1 Einleitung

Werbung
1
Einleitung
1.1
Frühgeborene
Frühgeburtlichkeit, d.h. Geburt vor der vollendeten 37. SSW, tritt mit einer Häufigkeit von 6,5%
auf, etwa 1,2% der Kinder sind untergewichtige Frühgeborene (<1500g, <32 vollendete SSW)
(1). In den letzten Jahrzehnten ist die Überlebensrate frühgeborener Kinder durch
Verbesserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie
durch Fortschritte in Forschung und neonataler Intensivmedizin von 50% in den 1950er Jahren
auf über 90% seit 1991 angestiegen (2). Mit den Möglichkeiten der Intensivmedizin und der
damit verbundenen erhöhten Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhte sich jedoch auch das
Risiko einer Reihe möglicher Folgeerkrankungen, zu denen unter anderem chronische
Lungenerkrankungen, Seh- und Hörstörungen sowie neurologische Schäden zählen (3, 4). 1232% der sehr kleinen Frühgeborenen weisen entwicklungsneurologische Defizite auf oder sind
verhaltensauffällig (5). Nur ein kleiner Teil der Frühgeborenen mit gestörter neurologischer
Entwicklung hat eine periventrikuläre Leukomalazie (6), also eine Schädigung primär der
weißen Substanz. Die bei ehemaligen Frühgeborenen beobachteten kognitiven Defizite
scheinen aber mit einer gestörten Entwicklung der grauen Substanz einherzugehen (6).
Hochauflösende MRT - Untersuchungen von Peterson et al. (7) zeigten, dass die graue
Substanz in der parietooccipitalen sowie weniger ausgeprägt auch in der sensorimotorischen
und inferior-occipitalen Region bei Frühgeborenen gegenüber Reifgeborenen reduziert ist.
Diese Verminderung korreliert mit einem schlechteren entwicklungsneurologischen und
kognitiven Outcome im korrigierten Alter von 18-20 Monaten. Ähnliche Untersuchungen bei
8jährigen ehemaligen Frühgeborenen ergaben besonders in den sensorimotorischen Regionen,
aber auch in der prämotorischen, mitteltemporalen und parieto-occipitalen Region eine
Verminderung
des
kortikalen
Volumens
(5).
Auch
strukturelle
MRT-Untersuchungen
adoleszenter ehemaliger Frühgeborener (GA <33 Wochen) zeigten im Vergleich mit
Reifgeborenen eine Verminderung des Gesamthirnvolumens um 6% und eine Verminderung
der grauen Substanz um 11,8% (8). Der genaue Schädigungsmechanismus des zentralen
Nervensystems ist jedoch immer noch Gegenstand der Forschung.
Durch die zu frühe Geburt ändert sich die Umwelt des Kindes drastisch, alle wichtigen Vitalfunktionen
müssen
sich
umstellen:
Ernährung,
Ausscheidung,
Gasaustausch
und
Wärmeregulation sind Beispiele für Aufgaben, die bis zur Geburt von der Plazenta übernommen
wurden, nun aber vom Organismus selbst geleistet werden müssen. Die meisten Organsysteme
befinden sich bei zu früher Geburt noch in der Ausreifung. Die Hirnstruktur ist zwar bereits in
der 11. SSW vollständig angelegt, erste Gyri und Sulci sind jedoch erst in der 26. SSW
nachweisbar. Zwischen der 30. und 40. SSW kommt es zu einer Zunahme des Volumens der
kortikalen grauen Substanz auf das Vierfache (6). Durch vergleichende MRI-,
1
H-MR-
Spektroskopie- und APIB (= assessment of the preterms behaviour)-Untersuchungen
Frühgeborener 2 Wochen nach der Geburt (GA 32,5 ± 1,2 Wochen) und erneut zum
eigentlichen Geburtstermin (GA dann 40,0 ± 1,1 Wochen) konnte zwar eine strukturelle,
11
biochemische und funktionelle Reifung nachgewiesen werden, jedoch war diese in allen
untersuchten Punkten verzögert im Vergleich mit Reifgeborenen (GA 40,6 ± 2,1 Wochen), bei
denen diese Reifung intrauterin stattfand. Gegenstand der Forschung ist es, die assoziierten
schädigenden Faktoren und mögliche Schutzmechanismen zu finden.
1.2
Asphyxie und Therapie
Aufgrund der Unreife des Atmungssystems kommt es bei sehr kleinen Frühgeborenen häufig zu
Atemstörungen, die eine assistierende Beatmung notwendig machen. In den aktuellen
Richtlinien der Arbeitsgruppe Pädiatrie des International Liaison Committee on Resuscitation (9)
und der American Heart Association (10) wird im Fall der Asphyxie bei Neugeborenen eine
Beatmung mit 100% Sauerstoff empfohlen, wobei es in den letzten Jahren immer mehr
Hinweise auf fehlende Vorteile dieser therapeutischen Maßnahme im Vergleich mit RaumluftBeatmung (=21% O2) gibt: Die Zeit bis zum ersten Schrei und zum Einsetzen der
Spontanatmung ist bei Beatmung mit Raumluft kürzer im Vergleich mit 100% O2 (11-13), auch
die 5-Minuten-APGAR-Scores sind höher (12). Tierexperimentelle Untersuchungen zeigen,
dass ein Sauerstoffgehalt der Beatmungsluft von 15 – 18% für erfolgreiche Reanimation
ausreichend ist (14). In Bezug auf Reperfusion nach Hypoxie, die bei asphyktischen Zuständen
auftreten kann, gibt es sogar Hinweise auf mögliche Nachteile des Einsatzes von 100% O2:
Vento et al. (15) zeigten, dass Beatmung asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 im
Vergleich mit Raumluft zu erhöhtem oxidativem Stress führt, der auch 28 Tage postnatal noch
nachweisbar ist (s. 1.4 Oxidativer Streß). Untersuchungen an hippocampalen Schnittkulturen
wiesen einen vermehrten Zelltod bei Verwendung von 100% O2 versus Raumluft während der
Reperfusion nach Hypoxie nach (16, 17). Eine Metaanalyse verschiedener Studien ergab, dass
eine Reanimation Neugeborener mit 21% Sauerstoff gegenüber einer Reanimation mit 100% für
das langfristige Überleben von Vorteil ist (18).
Durch die Geburt und die beginnende Lungenatmung kommt es zu einem Sprung im arteriellen
Sauerstoffpartialdruck von 20 – 30 mmHg pränatal auf 60 – 99 mmHg postnatal, der auch zu
einem Anstieg der Sauerstoffspannung im Gewebe führt (19, 20). Für frühgeborene Kinder stellt
also Raumluft bereits Hyperoxie dar, d.h. die Organsysteme dieser Kinder werden zu einem
Zeitpunkt, da sie sich größtenteils noch in der Ausreifung befinden, mit einem erhöhten
Sauerstoffpartialdruck konfrontiert.
1.3
Reaktive Sauerstoffspezies und Antioxidantien
Während des oxidativen Stoffwechsels entstehen kontinuierlich reaktive Sauerstoffgruppen
(=ROS), zu denen eine Reihe anorganischer und organischer Moleküle, wie Superoxid-Radikal,
Wasserstoffperoxid und Hydroxyl-Radikale respektive Alkoxyl- und Peroxyl-Radikale, gehören
(21). Das Superoxid-Radikal entsteht zum Beispiel durch Übertragung eines einzelnen
Elektrons auf molekularen Sauerstoff unter Einwirkung mitochondrialer und mikrosomaler
12
elektronenübertragender Systeme (z.B. mitochondriale Atmung, mikrosomale Oxidierung),
während das Hydroxyl-Radikal durch eisenkatalysierte Fenton-Reaktion gebildet wird (22, 23)
[Abb. 1-1].
ROS sind zum einen integrale Bestandteile verschiedener Signaltransduktionskaskaden und
regulieren
über
redoxmodulierte
Transkriptionsfaktoren,
Kinasen,
Phophatasen
und
Tumorsuppressoren zahlreiche immunologische, proliferative und apoptotische Prozesse (2426). Änderungen des zellulären Redoxstatus können zu einer veränderten Genexpression
führen (27).
Zum anderen sind ROS sehr reaktionsfreudige Moleküle, die potentiell eine Vielzahl zellulärer
Strukturen schädigen können. Im Normalfall herrscht in der Zelle ein Gleichgewicht zwischen
pro-
und
antioxidativen
nichtenzymatischer
und
Prozessen,
das
enzymatischer
heißt,
anfallende
Mechanismen
in
ROS
weniger
werden
reaktive
mit
Hilfe
Moleküle
umgewandelt.
1.3.1 Nichtenzymatische und enzymatische Antioxidantien
Zu den nichtenzymatischen Antioxidantien gehören unter anderem die fettlöslichen Vitamine E
(α-Tocopherol) und A (Retinoide) sowie die wasserlöslichen Vitamine C (Ascorbinsäure) und
die Flavonoide. Auch andere im Plasma vorhandene chemische Verbindungen wie Bilirubin
Harnsäure, Steroide und Ubichinone stellen wichtige nichtenzymatische Antioxidantien dar (28).
Die wichtigsten enzymatischen Antioxidantien sind in Abb. 1-1 [nach (29)] dargestellt. Das durch
Ein-Elektronenübertragung auf Sauerstoff entstehende Superoxid-Radikal wird mit Hilfe der
Superoxiddismutase
in
Wasserstoffperoxid
und
molekularen
Sauerstoff
umgewandelt.
Wasserstoffperoxid kann zum einen durch Katalase, zum anderen durch Glutathionperoxidase
unter Oxidation von GSH (GSSG = oxidiertes Glutathion) zu Wasser metabolisiert werden. Die
Regeneration des zellulären GSH-Pools erfolgt mit Hilfe der GSH-Reduktase unter Verbrauch
von NADPH. Die NADPH-Regeneration findet durch die G6P-D im Hexose-MonophosphatShunt statt. Die Neusynthese von GSH erfolgt ausschließlich im Zytosol als Produkt des γGlutamylzyklus durch γ-Glutamylcysteinsynthetase und Glutathionsynthetase (30). In den
Mitochondrien als Ort des oxidativen Stoffwechsels kann GSH nicht synthetisiert werden, es
gelangt vom Zytosol aus durch aktive Transportprozesse in die Mitochondrien (31).
13
H2O
NADPH
GSSG
.
OH
GSH-Px
Hexose Monophosphat
Shunt
GSH-R
Fenton-Reaktion
GSH
Fe
3+
Coeruloplasmin
O2
O2
NADP
+
Fe2+
H2O 2
SOD
H2O
Cat
½ O2
Abb. 1-1: Übersicht über die wichtigsten Oxidantien und enzymatischen Antioxidantien. O2 =
-.
.
molekularer Sauerstoff; O2 = Superoxid-Anion; H2O2 = Wasserstoffperoxid; OH = Hydroxyl-Radikal;
2+
3+
Fe /Fe = Eisenion; GSH = reduziertes Glutathion, GSSG = oxidiertes Glutathion; NADPH = reduziertes
+
Nicotinamid-Adenindinucleotid-Phosphat; NADP = oxidiertes Nicotinamid-Adenindinucleotid-Phosphat;
Cat = Katalase; GSH-Px = Glutathion-Peroxidase; GSH-R = Glutathion-Reduktase; SOD = SuperoxidDismutase.
1.3.2 Antioxidantien bei Früh- und Reifgeborenen
Wie Untersuchungen von Georgeson et al. (32) zeigten, sind die Aktivitäten antioxidativer
Enzyme,
wie
Catalase,
Glutathion-Peroxidase
und
Cu/Zn-Superoxiddismutase,
im
Nabelschnurblut von Frühgeborenen signifikant geringer als bei Reifgeborenen. Die arteriellen
GSH-Konzentration sind bei Neugeborenen wesentlich geringer als bei gesunden Erwachsenen
und
zeigen
einen
mit
dem
Gestationsalter
korrelierenden
Anstieg
(20).
Auch
die
Konzentrationen der meisten nichtenzymatischen Antioxidantien sind bei frühgeborenen
Kindern niedriger als bei reifgeborenen (4). Da sich die Enzymsysteme zur Bildung
nichtenzymatischer und enzymatischer Antioxidantien noch in der Ausreifung befinden, sind
Frühgeborene auf die Zufuhr dieser Substanzen und ihrer Vorläufer mit der Nahrung
angewiesen. Sehr kleine Frühgeborene müssen aufgrund der Unreife des Verdauungssystems
initial häufig total parenteral ernährt werden. Nachteil der totalen parenteralen Ernährung ist u.a.
ein geringer Gehalt an Cystein, zum einen aufgrund der geringen Stabilität von Cystein, das
schnell zu Disulfid-Cystin oxidiert, zum anderen wegen der schlechten Löslichkeit von Cystein in
derartigen Lösungen (33). Hinzu kommt ein bei Frühgeborenen aufgrund der unreifen
Entwicklung häufig bestehender Mangel des Enzyms Cystathionase, das die Synthese von
Cystein in vivo katalysiert (34-36). Der Cystein-Plasmaspiegel ist sowohl bei Frühgeborenen
<32 als auch 33-36 Wochen Gestationsalter wesentlich geringer als bei reifgeborenen Kindern
(36). Die Synthese des wichtigsten intrazellulären Antioxidants Glutathion wird durch geringe
14
Cysteinkonzentrationen limitiert.
1.4
Oxidativer Stress
Oxidativer Stress entsteht, wenn das Gleichgewicht zwischen pro- und antioxidativen
Prozessen zugunsten der prooxidativen mit vermehrter ROS-Bildung verschoben ist und die
zellulären Schutzmechanismen nicht mehr in der Lage sind, die ROS-Konzentration unter der
toxischen Schwelle zu halten (37). Nicht durch Antioxidantien metabolisierte ROS führen dann
zu einer Schädigung zellulärer Strukturen: In den Nukleinsäuren werden vor allen Dingen die
Basen Thymin und Guanin geschädigt, außerdem kommt es zu DNA-Strangbrüchen. Können
diese
nicht
mit
ausreichender
Geschwindigkeit
repariert
werden,
führen
sie
zu
Chromosomenveränderungen und Chromosomenbrüchen. Änderungen in Struktur und
biologischer Aktivität von Proteinen werden vor allen Dingen durch Reaktion von Methionin- und
Histidin-, und Cysteingruppen mit ROS verursacht. Umfangreiche oxidative Schädigungen von
Lipiden führen zur Bildung von Lipidperoxiden und damit zur Störung der Membranintegrität
(37).
Das zentrale Nervensystem ist durch folgende Merkmale besonders anfällig für eine
Schädigung durch oxidativen Streß: Zum einen ist der Sauerstoffverbrauch in Relation zum
Gewicht im Gehirn besonders groß – einem Anteil von 20% am Gesamtsauerstoffverbrauch des
Körpers steht ein Anteil von nur 2% am Körpergewicht gegenüber (37). Zum zweiten wurde in
einigen Hirnregionen ein hoher Gehalt an freiem Eisen gefunden (38), das durch FentonReaktion zu verstärkter Bildung von Hydroxyl-Radikalen führen kann. Das Gehirn ist ebenfalls
reich an oxidierbaren Substanzen wie Katecholaminen und ungesättigten Fettsäuren, die
potentielle Ziele der Lipidperoxidation darstellen (39-41). Die Aktivität antioxidativer Enzyme wie
SOD, Katalase und GSH-Px ist, verglichen zum Beispiel mit Leber oder Niere, relativ gering
(42).
Eine Möglichkeit, oxidativen Stress und damit verbundenen oxidativen Schaden zu
objektivieren, stellt die Bestimmung der Glutathion-Redox-Ratio (=GSH/GSSG-Ratio) dar (20,
43). Untersuchungen von Vento et al. (43) zeigten, dass nach Beatmung reifer asphyktischer
Neugeborener mit 100% O2 oder mit Raumluft die GSH/GSSG-Ratio 72 Stunden postnatal bei
beiden Gruppen im Vergleich mit nichtasphyktischen Reifgeborenen signifikant erniedrigt ist,
was auf erhöhten oxidativen Stress in den beiden beatmeten Gruppen hinweist. Die Reduktion
war jedoch in der 100% O2-Gruppe im Vergleich mit der Raumluftgruppe signifikant stärker und
auch 28 Tage postnatal noch nachweisbar, während die Werte der Kinder der Raumluftgruppe
sich zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr von denen der nichtasphyktischen Kontrollgruppe
unterschieden. Diese Ergebnisse sprechen für eine anhaltende Insuffizienz der antioxidativen
Systeme bei der Bewältigung oxidativen Stresses, der aus der Beatmung asphyktischer
Neugeborener mit 100% O2 erwächst.
Oxidativer Streß kann bei reduzierter antioxidativer Kapazität zu gesteigertem Zelltod führen
15
(44). Für frühgeborene Kinder stellt in Anbetracht des intrauterinen Sauerstoffpartialdruckes von
20 – 30 mmHg bereits Raumluft (150 – 160 mmHg) einen Zustand der Hyperoxie dar, der
aufgrund der Unreife der antioxidativen Enzymsysteme dieser Kinder sowie durch ungenügende
Zufuhr nichtenzymatischer und enzymatischer Antioxidantien und deren Vorläufer zu erhöhtem
oxidativen Stress und über die oben beschriebenen Schädigungsmechanismen zellulärer
Verbindungen zu gesteigertem Zelltod im sich entwickelnden Gehirn führen kann.
1.5
Zelltod - Nekrose versus Apoptose
Zelltod kann zwei unterschiedlichen Wegen folgen – Nekrose auf der einen und Apoptose auf
der anderen Seite. Untersuchungen haben gezeigt, dass es von der Intensität des
schädigenden Ereignisses abhängig ist, welcher Weg eingeschlagen wird.
1.5.1 Nekrose
Nekrose ist in den meisten Fällen das Resultat akuter zellulärer Dysfunktion nach sehr
schweren Stresssituationen oder hohen Konzentrationen toxischer Agenzien. Es handelt sich
um einen passiven Prozess, der mit schnellem ATP-Verlust und Zusammenbruch der
Membranfunktion einhergeht. Morphologisch ist Nekrose charakterisiert durch ein Anschwellen
der Zellen, gefolgt von Ruptur der Zellmembran und Freisetzung der Zellorganellen ins
Interstitium (45). Dieser Vorgang führt über Freisetzung inflammatorischer Zytokine zu einer
Entzündungsreaktion
im
umgebenden
Gewebe
und
damit
zur
Beeinträchtigung
der
Nachbarzellen (46).
1.5.2 Apoptose
Apoptose ist ein komplexer aktiver Prozess, der nach einem konservierten Programm abläuft.
Der Initialphase folgt der point of no return, gefolgt von der Phase der Degradation, in der die
morphologischen Kennzeichen der Apoptose manifest werden. Ist der point of no return
überschritten, kann auch die Inhibition der apoptosetypischen folgenden Ereignisse ein
Fortschreiten des Zelltodes nicht verhindern. Apoptose führt so innerhalb weniger Stunden zur
Bildung von Apoptosekörperchen (=apoptotic bodies) mit sofortiger Phagozytose derselben
durch
die
Nachbarzellen
und
zieht
im
Gegensatz
zur
Nekrose
keine
sekundäre
Entzündungsreaktion nach sich (47). Durch Apoptose wird das Gleichgewicht zwischen
Zellproliferation und Zelltod im Organismus aufrechterhalten, sie spielt eine wichtige Rolle im
Rahmen der Embryonalentwicklung und bei der Regulierung der physiologischen Regeneration,
u.a. durch Entsorgung alter oder geschädigter Zellen oder Gewebe-Remodeling. Etwa 50% der
sich entwickelnden Neuronen werden bis zur Ausreifung des Gehirns durch apoptotischen
Zelltod eliminiert (48).
Die morphologischen und biochemischen Veränderungen, die durch Ablauf des apoptotischen
Programms in Zellen vor sich gehen, lassen sich mit Hilfe bestimmter Nachweismethoden
verfolgen. Erstes sichtbares Zeichen ist eine Verminderung des Zellvolumens, das sich
16
durchflusszytometrisch in einer Verminderung des Vorwärtsstreulichts (=Forward Scatter, FSC
– siehe Material und Methoden) zeigt (43). Während des apoptotischen Programms bleibt die
Integrität der Zellmembran bestehen, nachweisbar durch Ausschluß von Farbstoffen wie
Trypanblau oder Propidiumjodid, die die Membran nekrotischer Zellen passieren können. Es
lassen sich lediglich subtile Veränderungen in der Architektur der Membran nachweisen:
Phosphatidylserine, die bei vitalen Zellen praktisch nur an der Innenseite vorkommen, werden
bei Zellen, die das apoptische Programm durchlaufen, in die äußere Schicht der Zellmembran
verlagert. Diese Redistribution der Phophatidylserine ist mit Hilfe von Annexin V, das in Präsenz
von Kalziumionen spezifisch an Phosphatidylserine bindet, nachweisbar. Auch andere
Zellorganellen, wie z.B. Lysosomen, bleiben zum Großteil funktionstüchtig.
Zentrales Ereignis auf molekularer Ebene ist die Aktivierung von Caspasen (= cysteine
aspartate-specific proteases), einer Familie von Proteasen, die ein konserviertes Cystein
enthalten und nach Aspartat spalten. Sie liegen in den Zellen als Proenzyme (=Procaspasen)
vor, werden durch Proteolyse in die aktive Form überführt und aktivieren dann kaskadenartig
weitere Procaspasen, deren Substrate Enzyme sind, die zum kontrollierten Abbau zellulärer
Strukturen wie DNA oder Cytokeratin führen (43). Die Familie der Caspasen lässt sich
entsprechend ihrer Funktion in zwei verschiedene Gruppen unterteilen: Initiatorcaspasen
(Caspasen 2, 8, 9, 10) werden direkt in Folge des initialen proapoptotischen Signals aktiviert,
sie arbeiten oberhalb des point of no return. Effektorcaspasen (Caspasen 3, 6, 7) hingegen
werden nach Überschreiten des point of no return in der Regel durch Initiatorcaspasen aktiviert.
Es gibt 3 verschiedene Modelle zur Aktivierung der Initiatorcaspasen: Zum einen wurden
sogenannte „Todesrezeptoren“ (Fas/CD95/Apo-1- und TNF-Rezeptor) gefunden. Bindung
entsprechender Liganden an die Rezeptoren führt zur Formierung des Proteinkomplexes DISC
(=death-inducing signaling comlex), der zur Aktivierung von Caspase-8 mit kaskadenförmiger
Aktivierung von Caspase-3 und weiteren Schlüsselenzymen der Apoptose führt (49). Im
Mittelpunkt des zweiten Modells zur Caspasenaktivierung stehen die Mitochondrien. Bereits in
den initialen Stadien der Apoptose, noch vor Redistribution der Phosphatidylserine, lässt sich
ein Abfall des mitochondrialen Transmembranpotentials nachweisen, der durch das Öffnen von
Poren der inneren Mitochondrienmembran verursacht wird. Verschiedene Beobachtungen (50,
51) weisen darauf hin, dass der Redoxstatus der Zelle für diesen Vorgang bedeutsam ist. Dies
impliziert eine mögliche Rolle der ROS bei der Initiierung des apoptotischen Prozesses. Die
mitochondriale Dysfunktion führt zur Freisetzung von Cytochrom c aus den Mitochondrien ins
Zytoplasma, wo es an Apaf-1 (=apoptotic protease activating factor-1) bindet. Der sich durch
Oligomerisierung von Apaf-Molekülen und ATP bildende Komplex wird als Apoptosom
bezeichnet und führt zur Aktivierung von Caspase-9 mit kaskadenförmiger Aktivierung von
Effektorcaspasen (52, 53). Das dritte Weg der Caspasenaktivierung wird durch zytotoxische
Zellen ausgelöst, die Perforin und Granzym B als Effektoren verwenden. Perforin
permeabilisiert Target-Zellen (z.B. Tumorzellen), wodurch Granzym B in deren Zytosol gelangt
und dort Caspase-3 an einer spezifischen Bindungsstelle aktiviert.
Unabhängig vom auslösenden Mechanismus folgt auf die Aktivierung der Caspasen der Abbau
17
zahlreicher zellulärer Bestandteile, was zu den morphologischen und biochemischen
Kennzeichen
der
Apoptose
führt:
Schrumpfen
der
Zelle
und
des
Zellkerns,
Chromatinkondensation, internukleosomale DNA-Fragmentierung, Crosslinking von Proteinen,
Bildung von Apoptosekörperchen. Letztere bestehen aus stark vernetzten Proteinhüllen,
enthalten niedermolekulare DNA und exprimieren Phosphatidylserine auf ihrer Oberfläche,
wodurch sie von Zellen in der Umgebung erkannt und ohne Auslösung einer sekundären
Inflammationsreaktion phagozytiert werden.
In den letzten Jahren ist die starke Abgrenzung von Nekrose und Apoptose durch
verschiedene, voneinander unabhängige Beobachtungen etwas gelockert worden. Kroemer et
al. (54) zeigten, dass geringe Konzentrationen eines Agens Apoptose auslösen können,
während höhere Konzentrationen desselben Agens zu Nekrose führen. Durch Behandlung von
Zellen mit Caspaseinhibitoren (55, 56) oder Faktoren, die die Verfügbarkeit von ATP reduzieren
(57, 58), kann ein primär apoptotischer Prozess in einen nekrotischen konvertieren. Im Falle
des durch oxidativen Stress ausgelösten apoptotischen Zelltodes könnte eine Inaktivierung der
Thiolgruppen im aktiven Zentrum der Caspasen durch Oxidantien oder ROS diese
Konvertierung bedingen (59).
1.6
Experimentelle Erzeugung oxidativen Stresses
Oxidativer Stress, der durch Überwiegen prooxidativer Prozesse mit Akkumulation von ROS
gekennzeichnet ist, lässt sich zum einen durch Reduktion der verfügbaren Antioxidantien
erzeugen. Dies lässt sich z.B. pharmakologisch mit Hilfe von BSO, einem Hemmer der γGlutamylcysteinsynthetase mit dem Effekt einer inhibierten Neusynthese von GSH, simulieren
(60). Etacrynsäure, die durch Glutathion-S-transferase direkt an GSH gebunden wird, führt
durch Reduktion sowohl des cytoplasmatischen als auch mitochondrialen GSH-Pools ebenfalls
zu einem Mangel antioxidativer Substanzen (31).
Eine weitere Möglichkeiten der Erzeugung oxidativen Stresses ist der Einsatz von
Wasserstoffperoxid, das in die Gruppe der ROS gehört. Verwendet werden können ebenfalls
Substanzen, die zur Bildung von Radikalen führen, z.B. Linolsäure-Hydroperoxid als
fettlösliches Lipidperoxid, tert-Butylhydroperoxid als amphiphatisches Hydroperoxid, Paraquat
als Superoxid-Bildner oder ein Hypoxanthin-Xanthin-Oxidase-System, das zur Bildung von
Superoxid und Wasserstoffperoxid führt. Abschließend ist noch Hyperoxie, d.h. ein erhöhter
Sauerstoffgehalt der Luft, als Variante, oxidativen Stress zu erzeugen, zu nennen. In der
Literatur wird angenommen, dass Hyperoxie zu einer Akkumulation von ROS in den Zellen führt
(61).
Bereits seit längerem ist bekannt, dass Hyperoxie ein Toxizitätspotential für die unreifen
Organsysteme Frühgeborener besitzt. Klinische Untersuchungen der GSH-Redox-Ratio zeigen
einen erhöhten oxidativen Stress bei Beatmung asphyktischer Neugeborener mit 100% O2 im
Vergleich
mit
Raumluft
(11).
Auch
Arbeiten,
18
die
sich
mit
dem
Ausmaß
von
Reperfusionsschäden nach Ischämie/Hypoxie bei neonatalen Ratten (19) und organotypischen
Hirnschnittkulturen neonataler Ratten (16, 17) beschäftigen, weisen auf das Toxizitätspotential
von Hyperoxie im Vergleich mit Raumluft für neuronale Zellen im sich entwickelnden Gehirn hin.
Der
Zustand
mangelnder
Verfügbarkeit
antioxidativer
Substanzen
bei
erhöhtem
Sauerstoffgehalt der Atemluft, wie er bei Frühgeborenen auftritt, läßt sich durch die Kombination
von GSH-Inhibitoren wie BSO oder Etacrynsäure mit Hyperoxie oder ROS-Bildnern simulieren.
Untersuchungen von Taglialatela et al. (62) zeigten eine erhöhte Apoptoserate im Hirn von
neugeborenen Ratten nach gleichzeitiger Behandlung mit Hyperoxie und BSO.
Die genannten Modelle sind für die Charakterisierung der bei der Vermittlung der Toxizität
involvierten Mechanismen nur bedingt geeignet, da die Untersuchungen in Zelllysaten ganzer
Hirnregionen bzw. am Gewebe erfolgt sind, d.h. die Ergebnisse spiegeln die Summe der
Reaktion von Neuronen und Gliazellen wider. Für die Untersuchung der biochemischen
Veränderungen, die Hyperoxie respektive gesteigerter oxidativer Streß auf Zellebene auslösen,
stellt die Zellkultur ein geeignetes System dar. Als Modell für neuronale Zellen haben neben der
aufwendig herzustellenden Primärkultur verschiedene Tumorzelllinien neuronalen Ursprungs
Verbreitung gefunden.
1.7
Ein
Die PC12-Zelllinie als Modell für neuronale Zellen
verbreitetes
Modell
für
das
Studium
neurobiologischer,
neurochemischer
und
entwicklungsneurologischer Prozesse stellt die 1976 von Greene und Tischler aus dem
Nebennierenmarktumor (Phäochromozytom) der Ratte isolierte PC12-Zelllinie dar (63). Bei
Kultur in serumhaltigem Medium ist sie mit Vorläuferzellen adrenaler chromaffiner Zellen oder
sympathischer Neuronen vergleichbar. Durch Zugabe von Nerve Growth Factor (=NGF) in
serumfreiem Medium wird eine neuronale Differenzierung induziert, die zum einen zu
Veränderungen in Enzymmuster und –aktivität, zum anderen zur Expression neuronaler Marker
wie Neurofilament und beta-III-Tubulin und zur Ausbildung des neuronalen Phänotyps mit
Aussprossen von Neuriten führt. Die Proliferationsrate sinkt, terminal differenzierte neuronale
Zellen sind in der G0/G1-Phase des Zellzyklus arretiert (s. 1.8. Zellzyklusregulation). Auch die
Bildung und Speicherung von Neurotransmittern wie Katecholaminen, vorrangig Dopamin, wird
durch NGF ausgelöst (64). NGF zählt neben Brain-Derived Neurotrophic Factor (=BDNF),
Neurotrophin-3, Neurotrophin-4/5 und Neurotrophin-6 zur Familie der Neurotrophine, die zur
terminalen Differenzierung der unreifen neuronalen Zellen im zentralen und peripheren
Nervensystem führen (65) und diese vor verschiedenen apoptotischen Stimuli schützen (48).
Während des Differenzierungsprozesses und auch nach terminaler Differenzierung sind
neuronale Zellen auf die Präsenz von Neurotrophinen angewiesen, die durch die Zielzellen
produziert werden. Neurotrophine interagieren mit zwei verschiedenen Rezeptortypen, die
durch niedrige bzw. hohe Affinität für diese gekennzeichnet sind (66). Die Vermittlung der
antiapoptotischen und differenzierenden Wirkung erfolgt über Rezeptoren mit hoher Affinität, die
Rezeptor-Tyrosin-Kinasen (Trk) A, B und C mit jeweils unterschiedlicher Affinität für die
19
verschiedenen Neurotrophine, während Stimulierung des p75-Rezeptors, der eine niedrige
Affinität für Neurotrophine hat, ohne gleichzeitige Stimulation des Trk-Rezeptors zur Induktion
neuronaler Apoptose führt (66, 67). Bindung der Neurotrophine an den entsprechenden TrkRezeptor führt über die Aktivierung von Signaltransduktionskaskaden zu einer veränderten
Gen- und nachfolgend Proteinexpression der stimulierten Zellen und damit zur neuronalen
Differenzierung
der
Vorläuferzellen.
Bei
der
Regulation
dieser
Kaskaden
spielen
Proteinphosphorylierungen durch Proteinkinasen bzw. Proteindephosphorylierungen durch
Proteinphosphatasen an den Aminosäuren Tyrosin, Threonin oder Serin eine wichtige Rolle
(26). Als nach Bindung von NGF an den Trk-A-Rezeptor aktivierte Signaltransduktionskaskaden
sind
die
extrazellulär
regulierte
Kinase
1/2
(=ERK1/2,
p42/44-MAPK)
und
die
Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) identifiziert worden.
1.7.1 Mitogen-aktivierte Proteinkinasen
Neben ERK1/2 sind zwei weitere Mitglieder der Familie der MAPK (=mitogen activated protein
kinases) bekannt: JNK/SAPK (c-JUN NH2-terminal kinase/stress-activated protein kinase) und
p38-MAPK (68, 69). Während JNK/SAP und p38 vorrangig durch zytotoxische Stimuli wie UVund Röntgenstrahlen oder inflammatorische Zytokine wie TNF (=tumor necrosis factor) und
Interleukin-1 aktiviert werden und proapoptotische Signale vermitteln, ist die ERK1/2Signalkaskade in der Regel in die Kontrolle von proliferativen oder Differenzierungsprozessen
nach Stimulation der Zelle mit Wachstumsfaktoren involviert. In letzter Zeit gibt es jedoch auch
Untersuchungen in verschiedenen Zellkultursystemen, die zeigen, dass Aktivierung von ERK1/2
z.B. durch Hyperoxie zur Induktion des apoptotischen Zelltodes führen kann (70, 71).
Sehr gut untersucht ist die Signaltransduktionskaskade, die zur Aktivierung von ERK1/2 führt.
Durch Bindung der Neurotrophine an den entsprechenden Trk-Rezeptor kommt es zur
Aktivierung des G-Proteins Ras, das wiederum die MAPK-Kinase-Kinase Raf durch Bindung an
deren N-Terminus aktiviert. Diese Schritte vollziehen sich an der Innenseite der Zellmembran.
Raf phosphoryliert die zytoplasmatische MEK1/2-MAPK-Kinase, die zur Aktivierung von ERK1/2
führt. Ein Teil der aktivierten ERK1/2 transloziert in den Zellkern und führt dort zur
Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren wie CREB, Elk-1 und c-myc (66, 72). Es gibt die
Möglichkeit, mit Hilfe von 2 verschiedenen Molekülen den Signaltransduktionsweg, der zur
Aktivierung von ERK1/2 führt, zu unterbrechen: PD98059 inhibiert vorrangig MEK1, während
U0126 sowohl MEK1 als auch MEK2 inhibiert.
1.7.2 Phosphatidyl-Inositol-3 Kinase
Die Aktivierung der PI3K durch Trk-Rezeptoren kann zum einen Ras-abhängig, zum anderen
durch 3 Adapterproteine (Shc, Grb-2 und Gab-1) erfolgen. Nach Phosphorylierung durch die
aktivierte PI3K führt Akt-1 zur Phosphorylierung verschiedener Transkriptionsfaktoren und
Proteine, wie IκB (und damit NFκB) oder BAD, Mitglied der Bcl-2-Familie, dessen
proapoptotische Wirkung durch Phosphorylierung inhibiert wird (73). Hemmung des PI3KSignaltransduktionsweges ist mit Wortmannin oder LY294002 möglich (74).
20
1.7.3 Effekte Trk-Rezeptor-vermittelter Aktivierung von Signaltransduktionskaskaden in PC12-Zellen
In PC12-Zellen führt transiente Aktivierung von ERK1/2 durch EGF (=Epithelial Growth Factor)
zu
Proliferationsprozessen,
während
anhaltende
Aktivierung
durch
NGF
neuronale
Differenzierungsprozesse mit Aussprossen von Neuriten zur Folge hat (73).
Aktivierung der PI3K schützt vor apoptotischen Stimuli wie Serumdeprivation (48) oder Hypoxie
(75). Untersuchungen mit spezifischen Inhibitoren zeigen, dass auch die Aktivierung der PI3K
für das Aussprossen von Neuriten und damit die neuronale Differenzierung notwendig ist (76).
Kurze Einwirkung von NGF führt über Aktivierung von ERK1/2 und PI3K zur Erhöhung des
intrazellulären Calciumspiegels und in der Folge zur Ausschüttung von Neurotransmittern wie
Dopamin und Acetylcholin.
1.8
Zellzyklusregulation
Der Lebenszyklus einer Zelle lässt sich in 5 Phasen aufteilen: G(=gap)1 bezeichnet die
postmitotische
diploide
Ruhephase,
die
durch
eine
kontinuierliche
Erhöhung
von
zelltypspezifischer RNA- und Proteinsynthese gekennzeichnet ist. Durch mitogene Stimuli
erfolgt der Übergang in die S(=Synthese)-Phase, in deren Verlauf es zur Reduplikation der DNA
kommt. In der anschließenden G2-Phase werden eventuell bei der DNA-Reduplikation
aufgetretene Fehler beseitigt und weitere für die Vervollständigung der Mitose benötigte
Proteine synthetisiert. Als letzter Schritt der Zellteilung folgt die M(=Mitose)-Phase, in der aus
der tetraploiden Zelle zwei diploide Tochterzellen entstehen. Nach Abschluss der M-Phase
treten Zellen proliferierender Gewebe in eine weitere G1-Phase mit dem Ziel erneuter Teilung
ein. Als 5. Phase des Zellzyklus wird die G0-Phase bezeichnet, eine Phase der Differenzierung,
in der die Zellen proliferativ inaktiv sind. Ein Wiedereintritt in den Zellzyklus ist dann nur nach
spezifischem Reiz möglich.
Der Fortschritt im Zellzyklus wird durch Aktivierung von cyclin-abhängigen Kinasen (=cyclindependent kinase, Cdk) bestimmt [siehe Abb. 1-2, nach (77)]. Die Aktivierung der Cdks erfolgt
durch Bindung an entsprechende Cycline und führt zur Phophorylierung von Zielproteinen an
Serin-
oder
Threonin-Einheiten.
Abhängig
von
der
Phase
des
Zellzyklus
werden
unterschiedliche Cdks und Cycline exprimiert. Typisch für die frühe G1-Phase sind Cyclin D
(D1, D2 und D3) - cdk4/6-Komplexe. In der späten G1-Phase kommt es zu einem Anstieg von
Cyclin E, das Komplexe mit cdk2 bildet und zum Übergang in die S-Phase führt. Zu diesem
Zeitpunkt lässt sich ein Anstieg von Cyclin A-cdk2-Komplexen nachweisen, bei weiterem
Fortschritt assoziiert Cyclin A mit cdc2. Typisch für die späte G2-Phase sind Cyclin B-cdc2Komplexe, in der Folge kommt es zur Mitose (77, 78).
Der Fortschritt im Zellzyklus kann durch Bindung von Cdk-Inhibitoren (CKI) an die Cyclin-CdkKomplexe verhindert werden, wodurch die Kinase-Aktivität sinkt. Es sind bisher 2 verschiedene
CKI-Familien identifiziert worden: Die Cip/Kip-Familie, bestehend aus p21, p27 und p57, und die
21
Ink4-Familie, bestehend aus p15, p16, p18 und p19.
Die Regulation der Zellproliferation ist komplex und erfordert die Interaktion von intra- und
extrazellulären stimulierenden und inhibitorischen Signalen innerhalb der ersten zwei Drittel der
G1-Phase. Nach Überschreitung des Restriction Point wird der Zellzyklus auch ohne Präsenz
mitogener Signale komplettiert. Pardee et al. konnten zeigen, dass das Retinoblastoma Protein
(Rb) an dieser Stelle die Funktion eines Schalters hat (79). Liegt es hypo- oder dephosphoryliert
vor, bindet es den Tranksriptionsfaktor E2F und blockiert so dessen transriptionsaktivierende
Bereiche. Ein Anstieg der Cyclin D-cdk4/6-Komplexe in der frühen G1-Phase initiiert die
Phosphorylierung
des
Rb-Proteins,
in
der
späten
G1-Phase
kommt
es
zur
Hyperphosphorylierung des Rb-Proteins durch CyclinE-cdk2-Komplexe. Damit wird der
Trankskriptionsfaktor E2F freigegeben, es folgt die Tranksription und Translation von
Genprodukten, die für den Fortschritt der S-Phase notwendig sind. Um eine fehlerfreie
Replikation zu gewährleisten, gibt es eine Reihe von Check-Points im weiteren Verlauf des
Zellzyklus, zum Beispiel steigt durch DNA-Schädigung (DNA-Strangbrüche) der p53-Spiegel
stark an, was zu einem Zellzyklusarrest führt. p53 ist ebenfalls ein Transkriptionsfaktor. Zu den
Genprodukten von p53 gehört unter anderem der CKI p21, der einen Großteil der
verschiedenen Cyclin-cdk-Komplexe inhibieren kann. Ein p53-induzierter Zellzyklusarrest kann
demzufolge sowohl in G1 als auch in G2/M auftreten.
Mitogene Stimuli
Cyclin B
Cdc2
M
G0
Cyclin D
Cyclin A
RB E2F
G2
G1
Cyclin D
Cdc2
Cdk4/6
Cdk4/6
R-Point
S
P-RB
E2F
Cyclin A
Cdk2
Cyclin E
Cdk2
P15/p16/p18/p19
P21/p27/p57
Transkription
P-p53
Antimitogene Stimuli
DNA-Schädigung
P53
Abb. 1-2: Übersicht über die Regulation des Zellzyklus
22
1.9
Fragestellung
Da es Hinweise auf das Toxizitätspotential von Hyperoxie auf proliferierende neuronale Zellen
gibt (16, 19), die bisher verwendeten Modelle durch die Wahl der Methode (Ganztier bzw.
organotypische Schnittkulturen) jedoch nur bedingt geeignet sind, die involvierten Mechanismen
zu charakterisieren, soll dies mit Hilfe der als Modell für proliferierende und terminal
differenzierte neuronale Zellen etablierten PC12-Zellinie untersucht werden. Insbesondere soll
die Frage beantwortet werden, ob es sich bei Hyperoxie-vermittelter Zellschädigung um
Nekrose oder Apoptose handelt. Durch Einsatz von BSO als Inhibitor der Glutathion-Synthese
lässt sich der durch Hyperoxie verursachte oxidative Stress verstärken, somit also die Situation
der noch proliferierenden neuronalen Zellen von Frühgeborenen mit unreifen antioxidativen
Enzymsystemen simulieren. Durch die Fähigkeit der PC12-Zellinie zur Differenzierung in den
neuronalen Phänotyp nach Zugabe von NGF ist es möglich, die Hyperoxie-Empfindlichkeit
unreifer und reifer neuronaler Zellen zu vergleichen. Einsatz von Inhibitoren der in die neuronale
Differenzierung involvierten zellulären Signaltransduktionswege soll zeigen, welcher dieser
Wege bedeutsam für die Vermittlung der schädigenden Wirkung von Hyperoxie ist.
23
Herunterladen