Die Ordnung der Wirtschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Samstag, 4. März 2006, Nr. 54 / Seite 13 Der Griff des Staates nach dem Gold Hier ist Zurückhaltung geboten: Das Edelmetall bleibt als Bestandteil der Weltwährungsreserven unverändert wichtig / Von Christian Milow als sie im Jahr 2000 begann, 1300 Tonnen Gold zu verkaufen, den Erlös akkumuliert und in Finanzanlagen investiert. Auf der Passivseite wurde eine Rückstellung für eine spätere Ausschüttung gebildet. Nachdem in der Eidgenossenschaft entschieden worden war, die Golderlöse nach geltendem Recht im Jahr 2005 auszuschütten, wurde die diesbezügliche Rückstellung von 21,1 Milliarden Franken zum Jahresende 2004 aufgelöst. Zusammen mit dem regulären Gewinn im Geschäftsjahr 2004 von 2,9 Milliarden Franken hat die Nationalbank im Jahr 2005 nicht weniger als 24 Milliarden Franken ausgekehrt – das entspricht 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Drittel erhielt der Bund, zwei Drittel flossen den Kantonen zu. Um die Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu begrenzen, wurden der reguläre Gewinn und die Golderlöse von Anfang Mai an in wöchentlichen Tranchen ausgeschüttet. Durch Absicherungs- und Termingeschäfte war sichergestellt, daß der Nationalbank jeweils zu den Ausschüttungsterminen aus dem Bankensystem die Beträge zuflossen, die dann sogleich wieder an den Bund und die Kantone abgegeben wurden. So gelang es, daß die Transaktionen die Notenbankgeldmenge nicht beeinflußten. Den Verlockungen eines Goldschatzes zu widerstehen ist nicht leicht. Schon 1997 hatte der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) versucht, einen Teil des Goldvorrats der Bundesbank durch Neubewertung für den Haushalt nutzbar zu machen. Der heutige Amtsinhaber Peer Steinbrück (SPD) ist zwar vorerst wieder auf den Kurs der Zurückhaltung eingeschwenkt. Sein Vorhaben, das Bundesbankgesetz so zu ändern, daß Gewinne aus dem Verkauf von Goldreserven einer gesonderten Rücklage in der Bundesbankbilanz zuzuführen sind, hat er zurückgezogen. Doch in der großen Koalition besteht der Wunsch weiter, mit Erträgen aus den Goldreserven einen Teil des geplanten „Zukunftsfonds“ zu finanzieren. Am Mittwoch wird Bundesbankpräsident Axel Weber dem parlamentarischen Haushaltsausschuß in dieser Sache Rede und Antwort stehen. Denn die Frankfurter Währungshüter befürchten, daß sich der Bund die besondere Rücklage am Ende aneignen könnte, um schlicht Haushaltsdefizite zu decken – was zwar an sich ein rühmliches Vorhaben wäre, aber eine Werterhaltung der deutschen Währungsreserven erschweren würde. Christian Milow, früherer Präsident der Landeszentralbank in Sachsen und Thüringen, teilt diese Sorgen. Zudem wäre die Entlastungswirkung für den Haushalt nach seiner Auffassung ohnehin nur marginal – die Unabhängigkeit der Bundesbank aber nähme Schaden. (orn.) ie öffentlichen Haushalte sind in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern unter den Lasten, die sie zu tragen haben, aus den Fugen geraten. Diese Lasten sind entstanden durch die Neigung der Politiker, möglichst viele Sozialleistungen zu verteilen und häufig in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen, wobei Subventionen und Steuervergünstigungen besonders beliebt sind. Im Hinblick auf das Ziel nachhaltig tragbarer öffentlicher Finanzen wäre es notwendig, diese und generell die konsumtiven Ausgaben zu kürzen. Um diesem Zwang zu entgehen, suchen Politiker lieber Auswege. Ein Ausweg ist, weiter oder sogar noch mehr Schulden zu machen. Ein anderer Ausweg ist der Rückgriff auf das staatliche Vermögen. Durch die Veräußerung von Vermögensteilen fließen temporär Einnahmen in die öffentlichen Haushalte. Da fällt der Blick fast zwangsläufig auch auf das Gold, das als Teil der Währungsreserven in den Tresoren der Zentralbanken schlummert. Das Gold weckt besonders Begehrlichkeit, weil sein Wert zu aktuellen Marktpreisen wesentlich höher ist als zu früheren Anschaffungspreisen. Im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) ist vorgeschrieben, Gold, Fremdwährungen und Wertpapiere zu Marktpreisen am Bilanzstichtag zu bewerten. Die durch den Übergang von der Anfangs- zu der Marktpreisbewertung aufgedeckten unrealisierten Bewertungsgewinne werden dabei auf der Passivseite der Bilanz erfolgsneutral in einem „Ausgleichsposten aus Neubewertung“ verbucht. Damit wird jeweils aktuell offengelegt, wie hoch die Neubewertungsposten sind. Die Deutsche Bundesbank gehört zu jenen Zentralbanken, die umfangreiche Goldbestände haben. Am Ende des Jahres 2004 machten die nichtrealisierten Gewinne aus dem Gold in Deutschland gut 27 Milliarden Euro aus. Inzwischen dürften sie wegen des gestiegenen Goldpreises D Ein Geldpolitiker auf dem Katheder Foto privat Nach vielen Jahren in verantwortungsvollen Positionen in der deutschen Geldpolitik geht er nun verstärkt seinen akademischen Neigungen nach: Seit Oktober ist Christian Milow Christian Milow Honorarprofessor an der Universität Leipzig, angesiedelt am Institut für Wirtschaftspolitik. Der promovierte Ökonom wohnt zwar im Hochtaunus, ein zweites Standbein im Osten hat er indes schon seit der Wiedervereinigung. Im Jahr 1991 zog es den gebürtigen Berliner, der seine gesamte berufliche Laufbahn bei der Deutschen Bundesbank absolviert hat, zunächst in seine Heimatstadt. In der Vorläufigen Verwaltungsstelle der Bundesbank in OstBerlin leitete er den Hauptbereich „Volkswirtschaft/Kredit und Wertpapiere“. Im Herbst 1992 dann ging er nach Leipzig, wo er beim Aufbau der Landeszentralbank in Sachsen und Thüringen half. 1996 wurde er zum Vizepräsidenten der Bank ernannt, 1999 rückte er als Nachfolger von Olaf Sievert an ihre Spitze. Im Zuge der Umstrukturierung der Bundesbank 2002 trat Milow, damals 64 Jahre alt, vom Amt als Präsident der Landeszentralbank Sachsen und Thüringen zurück. Von 1957 bis 1963 hat Christian Milow an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen studiert, arbeitete dann als Assistent am Lehrstuhl für Finanzwissenschaften und wurde 1968 promoviert. Anschließend trat er in die Dienste der Bundesbank. Viele Jahre arbeitete er in der Volkswirtschaftlichen Abteilung in Frankfurt. (orn.) deutlich höher sein. Für bedrängte Finanzpolitiker, die gern auf das Währungsgold zugreifen würden, besteht ein entscheidendes Hindernis: Das Gold steht in vielen Ländern nicht in der Verfügung des Staates, sondern es ist Teil der Währungsreserven, die von den Zentralbanken – in Deutschland von der Bundesbank – verwaltet werden. Die Bundesbank ist als integraler Bestandteil des ESZB eine unabhängige Institution, die allein über eventuelle Goldverkäufe entscheidet. Obwohl das Gold Anfang der siebziger Jahre den letzten Rest seiner Funktionen in der Währungsordnung verloren hatte, haben die Währungsinstitutionen mit großen Goldbeständen seither nur vergleichsweise wenig Gold verkauft. Sie haben nach wie vor einen sehr großen Goldbestand (nach Angaben des Internationalen Währungsfonds rund 30 000 Tonnen), der aber auf einen kleinen Kreis von Industrieländern und den IWF selbst konzentriert ist. Die Bundesbank verfügt über gut 3400 Tonnen Gold. Das ist international der zweitgrößte Bestand nach jenem der Vereinigten Staaten (gut 8000 Tonnen). Umfangreiche Goldreserven haben außerdem Frankreich, Italien und die Schweiz, geringere die Niederlande, Spanien und Portugal. Daß die Eidgenossenschaft so große Goldreserven hat, hängt mit ungewöhnlich lange bestehenden Vorschriften über die Deckung des Banknotenumlaufs zusammen. Bis zum Jahr 2000 bestand in diesem Land die Pflicht, daß der Banknotenumlauf zu mindestens 25 Prozent durch Gold gedeckt sein mußte. Nachdem die bedeutendsten Währungen der Welt zu flexiblen Wechselkursen übergegangen, der Kapitalverkehr liberalisiert und die internationalen Finanzmärkte leistungsfähig sind, erscheinen große Währungsreserven weniger erforderlich als früher. Dennoch ist es herrschende Meinung, daß Währungsreserven nach wie vor wichtige Funktionen erfüllen, auch in der Europäischen Währungsunion. Dabei stellt sich aber die Frage, ob Zentralbanken weiterhin Gold benötigen. Diese Frage rückt zunehmend in den Vordergrund, weil die Zentralbanken – auch wenn sie wirtschaftspolitische Institutionen und keine vorrangig gewinnorientierten Unternehmen sind – immer mehr auf Relationen von Ertrag und Aufwand achten. Ein vergleichsweise enger globaler Markt Gold erbringt nun einmal keine laufenden Erträge, wenn man von geringeren Beträgen absieht, die durch Goldleihgeschäfte erzielt werden können. Vielmehr verursacht die Lagerung des physischen Goldes Kosten. Allerdings hat sich der Wert des Goldbestandes in der Vergangenheit langfristig aufgrund des gestiegenen Goldpreises sowohl nominal als auch real stark erhöht. Die Zentralbanken haben also abzuwägen, inwieweit Gold weiterhin gehalten werden soll oder besser in ertragbringende Aktiva umzuwandeln ist. Vor etwa zehn Jahren begannen sich verschiedene Zentralbanken mit ihren Goldbeständen zu beschäftigen. Als einige von ihnen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zu Goldverkäufen schritten oder solche ankündigten, sackte der Goldpreis von rund 400 Dollar je Feinunze Anfang 1996 auf etwa 260 Dollar Mitte 1999 ab. Der Goldmarkt ist vergleichsweise eng. Die in aller Welt jährlich geförderte Menge Goldes beläuft sich auf ungefähr 2500 Tonnen und das Weltmarktvolumen im Jahr auf rund 4000 Tonnen. Der Goldbestand der Währungsinstitutionen ist also mehr als zehnmal so groß wie die jährliche Produktion aus Goldminen. Um einen weiteren Verfall des Goldpreises zu stoppen, was auch im Hinblick auf die ärmeren goldproduzierenden und goldexportierenden Länder erforderlich schien, unterzeichneten die meisten europäischen Zentralbanken einschließlich der EZB und der Schweizerischen Nationalbank im September 1999 eine „Gemeinsame Erklärung zu den Goldbeständen“, die fünf Jahre gelten sollte. Darin wurde festgelegt, daß die Parteien über beschlossene und abgestimmte Goldverkäufe hinaus (rund 400 Tonnen im Jahr, 2000 Tonnen im Fünfjahreszeitraum) nicht am Politischer Druck auf die Zentralbanken So magisch solche Barren auch glänzen – das Gold bringt kaum laufende Erträge und verursacht noch Lagerungskosten. Markt als Verkäufer auftreten. Die Schweizerische Nationalbank hatte ein Einzelkontingent von 1300 Tonnen, die Bundesbank kein Kontingent. Diese erste Vereinbarung hat wesentlich dazu beigetragen, den Goldmarkt zu stabilisieren. Der Goldpreis stieg nach Inkrafttreten unter Schwankungen bis Ende 2003 auf 400 Dollar je Feinunze. In jüngerer Zeit tendierte der Goldpreis weiter stark nach oben. Im Zeitraum vom Herbst 1999 bis Herbst 2004 haben sich fünf europäische Länder von einem Teil ihrer Goldreserven getrennt, vor allem die Schweiz, daneben Großbritannien, die Niederlande, Portugal und Österreich. Bereits im März 2004 einigten sich die beteiligten Zentralbanken auf ein weiteres Abkommen, das im September 2004 unmittelbar an die dann auslaufende erste Vereinbarung für wiederum fünf Jahre wirksam wurde. Der Inhalt ist im wesentlichen unverändert. Allerdings wurden die maximalen Verkaufsmengen auf 500 Tonnen jährlich und 2500 Tonnen insgesamt heraufgesetzt. Anders als in der ersten Vereinbarung hat die Bundesbank eine Verkaufsoption von 120 Tonnen im Jahr (600 Tonnen insgesamt). Abgesehen von dem Argument, daß unkoordinierte Verkäufe von Gold in größeren Mengen nicht der gebotenen Rücksicht auf den Goldmarkt entsprächen, geht es bei der Entscheidung, ob Gold weiter gehalten oder veräußert werden soll, um vier Fragen: Erstens, welche Bedeutung wird dem Gold als Vertrauensanker und als Reserve für Notsituationen zugemessen? Zweitens, wie wird der Goldbestand unter Gesichtspunkten des Verhältnisses von Ertrag und Aufwand gesehen? Drittens, sind Goldverkäufe geldpolitisch unbedenklich? Und viertens, was geschieht mit realisierten Gewinnen aus der Goldposition? Sind zusätzliche Ausschüttungen an den Staat opportun? Wenden wir uns zunächst den ersten beiden Fragen zu. Unter den Gold abgebenden Zentralbanken hat sich die Schweizerische Nationalbank immerhin allgemein geäußert: Sie habe den Teil des Goldes verkauft, der für geld- und währungspolitische Zwecke nicht mehr benötigt werde. Freilich scheint es hinsichtlich der Quantität eine freie politische Ent- scheidung gewesen zu sein. Denn nach welchem Kriterium hätte man schon die zu verkaufende Menge unter geldpolitischen Aspekten bestimmen sollen, da Gold für die Geldpolitik heute überhaupt nicht mehr benötigt wird? In währungspolitischer Sicht wurde auf die Funktion des Goldes als Vertrauensanker und vor allem als Notreserve zurückgegriffen. Die Nationalbank will, nachdem sie ungefähr die Hälfte ihres ursprünglichen Bestandes veräußert hat, künftig einen für die recht kleine Eidgenossenschaft beachtlichen Goldvorrat von 1290 Tonnen halten. Dies trüge dazu bei, „daß die Schweiz in Notlagen gegenüber dem Ausland zahlungsfähig bleibt“, heißt es. Darüber hinaus darf man vermuten, daß der Ertragsfaktor in der Schweiz in den Überlegungen eine nicht geringe Rolle gespielt hat, auch wenn dieser Aspekt nicht explizit genannt wurde. Verkäufe ohne großen geldpolitischen Effekt Generell will die Schweizerische Nationalbank, die in ihren Geschäftsberichten genau über die Rendite der verschiedenen Vermögenswerte berichtet, die Aktiva im Rahmen der gesetzlichen und sonstigen Vorgaben möglichst ertragreich bewirtschaften. Auch bei den anderen europäischen Zentralbanken und Institutionen, die Gold verkauft haben, standen wohl hinter dem üblicherweise nur genannten Ziel der „Restrukturierung der Währungsreserven“ letztlich Ertragsgesichtspunkte. Wie in Frankreich und Italien hatte auch die deutsche Zentralbank bis Herbst 2004 kein Gold veräußert, wenn man von geringen Mengen absieht, die auch schon früher an das Bundesfinanzministerium für dessen Goldmünzprogramm abgegeben wurden. Im Dezember 2004 beschloß der Vorstand der Bundesbank, dem Ministerium für diesen Zweck 8 Tonnen zu verkaufen, die im ersten Jahr bestehende Verkaufsoption darüber hinaus aber nicht zu nutzen; diese würde insoweit von anderen Notenbanken des Eurosystems übernommen. Der Bundesfinanzminister war über diese Entscheidung nicht erfreut. Schließ- Foto Focus lich zeichnete sich damals ab, daß der an den Bund abzuführende Bundesbankgewinn für das Jahr 2004 niedriger ausfallen würde als im Bundeshaushalt 2005 veranschlagt. Gerade diesbezügliche Wünsche aus dem politischen Raum und die dort geführten Debatten über das Thema Goldverkäufe können eine zögernde Haltung einer unabhängigen Zentralbank stärken. Nun zu der dritten und vierten Frage, das heißt zu den geldpolitischen und finanzpolitischen Aspekten von Goldverkäufen durch offizielle Stellen. Aus dem Verkauf von Gold folgen im ersten Schritt keine geldpolitischen Effekte, weil für das Gold Dollar erlöst werden. Erst wenn die Dollar gegen heimische Währung veräußert werden, ergibt sich eine kontraktive Liquiditätswirkung, also eine Verkürzung der Zentralbankbilanz. Allerdings wird die Bilanz nicht in voller Höhe der Markterlöse verkürzt, sondern nur insoweit, wie diese die früheren Anschaffungswerte übersteigen. Je nach der Geldmarktsituation und nach den geldpolitischen Intentionen der Zentralbank kann der kontraktive Effekt hingenommen oder durch ein erhöhtes Volumen an Refinanzierungsgeschäften kompensiert werden. Die Größenordnungen, um die es geht, sind aber begrenzt. Nimmt man beispielsweise an, daß Mitgliedszentralbanken des Eurosystems 500 Tonnen Gold auf einen Schlag verkaufen, so käme es zu einer Verkürzung der Bilanz des Eurosystems um etwa 5 Milliarden Euro. Dies ist angesichts eines derzeit von der EZB wöchentlich im Wege des Hauptrefinanzierungsgeschäfts zuzuteilenden Kreditvolumens von 300 Milliarden Euro eine vergleichsweise marginale Größe. Die im Rahmen der Goldabkommen der Zentralbanken in Betracht kommenden Mengen können also keine geldpolitischen Probleme verursachen, zumal die Goldverkäufe über das Jahr verteilt werden. Insofern dürfte es auch zu keinen fühlbaren Anpassungsreaktionen im Bankensystem kommen. Goldverkäufe von Zentralbanken und eventuell folgende Ausschüttungen sind geldpolitisch voll beherrschbar. Dies gilt selbst für den Sonderfall Schweiz. Die Schweizer Nationalbank hat, In den öffentlichen Haushalten der Schweiz schlägt die Ausschüttung im Umfang von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts natürlich stark zu Buche. Lange war offen und strittig, wofür die Golderlöse verwendet werden sollten. Dabei war und ist die Rentenversicherung ein häufig wiederkehrendes Thema. Die Schweizerische Nationalbank hatte mehrmals darauf hingewiesen, daß aus ökonomischer Sicht eine Schuldentilgung am sinnvollsten wäre. Aber Bund und Kantone sind grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, denn es gab keinerlei Vereinbarung über die Verwendung der Zuflüsse. Tatsächlich wird von den Kantonen der größte Teil der Mittel zur Schuldentilgung eingesetzt. Wenn man von der Schweiz absieht, kann zur Erleichterung der finanzpolitischen Nöte indes kaum auf das Währungsgold gesetzt werden. In den anderen vier Ländern, die im Rahmen des ersten Zentralbankabkommens Gold verkauft haben, waren zusätzliche Haushaltseinnahmen meist gar nicht beabsichtigt, das heißt, die Erlöse aus Goldverkäufen wurden nicht ausgeschüttet. In Deutschland dagegen haben Bundesfinanzminister und andere Politiker immer wieder – wenn auch vergeblich – begehrlich zum Gold der Bundesbank geblickt. Auch künftig kann von Goldverkäufen ein merklicher Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht erwartet werden. Nähme die Bundesbank ihre Option im Rahmen der zweiten Vereinbarung der Zentralbanken von jährlich 120 Tonnen wahr, so ließen sich jedes Jahr Bewertungsreserven von gut einer Milliarde Euro mobilisieren. Doch das ist eine bescheidene Summe angesichts der aktuellen Dekkungslücken in den öffentlichen Haushalten und des Standes der staatlichen Verschuldung in Deutschland. Nachdem das Gold schon lange alle Funktionen in der internationalen Währungsordnung verloren hat und seitdem ungebundenes Volksvermögen ist, könnte es zwar durchaus als rational angesehen werden, sich schrittweise von Goldreserven zu trennen – aus der Sicht der Zentralbanken freilich unter der Bedingung, in voller Unabhängigkeit über den Verkauf entscheiden zu können. Entscheidend für die Beurteilung ist aber, was mit den realisierten Veräußerungsgewinnen geschieht. Werden sie ausgeschüttet, so ist das jeweils eine Einmalmaßnahme. Und Einmalmaßnahmen können kaum etwas dazu beitragen, nachhaltig tragbare öffentliche Finanzen zu erreichen. Aber selbst wenn die realisierten Veräußerungsgewinne einbehalten werden, ist das unter Umständen nicht unproblematisch. Der vor einigen Wochen vorgelegte, aber nicht weiterverfolgte Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zur Änderung des Bundesbankgesetzes mit der Vorschrift, daß Gewinne aus dem Verkauf von Goldreserven einer gesonderten Rücklage zuzuführen seien, hätte nicht nur den Spielraum der Bundesbank bei der Aufstellung des Jahresabschlusses eingeengt, sondern wäre auch insofern bedenklich gewesen, als damit wohl die Erwartung verbunden war, die Bundesbank möge ihre Option für Goldverkäufe nutzen. Beides hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank tangiert. Die Zentralbanken selbst fassen keine umfangreichen Goldverkäufe ins Auge. Einige wollen zwar kleinere Mengen Gold abgeben – dies taten mehrere Zentralbanken des Eurosystems in den vergangenen Monaten. Den größten Teil aber wollen sie doch im Portefeuille behalten. In der „Gemeinsamen Erklärung“ von 2004 heißt nämlich wie schon 1999 der erste Punkt: „Gold bleibt ein wichtiger Bestandteil der Weltwährungsreserven.“ Wenn die europäischen Zentralbanken weiterhin so stark auf das Gold setzen, können dahinter doch keine anderen Motive stehen als die, den Vertrauensanker Gold zu erhalten und für eventuelle Krisensituationen vorzusorgen. Zurückhaltung bei Goldverkäufen könnte sich in der Zukunft einmal als weitsichtig erweisen. Der Glanz des Währungsgoldes ist keineswegs verblaßt.