1 Einleitung 1.1 Frühgeborene Frühgeburtlichkeit, d.h. Geburt vor der vollendeten 37. SSW, tritt mit einer Häufigkeit von 6,5% auf, etwa 1,2% der Kinder sind untergewichtige Frühgeborene (<1500g, <32 vollendete SSW) (1). In den letzten Jahrzehnten ist die Überlebensrate frühgeborener Kinder durch Verbesserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie durch Fortschritte in Forschung und neonataler Intensivmedizin von 50% in den 1950er Jahren auf über 90% seit 1991 angestiegen (2). Mit den Möglichkeiten der Intensivmedizin und der damit verbundenen erhöhten Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhte sich jedoch auch das Risiko einer Reihe möglicher Folgeerkrankungen, zu denen unter anderem chronische Lungenerkrankungen, Seh- und Hörstörungen sowie neurologische Schäden zählen (3, 4). 1232% der sehr kleinen Frühgeborenen weisen entwicklungsneurologische Defizite auf oder sind verhaltensauffällig (5). Nur ein kleiner Teil der Frühgeborenen mit gestörter neurologischer Entwicklung hat eine periventrikuläre Leukomalazie (6), also eine Schädigung primär der weißen Substanz. Die bei ehemaligen Frühgeborenen beobachteten kognitiven Defizite scheinen aber mit einer gestörten Entwicklung der grauen Substanz einherzugehen (6). Hochauflösende MRT - Untersuchungen von Peterson et al. (7) zeigten, dass die graue Substanz in der parietooccipitalen sowie weniger ausgeprägt auch in der sensorimotorischen und inferior-occipitalen Region bei Frühgeborenen gegenüber Reifgeborenen reduziert ist. Diese Verminderung korreliert mit einem schlechteren entwicklungsneurologischen und kognitiven Outcome im korrigierten Alter von 18-20 Monaten. Ähnliche Untersuchungen bei 8jährigen ehemaligen Frühgeborenen ergaben besonders in den sensorimotorischen Regionen, aber auch in der prämotorischen, mitteltemporalen und parieto-occipitalen Region eine Verminderung des kortikalen Volumens (5). Auch strukturelle MRT-Untersuchungen adoleszenter ehemaliger Frühgeborener (GA <33 Wochen) zeigten im Vergleich mit Reifgeborenen eine Verminderung des Gesamthirnvolumens um 6% und eine Verminderung der grauen Substanz um 11,8% (8). Der genaue Schädigungsmechanismus des zentralen Nervensystems ist jedoch immer noch Gegenstand der Forschung. Durch die zu frühe Geburt ändert sich die Umwelt des Kindes drastisch, alle wichtigen Vitalfunktionen müssen sich umstellen: Ernährung, Ausscheidung, Gasaustausch und Wärmeregulation sind Beispiele für Aufgaben, die bis zur Geburt von der Plazenta übernommen wurden, nun aber vom Organismus selbst geleistet werden müssen. Die meisten Organsysteme befinden sich bei zu früher Geburt noch in der Ausreifung. Die Hirnstruktur ist zwar bereits in der 11. SSW vollständig angelegt, erste Gyri und Sulci sind jedoch erst in der 26. SSW nachweisbar. Zwischen der 30. und 40. SSW kommt es zu einer Zunahme des Volumens der kortikalen grauen Substanz auf das Vierfache (6). Durch vergleichende MRI-, 1 H-MR- Spektroskopie- und APIB (= assessment of the preterms behaviour)-Untersuchungen Frühgeborener 2 Wochen nach der Geburt (GA 32,5 ± 1,2 Wochen) und erneut zum eigentlichen Geburtstermin (GA dann 40,0 ± 1,1 Wochen) konnte zwar eine strukturelle, 11 biochemische und funktionelle Reifung nachgewiesen werden, jedoch war diese in allen untersuchten Punkten verzögert im Vergleich mit Reifgeborenen (GA 40,6 ± 2,1 Wochen), bei denen diese Reifung intrauterin stattfand. Gegenstand der Forschung ist es, die assoziierten schädigenden Faktoren und mögliche Schutzmechanismen zu finden. 1.2 Asphyxie und Therapie Aufgrund der Unreife des Atmungssystems kommt es bei sehr kleinen Frühgeborenen häufig zu Atemstörungen, die eine assistierende Beatmung notwendig machen. In den aktuellen Richtlinien der Arbeitsgruppe Pädiatrie des International Liaison Committee on Resuscitation (9) und der American Heart Association (10) wird im Fall der Asphyxie bei Neugeborenen eine Beatmung mit 100% Sauerstoff empfohlen, wobei es in den letzten Jahren immer mehr Hinweise auf fehlende Vorteile dieser therapeutischen Maßnahme im Vergleich mit RaumluftBeatmung (=21% O2) gibt: Die Zeit bis zum ersten Schrei und zum Einsetzen der Spontanatmung ist bei Beatmung mit Raumluft kürzer im Vergleich mit 100% O2 (11-13), auch die 5-Minuten-APGAR-Scores sind höher (12). Tierexperimentelle Untersuchungen zeigen, dass ein Sauerstoffgehalt der Beatmungsluft von 15 – 18% für erfolgreiche Reanimation ausreichend ist (14). In Bezug auf Reperfusion nach Hypoxie, die bei asphyktischen Zuständen auftreten kann, gibt es sogar Hinweise auf mögliche Nachteile des Einsatzes von 100% O2: Vento et al. (15) zeigten, dass Beatmung asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 im Vergleich mit Raumluft zu erhöhtem oxidativem Stress führt, der auch 28 Tage postnatal noch nachweisbar ist (s. 1.4 Oxidativer Streß). Untersuchungen an hippocampalen Schnittkulturen wiesen einen vermehrten Zelltod bei Verwendung von 100% O2 versus Raumluft während der Reperfusion nach Hypoxie nach (16, 17). Eine Metaanalyse verschiedener Studien ergab, dass eine Reanimation Neugeborener mit 21% Sauerstoff gegenüber einer Reanimation mit 100% für das langfristige Überleben von Vorteil ist (18). Durch die Geburt und die beginnende Lungenatmung kommt es zu einem Sprung im arteriellen Sauerstoffpartialdruck von 20 – 30 mmHg pränatal auf 60 – 99 mmHg postnatal, der auch zu einem Anstieg der Sauerstoffspannung im Gewebe führt (19, 20). Für frühgeborene Kinder stellt also Raumluft bereits Hyperoxie dar, d.h. die Organsysteme dieser Kinder werden zu einem Zeitpunkt, da sie sich größtenteils noch in der Ausreifung befinden, mit einem erhöhten Sauerstoffpartialdruck konfrontiert. 1.3 Reaktive Sauerstoffspezies und Antioxidantien Während des oxidativen Stoffwechsels entstehen kontinuierlich reaktive Sauerstoffgruppen (=ROS), zu denen eine Reihe anorganischer und organischer Moleküle, wie Superoxid-Radikal, Wasserstoffperoxid und Hydroxyl-Radikale respektive Alkoxyl- und Peroxyl-Radikale, gehören (21). Das Superoxid-Radikal entsteht zum Beispiel durch Übertragung eines einzelnen Elektrons auf molekularen Sauerstoff unter Einwirkung mitochondrialer und mikrosomaler 12 elektronenübertragender Systeme (z.B. mitochondriale Atmung, mikrosomale Oxidierung), während das Hydroxyl-Radikal durch eisenkatalysierte Fenton-Reaktion gebildet wird (22, 23) [Abb. 1-1]. ROS sind zum einen integrale Bestandteile verschiedener Signaltransduktionskaskaden und regulieren über redoxmodulierte Transkriptionsfaktoren, Kinasen, Phophatasen und Tumorsuppressoren zahlreiche immunologische, proliferative und apoptotische Prozesse (2426). Änderungen des zellulären Redoxstatus können zu einer veränderten Genexpression führen (27). Zum anderen sind ROS sehr reaktionsfreudige Moleküle, die potentiell eine Vielzahl zellulärer Strukturen schädigen können. Im Normalfall herrscht in der Zelle ein Gleichgewicht zwischen pro- und antioxidativen nichtenzymatischer und Prozessen, das enzymatischer heißt, anfallende Mechanismen in ROS weniger werden reaktive mit Hilfe Moleküle umgewandelt. 1.3.1 Nichtenzymatische und enzymatische Antioxidantien Zu den nichtenzymatischen Antioxidantien gehören unter anderem die fettlöslichen Vitamine E (α-Tocopherol) und A (Retinoide) sowie die wasserlöslichen Vitamine C (Ascorbinsäure) und die Flavonoide. Auch andere im Plasma vorhandene chemische Verbindungen wie Bilirubin Harnsäure, Steroide und Ubichinone stellen wichtige nichtenzymatische Antioxidantien dar (28). Die wichtigsten enzymatischen Antioxidantien sind in Abb. 1-1 [nach (29)] dargestellt. Das durch Ein-Elektronenübertragung auf Sauerstoff entstehende Superoxid-Radikal wird mit Hilfe der Superoxiddismutase in Wasserstoffperoxid und molekularen Sauerstoff umgewandelt. Wasserstoffperoxid kann zum einen durch Katalase, zum anderen durch Glutathionperoxidase unter Oxidation von GSH (GSSG = oxidiertes Glutathion) zu Wasser metabolisiert werden. Die Regeneration des zellulären GSH-Pools erfolgt mit Hilfe der GSH-Reduktase unter Verbrauch von NADPH. Die NADPH-Regeneration findet durch die G6P-D im Hexose-MonophosphatShunt statt. Die Neusynthese von GSH erfolgt ausschließlich im Zytosol als Produkt des γGlutamylzyklus durch γ-Glutamylcysteinsynthetase und Glutathionsynthetase (30). In den Mitochondrien als Ort des oxidativen Stoffwechsels kann GSH nicht synthetisiert werden, es gelangt vom Zytosol aus durch aktive Transportprozesse in die Mitochondrien (31). 13 H2O NADPH GSSG . OH GSH-Px Hexose Monophosphat Shunt GSH-R Fenton-Reaktion GSH Fe 3+ Coeruloplasmin O2 O2 NADP + Fe2+ H2O 2 SOD H2O Cat ½ O2 Abb. 1-1: Übersicht über die wichtigsten Oxidantien und enzymatischen Antioxidantien. O2 = -. . molekularer Sauerstoff; O2 = Superoxid-Anion; H2O2 = Wasserstoffperoxid; OH = Hydroxyl-Radikal; 2+ 3+ Fe /Fe = Eisenion; GSH = reduziertes Glutathion, GSSG = oxidiertes Glutathion; NADPH = reduziertes + Nicotinamid-Adenindinucleotid-Phosphat; NADP = oxidiertes Nicotinamid-Adenindinucleotid-Phosphat; Cat = Katalase; GSH-Px = Glutathion-Peroxidase; GSH-R = Glutathion-Reduktase; SOD = SuperoxidDismutase. 1.3.2 Antioxidantien bei Früh- und Reifgeborenen Wie Untersuchungen von Georgeson et al. (32) zeigten, sind die Aktivitäten antioxidativer Enzyme, wie Catalase, Glutathion-Peroxidase und Cu/Zn-Superoxiddismutase, im Nabelschnurblut von Frühgeborenen signifikant geringer als bei Reifgeborenen. Die arteriellen GSH-Konzentration sind bei Neugeborenen wesentlich geringer als bei gesunden Erwachsenen und zeigen einen mit dem Gestationsalter korrelierenden Anstieg (20). Auch die Konzentrationen der meisten nichtenzymatischen Antioxidantien sind bei frühgeborenen Kindern niedriger als bei reifgeborenen (4). Da sich die Enzymsysteme zur Bildung nichtenzymatischer und enzymatischer Antioxidantien noch in der Ausreifung befinden, sind Frühgeborene auf die Zufuhr dieser Substanzen und ihrer Vorläufer mit der Nahrung angewiesen. Sehr kleine Frühgeborene müssen aufgrund der Unreife des Verdauungssystems initial häufig total parenteral ernährt werden. Nachteil der totalen parenteralen Ernährung ist u.a. ein geringer Gehalt an Cystein, zum einen aufgrund der geringen Stabilität von Cystein, das schnell zu Disulfid-Cystin oxidiert, zum anderen wegen der schlechten Löslichkeit von Cystein in derartigen Lösungen (33). Hinzu kommt ein bei Frühgeborenen aufgrund der unreifen Entwicklung häufig bestehender Mangel des Enzyms Cystathionase, das die Synthese von Cystein in vivo katalysiert (34-36). Der Cystein-Plasmaspiegel ist sowohl bei Frühgeborenen <32 als auch 33-36 Wochen Gestationsalter wesentlich geringer als bei reifgeborenen Kindern (36). Die Synthese des wichtigsten intrazellulären Antioxidants Glutathion wird durch geringe 14 Cysteinkonzentrationen limitiert. 1.4 Oxidativer Stress Oxidativer Stress entsteht, wenn das Gleichgewicht zwischen pro- und antioxidativen Prozessen zugunsten der prooxidativen mit vermehrter ROS-Bildung verschoben ist und die zellulären Schutzmechanismen nicht mehr in der Lage sind, die ROS-Konzentration unter der toxischen Schwelle zu halten (37). Nicht durch Antioxidantien metabolisierte ROS führen dann zu einer Schädigung zellulärer Strukturen: In den Nukleinsäuren werden vor allen Dingen die Basen Thymin und Guanin geschädigt, außerdem kommt es zu DNA-Strangbrüchen. Können diese nicht mit ausreichender Geschwindigkeit repariert werden, führen sie zu Chromosomenveränderungen und Chromosomenbrüchen. Änderungen in Struktur und biologischer Aktivität von Proteinen werden vor allen Dingen durch Reaktion von Methionin- und Histidin-, und Cysteingruppen mit ROS verursacht. Umfangreiche oxidative Schädigungen von Lipiden führen zur Bildung von Lipidperoxiden und damit zur Störung der Membranintegrität (37). Das zentrale Nervensystem ist durch folgende Merkmale besonders anfällig für eine Schädigung durch oxidativen Streß: Zum einen ist der Sauerstoffverbrauch in Relation zum Gewicht im Gehirn besonders groß – einem Anteil von 20% am Gesamtsauerstoffverbrauch des Körpers steht ein Anteil von nur 2% am Körpergewicht gegenüber (37). Zum zweiten wurde in einigen Hirnregionen ein hoher Gehalt an freiem Eisen gefunden (38), das durch FentonReaktion zu verstärkter Bildung von Hydroxyl-Radikalen führen kann. Das Gehirn ist ebenfalls reich an oxidierbaren Substanzen wie Katecholaminen und ungesättigten Fettsäuren, die potentielle Ziele der Lipidperoxidation darstellen (39-41). Die Aktivität antioxidativer Enzyme wie SOD, Katalase und GSH-Px ist, verglichen zum Beispiel mit Leber oder Niere, relativ gering (42). Eine Möglichkeit, oxidativen Stress und damit verbundenen oxidativen Schaden zu objektivieren, stellt die Bestimmung der Glutathion-Redox-Ratio (=GSH/GSSG-Ratio) dar (20, 43). Untersuchungen von Vento et al. (43) zeigten, dass nach Beatmung reifer asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 oder mit Raumluft die GSH/GSSG-Ratio 72 Stunden postnatal bei beiden Gruppen im Vergleich mit nichtasphyktischen Reifgeborenen signifikant erniedrigt ist, was auf erhöhten oxidativen Stress in den beiden beatmeten Gruppen hinweist. Die Reduktion war jedoch in der 100% O2-Gruppe im Vergleich mit der Raumluftgruppe signifikant stärker und auch 28 Tage postnatal noch nachweisbar, während die Werte der Kinder der Raumluftgruppe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von denen der nichtasphyktischen Kontrollgruppe unterschieden. Diese Ergebnisse sprechen für eine anhaltende Insuffizienz der antioxidativen Systeme bei der Bewältigung oxidativen Stresses, der aus der Beatmung asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 erwächst. Oxidativer Streß kann bei reduzierter antioxidativer Kapazität zu gesteigertem Zelltod führen 15 (44). Für frühgeborene Kinder stellt in Anbetracht des intrauterinen Sauerstoffpartialdruckes von 20 – 30 mmHg bereits Raumluft (150 – 160 mmHg) einen Zustand der Hyperoxie dar, der aufgrund der Unreife der antioxidativen Enzymsysteme dieser Kinder sowie durch ungenügende Zufuhr nichtenzymatischer und enzymatischer Antioxidantien und deren Vorläufer zu erhöhtem oxidativen Stress und über die oben beschriebenen Schädigungsmechanismen zellulärer Verbindungen zu gesteigertem Zelltod im sich entwickelnden Gehirn führen kann. 1.5 Zelltod - Nekrose versus Apoptose Zelltod kann zwei unterschiedlichen Wegen folgen – Nekrose auf der einen und Apoptose auf der anderen Seite. Untersuchungen haben gezeigt, dass es von der Intensität des schädigenden Ereignisses abhängig ist, welcher Weg eingeschlagen wird. 1.5.1 Nekrose Nekrose ist in den meisten Fällen das Resultat akuter zellulärer Dysfunktion nach sehr schweren Stresssituationen oder hohen Konzentrationen toxischer Agenzien. Es handelt sich um einen passiven Prozess, der mit schnellem ATP-Verlust und Zusammenbruch der Membranfunktion einhergeht. Morphologisch ist Nekrose charakterisiert durch ein Anschwellen der Zellen, gefolgt von Ruptur der Zellmembran und Freisetzung der Zellorganellen ins Interstitium (45). Dieser Vorgang führt über Freisetzung inflammatorischer Zytokine zu einer Entzündungsreaktion im umgebenden Gewebe und damit zur Beeinträchtigung der Nachbarzellen (46). 1.5.2 Apoptose Apoptose ist ein komplexer aktiver Prozess, der nach einem konservierten Programm abläuft. Der Initialphase folgt der point of no return, gefolgt von der Phase der Degradation, in der die morphologischen Kennzeichen der Apoptose manifest werden. Ist der point of no return überschritten, kann auch die Inhibition der apoptosetypischen folgenden Ereignisse ein Fortschreiten des Zelltodes nicht verhindern. Apoptose führt so innerhalb weniger Stunden zur Bildung von Apoptosekörperchen (=apoptotic bodies) mit sofortiger Phagozytose derselben durch die Nachbarzellen und zieht im Gegensatz zur Nekrose keine sekundäre Entzündungsreaktion nach sich (47). Durch Apoptose wird das Gleichgewicht zwischen Zellproliferation und Zelltod im Organismus aufrechterhalten, sie spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Embryonalentwicklung und bei der Regulierung der physiologischen Regeneration, u.a. durch Entsorgung alter oder geschädigter Zellen oder Gewebe-Remodeling. Etwa 50% der sich entwickelnden Neuronen werden bis zur Ausreifung des Gehirns durch apoptotischen Zelltod eliminiert (48). Die morphologischen und biochemischen Veränderungen, die durch Ablauf des apoptotischen Programms in Zellen vor sich gehen, lassen sich mit Hilfe bestimmter Nachweismethoden verfolgen. Erstes sichtbares Zeichen ist eine Verminderung des Zellvolumens, das sich 16 durchflusszytometrisch in einer Verminderung des Vorwärtsstreulichts (=Forward Scatter, FSC – siehe Material und Methoden) zeigt (43). Während des apoptotischen Programms bleibt die Integrität der Zellmembran bestehen, nachweisbar durch Ausschluß von Farbstoffen wie Trypanblau oder Propidiumjodid, die die Membran nekrotischer Zellen passieren können. Es lassen sich lediglich subtile Veränderungen in der Architektur der Membran nachweisen: Phosphatidylserine, die bei vitalen Zellen praktisch nur an der Innenseite vorkommen, werden bei Zellen, die das apoptische Programm durchlaufen, in die äußere Schicht der Zellmembran verlagert. Diese Redistribution der Phophatidylserine ist mit Hilfe von Annexin V, das in Präsenz von Kalziumionen spezifisch an Phosphatidylserine bindet, nachweisbar. Auch andere Zellorganellen, wie z.B. Lysosomen, bleiben zum Großteil funktionstüchtig. Zentrales Ereignis auf molekularer Ebene ist die Aktivierung von Caspasen (= cysteine aspartate-specific proteases), einer Familie von Proteasen, die ein konserviertes Cystein enthalten und nach Aspartat spalten. Sie liegen in den Zellen als Proenzyme (=Procaspasen) vor, werden durch Proteolyse in die aktive Form überführt und aktivieren dann kaskadenartig weitere Procaspasen, deren Substrate Enzyme sind, die zum kontrollierten Abbau zellulärer Strukturen wie DNA oder Cytokeratin führen (43). Die Familie der Caspasen lässt sich entsprechend ihrer Funktion in zwei verschiedene Gruppen unterteilen: Initiatorcaspasen (Caspasen 2, 8, 9, 10) werden direkt in Folge des initialen proapoptotischen Signals aktiviert, sie arbeiten oberhalb des point of no return. Effektorcaspasen (Caspasen 3, 6, 7) hingegen werden nach Überschreiten des point of no return in der Regel durch Initiatorcaspasen aktiviert. Es gibt 3 verschiedene Modelle zur Aktivierung der Initiatorcaspasen: Zum einen wurden sogenannte „Todesrezeptoren“ (Fas/CD95/Apo-1- und TNF-Rezeptor) gefunden. Bindung entsprechender Liganden an die Rezeptoren führt zur Formierung des Proteinkomplexes DISC (=death-inducing signaling comlex), der zur Aktivierung von Caspase-8 mit kaskadenförmiger Aktivierung von Caspase-3 und weiteren Schlüsselenzymen der Apoptose führt (49). Im Mittelpunkt des zweiten Modells zur Caspasenaktivierung stehen die Mitochondrien. Bereits in den initialen Stadien der Apoptose, noch vor Redistribution der Phosphatidylserine, lässt sich ein Abfall des mitochondrialen Transmembranpotentials nachweisen, der durch das Öffnen von Poren der inneren Mitochondrienmembran verursacht wird. Verschiedene Beobachtungen (50, 51) weisen darauf hin, dass der Redoxstatus der Zelle für diesen Vorgang bedeutsam ist. Dies impliziert eine mögliche Rolle der ROS bei der Initiierung des apoptotischen Prozesses. Die mitochondriale Dysfunktion führt zur Freisetzung von Cytochrom c aus den Mitochondrien ins Zytoplasma, wo es an Apaf-1 (=apoptotic protease activating factor-1) bindet. Der sich durch Oligomerisierung von Apaf-Molekülen und ATP bildende Komplex wird als Apoptosom bezeichnet und führt zur Aktivierung von Caspase-9 mit kaskadenförmiger Aktivierung von Effektorcaspasen (52, 53). Das dritte Weg der Caspasenaktivierung wird durch zytotoxische Zellen ausgelöst, die Perforin und Granzym B als Effektoren verwenden. Perforin permeabilisiert Target-Zellen (z.B. Tumorzellen), wodurch Granzym B in deren Zytosol gelangt und dort Caspase-3 an einer spezifischen Bindungsstelle aktiviert. Unabhängig vom auslösenden Mechanismus folgt auf die Aktivierung der Caspasen der Abbau 17 zahlreicher zellulärer Bestandteile, was zu den morphologischen und biochemischen Kennzeichen der Apoptose führt: Schrumpfen der Zelle und des Zellkerns, Chromatinkondensation, internukleosomale DNA-Fragmentierung, Crosslinking von Proteinen, Bildung von Apoptosekörperchen. Letztere bestehen aus stark vernetzten Proteinhüllen, enthalten niedermolekulare DNA und exprimieren Phosphatidylserine auf ihrer Oberfläche, wodurch sie von Zellen in der Umgebung erkannt und ohne Auslösung einer sekundären Inflammationsreaktion phagozytiert werden. In den letzten Jahren ist die starke Abgrenzung von Nekrose und Apoptose durch verschiedene, voneinander unabhängige Beobachtungen etwas gelockert worden. Kroemer et al. (54) zeigten, dass geringe Konzentrationen eines Agens Apoptose auslösen können, während höhere Konzentrationen desselben Agens zu Nekrose führen. Durch Behandlung von Zellen mit Caspaseinhibitoren (55, 56) oder Faktoren, die die Verfügbarkeit von ATP reduzieren (57, 58), kann ein primär apoptotischer Prozess in einen nekrotischen konvertieren. Im Falle des durch oxidativen Stress ausgelösten apoptotischen Zelltodes könnte eine Inaktivierung der Thiolgruppen im aktiven Zentrum der Caspasen durch Oxidantien oder ROS diese Konvertierung bedingen (59). 1.6 Experimentelle Erzeugung oxidativen Stresses Oxidativer Stress, der durch Überwiegen prooxidativer Prozesse mit Akkumulation von ROS gekennzeichnet ist, lässt sich zum einen durch Reduktion der verfügbaren Antioxidantien erzeugen. Dies lässt sich z.B. pharmakologisch mit Hilfe von BSO, einem Hemmer der γGlutamylcysteinsynthetase mit dem Effekt einer inhibierten Neusynthese von GSH, simulieren (60). Etacrynsäure, die durch Glutathion-S-transferase direkt an GSH gebunden wird, führt durch Reduktion sowohl des cytoplasmatischen als auch mitochondrialen GSH-Pools ebenfalls zu einem Mangel antioxidativer Substanzen (31). Eine weitere Möglichkeiten der Erzeugung oxidativen Stresses ist der Einsatz von Wasserstoffperoxid, das in die Gruppe der ROS gehört. Verwendet werden können ebenfalls Substanzen, die zur Bildung von Radikalen führen, z.B. Linolsäure-Hydroperoxid als fettlösliches Lipidperoxid, tert-Butylhydroperoxid als amphiphatisches Hydroperoxid, Paraquat als Superoxid-Bildner oder ein Hypoxanthin-Xanthin-Oxidase-System, das zur Bildung von Superoxid und Wasserstoffperoxid führt. Abschließend ist noch Hyperoxie, d.h. ein erhöhter Sauerstoffgehalt der Luft, als Variante, oxidativen Stress zu erzeugen, zu nennen. In der Literatur wird angenommen, dass Hyperoxie zu einer Akkumulation von ROS in den Zellen führt (61). Bereits seit längerem ist bekannt, dass Hyperoxie ein Toxizitätspotential für die unreifen Organsysteme Frühgeborener besitzt. Klinische Untersuchungen der GSH-Redox-Ratio zeigen einen erhöhten oxidativen Stress bei Beatmung asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 im Vergleich mit Raumluft (11). Auch Arbeiten, 18 die sich mit dem Ausmaß von Reperfusionsschäden nach Ischämie/Hypoxie bei neonatalen Ratten (19) und organotypischen Hirnschnittkulturen neonataler Ratten (16, 17) beschäftigen, weisen auf das Toxizitätspotential von Hyperoxie im Vergleich mit Raumluft für neuronale Zellen im sich entwickelnden Gehirn hin. Der Zustand mangelnder Verfügbarkeit antioxidativer Substanzen bei erhöhtem Sauerstoffgehalt der Atemluft, wie er bei Frühgeborenen auftritt, läßt sich durch die Kombination von GSH-Inhibitoren wie BSO oder Etacrynsäure mit Hyperoxie oder ROS-Bildnern simulieren. Untersuchungen von Taglialatela et al. (62) zeigten eine erhöhte Apoptoserate im Hirn von neugeborenen Ratten nach gleichzeitiger Behandlung mit Hyperoxie und BSO. Die genannten Modelle sind für die Charakterisierung der bei der Vermittlung der Toxizität involvierten Mechanismen nur bedingt geeignet, da die Untersuchungen in Zelllysaten ganzer Hirnregionen bzw. am Gewebe erfolgt sind, d.h. die Ergebnisse spiegeln die Summe der Reaktion von Neuronen und Gliazellen wider. Für die Untersuchung der biochemischen Veränderungen, die Hyperoxie respektive gesteigerter oxidativer Streß auf Zellebene auslösen, stellt die Zellkultur ein geeignetes System dar. Als Modell für neuronale Zellen haben neben der aufwendig herzustellenden Primärkultur verschiedene Tumorzelllinien neuronalen Ursprungs Verbreitung gefunden. 1.7 Ein Die PC12-Zelllinie als Modell für neuronale Zellen verbreitetes Modell für das Studium neurobiologischer, neurochemischer und entwicklungsneurologischer Prozesse stellt die 1976 von Greene und Tischler aus dem Nebennierenmarktumor (Phäochromozytom) der Ratte isolierte PC12-Zelllinie dar (63). Bei Kultur in serumhaltigem Medium ist sie mit Vorläuferzellen adrenaler chromaffiner Zellen oder sympathischer Neuronen vergleichbar. Durch Zugabe von Nerve Growth Factor (=NGF) in serumfreiem Medium wird eine neuronale Differenzierung induziert, die zum einen zu Veränderungen in Enzymmuster und –aktivität, zum anderen zur Expression neuronaler Marker wie Neurofilament und beta-III-Tubulin und zur Ausbildung des neuronalen Phänotyps mit Aussprossen von Neuriten führt. Die Proliferationsrate sinkt, terminal differenzierte neuronale Zellen sind in der G0/G1-Phase des Zellzyklus arretiert (s. 1.8. Zellzyklusregulation). Auch die Bildung und Speicherung von Neurotransmittern wie Katecholaminen, vorrangig Dopamin, wird durch NGF ausgelöst (64). NGF zählt neben Brain-Derived Neurotrophic Factor (=BDNF), Neurotrophin-3, Neurotrophin-4/5 und Neurotrophin-6 zur Familie der Neurotrophine, die zur terminalen Differenzierung der unreifen neuronalen Zellen im zentralen und peripheren Nervensystem führen (65) und diese vor verschiedenen apoptotischen Stimuli schützen (48). Während des Differenzierungsprozesses und auch nach terminaler Differenzierung sind neuronale Zellen auf die Präsenz von Neurotrophinen angewiesen, die durch die Zielzellen produziert werden. Neurotrophine interagieren mit zwei verschiedenen Rezeptortypen, die durch niedrige bzw. hohe Affinität für diese gekennzeichnet sind (66). Die Vermittlung der antiapoptotischen und differenzierenden Wirkung erfolgt über Rezeptoren mit hoher Affinität, die Rezeptor-Tyrosin-Kinasen (Trk) A, B und C mit jeweils unterschiedlicher Affinität für die 19 verschiedenen Neurotrophine, während Stimulierung des p75-Rezeptors, der eine niedrige Affinität für Neurotrophine hat, ohne gleichzeitige Stimulation des Trk-Rezeptors zur Induktion neuronaler Apoptose führt (66, 67). Bindung der Neurotrophine an den entsprechenden TrkRezeptor führt über die Aktivierung von Signaltransduktionskaskaden zu einer veränderten Gen- und nachfolgend Proteinexpression der stimulierten Zellen und damit zur neuronalen Differenzierung der Vorläuferzellen. Bei der Regulation dieser Kaskaden spielen Proteinphosphorylierungen durch Proteinkinasen bzw. Proteindephosphorylierungen durch Proteinphosphatasen an den Aminosäuren Tyrosin, Threonin oder Serin eine wichtige Rolle (26). Als nach Bindung von NGF an den Trk-A-Rezeptor aktivierte Signaltransduktionskaskaden sind die extrazellulär regulierte Kinase 1/2 (=ERK1/2, p42/44-MAPK) und die Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) identifiziert worden. 1.7.1 Mitogen-aktivierte Proteinkinasen Neben ERK1/2 sind zwei weitere Mitglieder der Familie der MAPK (=mitogen activated protein kinases) bekannt: JNK/SAPK (c-JUN NH2-terminal kinase/stress-activated protein kinase) und p38-MAPK (68, 69). Während JNK/SAP und p38 vorrangig durch zytotoxische Stimuli wie UVund Röntgenstrahlen oder inflammatorische Zytokine wie TNF (=tumor necrosis factor) und Interleukin-1 aktiviert werden und proapoptotische Signale vermitteln, ist die ERK1/2Signalkaskade in der Regel in die Kontrolle von proliferativen oder Differenzierungsprozessen nach Stimulation der Zelle mit Wachstumsfaktoren involviert. In letzter Zeit gibt es jedoch auch Untersuchungen in verschiedenen Zellkultursystemen, die zeigen, dass Aktivierung von ERK1/2 z.B. durch Hyperoxie zur Induktion des apoptotischen Zelltodes führen kann (70, 71). Sehr gut untersucht ist die Signaltransduktionskaskade, die zur Aktivierung von ERK1/2 führt. Durch Bindung der Neurotrophine an den entsprechenden Trk-Rezeptor kommt es zur Aktivierung des G-Proteins Ras, das wiederum die MAPK-Kinase-Kinase Raf durch Bindung an deren N-Terminus aktiviert. Diese Schritte vollziehen sich an der Innenseite der Zellmembran. Raf phosphoryliert die zytoplasmatische MEK1/2-MAPK-Kinase, die zur Aktivierung von ERK1/2 führt. Ein Teil der aktivierten ERK1/2 transloziert in den Zellkern und führt dort zur Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren wie CREB, Elk-1 und c-myc (66, 72). Es gibt die Möglichkeit, mit Hilfe von 2 verschiedenen Molekülen den Signaltransduktionsweg, der zur Aktivierung von ERK1/2 führt, zu unterbrechen: PD98059 inhibiert vorrangig MEK1, während U0126 sowohl MEK1 als auch MEK2 inhibiert. 1.7.2 Phosphatidyl-Inositol-3 Kinase Die Aktivierung der PI3K durch Trk-Rezeptoren kann zum einen Ras-abhängig, zum anderen durch 3 Adapterproteine (Shc, Grb-2 und Gab-1) erfolgen. Nach Phosphorylierung durch die aktivierte PI3K führt Akt-1 zur Phosphorylierung verschiedener Transkriptionsfaktoren und Proteine, wie IκB (und damit NFκB) oder BAD, Mitglied der Bcl-2-Familie, dessen proapoptotische Wirkung durch Phosphorylierung inhibiert wird (73). Hemmung des PI3KSignaltransduktionsweges ist mit Wortmannin oder LY294002 möglich (74). 20 1.7.3 Effekte Trk-Rezeptor-vermittelter Aktivierung von Signaltransduktionskaskaden in PC12-Zellen In PC12-Zellen führt transiente Aktivierung von ERK1/2 durch EGF (=Epithelial Growth Factor) zu Proliferationsprozessen, während anhaltende Aktivierung durch NGF neuronale Differenzierungsprozesse mit Aussprossen von Neuriten zur Folge hat (73). Aktivierung der PI3K schützt vor apoptotischen Stimuli wie Serumdeprivation (48) oder Hypoxie (75). Untersuchungen mit spezifischen Inhibitoren zeigen, dass auch die Aktivierung der PI3K für das Aussprossen von Neuriten und damit die neuronale Differenzierung notwendig ist (76). Kurze Einwirkung von NGF führt über Aktivierung von ERK1/2 und PI3K zur Erhöhung des intrazellulären Calciumspiegels und in der Folge zur Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Acetylcholin. 1.8 Zellzyklusregulation Der Lebenszyklus einer Zelle lässt sich in 5 Phasen aufteilen: G(=gap)1 bezeichnet die postmitotische diploide Ruhephase, die durch eine kontinuierliche Erhöhung von zelltypspezifischer RNA- und Proteinsynthese gekennzeichnet ist. Durch mitogene Stimuli erfolgt der Übergang in die S(=Synthese)-Phase, in deren Verlauf es zur Reduplikation der DNA kommt. In der anschließenden G2-Phase werden eventuell bei der DNA-Reduplikation aufgetretene Fehler beseitigt und weitere für die Vervollständigung der Mitose benötigte Proteine synthetisiert. Als letzter Schritt der Zellteilung folgt die M(=Mitose)-Phase, in der aus der tetraploiden Zelle zwei diploide Tochterzellen entstehen. Nach Abschluss der M-Phase treten Zellen proliferierender Gewebe in eine weitere G1-Phase mit dem Ziel erneuter Teilung ein. Als 5. Phase des Zellzyklus wird die G0-Phase bezeichnet, eine Phase der Differenzierung, in der die Zellen proliferativ inaktiv sind. Ein Wiedereintritt in den Zellzyklus ist dann nur nach spezifischem Reiz möglich. Der Fortschritt im Zellzyklus wird durch Aktivierung von cyclin-abhängigen Kinasen (=cyclindependent kinase, Cdk) bestimmt [siehe Abb. 1-2, nach (77)]. Die Aktivierung der Cdks erfolgt durch Bindung an entsprechende Cycline und führt zur Phophorylierung von Zielproteinen an Serin- oder Threonin-Einheiten. Abhängig von der Phase des Zellzyklus werden unterschiedliche Cdks und Cycline exprimiert. Typisch für die frühe G1-Phase sind Cyclin D (D1, D2 und D3) - cdk4/6-Komplexe. In der späten G1-Phase kommt es zu einem Anstieg von Cyclin E, das Komplexe mit cdk2 bildet und zum Übergang in die S-Phase führt. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich ein Anstieg von Cyclin A-cdk2-Komplexen nachweisen, bei weiterem Fortschritt assoziiert Cyclin A mit cdc2. Typisch für die späte G2-Phase sind Cyclin B-cdc2Komplexe, in der Folge kommt es zur Mitose (77, 78). Der Fortschritt im Zellzyklus kann durch Bindung von Cdk-Inhibitoren (CKI) an die Cyclin-CdkKomplexe verhindert werden, wodurch die Kinase-Aktivität sinkt. Es sind bisher 2 verschiedene CKI-Familien identifiziert worden: Die Cip/Kip-Familie, bestehend aus p21, p27 und p57, und die 21 Ink4-Familie, bestehend aus p15, p16, p18 und p19. Die Regulation der Zellproliferation ist komplex und erfordert die Interaktion von intra- und extrazellulären stimulierenden und inhibitorischen Signalen innerhalb der ersten zwei Drittel der G1-Phase. Nach Überschreitung des Restriction Point wird der Zellzyklus auch ohne Präsenz mitogener Signale komplettiert. Pardee et al. konnten zeigen, dass das Retinoblastoma Protein (Rb) an dieser Stelle die Funktion eines Schalters hat (79). Liegt es hypo- oder dephosphoryliert vor, bindet es den Tranksriptionsfaktor E2F und blockiert so dessen transriptionsaktivierende Bereiche. Ein Anstieg der Cyclin D-cdk4/6-Komplexe in der frühen G1-Phase initiiert die Phosphorylierung des Rb-Proteins, in der späten G1-Phase kommt es zur Hyperphosphorylierung des Rb-Proteins durch CyclinE-cdk2-Komplexe. Damit wird der Trankskriptionsfaktor E2F freigegeben, es folgt die Tranksription und Translation von Genprodukten, die für den Fortschritt der S-Phase notwendig sind. Um eine fehlerfreie Replikation zu gewährleisten, gibt es eine Reihe von Check-Points im weiteren Verlauf des Zellzyklus, zum Beispiel steigt durch DNA-Schädigung (DNA-Strangbrüche) der p53-Spiegel stark an, was zu einem Zellzyklusarrest führt. p53 ist ebenfalls ein Transkriptionsfaktor. Zu den Genprodukten von p53 gehört unter anderem der CKI p21, der einen Großteil der verschiedenen Cyclin-cdk-Komplexe inhibieren kann. Ein p53-induzierter Zellzyklusarrest kann demzufolge sowohl in G1 als auch in G2/M auftreten. Mitogene Stimuli Cyclin B Cdc2 M G0 Cyclin D Cyclin A RB E2F G2 G1 Cyclin D Cdc2 Cdk4/6 Cdk4/6 R-Point S P-RB E2F Cyclin A Cdk2 Cyclin E Cdk2 P15/p16/p18/p19 P21/p27/p57 Transkription P-p53 Antimitogene Stimuli DNA-Schädigung P53 Abb. 1-2: Übersicht über die Regulation des Zellzyklus 22 1.9 Fragestellung Da es Hinweise auf das Toxizitätspotential von Hyperoxie auf proliferierende neuronale Zellen gibt (16, 19), die bisher verwendeten Modelle durch die Wahl der Methode (Ganztier bzw. organotypische Schnittkulturen) jedoch nur bedingt geeignet sind, die involvierten Mechanismen zu charakterisieren, soll dies mit Hilfe der als Modell für proliferierende und terminal differenzierte neuronale Zellen etablierten PC12-Zellinie untersucht werden. Insbesondere soll die Frage beantwortet werden, ob es sich bei Hyperoxie-vermittelter Zellschädigung um Nekrose oder Apoptose handelt. Durch Einsatz von BSO als Inhibitor der Glutathion-Synthese lässt sich der durch Hyperoxie verursachte oxidative Stress verstärken, somit also die Situation der noch proliferierenden neuronalen Zellen von Frühgeborenen mit unreifen antioxidativen Enzymsystemen simulieren. Durch die Fähigkeit der PC12-Zellinie zur Differenzierung in den neuronalen Phänotyp nach Zugabe von NGF ist es möglich, die Hyperoxie-Empfindlichkeit unreifer und reifer neuronaler Zellen zu vergleichen. Einsatz von Inhibitoren der in die neuronale Differenzierung involvierten zellulären Signaltransduktionswege soll zeigen, welcher dieser Wege bedeutsam für die Vermittlung der schädigenden Wirkung von Hyperoxie ist. 23