommunen zu erhöhen, die Bürgerorientierung zu verbessern,
wirtschaftliches Handeln zu sichern und die Lebensqualität der Bürgerinnen
und Bürger insgesamt zusteigern (vgl. KGSt 2000).
Auf der Ebene der Gemeinden sowie in einigen Bundesländern wird immer
mehr ein Konzept des New Public Managements umgesetzt, welches als „Neues
108
Erster Teil
Steuerungsmodell“ bekannt ist (vgl. u.a. KGSt 1993, SCHEDLER/PROELLER
2000, S. 113 ff., NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 135 ff.). Dieses Konzept
zielt auf eine ergebnisorientierte Steuerung durch Leistungsvereinbarungen und
Globalbudgets. Es ist auf der Ebene des Bundes zumindest begrifflich weniger
verbreitet (die hierzu nennenswerten Konzepte und Maßnahmen werden im Abschnitt 3.4 noch näher vorgestellt).
3.1.6 Privatisierung durch New Public Management
3.1.6.1 Aufgabenverlagerung durch Modernisierungsmaßnahmen
Im Rahmen der verwaltungsinternen aber auch öffentlichen Diskussionen wird
die Staats- und Verwaltungsmodernisierung häufig mit Privatisierung gleichgesetzt. In der Tat waren in Deutschland die großen Privatisierungsmaßnahmen
von Bahn und Post weitaus populärer, als z.B. die Einführung von Neuen Steuerungsmodellen in kommunalen Verwaltungen. Auch im Ausland waren Privatisierungsmaßnahmen, wie beispielsweise in Großbritannien, Gegenstand einer
groß angelegten Debatte, insbesondere im Zusammenhang mit den größeren
Katastrophen in der jüngeren Vergangenheit, die zum Teil auf die Privatisierung
von Flug- oder Bahnsicherheitsdiensten zurückgeführt wurden. Nicht zuletzt
durch eine teilweise auch polemisch gestaltete Berichterstattung der Massenmedien stand die Privatisierung sozusagen pars pro toto für die New-PublicManagement-Bewegung.
Jedoch ist es nicht das Ziel dieser Bewegung, den Staat über einen „Aufruf zu
radikaler Privatisierung“ (SCHELDLER/PROELLER 2000, S.69) von seinen
Gewährleistungsverpflichtungen zu entbinden. Ganz im Gegenteil: New-PublicManagement will den Staat hierfür durch eine Neuorganisation sowohl im Aufbau als auch bezüglich seiner Abläufe stärken.
Andererseits stößt dieses Ansinnen allerdings auch auf einen Bereich, der im
Rahmen der Public-Choice-Theorie (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 37)
durchaus die Frage nach dem Umfang der Aufgabenwahrnehmung des Staates
aufwirft und bei dem es um Aufgabenreduzierung auch bezüglich des klassischen Gewährleistungsstaates, also letztlich um Privatisierung, geht. Würde
man diesen Bereich als „kritische Privatisierung“ definieren, weil Sie von partei- und gesellschaftspolitischen Diskussionen geprägt ist und von den jeweiligen Meinungsmehrheiten abhängt, dürfte es dem entgegen auch eine „unkritische Privatisierung“ geben. Hierbei würde es dann um die Verlagerung von den
Staatsaufgaben in den privaten Bereich gehen, die nicht zu den Kernaufgaben
gehören, um staatspolitische Ziele (wie z.B. Wohlfahrt, Sicherheit) zu erreichen
bzw. sicherzustellen. Maßnahmen also, die auch in dispositiven Betrieben auf
operativer und nicht auf strategischer Ebene ergriffen würden, um die Organi-
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
109
sation insgesamt effizienter zu gestalten und welche dort als Outsourcing bekannt sind.
Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven heraus scheint es also sinnvoll, den
Begriff der Privatisierung genauer zu betrachten und die jeweiligen Maßnahmen
den entsprechenden Schwerpunkten des New Public Managements zuzuordnen,
in denen es einerseits um die Modernisierung des Staates als Ganzes, also auch
um den reduzierten Umfang der wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben geht
und in denen andererseits die Verlagerung von nicht zu den Kernaufgaben des
Staates gehörenden Verwaltungstätigkeiten im Zuge einer Binnenmodernisierung thematisiert wird.
3.1.6.2 Verschiedene Privatisierungsformen
Analog zu der oben genannten „kritischen“ bzw. „unkritischen“ Privatisierung
könnte auch eine Unterteilung nach Privatisierung im engeren und im weiteren
Sinne definiert werden. Doch diese dichotome Aufteilung greift angesichts der
Vielfältigkeit der verschiedenen Privatisierungsmaßnahmen zu kurz. Eine genauere Unterteilung des Begriffes führt demnach zu fünf verschiedenen Privatisierungsformen
(vgl. SCHUPPERT 1995, S. 766 f. und SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 70
f.):
· Formelle Privatisierung,
bei der es nicht um die Abgabe öffentlicher Aufgaben an Private geht, sondern lediglich um eine andere Wahl der Rechtsform, wie. z.B. die Gründung
einer Verwaltungsagentur in Form einer GmbH, weswegen diese Art der Privatisierung auch Organisationsprivatisierung genannt wird.
· Materielle Privatisierung,
die auch als Privatisierung im engeren Sinne bezeichnet werden kann, weil
der Staat hierbei seine Aufgaben gänzlich an den privaten Sektor abgibt. Weder die Wahrnehmung dieser Aufgaben, noch die Gewährleistung derselben
obliegt dann weiterhin dem Staat.
· Funktionelle Privatisierung,
das ist die Form, bei welcher der Staat seine Kernaufgaben (siehe Abschnitt
3.2.1) zwar weiterhin wahrnimmt und auch deren Gewährleistung sicherstellt,
bestimmte nicht zum Kernbereich gehörende Teilaufgaben aber an Private
durch „Contracting Out“ bzw. „Outsourcing“ abgibt. Ziel dieser Privatisierungsform ist die Herstellung einer Verschlankung im Sinne des „Lean Gouverments“.
110
Erster Teil
· Vermögensprivatisierung,
welche sich auf jeglichen Verkauf von Staatsvermögen, wie z.B. Grundstücken, Aktien oder anderen Beteiligungen bezieht.
· Finanzprivatisierung;
hierunter ist eine Privatisierungsform zu verstehen, die zu Finanzierungszwecken eine Beteiligung Privater an öffentlichem Vermögen vorsieht. Hierzu
gehört auch die Möglichkeit, Investitionen durch den privaten Sektor vornehmen zu lassen, wobei der Staat dann anschließend die im Privateigentum
stehenden Objekte mietet oder least.
In der Privatisierungspraxis der Staaten ist zu beobachten, dass auch mehrere
Privatisierungsformen nebeneinander auftreten können. Im Falle der ehemaligen Deutschen Bundespost lag beispielsweise sowohl eine formelle Privatisierung (Gründung der Telekom AG, Post AG, T-Online AG) als auch eine Vermögensprivatisierung (sukzessiver Verkauf von Aktien an Privatanleger). Dadurch, dass die Bundesrepublik Deutschland aber noch das Gros der Aktien in
diesem Beispiel hält, kann aber nicht bzw. noch nicht von einer materiellen Privatisierung gesprochen werden. Das wäre erst der Fall, wenn keine Aktien bzw.
nur noch eine Minderheit (unterhalb der Sperrminorität) im Eigentum des Staates verblieben, da er hierbei Einfluss verliert und was dazu führt, dass die Erfüllung der Aufgaben (z.B. Sicherstellung der flächendeckenden Dienstleistung
zu niedrigen Preisen) nicht mehr durch den Staat gewährleistet werden kann.
Im Folgenden werden die genannten Privatisierungsformen im Gesamtzusammenhang des New Public Managements näher untersucht und bewertet. Dies
geschieht zum Einen im Zusammenhang mit der Modernisierung des Staates an
sich und der damit verbundenen Neubestimmung der öffentlichen Aufgaben
(Abschnitt 3.2) und zum Anderen in Bezug auf die Modernisierung der administrativen Betriebe (Abschnitt 3.3), also mit der Binnenmodernisierung der öffentlichen Verwaltung.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
111
3.2 Modernisierung des Staates
Die folgenden Darstellungen bezüglich der Modernisierung des Staates als
Ganzes betreffen im Schwerpunkt die Veränderungen der Leistungstiefe staatlicher Aufgabenerfüllung hauptsächlich mit dem Ziel einer Reduzierung. Die
Ausführungen sind im Wesentlichen angelehnt an die Arbeiten NASCHOLDs
(siehe die Zusammenfassung in NASCHOLD/BOGUMIL 1998; S. 37 ff.).
Wörtliche und inhaltliche Zitate aus dieser Quelle werden daher in diesem Abschnitt nicht mehr einzeln ausgewiesen.
3.2.1 Konzept staatlicher Aufgaben
Bevor die einzelnen Strategien, Programme und Maßnahmen zur Reduzierung
staatlicher Aufgaben näher untersucht werden können, ist es sinnvoll, eine Abgrenzung von privaten und öffentlichen Aufgaben vorzunehmen. Dabei ist der
Frage nachzugehen, welche der jeweiligen Aufgaben den originären, also den
Kernaufgaben zuzuordnen, und welche als Randaufgaben zu betrachten sind.
Grundsätzlich ist dem vorwegzunehmen, dass es „keine universelle Aufgabentheorie der öffentlichen Verwaltung“ gibt. Die Diskussion darum, welche Aufgaben zu den staatlichen Kernaufgaben gehören, ist geprägt von parteipolitischen Dogmen sowie Ideologien und wird von Staat zu Staat unterschiedlich
bewertet. So kommt es, dass es weltweit betrachtet fast keine öffentliche Aufgabe gibt, „die nicht irgendwo schon einmal entweder staatlich oder privat organisiert worden wäre“. Am Beispiel der Kommunikationsdienste aufgezeigt,
waren dies in Deutschland bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts originäre
staatliche Aufgaben, während in anderen westlichen Staaten, wie beispielsweise
den USA, die Post- und Telekommunikationsdienste schon lange eindeutig dem
privaten Sektor zugeordnet waren. Die Privatisierungsmaßnahmen die in
Deutschland bekanntermaßen hierzu ergriffen wurden, gründeten auf die gegebenen parlamentarischen Mehrheiten in der damaligen Legislaturperiode auf
Grundlage einer veränderten gesellschaftspolitischen Bewertung. Sicherlich gaben auch fiskalpolitische Gründe den Ausschlag, was aber insgesamt zeigt, dass
die Definition einer staatlichen Kernaufgabe nicht abschießend und vor allem
allgemeingültig vorgenommen werden kann.
Dennoch kann einzelfallbezogen eine Einordnung von Aufgaben in staatliche
und private Kern- bzw. Randaufgaben im Sinne eines „abgestuften Staatsaufgabenkonzeptes“ erfolgen. So hat beispielsweise eine Analyse von REICHARD
(1993) vier Aufgabentypen hervorgebracht, die jenseits von allen parteipolitischen Dogmen und „ideologiegesteuerten Generalisierungen“ die Einordnung
der zu betrachtenden Aufgaben ermöglicht.
Bezüglich der öffentlichen Aufgaben, denen ein expliziter Gemeinwohlbezug
112
Erster Teil
innewohnt, werden dem Kernbereich diejenigen Aufgaben zugeordnet, die auf
der Grundlage eines gesellschaftlichen Konsenses vom Staat dauerhaft zu gewährleisten und selbst zu vollziehen sind. Die Aufgaben im Randbereich hat der
Staat zwar ebenfalls zu gewährleisten, jedoch erfolgt bezüglich des Vollzuges
eine einzelfallbezogenen Prüfung, ob und wie weit die staatliche Wahrnehmung
und damit eine parlamentarische Kontrolle notwendig ist. Eine Entscheidung
hierüber, die neben der Wirksamkeit und Ordnungsgemäßheit auch die Frage
der Wirtschaftlichkeit berücksichtigen kann, führt im Ergebnis dazu, dass staatliche Randaufgaben entweder vom Staat selbst oder von privaten Organisationen wahrgenommen werden.
Nicht-öffentliche Aufgaben, denen also kein expliziter Gemeinwohlbezug immanent ist, sind ebenfalls auf Basis eines expliziten gesellschaftlichen Konsenses private Kernaufgaben, weil der Staat diesbezüglich eindeutig keine Veranlassung weder zur Gewährleistung noch zur Wahrnehmung hat. In den Fällen,
in denen der Staat aber wirksamer oder wirtschaftlicher diese Aufgaben vollziehen könnte, kann im Einzelfall eine derartige Veranlassung dennoch bestehen.
Diese Art von privaten Randaufgaben werden dann als staatliche Annex- oder
Ergänzungsaufgaben bezeichnet.
Eine Übersicht über diese „Analytik eines abgestuften Staatsaufgabenkonzeptes“ und über die vier Aufgabentypen vermittelt folgende Abbildung und zwar
bereits mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Privatisierung („Contracting
Out“):
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
113
Aufgabe
Öffentliche Aufgabe
(expliziter Gemeinwohl-Bezug)
Staatliche
Kernaufgabe
(Gewährleistung
und Vollzug
beim Staat)
Nicht-öffentliche Aufgabe
(kein expliziter Gemeinwohl-Bezug)
Staatliche
Gewährleistungsaufgabe
(Gewährleistung
durch Staat,
Vollzug durch
Staat oder Private)
Staatlicher
Vollzug
Staatliche
Annex- oder
Ergänzungsaufgabe
(Vollzug durch
Staat oder Private)
Privater
Vollzug
Privater
Vollzug
Private
Kernaufgabe
Staatlicher
Vollzug
= Contracting Out
Abb. 16: Analytik eines abgestuften Staatsaufgabenkonzeptes nach REICHARD 1993
(in NASCHOLD 1993, S. 43)
3.2.2 Reduzierung staatlicher Aufgaben
Die Strategien, Programme und Maßnahmen zur Modernisierung des Staates
innerhalb des New Public Managements zielen also insgesamt darauf,
Staatsaufgaben zu reduzieren ohne aber den Staat aus seiner Verantwortung bezüglich des Gemeinwohls zu entlassen. Vielmehr wird eine Stärkung des Staates verfolgt, indem staatliche Kernaufgaben insgesamt effizienter erfüllt werden. Staatliche Gewährleistungs- und Annexaufgaben sollen daneben nur dann
nicht von Privaten vollzogen werden, wenn letztere diese unwirtschaftlicher als
der Staat erfüllen, was insgesamt dazu führt, dass der Staat öffentliche Finanzmittel für andere Zwecke verwenden oder aber die Steuerzahler entlasten kann.
Zu den einzelnen Optionen, die hierzu im Einzelnen gewählt werden können,
zählen nicht nur die einzelnen Privatisierungsformen, insbesondere die formelle, materielle und funktionelle Privatisierung, sondern auch solche, die partiell nur eine Kostensenkung, den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Dienstleistern und die Einbindung der Gesellschaft bei der Aufgabenerfüllung zum Gegenstand haben.
Die relevanten Privatisierungsformen, die zur Reduzierung der Staatsaufgaben
114
Erster Teil
geeignet sind, werden nachfolgend vorgestellt und diskutiert. Auf die übrigen
Optionen wird nicht näher eingegangen. Hierzu erfolgt lediglich der Verweis
auf die bereits zitierten Arbeiten NASCHOLD’s.
3.2.2.1 Formelle Privatisierung
Maßnahmen der formellen Privatisierung, die wie bereits gezeigt auch Organisationsprivatisierung genannt werden, bestehen in einer „Verselbständigung
von Verwaltungseinheiten zu Verwaltungsagenturen“. Diese können sehr wohl
noch administrativ organisiert sein, werden nicht selten aber in privatrechtlicher
Form geführt, etwa in Form einer GmbH, wobei das Eigentum an einer solchen
Gesellschaft zwecks Beteiligungskontrolle überwiegend in staatlicher Hand
verbleibt.
Verwaltungsagenturen zielen auf eine größeres Maß an Ergebnissteuerung
durch die Trennung von politischer Zielsetzung und administrativer Umsetzung
dieser Ziele. Daneben ist es in selbständigen Agenturen leichter, betriebswirtschaftliche Instrumente wie etwa das Controlling zu implementieren als in klassischen Verwaltungsorganisationen, da letzteren es häufig wegen der bürokratischen Regelsteuerung an der entsprechenden Output-Orientierung fehlt. Weitere
Vorteile bestehen in der größeren Entscheidungsfreiheit der Verantwortlichen,
einer grundsätzlichen Kundenorientierung und in signifikanten Effizienzgewinnen, welche allesamt durch empirischen Befunde entsprechender Maßnahmen
(z.B. in Großbritannien) belegt sind (vgl. TROSA 1994, S. 4 ff.).
Es liegt nahe, diese Art der Privatisierung zu vergleichen mit organisatorischen
Maßnahmen größerer dispositiver Betriebe, die über die Bildung von sogenannten Profit-Centern oder Gründung von Tochtergesellschaften ebensolche
Vorteile durch Entflechtung der Hierarchie im Wege der Dezentralisierung und
durch die Übertragung von Ergebnisverantwortung anstreben, ohne allerdings
die finale Kontrolle über diese Betriebsteile verlieren zu wollen. So lassen sich
aber auch die Nachteile der formellen Privatisierung aus der Kritik zu entsprechenden Organisationsmaßnahmen privater Betriebe herleiten (vgl. FRESE
1988, S. 254 ff.). Exemplarisch hierzu seien die Synergieverluste genannt, die
dadurch entstehen, dass mit der Bildung von selbständigen Agenturen etwa eine
Vervielfachung von Führungspositionen einhergehen kann. Am Rande bemerkt,
wird ein Geschäftsführer einer GmbH erheblich mehr Personalkosten verursachen, als ein entsprechend hoch eingestufter Beamter.
Angesichts der Nachteile, die auch aus der Verselbständigung von Verwaltungseinheiten entstehen können, ist es angezeigt, diese Form der Privatisierung
an sich dem ökonomischen Kalkül zu unterziehen, etwa durch eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen und sie nicht als wirtschaftlich an sich anzuse-
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
115
hen. Dort wo allerdings eine Organisationsprivatisierung nach einer entsprechenden Abwägung erfolgte, zeigt die Erfahrung in der Praxis, dass „von keiner
Seite in Richtung zurück argumentiert“ wurde (TROSA 1994, S. 4), dass also
die formelle Privatisierung ein geeignetes Instrument zur Modernisierung des
Staates sein kann.
Letztlich sein noch darauf hingewiesen, dass die formelle Privatisierung ein
erster Schritt in Richtung der materiellen Privatisierung darstellen kann, sei es
über den sukzessiven oder über den kompletten Verkauf von Anteilen an den
privaten Sektor.
3.2.2.2 Materielle Privatisierung
Quasi als „Vollprivatisierung“ können die Maßnahmen der Privatisierung im
engeren Sinne bezeichnet werden, bei denen sowohl die Gewährleistung der
Aufgabenerfüllung als auch deren Vollzug vollständig an den privaten Sektor
nebst dazugehörigen Eigentumsrechten an den jeweiligen Produktionsmitteln
abgegeben werden. Dies erfolgt nicht notwendigerweise über eine vorherige
formelle Privatisierung; es war aber nicht selten der Fall, wie die Erfahrungen in
der Vergangenheit in Deutschland, beispielsweise bei der Privatisierung von
Bahn- und Post auf Bundesebene oder von verschiedenen Versorgungsbetrieben
auf kommunaler Ebene, zeigen.
Die Zielsetzung dieser Privatisierungsform entspricht weitestgehend derer, welche bezüglich der materiellen Privatisierung genannt ist. Es werden also wegen
der Ergebnissteuerung privater Organisationen über eine höhere Kosteneffektivität und ein höheres Qualitätsniveau Vorteile erwartet, von denen der Bürger
als Leistungsempfänger profitiert. Außerdem gehen diese Maßnahmen mit einer
Reduzierung der Staatsquote einher, welche zu den entsprechenden positiven
volkswirtschaftlichen und fiskalpolitischen Effekten führen soll.
Allerdings darf dabei nicht verkannt werden, dass die Leistungserbringung von
privater Seite einer anderen strategischen Zielsetzung folgt, als die des Staates.
Nicht mehr die Gewährleistungsmaxime hinsichtlich rechts- und sozialstaatlicher Dienstleistung bestimmt die Ziele der Aufgabenwahrnehmung nach erfolgter materieller Privatisierung, sondern es treten an deren Stelle unternehmerische Aspekte, wie Gewinnmaximierung und Rentabilitätsverbesserung (Steigerung des „shareholder value“) etc. Ob dabei in jedem Fall Vorteile beim Bürger entstehen darf deshalb bezweifelt werden, wenn zum Beispiel die höhere
Kosteneffektivität durch eine entsprechende Gewinnspanne aufgezehrt wird.
Auch hinsichtlich der Qualität der privaten gegenüber der öffentlicher Dienstleistungen kann nicht allgemein eine Verbesserung unterstellt werden, wenn
beispielsweise ein fehlender Wettbewerb in monopolistischen oder stark oligo-
116
Erster Teil
polistischen Marktstrukturen ein bestimmtes Qualitätsniveau nicht anregt (vergleiche hierzu auch die Erfahrungen um die Problematik privater Bahn- oder
Flugsicherheit insbesondere in Großbritannien).
Allgemein betrachtet kann kein überzeugender Zusammenhang hergestellt werden zwischen der „mikroökonomischen Leistungsfähigkeit und der Eigentumsform“, weshalb die materielle Privatisierung nicht als „Königsweg zur öffentlichen Aufgabenreform“ angesehen werden kann. Allerdings werden Privatisierungsmaßnahmen dieser Art, wenn sie auch spektakulär sind und in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden, eher seltener getroffen. Dem entgegen sind
Maßnahmen der formellen Privatisierung ebenso wie die der funktionellen Privatisierung häufiger vorzufinden.
3.2.2.3 Funktionelle Privatisierung
Werden Staatsaufgaben privatisiert, die nicht zu den Kernaufgaben des Staates
gehören, aber als Vorleistung zur Erfüllung der Kernaufgaben notwendig sind,
liegt ein Fall der formellen Privatisierung vor. Hierbei unterscheidet sich diese
Privatisierungsform dann auch von den beiden anderen, weil der Staat Leistungsempfänger der späteren privaten Dienstleistung ist und nicht primär der
Bürger.
Das auch als „Auftraggeber- und Auftragnehmermodell“ bezeichnete Konzept
zur Gestaltung staatlicher Leistungstiefenpolitik hat ebenso seine Entsprechung
in der privaten Wirtschaft. Dort werden ausgehend von „make or buy“Überlegungen ursprünglich eigen hergestellte Teilleistungen von anderen Betriebe fremd bezogen. Maßnahmen dieser Art werden dort als „Outsourcing“
bezeichnet.
In der Terminologie des New Public Managements wird der Vorgang extern
beschaffter Dienstleistungen beim Staat „Contracting Out“ genannt. Auf Grund
der teilweise strengen Beschaffungs- und Vergaberichtlinien, in Deutschland
beispielsweise durch die „Verdingungsordnung für Leistungen“ (VOL), können
der funktionellen Privatisierung bestimmte Verfahren der öffentlichen Ausschreibung vorgeschaltet sein. Ein besonderes dieser Verfahren, welches auch
die betroffenen Bereiche der öffentlichen Verwaltung in die Ausschreibung mit
einbezieht, ist das Markttest-Verfahren (Market Testing). Es hilft nicht nur, die
verschiedenen Angebote auf ihre Wirtschaftlichkeit hin miteinander zu vergleichen, sondern es hat auch noch den positiven Nebeneffekt, dass die zur Privatisierung heranstehenden Bereiche zuvor durch interne Optimierung den Wettbewerb aufnehmen, im günstigsten Fall sogar die Privatisierung abwenden können.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
117
Der entscheidende Vorteil des Contracting Out liegt in der „Verknüpfung von
binnenadministrativer Modernisierung und Wettbewerbsinstrumenten“, mit dem
Ziel, die Kosten in den administrativen Betrieben zu senken und insgesamt die
Staatsquote zu reduzieren. Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber, die aus
der Abhängigkeit des Staates von privaten Anbietern resultieren. Außerdem ist
nicht jeder Bereich der in Frage kommenden Aufgaben privatisierungsfähig,
weil z.B. es keinen privaten Anbieter mangels Gewinnaussichten gibt oder weil
bestimmte Aufgaben als hoheitlich einzustufen sind und durch private Organisationen rechtlich nicht erledigt werden dürfen. Außerdem liegen derzeit wenig
empirische Erfahrungen aus dem Bereich der Angestelltenleistungen vor. Bisherige formelle Privatisierungen beschränkten sich überwiegend auf den Bereich
der Werker bzw. Arbeiter (Raumpflege, Bewachung, Catering etc.).
Eine interessante Erfahrung zum Contracting Out liegt aus Großbritannien vor.
Hier wurden nämlich nahezu 80% der zur Privatisierung heranstehenden Aufgaben nach den vorgeschriebenen Markttests, dort „Compulsory Competitive
Tendering Programm“ (CCT) genannt, letztlich nicht an private Anbieter vergeben (vgl. WALSH 1993), sondern diese Aufgaben wurden weiterhin verwaltungsintern erledigt. Dies zeigt, dass nicht nur die reine Einsparung von öffentlichen Finanzmitteln, sondern vor allem die Wirtschaftlichkeit staatlicher Aufgabeerfüllung im Vordergrund steht. Allein schon die Überlegungen, ob eine
formelle Privatisierung stattfinden soll, kann zu Mitteleinsparungen führen,
weil die entsprechenden Markttests die administrativen Betriebe zu Optimierungsmaßnahmen und damit zu Kosteneinsparungen (im Beispiel Großbritannien waren dies immerhin 25%) zwingen. Damit ist Market Testing nicht nur
ein Verfahren im Rahmen der funktionellen Privatisierung, sondern es ist ebenso ein Instrument für die Binnenmodernisierung administrativer Betriebe.
118
Erster Teil
3.3 Modernisierung administrativer Betriebe
Unabhängig von der Frage, welche Aufgaben der Staat und welche private Anbieter zu erledigen haben und damit wie die Leistungstiefe staatlicher Aufgabenerfüllung letztendlich im Rahmen des New Public Managements zu definieren ist, besteht die Notwendigkeit die staatlichen Leistungseinheiten hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz zu überprüfen.
Hierbei stehen zunächst die grundlegenden Prämissen der klassischen öffentlichen Verwaltung (vgl. STEWART/WALSH 1992, S. 499 ff.) auf dem Prüfstand, nämlich
· die Dominanz der Eigenerstellung,
· die Notwendigkeit hierarchischer Kontrolle,
· die Einheitlichkeit der staatlichen Dienstleistungen,
· die politische Legitimation,
· das standardisierte Personalwesen sowie
· die administrative Kultur.
Unter den veränderten Prämissen der öffentlichen Verwaltung wird im Rahmen
der New-Public-Management-Diskussion ein Modell des modernen administrativen Betriebes entworfen, dass bezüglich der einzelnen Element dem traditionellen bürokratischen Referenzmodell diametral gegenübersteht. Aus der Gegenüberstellung beider Modelle ergeben sich Gestaltungsansätze für die Modernisierung administrativer Betriebe.
3.3.1 Prämissen der öffentlichen Verwaltung
„Das klassische Verwaltungsmodell hat (...) die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit überschritten“. So drastisch lautet nahezu übereinstimmend das Urteil der
Vertreter der New-Public-Management-Theorie (NASCHOLD/BOGUMIL
1998, S. 78).
Als Ansatz für die Konstruktion eines neuen Modells, welches entsprechend
leistungsfähiger zu sein verspricht, bietet sich an, zunächst einmal die bisherigen Annahmen über die öffentliche Verwaltung in Frage zu stellen.
3.3.1.1 Dominanz der Eigenerstellung
Ungeachtet der Diskussion um die Leistungstiefenpolitik des Staates wurden
unter der Prämisse, administrative Betriebe müssen voll verantwortlich sein für
ihre öffentlichen Leistungen und zwar einschließlich aller entsprechenden Vorleistungen, in der Vergangenheit so gut wie keine Überlegungen hinsichtlich
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
119
der formellen, materiellen und funktionellen Privatisierung angestellt. Erfahrungen der Staaten und Gemeinden, die aber bereits durch Agenturbildung und
Contracting Out staatliche Aufgaben effektiver und effizienter erfüllen können
und damit insgesamt leistungsfähiger geworden sind, widersprechen eben dieser
Annahme.
3.3.1.2 Notwendigkeit hierarchischer Kontrolle
Die auf MAX WEBER zurückgehende Annahme, ein Höchstmaß an Kontrolle
führe in bürokratischen Systemen zu optimalen Ergebnissen, ist ursächlich für
die extrem hohe Kontrolldichte in der öffentliche Verwaltung. Eine Abkehr von
der bürokratischen Denkweise impliziert dementsprechend auch die Relativierung des Kontrollverständnisses. Die Erfahrungen, die in der Privatwirtschaft,
aber auch bereits in einigen staatlichen Organisationen gewonnen wurden, zeigen, dass andere Formen als die direkte hierarchische Kontrolle, zu besseren
Ergebnissen führt. Die relativierte Prämisse lautet somit, „Kontrolle mittels
Spezifikation, festgehalten in Vertragsvereinbarungen, in Zielsetzungen und
über die Entwicklung von Wettbewerbs- und Handelsbeziehungen“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 78). Im Vordergrund stehen hierbei Selbstkontrollen der Mitarbeitern und mehr direkte Kontrollmöglichkeiten der Bürger, als
durch die bisherige indirekten parlamentarischen Kontrollen.
3.3.1.3 Einheitlichkeit der staatlichen Dienstleistungen
Die ausschließlich den rechtsstaatlichen Verwaltungsgrundsätzen verpflichteten
Annahmen, öffentliche Dienstleistungen müssen einheitlich und damit jederzeit
justiziabel sein, schränken die klassische Verwaltung in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Eine Anpassung des Verwaltungshandelns an die gesellschaftlichen
oder technologischen Veränderungen kann nur erfolgen, wenn der Gesetzgeber
zuvor seine Rechtsnormen anpasst oder wenn eine (meinst höchstrichterliche)
Rechtsprechung differenziertes verwaltungsinternes Handeln auslöst. Beide
Fällen sind durch langwierige Prozesse geprägt und fordern komplizierte Initiativen, einerseits im Gesetzgebungsverfahren oder andererseits durch die Eröffnung von Gerichtsprozessen der Bürger oder durch Verwaltungsangehörige.
Durch die Privatisierungsansätze des New Public Managements werden zumindest Teilaufgaben aus dem restriktiven Bereich der öffentlichen Verwaltung
herausgelöst und bieten sowohl dem Bürger als Konsumenten staatlicher
Dienstleistungen aber auch anderen Verwaltungen als Empfänger von Vorleistungen ein differenzierteres Angebot.
120
Erster Teil
3.3.1.4 Politische Legitimation
Der Ansatz, den Bürger als Konsumenten staatlicher Dienstleistung, somit also
als Kunden, mehr in den Vordergrund eines modernen Verwaltungshandelns
zustellen, ändert grundsätzlich nichts an der Legitimation der öffentlichen Verwaltung.
Im klassischen Modell ist die Verantwortung des öffentlichen Dienstes gegenüber seinen Bürgen nur mittelbar über den politischen Willensbildungsprozess
realisiert. Hierbei verantworten sich administrative Betriebe zunächst gegenüber
ihrer politischen Spitzenorganisation, diese wiederum gegenüber den jeweiligen
Parlamenten, welche letztlich durch die Bürger gewählt sind. Im Rahmen der
New-Public-Management-Bewegung mit ihrem kundenorientierten Ansatz legitimiert sich eine öffentliche Verwaltung ausschließlich, und das unmittelbar,
gegenüber den Bürgern; die Rolle der Politik besteht dabei lediglich in der
„strategischen Weichenstellung“ (vgl. SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 241).
3.3.1.5 Standardisiertes Personalwesen
Bisher gilt die Annahme, ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst benötigt ein
standardisiertes Personalwesen, mit den bekannten Elementen wie etwa dem
Lebenszeit- und Laufbahnprinzip sowie der allumfassenden Alimentation (siehe
Hauptabschnitt 4). Dass diese Denkweise auch in einer modernen Verwaltung
noch Bestand haben kann, zeigt ein Vergleich mit dispositiven japanischen Betrieben, bei welchen ähnliche Grundsätze das Personalwesen prägen (vgl. u.a.
AOKI 1990, UETAKE 1993, S. 117 ff.) und die den weltweit anerkannten Erfolg japanischer Firmen verursachen, selbstverständlich zusammen mit anderen
Faktoren. Einige dieser anderen Faktoren, soweit sie das Personalwesen betreffen, sind zum Beispiel eine ergebnisorientierte Entlohnung oder eine mit der
Organisationsentwicklung verknüpfte Personalentwicklung. Diese sind in der
klassischen öffentlichen Verwaltung allerdings nicht enthalten. Somit wird für
das Modell des modernen administrativen Betriebes die Prämisse des standardisierten Personalwesens um eben solche Ansätze zu erweitern sein (siehe Hauptabschnitt 5).
3.3.1.6 Administrative Kultur
Letztlich ist die Annahme, eine bürokratisch organisierte öffentliche Verwaltung funktioniere nur innerhalb einer administrativen Organisationskultur, aus
der Perspektive des New Public Management ebenfalls in Frage zu stellen.
Die administrative Verwaltungskultur kann tendenziell als obrigkeitlich, regelorientiert, formalistisch sowie auf Bewahrung von Traditionen ausgerichtet und
durch autoritäre bzw. patriarchalische Führungsmuster geprägt charakterisiert
werden (vgl. SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 255). Sie führt zu einer wenig
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
121
pragmatischen und ergebnisorientierten Aufgabenerledigung, damit zu der in
der Öffentlichkeit oft gescholtenen „Beamtenmentalität“ und verträgt sich nicht
mit dem kundenorientierten Ansatz. Außerdem steht sie, wegen ihrer eher konservativen als progressiven Prägung, der Idee einer lernenden Organisation im
Wege.
3.3.2 Modell des modernen administrativen Betriebes
Auf Grundlage der veränderten Prämissen kann ein idealtypisches Modell einer
modernen öffentlichen Verwaltung im Sinne des New Public Managements
vorgestellt werden. Dieses Modell bezieht sich sowohl in kritischer als auch in
konstruktiver Weise auf das Referenzmodell der klassisch-bürokratischen Verwaltung (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 77).
Die einzelnen Elemente des New-Public-Management-Modells betreffen die
„Stimulierung neuer Wirkungsmechanismen im öffentlichen Sektor, mit dem
Ziel der Verbesserung der Qualität, der Effizienz und der Effektivität der
Dienstleistungsproduktion“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 79) und variieren in der deutschen Diskussion hinsichtlich deren Art und Anzahl zwischen
den einzelnen Autoren. In folgender Abbildung wird daher nur eine Möglichkeit exemplarisch dargestellt, nämlich die von NASCHOLD (1995, S. 32) entworfenen, der die einzelnen Varianten „Regulierungsmodelle“ nennt:
Klassisch-bürokratisches
Regulierungsmodell
Steuerung über Regeln
New-Public-Management
Regulierungsmodell
Steuerung durch Ziele/Ergebnisse
(Performanz-Management inkl. ErgebnisBudgetierung und Plafondierung)
Funktionale Arbeitsteilung nach dem
Verrichtungsprinzip
Produktbezogene Organisation
in Form einer Prozeßkette
(mit prozeßkettenbezogenen Schnittstellenproblemen in der Kooperation)
Ausgeprägte Hierarchisierung
Kontraktmanagement
verselbständigter Ergebniseinheiten
Geringer Einsatz von
Wettbewerbsinstrumenten
Aufgabenauslagerung und Bildung von (Quasi-)Märkten
Fehlen eines strategischen
Managements
Kundenorientierung
Abb. 17: Gegenüberstellung beider Regulierungsmodelle (NASCHOLD 1995, S. 32)
122
Erster Teil
3.3.3 Gestaltungsansätze für die Verwaltungsmodernisierung
Der Modernisierungsprozess, der einen administrativen Betrieb von der klassisch-bürokratischen Form in die Form des New Public Managements überführt,
setzt bei den Erkenntnissen aus der Gegenüberstellung beider Regulierungsmodelle an. Hierzu sind umfangreiche Umgestaltungsmaßnahmen in den Bereichen Organisationsstrukturen, Verfahren, Personal und Außenverhältnisses
notwendig. Wegen der starken Interdependenzen zwischen den einzelnen Bereichen müssen diese Maßnahmen allerdings alle und möglichst gleichzeitig ergriffen werden (vgl. KISSLER et al. 1997, S. 23 ff.).
3.3.3.1 Modernisierung der Organisationsstrukturen
Im Sinne von CHANDLER’s (1962) These „Structure follows Strategy“ werden
auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung vor Maßnahmen organisatorischer
Veränderungen strategische Überlegungen notwendig sein. Allerdings ist es
nicht ohne Weiteres möglich, im Bereich des Staates auf die Ansätze der Privatwirtschaft zu Strategieentwicklung zurückzugreifen, weil es dort im Wesentlichen um die Entwicklung von Produkt/Markt-Konzepten geht, die insbesondere auf die Bestandserhaltung der Organisation in einem nicht selten harten
Wettbewerb und sich permanent ändernden Umweltbedingungen abzielen. Andererseits können bestimmte Grundaussagen der modernen Managementtheorie
auch auf den Bereich staatlicher Organisationen bezogen werden. Dies trifft für
die Modernisierung der Verwaltung vor allem auf die zweite der beiden strategischen Grundfragen zu, die wie folgt lauten:
· „are we still doing the right things ?“ und
· „are we doing these things right ?“.
Daneben kann die synoptische Planungslogik übernommen werden, die den
Planungsprozess einer Strategie als eine Abfolge von strategischer Zielsetzung,
strategischer Analyse, der Strategieentwicklung sowie –implementation und
begleitender strategischer Kontrolle sieht.
Der strategischen Zielsetzung des New Public Managements entsprechend sind
nach den jeweiligen Analysen (z.B. der gesetzlichen Rahmenbedingungen) zunächst Einzelstrategien zu entwickeln, die im Ergebnis die Verbesserung der
Qualität, Effizienz und Effektivität der öffentlichen Verwaltung zum Gegenstand haben. Ausgehend von den Erfahrungen bezüglich des klassischbürokratischen Referenzmodells mit seiner Einbindung in die Staatsorganisation werden diese Strategien hauptsächlich folgende Schwerpunkte beinhalten:
· Dezentralisierung der Aufgaben- und Ressourcenverantwortung,
· Entflechtung von politischer Entscheidungsvorbereitung und Umsetzung der
politischen Programme,
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
123
· Verselbständigung administrativer Betriebe in Richtung Verwaltungsagenturen (formelle Privatisierung) sowie
· Verschlankung der oft schwerfälligen Systeme durch funktionelle Privatisierung.
Die beiden letztgenannten Schwerpunkte sind bezüglich der Privatisierungsthematik allein aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive zu sehen und unabhängig von der in Abschnitt 3.2 dargestellten „Public-Choice“-Frage im
Rahmen der Diskussion um die Leistungstiefe des Staates zu bewerten.
Die Umsetzung der Dezentralisierungs- und Entflechtungsstrategien sowie der
Verselbständigungs- und Verschlankungsstrategien im Bereich der Organisationsstrukturen setzen an den bestehenden hierarchischen Systemen an. Sie bestehen im Wesentlichen aus folgenden organisatorischen Maßnahmen (NASCHOLD/ BOGUMIL 1998 S. 87 f.):
· Abbau von Überkomplexität,
· Bildung homogener Produktionssegmente,
· Abbau von Hierarchie,
· Dezentralisierung der Aufgaben- und Ressourcenverantwortung und
· Überprüfung der Fertigungstiefe im Zuliefererbereich.
Im Ergebnis entsteht ein flacherer Organisationsaufbau mit größeren Organisationseinheiten (z.B. Referaten) und mit einer eher produktorientierten als funktionalen Struktur (vgl. auch SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 75). Zuvor müssen analog zum sog. AKV-Prinzip (Einheit von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung) Kompetenzen verlagert werden von der ministeriellen Ebene auf
die ausführenden Subsysteme. Idealerweise entstehen bei diesem Vorgang den
„Cost bzw. Profit-Centern“ der Privatwirtschaft vergleichbare Ergebniscenter,
welche nicht unbedingt in Form von Agenturen gebildet werden müssen.
Daneben sind ausgehend von „make-or-buy“-Überlegungen zur Reduzierung
von Verwaltungsvorleistungen mit dem Ziel der Verschlankung und damit der
Kosteneinsparung, Maßnahmen zur Überprüfung und Durchführung des
„Contracting Out“ zu ergreifen. Selbstverständlich sollten diese Maßnahmen
nicht nur von reinen finanzpolitischen Überlegungen (Reduzierung der Haushaltsansätze) mit ihrem latenten Sparzwang getragen sein. Sie machen nur dann
Sinn, wenn die auszulagernden (Teil-)Leistungen von privaten Anbietern, u.a.
auch angesichts derer Gewinnspannen oder aus steuerrechtlichen Gründen, insgesamt wirtschaftlicher erbracht werden als von administrativen Betrieben.
Maßnahmen, welche eine derartige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einschließen werden, wie bereits geschildert, als Markt-Test-Verfahren oder Market
Testing bezeichnet.
124
Erster Teil
3.3.3.2 Modernisierung der Verfahren
Um eine auf der strategischen Planung beruhende Organisationsveränderung,
wie sie im vorherigen Abschnitt beschrieben ist, herstellen zu können, ist zunächst einmal angezeigt, in der öffentlichen Verwaltung ein strategisches Management einzuführen. Dies ist auch nach den Modernisierungsmaßnahmen
wichtig, weil die veränderten Organisationsstrukturen auch Nachteile mit sich
bringen, wie etwa die in diesem Zusammenhang bekannten Bereichsegoismen
dezentralisierter und verselbständigter Organisationseinheiten. Ein „schlagkräftiges strategisches Management“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 91) bildet
somit das „Gegengewicht zu dezentralen Verselbständigungstendenzen“ und
berücksichtigt dadurch das „Gemeinwohl der Gesamtorganisation“.
Ein modernes strategisches Management wird sich allerdings nicht mit den formalistischen und auf reine Regelsteuerung ausgerichteten Leitungs- und Führungsmaßnahmen der klassisch-bürokratischen Verwaltung vertragen. Der Modernisierungsprozess wird also auf ein ziel- und ergebnisorientiertes Management hinführen, was die Einführung des Controllings in administrativen Betrieben sinnvoll erscheinen läßt. Dieses wiederum impliziert ein output-orientiertes
Rechnungswesen, wie die Kosten- und Leistungsrechnung und entsprechende
Wirtschaftlichkeitsanalysen.
Für ein Erfolg versprechendes Management mittels Controlling ist jedoch die
starre Haushaltssystematik der öffentlichen Verwaltung eher kontraproduktiv.
Das Hauptargument gegen eine Veränderung der klassischen kameralistischen
Finanzierungsinstrumente der öffentlichen Verwaltung ist zweifelsohne die Sicherstellung von Bewilligungs- und Kontrollmöglichkeiten der Parlamente gegen über der Exekutiven. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass über
das New Public Management den Parlamenten neue „Instrumente und Einflußmöglichkeiten“ an die Hand gegeben werden, „die eine wirkungsvollere und
wirkungsorientierte Führung versprechen“ (SCHEDLER/PROELLER 2000, S.
182). Ein möglicher Lösungsansatz zur Erhaltung bewährter Elemente der klassischen Finanzsystematik bei gleichzeitigen Veränderungen in Richtung wirtschaftlicherer Steuerbarkeit der einzelnen Haushalte, bietet die Flexibilisierung
einzelner Bereiche. Hierbei wäre an die Aufgabe der Budgetprinzipien „Jährlichkeit“ und „Spezialität“ zu denken, mit dem Ziel, Haushaltsmittel zeitlich
und sachlich übertragen zu können (Übertragbarkeit und Deckungsfähigkeit
einzelner Mittelansätze). Des Weiteren können für einzelne kleinere Bereiche
Globalbudgets bewilligt werden, die ebenso ein wirtschaftliche Mittelverwendung sicherstellen.
Damit das moderne Management administrativer Betriebe seiner erweiterten
Verantwortung vollständig gerecht werden kann und hierfür die notwendigen
Entscheidungsspielräume erhält, sind außerdem neben der aufbauorganisatorischen Trennung von Politik und Dienstleistung auch im Bereich der Regulie-
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
125
rung der Verfahren entsprechende Abgrenzungs- und Flexibilisierungsmaßnahmen erforderlich. Hierbei wäre beispielsweise daran zu denken, Gesetze zu
terminieren und Rechtsnormen vor dem endgültigen Erlaß vorab zu testen oder
„Verhandlungslösungen gegenüber zu schnellen legislatorischen Festlegungen“
stärker zu betonen (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 90 f.).
3.3.3.3 Modernisierung des Personalwesens
Das Konzept des New Public Managements geht davon aus, dass wie in der Privatwirtschaft auch in administrativen Betrieben das Personal als wichtigste aber
kritischste Ressource (vgl. Abschnitt 2.1.4) einen entscheidenden Erfolgsfaktor
darstellt. Die zentrale Forderung lautet daher, „in konsequenter Form die bürokratisch orientierte Personalverwaltung in eine humanressourcenorientierte Personalentwicklung umzugestalten“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 99).
Ausgangspunkt hierfür ist die Organisationsentwicklung durch die Einrichtung
von Partizipations-, Kooperations- und Gruppenelementen, im Sinne eines modernen Change Managements, bei dem auch externe Berater (Change Agents)
einbezogen werden. Zusammen mit der auf Gruppen- und Teamarbeit ausgerichteten Veränderung der Organisationsstrukturen werden damit die lernförderlichen Strukturen in administrativen Betrieben hergestellt, die für eine erfolgreiche Personalentwicklung notwendig sind.
Im Rahmen der Personalwirtschaft müssen ergebnisorientierte Ansätze, insbesondere in Bezug auf Karriere- und Verwendungsplanung, sowie auf die Fortund Weiterbildung sich gegenüber den klassischen formalistischen Ansätzen
durchsetzen. Im Bereich der Personalführung sind moderne Techniken wie z.B.
„Management by Objectives“ oder „Management by Results“ geeignet, die erfolgreiche Personalentwicklung zu unterstützen.
Allerdings stoßen die administrativen Betriebe bei ihren Modernisierungsbemühungen auf Grenzen, die von ihnen selbst nicht zu beeinflussen sind. Gemeint sind die rechtlichen Rahmenbedingungen besonders in Deutschland, die
in den beamtenrechtlichen und tarifvertraglichen Regelungen für die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung bestehen, z.B. durch das Laubahngruppenprinzip, den sog. „Stellenkegeln“ mit gesetzlich vorgegebenen Obergrenzen oder die Besoldung- und Vergütungsstruktur (eine ausführliche Untersuchung
dieser Materie erfolgt in Hauptabschnitt 4). So ist es bisher schwierig, Mitarbeitern explizite Leistungsanreize zu geben und Förderungsmöglichkeiten bereitzustellen, die im Sinne einer simultanen Karriere- und Personaleinsatzplanung die Organisations- und Personalentwicklung fördern.
Eine Änderungen der personalrechtlichen Rahmenbedingungen ist damit ange-
126
Erster Teil
zeigt, wird aber, obwohl über eine umfassende Dienstrechtsreform schon mehrfach nachgedacht wurde, wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen (BANNER 1995, S. 57).
Unabhängig von den rechtlichen Rahmenbedingungen können im Bereich des
Personalmanagements Maßnahmen im Bereich der Organisationskultur ergriffen werden, die im Sinne des Corporate-Identity-Ansatzes die Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützen. Hierbei handelt es sich um einen „strategisch geplanten Prozess mit dem das Erscheinungsbild sowie die Verhaltensund Wirkungsweisen der Organisation nach innen und außen durch ein einheitliches Konzept koordiniert wird“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 82). Es
kann damit nicht nur die Mitarbeitermotivation und -identifikation nach innen
hin gestärkt werden, es ermöglicht auch die Entwicklung einer kundenorientierten Strategie, welche für die entsprechenden Maßnahmen der Modernisierung des Außenverhältnisses notwendig ist.
3.3.3.4 Modernisierung des Außenverhältnisses
Eine weitere zentrale Forderung des New Public Managements ist, über die verstärkt outputorientierte Perspektive des Verwaltungshandeln, dieses konsequenterweise auch mehr an den Adressaten auszurichten. Ergebnisorientierung
anstatt Regelorientierung bedeutet dann also auch, eine explizite Bürgerorientierung im Sinne einer Kundenorientierung anzustreben. Hierzu gibt es verschiedene organisatorische Möglichkeiten, etwa Beteiligungsmodelle in Form
des „Ombudsmannes“ oder des „Bürgeramtes“, zu welchen nicht nur aus verschiedenen OECD-Ländern, sondern auch aus Deutschland äußerst positive Erfahrungen vorliegen, weil sie die Zufriedenheit der Bürger einerseits und eine
Entlastung der Verwaltung andererseits mit sich führen (vgl. LENK 1992 S. 567
ff.).
Die einzelnen Maßnahmen sind allerdings unter einer entsprechenden strategischen Gesamtkonzeption um so erfolgversprechender. Zu dieser Gesamtkonzeption gehört der bereits angesprochene Corporate-Identity-Ansatz, nicht zuletzt auch um das in der Öffentlichkeit nicht unbedingt gute Image der öffentlichen Verwaltung aufzubessern. Zusätzlich sind auch Konzepte zur Qualitätsverbesserung der öffentlichen Dienstleistungsprodukte notwendig. Deshalb
wird innerhalb des New Public Managements das sich bereits in der Privatwirtschaft etablierte „Total Quality Management“ diskutiert, welches mit der Zielsetzung „der größtmöglichen Kundenzufriedenheit versucht, den gesamten
Produktions- und Dienstleistungsprozeß hierauf abzustimmen“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 203 f.). Die Sicherung und permanente Verbesserung sowohl der Prozeß- als auch der Produktqualität, die maßgeblich durch
Selbstkontrollen der Mitarbeiter erreicht werden kann, gehört hierzu ebenso wie
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
127
andere partizipative Ansätze, z.B. den aus der Industrie bekannten „Qualitätszirkeln“, die auf eine optimale Nutzung des Innovations- und Verbesserungspotentials aus dem Kreis der Beschäftigten abzielen.
Weitere Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung ergeben sich aus dem Druck,
der aus einer bestehenden oder erzeugten Konkurrenzsituation heraus entsteht.
Ausgehend von anderen Maßnahmen der Staats- und Verwaltungsmodernisierung (z.B. Market Testing ) bilden miteinander konkurrierende Systeme diejenigen Marktstrukturen, die ein „Management by Competition“ ermöglichen. Im
Rahmen dieser „Konkurrenzbürokratie“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S.
82f.) sind auch Leistungsvergleiche möglich, und zwar
· intersektoriell,
d.h. zwischen öffentlichen und privaten Organisationen,
· interorganisationell,
d.h. zwischen Organisationen der öffentlichen Verwaltung und
· intraorganisationell,
d.h. zwischen Organisationseinheiten eines administrativen Betriebes,
welchen als Maßnahme zur Qualitätsverbesserung ein Benchmarking (Lernen
vom Besten) folgen kann.
3.3.3.5 Zusammenfassung der Gestaltungsmaßnahmen
Zusammenfassend können die einzelnen Maßnahmen zur Modernisierung administrativer Betriebe mit den jeweiligen Gestaltungselementen des New Public
Managements wie folgt dargestellt werden:
128
Erster Teil
Bereiche
Gestaltungsmaßnahmen
Organisationsstrukturen
·
Umsetzung von
Dezentralisierungs-, Entflechtungs- sowie
Verselbständigungs- und Verschlankungsstrategien
Verfahren
·
Entwicklung eines strategischen Managements
·
Einführung von Controlling mit einer
Kosten- und Leistungsrechnung
(Output-orientiertes Rechnungswesen)
·
Flexibilisierung der klassischen Budgetierung
·
Trennung von Politik und Dienstleistungsbereich durch
klare Verantwortungsabgrenzung
·
Organisationsentwicklung durch Einrichtung von Partizipations-, Kooperations-, und Gruppenelementen sowie externer Beratung
·
Betonung der Personalentwicklung innerhalb der Personalwirtschaft
·
Einsatz moderner Führungstechniken (MbO, MbR)
·
Herausbildung einer Corporate Identity (CI)
·
Ausbau der Kundenorientierung durch Total Quality Management (TQM)
·
Management by Competition (MbC)
Personal
Außenverhältnis
Abb. 18: Gestaltungselemente des New Public Management
(modifiziert und ergänzt nach KISSLER et al. 1997, S.28)
Der Erfolg der Modernisierungsmaßnahmen insgesamt hängt maßgeblich von
der Wahl einer geeigneten Umsetzungsstrategie ab. Hierzu zählen (vgl. NASCHOLD/PRÖHL 1995, S. 21 ff.):
· die traditionelle Umsetzungsstrategie nach dem Top-Down-Ansatz,
· die zyklische Verbesserungsstrategie im Managementzyklus mit entsprechender Projektorganisation,
· die kontinuierliche Verbesserungsstrategie im Sinne des TQM, welcher der
Bottom-Up-Ansatz zu Grund liegt sowie
· dem Re-engineering, als radikalster Variante einer Umsetzungsstrategie auf
Basis eines Simultanansatzes (Top-Down und Bottom-Up gleichzeitig).
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
129
Zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Strategien sowie zu den internationalen Erfahrungen in diesem Zusammenhang wird auf die bereits mehrfach zitierten Arbeiten NASCHOLD’s verwiesen. Gleiches gilt für die Probleme der
Umsetzung, die zum Teil aus Blockadehaltungen und Verhinderungsstrategien
innerhalb der Verwaltung und hier besonders auf der Ebene der „Headquaters“
(NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 106.) herrühren können.
130
Erster Teil
3.4 New Public Management in Deutschland
Die Bestandsaufnahme der Konzepte und Maßnahmen zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung in der Bundesrepublik Deutschland zeigt einen gewissen
Rückstand gegenüber den anderen OECD-Staaten. Erst im Laufe der 80er Jahre
begannen, nach einer „großen, letztlich jedoch erfolglosen Phase in den 70er
Jahren“ (NASCHOLD/BOGUMIL 1998, S. 33), erste Modernisierungsprozesse, die im Sinne des New Public Managements ernst genommen werden können
und welche bis in die heutige Zeit hinein reichen. Das Profil der einzelnen Reformansätze war jedoch bestimmt durch folgende „Merkmalskomplexe“
(a.a.O.):
· Stabilisierung und Qualifizierung der bürokratischen Regelsteuerung bei geringem Profil;
· sporadische Maßnahmen der Privatisierung von Staatsunternehmen und der
Deregulierung ohne ein weitergehendes Wettbewerbskonzept oder ein übergreifendes Konzept staatlicher Gewährleistung;
· Maßnahmen der Binnenmodernisierung auf Gemeindeebene (Einführung
neuer Steuerungsmodelle) seit Anfang der 90er Jahre.
Bezüglich des Fortschrittes der jeweiligen Modernisierungsprozesse ist ein Gefälle von den Gemeinden über die Länder hin zum Bund ersichtlich. Die Kommunalverwaltungen sind nicht zuletzt wegen der Arbeit der KGSt in ihren Reformbemühungen am weitesten fortgeschritten.
Eine Belebung des Modernisierungsprozesses gerade auf der Ebene des Bundes
erfolgte durch entsprechende politische Programme seit Mitte der 90er Jahre.
Diese Programme werden im nun folgenden Abschnitt näher vorgestellt. Anschließend erfolgt ein Überblick über die verschiedenen Konzepte und Maßnahmen, die auf der Ebene des Bundes auf Grund der politischen Vorgaben gegenwärtig ergriffen bzw. umgesetzt werden. Am Beispiel der Bundeswehrverwaltung werden daraufhin die konkreten Auswirkungen des New Public Managements für einen einzelnen administrativen Betrieb dargestellt.
Auf die Modernisierungsmaßnahmen der Bundesländer und der Gemeinden
wird nicht weiter eingegangen. Hierzu kann auf eine Vielzahl von Publikationen verwiesen werden; exemplarisch seien die Veröffentlichungen der KGSt
sowie die Arbeiten von NASCHOLD und BOGUMIL (einschließlich der dort
zitierten Quellen) genannt.
3.4.1 Politische Vorgaben zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung
In der Bundesrepublik Deutschland besteht zwischenzeitlich hinsichtlich der
Notwendigkeit einer Staats- und Verwaltungsmodernisierung quer durch die
großen politischen Parteien ein breiter Konsens. So haben sowohl die
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
131
CDU/PDP Koalition bis 1998 als auch die SPD/Bündnisgrüne ab 1998 durch
entsprechende politische Vorgaben den Boden für weitergehende Modernisierungsmaßnahmen fruchtbar gemacht. Es handelt sich dabei um die Konzepte
„Schlanker Staat“ sowie „Moderner Staat – Moderne“ Verwaltung mit dem
Leitbild „aktivierender Staat“.
3.4.1.1 Konzept „Schlanker Staat“ bis 1998
Bis zum Regierungswechsel im Jahre 1998 hat die CDU/FDP-Koalition bereits
einige Reformansätze auf den Weg gebracht. So wurde beispielsweise in einer
Koalitionsvereinbarung zur 13. Legislaturperiode am 18.07.95 beschlossen, eine unabhängige Expertenkommission unter dem Stichwort „Schlanker Staat“
mit dem Ziel einzusetzen, staatliches Handeln im normativen, administrativen
und gerichtlichen Bereich auf das notwendigste Maß zu beschränken.
Das Ergebnis der Expertenkommission war einen Katalog mit wesentlichen
Forderungen, die wie folgt lauten:
· Überprüfung von 4 900 Gesetzen mit 85 000 Einzelbestimmungen auf deren
Notwendigkeit hin (dabei Kosten-Nutzen-Analyse für Gesetze),
· Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren,
· Reduzierung von Verwaltungsvorschriften und Abbau von Standards,
· Reduzierung des privatwirtschaftlichen Aufwandes für amtliche Statistiken,
· Reduzierung der Staatsaufgaben auf die Kernbereiche,
· Straffung der Bundesbehörden durch Aufgabenzusammenlegung und
Abschichtung,
· Einführung eines Controlling und klare Zielvereinbarungen,
· Einführung eines Qualitätsmanagements,
· Verstärkter Einsatz zeitgemäßer Informationstechnologie (IT),
· Budgetierung von Leistungen und Kosten und
· Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) zur Ergänzung der
Kameralistik und jährliche Berichtspflicht.
3.4.1.2 Leitbild „aktivierender Staat“ seit 1998
Nach der Bundestagswahl 1998 übernahm die Rot-Grüne-Koalition weitestgehend die Zielsetzung ihrer Vorgänger. Unter einem eigenen Konzept mit dem
Namen „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ vom 01.12.99 sollte das Leitbild des „aktivierenden Staates“ geprägt werden. Unter diesem Leitbild soll unter anderem die Verwaltung „bürgerfreundlicher, leistungsfähiger und insgesamt wirtschaftlicher“ werden (vgl. BUNDESREGIERUNG 1999, S. 53). Hierzu wurde die Umsetzung von 15 Leitprojekten und 23 Modernisierungsmaßnahmen beschlossen.
132
Erster Teil
Einzelne Modernisierungsmaßnahmen innerhalb dieser Leitprojekte entsprechen bereits den Forderungen des Vorgängerkonzeptes (z.B. Kosten-NutzenAnalyse für Gesetzte, Controlling und KLR für die Verwaltung). Darüber hinaus wurden u.a. folgende markante Modernisierungsprojekte in Gang gebracht
(vgl. KABINETTSBESCHLUSS 1999):
·
·
·
·
·
Regelung und Forcierung eines „Private Public Partnership“,
Aufbau eines Benchmarking-Ringes,
Einführung von Wissensdatenbanken,
Schaffung eines modernen leistungsorientierten Dienstrechtes sowie
Erstellung von Personalentwicklungskonzepten durch die Ministerien.
3.4.2 Modernisierung der Bundesverwaltung
Auf Grundlage der genannten politischen Vorgaben entstanden regierungsseitig
eine Vielzahl einzelner Umsetzungskonzepte und Modernisierungsmaßnahmen.
Da allerdings jedes einzelne Ressort wegen seiner autonomen Organisationskompetenz eigene Wege beschreitet, können an dieser Stelle nur die übergreifenden bzw. die in allen Ressorts gleichermaßen umgesetzten Maßnahmen behandelt werden.
Es handelt sich hierbei um die Reform des Haushaltsrecht im Sinne der flexiblen Budgetierung, der Einführung eines Verwaltungscontrollings einschließlich
der Kosten- und Leistungsrechnung, um Maßnahmen im Bereich des Personalwesens sowie um den Einsatz verschiedener ergänzender und unterstützender
Instrumente.
3.4.2.1 Flexible Budgetierung
Die wohl bisher weitreichendste Maßnahme des Gesetzgebers auf Bundesebene
im Rahmen der Staats- und Verwaltungsmodernisierung war die Reformierung
des Haushaltsrechtes zur Finanzierung staatlicher Aufgaben im Jahre 1997. Mit
der Zielsetzung „durch höhere Flexibilität, Einsparungen und größere Wirtschaftlichkeit zu erzielen und stärkeres Kostenbewußtsein zu schaffen“ (BMF
1997, S.1) wurde vom Deutschen Bundestag am 22.12.97 das „HaushaltsrechtFortentwicklungsgesetz“ (BUNDESGESETZBLATT 1997, S. 3251 ff.) nach
einer als erfolgreich bewerteten Pilotphase (fünf ausgewählte Bundesbehörden
in den Jahren 1995-1997) verabschiedet. Dieses Gesetz novellierte das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), die Bundeshaushaltsordnung (BHO) sowie das
Bundesrechnungshof-Gesetz (BRHG). Unangetastet blieb die sog. Haushaltsverfassung, die in den entsprechenden Artikeln 109-115 des Grundgesetzes verankert ist.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
133
Die Reform fand somit innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen, also innerhalb der parlamentarischen Bewilligungs- und Kontrollrechten, statt und
zielte insbesondere auf die Veränderung der bis dato restriktiven Haushaltsgrundsätze der Gesamtdeckung, der Jährlichkeit (zeitliche Bindung) und der
sachlichen Bindung. Diese Grundsätze waren zum Einen Ursache für ein unwirtschaftliches Verhalten der Verwaltung bei der Verwendung öffentlicher
Mittel (z.B. durch das sog. „Dezemberfieber“, wenn Mittel am Ende eines Jahres unbedingt ausgegeben werden mussten, damit im neuen Jahr wieder Mittel
in der geplanten Höhe zugewiesen wurden). Zum Anderen gaben diese Grundsätze keine Anreize für die Erwirtschaftung von Mehreinnahmen (z.B. wenn
eine öffentliche Schule Unterrichtsräume am Wochenende an private Organisationen vermieten wollte, hatte sie nichts von den Einnahmen).
Insgesamt betrachtet, war das bestehende Haushaltsrecht aufgrund seiner Starrheit einem ergebnisorientierten Management im Wege und deshalb kontraproduktiv zu der Logik des New Public Managements.
Die neuen Elemente der Reform wirken dem entgegen, durch:
· mehr Flexibilität in der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch Übertragungsmöglichkeiten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht,
· Erweiterung der Entscheidungsspielräume und der Eigenverantwortlichkeit
durch Dezentralisierung der Budgetverantwortung,
· Verbesserte Steuerungsmöglichkeiten durch Globalisierung (Reduzierung
der Haushaltstitel von ca. 10.000 auf 7.000 und Möglichkeit der Bildung
sog. Globaltitel für einzelne Organisationsbereiche) sowie
· Anreize zur Erzielung von Mehreinnahmen durch Zweckbindung.
Allerdings betreffen diese neuen Instrument noch nicht den gesamten Haushaltsplan und beschränken sich zur Zeit nur auf einzelne Bereiche (z.B. Personalausgaben); dennoch ist vorgesehen, diese schrittweise auszudehnen.
3.4.2.2 Controlling
Quer durch alle Ressorts wird gegenwärtig über die Implementierung eines
Verwaltungscontrollings zumindest nachgedacht, in Vielen bereits sogar schon
daran gearbeitet. Es soll damit auf Dauer ein Instrumentarium eingeführt werden, welches den Managementprozess unterstützt und dessen Teilbereiche der
Zielsetzung, Planung, Organisation und Kontrolle durch ein übergreifendes Informations-, Berichts- und Analysesystem integrativ miteinander verbindet.
134
Erster Teil
Dieses setz ein geeignetes betriebliches Rechnungswesen voraus, welches die
bisherige vornehmlich extern ausgerichtete Haushaltsrechnung um eine entsprechende ergebnisorientierte, für die interne Steuerung taugliche, Komponente erweitert. Diese Erweiterung erfolgt über die Einführung der in administrativen Betrieben bisher wenig verbreitete Kosten- und Leistungsrechnung
(KLR). Die Einführung der KLR ist aber nicht, wie vielfach diskutiert, an die
Umstellung der Haushaltsrechnung „auf die doppelte Buchführung gebunden,
sondern kann auch in Ergänzung zur Kameralistik erfolgen“ (SEEGER et. al.
1999, S. 8), was auch vom Gesetzgeber entsprechend präferiert wurde.
Dieser hat auch in der oben bereits angesprochenen Reform des Haushaltsrechts
die rechtlichen Rahmenbedingungen hierzu geschaffen, in dem er über den § 6
(3) HGrG bzw. § 7 (3) BHO die Einführung der KLR an den Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit gebunden hat. Allerdings ist durch den Vorbehalt, die KLR
nur „in geeigneten Bereichen“ einzuführen, für einzelne Behörden die Möglichkeit gegeben, eine Einführung der KLR zu verhindern (vgl. SEEGER et. al.
1999, S. 10).
Vor dem Hintergrund der Gesamtkonzeption der Bundesregierung und der sich
daraus ergebenden flächendeckenden Einführung des Controllings in allen Ressorts, wird aber früher oder später, allein aus praktischen Erwägungen, jeder
Bereich der administrativen Betriebe des Bundes eine KLR einführen müssen.
Diese schafft nämlich die wesentliche Informationsbasis für eine ergebnisorientierte Steuerung der administrativen Betriebe und eine Aussparung einzelner
Teilbereiche (z.B. Ministerien oder Bildungseinrichtungen) würde zu Brüchen
im Informationssystem führen und den Zielen des Controllings zu wider laufen.
Bereits per Kabinettsbeschluss vom 07.02.1996 hat die Bundesregierung die
Entwicklung einer „standardisierten KLR für die Bundesverwaltung“ (StandardKLR) initiiert, welche das Bundesfinanzministerium in Zusammenarbeit mit der
Beratungsgesellschaft „Arthur D. Little International Inc.“ bis zum Juli 1997
umgesetzt hatte (SEEGER et. al. 1999, S. 138). Seit dem wird an einer Weiterentwicklung der KLR gearbeitet, die unter Anderem die rein monetäre Betrachtung und Bewertung betrieblicher Leistungen über die Kosten durch Hinzunahme anderer qualitativer und quantitativer Größen ergänzt. Im Idealfall
kann zukünftig die Standard-KLR somit in ein ganzheitliches BalancedScorecard-Konzept (vgl. SEEGER et. al. 1999, S. 207) münden, welches in
dispositiven Betrieben immer mehr Verbreitung findet.
3.4.2.3 Maßnahmen im Bereich des Personalwesens
Im Bereich des Personalwesens werden ebenfalls flächendeckend bestimmte
Maßnahmen ergriffen, die zum Einen der Personalwirtschaft und zum Anderen
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
135
der Personalführung zugeordnet werden können.
Ohne näher auf die einzelnen Maßnahmen einzugehen, denn dies erfolgt bezüglich der Personalwirtschaft ausführlich im Hauptabschnitt 5 dieser Arbeit,
werden exemplarisch einige prägnanten Maßnahmenpakete an dieser Stelle kurz
vorgestellt:
· Novellierung des Dienstrechtes
durch den Gesetzgeber, insbesondere in Richtung einer leistungsgerechten
Besoldung und Vergütung sowie Verstärkung des Leistungsprinzips innerhalb des Beamten- und Laufbahnrechtes, um die oben bereits angesprochenen Rahmenbedingungen für ein modernes Personalmanagement im öffentlichen Dienst herzustellen,
· Erarbeitung und Umsetzung von Personalentwicklungskonzepten
durch die einzelnen Ressorts, was flankierende Maßnahmen im Bereich der
Organisationsentwicklung, etwa in Richtung einer lernenden Organisation
erfordert sowie
· Einführung von Partizipationsmodellen,
die teilweise bestimmte organisatorische Veränderungen, etwa durch Schaffung von Team- bzw. Gruppenstrukturen, erfordern und über Konzepte realisiert werden, die neben der Motivation der Mitarbeiter auch deren Potenzial
an Kreativität, Erfahrungen und Kenntnissen aktivieren, mit dem Ziel der
Produktivitätssteigerung einerseits und der Qualitätsverbesserung andererseits.
3.4.3.4 Ergänzende und unterstützende Instrumente
Von verschiedenen weiteren Instrumenten, welche die einzelnen Ressorts zur
Umsetzung der politischen Programme anwenden, sind das Market Testing und
das Benchmarking diejenigen, die am weitesten verbreitet sind.
Market Testing hat bei der Modernisierung der Bundesverwaltung eine doppelte
Funktion. Zum Einen handelt es sich hierbei um das Verfahren zur Ermittlung
des wirtschaftlichsten privaten Anbieters für ein effizientes Contracting Out
(vgl. Abschnitt 3.2.2.3). Zum Anderen stellt Market Testing ein Konzept zur
internen Optimierung über den Druck externen Konkurrenz dar. Es zwingt den
betreffenden Teilbereich des administrativen Betriebes zur Abwendung der
funktionellen Privatisierung, Schwachstellen aufzudecken, Verbesserungspotenziale zu identifizieren, Abläufe zu optimieren und damit einen wirtschaftlicheren Einsatz von Personal sowie Sach- und Haushaltsmittel zu erreichen.
Rechtliche Grundlage des Market Testing im Bereich der Bundesverwaltung ist
übrigens der durch das „Haushaltsrecht-Fortentwicklungsgesetz“ geänderte § 7
(1) BHO. Demnach ist zu prüfen, inwieweit staatliche Aufgaben mit dem Ziel
136
Erster Teil
einer sparsameren oder wirtschaftlicheren Leistungserfüllung „ausgegliedert,
entstaatlicht oder privatisiert“ werden können.
Benchmarking versucht unter annähernd gleicher Zielsetzung wie der des Market Testing eine interne bzw. externe Konkurrenz herzustellen und hilft den jeweiligen Organisationsbereichen, von anderen, vergleichbaren aber wirtschaftlicher handelnden, Organisationsbereichen zu lernen. Eine Verfahren also, das
durch die Bereitstellung von Vergleichs- und Richtwerten (Benchmarks) mögliche Rationalisierungspotenziale aufzeigt und Anstöße für eine interne Optimierung gibt.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
137
3.5 Konkrete Maßnahmen am Beispiel der
Bundeswehrverwaltung
3.5.1 Situation der Bundeswehr zur Jahrtausendwende
Kein anderes Ressort steht gegenwärtig unter einem so großen Modernisierungsdruck, wie das des Bundesverteidigungsministers. Zusätzlich zu den oben
angesprochenen politischen Programmen sah und sieht sich die Bundeswehr
auch aus anderen Gründen gezwungen, Überlegungen bezüglich einer Neuausrichtung anzustellen und Maßnahmen im Hinblick auf die Neubewertung ihrer
Aufgabenstellung und auf eine Binnenmodernisierung zu ergreifen.
Schon unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung brachte die Diskussion um die damals beginnende Veränderung der sicherheitspolitischen Gegebenheiten (Wegfall des sog. „eisernen Vorhangs“) drastische Reduzierungen insbesondere in personeller Hinsicht hervor. Auch mehr als zehn Jahre später ist die
Diskussion noch nicht beendet. Hinsichtlich der Erfahrungen, welche die Bundeswehr bezüglich verändert wahrzunehmender Bündnisaufgaben, hierzu zählten insbesondere die Auslandseinsätze (einige erstmals nach dem zweiten Weltkrieg mit Kampfauftrag) im Auftrag der NATO und der Vereinten Nationen,
gewonnen hat, war zwischenzeitlich eine Bestandausnahme und die Bewertung
der gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben angezeigt.
Diese Bestandsaufnahme initiierte der neue Bundesverteidigungsminister (Rudolf Scharping) nach der Bundestagswahl 1998 sowohl intern durch einen Auftrag an den Generalinspekteur der Bundeswehr als auch extern durch die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (sog. „WeizsäckerKommission“). Das Ergebnis dieser Bestandsaufnahme waren folgende Strategiepapiere:
·
„Die Bundeswehr – Sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf“ (BMVG 2000) und
·
„Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr – Bericht der
Kommission an die Bundesregierung“ (WEIZSÄCKER 2000).
Wenn auch beide Berichte sich bezüglich einzelner operativer Maßnahmen und
deren quantitativen Größen unterscheiden, so gehen sie doch übereinstimmend
von gleichen sicherheitspolitischen Prämissen im Bezug auf die Bedrohungslage, vor allem aber in Bezug auf die künftigen Bündnisaufgaben, aus. Ebenfalls
übereinstimmend sind die strategische Forderungen an eine moderne Bundeswehr, welche u.a. wie folgt lauten:
·
Drastischer Personalabbau sowohl bei den Streitkräften als auch bei der
Bundeswehrverwaltung, hier von gegenwärtig 124.000 auf künftig 80.000
138
·
·
·
·
·
·
Erster Teil
–90.000 Beschäftigten (BMVG 2000 S. 27; WEIZSÄCKER 2000, S. ,74)
Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht (BMVG 2000, S. 29; WEIZSÄCKER 2000, S. 15),
Reduzierung der Standorte,
Modernisierung der Ausrüstung der Streitkräfte, insbesondere für die
wahrzunehmenden Bündnisaufgaben im Ausland,
Neustrukturierung der Rüstungsorganisation, dabei Änderung in Aufbaustruktur u.a. durch Bildung einer privatrechtlich organisierten Rüstungsagentur (BMVG 2000, S. 24; WEIZSÄCKER S. 111) sowie bezüglich der
Planungs- Entwicklungs- und Beschaffungsabläufe
Kooperationen der Bundeswehr mit der Wirtschaft und
konsequente Umsetzung der politischen Programme zur Binnenmodernisierung, z.B. durch Einführung neuer Managementformen, explizit des
Controlling (BMVG 2000, S. 39; WEIZSÄCKER 2000, S. 125).
Als einen ersten Schritt zur Kooperation der Bundeswehr mit der Privatwirtschaft im Sinne eines Private-Public-Partnership bildet der Abschluss eines
Rahmenvertrages zur „Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der
Bundeswehr“ (RAHMENVERTAG BMVG 2000) vom Dezember 1999 bzw.
April 2000, den ca. 130 private Betriebe (Stand Oktober 2001) unterzeichnet
haben. Hierdurch wurden zunächst 14 Pilotprojekte gestartet, die u.a. die Übernahme bestimmter logistischer Aufgaben (Instandsetzung, Transport, Bereitstellung von Bekleidung „just in time“ etc.) schwerpunktmäßig durch private
Betriebe nach einem entsprechendem Contracting Out zum Ziel haben.
Die Konsequenzen aus diesen Strategiepapieren und aus den Verpflichtungen
des Rahmenvertrages sind eine radikale Umstrukturierung der Bundeswehr,
welche als „Bundeswehrstrukturreform“ bezeichnet wird. Die wesentlichen Entscheidungen für eine Modernisierung der Bundeswehr, welche auch im Sinne
des New Public Management gesehen werden kann, sind bereits getroffen. Sie
betreffen selbstverständlich gleichermaßen die Streitkräfte sowie die Bundeswehrverwaltung. Am letztgenannten administrativen Betrieb werden die wesentlichen Konzepte zur Binnenmodernisierung und die einzelnen Maßnahmen
im Folgenden konkret dargestellt.
3.5.2 Das Konzept “Kosten- und Leistungsverantwortung“ (KLV)
Bereits im Jahre 1993 wurde innerhalb der Bundeswehr eine interne Arbeitsgruppe „Aufwandsbegrenzung im Betrieb“ zur Identifizierung eines möglichen
Rationalisierungspotenzials eingesetzt. Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe war
ein Katalog von ca. 300 Verbesserungsvorschlägen und der zentralen Forderung
nach einer Einführung einer Kosten- und Leistungsverantwortung in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Bundeswehr.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
139
Hierauf erging später ein Erlass des Ministeriums, durch welchen die zentrale
Forderung der Arbeitsgruppe im Rahmen eines für alle Bereiche verbindlichen
Fachkonzeptes unter eben dem Namen „Kosten- und Leistungsverantwortung“
(KLV) umgesetzt werden sollte (BMVG 1996; neben weiteren Einzelerlassen).
Unter der neuen politischen Führung wurde dieses Konzept später nicht nur
bestätigt, es wurde ebenfalls durch ministeriellen Erlass bestimmt, „die KLV
mit Nachdruck einzuführen“ (BMVG 1999).
Die Zielsetzung der KLV entspricht im Kernbereich den oben genannten politischen Programmen und kann konkret wie folgt zusammengefasst werden:
·
effizienter Einsatz der verfügbaren Ressourcen zur Erfüllung des militärischen Auftrages und der diesbezüglichen zivilen Vorleistungen,
·
wirtschaftliche Erstellung aller militärischen und zivilen Leistungen,
·
Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei allen militärischen
und zivilen Entscheidungsprozessen,
·
Herstellung der Kosten- und Leistungsverantwortung auf allen Ebenen und
Schaffung einer dazu notwendigen Kosten- und Leistungstransparenz,
·
Reduzierung der Betriebskosten zugunsten der Investitionen und
·
Erschließung des Kreativitätspotenzials der Mitarbeiter.
Die einzelnen Maßnahmen zur diesbezüglichen Zielerreichung, welche sich
teilweise auch gegenseitig bedingen, sind:
·
das KLV-Controlling,
·
die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR),
·
ein Kontinuierliches Verbesserungsprogramm (KVP),
·
die Dezentralisierung von Verantwortung,
·
der Einsatz unterstützender Instrumente sowie
·
Umsetzung eines Personalentwicklungskonzeptes.
Mit Ausnahme der Personalentwicklungskonzeptes, hierauf wird in Abschnitt
5.3.3 explizit eingegangen, werden die einzelnen Maßnahmen in den folgenden
Abschnitten näher vorgestellt
3.5.2.1 KLV-Controlling
Controlling soll auch in der Bundeswehrverwaltung dazu beitragen, die Produktivität, Kostenwirtschaftlichkeit und Effektivität beim Einsatz der Ressourcen zu erhöhen. Hierzu werden alle Leistungsbereiche durch ein jeweiliges
funktionales Bereichscontrolling unterstützt. Gleichzeitig wird ein KLVControlling zur Steuerung der Gesamtorganisation im Hinblick auf die KLVZielsetzung eingerichtet.
140
Erster Teil
Organisatorisch wird Controlling auf allen Ebenen außerhalb der Linie implementiert. So wird im Ministerium ein Controlling-Stab (sog. LeitungsControlling) gebildet. In den größeren Dienststellen im nachgeordneten Bereich
entstehen gesonderte Abteilung (Zentralcontrolling) mit einem entsprechenden
Unterbau (Bereichscontrolling) und in den kleineren Dienststellen sind es einzelne hauptamtliche Controller bzw. nebenamtliche Controllingbeauftragte. Die
Aufgaben der jeweiligen Controller bestehen u.a. in
·
·
·
·
·
·
·
der Beratung der Dienststellenleiter und der Führungskräfte in allen wirtschaftlichen Fragen,
der Identifizierung von Potenzialen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung,
der Koordination und Integration der Zielsetzung, Planung und Kontrolle
aller Aktivitäten zur Steigerung der betrieblichen Effizienz und Effektivität,
der Weiterentwicklung aller KLV-Instrumente,
der Unterstützung der Leitung bei der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen,
der Überprüfung der Notwendigkeit und Effizienz von Vorschriften und
dem Aufbau eines ebenenspezifischen Führungsinformationssystems.
Die zuletzt genannte Aufgabe deutet auf ein weiteres wesentliches Merkmal des
Controllings hin, nämlich dem Aufbau eines Berichtswesens, welches den einzelnen Verantwortlichen (Führungskräften aber auch Mitarbeitern) auf bestimmten Kennzahlen verdichtete, verständliche und aussagekräftige Informationen zur Überprüfung ihres eigenen wirtschaftlichen Handelns und des jeweiligen Verantwortungsbereiches ermöglicht.
Eine wesentliche Quelle der hierzu erforderlichen Daten bildet das betriebliche
Rechnungswesen, welches ursprünglich in der Bundeswehrverwaltung einen
überwiegenden externen Charakter hatte und fast ausschließlich aus der Haushaltsrechnung bestand, nun aber im Schwerpunkt durch die Einführung der
KLR zum Zwecke der effizienten internen Steuerung erweitert wird.
3.5.2.2 Kosten- und Leistungsrechnung (KLR)
Mit der Einführung einer KLR in der Bundeswehrverwaltung wird erstmalig ein
internes Rechnungswesen aufgebaut, welches als notwendiges Instrument des
Controllings insbesondere ein ergebnisorientiertes Handeln auf allen Ebenen
ermöglichen soll.
Zwar gab es bei der Bundeswehr in einzelnen Bereichen bereits eine Kosten-
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
141
rechnung, jedoch zielte sie bisher nur auf die Kalkulation von Verrechnungspreisen ab, die öffentlichen und privaten Organisationen für bestimmte Dienstleistungen in Rechnung gestellt wurden; so z.B. wenn Soldaten im Katastropheneinsatz andere staatliche Dienste unterstützten oder wenn die Industrie zur
Entwicklung von Wehrmaterial Erprobungseinrichtungen der Wehrtechnischen
Dienststellen des Rüstungsbereiches in Anspruch nahm. Da diese Kostenrechnung vornehmlich mittels einfacher Vollkostenrechnung stattfand und daher für
eine Analyse des Gemeinkostenbereiches nur bedingt geeignet war, wird sie im
Zuge der Einführung der KLR entsprechend modifiziert.
Die KLR in der Bundeswehrverwaltung beinhaltet neben den bekannten klassischen Elementen einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung
insbesondere die Prozesskostenrechnung. Dies erscheint sinnvoll, da die Wehrverwaltung als Vorleistungsbetrieb für den administrativen Betrieb „Streitkräfte“ einen sehr hohen Gemeinkostenanteil hat. Dieser kann über die Prozesskostenrechnung für eine optimale Wirtschaftlichkeitskontrolle einerseits transparenter gemacht werden, andererseits kann die Kostenverrechnung auf die Kostenträger detaillierter erfolgen (vgl. SEEGER 1999, S. 228), was notwendig ist,
weil die monetäre Bewertung der Kostenträger ausschließlich zu den Kosten
und daneben nicht zu Marktpreisen möglich ist.
Damit ist es möglich, die Leistungen einzelauftragsorientierter Bereiche der
Bundeswehrverwaltung mittels Kostenträger über eine Zuschlagskalkulation
und die Leistungen aller anderen mittels Prozessen zu kalkulieren. Letztere bestehen aus Aktivitätenketten, welche verschiedene Kostenstellen durchlaufen
und ein entsprechendes Mengengerüst (sog. Kostentreiber) für die Zwecke des
Controlling ausweisen.
Die für die KLR derzeit zur Verfügung stehenden IT-Unterstützungssysteme,
„KOLIBRI“ (überwiegend Territoriale Wehrverwaltung), „ORAG 7“ (Rüstungsbereich) und „SAP R/3“ (teilweise im Testlauf und soll mittelfristig die
beiden anderen Systeme ablösen) bestehen aus einem
· Vorsystem
(u.a. mit einer Anlagen-, Material-, Personal- und Aktivitätenbuchhaltung),
· Kernsystem
(Kostenarten-, Kostenstellen-, Prozesskosten-, Kostenträger- und Planungsrechnung) sowie einem
· Auswertesystem
(Controlling und sonstige Informationssysteme).
142
Erster Teil
3.5.2.3 Kontinuierliches Verbesserungsprogramm (KVP)
Mit Hilfe des KVP soll gezielt das Wissens- und Kreativitätspotenzial der Beschäftigten der Bundeswehrverwaltung aktiviert und für die Optimierung von
Verwaltungsprozessen bzw. einzelner Aktivitäten genutzt werden. Daneben
wird mit dem KVP ein umfassendes Qualitätsmanagement unterstützt, in dem
Verbesserungsvorschläge seitens der Mitarbeiter kontinuierlich angeregt und
für eine schnellere Umsetzung aufbereitet und weitergegeben werden. Somit ist
dieses Verfahren durchaus vergleichbar mit den aus Japan in die deutsche Privatwirtschaft importierten „Qualitätszirkeln“. KVP soll also in diesem Sinne
·
·
·
·
die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung erhöhen,
die Qualität der Arbeitsergebnisse verbessern,
die Zufriedenheit, Motivation und Identifikation der Mitarbeiter steigern,
die Betriebssicherheit, den Unfallschutz und den Umweltschutz verbessern
sowie
· den Teamgeist und die Teamfähigkeit der Mitarbeiter fördern.
Das bisher in der Bundeswehr etablierte „Vorschlagswesen“, welches eher statisch ausgerichtet war und individuelle Verbesserungsvorschläge erst über einen
langen und teilweise hinderlichen Instanzenweg belohnte, wird in das KVP integriert und entsprechend modifiziert. KVP zeichnet sich gegenüber dem bisherigen Vorschlagswesen als ein dynamischer und dauerhafter Prozess aus, der
sowohl individuelle als auch kollektive Ideen generiert. Diese werden über eine
Paralellorganisation ohne größere zeitliche Verzögerungen an die Entscheidungsträger so aufbereitet weitergegeben, dass eine zeitnahe Umsetzung ermöglicht wird, was für die Initiatoren als ein ebenso wichtiges Feedback anzusehen ist, wie eine entsprechende Belohnung.
Die entsprechende KVP-Organisation besteht an der Basis aus KVP-Gruppen
und KVP-Workshops, welche fallweise bzw. regelmäßig festgelegte Probleme
bearbeiten. Unterstützt und begleitet werden diese Gruppen von einem KVPModerator. Dieser ist, u.a. neben dem Controller und einem ständigen KVPBeauftragten, Angehöriger des KVP-Steuerungsausschusses, welches als Beratungsgremium sowohl die KVP-Vorschläge der jeweiligen Gruppen als auch
einzelner Mitarbeiter bewertet und an den Dienststellenleiter weitergibt. Dieser
trägt die Gesamtverantwortung für das KVP und hat letztendlich über die Umsetzung der einzelnen Vorschläge zu entscheiden bzw. an eine übergeordnete
KVP-Koordinierungsstelle abzugeben, wenn die Vorschläge seine Dienststelle
nicht oder nicht nur betreffen.
Für die jeweiligen KVP-Vorschläge werden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
angestellt, welche unter anderem auch die Nettoeinsparungen ermitteln sollen
auf Grund derer die Anerkennungsprämien (prozentual, maximal 50.000 DM)
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
143
berechnet werden.
3.5.2.4 Dezentralisierung von Verantwortung
Aus den erweiterten Möglichkeiten, die der Gesetzgeber im Rahmen der Flexiblen Budgetierung den einzelnen Ressorts zur Bewirtschaftung der Haushaltsmittel geschaffen hat, ergeben sich zusätzliche Entscheidungsfreiräume im
Wege der Dezentralisierung, welche durch die KLV auch genutzt werden sollen.
So haben beispielsweise die KLV-Dienststellen nach der sog. „Freiraumregelung“ die Möglichkeit, Personal für maximal 12 Monate flexibel, d.h. unabhängig von konkreten Dienstposten, einzusetzen. Ziel dieses Verfahrens ist die Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation nach vorheriger Erprobung neuer Abläufe ggf. in veränderten Strukturen.
Ein weiters Beispiel ist die Nutzung der Möglichkeit von Globalbudgets in einzelnen hierfür geeigneten Dienststellen, welche seitdem Jahr 2000 an den beiden Bundeswehruniversitäten und bei zwei Bundeswehrkrankenhäusern erprobt
wird. Auf Grund der Erfahrungen dieser Organisationseinheiten des administrativen Betriebes „Streitkräfte“ wäre eine Einführung von Globalbudgets bei
den sog. „Dienststellen mit besonderen Aufgaben“ (vgl. Abschnitt 1.4) der
Bundeswehrverwaltung denkbar.
3.5.2.5 Einsatz unterstützender Instrumente
Das KLV-Konzept wird letztlich getragen durch den Einsatz verschiedener betriebswirtschaftlicher Instrumente zur Unterstützung eines strategischen Managements sowie zum Zwecke verschiedenster Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Hierzu zählen insbesondere das Market Testing (MT) und das Benchmarking (siehe Abschnitt 3.4.3.4).
Im Rahmen des Market Testing wird zunächst untersucht, welche Leistungen
MT-fähig und welche MT-würdig sind. MT-fähig sind Leistungen der Bundeswehrverwaltung, wenn sie nicht zu den Kernaufgaben der Bundeswehr gehören
(insbesondere keine hoheitlichen Aufgaben darstellen), von privatwirtschaftlicher Seite objektiv auch erbracht werden können und keine Probleme bezüglich
der Mindestversorgung im Spannungsfall zu befürchten sind. MT-würdig sind
dann die MT-fähigen Leistungen, wenn die Vermutung nahe liegt, dass private
Anbieter die Leistung wirtschaftlicher erbringen können. Außerdem darf auf
dem privaten Markt kein Angebotsmonopol entstehen (auch wenn zuvor ein
staatliches Monopol für diese Leistung bestand); freizusetzendes Personal muß
sozialverträglich abgebaut werden können und es muß ein Qualitätsmanage-
144
Erster Teil
ment eingerichtet sein, auf Grundlage dessen Sanktionsmechanismen gegen die
privaten Dienstleister im Falle der Nichterfüllung wirken können. Bei der
Durchführung von MT-Maßnahmen ist die Personalvertretung zu informieren
bzw. im Realisierungsfall, soweit gesetzlich vorgesehen, auch zu beteiligen.
Es sind generell drei Typen von MT-Untersuchungen zu unterscheiden:
· Komplexe MT-Vorhaben,
welche ganze Organisationseinheiten betreffen, die Anwendung der KLR
zwingend erforderlich machen, zu Betriebskosteneinsparungen von mehr als
6 Mio. DM führen können und länger als 1 Jahr in Anspruch nehmen;
· Einfache MT-Vorhaben,
die nur Teile von Organisationseinheiten betreffen, bei denen KLRAnwendungen nicht zwingend notwendig sind, bei Personaleinsparungen
nicht mehr als 10 abzubauende Dienstposten betroffen sind und zwischen einem halben und einem Jahr realisiert werden können;
· MT-Fälle,
die weniger komplex sind, kein Vergabeverfahren im Wettbewerb erforderlich machen und innerhalb von 6 Monaten bearbeitet werden können.
Benchmarking in der Bundeswehrverwaltung zielt sowohl auf den Vergleich
eigener Dienststellen aber auch mit anderen administrativen und dispositiven
Betrieben. Durch die Einrichtung dieses Quasi-Wettbewerbs soll ein permanentes Prozess-reengineering initiiert werden. Dazu leitet jede einzelne Dienststelle eigenverantwortlich Benchmarkingprozesse für zentral festgelegte Leistungsbereiche ein. Die jeweiligen Benchmarks werden über das Controlling
erarbeitet und bekannt gegeben. Es ist aber auch möglich, entsprechende Richtund Vergleichswerte aus öffentlichen Quellen (amtliche Statistiken, Fachzeitschriften etc.) heranzuziehen. Besonders zu berücksichtigen sind die Benchmarks des Bundesrechnungshofes, der in einer Untersuchung von 11 repräsentativen Behörden Kennzahlen für u.a. folgende Bereiche erarbeitet hat:
·
·
·
·
Personalbearbeitung (Beschäftigte/Personalsachbearbeiter),
Beihilfebearbeitung (Anträge/Beschäftigte),
Reisekostenbearbeitung (Anträge/Beschäftigte) oder
Pförtnerdienstposten (Beschäftigte/Pförtner).
Weitere KLV-Instrumente für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind alle aus
der Betriebswirtschaftslehre bekannten und für den Einzelfall geeigneten Verfahren, wie z.B.:
· Kostenvergleichsrechnungen, Kosten- Nutzen-Untersuchungen,
Kostenwirksamkeitsanalysen sowie Nutzwertanalysen
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
145
· Investitionsrechnungen, wie z.B. Amortisationsrechnungen oder Kapitalwertmethoden oder
· ABC- bzw. XYZ-Analysen für die Materialbewirtschaftung.
Einen Überblick über das KLV-Konzept zur Modernisierung der Bundeswehrverwaltung mit seinen einzelnen Elementen vermittelt schließlich folgende Abbildung:
Modernisierung der Bundeswehrverwaltung
(KLV-Konzept)
Controlling
• Personalentwicklung
• KVP
KLR
• Flexibilisierung
(Budgetierung)
• Dezentralisierung
Unterstützende Instrumente
(Market Testing, Benchmarking, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen)
Abb. 19: Überblick über das KLV-Konzept zur Modernisierung der Bundeswehrverwaltung
3.5.3 Besonderheiten im Rüstungsbereich
Als Teil des administrativen Betriebes „Bundeswehrverwaltung“ ist auch der
Rüstungsbereich an das KLV-Konzept gebunden, so dass alle oben genannten
Maßnahmen und Instrumente auch hier uneingeschränkt Anwendung finden.
Darüber hinaus ist der Rüstungsbereich aber noch von weitergehenden Reformen betroffen. Die Gründe hierfür liegen in der diagnostizierten Ausrüstungslücke der Streitkräfte in den oben genannten Strategiepapieren (siehe Abschnitt
3.5.1) und in der Notwendigkeit, durch entsprechende Modernisierung der Aufbauorganisation und der Abläufe die Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial effizienter zu gestalten.
Hierzu wurde im Jahr 2000 begonnen, den Rüstungsbereich teilweise durch die
146
Erster Teil
Hinzunahme von privatrechtlich organisierten Agenturen umzugestalten, die
Verfahrensregeln für die Entwicklung und Beschaffung zu überarbeiten und das
bereits seit Ende der 80er Jahre bestehende Rüstungscontrolling den neuen Anforderungen anzupassen.
3.5.3.1 Umgestaltung der Rüstungsorganisation
Privatrechtlich organisierte Rüstungsagenturen gab es schon seit geraumer Zeit
für einzelne multinationale Beschaffungsprojekte, wie beispielsweise die NATO-Agentur namens „NETMA“ in München, welche u.a. für die Beschaffung
der Kampfflugzeuge „TORNADO“ und „EUROFIGHTER“ zuständig ist und an
der neben Deutschland noch Großbritannien, Italien und Spanien partizipieren.
Dem europaweiten Trend einer Konzentration der Rüstungsindustrie über gemeinsame Organisationen oder Kooperationen folgend, etabliert sich auf staatlicher Seite gegenwärtig auch eine europäische Rüstungsagentur mit Namen
OCCAR in Bonn, die ursprünglich aus deutsch-französischen Einzelprojekten
hervorgegangen ist und an welcher sich immer mehr EU-Partnerländer beteiligen. Es handelt sich hierbei um einen Fall der formellen Privatisierung, da die
Organisationseinheiten der Bundeswehrverwaltung sukzessive Aufgaben aus
dem Bereich der internationalen Beschaffungsvorhaben an diese Agentur abgeben werden.
Der Rahmenvertrag „Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehrverwaltung“ (siehe RAHMENVERTRAG BMVG 2000), der einige
Projekten im Sinne des Private Public Partnership beinhaltet, welche hauptsächlich die Streitkräfte bzw. den Verwaltungsbereich „Territoriale Wehrverwaltung“ tangieren, verpflichtete die Bundeswehr daneben zur Gründung einer
„Agentur für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb“. Es ist geplant, diese Agentur, welche den Namen „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und
Betrieb“ (GEBB) trägt und in der Rechtsform einer GmbH vollständig im Eigenturm des Bundes verbleibt, auch mit nationalen Beschaffungsaufgaben zu
betrauen.
Die GEBB soll konkret dazu beitragen, bei Bedarfsdeckung und Betrieb der
Bundeswehr ein systematisch und institutionell gesichertes Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Dazu ist vorgesehen, dass sie:
· das Bundesministerium der Verteidigung bei der Auswahl und Ausgestaltung der Beschaffungs-, Betriebs-, Finanzierungs- und Zahlungsmodalitäten
berät,
· bei der Umsetzung unterstützt,
· aufgabenorientierte Einzelgesellschaften gründet und
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
147
· die Bundeswehr von Aufgaben entlastet, die nicht zu deren Kernaufgaben
gehören.
Die GEBB kann also Tochtergesellschaften gründen, über deren Rechtsform,
Beteiligungsverhältnisse und Finanzierungsinstrumente aufgabenorientiert entschieden wird und in die der Bundesminister der Verteidigung bei Bedarf Anlage- und Sachvermögen einbringen kann. Projektabhängig sollen diese Gesellschaften sowohl über die Anwendung in der Wirtschaft bewährter Finanzierungsinstrumente als auch über die wirtschaftlichste Form der Kooperation (wie
z.B. Betreibergesellschaft, weitere Agenturlösungen oder Joint Ventures mit der
Privatwirtschaft) entscheiden.
Als staatliche Steuerungs- und Koordinierungsinstanz, welche unter anderem
bestimmte Gewährleistungsaufgaben wahrzunehmen hat, bleibt das BWB, wenn
auch deutlich reduziert, erhalten. Außerdem wird das BWB und seine nachgeordnete Dienststellen zu einem Konzern umstrukturiert. Hierbei erhält das BWB
als Konzernmutter weitestgehend eine kundenorientierte Projektorganisation
mit flexiblen Aufbau- und Ablaufstrukturen, während die Dienststellen zu Bundesberieben gem. § 26 BHO umstrukturiert werden und somit aus der für die
neue Aufgabenerfüllung hinderliche kameralen Rechnungssystematik des Bundeshaushaltes herausgelöst werden.
3.5.3.2 Neue Verfahrensregeln für Entwicklungen und Beschaffungen
Anlässlich der Veranstaltung "Bundeswehr und Wirtschaft – Eine strategische
Partnerschaft auf dem Weg in den modernen Staat" am 4. Mai 2000 in Berlin
hat Bundesverteidigungsminister Scharping angekündigt, neue Verfahrensregeln für Entwicklungen und Beschaffungen der Bundeswehr zu erlassen. Diese
neuen Verfahrensregeln wurden am 14. Juli 2000 in Kraft gesetzt; sie werden
zunächst an sieben Pilotvorhaben während der Dauer eines Jahres erprobt und
sollen langfristig für alle Beschaffungsvorhaben gelten.
Die bisherigen Verfahren zur Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial
(EBMat) führten wegen des enormen zeitlichen Durchlaufs der Projekte (teilweise 15 Jahre von der militärischen Bedarfsforderung bis zu Übergabe an die
Truppe) zu Risiken hinsichtlich der Kosten und der konzeptionellen Aktualität
des Wehrmaterials. Sie werden ersetzt durch ein kundenorientiertes Projektmanagement ("Customer Product Management 2001“ / CPM 2001"). Das neue
Verfahren orientiert sich an industriellen bzw. privatwirtschaftlichen Beschaffungsgängen. Beispielsweise wird der militärische Bedarf, im Gegensatz zur
bisherigen Praxis, nicht mehr durch detaillierte technische Spezifikationen,
sondern durch sog. Funktionalitäten beschrieben. Dies eröffnet den potenziellen Auftragnehmern ein Höchstmaß an Freiheit, wie die vorgegebenen Fähig-
148
Erster Teil
keiten (Funktionalitäten), Kostenziele und Termine erfüllt werden. Die Streitkräfte als „Kunden" der Bundeswehrverwaltung sollen damit von der Innovationsfähigkeit der Industrie profitieren.
Über die engere Kooperation zwischen Bundeswehr und Wirtschaft hinaus wird
mit dem neuen Verfahren für militärische Entwicklungen und Beschaffungen
der administrative Aufwand innerhalb der Bundeswehr reduziert sowie der
Kosten- und Zeitaufwand optimiert.
Eine Übersicht über das Ausmaß der Straffung der Entwicklung- und Beschaffungsabläufe bietet folgende Abbildung (BMVG 2000 a, S. 40) durch den Vergleich des alten Verfahrens (EBMat) gegenüber dem neuen Verfahren (CPM
2001):
Phasenmodelle
Phasenmodell
ALT
Vorlauf
1
Vorlauf Definition
2
Entwicklung
Verschiedene
Verantwortliche
Beschaffung
Vorhabenmanager
Risiken für Kosten und konzeptionelle Aktualität
Customer Product Management 2001
NEU
Analyse
Generalinspekteur
Projektierung
Einführung
Projektleiter
Abb. 20: Phasenmodelle der unterschiedlichen Verfahren zur Entwicklung und Beschaffung
von Wehrmaterial (Quelle: BMVG 2000 a, S. 40)
Neben der konzeptionellen Neuregelung für Beschaffungsprojekte werden ca.
175 Verwaltungsvorschriften allein im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung aufgehoben, um hierdurch ebenfalls dazu beizutragen, dass die Entwicklungs- und Beschaffungszeiten sowie die damit verbundenen Kosten reduziert werden können.
3. Die Verwaltungsreformen des New Public Managements
149
3.5.3.3 Rüstungscontrolling
Die Änderung des Verfahrens zur Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial hat auch Auswirkungen auf das bereits seit über zehn Jahren bestehenden
Rüstungscontrolling. Das zur Steuerung und Überwachung der Beschaffungsverfahren auf Grundlage des EBMat eingerichtete Vorhabencontrolling zielte
hauptsächlich auf die Einhaltung von Terminen und Fristen sowie auf den
rechtzeitigen Abfluss von zugewiesenen Haushaltsmitteln. Letzteres hatte gerade in Bezug auf die wirtschaftliche Verwendung der Haushaltsmittel eine eher
kontraproduktive Wirkung, entsprach aber dem damals geltenden Haushaltsrecht.
Mit der Änderung des Haushaltsrechts, sowie vor dem Hintergrund des KLVKonzeptes und dem neuen Beschaffungsverfahren CPM 2001, wird das Rüstungscontrolling eher ein Projektcontrolling werden, welches auf eine Kosteneffizienz bezüglich beschleunigter Prozesse und einem effektiven wie effizienten
Ressourceneinsatz abzielt und die entsprechenden Zielvorgaben eines Qualitätsmanagements überwacht.
Das moderne Rüstungscontrolling wird aller Voraussicht nach ebenfalls den
Grundsätzen des weiter oben beschriebenen KLV-Controlling entsprechen und
damit auch ein wichtiger Baustein der Modernisierung der Bundeswehrverwaltung im Sinne des New Public Managements sein.
150
Erster Teil
Zweiter Teil
151
152
Zweiter Teil
4. Hauptabschnitt:
Das Personalwesen administrativer Betriebe vor
den Verwaltungsreformen
Nach den Darstellungen der Verwaltungsreformen des New Public Management
wird in diesem Hauptabschnitt der Frage nachgegangen, ob bezüglich des Personalwesens der administrativen Betriebe vor diesen Reformen (klassisches Personalwesen) bereits von Personalwirtschaft in dem in Hauptabschnitt 2 definierten Sinne gesprochen werden kann.
Hierzu erfolgt zunächst eine allgemeine Beschreibung des klassischen Personalwesens unter Einbezug der historischen Entwicklung und der rechtlichen
Grundlagen im Hinblick auf die sogenannten „hergebrachten Grundsätze“ des
Berufbeamtentums und deren Auswirkung auch auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern. Diese Beschreibung schließt ab mit einer Vorstellung der Kernbereiche des klassischen Personalwesens.
Zur weiteren Verdeutlichung der typischen Charakteristika und der Besonderheiten werden die Grundzüge des klassischen Personalwesens am Beispiel der
Bundeswehrverwaltung durch Aufzählung der dort geltenden Rechtsgrundlagen,
durch Ausführungen zur Organisation und Darstellungen einiger ausgewählter
Verfahren sowie des Personalinformationssystems vorgestellt.
Abschließend werden diese Erkenntnisse im Rahmen einer personalwirtschaftlichen Analyse herangezogen, um schließlich die Aussagen zur Begrifflichkeit
herzuleiten, welche auf das klassische Personalwesen zutreffen.
Die weiteren Ausführungen und die personalwirtschaftliche Analyse erfolgen in
der Gegenwartsform, obgleich viele administrative Betriebe bereits weit in den
Reformprozess eingedrungen sind, Andere aber noch am Beginn dieser Reformen stehen.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
153
4.1 Das klassische Personalwesen der öffentlichen Verwaltung
Das Personalwesen der administrativen Betriebe vor den in Hauptabschnitt 3
beschriebenen Staats- und Verwaltungsreformen in Deutschland ist bezeichnenderweise geprägt von den letzten großen Reformen, welche zu Beginn des 19.
Jahrhunderts stattfanden. Unter dem Einfluss der französischen Revolution
(1789-1799), aber mit der Zielsetzung, den Staat insbesondere gegen die Bedrohung Napoleons zu stärken, entstanden hauptsächlich in Preußen die Staatsstrukturen, welche noch heute in den sogenannten klassischen Ressorts (Finanz-,
Verteidigungs-, Justiz-, Innen- und Außenressort) auf Bundesebene ihre Entsprechung finden. Die Verwaltungsreformen, welche durch STEIN und HARDENBERG bezüglich der Staatsverwaltung sowie der kommunalen Selbstverwaltung, durch GNEISENAU und SCHARNHORST bezüglich der Militärverwaltung und durch HUMBOLDT bezüglich der Bildung initiiert wurden, wirken
ebenfalls noch bis in die heutige Zeit hinein.
Gemessen an den weit aus dem Mittelalter tradierten Verhältnissen, in denen
fast ausschließlich dem Adel alle wichtigen öffentlichen Ämter vorbehalten waren und die so das staatliche Personalwesen bestimmten, wirkten diese Reformen insbesondere im Bereich des staatlichen Personalwesens geradezu revolutionär. Wie FREIHERR VON HARDENBERG in seiner Denkschrift „Über die
Reorganisation des Preußischen Staates“ (in WINTER 1982, Sp. 302 ff.) formulierte, war diese „Revolution im guten Sinn, gerade hinführend zu dem großen
Zwecke der Veredelung der Menschheit, durch Weisheit der Regierung und
nicht durch gewaltsame Impulsion von innen oder außen“ (a.a.O. Sp. 306), bewusst darauf angelegt, bestimmte Privilegien des Adelsstandes, unter anderem
in Bezug auf den Zugang und die Ausgestaltung öffentlicher Ämter, zurückzuführen. Mit der Zielsetzung „die natürliche Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger nicht mehr zu beschränken“ (a.a.O. Sp. 313) hatte man in jenen Tagen
die Intention der Französischen Revolution übernommen, ihrer „blutigen Ungeheuer“ gedacht und damit eine ebenso blutige Auseinandersetzung zwischen den
jeweiligen Ständen zu vermeiden gewusst.
In diesem Geiste entwickelte sich daraus ein Personalwesen im öffentlichen
Dienst, dessen implizites Leitbild das des Berufsbeamtentums (vgl. BALZEREIT 1992, Sp. 1842 f.) geworden ist und welches auch heute noch vorherrscht;
dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass mittlerweile neben den Beamten
auch verhältnismäßig viele Arbeitnehmer zum Personalbestand administrativer
Betriebe gehören.
Deshalb werden in den nun folgenden Abschnitten, nach einer kurzen Abhandlung der weiteren historischen Entwicklung, die Grundsätze des Berufbeamtentums vorgestellt sowie die Auswirkung auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern aufgezeigt. Da das Personalwesen der administrativen Betriebe aber nicht
154
Zweiter Teil
nur durch die dienstrechtlichen, also beamtenrechtlichen und tarifvertraglichen
Regelungen geprägt ist, sondern auch nicht unwesentlich vom Recht der öffentlichen Haushalte, wird auch auf diesen bedeutsamen Aspekt näher eingegangen.
Schließlich können die zentralen Elemente des klassischen Personalwesens vor
dem Hintergrund des öffentlichen Dienstrechtes und der jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorgaben erläutert werden.
4.1.1 Historische Entwicklung des Berufsbeamtentums
Wie eingangs angesprochen, ist nach der verfassungsrechtlichen Forderung des
Art. 33 (5) GG das Recht des öffentlichen Dienstes nach den sogenannten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu regeln. Hierbei handelt es
sich um einen „Kernbestand von Strukturprinzipien, die (...) während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, (...) als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (BUNDESVERFASSUNGSGERICHT in JARASS/PIERTOTH 1989, S. 394). Bevor diese Strukturprinzipien, die doch das
Personalwesen des öffentlichen Dienstes so maßgeblich beeinflussen, näher
vorgestellt und erläutert werden können, bietet sich zum besseren Verständnis
an, den Zeitraum näher zu beleuchten, in welchem sich diese Traditionen herausgebildet haben.
Ausgehend von den Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die am Beispiel
Preußens oben bereits angesprochen wurden, begann sich in den deutschen
Staaten eine Idee bezüglich der Beschäftigung von Staatsdienern herauszubilden, welche die bis dato auf die „Willkür und Gnade“ (BLEEK 1976, Sp. 401)
der Fürsten und Monarchen ausgerichteten und von einer absoluten Subordination geprägten Beschäftigungspraktiken entsprechend dem Geiste dieser Reformen modifizierten. Es entstand zu dieser Zeit ein modernes, auf den Gleichheitsund Freiheitsprinzipien beruhendes, öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, das u.a. allen Ständen den Zugang zu öffentlichen Ämtern ermöglichte und welches auch Angehörigen des Adels die selben Ausbildungsgänge
und Prüfungen für höhere Ämter im Verwaltungsdienst und im Militär auferlegte, wie sie für alle Anwärter galten.
Nicht nur in Preußen, vor allem auch im Staat Bayern, entwickelte sich diesbezüglich ein Dienstrecht, welches dort 1805 bereits sehr früh mit der „Bayerischen Haupt-Landes-Pragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener
vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalte“ kodifiziert wurde (vgl.
BECKER 1989, S. 819, BLEEK 1976, Sp. 402). Hauptsächlich regelte dieses
Gesetz das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Verwaltungsdienstes mit
folgenden Kernelementen:
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
155
· das Prinzip der lebenslangen Anstellung, welche nur durch Richterspruch
beendet werden konnte,
· der Anspruch auf angemessene Besoldung, die nach bestimmten Laufbahnen dem Leistungsprinzip folgen sollte,
· die umfassende Fürsorge und Versorgung des Beamten und seiner Familie,
· die Einstellung nach Befähigung und Leistung nach einer entsprechenden
Auslese,
· der Verpflichtung zur vollen Hingabe zum Amt sowie
· bestimmte Amtspflichten und die Einhaltung einer Amtsmoral, welche
allesamt im Falle von Verstößen strafrechtlich sanktioniert werden konnten.
Diese Prinzipien wurden, unter Hinzunahme eines besonderen Disziplinarrechtes, ab dem Jahr 1873 durch das „Reichsgesetz betreffend die Rechtsverhältnisse
der Reichsbeamten“ auf ganz Deutschland rechtsverbindlich ausgeweitet (vgl.
BECKER, 1989, S. 820).
Nach dem Zerfall der Monarchie und der 1919 entstandenen Republik, welche
erstmals auf einer reinen Parteiendemokratie aufgebaut war, hatten die Kernprinzipien des Berufsbeamtentums „aus Gründen der Verwaltungskontinuität“
(BLEEK 1976, Sp. 405) weiterhin Bestand. So wurden im Art. 129 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) die „wohlerworbenen Rechte“ des Berufbeamtentums ausdrücklich für weiterhin gültig erklärt. Allerdings hatte der Verfassungsgeber die Gefahr erkannt, dass die politischen Parteien die Beamten als Werkzeuge missbrauchen und so die Demokratieprinzipien unterlaufen könnten. Mit
der Feststellung, dass „Beamte Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei“ seien,
glaubte man durch den Art. 130 WRV die entsprechende Regelung in die Verfassung geschrieben zu haben.
Dieses Ansinnen muss aus heutiger Sicht offensichtlich als misslungen angesehen werden, betrachtet man die weitere Entwicklung in Deutschland und insbesondere den Missbrauch des Berufsbeamtentums in der Nazi-Diktatur. Nicht,
dass die verfassungsrechtlichen Regelungen der WRV als völlig unzureichend
angesehen werden müssten. Es war vermutlich eher die „persönliche Einstellung
der unter der Monarchie aufgewachsenen und erzogenen Beamten als Menschen
zum neuen Staat, den sie mehrheitlich nicht akzeptierten“ (BECKER 1989, S.
820), welche den Missbrauch erleichterte. Jedenfalls verstanden es die Nationalsozialisten, die Vorzüge des Berufsbeamtentums für ihre eigenen undemokratischen und bekanntermaßen menschenverachtenden Zwecke zu nutzen und erließen mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums“ (1933) sowie dem „Deutschen Beamtengesetz“ (1937) die entsprechenden rechtlichen
Grundlagen. Diese Gesetze verdrängten die Grundsätze des Leistungs- und
156
Zweiter Teil
Laufbahnprinzips durch eine „Patronage- und Vasallenpolitik der NSDAP“
(BLEEK 1976, Sp. 406), verpflichteten den einzelnen Beamten ausschließlich
der Partei, an deren Spitze der „Führer“ stand und pervertierten somit die ursprünglich Grundgedanken des Berufsbeamtentums.
Aus diesem düsteren Teil der jüngeren deutschen Geschichte wollten die Gründungsväter der neuen Bundesrepublik Deutschland eine Lehre ziehen, was zu
heftigen und teilweise sehr emotional geführten Diskussionen (vgl. BECKER
1989, S. 821) beim Entwurf der neuen Verfassung führte. Im Ergebnis brachte
diese Diskussion die Beibehaltung des Berufsbeamtentums; allerdings wollte
man über die Formulierung der „hergebrachten Grundsätze“ im Art. 33 (5) GG
das nationalsozialistische Berufsbeamtentum rückgängig machen und, ohne einen völlig neuen Ansatz bezüglich des Personalwesens im öffentlichen Dienst
zu wagen, bewusst an den Status-quo der Weimarer Republik anknüpfen (vgl.
BLEEK 1976, Sp. 406). Somit erhielt die Entscheidung der Ausgestaltung des
öffentlichen Personalwesens über die hergebrachten Grundsätze des Berufbeamtentums eine mehr symbolische als pragmatische Bedeutung, was aber wegen
der rechtlichen Wirkung des Art 33 (5) GG auf Grund seines Verfassungsrangs
für das Personalwesens ohne Belange sein dürfte.
4.1.2 Grundsätze des Berufsbeamtentums
Ausgehend vom Art. 33 (5) GG ist der Öffentliche Dienst in der heutigen Zeit
durch ein Berufsbeamtentum geprägt, welches durch eine Reihe von Einzelgesetzen ausgestaltet ist. Hierzu sind vor allem das Bundesbeamtengesetz (BBG),
die Bundeslaufbahnverordnung (BLV) sowie diverse weitere Gesetze, wie z.B.
das Bundesbesoldungsgesetz oder das Beamtenversorgungsgesetz sowie entsprechende Gesetze bzw. Verordnungen der Bundesländer zu nennen. Um eine
einheitliche Rechtsgestaltung des Beamtentums in der Bundesrepublik
Deutschland herzustellen, hat der Bund von der Möglichkeit der Rahmengesetzgebung gem. Art. 72 und 75 GG Gebrauch gemacht und mit dem Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) für die Bundesländer verbindliche Rahmenvorschriften erlassen.
Die Einzelregelungen dieser Gesetze, insbesondere die Rechte und Pflichten der
Beamten, sind geprägt von den oben vorgestellten tradierten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums, welche sich in folgenden fünf Strukturprinzipien widerspiegeln:
·
·
·
·
·
Lebenszeitprinzip,
Laufbahnprinzip,
Alimentationsprinzip,
Disziplinarprinzip und dem
Leistungsprinzip.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
157
Diese Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums werden in den nun folgenden
Abschnitten jeweils näher vorgestellt.
4.1.2.1 Das Lebenszeitprinzip
Das Berufbeamtentum und seine gesetzlichen Regelungen sind zunächst einmal
ausgerichtet auf die lebenslange Anstellung des Beamten. Das Lebenszeitprinzip
hat zum Ziel, das „für die Amtsführung erforderliche Maß an Unabhängigkeit,
Unparteilichkeit und Gemeinwohlorientierung“ (BALZEREIT 1992, Sp. 1843)
zu gewährleisten. Des Weiteren soll über eine möglichst niedrige Fluktuation
ein stabiler Personalbestand sichergestellt werden.
Bestimmte Altersgrenzen oder eine vorzeitige Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit stehen dem Lebenszeitprinzip nicht entgegen (vgl. WIESE 1988, S. 15).
Allerdings kann eine einseitige Beendigung des Beamtenverhältnisses durch den
Dienstherren und gegen den Willen des Beamten nur im Wege eines förmlichen
Gerichtsverfahrens erfolgen. Andererseits ist eine jederzeitige Auflösung des
Beamtenverhältnisses auf Wunsch des Beamten möglich. Diese Regelungen bekräftigen die oben angesprochene Zielsetzung des Berufbeamtentums und verhindern Willkürakte des Dienstherren hinsichtlich der Entfernung aus dem
Dienstverhältnis.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass das auf Lebenszeit ausgerichtete Berufsbeamtentum ein Beamtenverhältnis als Hauptberuf unterstellt (vgl. Wiese 1988 S. 15). Zwar sind Nebentätigkeiten in einem bestimmten Umfang möglich, wenn sie die hauptberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigen; allerdings wurde auf dem Verordnungswege geregelt, dass bestimmte Auflagen, wie etwa das Anzeigen durch den Beamten, zu erfüllen sind
oder dass gar die Nebentätigkeit einer förmlichen Genehmigung des Dienstherren unterliegt.
4.1.2.2 Das Laufbahnprinzip
In enger Verbindung mit dem Lebenszeitprinzip ist das Laufbahnprinzip zu sehen. Unter einer Laufbahn versteht das Beamtenrecht (vgl. § 11 (1) BRRG) die
Zusammenfassung aller Ämter derselben Fachrichtung (z.B. allgemeiner nichttechnischer Verwaltungsdienst), welche eine gleiche Vorbildung und Ausbildung voraussetzen. Zur Laufbahn gehört auch der entsprechende Vorbereitungsdienst und eine Probezeit.
Laufbahnen sind in der Regel in vier Laufbahngruppen, nämlich dem einfachen,
mittleren, gehobenen und höheren Dienst, unterteilt. Der Einstieg in eine bestimmte Laufbahn und die Zuordnung zu einer dieser Laufbahngruppen hängt
von der jeweiligen Vorbildung ab. So bedingt beispielsweise der Einstieg in die
158
Zweiter Teil
Laufbahn des gehobenen Dienstes eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung, welche im Falle des nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Rahmen
des Vorbereitungsdienstes in verwaltungseigenen Fachhochschulen erworben
wird; der Einstieg in den höheren Dienst kann in der Regel nur mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium erfolgen.
Das Laufbahnprinzip dient dem Zweck, angesichts der lebenslangen beruflichen
Bindung dennoch einen relativ breiten Verwendungsbereich zu eröffnen, wodurch der Dienstherr eine „personalwirtschaftliche Flexibilität“ und der Beamte
gleichzeitig „individuelle Karrieremöglichkeiten“ (BALZEREIT 1992, Sp.
1843) erhält.
Die rechtliche Ausgestaltung des Laufbahnprinzips geschieht sehr detailliert
durch entsprechende Laufbahnverordnungen. Hierein sind die einzelnen Zugangsvoraussetzungen und Probezeiten ebenso geregelt, wie die Möglichkeiten,
in Ausnahmefällen die Laufbahn bzw. die Laufbahngruppe zu wechseln (Aufstieg).
4.1.2.3 Das Alimentationsprinzip
Das Beamtenverhältnis ist im Gegensatz zum privatrechtlichen Arbeitsverhältnis
ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treuverhältnis (vgl. u.a. WIESE 1988 S.
11 ff.). Dementsprechend stehen sich hierbei nicht Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpflichten und -rechte gegenüber, sondern das Verhältnis zwischen Beamten
und Staat ist geprägt von den überlieferten Verpflichtungen zur vollen Hingabe
und Treue seitens des Beamten und zur umfassenden Fürsorge auf staatlicher
Seite.
Somit bestimmen auch nicht Leistung und Gegenleistung die monetären Ansprüche des Beamten. Diese ergeben sich aus dem Anspruch einer umfassenden
Alimentation, d.h. der amtsangemessenen Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie sowohl im aktiven Dienst als auch im Ruhestand bzw.
über den Tod hinaus. Letzteres führt dazu, dass der Beamte keiner Altersvorsorgeversicherungspflicht unterliegt.
Das Alimentationsprinzip folgt also unmittelbar aus dem Dienst- und Treueverhältnis und es soll hiermit sichergestellt werden, dass der Beamte über eine wirtschaftliche Unabhängigkeit sich ganz und gar dem Lebensberuf widmen kann
(vgl. WIESE 1988 S. 14). Die Höhe des notwendigen Bedarfs des Beamten und
seiner Familie für diese wirtschaftliche Unabhängigkeit wird nicht auf dem Verhandlungswege festgelegt, sondern durch den Gesetzgeber in verschiedenen Besoldungs- und Versorgungsgesetzen geregelt.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
159
4.1.2.4 Das Disziplinarprinzip
Aus der Besonderheit des Beamtenverhältnisses und insbesondere aus den beiden Strukturprinzipien der lebenslangen Anstellung und der Alimentation ergeben sich so gut wie keine Sanktionsmöglichkeiten für ein Fehlverhalten des Beamten, insbesondere beim Verstoß gegen die gesetzlichen Beamtenpflichten.
Während in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis Pflichtverstößen mit Abmahnungen und im Extremfall durch Kündigungen begegnet werden kann,
scheiden in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis derartige
Maßnahmen aus.
Auch können Schlechtleistungen nicht mit Gehaltskürzungen sanktioniert werden, weil das Alimentationsprinzip dem entgegensteht, die zustehenden Bezüge
dabei für eine angemessene Grundversorgung des Beamten stehen und nicht
unterschritten werden dürfen.
Daher ist dem Staat als Dienstherren mit der Disziplinargewalt ein Instrumentarium zur Einhaltung der „fundamentalen Berufpflichten“ (BALZEREIT 1992
Sp. 1844) gegeben worden. Diese ist in Disziplinarordnungen gesetzlich geregelt und enthält verschiedene Sanktionsmechanismen, zu welchen beispielsweise die Minderung der rechtlichen Stellung, also quasi die Degradierung („Versetzung in ein Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt“ vgl. WIESE 1988 S. 17)
gehört. Allerdings ist die Anwendung des Disziplinarrechts an ausdrücklich
durch Gesetz vorgeschriebene Voraussetzungen geknüpft und in gesetzlich bestimmten Verfahren geregelte. So kann es im Extremfall auch im Lebenszeitverhältnis zu einer vorzeitigen Beendigung kommen, allerdings durch die angesprochenen Voraussetzungen und Verfahren nicht einseitig durch den Dienstherren, ähnlich einer Kündigung, sondern letztendlich erst durch neutralen Richterspruch.
4.1.2.5 Das Leistungsprinzip
Während die bisher vorgestellten Strukturprinzipien wegen Art 33 (5) GG erst
durch jeweils einfachgesetzliche Regelungen im Beamtenrecht verankert sind,
ist das Leistungsprinzip bereits in der Verfassung, dort in Art 33 (2) GG, manifestiert. Dies bedeutet, dass das Leistungsprinzip der Disposition der Gesetzgeber auf Bundes- bzw. Länderebene entzogen und nur dem Verfassungsgeber der
Zugriff hierauf erlaubt ist (vgl. WIESE 1998, S. 16), was als Bestandsschutz für
das Berufbeamtentum angesehen werden kann.
Ziel des Leistungsprinzips ist es allerdings nicht, eine leistungsbezogene Besoldung oder Förderung im Berufsbeamtentum sicherzustellen, denn hierfür sind
die jeweiligen Regelungen, die sich aus dem Laufbahn- und Alimentationsprinzip ergeben, einschlägig. So interpretiert würde das Leistungsprinzip auch in
einer Konkurrenzsituation zu den anderen Strukturprinzipien stehen. Die Inten-
160
Zweiter Teil
tion des Art 33 (2) GG besteht vielmehr darin, eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG in Bezug auf den Zugang zu öffentlichen Ämtern herzustellen und damit ausschließlich sachgerechte Aspekte für die Einstellung zu
Beginn und für die weitere Förderung während des Beamtenverhältnisses zuzulassen. Als sachfremde Aspekte für die entsprechenden Personalauswahlentscheidungen sind im Umkehrschluss u.a. das Geschlecht, die Abstammung oder
die religiöse Zugehörigkeit (vgl. Art 3 (3) GG) anzusehen. Die einzige Ausnahme vom Gleichheitssatz des Art. 3 GG regelt der Art 33 (2) GG selbst, da der
persönliche Geltungsbereich dieser Verfassungsnorm nur auf Deutsche im Sinne
des Grundgesetzes beschränkt ist, womit das Gleichheitsrecht, welches durch
das Leistungsprinzip sichergestellt werden soll, in diesem Fall kein Menschenrecht, sondern ein Bürgerrecht ist.
Die Wirkung des Leistungsprinzips auf das Personalwesen des öffentlichen
Dienstes für Beamte ist damit von grundsätzlich normativer Art. Mit dem immanenten Verbot willkürlicher Personalentscheidungen und Ämterpatronagen
(vgl. BALZEREIT 1992, Sp. 1845) verpflichtet es die einzelnen Dienstherren zu
formalen, transparenten und justiziablen Verfahren, welche u.a. in öffentlichen
oder behördeninternen Stellenausschreibungen bestehen und welche in verschiedenen Vorschriften innerhalb des Beamtenrechts deklaratorisch aufgenommen bzw. dort weiter konkretisiert wurden.
4.1.3 Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Zu den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes zählen die Angestellten und
Arbeiter, die bei staatlichen Institutionen im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt sind. Ihr Beschäftigungsverhältnis wird
einzelvertraglich und durch bestehende Tarifverträge geregelt, welche von den
immer tarifgebundnen öffentlichen Arbeitgebern und der Gewerkschaft VER.DI
(ehemals: ÖTV) abgeschlossen werden. Grundlage des Rechts der Angestellten
beim Bund, den Bundesländern und im kommunalen Bereich ist der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) vom 23.02.61. Für die Arbeiter des Bundes und
der Länder gilt der Manteltarifvertrag (MTArb) vom 06.12.1995 sowie für die
Arbeiter auf kommunaler Ebene der Bundesmanteltarifvertrag (BMT-G) vom
31.01.62.
Der Anteil der Angestellten und Arbeiter an der Gesamtzahl aller Beschäftigten
im öffentlichen Dienst beträgt gegenwärtig nahezu zwei Drittel, während nur
etwa ein Drittel des staatlichen Personalbestandes aus Beamten besteht, wie folgende Abbildung verdeutlicht:
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
161
Personal im öffentlichen Dienst
(Stand: 30.06.99)
Berufsgruppe
Anzahl (in 1000)
Beamte/Richter
1693,3
Soldaten
189,8
Angestellte
2374,8
Arbeiter
711,5
Gesamt
4969,4
Arbeiter
14%
Angestellte
48%
Beamte/Richter
34%
Soldaten
4%
Abb. 21: Personal im öffentlichen Dienst: Anteil der Berufsgruppen zum 30.06.99
Datenquelle: Statistisches Bundesamt 2001
Angesichts dieses Verhältnisses scheint eine Untersuchung der Historie und der
Strukturprinzipien des Berufsbeamtentum gar nicht so notwendig gewesen, zumal die rechtlichen Grundlagen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in
administrativen Betrieben denen dispositiver Betriebe entsprechen und die Beamten, wie in der Abbildung gezeigt, zahlenmäßig in der Minderheit sind. Allerdings gibt es historisch bedingt erhebliche Auswirkungen der hergebrachten
Grundsätze des Berufbeamtentums auf die rechtlichen Grundlagen zur Beschäftigung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, welche sich in den angesprochenen Tarifverträgen wiederfinden. Hierdurch wird dann, wie weiter oben bereits angesprochen, des Berufsbeamtentum zum Leitbild des öffentlichen Personalwesens insgesamt.
Diese Aussage näher zu belegen, wird Gegenstand der nachfolgenden Abschnitte sein, wobei nach einem kurzen historischen Abriss aufgezeigt wird, ob
und wie die einzelnen Strukturprinzipien des Berufbeamtentums auch grund-
162
Zweiter Teil
sätzliche Wirkung im Bereich der Arbeitnehmerbeschäftigung entfalten. Außerdem wird in einem kurzen Exkurs dargestellt, welche Kriterien für eine alternative Verwendung von Beamten und Angestellten bei administrativen Betrieben
maßgeblich sind.
4.1.3.1 Historische Entwicklung der Beschäftigung von Arbeitnehmern
Wie im Abschnitt 4.1.1 dargestellt, entsprach zu Beginn des 19. Jahrhunderts die
Beschäftigung von Beamten damals dem Bild eines als modern und fortschrittlich angesehenen öffentlichen Personalwesen. Auch zu jener Zeit wurde der Personalbestand des Staates durch Beschäftigung von Arbeitnehmern auf Basis privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse ergänzt. Jedoch beschränkte sich dies eher auf
den Einzel- bzw. Ausnahmefall. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist allerdings
ein Aufwuchs der Beschäftigung von Nicht-Beamten in staatlichen Institutionen
zu beobachten, der bis zu den heutigen, oben dargestellten Anteilen führte.
Als erste Begründung hierfür kann zunächst einmal das „rein quantitative
Wachstum der Privatangestellten in der Wirtschaft“ (BIERFELDER 1976, Sp.
52) überhaupt angeführt werden. Das Berufsbild des „Behördenangestellten“
bzw. des „Dienstordnungsangestellten“ (BIERFELDER 1976 Sp. 56) und die
relative Zunahme privatrechtlich Beschäftigter gegenüber den Beamten entwickelten sich in Deutschland aus den Zwangslagen der beiden Weltkriege.
„Kriegsbedingte Versorgungsaufgaben und Reduzierung des aktiven Beamtenbestandes durch Rekrutierung zum Militärdienst“ führten zu einer vermehrten
Substitution durch Arbeitnehmer.
Daneben kann eine Entwicklung der staatlichen Aufgaben von überwiegend hoheitlicher Art hin zu vermehrt fiskalischen Tätigkeiten beobachtet werden.
BIERFELDER (a.a.O.) schätzt, dass diese Entwicklung nach Ende des zweiten
Weltkrieges zu einem Verhältnis führte, bei dem der Staat nur noch zu einem
Fünftel Hoheitsakte erbringen muss und zu vier Fünfteln Dienstleistungen durch
die Produktion von öffentlichen Gütern bereitstellt. Angesichts des sog. Funktionsvorbehaltes, welcher auch heute noch wegen Art. 33 (4) GG gilt und der besagt, dass hoheitliche Aufgaben zwingend von Beamten zu erledigen sind, ist
die vermehrte Beschäftigung von Angestellten gegenüber Beamten mittlerweile
konsequent. Allerdings weist ein einfacher und oberflächlicher Vergleich beider
Verhältniszahlen, ein fünftel Hoheitsaufgaben einerseits aber ein Drittel Beamte
an der Gesamtzahl der Beschäftigten andererseits, eine gewisse Inkongruenz
auf. Es scheint also auch noch andere Gründe dafür zu geben, weswegen Beamte
auch im nicht-hoheitlichen Bereich eingesetzt werden, welche in folgendem Exkurs kurz aufgezeigt werden sollen.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
163
4.1.3.2 Exkurs: Alternative Verwendung von Beamten und Arbeitnehmern
Die Tatsache, dass im öffentlichen Dienst gegenwärtig im Verhältnis mehr Beamte verwendet werden, als nach strenger Auslegung des Funktionsvorbehaltes
gem. Art 33 (4) GG notwendig wären, zeigt, dass es im nicht-hoheitlichen Bereich einen Handlungsspielraum gibt, der dem Staat ermöglicht, eher Beamte als
Angestellte zu verwenden. Die Gründe, die zu einer entsprechenden Auswahlentscheidung führen sind vielschichtig und werden von den einzelnen Staaten
(Bund und Länder) sowie von den Gemeinden auch unterschiedlich bewertet.
Für den Bund hat die Präsidentin des Bundesrechnungshofes als „Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“ im Jahre 1996 eine Studie unter
dem Titel „Beamte oder Arbeitnehmer“ (BWV 1996) herausgegeben, in der im
Rahmen einer „vergleichenden Untersuchung über die Auswirkung der alternativen Verwendung von Beamten oder Arbeitnehmern im Bundesdienst“ die entscheidungsrelevanten Aspekte herausgearbeitet und bewertet wurden. Ohne näher auf die Bewertung und die abschließende Empfehlungen für die Bundesverwaltung einzugehen, werden diese Aspekte im Überblick vorgestellt (BWV
1996 S. 111 ff.):
· Finanzwirtschaftliche Aspekte:
Unter dem „Druck enger haushaltspolitischer Spielräume“ ziehen die einzelnen Staaten die Personalausgaben, d.h. die jeweiligen Bezüge, Löhne
und Gehälter und die jeweiligen Aufwendungen für die Altersversorgung
(Zahlungen in die Rentenversicherung einerseits und Pensionszahlungen
aus dem eigenen Haushalt andererseits) ebenso ins Kalkül wie die Zinsausgaben, welche zur Finanzierung der Personalausgaben anfallen. Allerdings führen entsprechende alternativen Berechnungen je nach Laufbahngruppe zu differenzierten Ergebnissen, was eine globale Entscheidung für
Beamte oder Arbeitnehmer nicht zulässt.
· Personalwirtschaftliche Aspekte:
Das Streikverbot für Beamte einerseits sowie die grundsätzliche Kündbarkeit von Arbeitsverhältnissen der Arbeitnehmer andererseits sind zwei
der wichtigsten Aspekte, welche vor dem Hintergrund einer beständigen
aber flexiblen Personalwirtschaft sowohl für die eine als auch für die andere Statusgruppe spricht. Als weitere entscheidungsrelevanten Aspekte
für den Vorzug von Beamten gegenüber Arbeitnehmern sind die Möglichkeiten anzuführen, Beamte im gesamten Staatsgebiet einzusetzen, Arbeitszeiten ohne langwierige Tarifverhandlungen gegebenenfalls zu verlängern oder bestimmte Disziplinarmaßnahmen ergreifen zu können.
· Gesamtwirtschaftliche Aspekte:
Hierzu zählen auf der einen Seite die Möglichkeiten, über eine Verwendung von Angestellten die verschiedenen Sozialversicherungen zu stabili-
164
Zweiter Teil
sieren. Der Bund wird somit in seiner Garantenrolle entlastet, weil die
Bundesländer bzw. die Gemeinden für vermehrte Beiträge sorgen. Auf
der anderen Seite können insbesondere kleinere Staaten und Gemeinden
durch die Verwendung von Beamten kurzfristige Haushaltseinsparungen
durch niedrigere Personalkosten erzielen und so für eine geringere Verschuldung bzw. für eine Umverteilung der Mittel sorgen, wie es vor einiger Zeit die Stadt Offenbach nach einer Verbeamtungsoffensive nachzuweisen versuchte (vgl. verschiedene Presseveröffentlichungen zu diesem
Thema).
4.1.3.3 Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums im Tarifrecht
der Arbeitnehmer
Die Grundsätze des Berufsbeamtentums werden dann zum Leitbild des gesamten Personalwesen im öffentlichen Dienst, wenn die wesentlichen Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums mehr oder weniger stark auch in den Tarifverträgen wiederzufinden sind. Ob und inwieweit dies jeweils der Fall ist, soll an dieser Stelle näher untersucht werden und zwar analog zu der in Abschnitt 4.1.2
erfolgten Vorgehensweise, in dem die dort ausgewählten Strukturprinzipien
nacheinander auf eine tarifvertragliche Entsprechung hin untersucht werden:
· Lebenszeitprinzip
Privatrechtliche Arbeitsverträge sind gegenseitige Dauerschuldverhältnisse und unterliegen grundsätzlich der Kündigungsmöglichkeit beider Seiten im Wege eines einseitigen Rechtsgeschäftes, bei dem nur die entsprechende Willenserklärung einer der Parteien ausreicht. Zwar sind die allgemeinen Regelungen des BGB hinsichtlich der Kündigung von Arbeitserträgen durch die Arbeitgeber bezüglich der Voraussetzungen und der
Verfahren durch das Kündigungsschutzgesetz eingeschränkt worden, jedoch bleibt die grundsätzliche Möglichkeit der ordentlichen bzw. außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber unberührt.
Würde das Lebenszeitprinzip des Berufsbeamtentums uneingeschränkt in
die Tarifverträge übernommen worden sein, so hieße das, der Staat bzw.
die Gemeinde als Arbeitgeber hätte hierüber freiwillig auf die Möglichkeit betriebsbedingt zu kündigen verzichtet. Dies ist aber nicht der Fall.
Allerdings finden sich in den Tarifverträgen Regelungen, wie z.B. im § 53
BAT oder in § 52 BMT-G, die zumindest das Recht des Arbeitgebers auf
eine ordentliche Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen, was dem Lebenszeitprinzip sehr nahe kommt (vgl. BALZEREIT 1992, Sp. 1843). Als Voraussetzungen schreiben die tarifvertraglichen Normen das Vorliegen einer 15-jährigen Beschäftigungszeit und das
Vollenden des 40. Lebensjahres des Arbeitnehmers vor. Somit ist der Arbeitgeber ebenso lebenslänglich an ältere und langjährig beschäftigte Ar-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
165
beitnehmer gebunden, wie der Dienstherr an die Lebenszeitbeamten.
· Laufbahnprinzip
Wegen des privatrechtlichen Grundsatzes „do ut des“ bei gegenseitigen
Verträgen, nämlich Leistung (Arbeitsleistung) gegen Gegenleistung (Bezahlung) zu erbringen, sind dem beamtenrechtlichen Laufbahnprinzip entsprechende Regelungen in den Tarifverträgen nicht vorhanden. Vielmehr
werden Angestellte und Arbeiter im Sinne eines Leistungsprinzips ausschließlich für die Stellen eingestellt, wofür sie sich vor der Anstellung
qualifiziert haben und wofür sie konkret ihre Arbeitsleistung erbringen.
Demzufolge ist auch ein planmäßiger Karriereweg wie bei Beamten nicht
vorgesehen (vgl. BÖHME/GASSMANN 1976, Sp. 65) .
Allerdings finden sich dennoch Rudimente eins Laufbahnprinzips auch im
Tarifrecht wieder, indem, zumindest bei den Angestellten, welche wie oben gezeigt zahlenmäßig den größten Anteil der Arbeitnehmer ausmachen, laufbahnähnliche Strukturen zu erkennen sind. Hierbei sind die jeweils für die Gehaltsbemessung vorgegebenen Vergütungsgruppen auch
dem einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienst zugeordnet.
Dies ist einerseits für bestimmte Personalmaßnahmen wichtig, wenn etwa
Angestellte auf Beamtenstellen verwendet werden sollen oder wenn es
andererseits um die Gleichbehandlung bei der Abrechnung von Reisekosten geht. Hierzu gibt es Zuordnungstabellen, die in den Vergütungsordnungen der jeweiligen Tarifverträgen zu entnehmen sind (vgl. LINDE
1991, S. S. 33).
Des Weiteren wird das reine Leistungsprinzip der Arbeitnehmer gelegentlich durchbrochen, so z.B. durch den § 23a BAT, indem unabhängig
von der konkret erbrachten Leistung, Aufstiegsmöglichkeiten durch eine
Höhergruppierung nach Bewährung der Arbeitnehmer oder durch bloßen
Zeitablauf möglich sind, was dem Laufbahnprinzip der Beamten doch
sehr nahe kommt.
.
· Alimentationsprinzip
Ebenfalls auf dem Gegenleistungsprinzip beruhen die wesentlichen Unterschiede der Vergütung von Arbeitnehmern gegenüber Beamten. Zusammen mit dem Versicherungsprinzip, welches der Versorgung der Arbeitnehmer zu Grunde liegt, muss auch die unmittelbare Geltung des Alimentationsprinzips im tariflichen Bereich verneint werden. Allerdings
finden sich strukturelle Entsprechungen in den Entgelt- und Versorgungssystemen der Arbeitnehmer wieder (vgl. BALZEREIT 1992, Sp. 1844).
Ebenso wie in der Beamtenbesoldung ist die Bezahlung der Angestellten
und Arbeiter im öffentlichen Dienst dadurch geprägt, dass zunächst eine
Grundvergütung gewährt wird, neben der ein System verschiedener Zulagen zur Verfügung steht, welche einerseits die familiäre Situation (Ortsbzw. Sozialzuschlag) und andererseits die dienstliche Situation der Ar-
166
Zweiter Teil
beitnehmer berücksichtigt (allgemeine und besondere Stellenzulagen). Ebenso wie bei Beamten erhöht sich das Grundgehalt analog der Beschäftigungsdauer, was bei den Arbeitnehmern durch die sogenannte Lebensalterstufe (entspricht bei Beamten der Dienstaltersstufe) zum Ausdruck
kommt.
· Disziplinarprinzip
Die Möglichkeit der Kündigung von Arbeitsverträgen und die vorherige
Abmahnung bei ordentlichen Kündigungen machen disziplinare Maßnahmen bei Pflichtverstößen von Arbeitnehmern grundsätzlich obsolet.
Gleiches gilt für die Möglichkeiten der Gehaltskürzung. Dennoch trägt
das Disziplinarprinzip im gesamten öffentlichen Dienst „zu einer vorrangigen formalrechtlichen Beurteilung, Würdigung und Steuerung des Verhaltens“ (BALZEREIT 1992 Sp. 1845) auch der privatrechtlich Beschäftigten bei. Somit werden Sanktionsmaßnahmen für Arbeitnehmer gemessen an den Grundsätzen, welche für die Disziplinierung von Beamten
gelten, womit das Disziplinarprinzip indirekt auch in die privatrechtlichen
Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes hineinwirkt.
· Leistungsprinzip
Wie oben schon angesprochen ist das Leistungsprinzip elementarer Bestandteil privatrechtlicher Arbeitsverträge und damit ein wesentliches
Strukturprinzip gerade für die Beschäftigung von Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus lassen sich die Aspekte bezüglich der Gleichheitsgrundsatzes, welche zum Leistungsprinzip im Bebrufsbeamtentum in Abschnitt 4.1.2.5 angeführt wurden, auch bezüglich
der Beschäftigung von Arbeitnehmern übertragen. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass das Leistungsprinzip mehrfach zu Gunsten der Arbeitnehmer durchbrochen oder modifiziert wird, was im Zusammenhang
mit dem Laufbahn- und Alimentationsprinzip oben bereits aufgezeigt
wurde. Während die Beamten durch die verfassungsrechtlichen Normen
in Verbindung mit den jeweiligen einzelgesetzlichen Regelungen vor
Willkürakten der Dienstherren geschützt sind, gelten für Arbeitnehmer
annähernd die gleichen Schutzmechanismen über tarifvertragliche Regelungen. Besonders hervorzuheben dürfte die Funktion der Personalräte in
der Praxis sein, die über ihre Befugnisse im Rahmen der Mitwirkung bei
Personalmaßnahmen, potenzielle Ungleichbehandlungen verhindern können und damit tendenziell eine analoge Behandlung von Arbeitnehmern
und Beamten herstellen.
Neben den Strukturprinzipien des Berufbeamtentums, welche wie gezeigt zumindest mittelbar bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern im öffentlichen
Dienst wiederzufinden sind, gibt es eine Vielzahl von übereinstimmenden Einzelregelungen in den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen bzw. Tarifverträ-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
167
gen bezüglich der Rechte und Pflichten von Beamten einerseits und Arbeitnehmern anderseits. Als Beispiele hierzu können die identischen Ansprüche auf
Urlaub oder Umzugskostenvergütung sowie die Regelungen bezüglich Nebentätigkeiten angeführt werden.
4.1.4 Die Bedeutung des Haushaltsrechts im öffentlichen Personalwesen
Neben den beamtenrechtlichen und tarifvertraglichen Regelungen beeinflussen
auch noch andere Rechtsgebiete das öffentliche Personalwesen. Am meisten
trifft dies zu auf das Recht der öffentlichen Haushalte. Da die Bedeutung der
Personalausgaben, gemessen an den übrigen Hauhaltsausgaben, nicht unerheblich ist, enthalten die maßgeblichen Gesetzte des Haushaltsrecht (HGrG, BHO,
LHO) bestimmte Regelungen für die Planung, Veranschlagung und Verwendung der entsprechenden Haushaltsmittel.
Die Haushaltsmittel für das Personal sind demnach nicht nur betragsmäßig, sondern im Wesentlichen in Form von Planstellen und Stellen im jeweiligen Etat zu
planen, auszuweisen und zu verteilen. Unter „Planstellen“ versteht das Haushaltsrecht die Haushaltsstellen für Beamte, Richter, Professoren sowie Zeit- und
Berufssoldaten, welche im Haushaltsplan nach Anzahl, Besoldungsgruppe und
Amtsbezeichnung ausgewiesen werden (vgl. STAENDER 1989, S. 266 f.); analog hierzu steht der Begriff „Stellen“ haushaltsrechtlich für die Haushaltsstellen der Arbeitnehmer sowie für Probezeit- und Widerrufbeamte, also für „nichtplanmäßige Beamte“ (STAENDER 1989, S. 308).
Eine erste wesentliche Konsequenz dieser rechtlichen Vorgaben für das Personalwesen ist, dass die administrativen Betriebe nicht im Rahmen eines vorgegebenen Ausgabebudgets frei entscheiden und handeln können, sondern vom jeweiligen Parlament sehr detaillierte quantitative aber auch qualitative Vorgaben
erhalten. In der Praxis bedeutet dies, dass unabhängig von organisatorischen
Gegebenheiten bestimmte Personalmaßnahmen, wie Einstellungen, Beförderungen oder Versetzungen nur im Rahmen verfügbarer Haushaltsstellen (Planstellen
und Stellen) erfolgen können (z.B. § 49 BHO). Neben einer freien Stelle im organisationstheoretischen Sinne muss auch eine freie Stelle im haushaltsrechtlichen Sinne vorhanden sein, um beispielsweise eine Neueinstellung vorzunehmen. Die sogenannten Organisations- und Dienstpostenpläne (ODP) der einzelnen Betriebe müssen neben organisatorischen und personalwirtschaftlichen Überlegungen damit auch haushaltsrechtliche Aspekte berücksichtigen (vg.
WIESNER 1997, S. 225).
Dies wiederum stellt für die Personalplanung das Erfordernis eines relativ hohen
Genauigkeitsgrades dar. In den Bereichen Personalbeschaffung, Personalentwicklung (hier insbesondere bei Umsetzungen und/oder Beförderungen) und
Personalausstattung haben die administrativen Betriebe einen erheblich einge-
168
Zweiter Teil
schränkten Handlungsspielraum. Des Weiteren werden die Anforderungen an
Personalinformationssysteme durch die Hinzunahme von haushaltsrechtlichen
Informationen entsprechend komplexer.
Eine ebenso einschränkende Auswirkung des Haushaltsrechtes auf das Personalwesen ist die Möglichkeit des Parlamentes, Planstellen und Stellen im Haushaltsplan mit Wegfall- und Umwandlungsvermerken, sog. „kw-Vermerken“
(„künftig wegfallend“) bzw. „ku-Vermerken“ („künftig umzuwandeln“), zu versehen (z.B. § 47 BHO).
Außerdem kann die operative Personalpraxis dadurch erheblich gestört werden,
dass der zuständige Finanzminister im Verlaufe eines Haushaltsjahres haushaltswirtschaftliche Sperren verhängen kann, wenn die Entwicklung der Einnahmen oder Ausgaben dies erfordert (§ 25 HGrG). Das hat zur Konsequenz,
dass bestimmte notwendige Personalmaßnahmen, wie Einstellungen oder Beförderungen, relativ kurzfristig und vor allem ungeplant, nicht ergriffen werden
können, ohne dass dieser Umstand aus dem jeweiligen administrativen Betrieb
unmittelbar herrühren muss oder sogar von ihm zu verantworten ist.
Letztlich sei noch die relative Starrheit der Haushaltssystematik insgesamt angeführt, welche notwendige Mittelverschiebungen in sachlicher oder zeitlicher
Hinsicht nicht erlauben. Haushaltsmittel für nicht benötigte Sachausgaben oder
Investitionen können im Haushaltsvollzug nicht für dringende Personalmaßnahmen verwendet werden, was selbstverständlich auch für den umgekehrten
Fall gilt und damit das wirtschaftliche Handeln in administrativen Betrieben
auch im Bereich des Personalwesens sehr behindert.
4.1.5 Kernbereiche des klassischen Personalwesens
Die haushaltsrechtlichen Vorgaben sowie die im Beamtenrecht und in Tarifverträgen mehr oder weniger festgeschriebenen Grundsätze des Berufsbeamtentums
determinieren nicht unerheblich das Personalwesen in administrativen Betrieben. Abgesehen von dem Einfluss, der über die Tarifvertragsverhandlungen
durch die Gewerkschaften auf das betriebliche Personalwesen ausgeübt wird
(was aber auch für dispositive Betriebe gleichermaßen gilt), ist der Einfluss der
Gesetzgeber durch „genereller oder spezieller legislativer Steuerung“ (BECKER 1989, S. 835) der öffentlichen Finanzhaushalte und des Beamtentrechtes
gravierend. Diese Art der Fremdbestimmung über betriebliche Entscheidungsfelder wie das Personalwesen lassen den einzelnen administrativen Betriebe
kaum noch Spielraum für eigene flexible Dispositionen. Was verbleibt, sind lediglich die Möglichkeiten, die im Rahmen der Gesetzesvorbereitung und der
Haushaltsplanung durch entsprechende Vorschläge der einzelnen Verwaltungen
bestehen und der Vollzug dieser Planungen.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
169
BECKER (1989, S. 836 ff.) hat vor diesem Hintergrund die „Hauptdimensionen
(oder Gegenstände)“ des Personalwesens im öffentlichen Dienst zusammengetragen, welche die noch verbleibenden Spielräume widerspiegeln. Diese Hauptdimensionen, nämlich die Personalplanung, der Personaleinsatz und die Personalkontrolle werden nun kurz vorgestellt, wobei eine weitere Dimension BECKER’s, die Mitbestimmung, weggelassen wird, da hierbei wesentliche Unterschiede zu den Mitbestimmungsregeln für dispositive Betriebe nicht zu erkennen sind und diese Dimension deshalb kein typisches Charakteristikum für das
Personalwesen administrativer Betriebe darstellt. Außerdem werden im Sinne
der in Hauptabschnitt 2 vorgenommenen Abgrenzung die Aspekte vernachlässigt, welche der Personalführung zuzuordnen sind.
4.1.5.1 Personalplanung
Die Ergebnisse einer Personalplanung führen aus den zuvor beschriebenen
Gründen nicht unmittelbar zu entsprechenden Personalmaßnahmen, sondern zunächst nur zu Gesetzesvorlage, einschließlich den jährlichen Haushaltsgesetzen
und Beiträgen zu den damit verkündeten Haushaltsplänen.
Bezüglich der Personalbeschaffungsplanung sind die Betriebe in quantitativer
und qualitativer Hinsicht schon von vorne herein an ein gesetzliches oder tarifvertragliches Funktionsprogramm (Besoldungs- bzw. Vergütungsordnungen)
gebunden. Einen engen Rahmen setzen auch die jeweiligen Laufbahnvorschriften bzw. die Eingruppierungsregeln, welche teils sehr detailliert die einzelnen
Eingangsqualifikationen festlegen. Auch bezüglich der Art und Weise der Personalbeschaffung sind den administrativen Betrieben enge Grenzen gesetzt, was
sich bereits auf die Planung auswirkt. Die Deckung des Personalbedarfs aus dem
internen Arbeitsmarkt ist beschränkt durch die restriktiven Beförderungs- und
Aufstiegsregelungen der jeweiligen Rechtsgrundlagen, während Einstellungen
über den externen Arbeitsmarkt bei Laufbahnbeamten zunächst nur für die vorgeschriebene Laufbahnausbildung erfolgen kann. Nur bei der Einstellung von
Beamten für Sonderlaufbahnen und für Arbeitnehmer verbleibt innerhalb der
gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Regelungen und abhängig von den freien
bzw. zugewiesenen Haushaltsstellen ein etwas größerer Spielraum, welcher
dann auch geplant werden muss.
Für die Planung der Personalfreisetzung ist der Rahmen sogar noch enger, da
allein schon der Personenkreis wegen des Lebenszeitprinzips nur auf lebensund berufsjüngere Arbeitnehmer und auf Nicht-Lebenszeitbeamte begrenzt ist.
Letzterer Personenkreis kann aber auch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen betriebsbedingt aus dem Dienst entfernt werden, was z.B. bei Probezeitbeamten nur im Falle einer Auflösung einer Behörde möglich ist (vgl. § 23 (2)
Ziffer 3 i.V.m. §19 Satz 1 BRRG).
170
Zweiter Teil
4.1.5.2 Personaleinsatz
Ebenfalls innerhalb sehr enger normativer Grenzen muss ein administrativer
Betrieb Entscheidungen und Maßnahmen bezüglich des Personaleinsatzes treffen. Einerseits ist der Vollzug der Personalplanung nur über die zuvor erfolgte
Legitimation der Gesetzgeber möglich, insbesondere über die von dort genehmigte Haushaltsstellen, andererseits beschränken laufbahnrechtliche oder tarifvertragliche Regelungen den Spielraum für die Besetzung freier organisatorischer Stellen.
Wenn auch Beamte keinen Anspruch auf einen konkretes Amt und damit auch
keinen Anspruch auf Beförderung haben, so haben sie zumindest einen Gleichbehandlungsanspruch, wenn es um die Besetzung ausgeschriebener Stellen geht.
Somit ist der Bereich des Personaleinsatzes prinzipiell justiziabel, was in der
letzten Zeit zu immer häufiger werdenden sogenannten „Konkurrentenklagen“
führt. Die Konsequenzen hieraus sind sehr komplexe und langwierige Auswahlverfahren sowie im Falle einer Konkurrentenklage auch noch die entsprechenden Prozesse vor den Verwaltungsgerichten, was nicht selten dazu führt, dass
freie Stellen (im organisatorischen Sinne) längere Zeit nicht besetzt werden
können.
Aus diesen Restriktionen heraus bleibt im Bereich des Personaleinsatzes lediglich die Personalverwaltung übrig. Dieser besteht vornehmlich aus der formellen
Abwicklung von Einstellungen und Stellenbesetzungen sowie aus der Abwicklung der Beendigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen. Daneben zählen
hierzu auch die rein administrativen Aufgaben in Bezug auf die Entgeltfindung
und -gewährung, der Aus- und Fortbildung sowie der Personalaktenführung. Ergänzt werden diese Aufgaben in einigen administrativen Betrieben oftmals
durch ein Personalinformationssystem.
4.1.5.3 Beurteilungen als Personalkontrolle
Die Personalbeurteilung als „Erfolgskontrolle besonderer Art“ (BECKER 1989,
S. 862) über die Leistung der Mitarbeiter und Vorgesetzten ist grundsätzlich
dem Bereich der Personalführung zuzuordnen, jedenfalls was die Tätigkeiten der
im Verfahren vorgesehenen Beurteiler angeht. Da aber die Beurteilungsverfahren des öffentlichen Dienstes sehr detailliert geregelt sind, kommt auf den Bereich des Personalwesens eine Vielzahl von administrativen Aufgaben zu. Hierzu zählen u.a. die Überwachung der Termine für bestimmte Beurteilungsstichtage, die Versorgung der Beurteiler mit Formularen, die Überprüfung der formellen Richtigkeit der Verfahren sowie ein inhaltlicher Abgleich der Beurteilung
mit Stellenbeschreibungen und persönlichen Angaben der Beurteilten an Hand
der Personalakten.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
171
Nicht selten kommt es vor, dass die Beurteilungsrichtlinien Vorgaben zum Beurteilungsmaßstab enthalten, wodurch die Anzahl der einzelnen Ergebniswerte
nach oben beschränkt sind. Dem Personalwesen obliegt es dann, den in dem zuständigen Bereich vorgegebenen Beurteilungsmaßstab einzuhalten, was in der
Rückgabe der Beurteilung an den Erstbeurteiler oder sogar ein Eingriff in die
Beurteilung selbst durch Herabsetzung entsprechender Bewertungen besteht.
Personalwirtschaftliche Relevanz erhalten die Beurteilungen dann dadurch, dass
deren Ergebnisse bei der Personalauswahl für höherbewertete Dienstposten, somit bei Beförderungen, herangezogen werden müssen.
172
Zweiter Teil
4.2 Grundzüge des Personalwesens der Bundeswehrverwaltung
Nach dem eher allgemeinen Überblick wird nun am konkreten Beispiel eines
administrativen Betriebes, der Bundeswehrverwaltung, das Personalwesen im
öffentlichen Dienst in seinen Grundzügen näher vorgestellt. Diese exemplarische Vorgehensweise ist notwendig, weil sich kein einheitliches und übergreifendes Personalkonzept, weder bei den Staaten, noch bei den Gemeinden, finden
lässt.
Sicherlich ist die Bundeswehrverwaltung grundsätzlich nicht repräsentativ für
alle administrativen Betriebe, insbesondere für die auf kommunaler Ebene, u.a.
wegen der Vielzahl der dort vorzufindenden Eigenbetriebe. Jedoch hat die zivile
Verwaltungsorganisation der Bundeswehr eine derart vielschichtige Aufgabenstellung und sie weist mit ihrem ausdifferenzierten dreistufigen Verwaltungsaufbau (vgl. Hauptabschnitt 1) die typischen Verwaltungscharakteristika auf,
dass ein Transfer der Erkenntnisse auf andere Verwaltungen, insbesondere der
auf Bundes- oder Landesebene, möglich ist. Dies gilt insbesondere für die Vielzahl der rechtlichen Grundlagen (Rechtsquellen), die besonderen strukturellen
Gegebenheiten (Organisation des Personalwesens) und die typischen Verfahren
des klassischen Personalwesens sowie für die Personalinformationssysteme.
Bevor jedoch anhand der vorgenannten Aspekte das Personalwesen der Bundeswehrverwaltung näher vorgestellt wird, soll die Bedeutung des Personalwesen in diesem Betrieb an Hand einiger Zahlen aufgezeigt werden. Es handelt
sich nämlich bei der Bundeswehrverwaltung um eine ausgesprochen große Organisation, welche auch als öffentlicher Arbeitgeber eine beschäftigungspolitische Bedeutung hat, wie die Zahlen in Abb. 22 verdeutlichen:
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
173
Personalbestand der Bundeswehrverwaltung
im Jahre 2001
Berufsgruppe
Anzahl
Beamte/Richter/Professoren
30187
Angestellte
39663
Arbeiter
60030
Gesamt
129880
Beamte/
Richter/
Professoren
23%
Arbeiter
46%
Angestellte
31%
Abb. 22: Personalbestand (Haushaltsstellen) der Bundeswehrverwaltung im Jahr 2001
Datenquelle: Bundeshaushaltsplan, EPl 14 Geschäftsbereich BMVg 2001)
Die nächste Abbildung zeigt die Bedeutung der Personals über das Verhältnis
der Personalausgaben (hier einschließlich der Ausgaben für Soldaten) gemessen
an den Ausgaben für Verteidigungsinvestitionen und den Betriebsausgaben im
Verlauf der letzten zehn Jahre:
174
Zweiter Teil
Abb. 23: Personalausgaben der Bundeswehr in den Jahren 1990-2000; Quelle: BMVg 2001
4.2.1 Rechtliche Grundlagen
Wie bereits im allgemeinen Überblick weiter oben gezeigt, ist das Personalwesen auch bei der Bundeswehrverwaltung relativ stark durch rechtliche Regelungen geprägt. Diese bestehen aus verschiedenen Gesetzen, Rechtsverordnungen
und Tarifverträgen. Zu einer einheitlichen Rechtsanwendung konkretisieren
bzw. ergänzen dann noch eine Vielzahl von verwaltungsinternen Vorschriften
(Erlasse der Ministerien, Durchführungsbestimmungen zu Gesetzen und Tarifverträgen und diverse Verwaltungsanordnungen) die Rechtsgrundlagen des Personalwesens.
4.2.1.1 Rechtsquellen des Beamtenrechts
Die wichtigsten Rechtsquellen in Form von Gesetzen und Rechtsverordnungen
mit unmittelbarer Rechtswirkung auf das Dienstrecht des beamteten Personals
sind in folgender Übersicht dargestellt:
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
Rechtsquelle
Art 33 (2-5) GG
175
Wesentliche Regelungen
· Gleichheit des Zugangs zu öffentlichen Ämtern,
· Diskriminierungsverbot
· Funktionsvorbehalt
· Bestandsschutz des Berufsbeamtentums
· Geltung der hergebrachten Grundsätze
Art 60 (1) GG
· Ernennung und Entlassung der Beamten durch den
Bundespräsidenten
Bundesbeamtengesetz
· Beginn und Ende des Beamtenverhältnisses
· Laufbahngrundsätze
· Rechtliche Stellung (Rechte und Pflichten)
Bundeslaufbahnverordnung
· Grundsätze
(Eignung, Befähigung, fachliche Leistung)
· Ausgestaltung der Laufbahnen (Regellaufbahnen und
besondere Fachrichtungen)
· Einstellung, Beförderung. Aufstieg
· Vorbereitungsdienst und Probezeiten
· Ausschreibung und Auslese
· Grundsätze zur dienstlichen Beurteilungen
· Fortbildung
Laufbahnausbildungs· Grundsätze, Lernziele und -inhalte
und Prüfungsordnungen
zur Laufbahnausbildung
· Prüfungsverfahren
Bundesdisziplinarordnung
· Disziplinarmaßnahmen
· Disziplinarverfahren
Bundesbesoldungsgesetz
· Anspruch und Höhe der Besoldung
· Besoldungsstruktur
Sonderzuwendungsgesetz
· Anspruch und Höhe der jährlichen Sonderzuwendung
(„13. Gehalt“)
Urlaubsgeldgesetz
· Anspruch und Höhe des Urlaubsgeldes
Beamtenversorgungsgesetz
· Anspruch und Höhe des Ruhegehaltes, der Hinterbliebenenversorgung und der Unfallfürsorge
Beihilfevorschriften
· Anspruch auf Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und
Todesfällen für Beamte und Angehörige
· Beihilfefähige Aufwendungen
Bundesumzugsgesetz
· Auslagenerstattung für dienstlich veranlasste Umzüge
Bundesreisekostengesetz
· Auslagenerstattung für Dienstreisen und Dienstgänge
Trennungsgeldverordnung
· Anspruch und Höhe von Trennungsgeld bei doppelter
Haushaltsführung und Reisebeihilfen
Erholungsurlaubsverordnung
· Anspruch und Höhe des jährlichen Erholungsurlaubs
Sonderurlaubsverordnung
· Anspruch auf Urlaub in besonderen Fällen
Bundesnebentätigkeitsverordnung · Möglichkeit, Anzeige und Genehmigung von Nebentätigkeiten (Nebenamt und Nebenbeschäftigung) innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes
Abb. 24: Rechtsquellen (Gesetze und Rechtsverordnungen) und
Regelungen zum Beamtenverhältnis
176
Zweiter Teil
4.2.1.2 Rechtsquellen des Tarifrechts
Grundsätzlich sind die individuellen Arbeitsverträge die originären Rechtsquellen für die Beschäftigung von Angestellten und Arbeitern. Diese gestalten
grundsätzlich das jeweilige Arbeitsverhältnis aus, insbesondere hinsichtlich Beginn und Beendigung sowie der gegenseitigen Rechte und Pflichten.
Bei der Bundeswehrverwaltung müssen jedoch, ebenso wie bei anderen Verwaltungen und bei einigen tarifgebundenen Arbeitgebern der Privatwirtschaft,
nicht alle denkbaren Einzelregelungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Gemäß §4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) gelten die tarifvertraglichen
Normen unmittelbar und unabdingbar. Durch die sog. Unterwerfungsklausel erhalten die einzelnen Regelungen der Tarifverträge auch bei nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern unmittelbare arbeitsvertragliche Rechtsgeltung.
Die in Abb. 24 genannten Regelungsbereiche sind deshalb jeweils im BAT und
MTArb sowie in diversen Einzeltarifverträgen, welche die Manteltarifverträge
ergänzen bzw. konkretisieren, enthalten. Teilweise verweisen die Tarifverträge
sogar auf beamtenrechtliche Regelungen, die dann als tarifvertraglich vereinbart
unmittelbar Anwendung finden, so z.B. für den Anspruch auf Reisekostenvergütung der Arbeitnehmer.
4.2.1.3 Verwaltungsinterne Vorschriften
Obwohl die oben genannten Rechtsquellen einschließlich der Tarifverträge umfassende Regelungen zur Beschäftigung von Beamten und Arbeitnehmern im
öffentlichen Dienst enthalten und die wesentlichen Verfahren des Personalwesens bestimmen, werden diese noch durch eine Vielzahl von verwaltungsinternen Vorschriften ergänzt. Die maßgeblichen Gründe hierfür sind einerseits die
in den jeweiligen Quellen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe, die vielfach noch einer Auslegung bedürfen, und andererseits die von den Gesetzesoder Verordnungsgebern bzw. von den Tarifvertragsparteien offengelassenen
Handlungs- und Entscheidungsspielräume.
Unter der Zielsetzung einer einheitlichen Rechtsanwendung, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, werden deshalb unbestimmte Rechtsbegriffe definiert
bzw. vorhandene Spielräume durch diese Vorschriften weiter ausgestaltet. Die
Personalbearbeitung soll damit justiziabel gemacht werden. Es kommt daher
nicht selten vor, dass Verwaltungsvorschriften erst nach Gerichtsurteilen von
grundsätzlicher Bedeutung durch höchstrichterliche Rechtssprechung erlassen
oder ergänzt werden. Auch bindet sich die Verwaltung selbst an die sog. „Protokollnotizen“ bzw. Erläuterungen zu einzelnen tarifvertraglichen Normen, welche
die Tarifvertragsparteien festgeschrieben hatten und welche mit den jeweiligen
Tarifverträgen veröffentlicht werden.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
177
Die einzelnen verwaltungsinternen Vorschriften werden als „Allgemeine Verwaltungsvorschriften“, „Durchführungsbestimmungen“, „Richtlinien“ oder ähnlich bezeichnet. Einige dieser Vorschriften gelten ressortübergreifend, andere
wurden auf dem Erlasswege speziell für die Rechtsanwendung im Bereich der
Bundeswehrverwaltung in Kraft gesetzt.
Um an dieser Stelle nicht auf alle der vielen einzelnen Verwaltungsvorschriften
mit den noch zahlreicheren Einzelregelungen eingehen zu müssen, werden nur
einige der für die Bundeswehrverwaltung geltenden Vorschriften genannt, die
dann von grundsätzlicher Bedeutung für das Personalwesen insgesamt sind. Dabei handelt es sich um folgende Vorschriften:
· Handbuch für die Personalbedarfsermittlung in der Bundesverwaltung des
Bundesministers des Inneren (für die Bundeswehrverwaltung enthalten im
Allgemeinen Umdruck 1/150 „Personalbemessung“)
· Richtlinien für die Handhabung des Personalhaushalts und der Personalwirtschaft (zivil) im Frieden (Personalwirtschaftsrichtlinien)
· Zuständigkeiten
im
Personalwesen
–
Bearbeitung
von
Personalangelegenheiten der Beamten, Richter, Arbeitnehmer und Auszubildenden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
· Grundsatzerlass: Ausschreibung ziviler Dienstposten
· Bestimmungen über die dienstliche Beurteilung der Beamten und Arbeitnehmer im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
(Beurteilungsbestimmungen) mit detaillierten Durchführungshinweisen
· diverse Einzelvorschriften zum Zweck, Zugang, der Führung, Aufbewahrung und Vernichtung von Personalakten
4.2.2 Organisation des Personalwesens
Zunächst einmal ist festzustellen, dass es in keiner Behörde der Bundeswehrverwaltung „die Personalabteilung“ gibt. Die Aufgaben des Personalwesens
werden von verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Organisationseinheiten
wahrgenommen. Es ist dabei grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Aufgaben, die von folgenden Stellen wahrgenommen werden:
178
·
·
·
·
Zweiter Teil
personalbearbeitende Dienststellen,
Beschäftigungsdienststellen,
gebührnisbearbeitende Stellen und
sonstige, mit Personalaufgaben betrauten Stellen.
Diese Aufgabenverteilung ist in verschiedenen Verwaltungsvorschriften, u.a. in
den „Zuständigkeiten im Personalwesen“ (s.o.), geregelt.
Den personalbearbeitenden Dienststellen obliegt demnach die grundsätzliche
Personalarbeit in dem sie die „Personalgrundakten“ führen und bedeutsame Personalmaßnahmen umsetzen. Zu diesen bedeutsamen Maßnahmen gehören die
Ernennung (einschließlich der Einstellung, Anstellung und Beförderung), Abordnung, Versetzung und Umsetzung der Beamten sowie die Beendigung des
Dienstverhältnisses. Im Bereich der Arbeitnehmer sind dies die Einstellung, die
Eingruppierung in eine Vergütungs- bzw. Lohngruppe, die Übertragung von
Tätigkeiten, die Abordnung, die Ver- und Umsetzung sowie die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Die Zuständigkeiten und Befugnisse sind hierarchisch
verteilt, so dass zunächst dem Ministerium die vorgenannten Personalmaßnahmen der Beamten ab Besoldungsgruppe A 16 und Angestellten der Vergütungsgruppe BAT I sowie außertariflich vergüteten Angestellten vorbehalten ist. Die
Befugnis für entsprechende Personalmaßnahmen der Beamten von A13 (höherer
Dienst) bis A 15 haben die Oberbehörden (z.B. Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung). Diese und die Mittelbehörden bearbeiten die Personalmaßnahmen
der Angestellten der Vergütungsgruppen Vb – Ia jeweils für ihren eigenen und
den nachgeordneten Bereich. Die Personalbearbeitung des übrigen Personals,
einschließlich der Arbeiter erfolgt in den jeweiligen Beschäftigungsdienststellen,
also auch in den Ortsbehörden.
Die Beschäftigungsdienststellen bearbeiten darüber hinaus die weniger bedeutsamen Personalmaßnahmen, wie z.B. die Urlaubsbearbeitung, und führen hierzu
die sogenannten Personalnebenakten.
Den gebührnisbearbeitenden Stellen obliegt die Berechnung von regelmäßigen
Dienstbezügen (Besoldung, Löhne und Gehälter) sowie von einmaligen Entgelten (z.B. Sonderzulage) auf Grundlage von Änderungsmitteilungen, welche bei
den personalbearbeitenden Dienststellen erstellt werden. Außerdem stellen die
gebührnisbearbeitenden Stellen die pünktliche Zahlung an die Beschäftigten sicher und führen die jeweiligen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an die
entsprechenden Stellen ab. Bis zum Jahr 1996 waren die sogenannten Wehrbereichsgebührnisämter für die Gebührnisbearbeitung zuständig. Danach wurden
sowohl die Aufgaben als auch das Personal in die Wehrbereichsverwaltungen
eingegliedert und erhielten dort eigenständige Organisationseinheiten.
Sonstige, mit Personalaufgaben betraute Stellen gibt es in fast allen Behörden
der Bundeswehrverwaltung. Sie bearbeiten beispielsweise die sogenannten Ne-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
179
bengebührnisse (Reise- und Umzugskosten, Trennungsgeld sowie Beihilfen u.a.
für Krankheitsfälle). Besonders hervorzuheben ist, dass die Aufgaben im Zusammenhang mit der Aus- und Fortbildung überwiegend nicht von den personalbearbeitenden Stellen wahrgenommen werden, sondern von eigens dafür
eingerichteten Organisationseinheiten oder von einzelnen Beauftragten bei kleineren Behörden. In einigen Behörden der Bundeswehrverwaltung sind die
sonstigen, mit Personalaufgaben betrauten Stellen nicht in der jeweiligen für die
Personalbearbeitung zuständigen Abteilung, sondern in einer eigenen Abteilung
für „Sozialangelegenheiten“ organisatorisch aufgehängt, wie folgendes Beispiel
des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung zeigt:
Zentralabteilung ZA
ZA I
ZA II
ZA III
ZA IV
(Organisation)
(Haushalt)
(Sozialangelegenheiten)
(Personal)
ZA IV 1
ZA III 1
(Fürsorge etc.)
(Grundsatz,
Personalhaushalt)
ZA III 2
(Einstellung und
Ausbildung
(Personalbearbeitung)
ZA III 3
(Fortbildung)
ZA III 4
(Sprachdienst)
ZA III 5
(Nebengebührnisse)
ZA III 6 (Arzt)
ZA IV 2
ZA IV 3
(Personalbearbeitung )
ZA IV 4
(Personalbearbeitung )
ZA IV 5
(Personalbearbeitung )
ZA IV 6
(Personalbearbeitung )
Abb. 25: Organisation des Personalwesens im BWB
(Auszug aus der Aufbauorganisation des BWB; Stand: März 2001)
Das Qualifikationsprofil der einzelnen Dienstposten in allen der weiter oben genannten Stellen sieht überwiegend die Verwendung von Beamten des mittleren
und gehobenen Verwaltungsdienstes oder von Verwaltungsfachangestellten vor.
Im höheren Dienst werden in diesen Bereichen regelmäßig Beamte verwendet,
die zum Richteramt befähigt sind (Volljuristen), mit Ausnahme einiger weniger
Stellen für Aufstiegsbeamte aus dem gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes und –noch seltener- des höheren technischen Dienstes. Beamte besonderer Fachrichtungen (in sog. Sonderlaufbahnen), wie z.B. Wirtschaftswissenschaftler oder Psychologen, werden im Personalwesen der Bundeswehrverwaltung nicht eingesetzt.
180
Zweiter Teil
4.2.3 Ausgewählte Verfahren im Personalwesen der Bundeswehrverwaltung
An dieser Stelle werden nun einige ausgewählte Verfahren vorgestellt, die das
Personalwesen der Bundeswehrverwaltung wesentlich bestimmen. Die Auswahl
erfolgte unter dem Aspekten der Übertragbarkeit auf andere Verwaltungen, zumindest auf Bundesebene, weil zwingende gesetzliche Regelungen hierzu vorliegen oder weil ressortübergreifende Verwaltungsvorschriften diese Verfahren
vorschreiben.
4.2.3.1 Personalbedarfsermittlung
Auf Grundlage des Allgemeinen Umdrucks 1/150 führt die Bundeswehrverwaltung regelmäßig sogenannte Personalbesmessungen durch. Hierbei handelt es
sich um die Anwendung eines der Verfahren zur Personalbedarfsermittlung, die
das Bundesinnenministerium für die gesamte Bundesverwaltung in einem entsprechend lautenden Handbuch (in BWV 1993, S. 61-160) vorschlägt.
Hiernach ist es die Aufgabe der Personalbedarfsermittlung, die notwendige Personalausstattung festzustellen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. für einen bestimmten Zeitraum für die Erfüllung vorgegebener Aufgaben notwendig
ist und zwar mit der Zielsetzung,
· den Personalbedarf auf eine gesicherte Basis zu stellen,
· die angemessene Auslastung der Mitarbeiter zu sichern und Überlastungen zu vermeiden,
· die Aufgabenerledigung in einer angemessenen Zeit sicherzustellen,
· Ermessensentscheidungen einzuschränken und objektivierte Bemessungsgrundlagen bzw. -ergebnisse zu liefern,
· eine angemessene Verteilung der genehmigten Personalausstattung zu
gewährleisten,
· den Personalbedarf schnell und sicher an veränderte Arbeitssituationen
anzupassen,
· die Ergebnisse transparent, nachvollziehbar und damit kontrollierbar zu
machen, die Bemessungsvorschriften zu vereinheitlichen sowie
· Orientierungs- und Entscheidungshilfen für den Haushaltsgesetzgeber bereit zu stellen.
Die dort vorgeschlagenen Verfahren zur Erreichung dieser Zielsetzung sind
· das analytische Berechnungsverfahren,
· das analytische Schätzverfahren,
· das Fortschreibungsverfahren,
· das Schlüsselzahlverfahren sowie
· die Arbeitsplatzmethode.
Zu der Beschreibung der einzelnen Verfahren, der Eignung bei bestimmten Fragestellungen, den Vor- und Nachteilen und zu Erfahrungen bezüglich der An-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
181
wendung in der Bundesverwaltung wird auf das Handbuch (BWV 1993, S. 66
ff.) verwiesen.
Die Bundeswehrverwaltung verwendet über dies zusätzlich noch eine ABCAnalyse, bei der es ähnlich der gleichlautenden Methode in der Materialwirtschaft um die Klassifizierung von Tätigkeiten nach Häufigkeit und zeitlicher
Inanspruchnahme geht. So werden Tätigkeiten, welche selten auftreten aber den
Mitarbeiter zeitlich sehr lange binden in Kategorie A, Tätigkeiten von annähernd mittlerer Häufigkeit und Inanspruchnahme in Kategorie B sowie Tätigkeiten welche von kurzer Dauer sind und relativ häufig vorkommen in Kategorie
C eingestuft.
Der Ablauf der Personalbedarfsermittlung ist gekennzeichnet durch eine Vorgehensplanung, der sich die Vorbereitung und Durchführung des jeweils anzuwendenden Verfahrens anschließt. Nach der Erhebung bzw. Ermittlung aller notwendigen Informationen erfolgt eine Auswertung, d.h. eine rechnerische Verknüpfung aller maßgeblichen Einflussgrößen. Das Ergebnis dieser Personalbedarfsberechnung stellt damit die Soll-Größe für den Personalbedarf dar. Der
konkrete Personalbedarf ergibt sich somit aus der Gegenüberstellung mit dem
vorhandenen Personalbestand.
4.2.3.2 Deckung des Personalbedarfs
Die Bundeswehrverwaltung deckt ihren Personalbedarf grundsätzlich über den
Arbeitsmarkt. Hierbei unterscheidet sie sich zunächst nicht von dispositiven Betrieben. Besonderheiten gibt es aber bezüglich des Bedarfs an Beamten aller
Laufbahnen und Laufbahngruppen, welche typischerweise nicht auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Deshalb ist die Bundeswehrverwaltung, ebenso wie
alle anderen Verwaltungen, gezwungen, die berufliche Qualifikation der Laufbahnbeamten im Wege eigener Ausbildungsgänge sicherzustellen.
Grundlage für die Ausbildung und damit der beruflichen Qualifizierung der Beamten sind die nach Laufbahnen und Laufbahngruppen differenzierten Laufbahnausbildungs- und Prüfungsordnungen.
Entsprechende Regelungen gibt es für Beamte der Sonderlaufbahnen und für
Arbeitnehmer nicht, da diese bereits mit einer bestimmten beruflichen Eingangsqualifikation eingestellt werden. Hierzu bleibt lediglich ein Hinweis darauf, dass die Bundeswehrverwaltung, ebenso wie größere dispositive Betriebe,
Berufsausbildung im Rahmen des sogenannten Dualen Systems betreibt oder
dadurch, dass sie Praktikantenplätze für Studierende bereitstellt.
Die theoretische Ausbildung des mittleren technischen und nichttechnischen
Dienstes erfolgt in eigenen Bildungseinrichtungen, den Bundeswehrverwal-
182
Zweiter Teil
tungsschulen. Dazu kommen Phasen der praktischen Ausbildung in verschiedenen Dienststellen der Bundeswehrverwaltung und zum Teil im Bereich der
Streitkräfte. Die Ausbildung schließt nach zwei Jahren mit einer schriftlichen
und mündlichen Laufbahnprüfung ab. Während der Ausbildung befinden sich
die Beamten in einem Dienstverhältnis auf Widerruf und nach bestandener
Laufbahnprüfung können sie in des Beamtenverhältnis auf Probe übernommen
werden. Eine Übernahmegarantie für den Fall des Bestehens der Prüfung gibt es
auch bei der Bundeswehrverwaltung seit 1999 nicht mehr. Allerdings befähigt
die Ausbildung zu einer Verwendung auch in anderen öffentlichen Verwaltungsbereichen sowohl beim Bund als auch bei den Ländern und Gemeinden.
Annähernd gleiche Regelungen zur Laufbahnausbildung und- prüfung gibt es
auch für die Beamten des gehobenen nichttechnischen Dienstes. Allerdings dauert die Ausbildung insgesamt drei Jahre. Auch finden die theoretischen Ausbildungsblöcke nicht an den Bundeswehrverwaltungsschulen sondern zentral am
Fachbereich „Bundeswehrverwaltung“ der Fachhochschule des Bundes in
Mannheim statt. Dieser Fachbereich ist in die Gesamtorganisation der Bundeswehrverwaltung eingegliedert, während die Fachhochschule selbst (mit ihrem
Zentralbereich in Brühl) dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums
angehört. Mit Bestehen der Laufbahnprüfung erwerben die Kandidaten gleichzeitig einen Fachhochschulabschluss mit dem Diplomgrad „DiplomVerwaltungswirt (FH)“.
Die Laufbahnausbildung der Beamten in technischen Fachrichtungen des gehobenen und höheren Dienstes beginnt dagegen erst nach Abschluss einer entsprechenden (Fach-)Hochschulausbildung, welche damit Eingangsqualifikation für
diese Laufbahnen ist. Im Rahmen der technischen Laufbahnausbildung, die somit Referendariate darstellen, sind ebenfalls praktische und theoretische Phasen
enthalten. Letztere finden an der Bundesakademie für Wehrverwaltung und
Wehrtechnik in Mannheim statt. Für beide Laufbahngruppen ist eine schriftliche
und mündliche Prüfung vorgeschrieben, welche für die Kandidaten des höheren
technischen Dienstes die Qualität eines Zweiten Staatsexamens hat.
Dieses ist wiederum die Einstellungsvoraussetzung für die Beamten des höheren
nichttechnischen Dienstes, die in der Bundeswehrverwaltung vornehmlich Juristen sind. Die Bundeswehrverwaltung stellt also für diese Laufbahn Bewerber
ein, die ihre Referendariate bei den Bundesländern, dort bei den Oberlandesgerichten, absolviert haben und bildet somit diesen Personankreis nicht selbst aus.
Die Personalauswahl erfolgt zentral beim Bundesamt für Wehrverwaltung.
Letztlich sei noch anzumerken, dass die Bundeswehrverwaltung gelegentlich
(fast ausschließlich für die Laufbahnen des technischen Dienstes) Stipendien für
eine Hochschul- bzw. Fachhochschulausbildung vergibt, die allerdings zurückzuzahlen sind, wenn die Beamten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
183
der Laufbahnausbildung aus dem Dienstverhältnis ausscheiden. Dies erfolgt vor
dem Hintergrund der Personalbeschaffung, da regelmäßig Engpässe in bestimmten technischen Fachrichtungen mangels Bewerber auftreten.
4.2.3.3 Personaleinsatz und Personalbewirtschaftung
Den Personaleinsatz in der Bundeswehrverwaltung regeln die sogenannten Personalwirtschaftsrichtlinien (vgl. 4.2.1.3). Hiernach ist die Beschäftigung von
Beamten und Arbeitnehmern nur im Rahmen der vom Gesetzgeber beschlossenen haushaltsrechtlichen Vorgaben zulässig. Dieser haushaltsrechtliche Rahmen
bindet einerseits die Bundeswehrverwaltung in ihren Entscheidungen bezüglich
des Personaleinsatzes. Auf der anderen Seite werden durch den Bundeshaushaltsplan weder persönlichen Ansprüche begründet noch greift dieser nicht in
bestehende Rechte der Beschäftigten ein.
Der haushaltsrechtliche Rahmen wird in quantitativer und qualitativer Hinsicht
konkretisiert durch die im Haushaltsplan ausgeworfenen und damit vom Parlament bewilligten Stellen und Planstellen. Das bedeutet für den konkreten Personaleinsatz, dass die Besetzung von Dienstposten, die den zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen Personalbedarf definieren, nur im Rahmen verfügbarer
Haushaltsstellen zulässig ist. Nur in Ausnahmefällen dürfen bei Vorliegen besonderer Gründe (z.B. Wegfall von Dienstposten oder Freistellung als Personalvertretung) vorübergehend Mitarbeiter auch außerhalb von Dienstposten verwendet werden. Dennoch müssen auch hierbei haushaltsrechtliche Stellen vorhanden sein.
Daraus ergibt sich auch bei der Bundeswehrverwaltung die sogenannte „Stellenschere“ zwischen Dienstposten und Haushaltsstellen, weil in der Regel mehr
Dienstposten vorhanden sind als Haushaltsstellen zur Verfügung stehen (quantitative Schere) bzw. weil nicht für alle besetzbaren Dienstposten entsprechend
bewertete Haushaltsstellen zur Verfügung stehen (qualitative Schere). Damit
kommt der Bewirtschaftung der Haushaltstellen eine erhebliche Bedeutung zu.
Die den jeweiligen Bereichen der Bundeswehrverwaltung zentral zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung zugewiesenen Haushaltsstellen sind dabei unter
Berücksichtigung der Belange aller Dienststellen im Bewirtschaftungsbereich
nach Prioritäten zu vergeben. Der bewirtschaftende Bereich ist verpflichtet für
die Inanspruchnahme von Stellen und Planstellen entsprechende Nachweise zu
führen.
Zuständig für die Bewirtschaftung der Haushaltsstellen ist meist eine gesonderte
Organisationseinheit. Das ist in der Regeln weder die personalbearbeitende
Stelle noch die Organisationseinheit, welche die Dienstposten ermittelt und die
entsprechenden Organisationspläne erstellt. Die personalbearbeitende Stelle ist
also für einen konkreten Personaleinsatz abhängig von der Freigabe jeweils ei-
184
Zweiter Teil
ner organisatorischen Stelle und einer haushaltsrechtlichen Stelle durch andere
Organisationsbereiche. Im Extremfall kann dies auch wieder auf unterschiedliche Abteilungen verteilt sein, wie das Beispiel des BWB zeigt (siehe nochmals
Abb. 25); dort muss der Personaleinsatz, der in einem der Referate ZA IV 2 - 6
vollzogen werden soll, wegen der Inanspruchnahme einer freien Haushaltsstelle
abgestimmt sein mit dem Referat ZA IV 1 (Personalhaushalt) sowie bezüglich
des Dienstpostens mit einem Referat der Unterabteilung ZA I (Organisation).
4.2.3.4 Ausschreibungsverfahren und Personalauswahl
Gemäß § 4 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) muss auch die Bundeswehrverwaltung die für eine Einstellung freien Dienstposten ebenso wie die Beförderungsdienstposten grundsätzlich ausschreiben und eine Auslese nach den
Grundsätzen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vornehmen. Von
der Ausnahmeregelung, nach der von einer Ausschreibung abgesehen werden
kann, wenn Gründe der Personalplanung oder des Personaleinsatzes entgegenstehen, macht sie zumindest im Allgemeinen keinen Gebrauch.
Das Ausschreibungsverfahren selbst ist geregelt in dem in Abschnitt 4.2.1.3 bereits angesprochenen Grundsatzerlass. Hiernach stellt die Dienstpostenausschreibung ein Hilfsmittel dar, um einerseits „durch Information den Kreis der
miteinander konkurrierenden Bewerber zu ermitteln“ und andererseits zu „einer
größtmöglichen Leistungsfähigkeit der Verwaltung dadurch beizutragen, dass
die anschließende Personalauswahl ausschließlich auf der Grundlage von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung stattfinden“ kann. In Anbetracht der
Regelungen des § 4 BLV und des Grundsatzerlasses, kann nur der Mitarbeiter
auf einem der betreffenden Dienstposten verwendet werden, auf den er sich auch
beworben hat. Eine persönlich Ansprache und somit ein gezielter Einsatz, ggf.
verbunden mit einer individuellen Förderungsmöglichkeit, eines bestimmten
Mitarbeiters ist damit grundsätzlich nicht möglich. In der Praxis ist aber nicht
selten zu beobachten, dass interne Stellenausschreibungen so formuliert sind,
dass objektiv nur ein einziger Bewerber für den ausgeschriebenen Dienstposten
in Frage kommt.
Das Verfahren sieht zentrale Ausschreibungen durch das Ministerium, der Oberund der Mittelbehörden für alle Dienstposten ab Besoldungsgruppe A 12 bzw.
ab Vergütungsgruppe BAT III sowie dezentrale Ausschreibungen aller anderen
personalbearbeitenden Stellen (für alle Dienstposten) vor.
Inhaltlich muss eine Ausschreibung mindestens alle relevanten Dienstpostenund Anforderungsmerkmale umfassen, wie
· Dienststelle, Dienstort, Dienstpostenbeschreibung und –bewertung,
· Besetzungstermin,
· Aufgabenbeschreibung,
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
185
· geforderte Qualifikation,
· ausschreibende Stelle (Anschrift) und
· Ausschreibungsschluss.
Dazu können Hinweise auf Teilzeitfähigkeit des Dienstpostens, die Frauen- und
Schwerbehindertenförderung sowie auf die Verwendungsmöglichkeit von Angestellten auf Beamtendienstposten enthalten sein.
Weiterhin ist das Verfahren zeitlich zu befristen; Bewerbungen nach Ausschreibungsschluss dürfen keine Berücksichtigung mehr finden. Außerdem können
Ausschreibungen mangels geeigneter Bewerber aufgehoben und ggf. nochmals
ausgeschrieben werden.
Ausschreibungen werden im klassischen Personalwesen übrigens in der Regel
erst dann erstellt, wenn ein konkreter Dienstposten vakant ist, was teilweise zu
erheblichen Verzögerungen führt. Eine Verpflichtung zur frühzeitigen bzw. dauerhaften Erstellung von Anforderungsprofilen besteht auf Grund der Verfahrensvorschriften nicht.
Die Auslese der fristgerecht eingegangenen Bewerbungen muss lediglich den
oben genannten Grundsätzen entsprechen, wozu eine entsprechende Rang- bzw.
Reihungsliste der Bewerber unter Berücksichtigung der letzten dienstlichen Beurteilung erstellt wird. Ein bestimmtes Auswahlverfahren ist allerdings nicht
vorgeschrieben. Mitarbeitern, deren Bewerbung nicht entsprochen werden
konnte, sind darüber zu informieren und zwar mit dem konkreten Hinweis darauf, wer für den ausgeschriebenen Dienstposten ausgewählt wurde.
4.2.4 Überblick über das Personalinformationssystem
der Bundeswehrverwaltung
Die Bundeswehrverwaltung betreibt seit 1966 ein „Personalführungs- und informationssystem“ (PERFIS), das mehrfach, letztmalig 1973, an technische
Neuerungen angepasst wurde. Es handelt sich dabei um ein Datenverarbeitungsverfahren, bei dem der Gesamtdatenbestand zentral auf einer Großrechneranlage
in einem Rechenzentrum der Bundeswehr verwaltet wird und dezentrale Eingaben bzw. Abfragen durch die personalbearbeitenden Stellen erfolgen (sog.
HOST-Verfahren). Grundlage ist die Systembeschreibung für das „DVVerfahren Personalführung- zivil (DV-PERSFUE/ZIV)“ des BMVg.
PERFIS hat die Aufgabe, die personalführenden und –bearbeitenden Stellen der
Bundeswehrverwaltung mit Informationen über die Zivilbediensteten (Beamte,
Richter, Arbeitnehmer einschließlich Praktikanten und Auszubildende) zu versorgen. Ziel des Verfahrens insgesamt ist es, die Arbeitsabläufe im Personalwesen zu vereinfachen und zu rationalisieren. Es stellt durch Anwendung bundeswehreinheitlicher Grundlagen sicher, dass das Datenmaterial in allen Anwen-
186
Zweiter Teil
dungsbereichen, ggf. bei anderen Bedarfsträgern (z.B. im militärischen Bereich)
verwendbar ist.
Das DV-Verfahren PERFIS ist ein Datenbanksystem, welches Daten in der Bestandsdatei, den Änderungsdateien, Schlüssel- bzw. Kennungsdateien sammelt
und strukturiert sowie in sog. Teleprocessing-Dateien zum Zwecke der Direktabfrage der Nutzer aufbereitet. Die wesentliche Bestandsdatei ist eine Datenbank, welche alle relevanten Daten (ca. 190 Datenfelder) aller Beschäftigten
(Datensätze) enthält. Sie ist durch Zusammenfassung verschiedener Datenfelder
wie folgt strukturiert:
· Personalstammdaten
(z.B. Personalkennziffer als Identifizierungsschlüssel, Name, Wohnort,
Familienstand oder Religion)
· Grundtätigkeiten (die letzten fünfzehn Verwendungen)
· Vorbildung (Schulbildung, Hochschulausbildung, Akademische Grade)
· Ausbildungszeiten und Berufe
(z.B. Berufsausbildungszeiten, Abschlüsse, ausgeübter Beruf außerhalb
der Bundeswehrverwaltung)
· Dienstliche Fortbildung (einzelne Lehrgänge, Abschlüsse)
· Sprachen
· Dienstposten- und Planstellen- bzw. Stellenmerkmale
(gem. ODP und Haushaltsplan)
· Wehrdienst
· Laufbahn/Ernennungen (Beamte)
· Beförderungen (Beamte)
· Höhergruppierungen/Einreihungen (Arbeitnehmer)
· Beschäftigungszeit/Dienstzeit/Jubiläum
· Beurteilungen (Einzelmerkmale der letzten vier dienstlichen Beurteilungen).
Die Daten werden für jeden einzelnen Beschäftigten nach Ersterfassung bzw.
Änderung eines der vorgenannten Merkmalen auf das sog. „Personalstammblatt“ ausgedruckt und bei der Personalhauptakte aufbewahrt.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
187
4.3 Personalwirtschaftliche Analyse des
klassischen Personalwesens
Nachdem das Personalwesen der administrativen Betriebe vor den Staats- und
Verwaltungsreformen des New Public Managements allgemein und am Beispiel
der Bundeswehrverwaltung explizit beschrieben wurde, soll nun untersucht
werden, ob bis dato schon von Personalwirtschaft im Sinne der Definition gemäß Hauptabschnitt 2 gesprochen werden konnte.
Diese Analyse orientiert sich daher an den dort beschriebenen Erkenntnissen
und beinhaltet im Kern den Versuch, das klassische Personalwesen unter den
Begriff der Personalwirtschaft zu subsumieren. Dies erfolgt durch eine Überprüfung der wesentlichen Definitionsmerkmale des Begriffs Personalwirtschaft.
Zuvor werden die im Hauptabschnitt 2 mittels einer Wertkette beschriebenen
Aktivitäten der Personalwirtschaft untersucht. Anschließend soll auch herausgefunden werden, ob und inwieweit der Begriff des Personalmanagements bezüglich des bisherigen Personalwesens verwendet werden kann.
Schließlich wird das Ergebnis dieser Analyse zusammengefasst, wobei auch
kurz aufgezeigt werden soll, welcher Phase der in Hauptabschnitt 2 beschriebenen Entwicklungslinie das Personalwesen administrativer Betriebe in der Praxis
eingeordnet werden kann.
4.3.1 Aktivitäten der personalwirtschaftlichen Wertkette
Im Rekurs auf die Abschnitte 2.4.2.1 bis 2.4.2.5 werden zunächst die einzelnen
personalwirtschaftlichen Aktivitäten dahingehend überprüft, inwieweit diese im
klassischen Personalwesen bereits vorhanden sind.
4.3.1.1 Personalbeschaffung
Die administrativen Betriebe sind auf Grund ihrer vorteilhaften strukturellen
Gegebenheiten nicht ausschließlich auf die Akquisition von Personal aus dem
externen Arbeitsmarkt angewiesen. Für den Bereich der Laufbahnbeamten im
nichttechnischen Dienst verfügen die öffentlichen Verwaltungen über eigene
Ausbildungsinstitutionen, wie Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten
(vgl. BALZEREIT 1992, Sp. 1849), die den eigenen Nachwuchs ausbilden, so
dass hierfür vornehmlich Schulabgänger bzw. Bewerber ohne vorherige Berufsausbildung in Frage kommen. Allerdings finden nur selten (z.B. durch die
Polizei oder Bundeswehr) gezielte Informations- und Werbeveranstaltungen in
den Schulen statt. In der Regel wird der Personalbedarf an Laufbahnbeamten
meist mittels Anzeige in der regionalen Presse ebenso ausgeschrieben, wie für
alle übrigen Einstellungen aus dem externen Arbeitsmarkt, wozu die Verwaltungen wegen der dienstrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich verpflichtet sind.
188
Zweiter Teil
Die Bewerber werden also in den allermeisten Fällen nicht gezielt angesprochen
oder gar von anderen Arbeitgebern abgeworben, was rechtlich auch nicht unbedenklich wäre. Nach den Vorgaben der Ausschreibungen, die im Übrigen sehr
allgemein gehalten sind und ein detailliertes Anforderungsprofil nur in Ausnahmefällen erhalten, müssen die Bewerber also selbst Initiative ergreifen.
Nach einer ersten Selektion auf Grund der Aktenlage, die im Wesentlichen eine
Überprüfung der ausgeschriebenen Einstellungsvoraussetzungen ist, kommt es
dann zur Auswahl, die gemäß der rechtlichen Terminologie als Ausleseverfahren zu bezeichnen ist. Hierbei findet sich bei den administrativen Betrieben „die
gesamte Bandbreite denkbarer Auswahlpraktiken: von intuitiven Ersteindrücken
eines einzelnen Promotors und Gefälligkeits-Referenzen als Grundlage für berufliche Lebenszeitentscheidungen über mehr oder weniger rationale Heuristiken mit der Betonung von Zeugnisnoten, Wissenstests und Vorstellungsgesprächen (...), bis hin zu Assessment-Center-Programmen mit sich anschließenden
Validierungsstudien“ (BALZEREIT 1992 Sp. 1848).
Auch bezüglich der Einzelaktivitäten im Bereich der Einstellung und Einführung des ausgewählten Personals, welche die administrativen Betriebe im klassischen Personalwesen durchführen, lassen sich damit noch weitere Indizien finden, die zunächst grundsätzlich für ein personalwirtschaftliches Vorgehen sprechen.
4.3.1.2 Personalentwicklung
Ebenfalls wegen den vorteilhaften strukturellen Gegebenheiten durch das Vorhandensein zahlreicher eigener Bildungseinrichtungen in den öffentlichen Verwaltungen, und durch die Vorgaben des Laufbahnprinzips, sind Maßnahmen der
betrieblichen Bildung im klassischen Personalwesen besonders ausgeprägt. Das
Personal wird teilweise regelmäßig, teilweise sporadisch, durch interne und externe Schulungsmaßnahmen weitergebildet. Auch finden in vielen Bereichen der
öffentlichen Verwaltung und ganz besonders bei Beamten, geplante und gezielte
Dienstpostenwechsel im Sinne einer „Job rotation“ als Form eines „Training on
the job“ statt. Damit wird dem Grundsatz der Schaffung einer gewissen Verwendungsbreite und damit einer dienstlichen Erfahrung gefolgt, was sich im Übrigen aus den Laufbahnprinzipien Eignung, Befähigung und Leistung herleiten
lässt.
Obgleich damit also sehr viele Einzelaktivitäten vorhanden sind, die der Personalentwicklung zuzuordnen sind, scheint es im öffentlichen Dienst „schwierig
zu sein, berechtigte individuelle Karriereerwartungen mit den Organisationsinteressen durch eine sorgfältige nach dem Leistungs- und Potentialprinzip geplante
und in ihrer Wirkung kontrollierte Abfolge von Verwendungsstationen zu ver-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
189
zahnen, wobei die einzelnen Stationen primär der zusätzlichen Qualifizierung
oder vorrangig dem eignungsgerechten Einsatz dienen sollten“ (BALZEREIT
1992, Sp. 1849). Ein Beleg hierfür ist das Fehlen ausgefeilter Personalentwicklungskonzepte, die einzelne Maßnahmen bezüglich der Betriebsziele als auch
bezüglich der Mitarbeiterziele aufeinander abstimmen und somit individuelle
Verwendungs- und Karriereplanungen ermöglichen.
Das klassische Personalwesen verhält sich also im Bereich der Personalentwicklung grundsätzlich passiv, in dem die Mitarbeiter selbst auf bereitgestellte
Bildungsmaßnahmen bzw. auf frei gewordene Dienstposten durch eigene Bewerbung reagieren müssen. Insofern wäre es unangemessen, das umfangreiche
Konglomerat an vielen einzelnen Bildungsmaßnahmen und Dienstpostenwechsel mangels Intention als personalwirtschaftliche Aktivitäten im Sinne einer gesamtheitlichen und integrativen Personalentwicklung anzusehen.
4.3.1.3 Personalausstattung und -freisetzung
Die Bereitstellung von Personal für die operativen Einheiten der administrativen
Betriebe erfolgt weitestgehend automatisiert sowie standardisiert und ohne wesentliche Einflussnahme der Stellen, die den konkreten Bedarf haben. Frei gewordene Dienstposten werden wegen der zuvor ergangenen Personalmaßnahme
bei den personalbearbeitenden Stellen erkannt und dahingehend überprüft, ob
ein formelles Ausschreibungsverfahren notwendig ist, was bei Beförderungsdienstposten regelmäßig der Fall ist. Nur dann, wenn sich keine geeigneten
Kandidaten für Nicht-Beförderungsdienstposten finden, weil weder Unterbringungsfälle (aus anderen Bereichen oder nach Beendigung z.B. eines Erziehungsurlaubs) vorliegen, noch interessierte Mitarbeiter sich bereits im Vorfeld
für die zu besetzende Stelle gemeldet haben, kann der Dienstposten fakultativ
ausgeschrieben werden, um ein entsprechendes Interesse anzuregen. Grundsätzlich besteht auch auf Grund und im Rahmen der beamtenrechtlichen oder tarifvertraglichen Regelungen die Möglichkeit, Mitarbeiter wegen einer dringlichen
dienstlichen Notwendigkeit auch gegen ihren Willen auf den vakanten Dienstposten umzusetzen bzw. zu versetzen, was aber auf Grund des Fürsorgeprinzips
und wegen der starken Beteilungsrechte der Personalvertretung nur in absoluten
Ausnahmefällen geschieht.
Nicht in allen Fällen können Vakanzen unmittelbar nachbesetzt werden. Der
Grund hierfür liegt meist darin, dass für die freie organisatorische Stelle
(Dienstposten) eine notwendige haushaltsmäßige Abdeckung nicht möglich ist,
es also konkret an einer Haushaltsstelle mangelt, sei es wegen einer verhängten
Haushaltssperre oder auf Grund struktureller Gegebenheiten, die aus einer bestehenden Stellenschere resultieren. Auch in den Fällen, in denen nicht berücksichtigte Bewerber gegen die Personalentscheidung klagen („Konkurrentenkla-
190
Zweiter Teil
ge“) kann es bis zum Abschluss der teilweise langwierigen Verfahren dauern,
ehe die freie Stelle endgültig nachbesetzt werden kann.
Bei der Auswahl im Rahmen einer Ausschreibung wird trotz der einschlägigen
Prinzipien, der Eignung, Leistung und Befähigung, nicht unbedingt der für die
Anforderungen des Dienstpostens geeignetste Bewerber herausselektiert. Grund
hierfür ist das sehr starke Gewicht der dienstlichen Beurteilung bei Entscheidungen für die interne Stellenbesetzung, weil hiermit eine scheinbar objektive –
vor allem aber justiziable – Anwendung der genannten Prinzipien sichergestellt
werden soll. In Anbetracht der Tatsache, dass Beurteilungen, trotz der Bemühungen über Verfahrensregelungen eine maximale Objektivität herzustellen, einen stark subjektiven Kern haben und ausschließlich vergangenheitsorientiert
sind, sind in der Literatur als Personalauswahlkriterium auch nicht unumstritten
(vgl. DRUMM 2000, S. 118 f.)
Die im Bereich der Personalausstattung aber auch für die gesamte Personalwirtschaft so zentrale Funktion der Personalplanung wird sicherlich durch all diese
systemimmanenten Schwierigkeiten determiniert. Insofern werden im Personalwesen der administrativen Betriebe eher selten eigene Planungsmaßnahmen für
den Personalbedarf, den Personalbestand etc. (vgl. Abschnitt 2.4.2.3) durchgeführt, weil die wesentlichen Parameter sich aus den Planungen im Bereich der
Organisation (Dienstposten- und Stellenpläne) und des Haushalts, die nicht
selten aus Verhandlungen in bzw. zwischen den Ressorts besteht, ergeben. Die
Ableitung der Personalbedarfszahlen aus den Ergebnissen organisatorischer Tätigkeiten ist aber nicht unumstritten, selbst wenn komplexe Verfahren einer Personalbedarfermittlung, wie z.B. oben für die Bundeswehrverwaltung dargestellt,
zwischengeschaltet werden. Der Bundesrechnungshof moniert beispielsweise
bei Verwaltungen die solche Verfahren anwenden, das „personalwirtschaftliche
Erhebungen (...) häufig nicht hinreichend geplant“ werden. Das liegt vielfach
daran, dass „die Aufgaben, die Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Arbeitsbedingungen (...) vor Ermittlung des Personalbedarfs nicht optimiert“
(BWV 1993, S. 53) wurden.
Personalfreisetzungen sind wegen der relativ statischen und auf den dauerhaften
Bestand angelegten Charakter der administrativen Betriebe relativ unproblematisch, allein schon deshalb, weil durch das Lebenszeitprinzip der Beamten und,
entsprechend relativiert, der Arbeitnehmer Kündigungen so gut wie nicht vorgenommen werden können. Somit gibt es auch prinzipiell keinen Grund nach alternativen Freisetzungsstrategien zu suchen, wie etwa dem Outplacement. Das
hat auch Auswirkung auf die Freisetzungsplanung, die dann im Wesentlichen
aus der statistischen Erfassung einer Altersfluktuation besteht. Diese kann dann
auch recht einfach über die teilweise vorhandenen Personalinformationssysteme
erstellt werden.
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
191
Letztere sind daher im klassischen Personalwesen nicht sehr ausgefeilt und beschränken sich lediglich auf eine Personalbestandsführung, wie das Beispiel von
PERFIS bei der Bundeswehrverwaltung zeigt. Dies auch auf Grund der standardisierten und rechtlich sehr detailliert geregelten Verfahren zum Personaleinsatz.
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Maßnahmen im Bereich der
Personalausstattung weniger personalwirtschaftliche Aktivitäten sind, als vielfach Maßnahmen, einen latent vorhandenen Mangel zu verwalten, der weniger
an geeignetem Personal als an vorhandenen organisatorischen und haushaltsrechtlichen Stellen besteht oder es sich hierbei um durch Haushalts- und Dienstrecht programmierte Abläufe handelt, wobei der Schwerpunkt des Personalwesens die Einhaltung der Regeln darstellt. Insofern wird die Personalausstattung
in administrativen Betrieben „vor allem mit Blick auf die statusorientierten
Laufbahngruppen gesehen und auf eine Beförderungspraxis, die sich weniger
am Erfolg der ausgeübten Tätigkeit als an ‚extrafunktionalen’ Normen orientiert“ (OECHSLER 1989, Sp. 1271 und die dort zitierten Quellen).
Dadurch sind auch die Personalplanungsmaßnahmen an sich nicht genuin sondern ergeben sich zwangsläufig aus den Planungen anderer Bereiche, weswegen
auch ein Personalinformationssystem, soweit überhaupt DV-gestützt notwendig,
sehr einfach gehalten werden kann.
4.3.1.4 Personalmarketing
Wie in Abschnitt 2.4.2.4 bereits dargelegt, geht es im Bereich des Personalmarketings um die Erschließung des externen Arbeitsmarktes durch Maßnahmen,
die den Auf- und Ausbau eines positiven Images der Betriebe zum Inhalt haben
und darauf abzielen, einen Beschäftigungswunsch bei potenziellen Mitarbeitern
zu generieren und diese zu einer Bewerbung zu bewegen. Außerdem soll eine
übermäßige Fluktuation des bestehenden Personals dadurch eingeschränkt werden, dass über die Vermittlung eben dieses positiven Images auch intern eine
gewisse Bindungswirkung an den Betrieb hergestellt wird.
Untersucht man diesbezügliche Aktivitäten der administrativen Betriebe im
klassischen Personalwesen, so lässt sich feststellen, dass Maßnahmen dieser Art
eher selten und dann nur sporadisch ergriffen werden. Dort, wo dies der Fall ist,
handelt es sich entweder um ganz besondere Berufe (z.B. Polizei, Bundesgrenzschutz oder den Soldatenberuf) oder um Arbeitsmarktsegmente, auf welchen
eine gewisse Knappheit an verfügbaren Arbeitskräften besteht (z.B. zeitweise
Ingenieure spezieller Fachrichtungen wie Luft- und Raumfahrtechnik sowie bei
IT-Experten aller Art). In beiden Fällen wird auch fast die gesamte Palette an
Möglichkeiten genutzt, die in Frage kommenden Personenkreise anzusprechen
und zu bewerben. Beispiele hierfür sind neben den klassischen Werbemaßnahmen Informationsveranstaltungen in den Schulen und Hochschulen, Kooperatio-
192
Zweiter Teil
nen in der Forschung, Vergabe von Diplomarbeiten und Dissertationen sowie
Durchführung von Praktika.
Alles in allem lässt sich aber eine dauerhafte, übergreifende und integrative Dimension, die aus einem Bündel von Einzelmaßnahmen ein Personalmarketing
werden lässt, nur in Ausnahmefällen erkennen. Zudem werden diese Maßnahmen mangels entsprechender Intention so gut wie nie intern ausgerichtet, abgesehen davon, dass ein Verständnis über einen internen Arbeitsmarkt wegen der
Erkenntnisse beider vorausgegangener Abschnitte nicht vorliegt.
Der Grund hierfür mag in der Attraktivität des öffentlichen Dienstes liegen, welche als in der Gesellschaft bekannt vorausgesetzt werden. Diese Attraktivität
resultiert einerseits daraus, dass administrative Betriebe an sich eine Bestandskraft haben und die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse durch das Lebenszeitprinzip, welches ja unter bestimmten Voraussetzungen auch in den Arbeitsverhältnissen wirkt, als sicher gelten. Andererseits bieten die transparenten Vergütungssysteme zusammen mit den überwiegend günstigen Arbeitsbedingungen,
hier insbesondere der Arbeitszeiten, einen gewissen Anreiz, eine Beschäftigung
im öffentlichen Dienst einer Beschäftigung in der Privatwirtschaft vorzuziehen.
Nur in den Bereichen, in denen diese Attraktivität nicht so ausgeprägt ist, wegen
einer besonderen Belastung innerhalb der Dienstverhältnisse (z.B. bei Polizisten
oder Soldaten) oder wegen deutlich besseren Verdienstmöglichkeiten bei dispositiven Betrieben auf Grund einer günstiger Arbeitsmarktsituation (z.B. gegenwärtig bei IT-Fachkräften), sind administrative Betriebe gezwungen, entsprechende Einzelmaßnahmen zu ergreifen, die einem Personalmarketing zugeordnet werden könnten. Von einem Personalmarketing im Zusammenhang mit dem
klassischen Personalwesen kann aber insgesamt nicht gesprochen werden.
4.3.1.5 Personalservice
Quasi als die Restmenge aller personalwirtschaftlichen Einzelaktivitäten wurde
der Bereich des Personalservice definiert (vgl. Abschnitt 2.4.2.5). Hierunter sind
alle die Aufgaben zu verstehen, die administrativer Natur sind und weswegen
die Begriffe „Personalverwaltung“ und „Personaladministration“ synonym verwendet werden können.
Wie sich an dem allgemein und speziell am Beispiel der Bundeswehrverwaltung
vorgestellten klassischen Personalwesen unschwer erkennen lässt, liegt hierbei
der Schwerpunkt der Aufgaben in den administrativen Betrieben. Der Teilbereich der Personalbetreuung ist dabei durch die Vielzahl an verwaltungsinternen
Vorschriften besonders ausdifferenziert. Aber auch der Teilbereich der Sozialleistungen und Sozialeinrichtungen ist deutlich ausgeprägt, was durch bestimmte
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
193
Prinzipien, welche, wie gezeigt, den Beschäftigungsverhältnissen zu Grunde liegen (z.B. Alimentationsprinzip, Fürsorgeprinzip), entsprechend vorgegeben ist.
Allerdings erfolgt im Bereich der Personaladministration die Bereitstellung individueller Leistungen wegen der rechtlichen Regelungen, die meist eine formelle Antragstellung der Mitarbeiter voraussetzen, eher einem „Hol-Prinzip“,
wobei vielfach zu beobachten ist, dass die personalbearbeitenden Stellen diese
Anträge äußerst kritisch prüfen und tendenziell restriktiv bescheiden. Ausnahmen hierzu sind lediglich im Bereich der Lohn- und Gehaltszahlungen vorhanden, weil die entsprechenden rechtlichen oder tarifvertraglichen Regelungen eine entsprechende Mitwirkung der Anspruchberechtigten nicht vorsehen. Alles in
allem ist ein Personalservice, verstanden als ein „auf die Mitarbeiter zugehen“,
nur schwer zu erkennen.
4.3.2 Definition Personalwirtschaft
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass im klassischen Personalwesen administrativer Betriebe einige einzelne personalwirtschaftliche Aktivitäten zu erkennen sind. Auf Grund mangelnder Intentionen oder konzeptioneller
Ansätze, wie beispielsweise im Bereich der Personalentwicklung, ist aber fraglich, ob das Verhalten bezüglich des Personals insgesamt als Personalwirtschaft
verstanden werden kann.
Hierzu bietet sich daher an, dieses Verhalten im klassischen Personalwesen daran zu messen, was Personalwirtschaft bedeutet und inwieweit es sich unter diesen Begriff überhaupt subsumieren lässt.
Wie in Hauptabschnitt 2 (Abschnitte 2.2.3 und 2.3.3) definiert, geht es in der
Personalwirtschaft nach heutigem Begriffsverständnis um die Bereitstellung der
Verfügungsrechte über knappes individuelles Personalvermögen unter Anwendung des ökonomischen Prinzips als betriebliche Funktion, die im Wege bestimmter Transaktionen darauf abzielt, institutionelles Personalvermögen zu erwerben, zu vermehren und zu erhalten, welches daraufhin den Betriebeszielen
entsprechend optimal eingesetzt werden kann.
Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Reformen des New Public
Managements könnte also dann als Personalwirtschaft bezeichnet werden, wenn
mindestens folgende Begriffsmerkmale vorliegen:
(1) die Beschäftigten werden als Träger von Personalvermögen angesehen,
(2) die Bereitstellung des Personalvermögens orientiert sich an den
Betriebszielen und
(3) dies erfolgt transaktionskostenoptimal durch Anwendung des ökonomischen Prinzips.
194
Zweiter Teil
4.3.2.1 Personalvermögen
Aufgrund der kameralen Rechnungssystematik werden in administrativen Betrieben vor den Verwaltungsreformen weder Vermögensbestände noch die Kapitalherkunft explizit erfasst. Damit ist im Regelfall noch nicht einmal das Sachvermögen, geschweige denn immaterielle Vermögensbestandteile, Gegenstand
einer besonderen Betrachtung. Vermögen in jeder Form ist einfach nur vorhanden bzw. wird beschafft, wenn es als für die Aufgabenerfüllung notwendig begründet ist. Über dessen Finanzierung wird über dies außerhalb der Betriebe,
nämlich in den Parlamenten, entschieden.
Dies gilt natürlich ganz besonders auch für die Bereitstellung der menschlichen
Arbeitsleistung. Der gesamtheitliche Ansatz, durch sorgfältige Akquisition,
permanenter Entwicklung und gezielten Personaleinsatz, Vermögen im Sinne
von Qualifikation und Motivation sowohl individuell als auch institutionell zu
schaffen und zu mehren ist demzufolge nicht vorhanden. Insoweit lässt sich
auch kein Anhalt dafür finden, dass Personalvermögen im Sinne einer Wertschöpfung qualitativ vermehrt werden kann. Die aufgezeigten personalwirtschaftlichen Aktivitäten, die im klassischen Personalwesen vereinzelt zu erkennen sind, bilden somit keinen Wert schöpfenden Prozess im Sinne der Wertkette, welche der Definition implizit zu Grunde liegt. Auch können vom Ansatz her
keine Aussagen zur Produktivität der menschlichen Arbeitsleistung angestellt
werden, weil entsprechende Messinstrumente fehlen, weswegen diese Ressource
auch nicht zwingend als wertvoll oder knapp identifiziert werden kann.
Vielmehr bestimmt die Einhaltung der Regeln im Hinblick auf bestimmte Verwaltungsgrundsätze, wie z.B. Gleichbehandlung aller Mitarbeiter oder Willkürverbot bei Personalmaßnahmen, das Personalwesen maßgeblich.
4.3.2.2 Zielorientierte Bereitstellung von Personalvermögen
Die gerade genannte strikte Regelorientierung ist charakteristisch für die Steuerung der klassisch-bürokratischen Verwaltung (vgl. Abschnitt 3.3). Dadurch ist
ein auf die Betriebsziele ausgerichteter und outputorientierter Einsatz aller Produktionsfaktoren auch hier vom Ansatz her nicht vorhanden. Bezüglich der Peronalbereitstellung sind teilweise auch betriebszielfremde Aspekte, etwa die
Beschäftigungspolitik oder individuelle soziale Aspekte ausschlaggebend.
Ein markantes Merkmal für ein wenig zielorientiertes Personalwesen ist die
weiter oben angesprochene Stellenschere. Dieser Sachverhalt zeigt, dass obwohl
die Aufgaben des Betriebes entsprechendes Personalvermögen erfordern und die
Organisationspläne hierfür Stellen vorsehen, diese nicht (quantitative Schere)
oder nicht mit ausreichend qualifiziertem Personal (qualitative Schere) besetzt
werden können. Dieser Zustand ergibt sich vor allem dadurch, dass administrative Betriebe insofern fremdbestimmt durch die Parlamente sind, dass sie nicht
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
195
von sich aus über einen zur Erreichung der Betriebsziele notwendigen Personalumfang entscheiden konnten.
Des Weiteren führen die komplexen Verfahren und die zersplitterten Zuständigkeiten, wie sie oben am Beispiel der Bundeswehrverwaltung beschrieben sind,
zu wenig betriebszielorientiertem Verhalten im Personalwesen. Am Beispiel der
Ausschreibung wird deutlich, dass kurzfristige Besetzungen von frei gewordenen Dienstposten auf Grund des teilweise langwierigen Verfahrens so gut wie
nicht möglich sind. Auch die organisatorische Trennung von Personaleinsatz
und Aus- und Fortbildung sowie die nur durch Hierarchie vorhandene Abstimmung beider Bereiche zeigt, dass nur die Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften, nicht aber eine den Betriebszielen entsprechende Verknüpfung, welche eine zielgerechte Qualifizierung der Mitarbeiter zum Gegenstand hätte, im
Vordergrund steht.
Außerdem sei noch die dominierende Bedeutung der dienstlichen Beurteilung
bei der Besetzung von Beförderungsdienstposten gegenüber der tatsächlichen
Qualifikation der in Frage kommenden Mitarbeiter als Indiz für eine regelorientierte und wenig zielorientiertes Personalwesen angeführt.
4.3.2.3 Anwendung des ökonomischen Prinzips
Durch diese strukturellen Gegebenheiten des klassischen Personalwesens ist
auch ein wirtschaftliches Verhalten nach dem ökonomischen Prinzip nur schwer
möglich. Dazu fehlt auch weitestgehend eine wesentliche Voraussetzung, nämlich die Messung von In- und Output etwa durch eine Betrachtung der Kosten
und Leistung, um über deren Verhältnis zueinander Aussagen zur Wirtschaftlichkeit herzuleiten und hieraus gegebenenfalls Maßnahmen zur Effizienzsteigerung zu ergreifen. Weder die Personal- noch die Sachkosten des Personalwesens
werden erfasst und demzufolge schon gar nicht die diesbezüglichen Transaktionskosten. Obwohl haushaltsrechtliche Vorschriften in allen Verwaltungsbereichen das Gebot der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ (vgl. z.B. § 7 BHO)
postulieren, ist in administrativen Betrieben gelegentlich das sog. „eh-daPrinzip“ („der Mitarbeiter ist eh da“) vorhanden. Demzufolge wird beispielsweise ein Personalabbau, welcher auf Grund mangelnder Beschäftigung angezeigt
wäre, nicht vollzogen, was insgesamt zu einem suboptimalen und damit unwirtschaftlichen Personaleinsatz führt.
4.3.2.4 Ergebnis der Subsumtion
Nach Untersuchung der wesentlichen Begriffsmerkmale kann festgehalten werden, dass bezüglich des klassischen Personalwesens in administrativen Betreiben nicht von Personalwirtschaft gesprochen werden kann. Eine weitergehende
Untersuchung soll dennoch in Richtung des Personalmanagement vorgenommen
196
Zweiter Teil
werden, um letztendlich Klarheit über die begriffliche Einstufung aller Aktivitäten des klassischen Personalwesens herzustellen.
4.3.3 Personalmanagement
Wie in Abschnitt 2.2.3 dargestellt, bedeutet das Managen von Personal die Führung der Menschen einerseits und andererseits das Bewirtschaften der knappen
Ressource Personalvermögen, welche in den Menschen des Betriebes verkörpert
ist, sowie die gesamtheitliche und integrative Zusammenführung beider Funktionen mit dem Ziel der insgesamt effizienten Ressourcenallokation im Wege einer ergebnisorientierten Optimierung.
Da, wie gezeigt, das klassische Personalwesen nicht als Personalwirtschaft bezeichnet werden kann, kann im funktionellen Sinne auch nicht von Personalmanagement gesprochen werden, weil hierfür eine wesentliche Komponente fehlt.
Außerdem fällt in Anbetracht der Grundsätze zum öffentlichen Personalwesen
und nach den Untersuchung der Vorgaben zur praktischen Personalarbeit am
Beispiel der Bundeswehrverwaltung auf, dass eine bewusste Differenzierung
zwischen der Bereitstellung und dem Einsatz der Ressource nicht erfolgt. Vielfach werden diese Begriffe vermengt oder scheinbar wahllos gegeneinander
ausgetauscht. Dadurch ist auch kein Anlass vorhanden, im Sinne eines übergeordneten funktionalen Managements verschiedene separierte Teilbereiche des
Personalwesens einer gesamtheitlichen und integrativen Betrachtung zu unterwerfen. Das entspricht im Übrigen auch dem allgemeinen Begriffsverständnis
der administrativen Betriebe vor den Reformen des New Public Managements,
bei dem der Begriff des Managements in einem wie oben beschriebenen Sinne
auch bezüglich anderer betriebswirtschaftlicher Bereiche nicht treffend den jeweiligen Sachverhalt beschreiben würde. Die entsprechenden Funktionen wurden meist durch den Begriff der Leitung bezeichnet.
Aber auch im institutionellen Sinne fällt es schwer, von einem Management zu
sprechen, wenn die Institutionen des klassischen Personalwesens gemeint sind.
Das mag ganz allgemein daran liegen, dass die jeweiligen Leitungsorgane im
öffentlichen Dienst bis dato eher als die Bewahrer etablierter Regeln zu sehen
waren, die ihre Organisation mit eben diesen Regeln zu steuern hatten (vgl. Abschnitt 3.3.) als pragmatische, auf Ergebnisoptimierung bedachte Manager. Für
das klassische Personalwesen gilt dies besonders in Anbetracht der Vielzahl und
der Komplexität der jeweiligen Regeln. So geht es den Verantwortlichen mehr
um eine „rechtlich orientierte Personalverwaltung“ und nicht um den wirtschaftlich orientierten „Einsatz von Steuerungsinstrumenten“, was auch darauf
zurückzuführen ist, dass kaum „wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Fachleute“ in den Personalressorts eingesetzt werden (OECHSLER 1989, Sp. 1273).
Dieses Phänomen ist Folge des sog. „Juristenmonopols“ und der damit verbundenen und deshalb häufig kritisierten „funktionsfalschen Verwendung von Ju-
4. Das Personalwesen administrativer Betriebe vor den Verwaltungsreformen
197
risten“ (vgl. BLEEK 1976, Sp. 349; BECKER 1989, S. 849 und die dort angegebenen Quellen). Allerdings ist die Kritik bezogen auf die Vergangenheit zu
relativieren, denn es ist historisch bedingt, dass einerseits aus dem Selbstverständnis der klassischen Staatsverwaltung heraus und andererseits wegen des
trivialen Umstandes mangelnder Alternativen bis ca. Mitte des 20. Jahrhunderts
ein rechtswissenschaftliches Studium als das einzig geeignete für eine Verwendung im höheren Verwaltungsdienst galt, was aber für die Entwicklung eines
Managements als Institution hinderlich war.
Insgesamt betrachtet, sollte also weder im funktionellen noch im institutionellen
Sinne von Personalmanagement gesprochen.
4.3.4 Fazit
Das klassische Personalwesen der administrativen Betriebe stellt also weder ein
Personalmanagement noch eine Personalwirtschaft dar. Die wesentlichen Gründe hierfür sind zusammengefasst
· die strukturellen Gegebenheiten dieser Betriebe, die dem klassischbürokratischen Regulierungsmodell (vgl. Abschnitt 3.3.2) entsprechen,
· der hohe Grad an Fremdbestimmung sowie
· die relativ hohe Regelungsdichte auf dem Personalsektor.
Zu letzterem fällt allerdings auf, dass es vielfach die Verwaltungen selbst sind,
die vorhandene gesetzliche bzw. tarifvertraglichen Spielräume durch eine Flut
von internen Vorschriften immer weiter einengen, so dass immer weniger Möglichkeiten einer ergebnisorientierten Bewirtschaftung von Personal bestehen.
Der hierbei zu erkennende Trend einer permanenten Ausweitung der Personalbürokratie ist geprägt durch „z.T. pathologische Erscheinungsformen wie Ritualismus, Überkomplizierung, Übersteuerung und Überstabilisierung“ (BALZEREIT 1992, Sp. 1851).
Alle diese Feststellungen zeigen, dass der Entwicklungstand des Personalwesens
in der Praxis noch nicht reformierter administrativer Betreibe weit hinter dem
zurücksteht, was gegenwärtig bei modernen dispositiven Betrieben zu beobachten ist. Die klassische öffentliche Verwaltung, soweit noch vorhanden, befindet
sich gegenwärtig ungefähr am Ende der „Institutionalisierungsphase“ (siehe Abschnitt 2.1.1.2).
Begrifflich sollte daher bei administrativen Betrieben, die noch nicht die Verwaltungsreformen vollzogen haben, weiter von „Personalwesen“ bzw. im engeren Sinne von „Personalverwaltung“ (zu den Begriffen siehe LAUFER 1976,
Sp. 1305) gesprochen werden, auch wenn, wie gezeigt, einzelne personalwirtschaftliche Elemente und z.T. günstige strukturelle Rahmenbedingungen bereits
vorhanden sind, auf denen dann im Zuge einer Reform eine Personalwirtschaft
198
Zweiter Teil
aufgebaut werden könnte. Dieses ist dann auch Gegenstand der Untersuchungen
in den folgenden Hauptabschnitten.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
199
5. Hauptabschnitt:
Die personalwirtschaftlichen Elemente der
Verwaltungsreformen
Ausgehend von den Erkenntnissen zum klassischen Personalwesen im vorherigen Hauptabschnitt werden an dieser Stelle die einzelnen Elemente der Staats-,
insbesondere der Verwaltungsreformen im Zuge des New Public Managements
aufgegriffen, die eine Relevanz für das Personalwesen haben und deshalb nicht
oder nur ansatzweise im Hauptabschnitt 3 angesprochen wurden.
Dies beginnt mit einem ausführlichen Hinweis auf einen Paradigmenwechsel,
der bezüglich der Bewertung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten stattgefunden hat. Dieser setzte
zwar schon deutlich vor den Reformen ein, wurde aber durch das New Public
Management wesentlich vorangetrieben.
Im Anschluss daran werden die Rahmenbedingungen des Personalwesens aufgezeigt, die durch die Verwaltungsreformen eine mehr oder weniger deutliche
Modifikation erfahren. Im Einzelnen sind es die rechtlichen Rahmenbedingungen, mit den Schwerpunkten Dienstrecht und Haushaltsrecht, sowie die organisatorischen Veränderungen bezüglich der administrativen Betriebe. Letzteres
betrifft die Organisationsform, die Organisationsstrukturen sowie einzelne Verfahren.
In einem weiteren Abschnitt werden dann verschiedene Projekte und Konzepte
der Staaten und Verwaltungen vorgestellt, welche den Veränderungsprozess im
Personalwesen administrativer Betriebe illustrieren.
Zum Abschluss wird untersucht, ob das Ergebnis des letzten Hauptabschnittes
durch diese Veränderungen noch haltbar ist. Mit gleicher Vorgehensweise wird
versucht, das moderne Personalwesen unter den Begriff Personalwirtschaft zu
subsumieren.
Zu den diesem Hauptabschnitt zu Grunde liegenden Quellen wird angemerkt,
dass einige nicht veröffentlichte interne Schriften und Informationen (Erlasse,
Verfügungen, Intranet-Mitteilungen etc.) herangezogen wurden. Die hieraus resultierenden Erkenntnisse wurden ergänzt durch zahlreiche persönliche oder telefonische Auskünfte des Verfassers bei verschiedenen Behörden, hauptsächlich
bei der Bundeswehrverwaltung. Publizierte Quellen, insbesondere diejenigen,
welche durch das Medium Internet allgemein zugänglich sind, werden selbstverständlich wie gewohnt zitiert.
200
Zweiter Teil
5.1 Paradigmenwechsel im klassischen Personalwesen
Wie bereits im Hauptabschnitt 3 angesprochen, bedarf es beim Übergang vom
klassisch-bürokratischen Regulierungsmodell der Verwaltung zu einem modernen New-Public-Management-Regulierungsmodell u.a. auch der Modernisierung des Personalwesens. Dies klingt auf den ersten Blick schlüssig, jedoch verbirgt die dem innewohnenden Logik einen fatalen Zirkelschluss:
Das moderne Regulierungsmodell bedarf eines ebenso modernen, flexiblen und auf Ergebnisorientierung angelegten Personalwesens. Dieses ist
aber, wie die personalwirtschaftliche Analyse im Hauptabschnitt 4 gezeigt
hat, nicht ohne Weiteres herstellbar, weil dem wiederum der klassischbürokratische Ansatz entgegensteht, welcher insbesondere die Regelsteuerung in den Vordergrund stellt. Damit ist eine Modernisierung des Regulierungsmodells schwer umsetzbar, weil eine Reform des Personalwesen
dies voraussetzt und umgekehrt.
Der Ausweg aus diesem Dilemma scheint nur über einen radikalen Ansatz möglich, welcher diesen Circulus Vitiosus zu durchbrechen vermag. Dieser Ansatz
beinhaltet zunächst einen Paradigmenwechsel bei bestehenden Verhältnissen.
Eines dieser Denkmuster besteht in der Forderung nach der Fortentwicklung des
Personalwesens unabhängig von den zentralen Ideen des New Public Managements (vgl. SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 215).
Das setzt zunächst voraus, das Personal nicht mehr nur eine Ausgabenposition in
einem öffentlichen Haushalt, betriebswirtschaftlich konkreter betrachtet, als
Kostenfaktor, anzusehen, welches unbegrenzt verfügbar ist sondern als maßgeblichen aber knappen Erfolgsfaktor bei der staatlichen Leistungserstellung (vgl.
SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 221 f.; NASCHOLD/BOGUMIL 2000, S.
98). Dies wiederum führt zu der Erkenntnis, das Personal und insbesondere die
Führungskräfte an diese Denkweise heranzuführen und deren Wissen und Fähigkeiten dahingehend anzupassen.
Damit ist die Notwendigkeit eines Qualifizierungsprogramms im Sinne einer
umfassenden und dauerhaften Personalentwicklung gegeben (vgl. jeweils
a.a.O.). Letzteres erfolgt zwar mit der Intention, die Personalentwicklung als
Instrument im Rahmen einer neuen Führungsphilosophie einzusetzen. Dennoch
stellt dieses Instrument auf Grund seiner vielfältigen Wirkungsweisen, nämlich
Steigerung der Motivation und Führungskompetenz einerseits sowie Qualifikationsverbesserungen andererseits, einen ersten Schritt in Richtung Personalwirtschaft dar, weil es geeignet ist, Personalvermögen zu vermehren. Diese Denkweise war im klassischen Personalwesen, wie gezeigt, in dieser Form grundsätzlich nicht vorhanden, sieht man einmal von den eher ungerichteten, wenig
bedarfsorientierten und punktuell ergriffenen Qualifizierungsmaßnahmen ab.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
201
Ein weiterer sehr radikaler Ansatz, dieser aber wesentlich durch das New Public
Management geprägt, Personalwirtschaft in administrativen Betrieben möglich
zu machen, fordert sogar eine Abschaffung des Berufsbeamtentums, um als Ergebnis veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen ein den dispositiven Betrieben entsprechendes Dienstrecht zu erhalten (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL
2000, S. 102 f.; SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 215).
Diese Ansätze, die den Paradigmenwechsel bezüglich des Personals in öffentlichen Verwaltungen charakterisieren, werden nun näher beleuchtet.
5.1.1 Entwicklung eines Personalmanagements als Führungsinstrument
Noch bevor die Strömung des New Public Managements auch die öffentlichen
Verwaltungen in Deutschland erreicht hatte, haben einzelne administrative Betriebe erkannt, dass ein Umdenken bezüglich der Bewertung des Personals erforderlich ist. Bei weiter konstant gehaltenen strukturellen Gegebenheiten durch
das nicht explizit ausgesprochene Bekenntnis zum klassisch-bürokratischen Regulierungsmodell, wurden vereinzelt Forderungen nach einem Personalmanagement, verstanden als ein Personalführungsinstrument, aus den Verwaltungen
heraus formuliert.
Dies vor allem vor dem Hintergrund, mehr Gewicht auf die Bedeutung der Menschen im Betrieb zu legen, sie als wertvolle und für den Prozess der Leistungserstellung unverzichtbare Ressource zu erkennen. Ursache hierfür dürfte der
quantitative Aufwuchs an sozialwissenschaftlicher und anthropologischverhaltenwissenschaftlicher Literatur in der Sozialisations- und Humanisierungsphase (siehe Abschnitt 2.1.3) der 60er und70er Jahre sein, der die Notwendigkeit der Anpassung zunächst des Personals an die Organisation und später
der Organisation an das Personal auch in öffentlichen Verwaltungen populär
machte.
Das könnte auch die damalige Motivation erklären, dort die Personalführungssysteme über organisatorische Rahmenbedingungen und Verhaltenssteuerung
verbessern zu wollen, um eine zu diesem Zeitpunkt moderne Führungskultur zu
erreichen.
Ein erster Weg wurde, zunächst noch „ohne verhaltenswissenschaftliche Elemente“, mit dem „Harzburger-Modell“ über eine „abgestufte Delegation von
Aufgaben und die Bildung von festen Kompetenzbereichen mit alleiniger persönlicher Verantwortung des jeweiligen Stelleninhabers“ (DRUMM 2000, S.
511) beschritten. Im Anschluss daran wurden die verschiedenen Managementby-Modelle (vgl. SCHMIDT 1995; S. 158 ff.) auch im Bereich der öffentlichen
Verwaltung immer populärer.
202
Zweiter Teil
Nahezu parallel dazu trugen verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse aus
dispositiven Betrieben dazu bei, den Führungsstil der Vorgesetzten von der klassischen autoritären Variante hin zu mehr kooperativeren Formen an neue Organisationsformen anzupassen.
Einzelne Belege für diese Entwicklung jener Tage lassen sich sogar noch heute
in deutschen Behörden finden, in dem entweder Vermerke zu Tagungen und
Fachbesprechnung eine neue Führungsphilosophie fordern oder fertig ausgearbeitete und entsprechend formulierte Führungsgrundsätze, z.B. als „Leitbild für
den Vorgesetzten“, nicht nur archiviert sind sondern teilweise auch heute noch
Gültigkeit haben.
Ein besonders prägnantes Beispiel für ein relativ hochentwickeltes Personalmanagement in einem stark bürokratisch orientierten und hierarchisch sehr ausdifferenzierten System sind die Streitkräfte der Bundeswehr. Dort wurde bereits bei
der Gründung der Bundeswehr, Mitte der 50er Jahre u.a. durch GRAF BAUDISSIN das „System der Inneren Führung“ entwickelt und eingeführt:
„Innere Führung ist der erstmals 1953 verwendete Begriff für die ‚Führungsphilosophie’ der ab 1955 aufgestellten Streitkräfte. Die Konzeption
der Innere Führung bindet die Streitkräfte bei der Auftragserfüllung an die
Werte des Grundgesetzes. Sie hat die Aufgabe, die Spannungen auszugleichen und ertragen zu helfen, die sich aus den individuellen Rechten des
freien Bürgers einerseits und den militärischen Pflichten andererseits ergeben. Sie ist sowohl Normenlehre für das Verhalten der Soldaten und fördert
somit deren Motivation und Einsicht in die Legitimation des Auftrages als
auch Gestaltungsprinzip für die Integration der Streitkräfte in Staat und Gesellschaft und für eine menschenwürdige, an der Rechtsordnung orientierte
und auf eine effiziente Auftragserfüllung ausgerichtete innere Ordnung.
Diese Ziele werden im Leitbild vom Staatsbürger in Uniform als freie Persönlichkeit, verantwortungsbewusster Staatsbürger und einsatzbereiter Soldat konkretisiert. Die Grundsätze der Innere Führung wirken sich auf Menschenführung, Recht und soldatische Ordnung, Betreuung und Fürsorge,
politische Bildung, Dienst- und Ausbildungsgestaltung, Organisation, Personalführung und Informationsarbeit aus und haben engen Bezug zu Fragen
der Militärseelsorge, Militärpsychologie und -soziologie. Ziele und Grundsätze der Innere Führung sind in den ‚Leitsätzen für die Praxis der Inneren
Führung’ als allgemeine Forderungen für das Verhalten aller Soldaten und
als spezielle Forderung an das Führungsverhalten der Vorgesetzten zusammengefaßt“ (BUNDESWEHR 2001).
Ein Führungssystem also, innerhalb welchem die bis dato etablierte und bei Armeen anderer Staaten noch heute vertretene Befehlstaktik durch eine Auftragstaktik abgelöst wurde:
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
203
„Das Prinzip der Auftragstaktik beinhaltet die Delegierung eines Auftrages
an die Stelle, welche über die beste Möglichkeit zur Auftragserfüllung verfügt. Der Vorgesetzte erteilt einen klaren Auftrag, d.h. er gibt das zu erreichende Ziel und die Rahmenbedingungen für die Zielerreichung dem Untergebenen vor; er informiert über die eigene Absicht, die mit dem Auftrag
verfolgt wird, und über die Lage, in der das Ziel zu erreichen ist; er stellt
die zur Erfüllung des Auftrags erforderlichen Kräfte und Mittel zur Verfügung. Der Untergebene nutzt den ihm gewährten Handlungsspielraum aus.
Er entscheidet insbesondere selbständig über den Einsatz der ihm zur Verfügung gestellten Mittel und über den Ablauf der Auftragserfüllung. Auch
bei der Auftragstaktik schließt die Kontrolle den Führungsvorgang ab. Für
die Untergebenen bedeutet die Auftragstaktik größere Handlungsfreiheit,
weitreichende Mitwirkung und fordert die Mitverantwortung ein. Sie steigert die Motivation, hebt das Selbstwertgefühl, fördert Kreativität und lässt
Raum für Initiativen. Die Befehlstaktik hingegen legt das Verhalten der
Ausführenden genau fest. Die Auftragstaktik ist der militärische Ausdruck
für den Führungsstil mit Zielvorgaben (Management by Objectives)“
(a.a.O.).
Grundlage für diese Führungsphilosophie war also zunächst eine Veränderung
im Menschenbild bezüglich der Soldaten, die seit dem als „Staatsbürger in Uniform“ mit starken demokratischen Rechten gelten. Hierzu erhalten die Soldaten
noch heute regelmäßige politische Bildung durch sogenannte „staatsbürgerliche
und lebenskundliche Unterrichte“. Daneben soll ein ausgeklügeltes System an
Bildungsmaßnahmen für Vorgesetzte auf allen Ebenen durch die entsprechenden
Inhalte bezüglich der Mitarbeiterführung in den jeweiligen Laufbahnlehrgängen
und die Sammlung von Führungserfahrung während Verwendungen auf den
verschiedenen Hierarchiestufen ein entsprechendes Führungsverhalten sicherzustellen, was auch eine sorgfältige Karriere- und Verwendungsplanung impliziert.
5.1.2 Personalentwicklung als wesentliches Element des
modernen Personalwesens
Das gerade dargestellte, wenn auch nicht für alle administrativen Betrieb repräsentative, aber sehr anschauliche Beispiel der Streitkräfte zeigt, dass fast
zwangsläufig mit dem Übergang der klassisch-bürokratischen Menschenführung
zu einem organisatorisch abgesicherten und verhaltenswissenschaftlich geprägten Personalmanagement, die Notwendigkeit gegeben ist, sowohl die Führungskräfte als auch die zu führenden Mitarbeiter systematisch auf ihre jeweilige
Rolle in den veränderten Führungssystemen vorzubereiten.
Mit dem quantitativen und qualitativen Aufwuchs an Bildungsmaßnahmen aller
Art, die neben spezialfachlichen Inhalten also auch immer mehr die soziale
Kompetenz der Mitarbeiter fördern sollte, war insbesondere die gezielte Ver-
204
Zweiter Teil
wendung des Führungsnachwuchses auf verschiedenen Führungsebenen ein wesentliches Element, die neue Führungskultur auch zu leben. Dies hatte aber auch
Auswirkung auf den Qualifikationsbedarf der übrigen Mitarbeiter, die in dieser
neuen Führungskultur ebenso zu Recht kommen mussten.
Die Intention der Qualifizierungsmaßnahmen war also auch darauf ausgerichtet,
die oftmals als Tugenden deklarierten Problemlösungsmuster bürokratischer
Systeme wie etwa Fleiß, Ordnungsliebe und Pflichterfüllung durch Verantwortungsbewusstsein, Eigeninitiative, innovatives Verhalten und Teamfähigkeit abzulösen (vgl. RIEKHOF 1992, S. 24). Die konkreten Inhalte der entsprechenden
Aus- und Fortbildungsaktivitäten wurden z.B. in einem Projekt der Stadt Saarbrücken wie folgt festgelegt (vgl. HOFFMANN et al. 1996, S. 56 ff.):
· Führungsfortbildung durch Verbesserung von Führungsverhalten, Wissen
und Fertigkeiten sowie Einsatz geeigneter Führungsinstrumente
· Kundenorientierung z.B. durch Beschwerdemanagement, Schriftverkehr
und Telekommunikation
· Aufbau von Schlüsselqualifikationen, wie z.B. kommunikative, methodische, technische und innovative Kompetenz
· Förderung spezieller Anliegen, wie z.B. Gleichstellungsanliegen
Im Zuge des New Public Managements haben die öffentlichen Verwaltungen
diese Vielzahl von einzelnen Qualifizierungsmaßnahmen systematisiert und
konzeptionell verknüpft sowie an den neuen strategischen Zielsetzung ausgerichtet, um Personalentwicklung nicht nur als Führungsinstrument zu stabilisieren, sondern hierüber auch den Einstieg in eine moderne und ergebnisorientierte
Personalwirtschaft zu finden (vgl. Abschnitt 3.3.3.3).
Allerdings stellt sich auch zu Zeiten des New Public Managements die Entwicklung vom klassischen Personalwesen über ein verhaltensorientiertes Personalmanagement hin zu einer, schon fast personalwirtschaftlich geprägten, Personalentwicklung in den administrativen Betrieben nicht so dynamisch dar wie es
den Anschein hat. Das liegt daran, dass einerseits die Politik ihr Interesse bezüglich der im öffentlichen Dienst Beschäftigten unter dem Druck angespannter
Haushaltslagen mehr „auf die Personalausgaben und die Bereitstellung der
Stellenzahl, weniger aber auf die Qualität“ (LEIS 1994, S. 108) richtet und damit wieder in alte Paradigmen zurückzufallen droht.
Andererseits ist das durch das Berufsbeamtentum weiterhin geprägte Personalwesen administrativer Betriebe „zur Sicherung von Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter (...) defizitär im Hinblick auf die Anforderungen aus der
Dienstleistungsorientierung“ (KORINTENBERG 1997, S. 119). Mit anderen
Worten ausgedrückt, liegt die Vermutung nahe, dass auch ein reformiertes Personalwesen im öffentlichen Dienst den strategischen Zielen, welche aus der
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
205
New Public Management Bewegung heraus formuliert werden, wegen der hergebrachten Grundsätze des Berufbeamtentums nicht entsprechen kann.
So verwundert es nicht, dass das Berufsbeamtentum und die damit verbundene
Personalverwaltungspraxis auch in Deutschland als „Auslaufmodell“ (REICHARD 1994, S. 2) gesehen wird und die Forderung nach einer Abschaffung
im Zusammenhang mit dem New Public Management vielfach artikuliert wird.
5.1.3 Forderung nach Abschaffung des Berufsbeamtentums
Wie in Hauptabschnitt 3 gezeigt, beeinflusste insbesondere die Entwicklung in
westlichen Nachbarstaaten sowie deren Erfahrungen und Erfolge den Prozess
des New Public Managements in Deutschland. Insofern überrascht es nicht, dass
auch auf diese verwiesen wird, wenn Argumente für eine Abschaffung des vermeintlich hinderlichen Berufsbeamtentums zusammengetragen werden.
Als Paradebeispiele hierfür werden meist die Niederlande sowie die Schweiz
und -als Gegenbeispiel für einen noch starreren Beamtenapparat- Österreich angeführt (z.B. BATTIS 2001, S. 311; SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 215;
BUSCHOR 1995, S. 46).
Allerdings wird dabei oft übersehen, dass sowohl die historische Entwicklung
als auch die strukturellen Gegebenheiten des jeweiligen Beamtentums in anderen Ländern nicht ohne Weiteres mit dem in Deutschland vergleichbar ist. Auch
ist eine Vollständige Abschaffung eines Beamtentums in den genannten Ländern
nicht zu erkennen. In den Niederlanden hat es nach dem, aus deutscher Sicht
revolutionärem, Streik der Beamten im Jahr 1983, lediglich Anpassungen des
öffentlichen Dienstrechts an das private Arbeitsrecht gegeben (vgl. VAN DER
HEIJDEN 2000, S. 65) nicht aber eine Abschaffung. In der Schweiz ist die Abschaffung des Berufsbeamtentums zwar so gut wie vollzogen, jedoch hat sie eher einen „primär symbolischen“ Wert, da die „Differenz zwischen BeamtInnen
und Angestellten in vielen Kantonen kaum mehr vorhanden war“ (SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 215). Zu dem sollte die „Funktion des (...) öffentlichen Dienstes in einer direkt demokratisch geprägten Republik nicht gleichgesetzt werden mit einem öffentlichen Dienst in einem ungleich größeren Flächenstaat mit ausgeprägt repräsentativ demokratischen Institutionen“ (BATTIS 2001,
S. 311).
Sicherlich würde oberflächlich betrachtet, völlig unabhängig von den Entwicklungen und Erfahrungen der Nachbarstaaten, die Abschaffung des Berufsbeamtentums in Deutschland dazu führen, dass das an dessen Stelle tretende private
Arbeitsrecht ein modernes Personalwesen und damit auch das Regulierungsmodell des New Public Management begünstigt. Allerdings darf daraus nicht geschlossen werden, dass sich automatisch und vor allem kurzfristig auch die
206
Zweiter Teil
Verwaltungskultur ändert. Die Entwicklung der ehemaligen Beamten von einem
„bloß rechtsanwendenden Staatsdiener hin zum Public Manager als neuer Leitfigur des öffentlichen Dienstes“ (MÖLLER 2001) dürfte auch danach noch
schwierig und langwierig sein, da das Denken und Verhalten der Beschäftigten
in administrativen Betrieben individuell wie kollektiv nicht am Status haftet,
sondern eben durch diese, über lange Jahre entstandene, Verwaltungskultur bestimmt ist. Insofern ist es fraglich, ob mit der Abschaffung des Berufsbeamtentums überhaupt etwas gewonnen wird. Diese Frage stellt sich jedenfalls, beobachtet man die oftmals noch vorhandene Beamtenmentalität bei Angestellten
der Deutschen Bahn AG oder der Deutsche Telekom AG, die trotz vollzogener
Privatisierung den Servicegedanken und eine ergebnisorientierter Dienstleistung
scheinbar noch nicht überall verinnerlicht haben.
Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das klassische Personalwesen
nicht nur durch das Beamtenrecht allein geprägt ist (vgl. Hauptabschnitt 4) sondern eben auch durch andere Rechtsgebiete, ist es fraglich, ob eine Abschaffung
des Berufsbeamtentums überhaupt notwendig ist. So generiert nicht das Beamtenrecht die „gewichtigen rechtliche Hindernisse“ für eine moderne, gleichermaßen effiziente wie demokratische Verwaltung; den „NERVUS RERUM bilden vielmehr das Organisations- und Haushaltsrecht“ (BATTIS 2001, S. 312).
Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass es viele Elemente innerhalb des Berufbeamtentums gibt, die durchaus mit einem modernen Personalwesen kompatibel oder gar für eine Personalwirtschaft außerordentlich günstig sind. Welche
Elemente dies sein könnten und wie sie zu bewerten sind, wird im Rahmen der
personalwirtschaftlichen Analyse der Verwaltungsreform im Abschnitt 5.4. noch
näher dargestellt.
Um aber diese Elemente zu stärken oder sie für ein betriebswirtschaftlich orientiertes Personalwesen verfügbar zu machen, bedarf es allerdings einiger Modifikationen des öffentlichen Dienstrechtes um die unbestritten vorhandenen Hindernisse (vgl. Abschnitt 4.3) eliminieren zu können. Diese Modifikationen werden im Zuge des New Public Managements durch den Gesetzgeber auch vorgenommen, was im nächsten Abschnitt aufzuzeigen ist.
Unabhängig von den Fragen zur Sinnhaftigkeit einer möglichen Abschaffung
des Berufsbeamtentums in Deutschland sollten auch die formalen Aspekte betrachtet werden, die für ein derartiges Vorhaben zu berücksichtigen wären.
Schließlich handelt es sich beim Berufsbeamtentum in Deutschland, wie gezeigt,
um eine Institution mit Verfassungsrang. Eine Abschaffung würde somit eine
Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages sowie der Stimmen
der Bundesrates (Art 79 II GG) erfordern. Dies scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich und zwar einerseits, weil es für das Berufsbeamtentum noch
einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt und andererseits aus den trivialen
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
207
Umstand, dass in Reihen der Abgeordneten viele freigestellte oder ehemalige
Beamte sind.
Nach wie vor bekennen sich die Politiker der verschiedensteten Parteien zum
Berufsbeamtentum, wie das Zitat des Bundesinnenministers SCHILY zeigt: „Ich
möchte kein Ministerium ohne Beamten führen (...). Beamte gewährleisten eine
gewisse Kontinuität“ (SCHILY 1999). Konkret bedeutet dies, dass in Zeiten der
Staats- und Verwaltungsmodernisierung gerade am Berufsbeamtentum festgehalten werden soll, um eine gewiss Stabilität in den Zeiten des Wandels sicherzustellen (vgl. BATTIS 2001, S. 313).
Es kann an dieser Stelle also festgehalten werden, dass im Modernisierungsprozess der Staaten und der öffentlichen Verwaltungen in Deutschland das Berufsbeamtentum nicht zur Disposition steht, sonder lediglich modifiziert wird. Und
dies nicht allein, denn auch die übrigen Rahmenbedingungen, die das öffentliche
Personalwesen determinieren, insbesondere das Haushaltsrecht und die Organisation administrativer Betriebe stehen in Zeiten des New Public Managements
auf dem Prüfstand und werden entsprechend angepasst.
208
Zweiter Teil
5.2 Modifikation der Rahmenbedingungen
Wie am Beispiel des Personalwesens deutlich wird, führen bloße politische
Willenserklärungen, die in Leitbildern, wie „Schlanker Staat“ oder „Aktivierender Staat“ verschlüsselt sind, nicht automatisch auch zu wirklichen Modernisierungen in den administrativen Betrieben. Es handelt sich hierbei lediglich um
die verklausulierte Vision des New Public Management, der strategische wie
operative Maßnahmen folgen müssen. Für die Politik bedeutet dies konkret, die
Änderung bzw. Ergänzung der Rechtslage durch eine entsprechende Gesetzgebung herbeizuführen, wobei insbesondere eine Entflechtung und Vereinfachung
vieler Regelungen erforderlich sind, die der Vision im Wege stehen.
Für die Reform des Personalwesens in öffentlichen Verwaltungen wird, wie
dargestellt, nicht an den Grundprinzipien gerüttelt, sondern es werden lediglich
einzelne Regeln angepasst, die dann dem neuen Regulierungsmodell entsprechen können. Die Modifikation der Regeln, die das Beamten- und Tarifrecht
unmittelbar betreffen, wird nun unter dem Begriff Dienstrechtsreform abgehandelt. Außerdem werden die Veränderungen im Haushaltsrecht und der Organisation mit ihren Auswirkungen auf das Personalwesen der administrativen Betriebe dargestellt.
5.2.1 Dienstrechtsreform
Die politische Absicht, unter Beibehaltung des Berufsbeamtentums das öffentliche Dienstrecht zu reformieren, gab es in Deutschland auch schon vor den
Staats- und Verwaltungsreformen des New Public Managements. Es ging dabei
sowohl um Ansätze für eine Stärkung des Leistungsprinzips bis hin zu Bestrebungen, das Dienstrecht zu vereinheitlichen und damit grundlegend zu verändern. Allerdings blieben von diesen Vorhaben lediglich Absichtserklärungen
oder einzelne punktuelle Veränderungen der bestehenden Gesetze. Die „umfangreichen Reformvorschläge“ einer bereits 1970 durch den Deutschen Bundestag eingesetzten Studienkommission „sind letztlich mangels eindeutiger politischer Mehrheiten nicht umgesetzt worden“ (BONORDEN/RIEGER 2001, S.
231). Was offensichtlich fehlte, war ein entsprechender Problemdruck auf die
politischen Kräfte sowie auf die Tarifpartner und eine sich daraus ableitende
Zielsetzung.
Erst im Rahmen der umfassenden und teilweise gravierenden Verwaltungsreformen zum Jahrtausendwechsel ist der Problemdruck, meist über die Defizite
der öffentlichen Haushalte, derart gewachsen und es musste somit auch über die
Änderung von bis dato etablierten gesetzlichen Regelungen nachgedacht werden, um die Rahmenbedingungen herzustellen, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Reformen notwendig sind. Für das Personalwesen ist damit eine
Dienstrechtsreform angezeigt, welche zum Ziel hat, „den notwendigen Zusammenhang von Ergebnisverantwortung in dezentralisierten Arbeitszusammenhän-
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
209
gen, transparenter Personalführung sowie anforderungs- und leistungsgerechter
Komponenten in der Besoldung aufzubauen“ (NASCHOLD/BOGUMIL 2000 S.
99).
Es geht also ganz allgemein darum, die Regeln zu verändern, welche dazu führen, dass im Leistungserstellungsprozess öffentlicher Verwaltungen „wenig personenbezogene, transparente Rückmeldungen“ erfolgen, in der Regeln „eine
persönliche Verantwortung unterbleibt“ und „Leistung (...) keinen unmittelbaren
Einfluss auf die Bezahlung“ hat (a.a.O.).
5.2.1.1 Projekt: Dienstrechtsnovelle
In diesem Sinne hat die Bundesregierung im Jahr 1999 im Rahmen des Programms „Moderner Staat - Moderne Verwaltung“ (vgl. Abschnitt 3.4.1.2) das
Projekt „Modernes Dienstrecht“ gestartet, welches eine weit reichende Dienstrechtsnovelle zum Gegenstand hat. In einer im Internet veröffentlichten Projektbeschreibung heißt es hierzu:
„Dienstrecht ist ein entscheidendes Element einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung. Mit der Reform des öffentlichen Dienstrechts will die
Bundesregierung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Perspektiven eröffnen, ihren Leistungswillen und ihre Kreativität fördern und den
Dienstherren größere Gestaltungsspielräume an die Hand geben, um im
Personalbereich differenzierter agieren zu können. Hierzu sind geplant:
Optimierung von Führungsfunktionen, Einrichtung variabler Besoldungskorridore und Modernisierung des Bezahlungssystems nach Leistungsprinzipien vor allem im Bildungs- und Wissenschaftsbereich; Stärkung
des Leistungsprinzips im Laufbahnrecht.“
(BUNDESREGIERUNG 2001)
Die Ziele der Dienstrechtsnovelle sind (a.a.O.):
· „mehr Flexibilität für den Dienstherrn durch Abbau bundeseinheitlicher
Vorgaben in der Beamtenbesoldung
· Öffnung größerer Gestaltungsspielräume, um im Personalbereich differenzierter handeln zu können
· Angebot neuer Perspektiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zur Stärkung von Leistungswillen und Kreativität“.
Diese Ziele sollen erreicht werden über eine Optimierung der Führungsfunktionen, die Modernisierung des Bezahlungssystems nach Leistungsprinzipien, die
Stärkung des Leistungsprinzips im Laufbahnrecht und den Ausbau der Teilzeitbeschäftigung, „damit insbesondere Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können“ (a.a.O.).
210
Zweiter Teil
Im Wesentlichen werden hierbei das Beamtenrechtsrahmengesetz, das Bundesbeamtengesetz, die Bundeslaufbahnverordnung und das Bundesbesoldungsgesetz geändert. Letzteres durch ein „Besoldungsstrukturgesetz“, welches folgende
Inhalte hat:
· „Flexibilisierung der Bezahlung im Eingangsamt und ersten Beförderungs-amt im gehobenen und höheren Dienst durch die Einführung von
Bandbreiten über drei Besoldungsgruppen
· Verlagerung der Regelungskompetenz für die Stellenobergrenzen auf
die Länder
· Zulage für die vorübergehende Wahrnehmung herausgehobener Funktionen
· Modernisierung der Regelungen zum Familienzuschlag durch Streichung des sogenannten Verheiratetenzuschlags sowie damit verbundene verwaltungsvereinfachende Regelungen
· Dauerhafte Erhöhung der kinderbezogenen Anteile im Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder.“
5.2.1.2 Dienstrechtsreform von 1997
Das Projekt bezüglich der Dienstrechtsnovelle setzt kritisch und konstruktiv an
der vorhergehenden Reform an, die durch das im Jahre 1997 in Kraft getretene
„Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts“ eingeleitet wurde, und führt
diese weiter. Dieses erfolgte zunächst durch einen „Erfahrungsbericht“ zu der
damaligen Reform, zu dem die einzelnen Bundesressorts sowie die Bundesländer und Kommunen beigetragen haben, worauf ein „Gesetzesentwurf zum Besoldungsstrukturgesetz“ gefertigt wurde, der verschiedene Gesetzte des Beamtenrechts abermals novelliert (BUNDESREGIERUNG 2001).
Die Dienstrechtsreform von 1997 hatte zunächst Änderungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes zum Inhalt, die auf eine „Flexibilisierung des Personaleinsatzes“ (BONORDEN/RIEGER 2001, S. 233) zielten. Die einzelnen Elemente
dieser Flexibilisierung waren:
· Probezeit für Leitungsfunktionen
· Führungsfunktionen auf Zeit
· Vorbereitungsdienst außerhalb des Beamtenverhältnisses
· Erweiterung der Abordnungs- und Versetzungsmöglichkeiten; insbesondere auch ohne Zustimmung des Beamten und Aufhebung der aufschiebenden Wirkung bei formellen Rechtsbehelfen
· Erweiterung der Entlassungsmöglichkeiten der Probezeitbeamten
· Erweiterung der Teilzeitbeschäftigung, insbesondere durch Einführung
der sog. „voraussetzungslosen Antragsteilzeit“
· Zuweisungsmöglichkeit von Beamten an privatrechtlich organisierte Einrichtungen des öffentlichen Dienstes.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
211
Weiterhin war mit der Reform die „Stärkung des Leistungsprinzips“ (BONORDEN/RIEGER 2001, S. 232) bei der Besoldung durch eine leichte strukturelle
Veränderung der Besoldungssystematik und weitere monetäre Anreizmöglichkeiten beabsichtigt. Dabei wurden folgende Veränderungen im Besoldungsrecht
vorgenommen:
· Einarbeitung des Ortszuschlages und Teilen von Zulagen in das Grundgehalt
· Umstrukturierung der Gehaltstabelle der Besoldungsordnung A, in dem
die durchgängig zweijährige Gehaltssteigerung durch 2-, 3- bzw. 4jährige Intervalle ersetzt wurde
· Möglichkeit der Verkürzung bzw. Verlängerung dieser Intervalle durch
sog. Leistungsstufen
· Möglichkeit der Gewährung von Leistungsprämien durch Einmalzahlungen bis zur Höhe des Anfangsgrundgehaltes
· Möglichkeit der Gewährung von Leistungszulagen durch befristete monatliche Zahlungen in Höhe von maximal 7% des Anfangsgrundgehaltes
für besondere herausragende Leistungen.
5.2.1.3 Reform des Hochschuldienstrechts
Bestandteil gleichermaßen einer eingeleiteten Bildungs- sowie der Dienstrechtsreform und ein prägnantes Beispiel für letztere ist auch die „Reform des Dienstrechts der Hochschullehrer“.
Das Reformpaket besteht aus zwei Gesetzentwürfen: Das 5. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und das Professorenbesoldungsreformgesetz. Sie beinhalten eine Neuordnung des Qualifizierungsweges des wissenschaftlichen Nachwuchses der Hochschulen sowie ein flexibles und stärker
leistungsorientiertes System für die Besoldung der Professoren.
Unter ausdrücklicher Beibehaltung des Beamtenstatus für Professoren soll die
„Leistungs- und Innovationsfähigkeit des Wissenschafts- und Forschungssystems“ gestärkt und dadurch „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im internationalen Vergleich“ (BMBF
2001) gesichert werden. Reforminhalte sind hierfür u.a.:
· die Einführung einer Juniorprofessur als Qualifikationsvoraussetzung
für eine Lebenszeitprofessur an Universitäten unter Wegfall des Qualifikationserfordernisses der Habilitation sowie
· eine wettbewerbsfähige und flexible Vergütungsstruktur mit festem
Ausgangsbetrag und verhandelbaren variablen Gehaltsbestandteilen bei
Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen.
212
Zweiter Teil
Das Lehrpersonal, insbesondere die Professoren, an Hochschulen und Fachhochschulen erhalten damit keine altersabhängigen Gehaltszuwächse, sondern
leistungsadäquate Zulagen. „Nicht das Älterwerden bestimmt in Zukunft das
Gehalt der Hochschullehrer, sondern vor allem ihre Leistung in Forschung und
Lehre. Es soll leistungsgerecht, aber insgesamt keinesfalls weniger bezahlt werden“ (ZYPRIES 2001).
5.2 2 Reform des Haushaltsrechts
Eines der prägnantesten Merkmale des New Public Management ist die „Veränderung der finanziellen Steuerung in der öffentlichen Verwaltung“ (SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 146). Mit diesen Veränderungen ist beabsichtigt,
(vgl. a.a.O.):
· die Erweiterung der Verantwortlichkeit der einzelnen administrativen Betriebe und deren Organisationseinheiten,
· die Ausweitung der Entscheidungsspielräume für die Verantwortlichen
auf den jeweiligen Ebenen,
· die Entflechtung und Verkürzung der Entscheidungswege, verbunden mit
„Abbau von Bürokratie und Effizienzsteigerung“ sowie
· die Herstellung einer Ergebnisorientierung im Haushaltswesen.
In Deutschland wurden diese Veränderungen über eine Reform des Haushaltsrechts durch das „Haushaltsrecht-Fortentwicklungsgesetz vom 22.12.97“ angestrebt. Grundlage dieses Gesetzes war eine „moderne Haushaltspolitik“, deren
Aufgabe es ist, „zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, durch höhere Flexibilität Einsparungen und größere Wirtschaftlichkeit zu erzielen und stärkeres
Kostenbewußtsein zu schaffen, ohne Gefährdung von parlamentarischem Bewilligungsrecht und Transparenz der öffentlichen Finanzwirtschaft“ (OVERHAUS 1997, S. 1).
Hierzu wurden vor Verabschiedung des Haushaltsrecht-Fortentwicklungsgesetzes in den Jahren 1995-1997 einzelne Instrumente, welche den oben genannten Zwecken entsprechen und welche im Einzelnen noch vorzustellen sind,
in fünf ausgewählten Bundesbehörden sowie in drei militärischen Dienststellen
erprobt. Im Ergebnis brachte dieses Pilotvorhaben erhebliche Einsparungen bei
gleicher Leistung sowie eine hohe Akzeptanz bei den Betroffenen und Verantwortlichen in den jeweiligen Bereichen.
Das Gesetz änderte zunächst unmittelbar die Bundeshaushaltsordnung und das
Bundesrechnungshofgesetz; über Änderungen der Vorschriften des Haushaltsgrundsätzegesetzes erhielten auch die Bundesländer die Möglichkeit, ihre
Landeshaushaltsordnungen entsprechend anzupassen. Nicht angetastet wurde
dabei die sogenannte Haushaltsverfassung der Art. 109-115 GG, womit die ver-
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
213
fassungsgemäßen parlamentarischen Bewilligungs- und Kontrollrechte den äußeren Rahmen der Reform des Haushaltsrechtes bildeten.
Neben einigen redaktionellen Änderungen und der Neuorganisation der externen
Finanzkontrolle wurden verschiedene Haushaltsgrundsätze, wie z.B. die Jährlichkeit, die sachliche und zeitliche Bindung sowie das Bruttoprinzip modifiziert
(vgl. DEUTSCHER BUNDESTAG 1997), mit der Absicht, die vorher erprobten
Instrumente einzuführen und zu legitimieren. Die wichtigsten dieser Instrumente, die auf Bundesebene erstmalig ab dem Haushaltsjahr 1998 Anwendung fanden, sind:
· Kosten- und Leistungsrechnung,
· Interessenbekundungsverfahren für private Leistungserbringung,
· Budgetierung,
· Flexibilisierung und
· Globalisierung.
Diese Instrumente werden nun im Einzelnen mit ihrer Relevanz für das Personalwesen der administrativen Betriebe näher erläutert.
5.2.2.1 Kosten- und Leistungsrechnung
Ausgehend von der Erkenntnis, dass die kameralistische Haushaltsrechnung zu
wenig Informationen über die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns und
über den Kostendeckungsgrad der erhobenen Gebühren (vgl. BMF 1997, S. 107)
bietet, wurde im öffentlichen Bereich ein Informationssystem gesetzlich (z.B. §
7 BHO neue Fassung) eingeführt, das systematisch den Ressourcenverbrauch
bei der staatlichen Leistungserbringung erfasst und monetär bewertet. Damit
wurde den Verantwortlichen in den administrativen Betrieben die Informationsbasis geschaffen, um wirtschaftliche Entscheidungen treffen zu können und
hierüber die Möglichkeit zu erhalten, durch ein Controlling unterstützt zu werden. Außerdem bestand bei der Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung
die Absicht, ein Kostenbewusstsein bei allen Mitarbeitern herzustellen bzw. zu
stärken.
Die Kosten- und Leistungsrechung bei administrativen Betrieben unterscheidet
sich in ihrer Grundstruktur nicht von der Vollkostenrechnung in dispositiven
Betrieben. Auch Behörden betreiben dabei eine Kostenarten, Kostenstellen und
Kostenträgerrechnung, die vielfach wegen des hohen Anteils an Verwaltungsgemeinkosten um eine Prozesskostenrechnung (vgl. SEEGER et al 1999, S. 228
ff) ergänzt wird. Der einzige grundsätzliche Unterschied zu dispositiven Betrieben ist bestenfalls darin zu sehen, dass dort eine Kostenrechnung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
214
Zweiter Teil
Das bedeutet für die administrativen Betriebe, bei denen Anteil der Personalkosten bis zu 80% der Gesamtkosten betragen kann (vgl. LACHNIT 1999, S.
45), dass der durch Personaleinsatz verursachte Ressourcenverbrauch, genauso
wie der Einsatz der sächlichen Produktionsfaktoren durch eine Kostenartenrechnung erfasst wird. Gleiches gilt für die Zuordnung der Kosten zu den Bereichen,
in denen der entsprechende Aufwand entstanden ist, über die Kostenstellenrechung und der jeweiligen Verwaltungsendleistungen über die Kostenträgerrechnung. Komplexe verwaltungsinterne Leistungen, die nicht unmittelbar einem
Kostenträger zugeordnet werden können, meist in verschiedenen Organisationsbereichen erbracht werden und zwischen denen ein innerer Zusammenhang besteht, können über eine Prozesskostenrechnung transparent gemacht werden.
Dies bietet sich insbesondere im Personalwesen, unter anderem wegen der zersplitterten Zuständigkeiten, an. Auch ist mit diesem Instrumentarium grundsätzlich möglich, Transaktionskosten zu erfassen und auszuwerten.
Damit ist eine grundsätzliche Möglichkeit gegeben, ein Personalcontrolling aufzubauen, weil die notwendige Informationsbasis hierfür geschaffen wird.
5.2.2.2 Interessenbekundungsverfahren
Gemäß der Neufassung des § 7 (2) BHO sind Bundesbehörden verpflichtet, angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für alle finanzwirksamen Maßnahmen durchzuführen. Außerdem ist in „geeigneten Fällen (...) privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche
Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht
ebenso gut oder besser erbringen können (Interessenbekundungsverfahren)“.
Diese Interessenbekundungsverfahren werden der öffentliche Vergabe gemäß
der „Verdingungsordnung für Leistungen“ (VOL) vorgeschaltet, welche bei allen Arten der Vergabe von Leistungen an private Anbieter im Bereich der Beschaffung sowohl von Sachgütern als auch von Dienstleistungen einschlägig und
bindend ist. Ursprüngliche Verwaltungsleistungen, die privatisierungsfähig sind
(vgl. Abschnitt 3.2.2), werden beim sogenannten Contracting Out in der Regeln
ebenso auszuschreiben sein, wie der Erwerb von Produktionsfaktoren für die
staatliche Dienstleistungsproduktion. Bei dieser konkurrenzierenden Maßnahme
steht dann auch der Bereich, der privatisiert werden soll, im Wettbewerb zu den
privaten Anbietern.
Der Unterschied zu der Regelbeschaffung besteht darin, dass über das Interessenbekundungsverfahren weit vor der Ausschreibung Informationen von potenziellen Anbietern eingeholt werden, um eine Aussage darüber treffen zu können,
ob eine privatisierungsfähige Leistung auch privatisierungswürdig, also grundsätzlich wirtschaftlicher von privater Seite zu erbringen ist und ob es überhaupt
genügend Anbieter für einen späteren Wettbewerb gibt. Das wiederum bietet
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
215
den administrativen Betrieben die Möglichkeit, die betroffenen Bereiche vor der
Ausschreibung innerbetrieblich optimieren zu können, um eine grundsätzliche
Chance in der Konkurrenzierung zu haben.
Damit wird das Interessenbekundungsverfahren neben der gesetzlichen Intention
ebenso als ein Instrument zur Verbesserung der Effizienz eingesetzt, da der drohende Wettbewerbsdruck den jeweiligen administrativen Betrieb und insbesondere die in dem betroffenen Bereich eingesetzten Mitarbeitern zu interner Optimierung motiviert.
Für das Personalwesen der Bundesverwaltungen bedeutet die Regelung des § 7
(2) BHO, dass Personaldienstleistungen, wie etwa die Einstellung von Bewerbern oder etwa das Personalwesen in weiten Bereichen selbst, grundsätzlich über Interessenbekundungsverfahren und Ausschreibungen an private
Dienstleister vergeben werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die administrativen Betriebe die jeweiligen Personaldienstleistung zu den „geeigneten
Fälle“ im Sinne des Gesetztes zählen und somit die Frage der Privatisierungsfähigkeit dadurch bejahen, dass sie diesen nicht den Kernaufgaben zuordnen.
Letzteres kann bei der Personalbearbeitung für Beamte problematisch sein, da
diese vielmals hoheitliche Akte (z.B. Ernennung, Versetzung) darstellen.
5.2.2.3 Budgetierung
Unter Budgetierung ist ein System der dezentralen Verantwortung zu verstehen,
bei dem die Organisationseinheiten administrativer Betriebe ihren Finanzmitteleinsatz bedarfsgerecht und in zeitlicher und sachlicher Hinsicht selbständig
bestimmen kann ohne allerdings den vorgegebenen Rahmen zu überschreiten.
„Die Budgetierung beinhaltet sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch im
Haushaltsvollzug neue Wege“ (BMF 1997, S. 105) insofern, dass die zuvor
strenge Anforderungs- und Zuweisungssystematik erheblich gelockert wurde.
Daneben werden Entscheidungen, die nach der BHO alter Fassung ausschließlich dem Bundesfinanzminister oder der obersten Dienstbehörde, also dem jeweiligen Ministerium, zugeordnet waren, auf die Ebene der sogenannten „mittelbewirtschaftenden Dienststelle“ (zum Begriff siehe WIESNER 1997, S. 200)
verlagert. Ausgenommen hierbei sind die Entscheidungen, welche im Grundgesetz (z.B. Art. 112) dem Bundesfinanzminister vorbehalten sind, da diese Regelungen, wie bereits angesprochen, nicht von der Reform tangiert sind.
Der Einsatz der Budgetierung soll die Eigenverantwortlichkeit der mittelbewirtschaftenden Dienststelle fördern sowie die notwendige Einsicht bei den Verantwortlichen erzeugen, die zugewiesenen Haushaltsmittel wirtschaftlich zu verwalten. Die Motivation hierfür liegt in dem Effekt, dass eine wirtschaftliche
Handlungsweise und die Einsparung von Haushaltsmitteln den jeweiligen Titeln
216
Zweiter Teil
der Behörde und nicht wie zuvor dem Ressort bzw. dem Bundeshaushalt zu
Gute kommt.
Auch im Personalwesen ist damit der Anreiz vorhanden, Einsparungen im Bereich der Personalausgaben, sei es mittelbar über die Bewirtschaftung der Haushaltsstellen oder unmittelbar durch eine wirtschaftliche Verwendung der Haushaltsmittel, im eigenen Bereich zu erzielen, u.a. auch durch nicht geplante Ausgaben auf dem jeweiligen Titel, ohne dass der komplizierten Weg der Nachforderung beschritten werden muss.
5.2.2.4 Flexibilisierung
Flexibilisierung bedeutet zwar einerseits die Beibehaltung der bisherigen sehr
ausdifferenzierten Titelaufgliederung nach dem Gruppierungsplan (siehe
WIESNER 1997, 129 ff.) aber andererseits die stark erweiterte Möglichkeit,
Haushaltsmittel in sachlicher Hinsicht (zwischen Titeln) und zeitlicher Hinsicht
(überjährig) während der Ausführung des Haushaltes zu übertragen. Dominant
hierbei sind die Möglichkeiten der gegenseitigen Deckungsfähigkeit (vgl. BMF
1997, S. 103), bei denen Mehrausgaben auf einem Titel zu Lasten von Einsparungen auf einem anderen Titel geleistet werden können.
Dieses Instrument, welches sehr restriktiv auch schon im Haushaltsrecht der alten Fassung vorhanden war, wird seit 1998 durch Regelungen im jährlichen
Haushaltsgesetz immer mehr ausgeweitet. Es handelt sich mittlerweile um folgende Deckungskreise, innerhalb derer die gegenseitige Deckungsfähigkeit gegeben ist:
· Ausgaben der Hauptgruppe 4 (Personalausgaben), jedoch ohne die Aufwendungen für Abgeordnete
· eine Vielzahl von Titeln im Bereich der Hauptgruppe 5 (sächliche Verwaltungsausgaben), welche z.B. für den Bund im § 5 HG (des jeweiligen
Jahres) explizit aufgeführt sind
· Ausgaben bei den Titeln der Gruppe 711 (sog. kleine Baumaßnahmen)
· Ausgaben der Hauptgruppe 8 (Investitionen)
Reichen diese Möglichkeiten nicht aus, dürfen nach Maßgabe des jährlichen
Haushaltsgesetzes zusätzliche Mehrausgaben der obengenannten Titel bis zur
Höhe von 20% zu Lasten entsprechender Einsparungen bei anderen Titeln deckungskreisübergreifend geleistet werden.
Für das Personalwesen bedeutet dies einen erheblich erweiterten Handlungsspielraum, da nunmehr Personalausgaben erhöht werden können bei gleichzeitiger Einsparung bei den Sachmitteln und umgekehrt. Allerdings bedeutet die Deckungsfähigkeit zwischen Personaltiteln und gar zwischen Personal- und Sachausgaben nicht, dass Einstellungen oder Beförderungen unter Verzicht auf Be-
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
217
schaffungen von Sachmitteln erfolgen kann. Die Verbindlichkeit der jeweiligen,
von den Parlamenten vorgegebenen, Stellenpläne wird durch die Flexibilisierung grundsätzlich nicht angetastet, so dass sich die entsprechenden Möglichkeiten nur auf die Personalausgaben beziehen, die nicht von den Haushaltsstellen abhängig sind, es sich also konkret nicht um Löhne, Gehälter oder Dienstbezüge handelt.
Allerdings können durch die Flexibilisierung bestimmte Dienststellen Personal
unabhängig von einem konkreten Dienstposten und für einen bestimmten Zeitraum im Wege der sog. „Freiraumregelung“ einsetzen (vgl. Abschnitt 3.5.2.4).
5.2.2.5 Globalisierung
Bei der Aufstellung des Haushaltspläne können nach dem neuen Haushaltsrecht
weitgehende Reduzierungen der Titelaufgliederung vorgenommen werden.
Hierbei ist maximal die Zusammenführung aller Einzeltitel einer Hauptgruppe
möglich. Der Umfang des Bundeshaushaltsplans wurde so 1998 (gegenüber
1995) von über 10.000 Einzeltiteln auf ca. 7.000 Titel verringert.
Die Verringerung der Einzeltitel bezweckt den gleichen Effekt wie die Möglichkeiten der zuvor dargestellten Flexibilisierung, hier aber bereits bei der Veranschlagung, da hierdurch der Grundsatz der sachlichen Bindung a priori umgangen wird ohne aber den Grundsatz der Einzelveranschlagung (vgl. § 12 HGrG)
in seinem Kern zu berühren.
Die Begrenzung der Globalisierungsmöglichkeit auf mindestens einen Titel je
Hauptgruppe trägt dem Umstand Rechnung, dass der Informationsgehalt des
Haushaltsplanes gegenüber der früheren Praxis erheblich eingeschränkt wird.
Aufgrund der Titelreduktion ist eine detaillierte Soll-Auswertung, insbesondere
für die Statistik, nicht mehr möglich (vgl. BMF 1997, S. 104), so dass hierbei
der Einsatz einer Kosten- und Leistungsrechnung die notwendigen Zusatzinformationen bereitstellen müsste, um z.B. die Kontrollmöglichkeiten der Parlamente zu gewährleisten.
Auswirkungen auf das Personalwesen hat die Globalisierung nur dann, wenn
Titel der Hauptgruppe 4 (Personalausgaben) zusammengeführt werden, im
günstigsten Fall zu einem „Personaltitel“, aus dem dann alle denkbaren Personalmaßnahmen finanziert werden können. Dies hat zur Konsequenz, dass die
administrativen Betriebe, denen derartige Globalbudgets zur Verfügung gestellt
werden, von vorn herein auch bezüglich der Personalausgaben flexibel sind, allerdings ohne die erweiterten Möglichkeiten bis zu der 20%-Grenze, wie es im
Falle der Flexibilisierung möglich ist.
218
Zweiter Teil
Allerdings gilt auch für die administrativen Betriebe, denen ein Globalbudget
zur Verfügung gestellt wurde, die Bindung an die Stellenpläne des jeweiligen
Haushaltes. Personalmaßnahmen, die zu höheren Personalausgaben bezüglich
der Gehälter, Vergütungen oder Löhnen führen, wie z.B. die Einstellung eines
neuen Mitarbeiters oder eine Beförderung bzw. Höhergruppierung, können trotz
Globalisierung nur dann umgesetzt werden, wenn im Haushaltsplan hierfür entsprechende Stellen ausgeworfen wurden.
Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass Globalbudgets gegenwärtig nur in
sehr wenigen Bereichen praktiziert werden. Dies sind vornehmlich Hochschulen
und Krankenhäuser, wovon sich einige sowohl auf der Ebene des Bundes als
auch auf Länderebene gegenwärtig noch in Pilotphasen zur Erprobung der Globalisierung befinden (so z.B. die Universität der Bundeswehr München von
2000-2003).
5.2.3 Organisatorische Änderungen
Der Übergang vom klassisch-bürokratischen Steuerungsmodell zum jenem des
New Public Managements bedeutet für die administrativen Betriebe teilweise
gravierende Veränderungen in den Organisationsstrukturen. Mit dem Ziel der
Dezentralisierung und Entflechtung sowie der Verselbständigung oder
Verschlankung werden organisatorische Änderungen wirksam, die entweder den
Bestand der Organisation, also die Organisationsform, die Strukturen oder die
Verfahren, welche immer mehr durch komplexe Informationssysteme unterstützt
werden, betreffen.
Damit werden ebenfalls wichtige Rahmenbedingungen für das Personalwesen
verändert. Welche dies sind und inwiefern dadurch das Personalwesen betroffen
sein kann, wird in den folgenden Abschnitten dargelegt.
5.2.3.1 Änderung der Organisationsform
Administrative Betriebe, die im Zuge des New Public Managements vollständig
den Weg der Privatisierung (formelle Privatisierung, vgl. Abschnitt 3.1.6.2) beschreiten und damit ihre Organisation in privatrechtliche Formen überführen,
werden zu dispositiven Betrieben, weswegen hierauf nicht näher eingegangen
wird.
Interessanter sind die Fälle, in denen die Organisationsform zwar verändert
wird, aber bei denen die staatliche Institution ihren öffentlich-rechtlichen Charakter behält. Dies sind hauptsächlich die Fälle, in denen staatliche Einrichtungen, deren Tätigkeiten überwiegend erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sind, in
sogenannte Eigenbetriebe überführt werden. Dieser Begriff wird im kommunalen Bereich auch im engeren Sinne verwendet, während bei den Ländern von
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
219
Landeseigenen Betrieben oder beim Bund von Bundesbetrieben gesprochen
wird. Rechtliche Grundlage hierzu ist die jeweilige Haushaltsordnung (für den
Bund der § 26 BHO), in der sowohl die Voraussetzungen als auch die Rechtsfolgen bezüglich des Rechnungswesen geregelt sind.
Erfüllt somit eine Behörde auf Grund einer geänderten strategischen Zielsetzung
im Rahmen des New Public Managements diese Voraussetzungen, steht sie also
überwiegend in einem Kunden-Dienstleistungsverhältnis zum Bürger oder zu
anderen staatlichen Institutionen, bei dem die jeweilige Leistung auch unmittelbar monetär abgegolten wird, so ist sie nach dem Übergang zu der Rechtsform
des Eigenbetriebes nicht mehr vollständig an den Haushalt gebunden. Statt der
restriktiven Einnahme- und Ausgabenwirtschaft der Kameralistik hat dieser administrative Betrieb einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der eine Bilanz sowie
eine Gewinn- und Verlustrechnung beinhaltet. Positive wie negative Salden der
Erfolgsrechnung werden dann an den jeweiligen Haushalt der Gebietskörperschaft abgeliefert bzw. aus diesem zugeführt.
Für das Personalwesen dieser Eigenbetriebe bedeutet dies eine nahezu eigenständige Bewirtschaftung aller Ausgaben und Einnahmen ohne an die letztlich
noch vorhandenen Restriktionen des Hauhaltsrechts bei Flexibilisierung oder
Budgetierung gebunden zu sein.
Allerdings gilt für die Eigenbetriebe, bei denen Beamte verwendet werden,
weiterhin die Bindung an die Haushaltspläne. So bestimmt beispielsweise der §
26 BHO, dass „Planstellen (...) nach Besoldungsgruppen und Amtsbezeichnung
im Haushaltsplan auszubringen“ sind“. Analog ist mit den Arbeitnehmern zu
verfahren, deren Stellenpläne ebenso als Anlage des Wirtschaftsplanes zu führen
sind. Das bedeutet konkret, dass auch Bundesbetriebe keine Personalmaßnahmen von grundsätzlicher Art (z.B. Einstellungen, Beförderungen) im laufenden
Geschäftsjahr abweichend von den Stellenplänen des Bundeshaushalts vornehmen können.
Allerdings bietet die relativ eigenständige und vom monetären Bereich des
Haushaltes unabhängige Rechtsform Gelegenheit, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu wählen, wie z.B. die Beschäftigung von sogenannten Leihkräften. Sicherlich nur zeitlich begrenzt und auch nicht für alle betrieblichen Bereiche geeignet, kann menschliche Arbeitsleistung auch über einen normalen
Dienstvertrag akquiriert werden. Hierzu müssen Eigenbetriebe grundsätzlich die
Vergabevorschriften (z.B. VOL) beachten und die jeweilige Leistung gegebenenfalls ausschreiben, weil der öffentlich-rechtliche Status dies erforderlich
macht.
220
Zweiter Teil
5.2.3.2 Änderung der Organisationsstrukturen
Der Übergang der Behördenstruktur nach dem klassischen Regulierungsmodell
zu einem kundenorientierten Dienstleistungsbetrieb erfolgt, wie in Abschnitt
3.3.3.1 bereits angesprochen, durch die Dezentralisierung der Aufgaben- und
Ressourcenverantwortung sowie den Abbau von Überkomplexität und Hierarchie. Hierbei steht auch das bisherige Organisationsprinzip zur Disposition, das
die einzelnen Organisationsbereiche funktional innerhalb einer Stab-LinienStruktur mit sehr ausdifferenzierten Zuständigkeiten miteinander verknüpfte, um
hauptsächlich der politischen Verantwortung des Verwaltungshandelns gerecht
zu werden. Aus der Sicht des Leistungsempfängers innerhalb des kundenorientierten Ansatzes, wird „aus dieser Optik ein Defizit der Verwaltung deutlich: die
funktionenorientierte Struktur führt zu erheblichen Koordinationsproblemen“
(SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 107), in Folge derer die Bürger (oder andere
Organisationen) als Kunden nicht nur den weiten Weg durch die Instanzen sondern auch den berühmten Gang „von Pontius zu Pilatus“ hinzunehmen hatte.
Die Organisationslogik moderner administrativer Betriebe ist demnach deutlich
Produkt orientiert, durch die Bildung homogener Servicebereiche. In den Fällen,
in denen staatliche Aufgaben in sich geschlossen und zeitlich begrenzt sind,
wird darüber hinaus vermehrt auf die Projektorganisation zurückgegriffen.
Im Zuge dieser Reengineering-Maßnahmen, die sowohl Ergebnis der Leistungstiefenpolitik als auch der Binnenmodernisierung sind, entstehen nicht selten dezentralisierte konzernähnliche Strukturen, die insbesondere folgende Merkmale
aufweisen (vgl. SCHEDLER/PROELLER 2000 S. 75 f.):
· geringe Anzahl an Ministerien und Behörden mit flachen Hierarchien
· Zusammenführung der Organisationseinheiten nach dem Aspekt der Ergebnisverantwortung
· Delegation der Ressourcenverantwortung auf die Ebene der jeweiligen
Leistungserbringung (auch bei Querschnittseinheiten)
· Auslagerung von Koordinierungsaufgaben auf Stabsstellen (zentrale
Steuerungsdienste)
· Verrechnung interner Verwaltungsleistungen (interne KundenDienstleistungs-Beziehungen)
· Steuerung der Organisationsbereiche über Zielvereinbarungen
Für das Personalwesen bedeuten diese organisatorischen Maßnahmen zunächst
eine Zusammenführung der teilweise zersplitterten Zuständigkeiten. Diese werden durch die internen Kunden-Dienstleistungs-Beziehungen zu ergebnisorientierten Dienstleistungsprozessen verdichtet. Die Aufbauorganisation sieht für die
Personalbearbeitung entsprechende Servicebereiche vor, die dann ihre jeweilige
Dienstleistung umfassend, im Sinne eines „Full-Service“, für den jeweiligen
Kunden erbringen. Durch den Einsatz einer Kosten- und Leistungsrechnung mit
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
221
ihren internen Verrechnungsmodi werden die Servicebereiche im Personalwesen
dann gezwungen sein, diese Leistung nach Wirtschaftlichkeitsaspekten zu
erbringen.
Durch die Trennung von Koordinierungs- und Dienstleistungsaufgaben erfolgt
auch häufig eine Abschichtung der Personalverantwortung nach dem Prinzip „so
dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“, um einerseits die Ressourcenverantwortung bezüglich des Personals in die operativen Bereiche zu verlagern und
andererseits eine zentrale Personalsteuerung im administrativen Betrieb intern
oder extern (bei konzernähnlichen Strukturen) zu gewährleisten. Auch besteht
dadurch die grundsätzliche Möglichkeit bestimmte Personaldienstleistungen von
externen Anbietern im Wege des „Contracting Out“ zu beziehen.
5.2.3.3 Änderung der Verfahren
Bezüglich der Modernisierung der Verfahren in administrativen Betrieben wurde in Hauptabschnitt 3.3.3.2 bereits auf die verschiedenen Gründe für die Einführung eines strategischen Managements hingewiesen. Hieraus abgeleitet, werden auch die Verfahren auf der operativen Ebene durch ziel- und ergebnisorientierte Prozesse abgebildet.
Sowohl aus Gründen der Rationalisierung als auch der effektiveren Steuerung
werden immer mehr Informationssysteme eingesetzt, die über eine Automatisierung der Arbeitsabläufe nicht nur zu Kosteneinsparungen sondern auch zu einer
höheren Transparenz der Prozesse beitragen und hierdurch die Modernisierung
der administrativen Betriebe erheblich vorantreiben (vgl. SCHEDLER/PROELLER 2000, S. 227 ff.).
Nachdem in den öffentlichen Verwaltungen, dort wo bereits elektronische Datenverarbeitung betrieben wurde, viele Einzelsysteme für die funktionale Aufgabenerfüllung eingesetzt wurden, erfordert die Umstellung der Strukturen auf
die prozessorientierte Verwaltungsdienstleistung eine entsprechend übergreifende Steuerungssoftware.
Dies ist insbesondere im Personalwesen wegen der relativ komplexen Prozesse
angezeigt. Hierbei wird auch in administrativen Betrieben vermehrt Standardsoftware eingesetzt, welche die prozessorientierte Arbeitsweise im Personalwesen durch Netzwerke unterstützt sowie gleichzeitig die Schnittstellen zu anderen
Verfahren (z.B. die Kostenrechnung) herstellt und damit geeignet ist, die verschiedenen IT-Inseln abzulösen. Die Standardsoftware, welche hierbei in dispositiven Betrieben am häufigsten eingesetzt wird, ist das jeweilige Produkt der
Firmen SAP bzw. PeopleSoft (vgl. JÄGER/FELLBERG 1999; S. 63).
222
Zweiter Teil
Viele administrative Betriebe entscheiden sich wegen des modularen Aufbaus
und der Möglichkeit, alle relevanten betrieblichen Prozesse zu unterstützen sowie wegen des relativ großen Verbreitungsgrades in Deutschland für das System
SAP R/3, welches bereits entsprechende Behördenlösungen bereithält. Mit seinem Modul HR (Human Resources) ermöglicht diese Software neben der reinen
Personalstammdatenverwaltung auch die Abbildung der Organisations- und Personalstruktur. Dadurch können die Teilverfahren bezüglich der Personalbeschaffung, der Personalentwicklung, der Zeitwirtschaft, der Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie des Reisemanagements unterstützt werden (vgl. WENZEL
2001, S. 1 ff.).
Insbesondere eignet sich dieses System als Hilfsmittel für Personalplanung, ausgehend von der Personalbedarfsplanung über die Personalentwicklungsplanung
bis hin zu einer Laufbahn- und Nachfolgeplanung, gerade in größeren Organisationen.
Auch in denjenigen administrativen Betrieben, in denen keine aufbauorganisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um die zersplitterten Zuständigkeiten im
Personalwesen zu Servicebereichen zusammenzuführen, kann durch den Einsatz
von übergreifender Software über die Definition entsprechender „Work-Flows“
das Personalwesen zumindest virtuell zu einem in sich zusammenhängenden
Prozess abgebildet werden.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
223
5.3 Ausgewählte Projekte und Konzepte
Im Anschluss an den in Abschnitt 5.1 beschriebenen Paradigmenwechsel und im
Zusammenhang mit anderen Maßnahmen im Rahmen der Binnenmodernisierung öffentlicher Verwaltungen sind bereits eine Reihe von administrativen Betrieben des Bundes, der Bundesländer sowie der Kommunalverwaltungen dazu
übergegangen, Konzepte für die Modernisierung des Personalwesens zu erarbeiten und teilweise auch umzusetzen. Diese sind meist in entsprechende Regierungsprogramme eingebettet, welche einen einheitlichen Rahmen für das Personalwesen in den jeweiligen Staaten und Gemeinden definieren.
Allerdings ist auf Grund der föderativen Strukturen in Deutschland nicht von
einem einheitlichen Personalkonzept auszugehen. Auch die unterschiedlichen
Entwicklungsstände bezüglich des New Public Managements in Deutschland
tragen gegenwärtig dazu bei, dass kein homogenes Erscheinungsbild des modernen Personalwesens in administrativen Betrieben vorliegt. Analog zu dem in
Abschnitt 3.4 angesprochenen Gefälle von den Gemeinden über die Bundesländer hin zum Bund zeigt sich auch ein entsprechend unterschiedlich fortgeschrittener Modernisierungsprozess des Personalwesens, bei dem die administrativen
Betriebe der Gemeinden am weitesten und die des Bundes am wenigsten fortgeschritten sind.
Daneben gibt es auch deutliche Unterschiede bezüglich der Extension der Programme und Konzepte. Während einige nur punktuell einige ausgesuchte Bereiche des Personalwesens erfassen, gibt es andere, die einen umfassenderen, in
Einzelfällen sogar einen gesamtheitlichen Ansatz verfolgen.
Aus diesen Gründen erfolgt in diesem Abschnitt nur eine Auswahl von Programmen und Konzepten einiger Staaten, die dann einerseits den gerade dargestellten Sachverhalt beschreiben und andererseits einen Eindruck darüber geben,
wie moderne Personalkonzepte in deutschen administrativen Betrieben aussehen
können.
Konsequenterweise wird analog des Themas dieser Arbeit der Fokus wieder auf
den Bund und den exemplarischen Betrieb Bundeswehrverwaltung gerichtet.
Zusätzlich werden beispielhaft einige Konzepte der Bundesländern in ihren
Grundzügen und vor allem mit ihren Schwerpunkten und Besonderheiten vorgestellt. Dies ist wegen der vergleichbaren staatlichen Strukturen zwischen Bund
und Ländern noch einigermaßen sinnvoll. Weniger sinnvoll dagegen ist, Konzepte der Gemeinden vorzustellen, da hier die Vergleichbarkeit mit dem Bund
erheblich schwieriger ist, weswegen auf die Personalkonzepte im kommunalen
Bereich nicht weiter eingegangen wird, obgleich das Personalwesen hier teilweise schon viel früher modernisiert worden ist.
224
Zweiter Teil
5.3.1 Ausgewählte Konzepte der Bundesländer
Zweifellos am weitesten fortgeschritten im Bereich der Bundesländer sind die
kleineren Stadtstaaten, Hamburg, Bremen und Berlin. Hier liegen zum Teil sehr
umfangreiche Personalkonzepte vor. Das mag daran liegen, dass diese Staaten
wegen ihrer kommunalen Unterstrukturen meist durch die KGSt beraten werden
bzw. sich an anderen Gemeinden orientieren.
Als Beispiel für ein derartig umfassendes Personalkonzept wird das der Freien
Hansestadt Bremen vorgestellt. Anschließend folgen zwei Beispiele aus dem
Bereich der Flächenstaaten, nämlich die jeweiligen Konzepte der Bundesländer
Niedersachsen und Brandenburg, welche sich vornehmlich auf die Personalentwicklung fokusieren, was, nach Durchsicht der entsprechenden Konzepte, auch
bei den übrigen Flächenstaaten mehr oder weniger der Fall ist.
5.3.1.1 Personalmanagementkonzept der Freien Hansestadt Bremen
Die Freie Hansestadt Bremen hat ihr Personalwesen an die neuen Strukturen angepasst, welche im Rahmen des Modernisierungsprozesses entstanden sind.
Nach einem mehrere Jahre andauernden Wandel stellt sich dieser Staat nun als
Konzern dar, der außer der klassischen Kernverwaltung Betriebe der unterschiedlichsten Rechtsformen ausgegründet und zu einem Konzern zusammengefügt hat.
Um das Personalwesen auf einen modernen Stand zu bringen und das Personal
dabei Konzern übergreifend steuern zu können hat dieser Stadtstaat im Jahr
2000 das „Personalmanagementkonzept für den Konzern Freie Hansestadt Bremen“ erarbeitet. Dieses Konzept hat zum Ziel, das „Personalwesen (...) in die
Einführung des Neuen Steuerungsmodells, mit dem die traditionelle Verwaltung
zu einer effizienteren und effektiveren Dienstleistungsorganisation für die Bürger umgestaltet werden soll“ (FREIE HANSESTADT BREMEN 2000, S. 11)
einzubetten. Dabei soll die bisherige Personalarbeit, „die überwiegend von einer
juristischen und verwaltungsmäßigen Betrachtung geprägt war, (...) künftig
durch modernes strategisch ausgerichtetes Personalmanagement“ ersetzt werden, in dem „Rechtmäßigkeit um die Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung ergänzt wird“.
Die Freie Hansestadt Bremen versteht dabei das Personalmanagement als ein
System, welches die in folgender Abbildung dargestellten Elemente und Beziehung enthält:
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
225
Abb. 26: Personalmanagement der Freien Hansestadt Bremen als System
(Quelle: FREIE HANSESTADT BREMEN 2000, S. 13)
Die einzelnen „Handlungsfelder des bremischen Personalmanagements“ (FREIE
HANSESTADT BREMEN 2000, S. 15 ff.) stehen dabei in einem interdependenten Zusammenhang und werden beeinflusst von den in Abbildung 26 dargestellten Rahmenbedingungen. Die Handhabung dieses Systems soll neben einer
„Betreuung im Einzelfall und für einzelne Beschäftigungsgruppen (...) auf den
verschiedenen Funktionsebenen (Dienststellen, Ressorts, zentrale Steuerung/Dienstleistung) die Voraussetzung dafür schaffen, daß der ‚Produktionsfaktor’ Personal optimal genutzt werden kann“.
In diesem Zusammenhang kann bezüglich des Personalmanagements in der
Freien Hansestadt Bremen noch auf eine organisatorische Besonderheit hingewiesen werden, nämlich auf den eigens für die effizientere Wahrnehmung von
klassischen Verwaltungsaufgaben gegründeten Eigenbetrieb mit Namen „Performa Nord“ (FREIE HANSESTADT BREMEN 2000, S. 63 ff.). Durch den
Eigenbetrieb sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass „einerseits die Durchführungs- und Vollzugsaufgaben (Gehaltsabrechnung, Beihilfe,
Freie Heilfürsorge, Kindergeld, Versorgung) einschließlich der dafür notwendigen Entscheidungen im Personalbereich einer zentralen Organisationsform zugeordnet und andererseits durch die kaufmännische Wirtschaftsführung die dafür erforderlichen Aufwendung transparent werden.“ Außerdem haben die
Dienststellen und Ressorts der Hansestadt die Möglichkeit, „den Eigenbetrieb
226
Zweiter Teil
im Rahmen von Leistungsvereinbarungen mit weiteren Aufgaben der Personalverwaltung zu betrauen.“
5.3.1.2 Rahmenkonzept: Personalentwicklung des
Bundeslandes Niedersachsen
Ein ähnlich umfassendes Konzept für ein modernes Personalwesen liegt seit
1997 im Bundesland Niedersachsen (BUNDESLAND NIEDERSACHSEN
1997) vor, wobei es sich um einen in der Modernisierung des Personalwesens
bereits sehr weit fortgeschrittenen Flächenstaat handelt. In seinem Vorwort zu
diesem Konzept macht der zuständige Innenminister deutlich, dass sowohl der
weiter oben dargestellte Paradigmenwechsel als auch die Verwaltungsmodernisierung an sich ursächlich für den Modernisierungsprozess des Personalwesens
im Land Niedersachsen waren. Zum Einen bezeichnet er die Mitarbeiter der
Landesverwaltung als „Menschen, die engagiert ihre Aufgaben wahrnehmen
und bereit sind, sich neuen Herausforderungen zu stellen“, was „lebenslanges
Lernen im Berufsalltag jedes Einzelnen“ bedeutet. Zum Anderen bringt er ein
„modernes Personalmanagement durch Personalentwicklung“ in den Zusammenhang zu den „neuen Steuerungsinstrumenten“ (a.a.O. S. 5), was beides zur
Erreichung der Modernisierungsziele durch eine Reihe von Grundsatzbeschlüssen der Landesregierung auf den Weg gebracht wurde.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass „ein effizienter Personaleinsatz (...) die Beseitigung von Hemmnissen bei der Arbeitsproduktivität“ (a.a.O., S. 18) erfordert, wurde ein für die gesamte Landesverwaltung verbindliches Rahmenkonzept entworfen, dessen Kern die Personalentwicklung ist, welche wiederum verstanden werden soll als „die systematische Gestaltung von Prozessen, die es ermöglicht, das Leistungs- und Lernpotential der Beschäftigten zu erkennen, zu
erhalten und in Abstimmung mit dem Verwaltungsbedarf verwendungs- und
entwicklungsbezogen zu fördern“ (a.a.O., S. 19).
Innerhalb eines Rahmenkonzeptes ist die Personalentwicklung eingebunden in
ein Gesamtgefüge verschiedener „Handlungsfelder“ (a.a.O., S. 33 ff.), nämlich:
· Personalmarketing und Personalbeschaffung,
· Personalauswahl
(Anforderungsanalyse, Vorauswahl, Eignungsfeststellung, AuswahlEntscheidung und Qualitätskontrolle),
· Personaleinsatz
(Einführung neuer Mitarbeiter, Arbeitsplatzwechsel, Eignungsverfahren
wie z.B. Assessment-Center, Jahres-Personalgespräche und bedarfsgerechter Personaleinsatz bei flexibleren Arbeitszeiten) sowie
· Personalbetreuung
(Gesundheitsvorsorge, Prophylaxe und Sanktionen bezüglich Mobbing,
Suchtkrankenhilfe, behindertengerechte Förderung, Eingliederung von
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
227
Berufsrückkehrerinnen, Schutz vor sexueller Belästigung und Arbeitsversuche für arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter).
Diese einzelnen Handlungsfelder werden definitionsgemäß als ein übergreifender Prozess betrachtet, welcher auf einer „planerischen Grundlage“, insbesondere durch fortlaufende Personalbestandserhebungen und systematische Personalbedarfsplanungen, steht. Letztere insbesondere, weil das Bundesland Niedersachsen erkannt hat, dass Personal „nicht zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort
mit gewünschter Qualifikation und in notwendiger Menge zur Verfügung“ steht
und ein Personalüberhang nicht immer „verwaltungsintern oder –extern eingesetzt werden“ (a.a.O., S. 31) kann.
5.1.3.3 Personalentwicklungsplanung im Bundesland Brandenburg
Nicht so umfassend wie in den beiden zuvor geschilderten Beispielen und auch
nicht einem gesamtheitlichen Ansatz folgend, aber dennoch in den einzelnen
Punkten recht ausdifferenziert, stellt sich das Konzept des Innenministeriums
des Bundeslandes Brandenburg (INNENMINISTERIUM BRANDENBURG
2000) dar, das sich aber nur auf dieses einzelne Ressort beschränkt.
Ähnlich wie im Land Niedersachsen und mit verdächtig übereinstimmendem
Wortlaut weist der zuständige Innenminister in seinem Vorwort ebenso auf die
besondere Bedeutung der Menschen in der Verwaltung und auf die neuen Steuerungsmethoden in den Organisationen hin (vgl. a.a.O., S. 3).
Der bisherige Entwurf für eine „Personalentwicklungsplanung im Ministerium
des Inneren“ enthält einzelne Vorschläge für die Modernisierung des Personalwesens, welche konzeptionell bereits sehr detailliert ausgearbeitet sind. Im Einzelnen sind dies
· Auswahlverfahren bei Stellenbesetzungen (a.a.O.;. S. 5 und Anlage I-II):
·
·
·
·
·
„Übungen im Assessment-Center und die Fähigkeiten, die damit überprüft
werden können“ sowie ein „Leitfaden zur Erarbeitung von Anforderungsprofilen“,
Einarbeitungsprogramme für neue Mitarbeiter (a.a.O.; S. 7 und Anlage
III):
„Persönliche Starthilfen“,
Hinweise zur „Führung und Zusammenarbeit“ (a.a.O.;. S. 9 ff.),
Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche (a.a.O.; S. 15 und Anlage IV):
“Leitfaden für das jährliche Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch“,
Beurteilungswesen (a.a.O.; S. 19 und Anlage V):
“Musterbogen zum Führungskräfte-Feedback“,
Beförderungsgrundsätze,
228
Zweiter Teil
· Prämien- und Zulagensysteme,
· Mitarbeiterförderung,
· personen- und arbeitsplatzbezogene Fortbildung,
· Mobilitätsförderung,
· Personalbetreuung,
· Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie
· Mitarbeiter- und Kundenbefragungen
Beachtet man die übrigen Konzepte bzw. Konzeptentwürfe zur Verwaltungsmodernisierung im Land Brandenburg, insbesondere die ihnen zu Grunde liegende
strategische Zielsetzung, so ist damit zu rechnen, dass die oben genannten Einzelmaßnahmen künftig ebenfalls zu einem Gesamtkonzept verbunden und über
die Ressortgrenzen des Innenministeriums hinaus ausgeweitet werden. Die bisher vorliegenden Papiere können daher als Einstieg in eine umfassende Modernisierung des Personalwesens der administrativen Betriebe dieses Bundeslandes
gesehen werden.
5.3.2 Projekte der Bundesregierung
Innerhalb des Programms „Moderner Staat-Moderne Verwaltung“, das die Bundesregierung im Dezember 1999 gestartet hat, sollen 15 Projekten zur Verwaltungsmodernisierung innerhalb des Leitbildes „aktivierender Staat“ (vgl. Abschnitt 3.4.1.2) umgesetzt werden. Diese Projekte werden zusammengefasst in
vier Bereich, von denen einer die Bezeichnung „Motivierte Beschäftigte“ trägt.
Innerhalb dieses Bereiches finden sich u.a. auch die Projekte zur Modernisierung der weiter oben dargestellten Dienstrechtsnovelle.
Zur Modernisierung des Personalwesen wurde das Projekt „Personalentwicklung“ Anfang des Jahres 2001 durch einen ressortübergreifenden Staatssekretärausschuss beschlossen. Hiermit wurde ein „Umsetzungsrahmen mit zeitlichen
Vorgaben für die Einführung gegeben“, der die einzelnen Bundesressorts verpflichtet, bis Ende 2001 „Personalentwicklungskonzepte zu erstellen, die im
Laufe des Jahres 2002 in die Praxis umzusetzen sind. Diese Selbstverpflichtung
aller Bundesressorts stärkt die Reformaktivitäten für ein modernes Personalmanagement“ (RAFFELSIEFEN 2001, S. 26).
Obgleich der Name des Projektes und die von der Bundesregierung im Internet
veröffentliche Definition nur auf den Bereich der Personalentwicklung beschränkt scheint, handelt es sich dennoch um ein umfassendes Projekt, das andere Teilbereiche des Personalwesens mit einschließt. Zwar wird der Begriff Personalentwicklung definiert als „die gezielte Förderung und Entwicklung der Beschäftigten entsprechend den Notwendigkeiten des Dienstherrn und unter Berücksichtigung der Qualifikationen und Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter (BUNDSREGIERUNG 2001), ein Blick auf die einzelnen Module
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
229
des Projekts zeigt aber, dass auch andere Bereiche des Personalwesens betroffen
sind. Diese werden als „wesentliche Elemente der Personalentwicklung“ bezeichnet und bestehen im Einzelnen (vgl. a.a.O.) aus:
· Anforderungsprofilen für Führungskräfte und alle Mitarbeiter
· Personalauswahlverfahren, wie z.B. strukturierte Interviews, wissenschaftlich fundierte Potenzialanalyseverfahren oder Assessment-Center
· Einführung neuer Mitarbeiter, welche aus gezielter sozialer Einführung
und fachlicher Einarbeitung besteht
· Mitarbeitergespräch, die strukturiert und regelmäßig (mindestens einmal
jährlich) zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern stattfinden sollen
· Fortbildung und Qualifizierung, die bedarfsorientiert stattfinden soll und
welche neben dem Erwerb fachlicher Qualifikationen auch auf Schlüsselqualifikationen ausgerichtet sind
· Mitarbeiterbeurteilung als Grundlage personen- und sachgerechter Personalentscheidungen
· Verwendungsplanung, die einerseits Mitarbeiterförderung nach transparenten und verbindlichen Regeln ermöglicht und andererseits die Anforderungen des Dienstherren berücksichtigen
· Vorgesetzten-Feedback, wobei Mitarbeiter ihre Vorgesetzten Einschätzen
sollen und ihnen damit Anregungen geben, ihr Führungsverhalten zu reflektieren und Verhaltensänderungen zu initiieren
· Frauenförderung, die im Rahmen des sogenannten „Gender Mainstreaming“ die Gleichstellung von Männern und Frauen auch im Rahmen der
Personalentwicklung verwirklichen soll.
Einen Überblick über diese „Eckpunkte der Personalentwicklung“ vermittelt
folgende Abbildung (RAFFELSIEFEN 2001, S. 28):
230
Zweiter Teil
Abb. 27: Eckpunkte der Personalentwicklung (Quelle: RAFFELSIEFEN 2001, S. 28 )
Als konkrete Ziele des Projektes werden in den Veröffentlichungen der Bundesregierung genannt (u.a. a.a.O.),
· „die Organisationsziele und die Interessen der Verwaltung mit den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soweit wie möglich zur Deckung bringen,
· eine bedarfsgerechte Verwendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
gewährleisten,
· die Beschäftigten motivieren und das Betriebsklima verbessern,
· die persönliche und fachliche Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern – auch zur Bewältigung neuer Aufgaben.“
Diese Ziele und das in den Modulen des Projektes enthaltene Maßnahmenbündel
sind grundsätzlich für alle Bundesverwaltungen verbindlich und gelten als
„Eckpunkte“ für ein modernes Personalwesen. Bezüglich der individuellen Ausgestaltung sind die einzelnen administrativen Betriebe jedoch frei (vgl. RAFFELSIEFEN 2001, S. 27).
Zu Beginn des Projektes erfolgte eine Bestandaufnahme, die ein „sehr vielfältiges Bild“ ergab. „Von zehn abgefragten Maßnahmen erfüllte z.B. das Auswärtige Amt bereits sieben, andere Ressorts dagegen erst eine oder zwei“ (RAFFELSIEFEN 2001, S. 26). Die gezählten Maßnahmen können im Zusammenhang
mit dem entsprechenden Modernisierungsprogramm der Vorgängerregierung
gesehen werden, da die meisten dieser Maßnahmen bereits zur Mitte der 90er
Jahre veranlasst wurden.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
231
So auch die Personalentwicklungskonzeption der Bundeswehrverwaltung, welche im nun folgenden Abschnitt näher vorgestellt wird.
5.3.3 Personalentwicklungskonzeption der Bundeswehrverwaltung
Als Konsequenz des in Abschnitt 5.1 dargestellten Paradigmenwechsels und im
Zusammenhang mit der Einführung des KLV-Konzeptes (siehe Abschnitt 3.5.2),
welches in der Bundeswehrverwaltung den Einstieg in das New Public Management markierte, wurde Mitte der 90er Jahre bereits über ein Personalentwicklungskonzept in diesem administrativen Betrieb nachgedacht.
So wurde 1994 eine Studie „Personalentwicklungskonzeption zivil“ in Auftrag
gegeben. Diese Studie hat die bundeseigene Industrieanlagen Betriebsgesellschaft mbH mit Sitz in Ottobrunn (IABG) zusammen mit Unterauftragnehmern
der Personalberatungsbranche durchgeführt und per Bericht am 15.05.95 zum
Abschluss gebracht (vgl. IABG 1995, S. 2). Die Vorgehensweise der IABG bestand auftragsgemäß darin, ausgehend von einer Ist- und Schwachstellenanalyse,
ein Grobkonzept für eine Personalentwicklung zu erarbeiten, welches einer Nutzen-Kosten-Abschätzung zu unterziehen war und worauf ein Stufenplan für die
Realisierung eines detaillierten Personalentwicklungskonzeptes erstellt wurde
(vgl. IABG 1995, S. 10).
Als grundsätzliches Ergebnis wurde herausgestellt, dass die Bundeswehrverwaltung ihre Aufgaben auf Grund der „Geschwindigkeit und Komplexität des
technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels (...) als
Dienstleister für die Streitkräfte zukünftig nur durch den Einsatz eines maßgeschneiderten PE-Systems effizient wahrnehmen“ (IABG 1995, S. 15) kann. So
ergab die Studie dann auch detaillierte Vorschläge für die Ausgestaltung eines
derartigen Personalentwicklungssystems.
Schließlich wurde am 30.01.1996 auf Grundlage dieser Studie, aber ohne alle
darin enthaltenen Vorschläge umzusetzen, die „Personalentwicklungskonzeption
zivil“ (PEK) auf dem Erlasswege in Kraft gesetzt (abgedruckt in SCHNELL
1999, D 38, S. 1ff). In einem persönlichen Vorwort des Bundesverteidigungsministers werden die obengenannten Grundsätze der IABG-Studie herausgestellt.
Außerdem wird darauf verwiesen, dass die PEK die „Instrumente der Personalplanung und Personalführung neu“ ordnet und es wird klargestellt, dass sich die
Konzeption als „Angebot an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ versteht, mit der
Konsequenz, dass „auf Führungspositionen nur verwendet wird, wer das Angebot annimmt“ (SCHNELL 1999, D 38, S. 1).
Die PEK verfolgt allgemein das Ziel (a.a.O. S. 4), „die Leistungsfähigkeit,
Leistungsbereitschaft und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu
steigern“. Konkret „bezweckt“ die PEK im Einzelnen „eine
232
Zweiter Teil
· verbesserte Entwicklung der Fähigkeiten und der Stärken des einzelnen
Mitarbeiters,
· vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern
nach den Grundsätzen des kooperativen Führungsstils,
· gezielte Auswahl und Entwicklung von besonders leistungsfähigen und
leistungsbereiten Mitarbeitern zu Führungskräften,
· Konzentration der Fortbildungsziele auf die Vermittlung von Fach- und
Führungskompetenz,
· differenzierte und aussagekräftige Bewertung des Leistungs- und Befähigungsbildes des Mitarbeiters durch dienstliche Beurteilungen,
· Verbesserung des Verfahrens zur mittel- und langfristigen Planung für die
Besetzung von Spitzendienstposten.“
Als Grundsatz für die „Führung und Zusammenarbeit“ (a.a.O., S. 4 ff.) fordert
die PEK den kooperativen Führungsstil, welcher unter anderem durch regelmäßige Mitarbeitergespräche durch den unmittelbaren Vorgesetzten untermauert
wird. Die Personalabteilung soll Personalentwicklungsgespräche erstmalig nach
dem Ende der Probezeit und darauf im Rhythmus von zwei Jahren mit den Mitarbeitern führen, welche Erkenntnisse über das „Eignungs- und Befähigungsbild“ des Mitarbeiters unter Einbeziehung der Mitarbeitergespräche, der dienstlichen Beurteilung und von Fortbildungsmaßnahmen liefert.
Für die Einstellung von Nachwuchskräften des höheren Dienstes sieht die PEK
ein Verfahren vor, das aus drei Phasen besteht (vgl. a.a.O., S. 6 f.):
· Personal-Marketing, als „Daueraufgabe einer vorausschauenden Personalplanung“,
· Vorauswahl durch Festlegung allgemeiner Auswahlkriterien und
· persönliche Vorstellung im Rahmen eines nicht näher spezifizierten Auswahlverfahrens.
Eine Verwendungsplanung in den Laufbahnen des gehobenen und höheren
Dienstes (a.a.O., S. 7 ff.), welche die Ziele der PEK unterstützen soll, ist ebenfalls in drei Phasen gegliedert und zwar in
· die Beobachtungsphase, die mit der Probezeit identisch ist und in der Beamte in wechselnden (mindestens zwei) Verwendungen, unterschiedlichen Arbeitssituationen sowie von verschiedenen Vorgesetzten auf mögliche Führungseignung beobachtet werden soll,
· die Identifizierungsphase, die Beamte mit erkennbarer Führungseignung
durch bestimmte Verwendungsfolgen (u.a. Wahrnehmung von Querschnittsaufgaben) und Teilnahme an einem Führungslehrgang an der
Bundesakademie für Wehrtechnik und Verwaltung (BAkWVT) auf die
Übernahme von Führungsverantwortung vorbereitet und
· die Entwicklungsphase für Beamten des höheren Dienstes zum Erwerb
von Führungserfahrung durch weitere Verwendungsfolgen, mit Schwer-
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
233
punkt auf Führungstätigkeiten, und einer mindestens zweijährigen Verwendung im Ministerium (die bereits in der Identifizierungsphase erfolgt
sein kann), sowie einer weiteren Teilnahme an einem Führungslehrgang
an der BAkWVT.
Die PEK beschreibt unter den Gesichtspunkten der Personal-, Sach- und Organisationsverantwortung drei Führungsebenen, die regelmäßig zu durchlaufen sind
(vgl. a.a.O., S. 9 f):
· Führungsebene I,
z.B. Referent im Ministerium (Besoldungsgruppe A 15), Referatsleiter in
einer Oberbehörde (A15) oder Leiter einer Ortsbehörde
· Führungsebene II,
z.B. Referatsleiter im Ministerium oder in einer Oberbehörde (A 16) sowie Abteilungsleiter in Ober- und Mittelbehörden
· Führungsebene III,
z.B. Abteilungsleiter im Ministerium, Präsident bzw. Vizepräsident einer
Ober- oder Mittelbehörde.
Die Übertragung eines Dienstpostens der Führungsebene I beendet die Identifizierungsphase und die Übertragung von Dienstposten der Führungsebene II die
Entwicklungsphase.
Grundlage für die Feststellung von Führungseignung sind die in der PEK dargestellten Schlüsselqualifikationen für Dienstposten aller drei Führungsebenen
(a.a.O., S. 10):
· Fachliche Kompetenz,
z.B. Fachwissen, Allgemeinwissen und Fremdsprachen
· Methodische Kompetenz,
z.B. strategisches Denken, Qualitäts- und Kostenbewusstsein
· Soziale Kompetenz,
z.B. Kommunikationsfähigkeit, Kooperations- und Durchsetzungsfähigkeit
· Persönliche Kompetenz,
z.B. Belastbarkeit, Zuverlässigkeit und Ausstrahlung.
Neben der Festlegung von dienstpostenbezogenen Anforderungsprofilen, die
sich hauptsächlich aus den Ausschreibungen ergeben, fordert die PEK auch eine
Verknüpfung von Personal- und Fortbildungsplanung (a.a.O. S. 11 f.). Für letztere gliedert die PEK die Fortbildung in drei Formen:
· Einführungsfortbildung für Nachwuchskräfte des höheren Dienstes während der Probezeit, in der „die Grundlagen und Kenntnisse über Organisation und Aufgaben der Bundeswehrverwaltung“ vermittelt werden,
· Fachfortbildung, in der die „Kenntnisse zur sachgerechten Erfüllung einer
bestimmten Aufgabe“ erworben werden und
234
Zweiter Teil
· Führungsfortbildung um Führungskräfte auf die „Übernahme höherer
Führungsverantwortung vorzubereiten“, welche sich am jeweiligen „Anforderungsprofil der zukünftigen Führungsebene“ orientiert.
Für die Auswahl des geeigneten Personals bei der Besetzung eines Führungsdienstpostens sieht die PEK folgende Instrumente vor (a.a.O., S. 13 ff.):
· die „Stellenausschreibung als Instrument von Auswahlentscheidungen“,
· die „dienstliche Beurteilung als Personalauswahlmittel“ sowie
· die „Personalberatungskonferenz für die Besetzung von zivilen Spitzendienstposten“ für Führungsdienstposten ab der Ebene II, welche „nicht
der Stellenausschreibung unterliegen“.
Abschließend kann die Grundstruktur der PEK wie folgt zusammengefasst werden:
Einstellung und Auswahl
(Nachwuchskräften des höheren Dienstes)
·
·
·
Personal-Marketing
Allgemeine Auswahlkriterien
persönliche Vorstellung im Auswahlverfahren
Verwendungsphasen
·
·
·
Beobachtungsphase
Identifizierungsphase
Entwicklungsphase (nur höherer Dienst)
Führungsebenen
·
·
·
Führungsebene I
Führungsebene II
Führungsebene III
Schlüsselqualifikationen
·
·
·
·
·
·
·
Fachliche Kompetenz
Methodische Kompetenz
Soziale Kompetenz
Persönliche Kompetenz
Einführungsfortbildung (nur höherer Dienst)
Fachfortbildung
Führungsfortbildung
·
·
·
Stellenausschreibung
dienstliche Beurteilung
Personalberatungskonferenz
Fortbildungsformen
Auswahlinstrumente
Abb. 28: Grundstruktur der „Personalentwicklungskonzeption zivil“
der Bundeswehrverwaltung
Die Anwendung dieser Personalentwicklungskonzeption in der Praxis der Bundeswehrverwaltung ist in der recht frühen Phase der Verwaltungsmodernisierung nicht unproblematisch. Insbesondere die, nur auf die formale Einhaltung
der Regeln, damit also wenig auf Ergebnisse orientierte Personalverwaltung
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
235
führt auf der Seite der Mitarbeiter zu einer Art „Abhakmentalität“ während auf
der Seite der personalbearbeitenden Stellen eine „Formularmentalität“ zu beobachten ist, was sowohl die Mitarbeiter als auch die operativen Organisationseinheiten (Abteilungen und Dienststellen) bemängeln (vgl. SEEKATZ 1999, S.
168 ff.).
236
Zweiter Teil
5.4 Personalwirtschaftliche Analyse der
Verwaltungsmodernisierung
Der bereits vor den Verwaltungsmodernisierungen beginnende Paradigmenwechsel und die Maßnahmen der Modernisierung selbst, die im Wesentlichen in
der Veränderung der Rahmenbedingungen für das Personalwesen und die inhaltliche Ausgestaltung über zum Teil sehr umfassende Konzepte besteht, tragen
wesentlich dazu bei, das klassische Personalwesen weiterzuentwickeln. Im Laufe dieses Prozesses scheint sich das Personalwesen dahingehend zu verändern,
dass es mit dem Regulierungsmodell des New Public Managements kompatibel
wird.
Insofern ist ein deutlicher Trend zu erkennen, der ein modernes Personalwesen
im öffentlichen Dienst entstehen lässt, das vielleicht als Personalwirtschaft bezeichnet werden könnte. Ob dem wirklich so ist, soll analog zu der in Abschnitt
4.3 gewählten Vorgehensweise untersucht werden. Die oben vorgestellten Veränderungen, insbesondere der Paradigmenwechsel und die Modifikation der
Rahmenbedingungen, die offensichtlich einen erheblichen Einfluss auf die Modernisierung des Personalwesens administrativer Betriebe haben, werden im
Rahmen dieser Analyse nochmals eingehender beleuchtet. Dies erfolgt mit der
Intention, die Konsequenzen der einzelnen Veränderungen auf die Neubewertung des Personalwesens, insbesondere an Hand der bereits vorliegenden Projekte und Konzepte, unter personalwirtschaftlichen Aspekten herauszustellen.
5.4.1 Konsequenzen des Paradigmenwechsels
Der Paradigmenwechsel bezüglich der Mitarbeiter in den administrativen Betrieben, der bereits vor der New-Public-Management-Bewegung begann und
durch diese weiter vorangetrieben wurde, kann quasi als Einstieg in ein wirtschaftlich orientiertes Personalwesen gesehen werden. Dies vor allem dadurch,
dass die Mitarbeiter nicht weiter nur als Subjekte für die Erbringung von Verwaltungsleistungen betrachtet wurden, die sich vornehmlich als Ausgabenpositionen in den Stellenplänen der öffentlichen Haushalte wiederfanden. Die
menschliche Arbeitsleistung wurde immer mehr als wichtigster Erfolgsfaktor für
die Erstellung von staatlichen Dienstleistungen identifiziert, der nicht nur unabdingbar, sondern wegen der Besonderheiten im Vergleich zu anderen Ressourcen auch entsprechend bedeutsam ist.
Zu diesen Besonderheiten gehört freilich auch die Fähigkeit des Menschen, im
Zeitablauf durch entsprechende Erfahrungen in den Betrieben und durch gezielte
Weiterbildung immer wertvoller zu werden. Genau das Gegenteil also von
Sachgütern, die im betrieblichen Einsatz abnutzen, damit an Wert verlieren und
für eine spätere Ersatzinvestition entsprechend abgeschrieben werden müssen.
Dies alles wird nunmehr auch im öffentlichen Dienst anerkannt.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
237
Nach den Zeiten der rein quantitativen Betrachtung der Mitarbeiter durch das
Personalwesen, kam damit immer mehr eine qualitative Dimension hinzu und
dies verbunden mit der Erkenntnis durch entsprechende Entwicklungsprogramme die Qualität der Mitarbeiter, ob als Fach- oder Führungskraft, weiter steigern
zu können. Schon fast zwangsläufig führte diese Betrachtungsweise dazu, dass
optimal aus- und weitergebildete Mitarbeiter nicht ohne Weiteres vom Markt
akquiriert werden können und sich schon gar nicht im administrativen Betrieb
von selbst entwickeln oder sich ohne weiteres Zutun auf idealen Dienstposten
wiederfinden. Damit wurde also anerkannt, dass für eine bestimmte Aufgabe
optimal qualifizierte Mitarbeiter, insbesondere deren Qualifikationen und Motivationen, nicht immer und überall verfügbar sind.
Durch den Prozess des Paradigmenwechsels, bei dem anfangs noch die schlichte
Erkenntnis dominierte, dass menschliche Arbeitsleistung eine wichtige und besondere Ressource sei, kam damit zum Ende noch eine weiter hinzu, nämlich
dass sie auch eine äußerst knappe Ressource ist.
Damit kann der Paradigmenwechsel nicht nur als Einstieg in eine Personalwirtschaft gesehen werden, er stellt auch die notwendige Basis, quasi den Nährboden, für ein personalwirtschaftliches Denken bereit. Das Personalwesen muss
sich nämlich systematisch um die Beseitigung von Knappheit bezüglich der Personalressource bemühen; es muss diesen im Menschen verkörperten Produktionsfaktor ebenfalls bewirtschaften und nicht nur, wie bisher, die Haushaltsstellen, die angesichts der Stellenschere schon immer tendenziell knapp waren und
weiterhin bleiben werden.
Letzteres ist in Zeiten angespannter Haushaltslagen natürlich immer ein Problem, so dass die Konzepte und Maßnahmen des New Public Managements ihre
Saat (um im Bild zu bleiben) in diesen geeigneten Nährboden einsetzen konnte,
worin das Wirtschaftlichkeitsprinzip im Personalwesen wachsen und gedeihen
konnte.
Die erste Voraussetzung für die Modernisierung des Personalwesens für den Übergang des klassisch-bürokratischen Regulierungsmodells hin zu dem des New
Public Managements war also gegeben. Insbesondere ist durch die Notwendigkeit, den Produktionsfaktor Arbeit zu bewirtschaften, auch die Abkehr von reinem regelorientiertem Verwaltungshandeln in Richtung eines ergebnisorientiertem Managements angezeigt, denn ohne eine Betrachtung des Outputs im Verhältnis zu dem hierbei zu betreibenden Aufwand lässt sich auch im Personalwesen schwerlich eine Aussagen über wirtschaftliches Handeln treffen.
238
Zweiter Teil
5.4.2 Konsequenzen der veränderten Rahmenbedingungen
Weitere Voraussetzungen, die ein wirtschaftliches Handeln im Personalwesen
ermöglichen oder fördern, sind die entsprechenden Änderungen der Rahmenbedingungen, welche bisher eher restriktiv wirkten und der Anwendung des ökonomischen Prinzips zum Teil deutlich im Wege standen. In wieweit die bisher
durchgeführten Modifikationen insbesondere der rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen geeignet sind, diese Voraussetzungen zu schaffen,
wird nun im Einzelnen dargestellt.
5.4.2.1 Konsequenzen der Dienstrechtsreform
Wie gezeigt, bietet die bisherige Dienstrechtsreform einige Anpassungen der
rechtlichen Regelungen, die einem ergebnisorientierten Personalwesen entgegen
kommen und für die Bewirtschaftung des Produktionsfaktors Arbeit förderlich
sind. Namentlich sind hierzu die wesentlichen Regelungen zusammengefasst:
· mehr Gestaltungsspielräume für die Personalbearbeitung
· Optimierung von Führungsfunktionen insbesondere durch Vergabe auf
Zeit und Probe
· Einrichtung variabler Besoldungskorridore
· Modernisierung des Bezahlungssystems nach Leistungsprinzipien
· Stärkung des Leistungsprinzips im Laufbahnrecht,
insbesondere über durchlässigere Laufbahnen
· flexiblere Personaleinsatzmöglichkeiten durch neue Formen der Arbeit
(z.B. Ausbau der Teilzeitbeschäftigung oder Telearbeiten)
Sicherlich dürfte den Vertretern des radikalen Ansatzes im New Public Management, die vornehmlich die gänzliche Abschaffung des Berufsbeamtentums
fordern, die Dienstrechtsreform nicht weit genug gehen (vgl. REICHARD 2001,
S. 185). Gleichwohl bescheinigen die Kritiker dem bisherigen Personalrecht,
explizit dem Beamtenrecht, das Vorhandensein erheblicher „Spielräume, die in
der Vergangenheit lediglich nicht hinreichend genutzt worden sind“ (REICHARD 2001, S. 184).
Aus der personalwirtschaftlichen Perspektive darf deshalb in diesem Zusammenhang nicht verkannt werden, dass die Strukturprinzipien des Berufbeamtentums, die entsprechend auch in den Tarifverträgen verankert sind, gewisse
Vorteile bereit halten. Diese Vorteile sind insbesondere zu sehen in
· einer hohen Attraktivität der Berufe im öffentlichen Dienst,
insbesondere durch den relativen Kündigungsschutz bzw. des Lebenszeitprinzips, durch eine gewisse Planungssicherheit für den Beschäftigten, die
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
·
·
·
·
·
·
239
Möglichkeit einer Verwendungsvielfalt (fachlich und oft auch örtlich) und
nicht zuletzt durch eine relativ hohe Vergütung, bezogen auf die effektiv
zu leistenden Stunden;
klaren Karrierewegen,
die für den Mitarbeiter transparent und für die Personalbearbeitung planbar sind;
geringe Fluktuationsraten,
eben durch die auf Lebensdauer angelegten Beschäftigungsverhältnisse,
die verschiedenen Beförderungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie
durch die Gehaltsstrukturen, welche die Beschäftigungsdauer honorieren;
einer relativ hohen Flexibilität
bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitseinsatzes, die bereits vor der
Dienstrechtsreform im Beamtenrecht sowie in den Tarifverträgen vorhanden war (vgl. BATTIS 2001, S. 316) und durch diese noch verbessert
wurden;
der Möglichkeit der Dienstherren Gehälter einseitig festzulegen,
ohne langwierige Verhandlungen führen zu müssen, was zumindest für
Beamte gilt (in diesem Zusammenhang ist auch auf den Vorteil des
Streikverbotes hinzuweisen);
einer relativ hohe Ausgangsqualifikation,
durch die jeweiligen Vorbereitungsdienste (vgl. NASCHOLD/BOGUMIL
2000, S. 98);
dem „Amtsethos“,
der als ein Qualitätsmerkmal für die Erbringung öffentlicher Dienstleitungen, gerade im Hinblick auf die rechtsstaatlichen und demokratischen
Ziele der Verwaltung, zu sehen ist und in welchem sich ökonomische
Werte wie „höhere Produktivität, Kostenbewusstsein und Bürgerorientierung“ durchaus mit „den überkommenen Grundsätzen“ (BATTIS 2001, S.
313) vereinbaren lassen.
Mit der Aufgabe des Berufsbeamtentums würden also eine Reihe von Faktoren
eliminiert, die sich grundsätzlich Transaktionskosten senkend auswirken. Diese
Faktoren sind die grundsätzlich gute Planbarkeit der Personalarbeit in allen Phasen des Wertschöpfungsprozesses. Im Bereich der Personalbeschaffung ist es
das Argument der Attraktivität der Berufe zusammen mit der Möglichkeit durch
Laufbahnausbildung erstmalig ein Berufausbildung zu erhalten. Für die Personalentwicklung sind es die vorstrukturierten Karrierewege und bezüglich der
Personalausstattung die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitseinsätze in räumlicher (Versetzung, Umsetzung), zeitlicher (Teilzeit) und fachlicher (Verwendungsbreite) Hinsicht. Nicht zuletzt darf die geringe Fluktuationsrate, hauptsächlich resultierend aus der Attraktivität und aus dem Lebenszeitprinzip, unterschätzt werden, die eine relativ planungssichere Personalbeschaffung ermöglicht
und zu geringen Transaktionskosten führt.
240
Zweiter Teil
5.4.2.2 Konsequenzen des modernen Haushaltsrechts
Die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechung macht alle mit dem Einsatz
von Personalvermögen verbundenen Kosten deutlich transparenter. Dies war
durch die reine auf Ausgaben beschränkte Haushaltsrechnung nur begrenzt
möglich, da die Dienstbezüge sowie die Löhne und Gehälter und andere Personalausgaben wie z.B. für die Fortbildung nur kumuliert und unabhängig von
konkreten betrieblichen Leistungen ausgewiesen wurden. Durch die Kosten- und
Leistungsrechnung ist diese Möglichkeit z.B. im Wege der Kostenträgerrechnung ohne weiteres gegeben. Auch sind bestimmte Abgrenzungen, wie z.B. eine
periodische über Rückstellungen, möglich. Die Kosten- und Leistungsrechnung
stellt somit erheblich mehr Informationen bereit, welche detaillierte Aussagen
über Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung, der Entwicklung und dem Einsatz
von Personal ermöglichen. Gleiches gilt auch für den Personalservice, da mit
dem Instrument der Prozesskostenrechung auch Leistungen im Personalwesen,
die nicht unmittelbar einem Kostenträger zugeordnet werden können, entsprechend transparenter und monetär bewertbar werden. Durch die innerbetriebliche
Leistungsverrechnung entsteht ein latenter Druck zu wirtschaftlichem Handeln,
da die operativen Bereiche interne Personaldienstleistungen „bezahlen“ müssen.
Durch die Einleitung von Interessenbekundungsverfahren können potenziell
wirtschaftlichere Anbieter von Personaldienstleistungen als die jeweiligen Verwaltungseinheiten ermittelt werden und nach den entsprechenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (z.B. Market-Testing-Verfahren) auch entsprechend
beauftragt werden. Das bedeutet für die jeweiligen Organisationseinheiten im
Personalwesen eine latente Konkurrenz, die tendenziell, spätestens durch den
Druck der tatsächlichen Konkurrenz im Ausschreibungsverfahren auch tatsächlich zu wirtschaftlicherem Handeln führt.
Die neuen Instrumente der Haushaltsreform, die Budgetierung und Flexibilisierung und Globalisierung, sind ebenfalls geeignet, die Effizienz im Personalwesen zu erhöhen. Dies besonders, weil diese Instrumente bei Personaltiteln, wie
oben gezeigt, am häufigsten angewendet werden können.
Schließlich muss aber festgehalten werden, dass alle Elemente der Haushaltsreform dort auf Grenzen stoßen, wo es um die Einstellung von neuem Personal
oder um Beförderungen geht, weil die bisherige Haushaltsstellensystematik für
Beamte und Arbeitnehmer erhalten bleibt. Bei allen Freiräumen und Gestaltungsmöglichkeiten, die administrative Betriebe auch im Personalwesen nun zusätzlich an die Hand bekommen, bleibt es bei Maßnahmen dieser Art weiterhin
bei der Fremdsteuerung durch die Parlamente, die damit ihr Bewilligungsrecht
für den quantitativen und qualitativen Personalumfang ausüben.
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
241
5.4.2.3 Konsequenzen der organisatorischen Veränderungen
Der oben zuletzt genannte Aspekt gilt auch bei Änderung der Organisationsform, wenn also aus Behörden Eigenbetriebe werden. Allerdings werden hier
durch die Herauslösung aus der Haushaltsystematik deutlich mehr Freiräume
und Gestaltungsmöglichkeiten in anderen Bereichen des Personalwesens geschaffen, welche administrative Betriebe dieser Art durch die hohe Ergebnisverantwortung, die sich u.a. durch die Notwendigkeit der Erstellung einer Gewinnund Verlustrechung ergibt, auch zu nutzen geneigt sind. Diese Ergebnisverantwortung führt u.a. auch dazu, für die öffentliche Verwaltung eher neue Wege zu
beschreiten, wie beispielsweise den Einsatz fremden Personals über entsprechende Mitarbeiterüberlassungsverträge.
Durch die Änderung der Organisationsstrukturen im Rahmen des New Public
Managements sind auch bei den Behörden Veränderungen im Personalwesen zu
beobachten. Diese liegen insbesondere in der Zusammenführung von zersplitterten Zuständigkeiten hin zu homogeneren Servicebereichen. Auch wenn die
Personalarbeit nicht zentral von einer einzigen Abteilung wahrgenommen und
teilweise an die operativen Bereiche abgeschichtet wird, wird das Personalwesen
tendenziell effizienter. Mögliche Synergieverluste werden dabei durch die Kosten- und Leistungsrechnung transparent. Andererseits haben die operativen Bereiche hierdurch und auf Grund ihrer Ergebnisverantwortung grundsätzlich keine Veranlassung, sich beispielweise mit zuviel Personal „vollzusaugen“. Auch
bestehen genügend Anreize, die für das Personal zur Verfügung gestellten Mittel, etwa für Personalentwicklungsmaßnahmen, entsprechend wirtschaftlich zu
verwenden.
Verfahrensänderungen, welche hauptsächlich in der Einführung von übergreifenden IT-Systemen bestehen, führen besonders im Personalwesen dazu, die
teilweise komplexen Planungs- und Steuerungsaufgaben besser zu bewältigen.
Gerade in großen administrativen Betrieben helfen Systeme wie z.B. SAP R/3
HR, die Personalbedarfs, -beschaffungs, -entwicklungs, -einsatz und –freisetzungsplanung im Ganzen anzugehen und damit in dieser Form überhaupt zu
bewerkstelligen, was mit den einfacheren Systemen in der Vergangenheit (z.B.
PERFIS bei der Bundeswehrverwaltung) schwer möglich war.
Im Zuge der Änderung der Verfahren ist auch häufig zu beobachten, dass administrative Betriebe die vielen verwaltungseigenen Vorschriften überprüfen und
anschließend reduzieren. Letzteres war gerade im klassischen Personalwesen ein
selbst geschaffenes Hindernis für eine Personalwirtschaft.
5.4.3 Definition Personalwirtschaft
Die vorliegenden Projekte und Konzepte der einzelnen Staaten und Verwaltungen zeigen, dass der Paradigmenwechsel und die veränderten Rahmenbedingun-
242
Zweiter Teil
gen zusammen mit anderen strukturellen sowie inhaltlichen Veränderungen des
New Public Management das Personalwesen der administrativen Betriebe weiterentwickelt hat. Es scheint einen deutlichen Trend dahingehend zu geben, dass
Personalwesen im Sinne einer Personalwirtschaft auszugestalten.
Um dies nun näher zu untersuchen werden in analoger Vorgehensweise zu Abschnitt 4.3.2 die in diesem Hauptabschnitt vorgestellten und analysierten Sachverhalte wieder unter die wesentlichen Merkmale des Begriffes der Personalwirtschaft subsumiert.
5.4.3.1 Personalvermögen
Nach erfolgtem Paradigmenwechsel erkennen administrative Betriebe zunächst
an, dass menschliche Arbeitsleistung abhängig ist von dem Wissen und Können,
also den Qualifikationen, des einzelnen Beschäftigten, welches grundsätzlich
durch gezielte Entwicklung optimierbar ist, und dass daneben die Einstellungen
und das Wollen der Mitarbeiter, somit deren Motivation, positiv beeinflusst
werden können. Dies beides mit dem grundlegenden Verständnis, dass die Optimierung von Qualifikation und Motivation zu höheren individuellen Leistungen und darüber wiederum zu besseren betrieblichen Ergebnissen führt. Man
kann also festhalten, dass diese Erkenntnis durchaus mit dem Personalvermögensansatz (vgl. Abschnitt 2.3.1.2) vereinbar ist.
Wenn auch administrative Betriebe diese Vermögensposition auf Grund des
weiterhin kameralen externen Rechnungswesens schon vom Ansatz her nicht in
Bilanzen aktivieren können, so bringt doch die Einführung der Kosten- und
Leistungsrechnung die grundsätzliche Möglichkeit der Bewertung von Personalvermögen über die jeweiligen Kosten. Wie bezüglich der in Abschnitt 2.3.1.5
dargestellten Bewertungsproblematik von Personalvermögen aufgezeigt, findet
diese ohnehin nach dem derzeitigen Stand der Forschung ihre Grenzen.
5.4.3.2 Zielorientierte Bereitstellung
Durch die Einführung des Steuerungsmodells im Sinne des New Public Managements wird angestrebt, das gesamte betriebliche Handeln an Ergebnissen auszurichten. Sämtliche Ressourcen werden dazu verstärkt zielorientiert eingesetzt.
Über entsprechende Managementtechniken wird deren Effektivität dabei optimiert sowie die Effizienz an Hand der Kosten und der vorgegebenen Ziele bzw.
dem Zielerreichungsgrad gemessen.
Dies gilt grundsätzlich auch für die Bereitstellung von Personalvermögen durch
die entsprechenden Stellen des Personalwesens, die ihrerseits wiederum zu ergebnisorientierten Dienstleistungsbereichen umstrukturiert werden, wobei die
ehemals hinderlichen zersplitterten Strukturen zu homogenen Serviceeinheiten
zusammengeführt werden. Diese strukturellen Veränderungen in administrativen
5. Die personalwirtschaftlichen Elemente der Verwaltungsreformen
243
Betrieben werden ergänzt durch die dargestellten Veränderungen der rechtlichen
Rahmenbedingungen, wobei auch eine Vielzahl hinderlicher Vorschriften modifiziert bzw. abgeschafft wurde.
Das moderne Personalwesen administrativer Betriebe hat damit die zielorientierte Bereitstellung von Personalvermögen zum Gegenstand.
5.4.3.3 Anwendung des ökonomischen Prinzips
Als weitere Konsequenz des New Public Managements treten neben den bisher
dominierenden Prinzipien der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit nunmehr
auch im Personalwesen verstärkt die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung hinzu. Durch die Möglichkeit der Erfassung und Analyse der
Personalkosten können bezüglich des Wirtschaftlichkeitsprinzips erstmalig zuverlässige Aussagen über einen effizienten Personaleinsatz getroffen werden.
Gleiches gilt für die Personalbeschaffung und Personalentwicklung sowie für
den Aufwand bezüglich des Personalservices.
Weiterhin ist durch die neuen Strukturen und die Verbesserung der Personalinformationssysteme grundsätzlich ein Personalcontrolling möglich, dass eine
wirtschaftliche Steuerung und Kontrolle des Personalwesens unter Beachtung
des ökonomischen Prinzips unterstütz (vgl. Abschnitt 2.4.3 und die dort zitierte
Literatur).
5.4.3.4 Fazit
Als Ergebnis dieser Subsumtion kann insgesamt festgehalten werden, dass administrative Betriebe, die bereits weit im Prozess des New Public Managements
fortgeschritten sind, den Paradigmenwechsel vollzogen haben und die Möglichkeiten der veränderten Rahmenbedingungen nutzen, durchaus personalwirtschaftliche Aktivitäten im Sinne der Definition dieser Arbeit betreiben.
Da allerdings, wie mehrfach angesprochen, noch nicht alle diese Betriebe einen
gleichen Entwicklungsstand vorweisen bzw. das hierfür notwendige Selbstverständnis haben, ist die pauschale und vor allem allgemeingültige Aussage, administrative Betriebe betreiben Personalwirtschaft, zu diesem Zeitpunkt (noch)
nicht möglich.
Dennoch kann auf Grund des Verhaltens der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber
und der Programme nahezu aller Regierungen in Deutschland, nach Sichtung
der entsprechenden politischen Absichtserklärungen sowie der bereits vorliegenden fertigen Konzepte vor dem Hintergrund der rapiden Entwicklung des
New Public Managements in Deutschland in den letzten Jahren folgendes festgehalten werden:
244
Zweiter Teil
Das Personalwesen in den reformierten administrativen Betrieben kann als
Personalwirtschaft bezeichnet werden, während in den übrigen administrativen Betrieben ein deutlicher Trend dorthin zu beobachten ist, der fast
vollständig mit dem Fortschreiten des Modernisierungsprozesses korreliert.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
245
6. Hauptabschnitt:
Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für
administrative Betriebe
Die Untersuchung und Befunde der letzten beiden Hauptabschnitte werden in
dem nun folgenden und letzten Teil der Arbeit in Bezug gesetzt zu den Erkenntnissen des zweiten Hauptabschnittes. Dort wurde unter anderem die Personalwirtschaftslehre als Disziplin der Betriebswirtschaftslehre vorgestellt, welche
unter ökonomischen Aspekten die personale Arbeit im Betrieb optimal zu gestalten hilft. Dies erfolgt hauptsächlich im Hinblick auf die Leistung (Bedeutung
des Personalvermögens für die betriebliche Leistungserstellung) im Verhältnis
zu den hierdurch verursachten Kosten (Transaktionskosten für die Beschaffung,
Entwicklung und Erhalt des Personalvermögens) unter besonderer Berücksichtigung der Knappheit dieses Produktionsfaktors.
Grundsätzlich kann im Hinblick auf die Betriebsmerkmale im engeren Sinne
(vgl. Abschnitt 1.1.2) davon ausgegangen werden, dass betriebswirtschaftliche
Erkenntnisse, die sich auf den Einsatz von knappen Produktionsfaktoren unter
wirtschaftlichen Aspekten beziehen, auf alle Organisationen anwendbar sind,
welche wiederum diese Merkmale erfüllen. Allerdings müsste dies auf Grund
der vielen Besonderheiten administrativer Betriebe und dort gerade im Personalwesen besonders sorgfältig untersucht werden. Konkret gilt es also zu hinterfragen, ob die Personalwirtschaftslehre uneingeschränkt übertragbar ist oder ob
dieses auf Grund der besonderen Rahmenbedingungen, Strukturen und Abläufe
in administrativen Betrieben nur eingeschränkt möglich oder gar unmöglich ist.
Mit dem Ziel, über das Ergebnis dieser Untersuchung eine Theorie aufzustellen,
werden die drei möglichen Alternativen nämlich
· die uneingeschränkten Übertragbarkeit der Personalwirtschaftslehre auf
administrative Betriebe,
· die Impraktikabilität der Personalwirtschaftslehre in administrativen Betrieben oder
· die besondere Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe, die
„Administrative Personalwirtschaftslehre“ genannt werden könnte,
in einem ersten Schritt (Abschnitt 6.1) gegeneinander abgewogen. Diese Gegenüberstellung erfolgt selbstverständlich unter Berücksichtigung der Entwicklung,
die das Personalwesen in öffentlichen Verwaltungen durch das New Public Management erfahren hat.
Daran anschließend (Abschnitt 6.2) wird die so hergeleitete Theorie anhand der
sie prägenden Begriffs- und Annahmensysteme vorgestellt. Auf die inhaltlichen
Aussagen dieser Theorie wird sodann anhand einiger prägnanter Thesen eingegangen.
246
Zweiter Teil
Letztlich (Abschnitt 6.3) wird versucht, die Aussagefähigkeit dieser Theorie sowie ihr praktisches Umsetzungspotenzial an Hand eines Konzeptes der Bundeswehrverwaltung, welches auf Grundlage eben dieser Theorie entstanden ist, zu
veranschaulichen.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
247
6.1 Alternative Theorien zur Personallehre
in administrativen Betrieben
Wie eingangs ausgeführt, könnte eine Theorie über die Übertragbarkeit der Personalwirtschaftslehre auf administrative Betriebe in Zeiten des New Public Managements eine der drei dort genannten Alternativen mit entsprechend unterschiedlichen inhaltlichen Aussagen aufweisen. Bevor auf diese einzelnen Alternativen näher eingegangen wird, ist der Zweck der Theorie zu erläutern.
6.1.1 Zweck der Theorie
Die Betriebswirtschaftslehre kann sowohl als theoretische Wissenschaft als auch
als angewandte bzw. anwendungsorientierte Wissenschaft verstanden werden.
Dabei wird einerseits im Wege der Grundlagenforschung das „Dasein“ und das
„Sosein“ ihrer Erkenntnisobjekte erfasst (vgl. WÖHE 1990, S. 34) und andererseits werden hieraus wiederum „Problemlösungen (Regeln, Modelle, Verfahren)
für praktisches Handeln“ entwickelt (THOMMEN/ACHLEITNER1999 mit
Verweis auf ULRICH 1988, S. 200).
Das Erkenntnisobjekt Personalwirtschaft wurde während dieser Arbeit zunächst
allgemein beschrieben und dann bezogen auf administrative Betrieben und zu
verschiedenen Zeitpunkten, nämlich vor und während der Reformprozesse des
New Public Management, analysiert. Und zwar erfolgte das mit der Zielsetzung,
die in den jeweiligen Hauptabschnitten aufgezeigten Befunde herleiten zu können. Dies wiederum geschah vor allem mit der Intention, Rückschlüsse darauf
herzuleiten, ob der anwendungsorientierte Teil der Personalwirtschaftslehre als
Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre in der Tat auch Problemlösungen für
die praktische Personalarbeit in administrativen Betrieben bereitstellen kann.
Dies ist nun genau der Zweck der aufzustellenden Theorie, verstanden als eine
Theorie, die lediglich erklären und begründen soll (vgl. EICHHORN 1979, S.
90), um der Wissenschaft Ansätze für weitere Forschungen bzw. der Praxis
Empfehlungen für die Anwendung der Personalwirtschaftslehre zu geben. Insofern befindet sich diese Theorie im Verhältnis zur Personalwirtschaftslehre quasi
auf einer Metaebene.
Je nach Ausgang der durchzuführenden Untersuchung könnte diese Theorie somit den jeweils wie folgt aufgezeigten Nutzen für Wissenschaft und Praxis liefern:
Kann die uneingeschränkten Übertragbarkeit der Personalwirtschaftslehre
bescheinigt werden, wird die betriebliche Praxis in der öffentlichen Verwaltung davon ausgehen können, dass sowohl die Grundlagenforschung
als auch die Problemlösungsvorschläge der Personalwirtschaftslehre auch
248
Zweiter Teil
für ihre administrative Betriebe gelten. Dass also, vereinfacht ausgedrückt, der Praktiker ein entsprechendes Lehrbuch zur Personalwirtschaft
(wie etwa das gleichnamige Werk von DRUMM) zur Hand nehmen kann
und seinen Verantwortungsbereich ohne Bedenken nach den darin vorgeschlagenen Aspekten gestalten kann. Ohne Bedenken könnten dann auch
die Begriffe und die Aussagen dieser Theorie in der Praxis verwendet
werden.
Für die Wissenschaft würde dies bedeuten, dass kein spezieller Forschungsbedarf mehr besteht, da auch administrative Betriebe ebenso wie
alle Anderen an der weiteren Entwicklung der allgemeinen personalwirtschaftlichen Forschung teilhaben.
Im entgegengesetzten Fall, wenn also die Impraktikabilitätstheorie greift,
dann würde diese der Praxis empfehlen, die Erkenntnisse der Personalwirtschaftslehre tunlichst nicht zu verwenden. Anderenfalls drohen suboptimale Verhältnisse oder nicht sachgerechte Entscheidungen. Es bliebe
damit lediglich der Rückgriff auf andere als ökonomische Theorien zum
Personalwesen, nämlich auf solche, die in Hauptabschnitt 2 im Zusammenhang mit der historischen Entwicklung angesprochen wurden. Diese
wären dann vornehmlich die Rechtswissenschaften sowie die Soziologie,
Psychologie und Anthropologie mit ihren arbeits-, organisations- und verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen. Wieder vereinfacht ausgedrückt,
könnte ein Praktiker personalwirtschaftliche Standardliteratur nicht oder
nur stark eingeschränkt, nämlich unter Nichtbeachtung aller ökonomischen Einflüsse, verwenden.
Für die Wissenschaft selbst, genauer für die Verwaltungswissenschaft,
wäre die Herausforderung gegeben nach eigenen Erkenntnissen bezüglich
des Objektes „Personalwesen in der öffentlichen Verwaltung“ zu forschen
und gegebenenfalls zu einer umfassenden Theorie, ähnlich der Personalwirtschaftslehre, zu verknüpfen.
Sollte aber im Ergebnis weder das eine noch das andere Extrem festgestellt werden können, dann wäre eine Theorie zu formulieren, die personalwirtschaftliche Erkenntnisse für die Anwendung in der Praxis in gewissem Maße zwar empfiehlt, dies aber mit der Maßgabe, die Besonderheiten im administrativen Personalwesen besonders zu beachten. Allerdings wäre es für die Praxis dann wichtig zu wissen, wie hoch dieses Maß
ist und wo die Besonderheiten genau liegen. Denn denkbar wäre eine
Theorie, die sehr nahe an der Personalwirtschaftslehre liegt, genauso wie
eine eigene Theorie über das Personalwesen in administrativen Betrieben
mit einigen wenigen personalwirtschaftlichen Einflüssen und natürlich
auch alle Möglichkeiten, die dazwischen liegen. Insofern müsste die aufzustellende Theorie hinreichend abgegrenzt und präzise sein, um der Praxis auch den entsprechenden Nutzen zu liefern.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
249
Für die Wissenschaft, sowohl die betriebswirtschaftliche als auch für alle
eben genannten anderen, könnte sich daraus ein Ansatzpunkt für weitere
Forschungen ergeben. Denkbar wären zum Beispiel Empirien über Wirkungen von Personalentwicklungsmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung der Strukturprinzipien des Berufbeamtentums oder mathematische Modelle, welche den Einfluss der besonderen Rahmenbedingung auf
die Transaktionskosten etwa für den Personaleinsatz beschreiben. Zu allen
möglichen Forschungsaktivitäten wäre auch ein Vergleich mit entsprechenden Befunden aus dispositiven Betrieben interessant.
Letztlich soll zum Zweck der Theorie, wie auch immer sie sich gestaltet, noch
angeführt werden, dass sie weitestgehend frei von Werturteilen sein soll, zumindest von primären, also ethischen (vgl. WÖHE 1990S. 53 f.). Bestimmte Sachverhalte und Zusammenhänge zu bewerten, sollte der Praxis vorbehalten bleiben
(vgl. THOMMEN/ACHLEITNER 19991999, S. 52). Der starke Einfluss der
Politik, gerade auf die Personalpraxis administrative Betriebe, führt ohne hin
dazu, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen darüber, wie stark die Ökonomie
das Personalwesen öffentlicher Verwaltungen beeinflussen sollte, variieren. So
kann es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, gerade in Zeiten des New Public
Managements einen radikalen Personalabbau nach einer entsprechenden Aufgabenreduzierung vorzunehmen, was in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sozialpolitisch nicht unbedingt opportun sein muss. Andererseits wäre die Bewertung,
administrative Betriebe hätten eine beschäftigungs- und bildungspolitische Vorbildfunktion, aber nicht unbedingt mit volkswirtschaftlichen Zielen vereinbar,
die eine Senkung der Staatsquote oder den Abbau der Staatsverschuldung zur
Erhaltung oder Maximierung des gesellschaftlichen Wohlstandes anstreben.
Aus diesen Gründen wird sich also eine in administrative Betrieben mehr oder
weniger anwendbare Personalwirtschaftslehre mit entsprechenden Werturteilen
bestenfalls nur am Rande beschäftigen dürfen.
6.1.2 Theorie der uneingeschränkten Übertragbarkeit
Die erste Möglichkeit wäre also, eine Theorie darüber aufzustellen, dass die Personalwirtschaftslehre in allen Einzelheiten auch uneingeschränkt für administrative Betriebe gilt. Dies wäre eine recht kurze Theorie, denn bezüglich des Systems von Annahmen, Begriffen und Aussagen, welches eine Theorie ausmacht
(vgl. EICHHORN 1979, S. 80 u. S. 84), könnte weitestgehend und entsprechend
uneingeschränkt auf die betriebswirtschaftliche Teildisziplin verwiesen werden.
Von einer wesentlichen Prämisse müsste allerdings diese Theorie ausgehen.
Nämlich dass es sich bei administrativen und dispositiven Betrieben um identische Erfahrungsobjekte sowie bei der Personalwirtschaft in diesen Betrieben um
identische Erkenntnisobjekte handelt.
250
Zweiter Teil
Bezüglich des Erkenntnisobjektes kann dieser Teil der Prämisse, zumindest nach
der Entwicklung, die das Personalwesen in administrativen Betrieben durch das
New Public Management vollzogen hat, bestätigt werden. Auch hier wird mittlerweile das Personal, genauer dessen Qualifikationen und Motivationen, also
das Personalvermögen, als kritische Ressource gesehen, die entscheidend für
den betrieblichen Erfolg ist. In Betrieben dieser Art erfolgt die entsprechende
Ressourcenallokation auch entsprechend zielorientiert, wobei das Effizienzkriterium sehr stark in den Vordergrund gerückt ist. Das impliziert wiederum in allen
Teilbereichen der betrieblichen Personalpraxis, dass z.B. Aussagen über Kosten
und Leistungen sowie über deren Verhältnis zueinander problemlos möglich
sind.
Auch sind die Begriffe und Aussagen der Neuen Institutionenökonomik (vgl.
Abschnitt 2.3.2), insbesondere der Property Rights und der Transaktionskosten,
ohne Weiteres übertragbar. Denn administrative Betriebe erwerben ebenso die
Verfügungsrechte von ihren Beschäftigten, sei es im Wege hoheitlicher Akte
oder, wie auch in dispositiven Betrieben, durch Verträge. Ihnen stehen auch alle
Varianten offen, die sich aus entsprechend alternativen Vertragstypen ergeben,
um Personalvermögen zu erwerben. Durch die grundsätzliche Einführung der
Kosten- und Leistungsrechnung besteht im Anschluss an diese Feststellungen
auch die Möglichkeiten die Kosten der jeweiligen Transaktionen zu messen und
diese Informationen grundsätzlich auch für eine effiziente Steuerung des Personalwesens, möglicherweise auch mit Hilfe eines Personalcontrollings, zu verwenden.
Jedoch ist die Möglichkeit, jede notwendige und betriebswirtschaftlich sinnvolle
Disposition über das Personalvermögen zu treffen, in wichtigen Teilbereichen
des Personalvermögens deutlich beschränkt. Auf Grund gesetzlicher Vorgaben
oder wegen der starken Kontroll- und Bewilligungsrechte der Parlamente scheidet dies auch nach den Veränderungen durch das New Public Management nach
wie vor aus, wie folgende fünf Beispiele und Szenarien zeigen:
· eine kurzfristige Nachbesetzung von vakanten Dienstposten, die höher als
die Eingangsbesoldung dotiert sind, kann wegen der zeitaufwendigen
Ausschreibungs- und Auswahlverfahren nur selten erfolgen; dies vor allem dann, wenn sogenannte „Konkurrentenklagen“ die Verfahren noch
verzögern;
· ein Organisationseinheit, welche einen Dienstposten besetzen muss, kann
eine Nachbesetzung, sei es durch Umsetzung oder Neueinstellung, im
laufenden Haushaltsjahr nicht erwarten, wenn die Behörde wegen der
Stellenschere keine Planstelle für Beamte oder Stelle für Angestellte hat;
die Personalmaßnahme kann folglich erst im nächsten Jahr erfolgen;
· in den beiden gerade genannten Szenarien wird die Arbeit bei der Organisationseinheit, bei welcher der Dienstposten vakant ist, entweder liegen
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
251
bleiben oder von Kollegen geleistet; in beiden Fällen sieht das Besoldungssystem keine höhere Vergütung für die Mitarbeiter vor, die diese
Arbeitsspitzen abzubauen haben;
· ein Beamter, der zwar genau das benötigte Personalvermögen für eine
bestimmte Aufgabe, also exakt die erforderliche Qualifikation und die
rechte Motivation zur Erfüllung dieser Aufgabe hätte, kann auf einem
freien Dienstposten, dem eine deutlich höhere Besoldungsgruppe zugeordnet ist, nicht verwendet werden; das liegt daran, dass weiterhin geltende laufbahnrechtliche Vorgaben eine sogenannte Sprungbeförderung
verbieten;
· ein vakanter Dienstposten für einen Controller, der mit BAT II a („Angestellte im höheren Dienst“) dotiert ist, kann intern nicht nachbesetzt werden, obwohl ein Kandidat zur Verfügung stünde; dieser hat jedoch als
Betriebswirt nur einen Fachhochschulabschluss und darf deshalb nur auf
Dienstposten verwendet werden, die Angestellten des vergleichbar gehobenen Dienstes vorbehalten, als nur maximal mit BAT III bewertet sind.
Diese Beispiele machen deutlich, dass auch im reformierten Personalwesen administrativer Betriebe eine Effizienz oftmals nicht hergestellt werden kann. Diese äußert sich darin, dass hohe Transaktionskosten entstehen, weil das Personalvermögen nicht immer zeit- oder bedarfsgerecht beschafft, entwickelt oder eingesetzt werden kann sowie in den suboptimalen Leistungen der Mitarbeiter wegen gesunkener Motivation. Personalwirtschaftliche Maßnahmen, die in diesen
Fällen zu höherer Effizienz führen würden können bzw. dürfen nicht ergriffen
werden. Administrative Betriebe sind also in ihren Möglichkeiten wirtschaftlich
zu handeln, häufig eingeschränkt.
Das liegt selbstverständlich in der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit zwischen
administrativen und dispositiven Betrieben, wie im 1. Hauptsabschnitt allgemein
beschrieben, und die im Personalwesen besonders ausgeprägt sind. Insofern
kann also nicht von identischen Erfahrungsobjekten ausgegangen werden obwohl das selbe Erkenntnisobjekt vorliegt.
Eine Theorie der uneingeschränkten Übertragbarkeit der Personalwirtschaftslehre scheitert also an der grundlegenden Prämisse. Würde sie dennoch aufgestellt
und würde die Praxis ihr folgen, dann hätte sie hieraus keine geeigneten Problemlösungsmuster an der Hand. Fehlentscheidungen wären oftmals die Folge
des rein personalwirtschaftlichen Handelns. Auch für die Wissenschaft wäre das
Erkenntnisinteresse gering, nach den geeigneten Problemlösungen zu forschen,
die administrativen Betrieben über eine gesonderte Personallehre hilfreich wäre.
252
Zweiter Teil
6.1.3 Theorie der Impraktikabilität
Eine Theorie, welche in ihrer Kernaussage die Erkenntnisse und Empfehlungen
der Personalwirtschaftlehre als impraktikabel somit als unzweckmäßig bzw. unanwendbar beschreibt, würde der Theorie der uneingeschränkten Übertragbarkeit diametral gegenüberstehen. Als grundlegend für die Impraktikabilitätstheorie müsste deshalb die Prämisse erfüllt sein, dass sowohl die Erfahrungsobjekte
als auch die Erkenntnisobjekte grundverschieden sind. Bezüglich der Erfahrungsobjekte wurde diese Unterschiedlichkeit im vorherigen Abschnitt unter
anderem an Hand der Beispiele und mit Verweis auf Hauptabschnitt 1 bereits
aufgezeigt.
Dort wurde aber bezogen auf das moderne Personalwesen auch dargestellt, dass
von einem identischen Erkenntnisobjekt bei administrativen und dispositiven
Betrieben, nämlich der Personalwirtschaft, ausgegangen werden kann. Damit ist
die Impraktikabilitätstheorie relativ schnell zu widerlegen, weil auch hier die
zentrale Bedingung nicht erfüllt ist.
Dies bestätigen auch die Programme und Konzepte, die in vielen administrativen Betrieben unter dem Einfluss des New Public Management zum Thema Personalwirtschaft vorliegen. Sie dokumentieren den vollzogenen Paradigmenwechsel und zeigen, dass die menschliche Arbeitsleistung als ein entscheidender
Faktor im Wertschöpfungsprozess und für die Zielerreichung der administrativen Betriebe anerkannt wird. Eben ein Produktionsfaktor, den es mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu optimieren gilt. Also genau
das, was auch dispositive Betriebe in ihrer Praxis bezüglich des Personalvermögens anstreben.
Insofern finden sich in allen diesen Konzepten, auch wenn sie in ihrem Umfang
teilweise erheblich differieren, betriebswirtschaftliche Ansätze wieder, die von
der Beschaffung über die Entwicklung hin zum optimalen Personaleinsatz von
der Personalwirtschaftslehre empfohlen werden. Gleiches gilt auch für den Einsatz entsprechender personalwirtschaftlicher Instrumente, wie Personalplanung,
Personalcontrolling oder Personalmarketing, die in den Konzepten gefordert
werden.
Was auffällt, ist allerdings die unterschiedliche Verwendung der für das Personalwesen einschlägigen Begriffe, die teils aus der Tradition der klassischen Personalverwaltungspraxis und teils aus der Anlehnung an unterschiedliche Quellen
herrühren. Begriffe wie „Personalmanagement“, „Personalentwicklung“, „Personalwirtschaft“ und „Personalführung“ beschreiben dabei in verschiedenen
Konzepten im Grunde die gleichen Sachverhalte. Gelegentlich wird auch sehr
deutlich auf die Besonderheiten hinsichtlich der Rahmenbedingungen gegenüber
dispositiven Betrieben Bezug genommen. Dadurch alleine kann von einer Impraktikabilität bei keinem dieser administrativen Betriebe ausgegangen werden.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
253
Die Intention der Verfasser der Konzepte geht eher in die Richtung, dass sie die
Vorschläge der Personalwirtschaftslehre für grundsätzlich geeignet und anwendbar halten, dass sie aber die besonderen Restriktionen, die administrative
gegenüber dispositiven Betrieb haben, angemessen berücksichtigen wollen.
Damit gibt die Praxis wie so oft (vgl. Abschnitt 2.1.1 und die dort zitierte Feststellung WUNDERERS) der Wissenschaft Anlass, sich mit dem Personalwesen
der Betriebe, hier der administrativen, auseinander zusetzen und dabei die in der
Praxis vorliegenden Trends aufzugreifen. Für die Betriebswirtschaftslehre bedeutet dies konkret, nach einer Theorie zu suchen, die weder die Impraktikabilität noch die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Personalwirtschaftslehre zu
Gegenstand hat. Diese dritte Alternative wird im nachfolgenden Abschnitt entsprechend näher beleuchtet.
Zuvor soll allerdings noch der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass das Ergebnis dieses Abschnitts, also die Ablehnung der Impraktikabilitätstheorie, auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abstellt, also im deutlich fortgeschrittenen Stadium des New Public Managements. Die Impraktikabilitätstheorie könnte aber auch auf die Zeiten vor New Public Management bezogen werden, also auf das klassische Personalwesen administrativer Betriebe. Ob dabei
dann von unterschiedlichen Erkenntnisobjekten ausgegangen werden müsste, ist
allerdings auch zu jenen Zeiten fraglich. Dies müsste auf Grund der Feststellungen, dass auch im klassischen Personalwesen schon einige personalwirtschaftliche Elemente vorhanden und entsprechende Vorgänge zu beobachten waren,
sehr genau untersucht werden. Das dürfte sich aber erübrigen, weil die Relevanz
einer Theorie der Impraktikabilität durch den Zeitablauf nicht mehr gegeben wäre. Insofern ist insgesamt betrachtet die Theorie der Impraktikabilität abzuweisen.
6.1.4 Theorie einer besonderen Personalwirtschaftslehre
Was also übrig bleibt, ist die dritte Alternative, nämlich eine Theorie, welche die
Anwendbarkeit der Personalwirtschaftslehre grundsätzlich für gegeben hält, die
Besonderheiten des Erfahrungsobjektes „administrativer Betrieb“ aber deutlich
herausstellt und verarbeitet. Eine besondere Theorie zur Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe also, die deshalb „Administrative Personalwirtschaftslehre“ genannt wird. Demgegenüber könnte dann eine Theorie, welche
auf die Besonderheiten dispositiver Betriebe abstellt, dem entsprechend als
„Dispositive Personalwirtschaftslehre“ bezeichnet werden. Beide Theorien reflektieren sodann die Besonderheiten ihrer jeweiligen Erfahrungsobjekte auf das
gemeinsame Erkenntnisobjekt und bestehen im Kern aus der „Allgemeinen Personalwirtschaftslehre“, wie folgendes Schema zeigt (Anmerkung: Zur besseren
Lesbarkeit werden gegenüber den Begriffen „administrative/dispositiven Betrieben“ die „Allgemeine, Administrative bzw. Dispositive Personalwirtschaftsleh-
254
Zweiter Teil
re“ etc. als Eigennamen verwendet und entsprechend in Großbuchstaben geschrieben):
Teilbereiche der Personalwirtschaftslehre
Dispositive
Personalwirtschaftslehre
Dispositive Betriebe
Allgemeine
Administrative
Personal-
Personalwirtschaftslehre
wirtschaftslehre
Betriebsindifferenter Bereich
Administrative Betriebe
Abb. 29: Teilbereiche der Personalwirtschaftslehre
Damit und nach den Feststellungen der beiden vorherigen Abschnitte dürfte
auch klar sein, dass die Grundbedingung für das Vorliegen einer Theorie der
administrativen Personalwirtschaftslehre als erfüllt angesehen werden muss. Das
Erkenntnisobjekt entspricht demnach grundsätzlich dem der Allgemeinen und
der Dispositiven Personalwirtschaftslehre während die Erfahrungsobjekte verschieden sind. Zum Vorliegen dieser Prämisse sind allerdings noch einige weitere Annahmen zu treffen, zu welchen in Abschnitt 6.2.1 noch weiter ausgeführt
wird.
Was allerdings bisher nicht klar ist, ist die Frage des Überschneidungsbereiches
zur allgemeinen Personalwirtschaftslehre und die genaue Abgrenzung zur
Dispositiven Personalwirtschaftslehre, welche in Abbildung 29 nur schematisch
angedeutet wurde.
Unterstellt, dass es sowohl in dispositiven als auch in administrativen Betrieben
einen Teilbereich des Personalwesens gibt, der von den Besonderheiten des jeweiligen Betriebstyps unabhängig ist, dann könnte hierbei von einem Betriebs
indifferenten Bereich der Personalwirtschaft gesprochen werden. Hier fallen
Steuerungs- und Gestaltungsaufgaben bezüglich des Personalvermögens an, die
in allen Betriebsarten gleichermaßen vorkommen und nach den selben Problemlösungsmustern erledigt werden können. Zu denken wäre hier beispielsweise
an die Lohn- und Gehaltsabrechnung (vgl. „Bruttoentgeltsabrechnung“ Abschnitt 2.4.2.5) im Bereich des Personalservices. Unabhängig davon, ob die Entgeltansprüche der Mitarbeiter für ihre Dienst- und Arbeitsleistung auf vertraglicher oder gesetzlicher Regelung beruhen und ob es sich dabei um Dienstbezüge,
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
255
Lohn oder Aufwandsentschädigungen handelt, die Verwirklichung dieser Ansprüche verursachen einen Aufwand, dessen Verhältnis zur Leistung unter wirtschaftlichen Aspekten in jedem Falle optimiert werden kann. Analoges gilt, um
weitere Beispiele zu nennen, für den Aufwand, der in Betrieben im Rahmen der
Personalbeschaffung (z.B. Anzeigen aufgeben), der Personalentwicklung (z.B.
Weiterbildungsmaßnahmen durchführen) oder im Bereich der Personalausstattung (z.B. Nachfolger einarbeiten) entsteht. Hierbei kann die Praxis dann auf die
Erkenntnisse und Empfehlungen der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre zurückgreifen.
Besonderheiten dagegen, die nur in dispositiven Betrieben gelten und damit der
Dispositiven Personalwirtschaftslehre zuzuordnen wären, sind alle die Sachverhalte, welche für administrative Betriebe nicht (bzw. noch nicht) denkbar sind.
Dies sind Fragestellungen und Problemfelder, die unter anderem durch die besonderen Rahmenbedingungen (vgl. Abschnitt 1.2.7) verursacht sind, wie z.B.
das Bestandsrisiko. Hierdurch besteht für einen dispositiven Betrieb latent die
Gefahr, in die Lage zu kommen, Personalvermögen abbauen zu müssen, weil
sonst der Konkurrenzdruck die gesamte Organisation gefährden würde. Dann
wären personalwirtschaftliche Maßnahmen erforderlich, wie Sozialpläne, Abfindungszahlungen oder das sog. Outplacement (vgl. Abschnitt 2.4.2.3).
Sicherlich wäre eine ähnliche Konstellation auch für administrative Betriebe
denkbar, dies gerade in Zeiten massiven Verwaltungsabbaus im Rahmen der
Staatsmodernisierung. Allerdings zeigt sich dabei, dass administrative Betriebe
eben nicht alle auf Grund der Personalwirtschaftslehre denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten haben. Einerseits sind ihr durch rechtliche Regelungen bestimmte
Maßnahmen verwährt (z.B. Entlassung von Beamten oder Kündigung von über
40-jährigen Angestellten) andererseits sind derartige Maßnahmen ab einer bestimmten Größenordung gesellschafts- und beschäftigungspolitisch nicht opportun.
Genau an diesen besonderen Restriktionen für ein freies wirtschaftliches Handeln im Personalwesen der administrativen Betriebe setzt die Administrative
Personalwirtschaftslehre an. Die einzelnen Restriktionen zu beschreiben, um
Ansätze für eine dennoch ökonomische Lösung der dadurch entsehenden Probleme zu finden, ist damit auch das zentrale Anliegen dieser Theorie. Dazu ist es
für die Praxis auch wichtig zu wissen, wie sich die Administrative von der Allgemeinen und Dispositiven Personalwirtschaftslehre abgrenzt. Dieses Wissen ist
vor allem zur Vermeidung möglicher Fehlentscheidungen im Personalwesen
hilfreich, gerade wenn es darum geht, ökonomische Ziele erreichen zu wollen.
Fehlentscheidungen dieser Art kämen dann zu Stande, wenn Personalmaßnahmen ausschließlich nach traditionell juristischen Methoden vorbereitet und umgesetzt würden und ökonomische Aspekte dabei unbeachtet blieben. Deshalb
muss eine Abgrenzung der Inhalte der einzelnen Personallehren nicht nur auf die
256
Zweiter Teil
Aufgaben und möglichen Instrumente sondern gerade auch auf die rechtliche
Dimension abstellen.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
257
6.2 Grundzüge einer Administrativen Personalwirtschaftlehre
In diesem Abschnitt wird die Theorie über eine Administrative Personalwirtschaftlehre in ihren wesentlichen Grundzügen vorgestellt. Dabei ist auf die inhaltlichen Kernaussagen dieser Theorie einzugehen. Außerdem werden die zu
Grunde liegenden Annahmen sowie das Begriffssystem vorgestellt und die
Möglichkeiten der Abgrenzung zur Allgemeinen und Dispositiven Personalwirtschaftlehre aufgezeigt.
6.2.1 Abgrenzung zur Allgemeinen und Dispositiven
Personalwirtschaftslehre
Die Theorie der Administrativen Personalwirtschaftslehre grenzt sich sicherlich
nicht hinsichtlich der Zielsetzung von der Allgemeinen und Dispositiven Personalwirtschaftslehre ab. In allen drei Fällen geht es um die wirtschaftliche Bereitstellung des Personalvermögens als knappen aber für den betrieblichen Erfolg
maßgeblichen Produktionsfaktors. Hierfür bezweckt die jeweilige Personalwirtschaftslehre, Erkenntnisse über Zusammenhänge und Wirkungsweisen bezüglich dieses Produktionsfaktors zu analysieren und zu formulieren sowie der Praxis geeignete Problemlösungsmuster und Instrumente bereit zu stellen.
Die wesentlichen Unterschiede resultieren somit aus den Rahmenbedingungen
der verschiedenen Betriebsarten und bestehen in der inhaltlichen Beschreibung
personalwirtschaftlicher Aufgaben und der jeweils geeigneten Instrument.
Hieran setzt sodann der folgende Abgrenzungsversuch an, dem in erster Annäherung verschiedene Portfolio-Analysen zu Grunde liegen bezüglich der
· Rahmenbedingungen,
hier insbesondere der für das Personalwesen relevanten Rechtsgebiete,
· Aufgabenfelder der Personalwirtschaft und
· jeweils anwendbaren personalwirtschaftlichen Instrumente.
Diese Analysen könnten noch dahingehend verfeinert werden, dass einzelne Gesetze, bestimmte Teilaufgaben und modifizierte Instrumente in die einzelnen
Portfolios einbezogen bzw. weitere Portfolios aufgestellt werden. Hierauf wird
allerdings verzichtet, da es lediglich darauf ankommt, die Administrative Personalwirtschaftslehre in groben Zügen zu skizzieren, wofür erste ungefähre Abgrenzung ausreicht. Insofern erhebt die nun folgend dargestellte Analyse nicht
den Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Zuordnung der Rechtsgebiete zu den jeweiligen Teilen der Personalwirtschaftslehre erfolgt mit der Intention, die Rechtsquellen zu identifizieren, welche für administrative und dispositive Betriebe jeweils spezifische Regelungen
vorsehen und damit die Personalwirtschaft individuell beeinflussen. Der Allge-
258
Zweiter Teil
meinen Personalwirtschaftslehre werden dabei die Rechtsgebiete zugeordnet,
deren Regelungen in allen Betrieben gleichermaßen gelten und als Rahmenbedingungen beachtet werden müssen.
Die zuletzt genannten Rechtsgebiete sind demnach:
· Zivilrecht (ZR); insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch
· Arbeits- und Sozialrecht (ASR), z.B. Sozialgesetzbuch, Kündigungsschutzgesetz oder Jugendarbeitsschutzgesetz
· Berufsbildungsrecht (BBR); z.B. Berufsbildungsgesetz oder
Ausbildereignungsverordnung
· Allgemeines Tarifrecht (ATR); z.B. Tarifvertragsgesetz
Die besonderen Rechtsquellen, welche die Personalwirtschaft administrativer
Betriebe wesentlich beeinflussen sind:
· Verfassungsrecht (VR); z.B. Art. 33 Grundgesetz
· Beamtenrecht (BR); z.B. Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundesbeamtengesetz, -laufbahnverordnung oder –besoldungsgesetz
· Haushaltrecht (HHR); z.B. § 17 Bundeshaushaltsordnung
· Öffentliches Tarifrecht (ÖTR); z.B. Bundesangestelltentarifvertrag
· Verwaltungsrecht (VWR); z.B. Verwaltungsverfahrensgesetz
· Personalvertretungsrecht (PVR); z.B. Bundespersonalvertretungsgesetz
Rechtsquellen, die ausschließlich für dispositive Betriebe Regelungen enthalten,
entstammen folgenden Rechtsgebieten:
· Privates Tarifvertragsrecht (PTR); insbesondere die Flächen- oder Branchentarifverträge der Privatwirtschaft
· Handels- und Gewerberecht (HGR); z.B. Handelsgesetzbuch, Aktiengesetz oder Gewerbeordnung
· Betriebsverfassungsrecht (BVR); insbesondere das Betriebsverfassungsgesetz
In der Übersicht stellt sich das Ergebnis der Analyse der Rechtsgebiete wie folgt
(Abbildung 30 a) dar:
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
259
Zuordnung der Rechtsgebiete
ÖTR
PTR
ZR
VR
ASR
VWR
HGR
ATR
BIR
BBR
BVR
Dispositive Betriebe
BR
HHR
PVR
Betriebsindifferenter Bereich
Administrative Betriebe
Abb. 30 a: Zuordnung der Rechtsgebiete
Die Analyse der Aufgaben zur Erreichung personalwirtschaftlicher Ziele erfolgte auf Grundlage der vorliegenden Konzepte administrativer Betriebe (vgl.
Abschnitt 5.3) und vor dem Hintergrund der besonderen rechtlichen Restriktionen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Aufgabenfelder, welche im Hauptabschnitt 2 als Wertkette näher beschrieben sind, nämlich die Personalbeschaffung
(PB); -entwicklung (PE), -ausstattung und –freisetzung (PA/PF), -marketing
(PM), sowie –service (PS), dort ebenso wie in dispositiven Betrieben vorhanden
sind und rechtlich keiner grundsätzlichen Beschränkung unterliegen. Gleiches
gilt übrigens auch für die Berufsausbildung im Rahmen des sog. „Dualen Systems“ (BA), auch wenn diese Aufgabe von administrativen Betrieben gelegentlich ausschließlich aus bildungspolitischen Gründen und weniger aus Gründen
der Personalbeschaffung wahrgenommen wird.
Besondere Aufgaben, die in dispositiven Betrieben nicht in dieser Form auftreten, sind die akademische Ausbildung (AA) des Beamtennachwuchses, wie z.B.
die Referentenausbildung, welche mit einem Staatsexamen abschließt oder das
Universitätsstudium der Offiziere sowie bestimmte Sonderaufgaben (SO), die
sich aus den oben genannten Rechtsquellen ergeben. Beispiele für letztgenannte
Aufgaben sind die Beihilfefestsetzung der Beamten oder die Versorgungsansprüche der Pensionäre.
Ausschließlich den dispositiven Betrieben zuzuordnende Aufgaben, konnten
nichtidentifiziert werden. Der Grund hierfür mag in der historischen Entwicklung der (Allgemeinen) Personalwirtschaftslehre liegen, welche sich vornehmlich an privatwirtschaftlich organisierten Betrieben orientierte (vgl. Abschnitt
2.1).
260
Zweiter Teil
Die Zuordnung aller genannten personalwirtschaftlichen Aufgabenfelder zeigt
die folgende Abbildung 30 b:
Zuordnung der Aufgabenfelder
AA
B
PB
PE
PAF
PM
BA
Dispositive Betriebe
Betriebsindifferenter Bereich
PS
SO
Administrative Betriebe
Abb. 30 b: Zuordnung der Aufgabenfelder
Die Zuordnung personalwirtschaftlicher Instrumente erfolgte ebenso wie bezüglich der Aufgabenfelder vor dem rechtlichen Hintergrund und nach Sichtung der
vorliegenden Konzepte der administrativen Betriebe. Auch hierbei ergab die Analyse, dass die meisten dieser Instrumente sowohl in dispositiven als auch in
administrativen Betrieben zur Erfüllung personalwirtschaftlicher Aufgaben eingesetzt werden können. Im Einzelnen sind dies:
· Alternative Möglichkeiten der Personalbeschaffung (AB); z.B. Personalleasing
· Personalplanung (PP)
· Flexible Arbeitsmodelle (FA); z.B. Telearbeit oder Teilzeitbeschäftigung
· Personalbewertung (PB); z.B. Assessment-Center, Potenzialanalysen
· Personalcontrolling (PC)
· Personalinformationssysteme (PIS)
· Betriebliche Bildung (BB)
· Interner Arbeitsmarkt (IA)
· Einführungsprogramme (EP), z.B. Trainee-Programme, Laufbahnausbildung
Einige Instrumente können nicht oder nur bedingt in administrativen Betrieben
eingesetzt werden und sind daher der Dispositiven Personalwirtschaftslehre zuzuordnen. Dies sind bestimmte Instrumente zur Personalfreisetzung (IPF), wie
z.B. die Abfindungen, sowie flexible Entgeltsysteme (FES), wie z.B. Ergebnisbeteiligungen oder Cafeteria-Modelle. Hierbei bestehen für administrative Be-
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
261
triebe meist strukturelle oder gesetzliche Restriktionen. Dies gilt zwar nicht für
die Personalvermögensrechnung (PVR), doch setzt diese grundsätzlich bei administrativen Betrieben eine Finanzbuchhaltung voraus, wenn etwa Personaloder Sozialbilanzen erstellt werden sollen. Ein Instrumentarium, welches ausschließlich administrativen Betrieben vorbehalten bleibt, ist hingegen das Disziplinarwesen (DW), da es ausschließlich für Beamte gilt.
Alle die soeben genannten Instrumente werden in nachfolgender Abbildung 30 c
zugeordnet:
Zuordnung der Instrumente
FES
PVR
IPF
Dispositive Betriebe
AB
PP
FA
PB
PC
PIS
FA
BB
IA
EP
Betriebsindifferenter Bereich
DM
DW
Administrative Betriebe
Abb. 30 c: Zuordnung der Instrumente
Das Gesamtergebnis dieser dreistufigen Analyse bezüglich der Abgrenzung zwischen Administrativer, Dispositiver und Allgemeiner Personalwirtschaftslehre
deutet darauf hin, dass letztere für die Praxis der Personalwirtschaft aller Betriebsarten die allermeisten Erkenntnisse und Empfehlungen bereit hält. Insofern
sind die speziellen Personalwirtschaftslehren ergänzend dazu geeignet, die
verbleibenden betriebsartspezifischen Rahmenbedingungen und Zusammenhänge herauszuarbeiten, worauf die Personalpraxis in administrativen Betrieben einerseits und dispositiven Betrieben andererseits dann jeweils zurückgreifen
kann.
Der Überscheidungsbereich der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre und der
speziellen Personalwirtschaftslehren kann auf Grund dieses Resümees damit
jeweils als sehr hoch angesehen werden. Anders ausgedrückt, beinhaltet die
Administrative Personalwirtschaftslehre zu einem deutlich hohen Anteil die Allgemeine Personalwirtschaftslehre. Dieser Anteil dürfte sich, nach einer ersten
vorläufigen Schätzung auf Grund der relativ oberflächlich durchgeführten Analyse, in einer Größenordnung von 70-80% bewegen.
262
Zweiter Teil
6.2.2 Annahmen zur Theorie der Administrativen Personalwirtschaftslehre
Entsprechend dem in Abschnitt 6.1.1 beschriebenen Zweck einer besonderen
Theorie über die Personalwirtschaft in administrativen Betrieben, muss klargestellt sein, auf welchen Prämissen diese Theorie beruht und welche Annahmen
getroffen werden müssen, damit diese Bedingungen als erfüllt angesehen werden können. Anderenfalls wäre diese Theorie sowohl für die Wissenschaft und
als auch für die betriebliche Praxis nutzlos.
Die wichtigste und für diese Theorie zwingend notwendige Prämisse wurde bereits in Abschnitt 6.1.4 angesprochen:
Das Vorliegen unterschiedlicher Erfahrungsobjekte (Betriebsarten), welche zu signifikanten Besonderheiten bei dennoch grundsätzlichen identischen Erkenntnisobjekten (Personalwirtschaft) führt.
Die Annahme, dass diese Prämisse erfüllt ist, impliziert allerdings einige weitere
Annahmen, welche im Folgenden erläutert werden.
Dies ist zunächst die in Abschnitt 1.2 dargestellte Unterschiedlichkeit zwischen
dispositiven und administrativen Betrieben, welche auch bei einer Weiterentwicklung des New Public Management gegenwärtig aber auch auf die Zukunft
bezogen noch Bestand hat. Würden im Rahmen der fortschreitenden Modernisierung des Staates breit angelegte Privatisierungsmaßnahmen greifen, welche
einhergehen mit einer entsprechend umfassenden Veränderungen der rechtlichen, insbesondere der verfassungsrechtlichen, Rahmenbedingungen innerhalb
eines gesellschaftspolitischen Konsenses, dann träten keine wesentlichen Differenzen zwischen administrativen und dispositiven Betrieben mehr auf. Hiernach
wäre die Theorie der Administrativen Personalwirtschaftslehre selbstverständlich obsolet, weil die Verschiedenartigkeit der Erfahrungsobjekte nicht mehr
gegeben wäre. Eine derartige Entwicklung des New Public Managements dürfte
aber auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse in Deutschland nicht zu erwarten
sein, so dass die Unterschiedlichkeit der Erfahrungsobjekte auch weiterhin als
gegeben angenommen wird.
Bezüglich der grundsätzlichen Identität der Erkenntnisobjekte ist die Sinnhaftigkeit einer Administrativen Personalwirtschaftslehre nur dann zu erklären, wenn
auch weiterhin von ein und dem selben Erkenntnisobjekt ausgegangen werden
kann, welches aber in administrativen Betriebene bestimmte Besonderheiten
aufweist. Zu diesen Besonderheiten müssen weitere Annahmen aufgestellt werden, damit auch die Kernaussagen dieser Theorie dauerhaft von Bedeutung sind.
Zunächst ist also die Annahme zu treffen, dass sich der Modernisierungstrend
im Personalwesen in allen administrativen Betrieben fortsetzt, beziehungsweise
konsolidiert und sich dort personalwirtschaftliches Denken und Handeln etab-
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
263
liert. Im Einzelnen ist damit der Vollzug des Paradigmenwechsels in der gesamten öffentlichen Verwaltung gemeint (vgl. Abschnitt 5.1) sowie die abgeschlossenen Modifikation der (in Abschnitt 5.2 genannten und möglicherweise
noch weiterer) Rahmenbedingungen.
Zu den signifikanten Besonderheiten gegenüber dem Personalwesen dispositiver
Betriebe sind darüber hinaus folgende Annahmen zu treffen:
· Das Berufsbeamtentum in Deutschland bleibt weiterhin bestehen. Insbesondere werden die sich daraus ergebenden Strukturprinzipien das Personalwesen auch in der Zukunft wesentlich bestimmen. Diese werden dann
auch wie bisher durch eine Vielzahl von rechtlichen Regelungen ausgestaltet sein, deren Handlungsspielräume durch die Selbstbindung der Verwaltung über interne Vorschriften tendenziell eingeengt werden (vgl. Abschnitte 4.1.2 , 4.2.1.1 und 4.2.1.3).
· Ebenso erhalten bleibt die Dualität bezüglich der Verwendung von Beamten und Angestellten. Zu letzteren wird es auch künftig ein besonderes
Tarifrecht geben, welches sich an den Strukturprinzipien des Beamtentums orientiert (vgl. Abschnitt 4.1.3.3).
· Auch die Systematik bezüglich der Planung, Bewilligung und Bewirtschaftung des Personaleinsatzes durch das Haushaltsrecht bleibt grundsätzlich unverändert. Administrative Betriebe können auch in Zukunft
Beamte und Arbeitnehmer nur unter der Voraussetzung einstellen oder
anderweitig verwenden, dass die entsprechende parlamentarische Legitimation in Form zugewiesener Planstellen und Stellen vorliegt. Hierzu
wird weiterhin angenommen, dass es im Ergebnis dieser Systematik und
vor dem Hintergrund knapper Haushaltmittel auch Phänomene auftreten,
wie kurzfristige Sperren oder quantitative bzw. qualitative Stellenscheren,
die dann in der Personalwirtschaft zu berücksichtigen sind (vgl. Abschnitte 4.1.4 und 4.2.3.2).
· Letztlich sind der relativ hohe Grad an Fremdbestimmung und die eingeschränkte Möglichkeiten dispositiven Handelns zu nennen, welche für
administrative Betriebe ohnehin typisch sind, das Personalwesen aber
weiterhin, d.h. auch nach der Modernisierung, noch prägen werden.
Unter all diesen genannten Annahmen kann also davon ausgegangen werden,
dass die zentrale Prämisse zur Administrativen Personalwirtschaftslehre erfüllt
ist. Da aber diese besondere Personalwirtschaftslehre, wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, zu einem Großteil die Allgemeine Personalwirtschaftslehre überschneidet, ist hierzu noch eine weitere wichtige Annahme zu treffen. Diese
264
Zweiter Teil
greift das in der Literatur (u.a. DRUMM 2000, S. 10 ff.) oftmals bestrittene
Vorhandensein einer eindeutigen und umfassenden Personalwirtschaftslehre auf.
Aus diesem Grund ist die Annahme zu treffen, dass es eine Allgemeine Personalwirtschaftslehre gibt, die vornehmlich eine ökonomische Betrachtung des
Erkenntnisobjektes zum Ziel hat und welche die entsprechenden Ansätze beispielsweise zum Personalvermögenskonzept und der Neuen Institutionenökonomik aufgreift. Damit liegen einer Allgemeinen Personalwirtschaftslehre exakt
die Vorstellungen zu Grunde, wie sie im Hauptabschnitt 2 aufgezeigt wurden
und welche damit auch den Kern der Administrativen Personalwirtschaftslehre
beschreiben.
6.2.3 Begriffssystem der Administrativen Personalwirtschaftslehre
Die Bedeutung eines Systems eindeutig definierter Begriffe für die Wissenschaft
und ihrer Theorien ist unbestritten (vgl. u.a. STRÖKER 1992, S. 37 ff.). Aber
auch für die Praxis sind diese Begriffe immens wichtig, um die Forschungsergebnisse der Wissenschaft richtig interpretieren zu können und die sachgerechten Schlüsse für die praktische Umsetzung im individuellen Betrieb daraus ziehen zu können. Das gilt auch für die Administrative Personalwirtschaftslehre,
welche Teil einer als anwendungsorientierten Wissenschaft verstandenen Betriebswirtschaftslehre ist.
Es bietet sich zunächst im Rekurs auf Abschnitt 6.2.1 an, das Begriffssystem der
Allgemeinen Personalwirtschaftslehre auch innerhalb der Administrativen Personalwirtschaftslehre zu verwenden. Dies gilt zumindest für die Begriffe aus den
relevanten Rechtsgebieten, Aufgabenfeldern und bezüglich der Instrumente,
welche eindeutig dem betriebsindifferenten Bereich zuzuordnen sind. Vervollständigt wird das Begriffssystem der Administrativen Personalwirtschaftslehre
durch diejenigen Begriffe, die durch die Besonderheiten der administrativen
Betriebe geprägt sind. Dies sind vornehmlich die Begriffe, welche aus den in
Abschnitt 6.2.1 aufgeführten Rechtsgebieten und dort überwiegend dem öffentlichen Dienstrecht, dem Personalvertretungsrecht und dem Haushaltsrecht entstammen.
Hierbei ist zwischen für die Personalwirtschaft kritischen und unkritischen Begriffen zu unterscheiden. Als unkritisch sind diejenigen Begriffe zu bezeichnen,
welche in der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre nicht verwendet werden
und bereits in den Rechtsquellen definiert (sog. Legaldefinitionen) bzw. einer
eindeutigen Definition zugänglich sind. Beispiele hierfür sind die folgenden
Begriffe:
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
265
· „Personalrat“, dies ist das Pendant zu „Betriebsrat“ in dispositiven Betrieben;
· „Ernennung“, verstanden als rechtsgestaltender Verwaltungsakt bezüglich
verschiedener beamtenrechtlicher Tatbestände, wie Begründung des
Beamtenverhältnisses etc. gemäß § 5 (1) BRRG;
· „Dienstunfähigkeit“ bezeichnet die Unfähigkeit eines Beamten, „infolge
körperlicher Gebrechens oder wegen Schwächung der körperlichen oder
geistigen Kräfte seine Dienstpflichten erfüllen zu können“ (vgl. WIESE1998, S. 99).
Hingegen müssen als kritisch die Begriffe eingestuft werden, welche zumindest
in der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre mit einem anderen Sinngehalt verwendet werde, wie folgende Beispiele zeigen:
· „Anstellung“; dies ist einerseits ein beamtenrechtlicher Begriff, der eine
Ernennung (s.o.) „unter erster Verleihung eines Amtes, das in einer Besoldungsordnung aufgeführt ist“ (§ 10 BLV) bezeichnet und andererseits
ist hierunter die Begründung eines Arbeitsverhältnisses für Angestellte in
dispositiven Betrieben zu verstehen;
· „Stelle“, welche im haushaltsrechtlichen Sinne verstanden wird als die im
Haushaltsplan ausgebrachte parlamentarische Bewilligung, einen Arbeitnehmer beschäftigen zu dürfen (als Pendant zu „Planstellen“ der Beamten, vgl. Abschnitt 4.1.4), wogegen dieser Begriff allgemein die organisatorische Bezeichnung eines Aufgabengebietes in dispositiven Betrieben
ist, welche wiederum in administrativen Betrieben „Dienstposten“ heißt;
· „Laufbahn“, ein Begriff, der in der Administrativen Personalwirtschaftslehre sehr restriktiv verwendet werden muss, weil das Beamtenrecht diesen eindeutig definiert (z.B. § 11 (1) BRRG), während in der Allgemeinen
Personalwirtschaftslehre dieser Begriff als Synonym für alle möglichen
Karrierepfade auftritt (u.a. DRUMM 2000, S. 323).
Im Grunde genommen müsste auch der relativ eindeutige Begriff „Beamte“ zu
den Kritischen gezählt werden, weil er einerseits im öffentlichen Dienstrecht
eindeutig eine Berufsgruppe von anderen abgrenzt, im Zivilrecht aber gelegentlich, so z.B. im Zusammenhang mit Amtshaftungsansprüchen (vgl. § 839 BGB),
alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, somit auch Arbeitnehmer, erfassen
kann.
Diese kritischen Begriffe sollten in der Administrativen Personalwirtschaftslehre
zur exakten Bestimmung nur zusammen mit entsprechend eindeutigen Attributen oder weiteren Erläuterungen verwendet werden, wie z.B. „beamtenrechtliche
Anstellung“, „Beamter im zivilrechtlichen Sinne“ oder „Stelle gemäß Haushaltsplan“.
266
Zweiter Teil
Gleiches gilt auch für im Grunde unkritische Begriffe der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre, die aber durch langjährige Verwendung in der Praxis des
klassischen Personalwesens administrativer Betriebe dort einen anderen Sinngehalt erfahren haben. Ein Beispiel hierfür ist der Begriff „Personalwirtschaft“, der
in einigen administrativen Betrieben auch heute noch lediglich die Bewirtschaftung der Haushaltsstellen, also der Planstellen und Stellen, bezeichnet. Ebenso werden, wie die vorliegenden Konzepte einiger öffentlicher Verwaltungen
zeigen, unkritische personalwirtschaftliche Begriffe in der gegenwärtigen Personalpraxis beliebig weit oder eng ausgelegt, wodurch sie dann auch an Eindeutigkeit verlieren. Ein derartiges Beispiel ist der Begriff „Personalentwicklung“, mit
dem die Bundesregierung nahezu die gesamte Personalwirtschaft bezeichnet
(siehe Abschnitt 5.3.2). Der wesentliche Grund für dieses Phänomen dürfte in
dem Fehlen einer eindeutigen Sprachregelung liegen, die es also über das Begriffssystem der Administrativen Personalwirtschaftslehre herzustellen gilt.
Daher muss auch in den Fällen, in denen sich die historisch gewachsenen Begriffe in der Personalpraxis, etwa wegen der Vorschriftenlage oder aus praktikablen Gründen, nicht vermeiden lassen, mit eindeutigen Erläuterungen auf das
Begriffssystem der Administrativen Personalwirtschaft zurückgegriffen werden,
damit diese Theorie nicht an Konsistenz verliert und damit für die Praxis insgesamt unbrauchbar wird.
6.2.4 Kernaussagen der Administrativen Personalwirtschaftslehre
Der anwendungsorientierte, normative Kern der Administrative Personalwirtschaftslehre ist eingebettet in einen deskriptiv-theoretischen Rahmen und sollte
von diesem nicht losgelöst betrachtet werden. Brauchbare Vorschläge zu Problemlösungen für die Praxis der administrativen Betriebe kann die Administrative
Personalwirtschaftslehre nur dann liefern, wenn sie gleichermaßen auch den Bezugsrahmen beschreibt und erläutert. Dieser besteht dann in der Beschreibung
des Personalwesens administrativer Betriebe, insbesondere der rechtlichen
Rahmenbedingungen und den meist hieraus resultierenden Besonderheiten.
Da die moderne Personalwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung, wie sie sich
gegenwärtig gestaltet, Ergebnis des relativ komplexen Prozesses von Modernisierungsmaßnahmen ist, muss zum optimalen Verständnis sowohl die Ausgangslage als auch der Prozess selbst beschrieben werden. Das wäre für den deskriptiven Teil der Administrativen Personalwirtschaftslehre das klassische Personalwesen administrativer Betriebe sowie die maßgeblichen Faktoren des New
Public Managements, wie sie etwa in den Hauptabschnitten 4 und 5 vorgestellt
wurden.
Normativen Aussagen der Administrativen Personalwirtschaftslehre werden also
aus diesem Bezugsrahmen herzuleiten sein. Die der Praxis zur Verfügung ste-
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
267
henden Problemlösungsmuster, also im Wesentlichen die Methoden und Instrumente für die Steuerung und Gestaltung der Personalwirtschaft in administrativen Betrieben, können wegen des Überschneidungsbereiches zwar aus der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre entnommen werden. Sie müssen aber die Besonderheiten des Personalwesens der öffentlichen Verwaltung, die sich aus dem
Bezugsrahmen ergeben, reflektieren.
Vor diesem Hintergrund und der Absicht entsprechend, hier nur die Grundzüge
der Administrativen Personalwirtschaftslehre vorzustellen, werden die normativen Kernaussagen dieser Theorie zu folgenden fünf Kernthesen verdichtet:
These 1:
Die Personalwirtschaft administrativer Betriebe sollte wegen der Vielzahl
rechtlicher und verwaltungsintern Regelungen und zur Hervorhebung der
wirtschaftlichen Aspekte in Form von betriebsindividuellen Konzepten beschrieben werden.
Weder die rechtlichen Quellen noch die Literatur zur Allgemeine Personalwirtschaftslehre gehen bisher auf die Besonderheiten der Personalwirtschaft
in administrativen Betrieben und das hier vorliegende besondere Spannungsverhältnis von Recht und Wirtschaftlichkeit ausreichend ein. Der Praxis steht
insofern ein Orientierungsrahmen für gleichermaßen wirtschaftliches wie
rechtmäßiges Handeln im Personalwesen nicht zur Verfügung.
Der historisch bedingte Schwerpunkt auf die Verwaltungsgrundsätze, wie
Rechtmäßigkeit, Gleichbehandlung oder Willkürverbot, der im klassischen
Personalwesen die Zielebene definierte, droht auch im modernen Personalwesen, Wirtschaftlichkeitsaspekte diesen Zielen unterzuordnen. Ein ausgewogenes Verhältnis von Recht und Wirtschaftlichkeit lässt sich dadurch herstellen,
dass die wirtschaftliche Bereitstellung von Personalvermögen als primäres
Ziel und die vielen rechtlichen Regelungen zu zwingend zu beachtenden
Rahmenbedingungen erklärt werden.
Insofern ist es angezeigt, dieses Verhältnis betriebsindividuell zu dokumentieren, was in Form von Personalwirtschaftskonzepten geschehen könnte und
welche, wie gezeigt, schon in einigen administrativen Betrieben vorliegen. In
diesen Konzepten werden Ziele, Grundsätze und Rahmenbedingungen der
Personalwirtschaft ebenso festgeschrieben, wie die Methoden und Instrumente, deren Einsatz im jeweiligen Betrieb für sinnvoll und zielführend erachtet werden. Hierbei sollte auch das Begriffssystem der Administrativen
Personalwirtschaftslehre verwendet werden, wobei insbesondere zu den kritischen Begriffen (vgl. Abschnitt 6.2.3) die notwendigen Erläuterungen vorzunehmen sind. Als Strukturierungshilfe und für die Darstellung von Wirkungszusammenhängen, im Sinne von Zeck-Mittel-Relationen bezüglich des Per-
268
Zweiter Teil
sonalvermögens, bietet sich für die Konzepterstellung an, das Personalvermögenskonzept sowie die personalwirtschaftliche Wertkette (vgl. jeweils im
Hauptabschnitt 2) zu Grunde zu legen.
Es ist dabei auch sinnvoll, die Personalwirtschaft in das Gesamtgefüge des
Personalwesens einzubetten, was etwa durch ein Personalmanagementkonzept
erfolgen könnte. Dies wäre ein geeignetes Mittel, die Personalwirtschaft methodisch-konzeptionell von der Personalführung zu trennen ohne aber die
Wechselwirkung zwischen Beiden aus den Augen zu verlieren. Ein weiterer
Vorteil hierdurch wäre die gesamtheitlichen Betrachtungsweise, die sich sowohl an der übergeordneten, überwiegend ökonomisch ausgerichteten betrieblichen Zielsetzung als auch an den stringenten rechtlichen Rahmenbedingungen orientiert.
These 2:
Die Personalwirtschaft administrativer Betriebe sollte dadurch professionalisiert werden, dass die Qualifizierung der Personalverantwortlichen über die
Administrative Personalwirtschaftslehre mit ihren sowohl juristischen als
auch betriebswirtschaftlichen Inhalten erfolgt bzw. die Aufgabenfelder entsprechend paritätisch besetzt sind.
Moderne Personalwirtschaft in administrativen Betrieben professionell zu
betreiben, bedeutet einen Übergang des Spezialistentums bezüglich des Arbeits- und Dienstrechts hin zu einem Personalmanagement als Teil des modernen Verwaltungsmanagements (vgl. FREIE HANSESTADT BREMEN
2000, S. 13). Insofern ist ein komplementäres Wissen über juristische und
personalwirtschaftliche Erkenntnisse in der Praxis erforderlich, welches durch
die Administrative Personalwirtschaftslehre vermittelt wird.
Das bedeutet natürlich auch eine notwendige Abkehr vom Juristenmonopol
hin zu einem paritätisch besetzten Personalwesen, in dem sowohl juristisch
als auch wirtschaftlich vorgebildete Verantwortliche die Personalwirtschaft
gestalten und sich mit ihrem gegenseitigen Expertenwissen ergänzen. Über
entsprechende Fortbildungsmaßnahmen zum Thema Administrative Personalwirtschaftslehre kann Angehörigen einer Fachrichtung das notwendige
Wissen der anderen Fachrichtung, soweit es für die Personalwirtschaft bedeutsam ist, vermittelt werden.
Die Professionalisierung der Personalwirtschaft kann auch durch die mit entsprechenden Inhalten versehene Ausbildung, etwa für den höheren und gehobenen Verwaltungsdienst (vgl. KÖNIG 2001, S. 623), erfolgen.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
269
Auf alle Fälle führt die Professionalisierung dazu, dass die in These 1 geforderten Konzepte, die -wie zu beobachten- nicht selten von externen Beratern
erstellt werden, in der Praxis dann auch erfolgreich umgesetzt werden können.
These 3:
Die Personalwirtschaft administrativer Betriebe sollte der zentralen Funktion
der Personalplanung eine ganz besondere Bedeutung zumessen.
Die Personalplanung hat für jeden Betrieb eine zentrale personalwirtschaftliche Bedeutung (vgl. DRUMM 2000, S. 221 ff.). Bezogen auf die verschiedenen Aufgabenfelder der Personalwirtschaft mit ihren Interdependenzen und
die verschiedenen Planungshorizonte, erweist sich die Planung des Personalvermögens als ein besonders komplexes und daher kritisches Problemfeld für
den betrieblichen Erfolg.
Dies gilt selbstverständlich auch für administrative Betriebe. Für diese erweitert sich das Problemfeld allerdings um eine weitere Dimension, nämlich
um die Planung der zeit- und sachgerechten Finanzierung der Personalressourcen. Die Finanzierung des Personals, insbesondere der Vergütung und
Besoldung, erfolgt, wie mehrfach gezeigt, nur über die entsprechende Bewilligung der Parlamente im Wege zugewiesener Haushaltsstellen. Insofern werden administrative Betriebe fremdbestimmt und sind von Finanzierungsmöglichkeiten abhängig, auf die sie äußerst geringen Einfluss haben. Das für die
betriebliche Zielereichung notwendiges Personalvermögen kann angesichts
der chronischen Finanzknappheit öffentlicher Haushalte quantitativ bzw. qualitativ nicht immer beschafft oder eingesetzt werden, was durch die häufig
auftretenden Stellenscheren zum Ausdruck kommt.
Die Personalwirtschaft in administrativen Betrieben muss also neben dem
Knappheitsproblem bezüglich der Personalressource gleichzeitig das der finanziellen Mittel öffentlicher Haushalte lösen, obgleich sie auf letzteres kaum
Einflussmöglichkeiten hat. Dies kann wiederum nur durch eine besonders
sorgfältige Personalplanung erfolgen, welche simultan mit der Haushaltsplanung geschehen muss.
Hier liegt dann auch die besondere Problemstellung der Personalplanung administrativer Betriebe. Die Bereitstellung finanziellen Ressourcen für den
Erwerb und Einsatz von Personalvermögen unterliegt nicht nur zu einem wesentlichen Teil der Fremdbestimmung durch die Parlamente; durch die politische Dimension handelt es sich auch um unterschiedliche Abhängigkeiten bezüglich der Planungshorizonte. Einerseits ist die Personalplanung eine auf
Haushalts- bzw. Geschäftsjahre bezogene betriebsinterne Ressourcenplanung
und andererseits ist sie abhängig von der an Legislaturperioden orientierten
270
Zweiter Teil
und von Wahlterminen beeinflussten Haushalts- und Finanzplanung der
Staaten und Gemeinden.
These 4:
Die Personalwirtschaft administrativer Betriebe sollte unter Beachtung der
rechtlichen Anwendungsmöglichkeiten alle geeigneten Methoden und Instrumente der Allgemeinen Personalwirtschaftslehre nutzen.
Der Überschneidungsbereich zwischen Allgemeiner und Dispositiver Personalwirtschaftslehre ist, wie gezeigt, sehr groß. Daher ergibt sich auch für administrative Betriebe die grundsätzliche Anwendungsmöglichkeit nahezu aller Mittel, welche die Literatur zur modernen Personalwirtschaftslehre vorschlägt. Inwieweit die einzelne Methode oder ein einzelnes Instrument im
Personalwesen eingesetzt werden kann, bemisst sich an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Hiernach ist insbesondere die eventuelle Kollision mit
zwingend vorgeschriebenen Verfahren, wie z.B. Beurteilung oder der Ausschreibung von Dienstposten, des öffentlichen Dienstrechts zu beachten.
Sicherlich wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt die aktuelle und künftige
Rechtsprechung besonders zu beachten sein. Da sich personalwirtschaftliches
Denken und Handeln in administrativen Betrieben gerade erst etabliert, ist bezüglich der Rechtmäßigkeit des Einsatzes bestimmter Mittel zur Bewirtschaftung von Personalvermögen zum Teil noch eine gewisse Unsicherheit
vorhanden.
Darüber hinaus ist, wie in allen Betrieben, auch die Zweckmäßigkeit der Anwendung bestimmter Methoden und Instrumente in der Personalwirtschaft zu
beachten und betriebsindividuell nach Kosten und Nutzen zu bewerten. Als
grundsätzlich zweckmäßig dürften aber für alle administrative Betriebe diejenigen Mittel anzusehen sein, welche generell die wirtschaftliche Bereitstellung des Personalvermögens, eine zielgerichtete Steuerung des Personalwesens und die Integration der Personalwirtschaft in den gesamten Managementprozess sicherstellen. Hierzu gehört in mehr oder weniger großem Umfang insbesondere:
·
·
·
·
die Personalplanung (vgl. wegen der besonderen Bedeutung These 3),
das Personalcontrolling,
das Personalmarketing und
das Personalinformationssystem.
Die genannten Mittel und alle weitere, für deren Unterstützung tauglichen Instrumente sorgen nicht nur für ein wirtschaftliches Verhalten im Personalwesen, sie helfen auch, die Personalwirtschaft insgesamt transparenter zu ma-
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
271
chen. Das ist vor dem besonderen rechtlichen Hintergrund von herausragender Bedeutung, denn gerade die beamtenrechtlichen Regelungen implizieren
auch weiterhin eine stets nachvollziehbare und justiziable Personalarbeit.
Konkret betrachtet, können die Prinzipien der Eignung, Leistung und Befähigung bezüglich der Verwendung und Förderung von Beamten durch ein Maximum an Transparenz deutlich gestärkt werden.
These 5:
Die Personalwirtschaft administrativer Betriebe sollte so organisiert sein,
dass die betriebsinternen Dienstleistungen für die operativen Einheiten und
die Mitarbeiter optimal erbracht und die rechtlichen Rahmenbedingungen
ausreichend beachtet werden können.
Ziel der Administrativen Personalwirtschaftslehre ist es auch, Gestaltungshilfen für die Organisation der Personalwirtschaft in administrativen Betrieben
zu geben. Vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels und dem Übergang
des klassischen Personalwesens zu einer moderneren Personalwirtschaft im
Zuge des New Public Managements bilden sich neue Aufbaustrukturen und
damit neue Zuordnungen, Zuständigkeiten und Verantwortungen heraus. Die
Administrative Personalwirtschaftslehre soll dabei helfen, diese Strukturen
herzustellen und anschließend permanent zu optimieren.
Die bisherigen, historisch bedingten und gewachsenen Strukturen im Personalwesen administrativer Betriebe waren angelegt auf eine reine Regelorientierung und folgten einem eher zentralistischen Ansatz. Die entsprechenden
Strukturveränderungen durch das New Public Management (vgl. Abschnitt
3.3.3.1) und die Erfordernisse, die eine moderne Personalwirtschaft an die
Organisation des Personalwesens stellen, führen auch zu einer Veränderung
des Rollenverständnisses für die mit Personalarbeit beauftragten Stellen. Dieses besteht darin, dass Personalarbeit nicht mehr in einer reaktiven Personalverwaltung sondern in einer aktiven Dienstleistung bezüglich des Produktes
Personalvermögen, also in einer innerbetrieblichen Serviceleistung, besteht.
Insofern sind Dezentralisierung von Ressourcen- und Ergebnisverantwortung
sowie Entflechtung und Abbau von Überkomplexität auch in der Personalorganisation administrativer Betriebe angezeigt.
Allerdings muss die Aufbau- und Ablauforganisation der Personalwirtschaft
das besondere Spannungsverhältnis zwischen Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit in administrativen Betrieben berücksichtigen. Ein wirtschaftlicher Personaleinsatz kann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder dem
Willkürverbot kollidieren. Hierzu sind neben dem Einsatz geeigneter Instrumente (vgl. These 4) insbesondere auch zentrale Stellen zu schaffen bzw. zu
erhalten, die auf eine einheitliche Rechtsanwendung achten und die Personal-
272
Zweiter Teil
wirtschaft nicht nur in ökonomischer Hinsicht steuern, sondern auch den besonderen juristischen Anforderungen genügen.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
273
6.3 Ein Personalrahmenkonzept der Bundeswehrverwaltung
(Personalwirtschaftlicher Teil)
Zum Abschluss dieses Hauptabschnittes wird ein mögliches Konzept der Bundeswehrverwaltung vorgestellt, das die zuvor beschriebene Theorie der Administrativen Personalwirtschaftslehre aufgreift und ihr Anwendungspotenzial verdeutlichen soll.
Das Konzept, welches als „Rahmenkonzept für ein Personalmanagement im
Konzern BWB“ bezeichnet ist, wurde, wie der Name schon ausdrückt, zunächst
nur für den Rüstungsbereich der Bundeswehrverwaltung, also das BWB und
seinen nachgeordneten Bereich (vgl. Abschnitt 1.4.2.2 und Abbildung 4), entworfen. Dies erfolgte aber mit der Intention, die strategischen Grundaussagen
dieses Konzeptes später auf den gesamten Bereich der Bundeswehrverwaltung
ausweiten zu können. Der Entwurf des Konzeptes war Teil der sogenannten
Feinausplanung des Rüstungsbereiches im Zuge der gegenwärtigen Bundeswehrstrukturreform (vgl. Abschnitt 3.5.3) durch ein Team von Angehörigen des
BWB in einer temporären Projektorganisation der Leitung des BWB, welche die
Bezeichnung „Aufbaustab BWB“ trug.
In diesem Team war der Verfasser dieser Dissertation in der Zeit vom Februar
bis September 2001 Feder führend und verantwortlich für die Erstellung des
Konzeptentwurfes. Zum Team gehörten auch zwei Juristinnen mit Personalerfahrung im BWB.
Das Konzept zielt auf das gesamte zukünftige Personalmanagement des als
Konzern umzustrukturierenden Rüstungsbereiches und berücksichtigt demzufolge auch die organisatorischen Veränderungen, die etwa darin bestehen, dass
die ehemals als Behörden organisierten Dienststellen des nachgeordneten Bereiches künftig zu Bundesbetrieben werden. Diese erhalten damit eine wirtschaftlichen Selbständigkeit bei gleichzeitig juristischer Abhängigkeit zum BWB in öffentlich-rechtlicher Form. Das BWB wird zwar selbst weiterhin Behörde bleiben, es wird aber durch den Prozess des organisatorischen Wandels, z.B. durch
Veränderung hin zu einer Projektorganisation mit Teamstrukturen, zu einem
modernen Dienstleistungsbetrieb im Sinne des New Public Managements.
Im Folgenden wird nun der personalwirtschaftliche Anteil des Rahmenkonzeptes vorgestellt mit der entsprechenden Einbindung in das Personalmanagement.
Das bedeutet, dass der Anteil, der dem Bereich „Personalführung“ innerhalb des
Personalmanagements entsprechen würde, ausgeblendet wird. Zuvor soll noch
auf die grundsätzliche Zielsetzung des Konzeptes, die Vorgehensweise beim
Konzeptentwurf und auf die Grundlagen des Konzeptes eingegangen werden,
274
Zweiter Teil
welche auch Inhalt des Vorworts zum „Rahmenkonzept für ein Personalmanagement im Konzern BWB“ sind.
Anmerkungen des Verfassers, welche nicht mit dem Wortlaut des der politischen Leitung des BMVg vorgelegten Entwurfes übereinstimmen sind in eckige
Klammern [...] gesetzt. Das gilt insbesondere für Auslassungen und für die
Gliederungspunkte des Konzeptes, damit diese nicht mit der Gliederung dieser
Dissertation kollidieren. Querverweise auf die Abschnitte und Abbildungen der
Dissertation wurden mit dem Vermerk d.D. („der Dissertation“) kenntlich gemacht. Außerdem wird der Wortlaut des Originaltextes in einer anderen Schriftart und –größe in diese Arbeit aufgenommen.
6.3.1 Zielsetzung des Konzeptes
Zur Zielsetzung des Rahmenkonzeptes und zur Erläuterung der Notwendigkeit
eines Personalmanagements für den zu modernisierenden Konzern BWB sind
im Vorwort folgende Ausführungen enthalten:
Gemäß Strukturplan zur Feinausplanung hatte der Aufbaustab BWB unter Arbeitspaket 3 („Personal“) die Aufgabe, verschiedene Aspekte des Personalwesens zu bearbeiten. Als Ergebnis hierzu wird das Rahmenkonzept für ein Personalmanagement
im Konzern BWB vorgelegt.
In den folgenden Ausführungen werden die Notwendigkeit eines gesamtheitlichen
und integrativen Personalmanagements [...] dargestellt.
Zuvor muss zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass mit dem Rahmenkonzept ein erster Entwurf für eine Personalstrategie vorgelegt wird. Hierbei werden
lediglich die Aufgabenfelder im Personalwesen identifiziert, geordnet und Empfehlungen für geeignete Instrumente gegeben, welche diese Aufgaben auch umzusetzen helfen („was ist wie zu machen?“). Es wird ausdrücklich nicht die zukünftige
Aufbau- und Ablaufstruktur im Personalwesen („wer macht wo was?“) beschrieben.
Diese ergibt sich als Folge der Strategie („structure follows strategy“ , Chandler, A.
1962).
Notwendigkeit eines Personalmanagements
Ebenso wie in privatwirtschaftlichen Betrieben hat sich auch in der öffentlichen Verwaltung die Rolle des Personalwesens in den letzten Jahren erheblich gewandelt. An
die Stelle einer bloßen Personalverwaltung und des Spezialistentums bezüglich des
Arbeits- und Dienstrechtes wird nunmehr das Personalmanagement zentraler Teil
der Unternehmensführung. Personalmanagement ist damit ein Teil des gesamten
Managementprozesses, der mit entsprechender Professionalität und strategischer
Ausrichtung verbunden ist.
Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Ausrichtung von einer rein administrativen Organisation hin zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb, reift auch im Konzern BWB die Erkenntnis, dass der maßgebliche Erfolgsfaktor für die Qualität und
Effizienz dieser Dienstleistung, die Menschen im BWB und in den Dienststellen sind.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
275
Die Menschen lediglich zu verwalten, das Personalwesen also nur an den klassischen Verwaltungsprinzipien (z.B. Rechtmäßigkeit, Gleichbehandlung etc.) auszurichten, greift daher für den modernen Konzern BWB zu kurz. Die neue strategische
Zielsetzung des BWB und seiner Dienststellen kann nur erreicht werden, wenn neben diesen Prinzipien insbesondere auch
·
die Effizienz des Einsatzes der Personalressource,
·
die Effektivität der Personalarbeit und
·
ihre Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter
besondere Beachtung finden.
Da aber der Mensch an sich nicht bewirtschaftet werden kann (und will), ein ökonomisches Handeln aber in allen Belangen des Personalwesens angezeigt ist, erfolgt
aus methodischen Gründen eine rein gedankliche Trennung zwischen den Menschen an sich (Personal) und dem was sie können und wollen (Personalvermögen).
An dieser Unterscheidung setzt das Rahmenkonzept Personalmanagement im Konzern BWB an, in dem die Ansätze und Begrifflichkeiten der modernen Personalwirtschaftslehre verwendet und erläutert werden.
6.3.2 Entstehungsgang des Konzeptes
Weiterhin enthält der Wortlaut des Vorwortes über die Darstellung des Vorgehens beim Konzeptentwurf die wesentlichen Aspekte zum Entstehungsgang:
Vorgehen beim Konzeptentwurf
Bei der Erarbeitung des Rahmenkonzeptes wurde viel Wert auf ein systematisches
und analytisches Vorgehen gelegt.
Aus diesem Grunde wurden zunächst drei Arbeitsgruppen gebildet, deren Mitglieder mit Personalaufgaben jeweils in der Abteilung ZA [siehe Abschnitt 4.2.2 Abbildung 24 d.D.], den Fachabteilungen und den Dienststellen befasst sind. Es wurden
konkrete Aufträge an diese Arbeitsgruppen erteilt. Die einzelnen Ergebnisse wurden
sodann in mehreren Sitzungen, auch gruppenübergreifend, diskutiert und bewertet.
Nahezu zeitgleich wurden im Rahmen einer Arbeitstagung [...] die Fachabteilungen
und Dienststellen über deren Aus- und Fortbildungsbeauftragte ebenfalls mittels
konkreter Aufträge eingebunden. Die einzelnen Stellungnahmen und Vorschläge
wurden zusammengefasst und statistisch ausgewertet.
Auch die Personalvertretungen, die Frauenbeauftragte und die Vertrauensfrau
der Schwerbehinderten wurden durch regelmäßige Informations- und Diskussionsrunden über den Stand der Entwicklung unterrichtet. Teilweise waren einige Vertreter
dieser Gremien auch in den Arbeitsgruppensitzungen zugegen und beteiligten sich
aktiv an den Diskussionen.
Während des gesamten Prozesses wurden vergleichbare Programme und Konzepte anderer Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gesichtet
und analysiert.
276
Zweiter Teil
6.3.3 Grundlagen des Konzeptes
Aus Sicht dieser Dissertation bildet die Administrative Personalwirtschaftslehre
die wesentliche Grundlage dieses Konzeptes. Auf diese wird im Vorwort zwar
nicht ausdrücklich verwiesen, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang und aus der Tatsache, dass der Konzeptentwurf zeitgleich mit dem Abschluss der Dissertation erfolgte. Die wesentlichen Erkenntnisse, einschließlich
derer zum New Public Management, konnten entsprechenden eingebunden werden.
Das Vorwort des Rahmenkonzeptes verweist insofern auf folgende Grundlagen:
Grundlagen des Rahmenkonzeptes
Dem Rahmenkonzept liegen selbstverständlich die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeits- und Dienstrecht, Personalvertretungsrecht etc.) zu
Grunde. Auch wurden bestehende Regelungen, die für die gesamte Bundeswehrverwaltung gelten, soweit als möglich beachtet (z.B. Personalentwicklungskonzeption
[siehe Abschnitt 5.3.3 d.D. ] ). Vorschläge für notwendige Anpassungen sind im Konzept dargestellt und begründet.
Des Weiteren wurden die im Internet und durch andere Medien publizierten Programme und Konzepte zum Thema „Moderner Staat - Moderne Verwaltung“ der
Bundesregierung berücksichtigt.
Erkenntnisse aus vergleichbaren Konzepten der Bundesländer, hier insbesondere
aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern, konnten ebenfalls für das Konzept verwertet werden.
Auch konnten die in Fortbildungsveranstaltungen und aus entsprechender Fachliteratur gewonnenen Erkenntnisse für den Einsatz des Personalinformationssystems
SAP R/3 HR zur Unterstützung des Personalmanagements eingebunden werden.
Schließlich bildet u.a. das Werk von Hans Jürgen Drumm die wissenschaftliche
Grundlage dieses Konzeptes (Drumm, H.J., Personalwirtschaft, 2000). Ergänzt wurde diese um neuere Erkenntnisse zur personalwirtschaftlichen Forschung, wie etwa
der Personalvermögensansatz von Prof. Dr. Dr. Ortner der Fernuniversität Hagen
(Ortner, G.E., 1982, 2000).
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
6.3.4 Gliederung des Konzeptes
Das Rahmenkonzept gliedert sich insgesamt wie folgt:
1. Personalmanagement
1.1 Begriffe
1.2 Zielsetzung
1.3 Personalmanagement als System
2. Strategisches Personalmanagement
2.1 Integration und Koordination
2.2. Instrumente des Personalmanagements
2.2.1 Personalplanung
2.2.2 Personalmarketing
2.2.3 Personalcontrolling
2.2.4 Personalinformationssystem
3. Operatives Personalmanagement
3.1 Personalakquisition
3.1.1 Ziele und Grundsätze
3.1.2 Notwendigkeit der Bedarfsplanung
3.1.3 Nachwuchsgewinnung
3.1.4 Ausschreibungsprofile und Auswahlverfahren
3.1.5 Einstellung und Einführung
3.2 Personalentwicklung
3.2.1 Ziele und Grundsätze
3.2.2 Fortentwicklung der PEK
3.2.3 Potenzialanalyse
3.2.4 Coaching
3.4.5 Funktionskreis orientierte Rotation
3.2.6 Managementverwendungen
3.2.7 Konzeptionelle Fortbildung
3.2.8 Evaluation von PE-Maßnahmen
3.3 Personalausstattung
3.3.1 Ziele und Grundsätze
3.3.2 Anforderungs- und Qualifikationsprofil
3.3.3 Interner Arbeitsmarkt
3.3.4 Ausschreibung und Auswahlverfahren
3.3.5 Neue Formen der Arbeit
3.4 Personalservice
3.4.1 Ziele und Grundsätze
3.4.2 Personalbetreuung
3.4.3 Unterstützungsleistungen
4. Mitarbeiterführung
4.1 Führungskultur und –leitbild
4.2 Führungskompetenz
4.3 Motivation
277
278
Zweiter Teil
Der personalwirtschaftliche Teil und dessen Einbindung in das Personalmanagement ergibt sich somit aus den Abschnitten [1] bis einschließlich [3].
6.3.5 Personalwirtschaftlicher Teil des Konzeptes
Der in den Gesamtzusammenhang des Personalmanagements eingebundene personalwirtschaftliche Teil des Rahmenkonzeptes hat folgenden Wortlaut (Querverweise innerhalb des Rahmenkonzeptes erfolgen mit dem Hinweis auf die jeweilige Teilziffer „Tz.“):
[1. Personalmanagement]
[1.1 Begriffe]
Das Personalmanagement im Konzern BWB (BWB und Dienststellen) besteht aus
den Bereichen
· Strategisches Personalmanagement, [Personalmanagement]
· Operatives Personalmanagement1 [Personalwirtschaft] und
· Mitarbeiterführung1 [Personalführung].
Unter dem Begriff Strategisches Personalmanagement ist die Planung, Steuerung
und Kontrolle der Personalarbeit im Konzern BWB unter gesamtheitlichen Aspekten
und im Hinblick auf die neue strategische Zielsetzung, die auch zu veränderten
Strukturen führt (z.B. CPM2001 [„Customer, Produkt, Management“ – siehe Abschnitt 3.5.3.2 d.D.], Teamorganisation), zu verstehen.
Es beruht auf einem vollzogenen Paradigmenwechsel, wonach das Personal im Sinne des Personalvermögensansatzes als der entscheidende aber knappe Erfolgsfaktor für die Erreichung der Ziele des Konzerns BWB angesehen wird. Als Personalvermögen wird dabei die Summe aller Qualifikationen (Wissen und Können) und
Motivationen (Einstellungen und Wollen) verstanden, über welche die einzelnen Mitarbeiter individuell oder der Konzern BWB institutionell verfügen. Der Begriff Personal bezeichnet demzufolge die Menschen selbst in ihrer Gesamtheit (Mitarbeiter, Beschäftigte).
Strategisches Personalmanagement beeinflusst einerseits die Beschaffung, Entwicklung und Bereitstellung des knappen Personalvermögens insbesondere unter
Beachtung des ökonomischen Prinzips durch die mit Personalaufgaben betrauten
Stellen (Operatives Personalmanagement) und andererseits den optimalen Einsatz
des Personals in den Geschäftsprozessen des BWB und der Dienststellen durch die
Führungskräfte sowohl in den Leitungsorganen als auch der Linie (Mitarbeiterführung).
[1.2 Zielsetzung]
Personalmanagement ist Teil des Konzernmanagements und damit ein wichtiger
Beitrag, die strategischen Ziele des BWB und seiner Dienststellen, die
1
In der Literatur sowie in der Praxis anderer Behörden und privater Betriebe werden an dieser Stelle die Begriffe
„Personalwirtschaft“ bzw. „Personalführung“ verwendet, diese sind jedoch in den Streitkräften und der Bundeswehrverwaltung bereits mit anderen Inhalten belegt
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
279
· Steigerung der Motivation der Mitarbeiter,
· Erhöhung der Kompetenz und Effizienz,
· Steigerung des wirtschaftlichen und unternehmerischen Handelns sowie
· Verbesserung der Unternehmenskultur.
dauerhaft zu erreichen
Aus diesem Zielsystem leiten sich die konkreten Ziele des strategischen Personalmanagements ab. Insbesondere handelt es sich hierbei um die Koordination und Integration der verschiedenen Aufgabenfelder des operativen Personalmanagements
und der Mitarbeiterführung, deren individuellen Zielsetzungen mit der strategischen
Zielsetzung des Konzerns BWB in Einklang zu bringen sind.
Daneben gilt es, im strategischen Personalmanagement geeignete Instrumente zu
entwickeln und einzusetzen, die das operative Personalmanagement sowie die Mitarbeiterführung im Hinblick auf die angesprochenen Zielsetzung unterstützen.
Mit der Einführung eines Personalmanagements ist darüber hinaus eine Aktivierung
des Personalwesens beabsichtigt. Darunter ist zu verstehen, dass alle mit Personalarbeit betrauten Stellen Serviceleistungen für die operativen Einheiten (Dienststellen,
Projektabteilungen und Unterstützungsabteilungen) sowie für die einzelnen Mitarbeiter erbringen. Diese Serviceleistungen bestehen im Wesentlichen darin, Personalvermögen ergebnisorientiert, d.h. bedarfsgerecht und effizient bereit zu stellen
sowie eine gleichbleibend hohe Motivation der Mitarbeiter zu gewährleisten. Personalmanagement sorgt also dafür, dass im Personalwesen neben den Prinzipien der
Recht- und Ordnungsmäßigkeit verstärkt auch das Prinzip der Wirtschaftlichkeit beachtet wird.
[1.3 Personalmanagement als System]
Aus der vorgenannten Zielsetzung ergeben sich in den einzelnen Bereichen des
Personalmanagements verschiedene Aufgaben, welche zu folgenden Aufgabenfeldern zusammengefasst sind:
Strategisches Personalmanagement
· Integration und Koordination des Operativen Personalmanagements und der Mitarbeiterführung im Hinblick auf die strategischen Ziele,
· Entwicklung und Einsatz verschiedener Instrumente (dies sind zunächst:
Personalplanung, -marketing, -controlling und -informationssystem).
Operatives Personalmanagement
· Personalakquisition2,
· Personalentwicklung,
· Personalausstattung,
· Personalservice
Mitarbeiterführung
· Leben der Führungskultur,
· Ausüben von Führungskompetenz,
· Motivation der Mitarbeiter durch das Führungsverhalten unter Einsatz bestimmter
Führungstechniken sowie eines Anreiz- und Sanktionssystems
2
Auch hier wurde von dem sonst üblichen Begriff „Personalbeschaffung“ abgewichen, da der Begriffsteil
„Beschaffung“ im BWB wieder anders belegt ist
280
Zweiter Teil
Im Gesamtzusammenhang stellen sich diese Aufgabenfelder des Personalmanagements als ein komplexes System wie folgt dar:
Personalmanagement als System
Mitarbeiterführung
Operatives
Personalmanagement
Führungskultur und -kompetenz
Strategisches
Personalmanagement
Motivation
Personalmarketing
Arbeitsmarkt
Personalcontrolling
Personalakquisition
Personalentwicklung
Personalausstattung
Abteilungen
Dienststellen
Gesellschaften
Wertschöpfungsprozess - Personalvermögen
Personalplanung
Personalinformationssystem
Personalservice
[Abb. 31: Das Personalmanagement des Konzerns BWB als System]
Die Abbildung zeigt auch die Interdependenzen der Aufgabenfelder, welche im Bereich des Operativen Personalmanagements einen Wert schöpfenden Prozess bezüglich des individuellen und institutionellen Personalvermögens darstellen. Das
Aufgabenfeld „Personalentwicklung“ nimmt dabei eine maßgebliche Funktion wahr.
Wegen der hohen Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter ist dieses Aufgabenfeld
auch als ein wesentliches Instrument im Bereich der Mitarbeiterführung anzusehen.
Die einzelnen Aufgabenfelder sowie die aufgezeigten Instrumente werden in den
nachfolgenden Abschnitten näher erläutert. Hierbei wird insbesondere auf die neue
Situation im Konzern BWB Bezug genommen, was durch die Darstellung der Rahmenbedingungen und die bereits wahrgenommenen Aufgaben sowie vorhandenen
Instrumente (z.B. PEK) zum Ausdruck kommt. Notwendige Anpassungen (z.B. Laufbahnausbildung) und der Einsatz neuer Instrumente (z.B. Potenzialanalyse) werden
dabei besonders herausgestellt.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
281
[2. Strategisches Personalmanagement]
[2.1 Integration und Koordination]
Die vornehmliche Aufgabe des strategischen Personalmanagements ist, die Aufgaben des operativen Personalmanagements und der Mitarbeiterführung dahingehend
abzustimmen, dass sich die dort verfolgten Ziele einerseits mit den strategischen
Zielen des Konzerns BWB (vgl. Tz. 1.2) im Einklang befinden.
Hierzu sind Teilkonzepte für die in Tz. 1.3 dargestellten Aufgabenfelder zu initiieren
bzw. zu erstellen und aufeinander abzustimmen. Gleiches gilt für die einzelnen Teilpläne des operativen Personalmanagements (s. Tz. 2.2.1) sowie für etwaige Planrevisionen und die Überwachung von Planabweichungen.
Darüber hinaus sind Regelungen für die Handhabung der durch die Aufbauorganisation entstandenen Schnittstellen zu erstellen und durchzusetzen.
[2.2. Instrumente des Personalmanagements]
Insbesondere für die Integrations- und Koordinationsaufgaben des strategischen
Personalmanagements aber auch zur Unterstützung der Aufgaben im jeweiligen Bereich des operativen Personalmanagements sind verschiedene Instrumente zu entwickeln und einzuführen. Es handelt sich dabei zunächst um folgende Instrumente:
·
·
·
·
Personalplanung,
Personalmarketing,
Personalcontrolling und
Personalinformationssystem
Der Einsatz weiterer Instrumente kann durch die Fortentwicklung des Personalmanagements angezeigt sein. Eine weitere Aufgabe des strategischen Personalmanagements ist daher, diese Entwicklung sowohl in der Wissenschaft als auch in der
Praxis anderer Betriebe, insbesondere der öffentlichen Verwaltung, zu beobachten,
zu analysieren und im Hinblick auf eine Anpassung im Konzern BWB zu bewerten.
[2.2.1 Personalplanung]
Für die Erreichung seiner Ziele muss ein Dienstleistungsbetrieb, wie der Konzern
BWB ihn darstellt, insbesondere seine personellen Ressourcen vorausschauend beschaffen und sach- und zeitgerecht einsetzen. Dies setzt ein umfassendes Planungssystem voraus, das im Wege einer mehrstufigen Ableitung der Ziele den einzelnen Bedarf frühzeitig ermittelt sowie die zur Deckung dieses Bedarfs erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig einleitet. Langfristig ist hierdurch auch auf eine ausgewogene Personalstruktur (Alter, Frauenanteil, Schwerbehindertenquote etc.) hinzuwirken.
Für das Personalmanagement bedeutet dies zunächst eine zuverlässige Personalbedarfsprognose, die allerdings nicht nur von der Anzahl künftig benötigter Mitarbeiter ausgeht, sondern bereits detailliert die konkret erforderlichen Qualifikationen ermittelt. Zusammen mit dem Anspruch, die Mitarbeiter später auch hoch motiviert einzusetzen, bildet somit die Personalvermögensprognose die Basis für die weitere
Personalplanung.
282
Zweiter Teil
Ausgehend von dieser Prognose sind unter Berücksichtigung des verfügbaren Personalvermögensbestandes die jeweiligen Teilpläne für die Aufgabenfelder Personalakquisition, -entwicklung und –ausstattung in verschiedenen Planungshorizonten
(kurz-, mittel- und langfristig) zu erstellen.
Die ohnehin schon vorhandene Komplexität der Personalplanung wird dadurch verstärkt, dass auch mehrere Planungszyklen in Einklang zu bringen sind, nämlich:
· die Bedarfsplanung der operativen Einheiten (Abteilungen, Dienststellen) einschließlich der individuellen Nachfolgeplanungen für einzelne Dienstposten,
· die Karriereplanungen für einzelne Mitarbeiter im Rahmen der Personalentwicklung sowie
· die Haushaltsplanung, um die erforderlichen Planstellen und Stellen angesichts
der sog. „Stellenschere“ zeitgerecht zur Verfügung zu haben.
Angesichts dieser Komplexität kommen auf das strategische Personalmanagement
umfangreiche Abstimmungsaufgaben zu, die im Wesentlichen darin bestehen, Personalplanungsgrundsätze zu erstellen und verschiedene Koordinierungsleistungen
zu erbringen.
Daneben müssen weitere Instrumente und Hilfsmittel entwickelt und eingesetzt werden, um eine verlässliche Personalplanung zu erreichen und die spätere Umsetzung
zu ermöglichen, wie z.B.
· Herstellung struktureller Voraussetzungen, insbesondere durch detaillierte Anforderungsprofile auf der Dienstpostenseite sowie Qualifikationsprofile für die einzelnen Mitarbeiter (Tz. 3.3.2),
· Potenzialanalysen vornehmlich für Führungskräfte, um gesicherte Aussagen zum
Personalvermögensbestand zu treffen (Tz. 3.2.2),
· Einsatz einer tauglichen Planungssoftware, welche Teil des Personalinformationssystems ist (Tz. 2.2.3).
[2.2.2 Personalmarketing]
Unter Personalmarketing ist im engeren Sinne die Erschließung des externen Arbeitsmarktes durch Auf- und Ausbau eines positiven Image auf den relevanten Arbeitsmarktsegmenten zu verstehen. Dieses positive Image wirkt aber auch auf die
Mitarbeiter im Konzern BWB, so dass im Ergebnis eine geringere Fluktuation und
damit ein dauerhafter Personalbestand erreicht werden kann.
Das Personalmarketing, welches von der Erstellung detaillierter Analysen (Arbeitsmarkt, Konzern BWB, Konkurrenz) bis hin zur Umsetzung umfassender Informationsund Kommunikationskonzepte (u.a. Werbeaktivitäten) reicht, ist damit eher ein übergreifendes Instrument, dass sowohl die Personalakquisition, als auch die –entwicklung und –ausstattung unterstützt.
Insofern ist zwischen strategischem Personalmarketing und operativem Personalmarketing zu unterscheiden. Letzteres besteht in der Umsetzung der Personalmarketingstrategie, mit Schwerpunkt in der Personalakquisition.
Strategisches Personalmarketing, als Aufgabe des strategischen Personalmanagements, hat einen engen Bezug zu den Bereichen Change Management und Öffentlichkeitsarbeit und wird durch eine gelebte und nach außen hin dokumentierte Corporate Identity unterstützt.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
283
[2.2.3 Personalcontrolling]
Mittelfristig ist ein Personalcontrolling aufzubauen, verstanden als ein Instrument zur
Ausgestaltung der einzelnen Aufgabenfelder des operativen Personalmanagements
nach ziel- und ergebnisorientierten Aspekten.
Aufgabe des Personalcontrollings ist, den Grad der Zielrealisierung festzustellen, bei
Abweichungen gegensteuernde Maßnahmen zu empfehlen sowie den Entscheidungsträgern regelmäßig darüber zu berichten.
Personalcontrolling sammelt und verarbeitet ständig Informationen bezüglich des
Personalvermögens und sorgt damit für die notwendige Transparenz, die komplexen
Prozesse des Personalmanagements optimal steuern zu können. Je nach Art dieser
Informationen kann zwischen quantitativem und qualitativem Personalcontrolling unterschieden werden.
Quantitatives Personalcontrolling zielt auf die Gestaltung und Steuerung unter mengen- bzw. wertmäßigen Aspekten (z.B. geleistete Stunden, Kosten, Fehl- und Ausfallzeiten) ab, während sich qualitatives Personalcontrolling auf die inhaltliche Gestaltung und Steuerung von Qualifikationen und Motivationen bezieht.
[2.2.4 Personalinformationssystem]
Ein integrativ ausgestaltetes Personalmanagement benötigt auf Grund seiner Komplexität ein technisches Informations-, Planungs- und Administrationssystem, mit
Hilfe dessen sachlich und zeitlich differenziert die notwendige Transparenz hinsichtlich des Bedarfs, des Bestandes aber auch der Kosten und Leistungen hergestellt
werden kann. Es ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Personalplanung in größeren Organisationen, wie im Konzern BWB, und für ein funktionierendes Personalcontrolling.
In seiner Grundstruktur besteht ein Personalinformationssystem typischerweise aus
zwei unterschiedlichen Datenbanken, einer Personaldatenbank und einer Arbeitsplatzdatenbank. In der Personaldatenbank sind unter Berücksichtigung des Datenschutzes systematisch alle Personalstammdaten, dienstliche Verwendungen (bisherige, gegenwärtige), das Qualifikationsprofil sowie individuelle Präferenzen (z.B.
Fortbildungs- und Verwendungswünsche) gespeichert. Die Arbeitsplatzdatenbank
bildet die einzelnen Dienstposten ab, ihre Einbindung in die Organisationsstruktur,
das Anforderungsprofil sowie planbare Vakanzen.
Im günstigsten Fall ist das Personalinformationssystem modularer Bestandteil eines
Managementinformationssystems, welches alle betrieblichen Prozesse intern aber
auch Konzern übergreifend und gesamtheitlich abbildet.
Ein derartiges Personalinformationssystem steht mit dem Produkt SAP R/3 HR bereit, über dessen Einführung in die Bundeswehr bereits entschieden ist. Allerdings
genügt es nicht, hiermit lediglich das bisherige System
PERFIS [siehe Abschnitt 4.2.4 d.D.] abzulösen. Um den Ansprüchen des Personalmanagements vollends zu genügen, muss dieses System im Personalwesen in seiner vollen Funktionalität eingesetzt werden.
284
Zweiter Teil
[3. Operatives Personalmanagement]
[3.1 Personalakquisition]
[3.1.1 Ziele und Grundsätze]
Zur Deckung geplanten oder ungeplanten, kurzfristigen Bedarfs muss geeignetes
Personal bestmöglich akquiriert werden. Bestmöglich bedeutet hierbei, dass das
Personal nach Quantität (Anzahl), Qualität (Personalvermögen), Zeit und Ort zu rekrutieren und nach entsprechender Vorbereitung (Ausbildung, Traineeprogramme o.
ä.) zur Verfügung zu stellen ist.
Die Qualität der Personalakquisition insgesamt hängt entscheidend ab
· von der Qualität der vorausgegangenen Bedarfsermittlung,
· von der Umsetzung der Personalmarketing-Strategie
(Erschließung und Nutzung des Arbeitsmarktes),
· vom Einsatz geeigneter Auswahlverfahren sowie
· der sorgfältigen und bedarfsgerechten Einarbeitung und Zuweisung akzeptierter
Bewerber.
[3.1.2 Notwendigkeit der Bedarfsplanung]
Personalakquisition könnte als kurzfristige, dispositive Maßnahme verstanden werden, wenn Arbeitskräfte in beliebiger Menge und Qualifikation auf einem transparenten Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.
Berücksichtigt man die Bewerber- und Einstellungslage der letzten Jahre für den
Konzern BWB, kann von einer derart günstigen Angebotssituation, die Raum für eine
rein kurzfristige Personalakquisition ließe, nicht ausgegangen werden.
Geht man aber realistischerweise davon aus, dass die Arbeitsmärkte intransparent
sind und das Arbeitskräfteangebot knapp ist, so muss einer erfolgreichen Personalbeschaffung deren strukturierte und langfristig durchdachte Planung vorausgehen,
die durch Arbeitsmarktbeobachtung im Rahmen des Personalmarketing zu ergänzen
ist. Dies gilt um so mehr, als zukünftig zunehmend mehr Aufwand für die Akquirierung des Personals benötigt wird, infolge der zu erwartenden weiter verschärften Arbeitsmarktbedingungen, gerade im Bereich der Fachkräfte.
Für den Konzern BWB bedeutet dies, die bereits seit Jahren praktizierten Methoden
der Bedarfsermittlung unter Berücksichtigung der Restriktionen des Personalhaushaltes fortzuführen und dabei offen zu sein für die Einführung und Anwendung neuer
bzw. zusätzlicher Instrumente bei gleichzeitig intensiver Beobachtung des Arbeitsmarktes. Notwendige Arbeitsmarktanalysen sollten dabei in Zusammenarbeit mit den
jeweiligen Arbeitsämtern der Region und überregional mit der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt werden.
[3.1.3 Nachwuchsgewinnung]
Die Nachwuchsgewinnung ist durch neue Ansätze und Instrumente zu ergänzen, die
sich aus dem Personalmarketing ergeben. Hierbei gilt es, den Wunsch bei Personen
auf dem Arbeitsmarkt zu wecken und zu fördern im Konzern BWB ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen und folgerichtig durch eine Bewerbung und spätere Annahme eines positiven, verbindlichen Stellenangebotes auch in die Tat umzusetzen.
Erfolgreiche Nachwuchsgewinnung für den Konzern BWB bedeutet damit ein intensiviertes Festhalten an den bisherigen Werbe- und Nachwuchsgewinnungsaktivitäten
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
285
(Teilnahme an Messen und sonstigen Veranstaltungen, Vergabe von Praktika, Diplomarbeiten und Dissertationen, Lehrlingsausbildung). Dies sollte verbunden werden
mit neuen Angeboten wie der Betreuung von Referendaren (Baureferendare wie bisher und zusätzlich Juristen) oder dem Aufbau und der Förderung von Kooperationen
mit Verwaltung, Militär und Industrie (z.B. BfD; Programme zwischen Streitkräften
und ziviler Verwaltung; IHK; Austauschprogramme mit der Industrie, die über bisherige Industriepraktika hinausgehen; Universitäten; Schulen).
Hierunter zählt auch ein organisierter Erfahrungsaustausch mit anderen Verwaltungen aller Ressorts, privatisierten Organisationen wie Post und Bahn und auch der
Industrie. Zudem sollten – dem Trend zunehmender Globalisierung entsprechend internationale Kooperationen vermehrt ins Auge gefasst werden neben den bisherigen Austauschprogrammen mit ausländischen Streitkräften und internationalen
Lehrgängen. Hier ist an ein organisiertes Austausch- und IndustriepraktikaProgramm mit ausländischen Firmen ebenso zu denken wie an Verwaltungspraktika
und Schul- bzw. Studienprogramme.
Auch sollte die Berufsausbildung in den Dienststellen [welche bisher fast ausschließlich aus bildungspolitischen Gründen erfolgte] dahingehend optimiert werden, dass
sie als Instrument für die Nachwuchsgewinnung dienen kann.
Vermehrt an Bedeutung gewinnen wird im Zusammenhang mit Nachwuchswerbung
auch ein kontinuierlich betriebenes Change Management, dessen Aufgabe es u.a.
sein wird, zusammen mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit den Konzern BWB transparent, kompetent und positiv belegt zu präsentieren, damit attraktiver zu machen,
um so potenziellen Nachwuchs ebenso anzusprechen wie die eigenen Mitarbeiter.
Letztlich sind auch alternative Möglichkeiten für eine temporäre Personalakquisition,
unter Umständen auch über sog. Personaldienstleister, (Personalleasing, Zeitarbeit,
Dienstverträge) in Betracht zu ziehen. Neben der kurzfristigen Personalbedarfsdeckung ergeben sich auch Möglichkeiten, die temporär eingesetzten Mitarbeiter für ein
dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zu gewinnen.
[3.1.4 Ausschreibungsprofile und Auswahlverfahren]
Das vom Konzern BWB benötigte individuelle Personalvermögen gilt es durch detaillierte Ausschreibungsprofile zu definieren. Dies setzt voraus, dass intern zunächst
darüber Klarheit geschaffen werden muss, welche fachlichen und persönlichen
Schlüsselerfolgskriterien der Kandidat erfüllen muss. Diese Vorstellungen sind sodann transparent, d.h. öffentlich zu machen und in Frage kommende Interessenten
über eine Stellenausschreibung anzusprechen.
Werden mehrere Einstellungsbewerber angesprochen, gilt es aus diesen die geeignetsten heraus zu finden. Die erforderlichen Selektionsentscheidungen lassen sich
durch unterschiedliche Auswahlinstrumente treffen, dies in ein – oder mehrstufigen
Verfahren. Neben den Eindrücken eines persönlichen Vorstellungsgespräches –
nach vorangegangener Sichtung der Bewerbungsunterlagen - und Auswahl-, d.h.
Leistungstests kommt dem sog. Assessment Center (AC) eine besondere Bedeutung
zu. In diesem werden die Kandidaten von mehreren Beurteilern in verschiedenen
Übungssituationen beobachtet und bewertet, insbesondere unter Berücksichtigung
des zuvor definierten Ausschreibungsprofils. Aus methodischer Sicht ist von besonderer Bedeutung, inwieweit die Auswahlkriterien tatsächlich kritischen Erfolgsfakto-
286
Zweiter Teil
ren in der Praxis entsprechen und ob es gelingt, Praxissituationen zu simulieren.
Prognosefähige Aussagen lassen sich auf diesem Wege nur ableiten, wenn dem AC
eine in der Regel sehr aufwendige methodische und organisatorische Vorarbeit vorangegangen ist und die Beobachter selbst außerordentlich gut geschult und kompetent sind
AC sind in der Praxis des BWB höchstens im Ansatz vorhanden. Bisher fehlt es an
eigens dafür ausgebildeten und laufend geschulten Auslesenden, die in der Lage
sind, den Anforderungen an ein professionelles und damit erfolgreiches AC in jeder
Beziehung gewachsen zu sein. Hier gilt es zukünftig, entsprechende Kompetenzen
mit Hilfe geeigneter Fortbildungsmaßnahmen innerhalb des Konzerns dauerhaft aufzubauen, diese laufend zu schulen und hiernach entsprechend einzusetzen.
Die Wahl des Auswahlverfahrens sollte auf alle Fälle auch an ökonomischen Kriterien ausgerichtet sein, nämlich das Verhältnis des Aufwands (des Verfahrens) zum
Nutzen (Bedeutung des Personalvermögens) sollte angemessen berücksichtigt werden.
[3.1.5 Einstellung und Einführung
Jede noch so erfolgreiche Nachwuchswerbung und -gewinnung scheitert, wenn geeignete Bewerber Einstellungsangebote ausschlagen bzw. im Hinblick auf negativ
empfundene Einstellungsvoraussetzungen von vorne herein eine Bewerbung gar
nicht erst ins Auge fassen. Hier gilt es anzusetzen und die Attraktivität der Einstellungs- aber auch der Einführungsbedingungen zu steigern. Dabei ist zunächst das
Prinzip der bisherigen Laufbahnausbildungen zu hinterfragen.
Deren Schwachstellen liegen insbesondere in den Bereichen Anwärtervergütung,
starre Einstellungstermine, Praxisferne der Lehrinhalte, Unkenntnis über den zukünftigen Arbeitsort, die vorgesehene Verwendung und keine angemessene Berücksichtigung des Vorbildungsgrades.
Auf der Suche nach Alternativen zum bisherigen System lassen sich unterschiedliche
Ansätze finden. Zur Zeit schreibt die Bundeslaufbahnverordnung das Prinzip der
Laufbahnausbildung vor und lässt keinen Spielraum für deren Verkürzung (z.B. 1,5
Jahre im höheren technischen Dienst), die notwendig erscheint. Eine Verbesserung
in diesem Bereich kann u.a. auch durch die Änderung des Vorbereitungsdienstes
selbst erreicht werden. Der Bewerber erhält mit dem Einstellungsangebot gleichzeitig
eine Zusage für den konkreten Einsatzort und die Art der Tätigkeit während des
praktischen Ausbildungsabschnittes. Dabei muss die praktische Ausbildung am vorgesehenen Arbeitsplatz stattfinden. Zusätzlich sollte der Anwärter von einem Mentor
betreut werden und alternierend zur praktischen Tätigkeit Lehrgänge an den einschlägigen Schulen besuchen.
Der Vorbereitungsdienst insgesamt wird jedoch von potenziellen Bewerbern für die
technischen Laufbahnen nach wie vor als unattraktiv bewertet und ist einer der
Hauptgründe für den kontinuierlichen Bewerberrückgang in diesem Bereich (vgl. T.z.
3.1.2).
Denkbar wäre die Einstellung als Angestellter mit Zeitvertrag unter gleichzeitiger Übernahme in ein zentral geplantes, gesteuertes und kontrolliertes Trainee-Programm.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
287
Am Ende des Trainees, das evaluationsfähig aufgebaut sein muss, wird über die
Eignung für eine weitere Tätigkeit in der Wehrverwaltung entschieden.
Die Bandbreite an Möglichkeiten reicht also von einer Beibehaltung der Laufbahnausbildung mit deutlich veränderten Rahmenbedingungen über Trainee-Programme
im Angestelltenverhältnis als Alternative zur Laufbahnausbildung bis hin zur Schaffung sonstiger Einstellungsmodelle in allen denkbaren Statusgruppen.
Zentraler Aspekt aller Maßnahmen zur Personalakquisition muss es letztlich sein –
unabhängig davon, wie groß der Bedarf an Nachwuchs im Einzelfall auch sein mag –
, stets diejenigen auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich anzusprechen, die nach den Vorstellungen des BWB und seines Geschäftsbereichs die idealen Mitarbeiter wären, die
man auch nach Jahren und Jahrzehnten noch im Hause wiederfinden möchte.
[3.2 Personalentwicklung]
[3.2.1 Ziele und Grundsätze]
Personalentwicklung muss in einer engen Verbindung mit der Organisationsentwicklung stehen. Sie zielt damit auf einen interaktiven Veränderungsprozess ab, bei dem
die Ziele des BWB mit den Interessen der Mitarbeiter soweit wie möglich zur Deckung zu bringen sind. Personalentwicklung ist damit mitverantwortlich für die Qualität und Effizienz des Verwaltungshandelns. Als Führungsinstrument soll Personalentwicklung die Beschäftigten motivieren und das Betriebsklima nachhaltig verbessern.
Diese Zielsetzung wird durch die „Personalentwicklungskonzeption für Beamtinnen
und Beamte des gehobenen und höheren Dienstes in der Bundeswehr“ (PEK) [ siehe
Abschnitt 5.3.3 d.D.] angestrebt, deren Anliegen es unter anderem ist, „Mitarbeiter/ innen mit einer deutlich überdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit frühzeitig zu erkennen und kontinuierlich auf die Übernahme von Führungsaufgaben vorzubereiten“. Allerdings gilt es, die PEK auf die neuen Strukturen und
Abläufe des Konzerns BWB abzustimmen und vor dem Hintergrund eines gesamtheitlichen und integrativen Personalmanagements fortzuentwickeln.
Dies erfordert auch den Einsatz bestimmter Instrumente, die für eine Umsetzung der
PEK im Sinne der oben genannten Zielsetzung unabdingbar sind. Diese Instrumente
sind:
· Potenzialanalyse,
· Coaching,
· Funktionskreis orientierte Rotation,
· Managementverwendungen,
· Konzeptionelle Fortbildung und
· Evaluation von PE-Maßnahmen.
Bei der Umsetzung der PEK sowie beim Einsatz der genannten Instrumente ist zu
berücksichtigen, dass Führungsverantwortung sich nicht nur auf Beamte des gehobenen und höheren Dienstes beschränkt. Führungsaufgaben können auch Beamten
des einfachen und mittleren Dienstes sowie vergleichbaren Arbeitnehmern auf Dauer
übertragen werden, was innerhalb des Konzerns BWB insbesondere bei den Dienststellen nicht selten der Fall ist.
288
Zweiter Teil
[3.2.2 Fortentwicklung der PEK]
Eines der wichtigsten Ziele einer funktionierenden Personalentwicklung ist die Stützung und Förderung von Führungsqualifikationen.
Im Hinblick auf die Stärkung der Projektbearbeitung als Kernaufgabe des BWB, ist
diese eindimensionale Zielsetzung jedoch kritisch zu betrachten. Sie impliziert, dass
leistungsstarke Mitarbeiter als Fachleute (Fachkräfte, Spezialisten, Experten) keine
berufliche Perspektive haben. Da der größte Teil dieses Personenkreises sich jedoch
durch ein hohes Anerkennungsbedürfnis motiviert und nicht in seiner Entwicklung
stehen bleiben will, unterwerfen sich zur Zeit viele Mitarbeiter der PEK, obwohl sie
eigentlich einer Führungsposition eher abgeneigt gegenüberstehen.
Die geltende PEK ist insoweit eher ein starres Regelwerk, als ein Konzept, das
Selbstenfaltungsbedürnisse der Mitarbeiter unterstützt. Dieses Regelwerk führt vielmehr zu einer gewissen „Abhakmentalität“.
Die Einrichtung einer Fachlaufbahn neben der Führungslaufbahn mit echten Aufstiegsmöglichkeiten, die z. B. durch Stellenbündelungen und eigenen Entwicklungsprogrammen erreicht werden könnten, ist sinnvoll. Eine solche Fachlaufbahn ist insbesondere für Mitarbeiter der Dienststellen, dort für Beamte des gehobenen und höheren technischen Dienstes von Interesse.
Außerdem könnte über eine solche Fachlaufbahn der Personenkreis der Angestellten in die Regelungen der PEK eingebunden werden. Damit würde auch die Widersprüchlichkeit in der PEK ausgeräumt, die in ihrer Zielsetzung zwar alle Mitarbeiter
(vgl. Ziffer 1.1 PEK) anspricht, Regelungen aber nur für Beamte enthält.
Insgesamt betrachtet wird die geltende PEK den Besonderheiten des Rüstungsbereiches nur unzureichend gerecht, da die Mehrheit der Beschäftigten Angehörige des
technischen Dienstes und nicht selten im Angestelltenverhältnis beschäftigt sind.
Hinzu kommt die spezielle Problematik der Dienststellen, welche in Zukunft Bundesbetriebe sein werden. Zur Zeit wird der technische Nachwuchs nach Beendigung der
Laufbahnausbildung zur Dienststelle abgeordnet, was sowohl von den Betroffenen
als auch von den Dienststellen kritisiert wird. Zwar wird eine Erstverwendung bei den
Dienststellen überwiegend positiv bewertet, jedoch sollte eine mindestens 3 – 5 jährige Verwendung vorgesehen werden.
[3.2.3 Potenzialanalyse]
Im Vorwort zur PEK ist vom „frühzeitigen Erkennen“ besonders leistungsbereiter Mitarbeiter die Rede. Hierfür fehlt es derzeit noch an einem systematischen Vorgehen
bzw. dem Einsatz wissenschaftlich fundierter Methoden für die Identifizierung von
Führungskräften. Dieses Defizit kann durch die Einführung der Potenzialanalyse behoben werden. Die Potenzialanalyse ermöglicht eine gezielte Identifizierung von Mitarbeiterpotenzialen und bietet daher eine gute Basis für Personalplanungs- und entwicklungsstrategien. Im Konzern BWB bietet sich die Potenzialanalyse für zwei
Bereiche an:
·
·
Bei der Einstellung des höheren Dienstes wegen zukünftig wahrzunehmender
Führungsaufgaben in Form des Assessment Center (s. Tz. 3.1.4).
Für die vorhandenen Führungskräfte in Form des Management Audit.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
289
Natürlich ist es notwendig, bei allen Mitarbeitern des BWB die Bereitschaft zu erzeugen, die neuen Organisationsstrukturen zu verinnerlichen. Dies funktioniert jedoch
am besten als „Top-Down-Prozess“ über die Führungskräfte. Führungskräfte im
„Konzern BWB“ sollen nicht mehr auf alten „Befehlsstrukturen“ basierend ihre Einheiten führen, sondern vielmehr müssen sie ihren Mitarbeitern Freiräume schaffen,
um deren Potenziale freizusetzen. Die Bewertung der Leistung von Führungskräften
in einer sich verändernden Organisation stellt in der Regel ein Problem dar. Die traditionelle Bewertung bzw. Beurteilung durch den Vorgesetzten ist jedenfalls - von
den sonstigen Schwächen des Beurteilungswesens einmal abgesehen - zu einseitig
und immer noch von nicht messbaren Anteilen beeinflusst.
Hier bietet das Management Audit einen geeigneten Ansatz. Beim Management Audit werden die wesentlichen Entscheider und Gestalter einer Organisation im Hinblick
auf Stärken und Schwächen analysiert. In Bezug auf die Machbarkeit von Veränderungen können so gute Erkenntnisse gewonnen werden. In das Management Audit
sollte auch das sogenannte Mitarbeiter-Feedback einbezogen werden, bei dem die
Mitarbeiter selbst über standardisierte Beurteilungskriterien einen Beitrag zu den Erkenntnissen bezüglich des Führungspotenzials ihres Vorgesetzten leisten.
Bei der Einstellung von zukünftigen Führungskräften ist dem Assessment Center der
Vorzug einzuräumen. Während beim Management Audit der strategischorganisatorische Bezug im Vordergrund steht, arbeitet das Assessment Center mehr
personalentwicklungsorientiert.
In Zukunft muss der Personalentwicklungsbedarf der Organisationsentwicklung folgen und nicht mehr starr durch freie Dienstposten festgelegt werden. Die neue
Struktur wird flache Hierarchien vorsehen und damit eine veränderte Führungsstruktur und -kultur mit sich bringen. Hier kann die Potenzialanalyse gewinnbringend eingesetzt werden (vgl. Ziffer 1. Ziele, Nr. 1.2, 3. Strichaufzählung der PEK: „gezielte
Auswahl und Entwicklung von besonders leistungsfähigen und leistungsbereiten Mitarbeitern zu Führungskräften“).
[3.2.4 Coaching]
Die PEK regelt unter Ziffer 4 den „Verwendungsaufbau“, der sich in die Beobachtungsphase, Identifizierungsphase und Entwicklungsphase gliedert. In der Beobachtungsphase (Ziff. 4.2 der PEK) soll der Mitarbeiter u. a. „von verschiedenen Vorgesetzten auf mögliche Führungseignung beobachtet werden“.
Der Begriff des „Beobachtens auf Führungseignung“ ist zu konkretisieren. Zentrale
Aufgabe des Vorgesetzten in der Beobachtungsphase ist die Organisation von Lernprozessen und die Förderung der Selbstverantwortung der Mitarbeiter. In diesem
Zusammenhang ist „Coaching“ als modernes Führungsinstrument mehr als ein
Schlagwort. Es ist ein ideales Instrument für Vorgesetzte, die Lernbereitschaft und
Selbstverantwortung der Mitarbeiter zu fördern.
Coaching ist damit Instrument des situativen Führens, mit dem die fachlichen und
persönlichen Ressourcen der Mitarbeiter mobilisiert werden können. Es setzt das
Potenzial frei, die eigene Leistung zu maximieren, führt insgesamt zu einer Leistungsverbesserung.
Im Konzern BWB sollte das Coaching daher als Instrument für Vorgesetzte eingeführt werden und bereits in der Beobachtungsphase greifen, um die Nachwuchs-
290
Zweiter Teil
kräfte frühzeitig zur Selbstverantwortung zu motivieren (Coaching hilft eher zu lernen,
als dass es etwas lehrt).
[3.2.5 Funktionskreis orientierte Rotation]
Die Mitarbeiterrotation (Job Rotation) ist ein wichtiges Instrument in der modernen
Personal-entwicklungspraxis. In Ausgestaltung des Prinzips der Verwendungsbreite
geht auch die PEK davon aus, dass dienstliche Erfahrung, die in unterschiedlichen
Verwendungen und auf verschiedenen Ebenen gewonnen wurde, die Mitarbeiter vor
allem im Hinblick auf die Führungseignung besonders qualifiziert.
Vor dem Hintergrund einer komplexen Personalplanung darf das Rotieren von Mitarbeitern aber nicht unkontrolliert bzw. zufällig erfolgen, da dies zu suboptimalen Ergebnissen führt. Ungerichtete Verwendungsfolgen, die nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, sind unwirtschaftlich, weil sie Personalvermögen mit relativ
hohem Aufwand nur geringfügig (wenn überhaupt) vermehren, da Fachkompetenzen
durch allzu verschiedene Verwendungen verloren geht. Abgesehen davon, dass in
den Organisationsbereichen das für eine lernende Organisation notwendige Fachwissen mit jedem Mitarbeiterwechsel verloren geht. Auch für das Funktionieren eines
internen Arbeitsmarktes (s.u. Tz. 3.3.3) sind sinnvolle Mobilitätsketten unabdingbar.
Deshalb sind Verwendungsfolgen nach sachlichen und fachlichen Aspekten quasi als
Rotationskorridore zu strukturieren, damit sowohl die dienstliche Einsatzplanung als
auch die individuelle Karriereplanung hierauf abgestimmt werden kann.
Als Grundlage hierfür sind zunächst folgende Funktionskreise identifiziert worden,
innerhalb derer übereinstimmende Anforderungen hinsichtlich Fachrichtung, funktionaler Qualifikation und Vorverwendungen vorliegen:
· Projektarbeit gem. CPM,
· Haushalts- und Finanzwesen,
· Organisation und Personalmanagement,
· Internationale Kooperation,
· Vertrags- und weitere Rechtsangelegenheiten,
· Preis- und Kostenmanagement sowie
· Managementunterstützung (z.B. Controlling).
Es besteht also hierbei die Möglichkeit einer relativen Verwendungsbreite bei Erhaltung und weiterer Nutzung bereits erworbener Spezialqualifikationen und damit einer
optimalen Entwicklung von Personalvermögen innerhalb der Regelungen der PEK.
[3.2.6 Managementverwendungen]
Nach Beobachtungsphase und Identifizierungsphase ist es Ziel der Entwicklungsphase, Mitarbeiter des höheren Dienstes auf die „Übernahme höherer Führungsverantwortung vorzubereiten“ (Ziffer 4.4 der PEK). Hierfür ist eine „erfolgreiche ministerielle Verwendung“ zu durchlaufen. Damit ist eine „Führungskarriere“ im nachgeordneten Bereich allein nicht möglich. Dies greift zum Teil stark in das Selbstentfaltungsbedürfnis der Mitarbeiter ein und wird der neuen Zielsetzung des BWB als Konzern nicht gerecht. Diesem verschließt sich damit unter Umständen bereits vorhandenes Personalvermögen, weil den betroffenen Mitarbeitern aus rein formalen Gründen die Übernahme höherer Führungsverantwortung im Konzern BWB versagt wird.
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
291
Das Erreichen der Führungsebene II muss in begründeten Ausnahmefällen auch ohne die ministerielle Verwendung möglich sein. Verwendungen z.B. bei einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder besonders herausragende Verwendungen im
nachgeordneten Bereich (z.B. die vorübergehende Wahrnehmung besonderer Managementaufgaben) müssen zum Erreichen der Führungsebene II ausreichen, um
eine persönliche Karriereplanung im nachgeordneten Bereich sicherzustellen. Auch
in diesen Verwendungen erhält der Mitarbeiter den notwendigen Eignungsvorsprung,
der ihn für die Übernahme höherer Führungsverantwortung besonders qualifiziert.
Dies ist auch im Hinblick auf das Entstehen einer Corporate Identity durch den Aufbau eines entsprechenden Selbstbewusstseins im Konzern BWB von Bedeutung.
[3.2.7 Konzeptionelle Fortbildung]
Ziffer 5 der PEK legt die „Verknüpfung von Personalaufbau- und Fortbildungsplanung“ fest.
Diese Verknüpfung soll u.a. dadurch sichergestellt werden, dass die „einzelne Fortbildungsplanung in die Verwendungsplanung einzufügen“ ist, was allerdings nicht
ausreicht. Hier fehlt der Hinweis auf detaillierte Anforderungsprofile bezüglich der
Dienstposten (s.u. Tz. 3.3.2). Detaillierte Anforderungsprofile sind vor dem Hintergrund einer bedarfsgerechten Fortbildung unabdingbar. Während die Fortbildung
z.Zt. teilweise noch angebotsorientiert ausgelegt ist, stellen detaillierte Profile jedes
Dienstpostens eine bedarfsorientierte Fortbildung sicher.
Auf Grundlage der Kumulation aller Anforderungsprofile lässt sich sodann ein bedarfsorientiertes Fortbildungskonzept erstellen und fortschreiben.
Hierdurch wird die Rolle der Fortbildung für die Personalentwicklung erheblich gestärkt, so dass die individuelle Entwicklung der Mitarbeiter aus einem ausgewogenen
Mix aus Fortbildungsmaßnahmen und Verwendungsfolgen besteht. Dieses führt zu
einem klaren Qualifikationsprofil, welches einerseits den Mitarbeitern echte Karrierechancen eröffnet und andererseits dem konkreten Bedarf an Personalvermögen in
den einzelnen Bereichen der Dienststellen und Abteilungen entspricht.
Die Einteilung der Fortbildung nach PEK in Einführungs-, Fach- und Führungsfortbildung ist sinnvoll.
Dabei ist die Führungsfortbildung von besonderer Bedeutung, da die Führungskräftequalifizierung ein wichtiges Ziel jeder Personalentwicklung ist. Die PEK schreibt in
diesem Bereich zur Zeit nur die Teilnahme der zentral an der BAkWVT [Bundesakademie für Wehtechnik und Verwaltung, s. 1.4.2.1 d.D.] durchgeführten Führungslehrgänge Teil I und II vor.
Dies ist nicht ausreichend. Den Führungskräften kommt gerade im Veränderungsmanagement besondere Bedeutung zu. Sie müssen Motor der Veränderung sein. An
dieser Stelle sind weitere Fortbildungsmaßnahmen als Unterstützung unerlässlich.
Sinnvoll ist die Fortbildung der Führungskräfte auf Grundlage eines Gesamtkonzeptes als dezentrale Ergänzung zu den etablierten Führungslehrgängen, die im übrigen
überarbeitet werden sollten. Ein solches Konzept sollte alle wichtigen Führungsaufgaben im Konzern BWB abdecken.
292
Zweiter Teil
Folgende Themen sind u.a. von Bedeutung:
- Betriebswirtschaftliche Kenntnisse:
(hier kann bereits heute auf einen Lehrgang „Modernes Verwaltungsmanagement
– Betriebswirtschaftliches Denken“ verwiesen werden, dessen Teilnahme obligatorisch sein sollte),
- Führen mit Zielen (Management by Objectives) und Delegation von Verantwortung,
- Zielfindungen im Team erarbeiten,
- Grundregeln im Veränderungsmanagement,
- Emotionale und soziale Kompetenz,
- Selbstmanagement: Motivation, Stress und Zeit,
- Führen internationaler Teams oder
- Coaching im systemischen Ansatz.
[3.2.8 Evaluation von PE-Maßnahmen]
Ziffer 5.1 der PEK schreibt eine „individuelle Überprüfung“ von Fortbildungsmaßnahmen „auf ihren dienstlichen Nutzen aus der Sicht des Mitarbeiters und des Vorgesetzten“ fest.
Über das „Wie“ einer solchen Erfolgskontrolle ist keine Aussage getroffen. Ziel jeder
Erfolgskontrolle ist eine Qualitätsüberprüfung der Fortbildungsmaßnahme selbst, der
verbesserten Arbeitsleistung des Teilnehmers und die Ermittlung eventuellen Nachsteuerungsbedarfs hinsichtlich Zielsetzung, Konzeption, Durchführung und Teilnehmerauswahl der Maßnahme.
Möglichkeiten der Erfolgskontrolle sind Tests (schriftliche/mündliche Prüfungen) oder
Befragungen (schriftlich/mündlich). Eine Bewertung der in der Folgezeit verbesserten
Fähigkeiten im konkreten Arbeitsumfeld kann z.B. mit REFA-Methoden vorgenommen werden.
[3.3 Personalausstattung ]
[3.3.1 Ziele und Grundsätze]
Vornehmliches Ziel der Personalausstattung ist die bedarfsgerechte und zeitnahe
Bereitstellung des konkret benötigten Personalvermögens für die jeweiligen Geschäftsbereiche in den Abteilungen und Dienststellen.
Die Personalausstattung folgt dabei dem Grundsatz der optimalen Übereinstimmung
von Anforderung des Dienstpostens mit der Qualifikation und den Interessen der Mitarbeiter („die richtige Frau, der richtige Mann auf der richtigen Stelle“).
Dies ist wiederum abhängig vom Einsatz bestimmter Instrumente, mit dem sowohl
planmäßige als auch ungeplante Dienstposten(nach)besetzungen vollzogen bzw.
freigesetzte Mitarbeiter anderweitig verwendet werden können.
Ein wesentliches dieser Instrumente ist die Personalplanung (vgl. Tz. 2.2.1), hier die
Teilbereiche Personaleinsatzplanung und -freisetzungsplanung, welche auf systematischen Personalbedarfsermittlungen beruht oder sich aus den Projektplanungen
gem. CPM ergeben. Um diese Planung umsetzen und auf ungeplante Vakanzen
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
293
kurzfristig reagieren zu können bedarf es weiterer Instrumente, wie:
·
·
·
Anforderungs- und Qualifikationsprofile,
Interner Arbeitsmarkt und
Ausschreibungen und Auswahlverfahren,
die im Folgenden näher beschrieben werden.
Außerdem unterstützt die konsequente Nutzung von Möglichkeiten für einen flexiblen
Arbeitseinsatz („Neue Formen der Arbeit“) die Zielsetzung der Personalausstattung.
[3.3.2 Anforderungs- und Qualifikationsprofil]
Als Grundlage für eine wirksame Personalplanung sowie für einen kurzfristigen, ungeplanten Personaleinsatz ist eine aussagekräftige und gesicherte Informationsbasis
zwingend erforderlich. Diese wird auf der Seite der Dienstposten durch standardisierte, detaillierte und aktuelle Anforderungsprofile und auf der Seite der Mitarbeiter
durch adäquate Qualifikationsprofile hergestellt.
Als Anforderungsprofil ist die personenneutrale Beschreibung der Fähigkeiten und
Kompetenzen zu verstehen, die zur Erfüllung der mit dem Dienstposten verbundenen
Aufgaben notwendig sind. In seiner Grundstruktur sollte ein Anforderungsprofil aus
mindestens fünf Kriterien bestehen:
· Formale Voraussetzungen (z.B. Hochschulabschluss),
· Fachliche Kompetenzen (z.B. personalwirtschaftliche Kenntnisse),
· Methodische Kompetenzen (z.B. Entscheidungs- und Problemlösungstechniken),
· Soziale Kompetenzen (z.B. Teamfähigkeit) und
· Persönliche Kompetenzen (z.B. abstraktes, analytisches und strategisches Denken, Belastbarkeit).
Für einzelne Dienstposten können Gewichtungsfaktoren hinzugefügt werden, welche
die Wertigkeit des jeweiligen Kriteriums für die Aufgabenerfüllung anzeigen.
Ein Anforderungsprofil sollte mit der erstmaligen Einrichtung eines Dienstpostens auf
Grundlage des Geschäftsverteilungsplanes erstellt werden und anschließend regelmäßig, möglichst unter Beteiligung der jeweiligen Dienstposteninhaber, fortgeschrieben werden. Keinesfalls darf im Rahmen einer Ausschreibung von den Inhalten des
Anforderungsprofils abgewichen werden.
Quasi spiegelbildlich steht dem Anforderungsprofil das Qualifikationsprofil für den
einzelnen Mitarbeiter gegenüber. Dieses ist die Beschreibung des aktuellen Standes
der Eignung, der Befähigung und der fachlichen Leistung auf Grundlage der Ausund Fortbildung, verschiedener Verwendungen sowie der dienstlichen Beurteilung
des Mitarbeiters und für Führungskräften auch der Potenzialanalyse. Es wird ergänzt
durch individuelle Verwendungswünsche und Präferenzen, welche sich aus Mitarbeitergesprächen und PE-Gesprächen [Begriff der PEK] ergeben haben.
Somit dokumentiert ein Qualifikationsprofil, dessen Grundstruktur im übrigen den
Anforderungsprofilen entsprechen sollte, weitestgehend das individuelle Personalvermögen eines Mitarbeiters.
Bezüglich der durch Aus- und Fortbildung sowie durch Verwendungsfolgen erworbenen Qualifikationen sind bestimmte Umstände angemessen zu berücksichtigen, die
294
Zweiter Teil
zu einem Verfall des Wissens, z.B. durch Nichtanwendung oder technischer Fortschritt (sog. „Halbwertzeit des Wissens“) entstehen kann.
[3.3.3 Interner Arbeitsmarkt]
Für eine optimale Personalausstattung ist die Institutionalisierung eines internen Arbeitsmarktes förderlich. Bei diesem handelt es sich um ein virtuelles Gebilde, das
nicht aus reinen Angebots- und Nachfragebeziehungen besteht, sondern wesentlich
durch die beamten- und tarifrechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Laufbahnprinzip,
Lebenszeitprinzip und Kündigungsschutz) sowie durch die Personalentwicklungskonzeption geprägt ist.
Auftretende Personalbedarfe der Abteilungen und Dienststellen werden primär durch
den internen Arbeitsmarkt gedeckt. Personalüberhänge und –freisetzungen werden
hierüber ebenfalls gesteuert; so können Mitarbeiter, deren Dienstposten weggefallen
ist, für die aber eine unmittelbare Anschlussverwendung (noch) nicht möglich ist, in
Qualifizierungs- oder Beschäftigungsprogrammen (zeitweise auch außerhalb des
Konzerns) eingebunden werden.
Durch das Instrument eines internen Arbeitsmarktes kann auch eine gesunde Konkurrenz zwischen den Abteilungen und Dienststellen hergestellt werden. Diese erhalten dabei keine Möglichkeit mehr, Mitarbeiter mit Abwanderungsbestrebungen zu
halten, zumal dieses sich auch negativ auf deren Motivation auswirkt. Es sind eher
motivationsfördernde Effekte daraus zu erwarten, weil Abteilungen und Dienststellen
bestrebt sein müssen, gute Mitarbeiter durch die Herstellung eines förderlichen Arbeitsumfeldes (technische Ausstattung, Führungskultur etc.) unabhängig von anderen monetären oder nicht-monetären Förderungsmaßnahmen (z.B. Personalentwicklung, Leistungsprämien und –zulagen) im eigenen Bereich zu halten.
Diese latente Konkurrenz kann durch Informations- und Kommunikationsmaßnahmen des Personalmarketings wesentlich gefördert werden.
[3.3.4 Ausschreibung und Auswahlverfahren]
Insbesondere bei Nachbesetzung von Förderungsdienstposten richten sich die Voraussetzungen und die Durchführungsregelungen bezüglich der Ausschreibung sowie
der Auswahlverfahren nach den rechtlichen Maßgaben.
Die jeweiligen Verfahren und Entscheidungen werden erheblich transparenter und
nachvollziehbarer, wenn als maßgebliches Auswahlkriterium der Abdeckungsgrad
zwischen Qualifikationsprofil des Bewerbers und dem Anforderungsprofil des Dienstpostens herangezogen wird; vorausgesetzt, die Grundsätze bezüglich des Anforderungsprofils werden beachtet (vgl. Tz. 3.3.2).
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
295
Die dienstliche Beurteilung verliert hierdurch nicht an Bedeutung, da einerseits bereits im Vorfeld die Teilnahme an bestimmten Qualifizierungsmaßnahmen (Fortbildung, Verwendungen) hiervon abhängig gemacht werden. Andererseits ist sie dann
heranzuziehen, wenn mehrere Bewerber einen gleichen Abdeckungsgrad zwischen
Anforderungs- und Qualifikationsprofil vorweisen, wenn also bei objektiv gleicher
Eignung und Befähigung die fachliche Leistung des Bewerbers ausschlaggebend ist.
Die Auswahl von bestimmten Führungskräften sollte auf Grundlage der Potenzialanalyse (vgl. Tz. 3.2.3) erfolgen, welche die dienstliche Beurteilung ergänzt.
In allen Fällen der Personalauswahl sollte der Leiter des Organisationsbereichs, der
Bedarf an konkretem Personalvermögen hat, entscheiden dürfen, da er die späteren
Ergebnisse und Konsequenzen dieser Entscheidung (z.B. Produktivität) verantwortet.
Zur Aktivierung der Nachfrage für den internen Arbeitsmarkt in den Fällen, in denen
keine Ausschreibung vorgeschrieben ist, sollten Ausschreibungen dennoch als Informations- und Werbemedium genutzt werden.
[3.3.5 Neue Formen der Arbeit]
Die Personalausstattung sowie die Steuerung des Personaleinsatzes vor Ort wird um
so effektiver und effizienter sein, je höher die Flexibilität, Mobilität und Motivation der
Mitarbeiter ist. Hierzu sind die künftigen beweglicheren Strukturen im Konzern BWB
durch entsprechend flexible Beschäftigungsformen zu ergänzen.
Hierzu vorhandene übergreifende Vorgaben (z.B. Gender Mainstreaming) sowie bereits bestehende gesetzliche Möglichkeiten der flexiblen Arbeits- und Arbeitszeitmodelle (z.B. Teilzeit- und Telearbeit) sind zu beachten bzw. weiter auszubauen.
Eine Optimierung der hierfür notwendigen Rahmenbedingungen (z.B. Kooperation
mit regionalen Kindergärten oder betriebseigene Tagesstätten) ist anzustreben.
296
Zweiter Teil
[3.4 Personalservice]
[3.4.1 Ziele und Grundsätze]
Zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz im operativen Personalmanagement einerseits und der Motivation der Mitarbeiter andererseits sind unterstützende Dienstleistungen im Rahmen des Personalservice notwendig.
Es handelt sich hierbei um die Restmenge aller Aktivitäten im operativen Personalmanagement, die nicht den Aufgabenfeldern Personalakquisition, -entwicklung und
–ausstattung zugeordnet werden, mit der Zielsetzung, diese Bereiche von bestimmten, meist administrativen Aufgaben zu entlasten.
Das Aufgabenfeld Personalservice kann daher in zwei Teilbereiche untergliedert
werden:
· Personalbetreuung,
die unmittelbar auf die Mitarbeiter gerichtet ist;
· Unterstützungsleistungen
für andere mit operativen Aufgaben des Personalmanagements betraute Stellen
sowie für Vorgesetzte im Rahmen der Mitarbeiterführung.
[3.4.2 Personalbetreuung]
Im Rahmen der Personalbetreuung werden rechtliche Ansprüche der Mitarbeiter
(Gebührnisse, Nebengebührnisse, Urlaub, Nebentätigkeiten etc.) bearbeitet und
verwirklicht.
Zur Personalbetreuung gehören auch verschiedene soziale Dienste, wie der ärztliche
Dienst, die Sozialarbeit, verschiedene Fürsorgeleistungen (z.B. Wohnungsfürsorge,
Rentenberatung), das Kantinenwesen oder ähnliches.
Des Weiteren zählt hierzu auch die verwaltungsseitig wahrgenommene Vertretung
(in Abgrenzung zur Personalvertretung) von Interessen bestimmter Mitarbeitergruppen durch die Frauenbeauftragte und die Vertrauensperson für Schwerbehinderte.
Umfassende Mitarbeiterformationen, die von individuellen Beratungsgesprächen über kollektive Informationen für bestimmte Personengruppen bis hin zu allgemeinen
Informationen für alle Mitarbeiter im Zusammenhang mit den vorgenannten Personalbetreuungsaufgaben sind ebenso der Personalbetreuung zuzuordnen.
Letzteres sollte auch in Verbindung mit dem Personalmarketing erfolgen, wobei Informationen zu Berufsfeldern und Entwicklungsmöglichkeiten im Konzern BWB frühzeitig und unabhängig von konkreten Stellenausschreibungen den Beschäftigten bekannt gegeben werden.
[3.4.3 Unterstützungsleistungen]
Hierzu zählen alle weiteren Dienstleistungen, die von grundsätzlicher oder
querschnittlicher Art sind und das operative Personalmanagement sowie die Mitarbeiterführung unterstützen. Diese sind im Einzelnen:
·
·
Personalgrundsatz
(einheitliche Wahrung rechtlicher und tarifvertraglicher Regelungen),
Disziplinarangelegenheiten,
6. Die Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
·
·
·
·
·
·
·
·
·
[...]
Beurteilungsangelegenheiten,
Widerspruchs- und Klagebearbeitung,
Einrichtung und Betreuung des Personalinformationssystems
(z.B. Nutzerservice, Zugriffsrechte, Belange des Datenschutzes ),
Personalaktenverwaltung,
Personalhaushalt
(Planung und Bewirtschaftung der Planstellen und Stellen gem. BHO),
Personalstatistik, einschl. Kranken- und Abwesenheitsmanagement
(soweit nicht Bestandteil des Personalcontrollings),
Arbeitszeiterfassung,
Zugangsregelungen (z.B. Dienstausweise) und
Fragen der militärische Sicherheit
(z.B. Einleitung von Sicherheitsüberprüfungen).
297
298
Zweiter Teil
6.3.6 Vorgehen bei der Umsetzung des Konzeptes
Für die Umsetzung des personalwirtschaftlichen Teils des Rahmenkonzeptes ist
folgendes Vorgehen geplant.
Dies beginnt selbstverständlich zunächst mit der Billigung durch die Leitung des
BMVg. Etwaige Änderungen und Anpassungen, die durch die fachspezifische
Prüfung und Stellungnahmen der Fachabteilungen des Ministerium bis zur Billigung erfolgen und seitens der Leitung akzeptiert werden, sind danach vorzunehmen.
Im Anschluss daran ist ein Qualifizierungsprogramm, dessen Inhalt das Rahmenkonzept ist, für die gegenwärtig mit Personalaufgaben betrauten Mitarbeiter
aufzustellen und umzusetzen. Gleichzeitig ist über die zuständigen Instanzen
anzuregen, dass die Bildungsinstitutionen der Bundeswehrverwaltung entsprechende Inhalte in die Lehrpläne aufnehmen, um auch künftige Personalbearbeiter auf das Personalmanagement vorzubereiten.
Parallel dazu sind die strukturellen Maßnahmen einzuleiten bzw. fortzuführen,
die sich aus dem Rahmenkonzept ergeben, wie z.B.
· Erarbeiten der Anforderungsprofile für alle Dienstposten
· Erstellen von Qualifikationsprofilen für jeden Mitarbeiter
· vollständige Einführung des Moduls SAP R/3 HR
· Ändern und ggf. Aufstellen neuer interner Verfahrensregelungen für das
Personalwesen (insbesondere in Bezug auf die im Rahmenkonzept genannten Instrumente)
· Einrichtung einer Stabsstelle „Personalmanagement“.
Die Stabsstelle „Personalmanagement“ hat die Aufgabe der Koordination und
Integration aller personalwirtschaftlicher Aufgaben und ist die organisatorische
Entsprechung des übergreifenden und gesamtheitlichen Ansatzes zum Personalmanagement. In der Einführungs- und Umsetzungsphase hat diese Stelle auch
erhebliche Beratungs- und Unterstützungsleitungen erbringen, welche ggf. durch
externe Beratungsleistungen ergänzt werden können.
Schlussbetrachtrachtungen
299
Schlussbetrachtungen
Mit der Dissertation zum gewählten Thema sollte untersucht werden, ob und
inwieweit es möglich ist, ein wirtschaftswissenschaftliches Erkenntnisobjekt,
die Personalwirtschaftslehre als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre, auf
Erfahrungsobjekte anzuwenden, die bisher in der Literatur selten in diesem
Kontext abgehandelt wurden. Es sollten Gründe hierfür herausgearbeitet werden, warum die Personalwirtschaftstheorien nicht oder nur bedingt auf Institutionen der öffentlichen Verwaltung (administrative Betriebe) Bezug nehmen
konnten.
In Zeiten der umfangreichen Verwaltungsreformen, die unter dem Begriff New
Public Management durch die Implementierung betriebswirtschaftlicher Denkweisen und Methoden unter anderem die Modernisierung der exekutiven
Staatsgewalt zum Ziel haben, war es angebracht, die Fragestellung differenziert
zu betrachten.
Dementsprechend haben die Untersuchungen in verschiedenen Phasen, nämlich
vor und nach den Verwaltungsreformen des New Public Managements, unterschiedliche Ergebnisse geliefert.
Die Untersuchung wurde in zwei Teilen und sechs Hauptabschnitten durchgeführt.
Der erste Teil der Arbeit (Hauptabschnitte 1-3) beschäftigte sich ausführlich mit
den Grundlagen und den zentralen Begriffen des Themas,
· dem „administrativen Betrieb“
als Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre,
· der „Personalwirtschaft“
als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre sowie
· dem „New Public Management“ als Bezugsrahmen der Untersuchungen.
Die einzelnen Begriffe wurden eingehend definiert und erläutert. Außerdem
wurden Erkenntnisse bereitgestellt, auf die dann im zweiten Teil der Arbeit zurückgegriffen werden konnte.
In diesem zweiten Teil (Hauptabschnitte 4-6) wurde dann jeweils einer der drei
in der Einleitung aufgeführten Kernfragen, die sich aus der Themenstellung ergaben wurden, nachgegangen.
Im Einzelnen mussten in den jeweiligen Hauptabschnitten folgende Probleme
behandelt werden und es konnten die entsprechenden Zwischenergebnisse festgestellt werden:
300
Schlussbetrachtrachtungen
1. Erfahrungsobjekt „administrativer Betrieb“
Ausgehend von der in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur eher
uneinheitlich definierten begrifflichen Beziehungen zwischen Unternehmen, Betrieben und Haushalten sowie die Einordnung staatlicher Institutionen unter diese Begriffe, war es notwendig, hierzu umfassend auszuführen. Hierbei wurde zunächst der Betriebsbegriff für die Zwecke dieser
Arbeit definiert und seine zentralen Bestandteile für die weiteren Untersuchungen herausgearbeitet.
Im Ergebnis konnte festgehalten werden, dass nicht alle staatlichen Institutionen unter den Betriebsbegriff subsumiert werden können. Dieser
Nachweis wurde lediglich für die Institutionen der staatlichen Exekutive
erbracht. Unter dem Begriff „administrative Betriebe“ und der Abgrenzung zu „dispositiven Betrieben“ konnten sodann auch die Besonderheiten staatlicher Institutionen gegenüber privaten Betrieben, welche in der
Literatur oftmals als Unternehmen bezeichnet werden, herausgestellt
werden.
Einen administrativen Betrieb exemplarisch darzustellen und in die Arbeit einzuführen, dazu dienten die weiteren Ausführungen zur Bundswehrverwaltung. Durch die systemtheoretische Einordnung wurden abschließend die einzelnen Subsysteme der Bundeswehrverwaltung, wie
Verwaltungsbereiche, Behörden und Dienststellen sowie deren jeweiligen
Aufgaben im Überblick vorgestellt.
2. Erkenntnisobjekt „Personalwirtschaft“
Auch bezüglich des Erkenntnisobjektes „Personalwirtschaft“ zeigt sich in
der Literatur kein einheitliches und eindeutig abgrenzbares Bild. Wie die
historische Entwicklung des Personalwesens in Theorie und Praxis zeigt,
waren es überwiegend nicht-ökonomische Ansätze, u.a. aus den Bereichen der Natur- und Arbeitswissenschaften, der Rechtswissenschaften oder der Verhaltenswissenschaften, die Erkenntnisse bezüglich der Menschen im Betrieb und dem Produktionsfaktor Arbeit bereitstellten.
Insofern war angezeigt, eine rein ökonomisch ausgerichtete Definition
zum Erkenntnisobjekt „Personalwirtschaft“, die Abgrenzung zu den Begriffen „Personalmanagement“ und „Personalführung“ sowie die Definition der Personalwirtschaftslehre als relevante Theorie zu verwenden. Diese Definitionen beruhen auf dem Personalvermögenskonzept von ORTNER und werden in Bezug gesetzt zu den Ansätzen der Neuen Institutionenökonomik (Property-Rigths-Ansatz und Transaktionskostentheorie).
Die hierbei implizit vorhandene gedankliche Trennung von Menschen
Schlussbetrachtrachtungen
301
und deren Fähigkeiten und Motivationen ist allerdings nicht unumstritten,
deshalb musste zuvor auch hierauf kurz eingegangen werden.
Zum Ende diese Hauptabschnitts wurde auf Basis der Definitionen das
Erkenntnisobjekt weiter analysiert. Dies erfolgte über die Aufgliederung
und Beschreibung einzelner personalwirtschaftlicher Aufgaben im Betrieb, welche in ihrem Zusammenwirken einen Wert schöpfenden Prozess
ergeben. Diese Wertkettenbetrachtung eignet sich dazu, Personalvermögen betriebswirtschaftlich zu steuern und das Personalwesen im Betrieb
entsprechend dem ökonomischen Prinzip zu gestalten, insbesondere
Knappheitsprobleme zu lösen und Leistungen des Produktionsfaktors Arbeit im Verhältnis zu den Transaktionskosten zu optimieren.
3. Staats- und Verwaltungsreformen des New Public Managements
Da es sich beim New Public Management weder um eine abgeschlossene
Theorie noch um ein einheitliches Konzept sondern um eine weltweite
Gesamtbewegung mit unterschiedlichen Ausprägungen handelt, musste
auch hierauf vertieft eingegangen werden. Dies erfolgte zunächst über die
zentralen Ideen und zu Grunde liegenden Prämissen sowie über die generellen Auswirkungen der Staats- und Verwaltungsmodernisierung auf
administrativen Betriebe.
Außerdem wurde der Entwicklungsstand des New Public Management im
internationalen Vergleich herangezogen, woraus sich ergab, dass
Deutschland lang Zeit eher als rückständig anzusehen war, ab Anfang der
90er Jahre aber insbesondere im kommunalen Bereich und auf Länderebene deutliche Fortschritte zu beobachten sind.
Das gilt mittlerweile auch für die Modernisierung auf Bundesebene und
der einzelnen Behörden. Unter Heranziehung und vergleichender Betrachtung der maßgeblichen Konzepte der jeweiligen Bundesregierungen
bis zur Bundestagswahl 1998 und danach, konnte nachgewiesen werden,
dass New Public Management auch auf dieser staatlichen Ebene keine
vorübergehende Zeiterscheinung ist. Es handelt sich vielmehr um einen
breiten politischen Konsens bezüglich des Modernisierungswillens, wie
die übereinstimmende Zielsetzung und die nahezu identischen Maßnahmen zeigen.
Am konkreten Beispiel der Bundeswehrverwaltung wurden diese Maßnahmen unter Bezugnahme auf die besondere Situation der Bundeswehr
zur Jahrtausendwende vorgestellt und erläutert. Hierüber kann festgestellt
werden, dass der Modernisierungsprozess auch in diesem administrativen
302
Schlussbetrachtrachtungen
Betrieb deutlich vorangeschritten ist, was entsprechende Auswirkungen
auch auf das Personalwesen vermuten lässt.
4. Personalwirtschaft administrativer Betriebe
vor den Verwaltungsreformen
Um Konsequenzen des New Public Managements für die Personalwirtschaft administrativer Betriebe aufzeigen zu können, musste zunächst
einmal eine Bestandsaufnahe vor der Verwaltungsmodernisierung vorgenommen werden. Hierzu wurde das „klassische Personalwesen“ als Referenzmodell für ein später zu analysierendes modernisiertes Personalwesen
ausführlich behandelt.
Es wurde dabei aufgezeigt, dass dieses klassische Personalwesen seine
Ursprünge in den Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem in
Preußen und in Bayern hatte. Die sich hieraus entwickelten und etablierten Grundsätze des Berufsbeamtentums wurden zu Leitprinzipien des gesamten öffentlichen Dienstrechtes in Deutschland. Dies zeigt vor allem
eine Analyse der tarifrechtlichen Grundlagen für die Beschäftigung von
den überwiegend nichtbeamteten Arbeitnehmen im Öffentlichen Dienst,
bei welchen diese Leitprinzipien ebenso einschlägig sind.
Am konkreten Beispiel der Bundeswehrverwaltung wurde aufgezeigt, wie
sich das klassische Personalwesen in seinen Grundzügen, insbesondere
durch die Vielzahl der rechtlichen Regelungen, der Organisation und der
einzelnen Verfahren gestaltet.
Nach der Bestandsaufnahme erfolgte unter Zugrundelegung der Erkenntnisse des 2. Hauptabschnittes eine personalwirtschaftliche Analyse des
klassischen Personalwesens, um der Frage nachzugehen, ob bereits von
Personalwirtschaft gesprochen werden konnte.
Im Ergebnis war festzuhalten, dass dies nicht der Fall war, da im Wesentlichen auf Grund der strukturellen Gegebenheiten, dem hohen Grad an
Fremdbestimmung und wegen der relativ hohen Regelungsdichte ein überwiegend ökonomisches Handeln im Personalwesen nur sehr eingeschränkt möglich war. Begriffe wie „Personalverwaltung“ oder Ähnliches
bezeichnen daher das klassische Personalwesen treffender.
5. Personalwirtschaftliche Elemente der Verwaltungsreformen
Durch das New Public Management wurde im öffentlichen Dienst ein Paradigmenwechsel vorangetrieben, welcher schon deutlich vor den Verwaltungsreformen begonnen hatte. Inhalt dieses Paradigmenwechsels war
Schlussbetrachtrachtungen
303
eine Neubewertung des Personals in administrativen Betrieben, welches
nicht mehr nur als Ausgabenposition in den Haushaltsplänen betrachtet
wurde sondern als Erfolg bestimmende und knappe Ressource. In diesem
Zusammenhang wurden neben neuen Begriffen wie „Personalmanagement“ oder „Personalentwicklung“ auch entsprechende Maßnahmen eingeführt, die insbesondere in einer modernen Personalführung und in umfangreichen Qualifizierungsprogrammen bestanden.
Einen besonderen Einfluss auf die Veränderungen des Personalwesens im
öffentlichen Dienst im Zusammenhang mit New Public Management
hatten die Veränderungen der Rahmenbedingung. Hierzu waren vornehmlich die rechtlichen Rahmenbedingung, insbesondere das Dienstrecht und das Haushaltsrecht, zu behandeln. Aber auch bestimmte organisatorische Veränderungen, die der Organisationsform, der Strukturen und
der Verfahren, führten zu einem deutlich modernisierten Personalwesen.
Dies belegen auch verschiedene Projekte und Konzepte der Staaten und
Verwaltungen in Deutschland. Ausgewählte Konzepte der Bundesländer
Bremen, Niedersachsen und Brandenburg sowie ein entsprechendes Projekt der Bundesregierung zeigen, dass sowohl Zielsetzung und Maßnahmen den Paradigmenwechsel aufgreifen und das Personalwesen innerhalb
der modifizierten Rahmenbedingungen deutlich modernisieren. Ein weiterer konkreter Beleg hierzu ist die Personalentwicklungskonzeption der
Bundeswehrverwaltung, welche ebenfalls vorgestellt wurde.
Schließlich wurde nach einer personalwirtschaftlichen Analyse, analog
zum Hauptabschnitt 4, nachgewiesen, dass das modernisierte Personalwesen in administrativen Betrieben durchaus als Personalwirtschaft bezeichnet werden kann.
6. Theorie einer Personalwirtschaftslehre für administrative Betriebe
Nachdem durch die bisherigen Untersuchungen festgestellt wurde, dass
New Public Management das Personalwesen in administrativen Betrieben
zu einer modernen Personalwirtschaft fortentwickelt hat, blieb noch die
Frage, ob und inwieweit die Personalwirtschaftslehre für Theorie und
Praxis von Nutzen ist.
Nach Vorstellung des Zweckes und Abwägung der drei möglichen Alternativen wurde eine Theorie aufgestellt, die im Kern besagt, dass die Personalwirtschaftslehre unter bestimmten Annahmen und Beachtung entsprechender Besonderheiten grundsätzlich auch auf administrative Betriebe anwendbar ist.
304
Schlussbetrachtrachtungen
Diese Theorie über eine „Administrative Personalwirtschaftslehre“ wurde
in ihren Grundzügen vorgestellt. Dabei war auf die einzelnen Annahmen
und das Begriffssystem ebenso einzugehen wie auf die Abgrenzung zur
„Allgemeinen Personalwirtschaftslehre“ und zur „Dispositiven Personalwirtschaftslehre“. Die wesentliche Kernaussagen dieser Theorie, welche
vor allem die Besonderheiten der Administrativen Personalwirtschaftslehre herausstellen, wurden anhand von fünf Thesen zusammengefasst.
Auf Grundlage dieser Theorie wurde vom Verfasser der Dissertation für
den Rüstungsbereich innerhalb der Bundeswehrverwaltung, dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und seinen nachgeordneten
Dienststellen (Konzern BWB), ein „Rahmenkonzept für ein Personalmanagement im Konzern BWB“ entwickelt. Der für die Personalwirtschaft
relevante Teil dieses Rahmenkonzeptes wurde unter Hinweis auf die Zielsetzung, den Entstehungsgang und der Grundlagen im Originalwortlaut
mit vereinzelten Kommentierungen am Schluss dieses Hauptabschnittes
eingearbeitet.
Schlussbetrachtrachtungen
305
Zusammenfassend können nach den jeweiligen Untersuchungen in den einzelnen Hauptabschnitten die drei eingangs gestellten Kernfragen der Dissertation
wie folgt beantwortet werden:
Antworten zu den Kernfragen
·
Konnte vor den Reformen bereits von Personalwirtschaft bezüglich administrativer Betriebe gesprochen werden ?
Vor den Verwaltungsreformen konnte das Personalwesen in administrativen Betrieben noch nicht als Personalwirtschaft bezeichnet werden. Hierfür trifft eher der Begriff „Personalverwaltung“ zu.
·
Wie und durch welche Faktoren verändern die Verwaltungsreformen das
Personalwesen administrativer Betriebe?
Die Verwaltungsreformen des New Public Managements verändern das
klassische Personalwesen durch Vorantreiben des Paradigmenwechsels
und durch Modifikation wichtiger Rahmenbedingungen dahingehend,
dass nunmehr von Personalwirtschaft gesprochen werden kann.
·
Ist es möglich oder gar notwendig, eine spezielle (administrative)
Personalwirtschaftslehre zu entwickeln?
Es ist grundsätzlich möglich, die allgemeinen Erkenntnisse der Personalwirtschaftslehre auch auf administrative Betriebe zu beziehen. Notwendig
ist dabei jedoch, die Personalwirtschaftslehre wegen der Besonderheiten
in administrativen Betrieben (Annahmen, Begriffe, Rahmenbedingungen)
im Sinne einer Administrativen Personalwirtschaftslehre weiterzuentwickeln.
Abb. III: Antworten zu den Kernfragen der Arbeit
306
Schlussbetrachtrachtungen
In Beantwortung der zentralen Fragestellung des Themas dieser Arbeit kann
über die Teilergebnisse insgesamt folgendes Gesamtergebnis festgehalten werden:
Gesamtergebnis der Arbeit
Durch New Public Management wird das Personalwesen in administrativen
Betrieben von einer Personalverwaltung hin zu einer modernen Personalwirtschaft fortentwickelt. Grundsätzlich stehen damit administrativen Betrieben die selben Ansätze und Instrumente zur Verfügung, mit welchen auch
dispositive Betriebe ihre Personalwirtschaft optimieren können.
Da einige Besonderheiten gegenüber der Personalwirtschaft in dispositiven
Betrieben auch weiterhin Bestand haben werden, ist die Übertragbarkeit der
Personalwirtschaftslehre als betriebswirtschaftliche Theorie nur eingeschränkt gegeben.
Die Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit werden im Einzelnen
durch eine Administrative Personalwirtschaftslehre aufgezeigt, die in der betriebswirtschaftlichen Theorie als spezielle Personalwirtschaftslehre herausgearbeitet werden kann.
Abb. IV: Gesamtergebnis der Arbeit
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Lebenslauf des Verfassers
319
Lebenslauf
I. Persönliche Daten
Name:
Karl-Heinz Seekatz
Geburtsdatum:
02. November 1963
Geburtsort:
Koblenz am Rhein
II. Aus- und Fortbildung
bis Juni 1982
Hebbelschule Kiel (Gymnasium)
Abschluß: Fachhochschulreife
Januar 1984 - Juni 1984
Berufsausbildung (Block) IHK-Stade
Abschluß: Bürokaufmann (IHK)
April 1989 - März 1992
Laufbahnausbildung mit Studium an der
Fachhochschule des Bundes
- FB Bundeswehrverwaltung - in Mannheim
Abschluß: Diplom-Verwaltungswirt
Oktober 1992 - März 1998
Wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium Fachrichtung Betriebswirtschaftslehre an der
Fernuniversität in Hagen
Abschluß: Diplom-Kaufmann (D II)
Juli 1999 – Mai 2002
Promotion zum Dr. rer. pol. an der
Fernuniversität Hagen (Univ.-Prof. Dr. Dr. Ortner)
diverse
Fortbildungsmaßnahmen mit Schwerpunkten
Englisch sowie EDV/IT (u.a. SAP R/3)
...
320
Lebenslauf des Verfassers
III. Hauptberufliche Tätigkeiten
Juli 1982 - Juni 1990
Soldat auf Zeit (SaZ 8)
April 1992 - März 1996
Sachbearbeiter (Beamter A9/A10) im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB);
je zwei Jahre in einem Preisverhandlungsreferat
und im Fortbildungsreferat
April 1996 - September 1998
Fachlehrer (Beamter A11/A12) an der
Bundeswehrverwaltungsschule II in Berlin
Oktober 1998 - Januar 2001
Referent (Angestellter BAT II a) in einem Preisprüfungsreferat des BWB
seit Februar 2001
Referent (Angestellter BAT II a /Beamter A 13)
im „Aufbaustab BWB“ (künftig: Leitungsstab)
für Change Management, Organisationsentwicklung und Personalmanagement
IV. Nebenberufliche Tätigkeit
Oktober 1993 - März 1996
seit Oktober 1999
Freiberuflicher Dozent an der BénédictAkademie Koblenz im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit; Abendkurse in den
Fachgebieten Betriebswirtschaftslehre und IT
Die zeitlichen Überschneidungen zwischen II. und III. ergeben sich aus der Inanspruchnahme
von Berufsförderungsmaßnahmen (Bundeswehr) und durch das in der Freizeit durchgeführte
Studium an der Fernuniversität Hagen.
Erklärung
321
Erklärung
(gemäß § 6 (8) der Promotionsordnung)
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und
ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation
angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Insbesondere habe ich nicht die
Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Alle Stellen, die
wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder nicht veröffentlichten
Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht.
Koblenz, im Oktober 2001
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