Disease Management in Deutschland

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Disease Management in Deutschland
-
Voraussetzungen, Rahmenbedingungen,
Faktoren zur Entwicklung,
Implementierung und Evaluation
Gutachten
im Auftrag des
Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK)
und des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e.V. (AEV)
Prof. Dr. Dr. Karl W. Lauterbach,
Institut für Gesundheitsökonomie und
Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln.
Gleueler Str. 176-178/III
50935 Köln
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Autoren
Institut für Gesundheitsökonomie und
Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln.
Gleueler Str. 176-178/III
50935 Köln
Telefon:
+49 - 221 - 4679 - 0
Telefax:
+49 - 221 - 430 230 4
Leitung:
Prof. Dr. Dr. Karl W. Lauterbach
Mitarbeit:
Dr. med. Stephanie Stock, Gesundheitsökonom (ebs)
Marcus Redaèlli, Arzt
Matthias Kühn, Arzt und Wirtschaftswissenschaftler
Dr. rer. pol. Markus Lüngen
Seite 2
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 3
Inhaltsverzeichnis
1
Definition und Zielsetzung von Disease Management
17
1.1
Einführung
17
1.2
Definition
17
1.3
Zielsetzung von Disease Management in der GKV
24
1.4
Beispiele im internationalen Bereich
25
1.5
Status Quo, gesetzliche Rahmenbedin-gungen in Deutschland 33
1.5.1 Gesetzliche Krankenversicherung
34
1.5.2 Private Krankenversicherung
45
1.5.3 Kommerzielle Gesundheitsdienstleister:
49
2
Disease Management Komponenten bei ausgewählten Erkran
kungen im internationalen Bereich
51
2.1
Bsp. 1: Leitlinienimplementierung / Organisationsmanagement 52
2.2
Bsp.2: Organisationsentwicklung, Einsatz von Informations
technologie
2.3
Bsp. 3: Evaluationsstrategien: Entwicklung von Indikatoren der
Prozess- und Ergebnisqualität
2.4
60
67
Bsp 4: Patientenschulung, individuelle Therapieleitlinien und
Patienten-Selbstmanagementtechniken
71
2.5
Bsp 5: Organisationsmanagement
75
2.6
Bsp 6: Reminder und Feedback für Ärzte und Patienten
83
2.7
Bsp 7: Installation eines Elektronischen Monitoring-Systems und
Gruppensprechstunden für Diabetiker
87
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
2.8
2.9
Seite 4
Bsp. 8: Schulung und Unterstützung des Krankheitsselbstmanagements
89
Bsp. 9: Organisationsmanagement
91
2.10 Bsp. 10: Leitlinieneinsatz, Feedback, Ärztefortbildung
96
3
Evidenzbasierte Leitlinien
98
3.1
Einleitung
98
3.2
Definition
99
3.3
Qualitätsmerkmale von Leitlinien
100
3.4
Methodik, Dissemination, Implementierung und Evaluierung von
Leitlinien
102
3.4.1 Methodik
103
3.4.2 Dissemination
105
3.4.3 Implementierung
106
3.4.4 Evaluation
106
4
Patientenschulung
109
4.1
Formen der Wissensvermittlung
110
4.2
Strukturierte Behandlungs- und Schulungsprogramme
112
4.3
Materialien der Wissensvermittlung
112
4.4
Empfohlenes Gesamtkonzept für die Patientenschulung im Disease Management
113
4.4.1 Anforderungen an schulende Institutionen
113
4.4.2 Anforderungen an die Schulungsleiter
114
4.4.3 Anforderungen an das Schulungsprogramm
115
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 5
5
Erinnerungssysteme im Disease Management
5.1
Bedeutung und Funktion von Erinnerungssystemen im Disease
Management
120
121
5.1.1 Funktion von Remindern für den Arzt
121
5.1.2 Funktion von Remindern für den Patienten
123
5.2
Der Einsatz von Erinnerungssystemen im Disease Management
Programm
130
5.2.1 Wann sollen Reminder eingesetzt werden?
130
5.2.2 Welche Arten von Reminder können verwendet werden?
132
5.2.3 Wer soll den Remindereinsatz steuern?
134
6
Arzt- und Patienteninformationssysteme im Disease Manage
ment
137
6.1
Patienteninformationssysteme
141
6.2
Arztinformationssysteme
148
6.3
Internet und Disease Management
150
7
Datenmanagement, Dokumentation und Datenbanken im Disease Management
154
7.1
Funktion und Stellenwert von Daten im Disease Management 154
7.2
Dokumentation im Disease Management: der Benchmarkingdatensatz
155
7.3
Datenbanken der am Disease Management Beteiligten
160
7.4
Datenfluss im Disease Management Programm
162
7.5
Datenschutz im Disease Management
163
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
8
Seite 6
Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung
166
8.1
Qualitätsstufen von Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung
8.2
167
Interventionen zum Organisationsmanagement und zur Entscheidungsunterstützung
169
9
Ärztliche Fortbildung im Disease Management
174
9.1
Entwicklungstendenzen in der ärztlichen Fortbildung
174
9.1.1 Internationale Entwicklungen
175
9.1.2 Anforderungen an einen systematischen Fortbildungsansatz im
Disease Management
9.2
Ärztliche Fortbildung im Disease Management: Systematische
Weiterentwicklung der ärztlichen Kompetenz
10
178
183
Vorschlag zum Aufbau eines Disease Management in Deutsch
land
187
10.1 Aufbau und Ablauf eines Disease Management Programms
187
10.1.1 Disease Management Module
188
10.1.2 Einschreibemodul
190
10.1.3 Disease Management Gruppen
191
10.1.4 Basismodul
192
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
11
Seite 7
Disease Management bei ausgewählten Erkrankungen (Diabetes Mellitus)
196
11.1 Einleitung
196
11.2 Über-, Unter- und Fehlversorgung bei Diabetikern
200
11.3 Einschreibungsmodul:
204
11.4 Basismodul
212
11.5 Ergänzungsmodule
249
11.6 Ergänzungsmodul - Komplikationstherapie
260
12
Kosten- Effektivität als Voraussetzung für den Einsatz von Di
sease Management Programmen
12.1 Einführung
279
279
12.2 Aspekte der Kosten- Effizienz von Disease Management
Programmen
281
12.3 Evidenz für Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen
12.3.1 Mehrkosten von Krankheiten
282
283
12.3.2 Beispiele für Evaluationen von Disease Management Programen
285
12.3.3Vergleich mit betrieblichen Gesundheitsprogrammen
288
12.4 Zusammenfassung und Diskussion
290
13
294
Qualitätssicherung
13.1 Anforderungen an die Qualitätsicherung von Disease Management
Programmen im Risikostrukturausgleich
295
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 8
13.1.1 Wahl der Erkrankungen und Leitlinien, Definition von Versorgungszielen und Einschreibungskriterien durch die Spitzenverbände
295
13.1.2 Definition der Module und Komponenten für Disease Management Programme sowie der Anforderungen an die Module und
Komponenten
13.1.3 Definition von Kriterien zur Evaluation der Programme
297
298
13.1.4.Programmentwicklung durch geeignete Institutionen, wie z.B.
Krankenkassen, auf dem Boden der gesetzlichen Vorgaben 298
13.1.5 Monitoring durch eine unabhängige Institution
299
13.2
301
Akkreditierung von Disease Management Programmen
13.2.1 Kriterien der Akkreditierung
303
13.3 Reakkreditierung von Disease Managment Programmen
309
14. Literatur
313
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 9
Fazit des Gutachtens:
Im Gutachten „Disease Management in Deutschland – Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Faktoren zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation“ werden
Rahmenbedingungen und Faktoren zur Implementierung von Disease Management
in Deutschland untersucht.
Disease Management ist ein systematischer Behandlungsansatz, der für chronisch
Kranke eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Versorgung nach dem neuesten Standard der Wissenschaft organisiert. Während in der Routineversorgung auch
in Deutschland weniger als die Hälfte der chronisch Kranken nach diesem Standard
versorgt werden, können durch Disease Management Programme Werte von mehr
als 80 % evidenzbasiert versorgter Patienten erreicht werden. Dies ist möglich, indem eingeschriebene Patienten, die Krankenkasse und die behandelnden Ärzte einen Vertrag schließen, der vorsieht, dass der wissenschaftlich gesicherte Standard
das Ziel der Versorgung ist. Dieser Standard wird Ärzten und Patienten in geeigneter
Form vorgelegt, z.B. durch Leitlinien und leicht verständliches und didaktisch hochwertiges Informationsmaterial. Der wissenschaftlich gesicherte Standard ist Gegenstand der Fortbildungen der teilnehmenden Ärzte und spezieller Schulungen der Patienten. Die Krankenkassen helfen aktiv bei der Verbesserung der Mitarbeit des Patienten, indem sie z.B. den Patienten an wichtige Untersuchungen oder Eigenaktivitäten erinnern, Raucherentwöhnungsprogramme anbieten oder weitergehende unabhängige Informationen zu seiner Krankheit anbieten. Durch die Einschreibung der
Patienten in Disease Management Programme wird ermöglicht, dass die Versorgung
chronisch Kranker sich stärker auf die Ärzte und Einrichtungen konzentriert, die über
ausreichendes Erfahrungswissen verfügen und die bereit sind, sich einer solchen
Behandlungsphilosophie anzuschließen.
Disease Management ist ein ideales Instrument, Über-, Unter- und Fehlversorgung in
der Versorgung chronisch Kranker in Deutschland abzubauen. Dies führt im medizinischen Bereich zu verbesserten Outcomes und im ökonomischen Bereich zur Kostenstabilisierung, da:
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
•
Seite 10
Die Einführung von Disease Management bereits kurzfristig durch den gleichzeitigen und gleichmäßigen Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung zu Kosteneinsparungen führen kann.
•
Die Verknüpfung der Programme mit dem Risikostrukturausgleich (RSA) bereits
kurzfristig eine wirtschaftliche Entlastung derjenigen Krankenkassen mit sich
bringt, die einen hohen Anteil an chronisch Kranken in ihrem Patientengut aufweisen.
•
Die Einführung einer evidenzbasierten Therapie zur Vermeidung bzw. Verringerung von Komplikationen und Komorbiditäten führt. Dadurch werden die Krankenkassen langfristig wirtschaftlich entlastet, da die Krankenhausaufenthalte in der
Summe und Länge verkürzt werden.
Zusätzlich werden diejenigen Krankenkassen, die viele Diabetiker einschreiben,
durch den Risikostrukturausgleich entlastet, da ihr von Krankenkassen mit überwiegend gesunden Versicherten Gelder zufließen. Gäbe es durch den Risikostrukturausgleich keinen Ausgleich zwischen Kassen mit vielen und wenigen chronisch
Kranken in ihrer Versichertenstruktur, könnten die Krankenkassen die sinnvolle und
ökonomisch attraktive Initiative Disease Management nicht ergreifen, weil sie neue
Diabetiker durch das Programm anziehen würde. Ohne Risikostrukturausgleich hat
sich Disease Management daher im wesentlichen nur in den USA weit verbreitet,
weil dort kein solidarisches Wettbewerbssystem besteht, und die Krankenkassen
neue Diabetiker einfach ablehnen können.
Gut eingeführt, unterstützt das Disease Management die Bemühungen um eine rationale und kosteneffektive Arzneimitteltherapie und ist eine ideale Ergänzung laufender Gesetzgebungsverfahren in diesem Bereich. Durch die vermehrte Datentransparenz sowie Angeboten an Fortbildungen und Entscheidungsunterstützung an den
Arzt können im Disease Management nicht wirksame Arzneimittel, teure Me-Too
Präparate oder Pseudoinnovationen in ihrer Verordnungshäufigkeit zurückgedrängt
werden. Für die Entwicklung der Arzneimittelkosten ist Disease Management von
großer Bedeutung, da 80 % der Kosten auf nur 20 % der Versicherten zurückgehen,
von denen die meisten chronisch krank sind.
Um eine optimale Qualitätsverbesserung ohne Kostensteigerungen zu erreichen,
sollten bei der geplanten Einführung von Disease Management Programmen im
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 11
Rahmen des Risikostrukturausgleichs die folgenden drei Punkte besonders berücksichtigt werden:
1. Disease Management stabilisiert die Kosten, wenn durch qualitätsgesicherte Programme gleichzeitig Über-, Unter- und Fehlversorgung abgebaut wird
Im Gesetzesentwurf zur Reform des Risikostrukturausgleichs ist geplant, die Leistungsausgaben von Versicherten, die in Disease Management Programme eingeschrieben sind, im Risikostrukturausgleich besonders zu berücksichtigen. Daher besteht für die Krankenkassen ein starker Anreiz, die größtmögliche Anzahl von Versicherten in Disease Management Programme einzuschreiben. Eine weitgehend unkontrollierte Einschreibung in nicht qualitätsgesicherte Disease Management Programme kann jedoch u.a. zu folgenden Problemen führen:
•
Defizite in der Regelversorgung werden durch die Durchführung zusätzlicher
Leistungen in Randbereichen kompensiert. Ein solches Vorgehen würde den Anforderungen an Disease Management nicht gerecht und folglich nicht zu den
erwarteten Ergebnissen bezüglich der Verbesserung der Versorgungsqualität und
Stabilisierung der Kosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führen.
Vielmehr würde ein Kostenschub in der Versorgung ausgelöst werden.
•
Durch eine Ausdehnung von Zusatz- und Service– Leistungen in Randbereichen
würde einer Intensivierung von Über-, Unter- und Fehlversorgung Vorschub geleistet.
Zur Vermeidung dieser Problematik werden folgende Maßnahmen der Qualitätssicherung vorgeschlagen:
•
Alle Programme, die im Risikostrukturausgleich berücksichtigt werden, sollten
gleichzeitig Über-, Unter- und Fehlversorgung abbauen. Die Beschränkung eines
Programms auf den selektiven Abbau von Unterversorgung sollte zum Ausschluss aus der Förderung durch den Risikostrukturausgleich führen (keine Akkreditierung). Dies ist auch ethisch gut begründbar, da Probleme der Über- und
Fehlversorgung genauso gravierend sind, wie Probleme der Unterversorgung.
•
Die wichtigsten Versorgungsziele zum Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung sollten von den Spitzenverbänden einheitlich und gemeinsam in § 137f
SGB.V definiert werden. Dabei sollten die im Gutachten des Sachverständigen-
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 12
rats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen identifizierten Bereiche von
Über-, Unter- und Fehlversorgung berücksichtigt werden. Zum späteren Zeitpunkt
können auch die Beschlüsse des Koordinierungsausschusses nach § 137e
zugrunde gelegt werden. Sind die wichtigsten Ziele von Über-, Unter und Fehlversorgung definiert, so hat auch das Bundesversicherungsamt (BVA) eine gute
Grundlage für die Akkreditierung der Programme. Für das Gesetzliche Krankenversicherungs - System sollten einheitliche Versorgungsziele festgelegt werden.
So kann verhindert werden, dass Programme zum einen eine Vielzahl an Versorgungszielen festlegen können und diese nur sehr oberflächlich angehen (z.B.
Schein-Disease Management in allen Bereichen durch ein Call Center). Zum anderen soll so verhindert werden, dass Programme, die lediglich ein Ziel zum Abbau von Unter- oder Fehlversorgung in einem bestimmten Bereich definieren, aber dieses sehr intensiv verfolgen, akkreditiert werden können (beispielsweise ein
Diabetes Disease Management Programm, das sich ausschließlich auf die Versorgungsverbesserung einer einzigen Begleiterkrankung wie der Polyneuropathie
konzentriert). Somit soll ein Wettbewerbsvorteil von Kassen verhindert werden,
die sich lediglich auf den Abbau von Unterversorgung konzentrieren oder die ein
sehr weites Spektrum von Gesundheitszielen pro Krankheit sehr wenig intensiv
verbessern bzw. sich auf einen sehr kleinen Ausschnitt der Verbesserung der
Versorgung konzentrieren.
2. Um viele widersprüchliche Standards zu vermeiden, müssen wissenschaftliche Leitlinien ausgewählt werden
Zur Verbesserung der Versorgungsqualität und der Sicherung der Kosteneffektivität
ist die Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie in die Regelversorgung von größter Bedeutung. Denn hohe Folgekosten in der Versorgung chronisch Kranker werden
häufig durch Leistungen verursacht, deren Wirksamkeit nicht gesichert ist. Die Versorgungsziele sollten sich dazu an deutschen oder internationalen evidenzbasierten
Leitlinien orientieren. Um die Ablösung einer Situation ohne Standards durch die
Schaffung multipler Standards zu vermeiden, wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen:
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
•
Seite 13
Die wichtigsten, auf dem Boden von Über-, Unter- und Fehlversorgung definierten
Versorgungsziele sowie die Standards zur Erreichung dieser Ziele sollten einheitlich und gemeinsam von den Spitzenverbänden festgelegt werden. Dazu können
pro Krankheit drei bis vier evidenzbasierte Leitlinien durch die Spitzenverbände
definiert werden, auf deren Boden die Standards festgelegt werden. Die Vorgabe
von nur einer ausgewählten Leitlinie würde den Charakter einer Richtlinie tragen
und dem Vorwurf der „Kochbuchmedizin“ Vorschub leisten. Würden keine Leitlinien in § 137f SGB V vorgeschlagen, würde die Gefahr bestehen, dass es zu einer Vielzahl unübersehbarer und widersprüchlicher Standards kommt. Damit
könnte keine Verbesserung in der Versorgungsqualität und keine Kostenstabilisierung erreicht werden.
•
Um die Einschreibung ungeeigneter Patienten und damit die medikamentöse Überdosierung von Versicherten zu vermeiden, sollten von den Spitzenverbänden
einheitlich und gemeinsam Einschreibekriterien für die Disease Management
Programme definiert werden. Die Kriterien können deutschen bzw. internationalen evidenzbasierten Leitlinien entnommen werden.
•
Alle Programme, die im Risikostrukturausgleich berücksichtigt werden, sollten
vom Bundesversicherungsanstalt bezüglich der Einhaltung dieser Kriterien überprüft werden.
3. Die Qualitätssicherung der Programme sollte durch einen minimalen
Benchmarkingdatensatz optimiert werden
Ein etwa eine Seite umfassender Benchmarkingdatensatz fragt evidenzbasierte Parameter der Prozess- und Ergebnisqualität sowie Zielwerte für jeden Patienten ab,
die zur Erfüllung der definierten Versorgungsziele beitragen. So wird nach der Verbesserung einiger weniger, besonders wichtiger Laborwerte gefragt, nach der Durchführung von Untersuchungen, die häufig unterlassen werden, nach Arzneimitteln, die
für den eingeschriebenen Patienten besonders wichtig oder besonders problematisch sein könnten, und ob dem Patienten für ihn geeignete, qualitativ hochwertige
Schulungen angeboten wurden. Der Datensatz erfüllt dabei mehrere Anforderungen
gleichzeitig:
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
•
Seite 14
Er wird vierteljährlich von den Krankenkassen erhoben und einmal jährlich dem
Bundesversicherungssamt (BVA) mitgeteilt.
•
Er liefert die Daten, die es der Krankenkasse erlauben, aktiv am Disease Management teilzunehmen und Arzt und Patient mit spezifischen Angeboten (Schulungen, patientenindividuelle Therapieempfehlungen, Reminder, etc) zu unterstützen.
•
Da die Daten vom Arzt mitgeteilt werden, der das Formular unterschrieben hat,
kann die Krankenkasse sich auf die Richtigkeit der Daten in der Regel verlassen.
Daten vom Patienten selbst oder auf der Grundlage von Auswertungen elektronischer Datensätze wären zur Zeit noch nicht ausreichend zuverlässig.
•
Da auch der Patient die Daten unterschreibt, ist die Wahrscheinlichkeit der Mitteilung „zu guter“ Werte reduziert. Der Patient trägt zum Monitoring der Daten bei.
Durch die quartalsweise Erhebung des Benchmarkingdatensatzes stehen Arzt,
Patient und Kasse die Daten zeitnah zur Verfügung. Damit ist ein rasches Eingreifen und die frühzeitige Korrektur von Abweichungen möglich.
•
Die Bögen stellen eine ausgezeichnete Grundlage zum Benchmarking der Programme dar. Durch diese Daten kann ermittelt werden, welchen Programmen es
gelingt, die wichtigsten Laborwerte, Untersuchungen und Behandlungen als Parameter der Prozessqualität günstig zu beeinflussen. In den Vereinigten Staaten
hat die Dokumentation eines solchen minimalen Benchmarkingdatensatzes in der
Qualitätssicherung (HEDIS Programm der Managed Care Organisationen) wesentlich zur Verbesserung der Qualität der Versorgung beigetragen.
•
Die Bögen sind ebenfalls eine gute Grundlage für die Prüfung der Programme
zum Zwecke der Akkreditierung und Reakkreditierung durch das BVA (s.u.). Auf
der Grundlage der Bögen kann das BVA erkennen, ob die Patienten an dem Disease Management überhaupt teilgenommen haben und ob die wichtigsten zum
Disease Management gehörenden Leistungen erbracht wurden. Dazu gehören
z.B. die vereinbarten Schulungen und die vereinbarten Laboruntersuchungen und
Behandlungen. Versicherte, für die keine Bögen vorliegen, sollten nach Ablauf einer definierten Frist keine Berücksichtigung im RSA-Ausgleichsverfahren finden.
Nur so kann das Mitführen von „Karteileichen“ zur Abrechnungsmanipulation im
RSA verhindert werden.
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
•
Seite 15
Durch den Datensatz wird vermieden, dass sich das Disease Management wie
oben beschrieben auf nicht evidenzbasierten Randbereiche konzentriert und zu
einer Intensivierung von Über-, Unter- und Fehlversorgung führt.
•
Auch eine effizientere Arzneimitteltherapie kann über den Benchmarkingdatensatz erreicht werden, indem beispielsweise die Therapie mit sogenannten Reservetherapeutika abgefragt und begründet werden muss. Medikamente, die nicht
kosteneffektiv sind, bzw. deren Wirksamkeit nicht gesichert ist, wie z.B. Pseudoinnovationen oder Me-too Präparate könnten so in der Verordnungshäufigkeit zurückgedrängt werden und der kostenstabilisierende Effekt des Disease Management verstärkt werden. Die Richtigkeit der gemachten Angaben können die Krankenkassen in ihren Arzneimitteldaten untersuchen, die sie auf der Grundlage der
Einwilligung der Patienten unter Berücksichtigung des Datenschutzes auswerten
dürfen.
•
Der Benchmarkingdatensatz darf Kassen mit einem hohen Anteil an sozioökonomisch schwachen Versicherten bzw. mit einem hohen Anteil an eingeschriebenen
Versicherten mit schlechten Ausgangswerten nicht benachteiligen. Daher sollte
nicht der absolut erreichte Wert eines Indikators als Vergleichsbasis herangezogen werden, sondern die erreichte Verbesserung. Ist die Verbesserung das wichtigste Kriterium im Benchmarking, so besteht für Kassen mit schlechter Ausgangslage ein größeres Potenzial an erreichbaren Verbesserungen als für Kassen mit einer besseren Ausgangslage, auch wenn diese aufgrund der Versichertenstruktur schwieriger zu erreichen sein können.
Mit der Einführung eines qualitätsgesicherten Disease Management in der GKV kann
ein Beitrag zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung bei
gleichzeitiger Kostenstabilisierung geleistet werden. Wichtige Voraussetzungen für
das Gelingen der Einführung sind:
•
Der gleichzeitige Abbau von Über- und Fehlversorgung an Stelle der alleinigen
Konzentration auf den Abbau von Unterversorgung.
•
Die einheitliche und gemeinsame Definition von evidenzbasierten Versorgungszielen und Standards durch die Spitzenverbände.
•
Die Festlegung möglichst manipulationssicherer Einschreibekriterien.
Disease Management in Deutschland – Fazit des Gutachtens
Seite 16
Eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität der Programme kann durch ein öffentliches Benchmarking erreicht werden, das sich an den einheitlich definierten Versorgungszielen und Standards orientiert.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 17
1 Definition und Zielsetzung von Disease
Management
1.1 Einführung
Durch die sich verändernde demographische Entwicklung ist in Deutschland wie in
anderen Industrienationen mit einer Zunahme chronischer Erkrankungen zu rechnen.
Die Schätzungen zur steigenden Prävalenz des Diabetes Mellitus in Europa/
Deutschland beispielsweise liegen bei ca. 7-8% in der Erwachsenenbevölkerung [Alberti et al., 1998; Palitzsch et al., 1999; European Diabetes Policy Group, 1999]. Eigenen Erhebungen zufolge leiden in Deutschland ca. 25% aller GKV-Versicherten an
einer oder mehreren der folgenden Erkrankungen: Asthma, Herzinsuffizienz, Hypertonie, Koronare Herzerkrankung, Brustkrebs sowie Z.n. Apoplex [Lauterbach et al.,
2001].
Die Versorgung dieser chronisch kranken Patienten erfolgt in einem Gesundheitssystem, das durch eine sektorale Gliederung und durch die überwiegende Ausrichtung
seiner Organisationsstrukturen auf die Therapie akuter Krankheitsbilder gekennzeichnet ist. Ein großer Teil der Regelversorgung chronisch Kranker wird daher von
niedergelassenen (Haus-) Ärzten durchgeführt [Wagner et al., 1996], die aufgrund
von Zeitdruck und Arbeitsbelastung kaum in der Lage sind, sich mit den jeweils neuesten Informationen zur Therapie der verschiedenen Erkrankungen auseinander zusetzen. Nur ein kleiner Teil der Patienten ist zusätzlich an Schwerpunktpraxen und
Spezialambulanzen angebunden, obwohl Studien zufolge Spezialisten eher auf dem
aktuellen Stand des Wissens sind und neue Verfahren auch rascher in die Regelversorgung umsetzen [McCulloch et al., 1998]. Werden Diabetiker von Diabetologen im
Rahmen von systematischen Programmen betreut, so weisen die Patienten in der
Regel bessere Ergebnisse bezüglich ihrer Diabetestherapie auf als Patienten der
Regelversorgung beim Hausarzt. Unklar ist allerdings, ob die erreichten Ergebnisse
der Versorgungsverbesserung nicht eher auf den systematischen Ansatz der Versorgung als auf die Betreuung durch einen Spezialisten zurückzuführen sind. So zeigten
sich beispielsweise in der Betreuung von Diabetikern und Hypertonikern durch Allgemeinärzte, internistisch tätige Hausärzte und spezialisierte Internisten nur wenige
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 18
signifikante Unterschiede [Greenfield et al., 1995]. Vielmehr scheint die symptomorientierte, unsystematische Versorgung von chronisch Kranken in allen Settings mit
mehr oder weniger großen Defiziten behaftet zu sein. So erhielten beispielsweise
Patienten, die in der Diabetesambulanz einer großen Klinik betreut wurden eine bessere Therapie bezüglich ihres Diabetes (Augenhintergrunduntersuchung, Fußinspektion, Messung von HbA1c etc.). Bei anderen Aspekten der Versorgung, wie beispielsweise der Prävention oder Therapie einer koronaren Herzerkrankung wiesen 75%
der Patienten der Spezialambulanz jedoch Defizite auf [Ho et al., 1997].
Bedingt durch die sektorale Trennung im System sowie den unsystematischen Versorgungsansatz kann Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Betreuung chronisch
Kranker in Deutschland nebeneinander beobachtet werden.
Eine Qualitätsverbesserung in der Versorgung von chronisch kranken Patienten mit
allen Aspekten der (Sekundär)- Prävention, Therapie und Weiterbetreuung hat einen
systematischen, organisierten und evidenzbasierten Ansatz in der Patientenversorgung als Voraussetzung [McCulloch et al., 1998]. Insbesondere der gleichzeitige Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung sollte dabei berücksichtigt werden, um
eine Verbesserung der Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Kostenstabilisierung zu
erreichen.
Zusätzlich haben die steigenden Anforderungen an das Gesundheitssystem in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer kritischeren Bewertung von Qualität, Leistung,
Kosten und Transparenz des Gesundheitsversorgungsprozesses geführt. In die Diskussion geraten ist die steigende Prävalenz der chronischen Erkrankungen durch
Versorgungsmängel sowie die steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Entsprechend versuchten Lösungsansätze der vergangenen Jahre in erster Linie eine wirksame Kostenkontrolle durch isolierte Ansätze zur Kostensenkung durch ausgewählte
Maßnahmen in einzelnen Sektoren (Komponentenmanagement) zu erreichen [Lonsert, 1995]. Die finanziellen Erfolge des Komponentenmanagements einzelner Bereiche des sektoralen Gesundheitsversorgungsprozesses wurden jedoch durch Kostenverschiebung in andere Bereiche häufig kompensiert [Lonsert, 1995]. Die Versorgungsqualität konnte durch das Komponentenmanagement nicht positiv beeinflusst
werden. Vielmehr muss immer noch davon ausgegangen werden, dass ein großer
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 19
Teil der Verfahren, die in den Gesetzlichen Krankenkassen zur Anwendung kommen,
weder evidenzbasiert sind noch eine positive Kosten- Nutzen- Relation aufweisen.
Durch isolierte Einzelmaßnahmen wie z.B. durch die Entwicklung von Leitlinien oder
durch sektoral getrennte Budgets konnte keine wirksame Kostenstabilisierung im
Gesundheitswesen erreicht werden. Vielmehr wurde eine Kostenverschiebung in andere Sektoren ausgelöst. Vor diesem Hintergrund wurde in den USA das Konzept
des Disease Management als integrierter und sektorenübergreifender Ansatz entwickelt.
Dazu wurden bewährte Konzepte der Gesundheitsversorgung in einen systematischen Ansatz zur Verbesserung der Versorgungsqualität mit dem Ziel der Kostensenkung oder zumindest der Kostenneutralität integriert. Die Umsetzung erfolgt im
Rahmen von Programmen, die durch ihre Evidenzbasierung und durch ihre Populationsbezogenheit charakterisiert sind.
Solchen Programmen liegt eine Standardisierung der Behandlungsprozesse zugrunde. Ziel ist es, eine evidenzbasierte Regelversorgung zu etablieren. Dabei kommen
folgende Prinzipien zur Anwendung:
•
Identifizierung von Bereichen mit Über-, Unter- und Fehlversorgung zum gleichzeitigen Abbau dieser Versorgungsdefizite
•
Definition einer angemessenen Gesundheitsversorgung (Versorgungsziele) auf
dem Boden der evidenzbasierten Medizin
•
Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie in die Regelversorgung
•
Beurteilung aller Interventionen aufgrund ihres medizinischen und ökonomischen
Nutzens
•
Abschätzung der Ressourcen auf einer populationsbezogenen Ebene
•
Optimierung von Versorgung und Versorgungsqualität mit den gegebenen Ressourcen
•
Strukturierung eines sektorenübergreifenden Behandlungsprozesses
•
Förderung eines patientenzentrierten Ansatzes mit regelmäßiger Evaluation der
Patientenzufriedenheit
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 20
Die Standardisierung des Behandlungsprozesses soll dabei nicht zu einer standardisierten Behandlung des individuellen Patienten führen, sondern den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen die evidenzbasierten Empfehlungen an die Situation des einzelnen angepasst werden. Die Entscheidungen des Arztes sollen nicht vorweggenommen werden, sondern die Strukturierung der Information soll die Berücksichtigung aller Informationen in dem Entscheidungsfindungsprozess des Arztes auf dem
Boden von evidenzbasierter Medizin, klinischer Expertise und klinischer Erfahrung
fördern.
Obwohl Disease Management Programme letztlich die Bündelung bewährter Konzepte darstellen, führen sie zu einem Paradigmenwechsel in mehreren Bereichen
des Gesundheitsversorgungsprozesses.
(1) Im Bereich der Leistungserbringer:
• kommt es an Stelle der sektoralen Trennung zu einer kontinuierlichen Versorgungskette mit aufeinander abgestimmten Interventionen
• werden individuelle Einzelentscheidungen eines Arztes abgelöst durch gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient bzw. von mehreren
Ärzten und dem Patienten
• entstehen neue Anforderungen an die Informationstechnologie, die Dokumentation und die Qualitätssicherung
• kommt es zu einer Reorganisation der Versorgung chronisch Kranker und zu
einer Konzentration auf eine evidenzbasierte Regelversorgung
(2) Im Bereich der Leistungsinanspruchnahme:
• kommt es zu mehr Transparenz, Einbindung und Verantwortung des Patienten
(3) Im Bereich der Leistungsträger:
• kommt es zu einem größeren Informationsbedarf und Informationsangebot
• entstehen durch Datentransparenz neue Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten
Solche Steuerungs- und Kontrollaufgaben im Disease Management beziehen sich im
Sinne eines strategischen Prozesses immer auf die Abgleichung von Ist- und SollZustand unter Berücksichtigung des Feedbacks der Leistungserbringer aller Ebenen.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 21
1.2 Definition
Im Disease Management hat die Evidenzbasierung der Instrumente eine große Bedeutung. Das heißt, dass für jedes eingesetzte Instrument nachgewiesen sein sollte,
inwieweit die Erbringung der Leistung zu einer signifikanten Verbesserung in der Ergebnis- bzw. in der Prozessqualität der Gesundheitsversorgung führt. Dabei wird eine Gesamtsichtweise des Patienten und seiner Erkrankung zugrunde gelegt. Angestrebt wird nicht die Therapie unterschiedlicher Episoden einer Erkrankung, sondern
die Versorgungsverbesserung einer Patientenpopulation mit einer definierten Erkrankung. Der Patient wird mit seiner Erkrankung und dem Erkrankungsverlauf als medizinische, organisatorische und ökonomische Einheit betrachtet. Im wesentlichen
werden für die Koordination dieser sektoren- und krankheitsübergreifenden Betrachtung folgende Komponenten eingesetzt:
(1)
Eine Datenbasis zur Quantifizierung der Kostenstruktur, der Erkrankung und
der Therapieoptionen [Hunter et al., 1997]
(2)
Evidenzbasierte Leitlinien, die innerhalb von Empfehlungskorridoren die zu
erbringenden Leistungen spezifizieren. Dazu gehören die Art des Leistungserbringers (Hausarzt, Spezialist), das Umfeld (stationär, ambulant) sowie die
Beschreibung des Prozesses (first- line drug, second- line drug, etc.)
(3)
Die Aufhebung der traditionellen Sektorengrenzen des Gesundheitsversorgungsprozesses
(4)
Ein Qualitätsverbesserungskonzept, das einen Prozess der kontinuierlichen
Qualitätsverbesserung unterstützt [Hunter et al., 1997]. Dazu gehört die Pflege
der Datenbasis, der Leitlinien und die Überprüfung der Versorgungsinstitutionen und –prozesse
(5)
Die systematische Evaluation des Zusammenhangs zwischen Therapieoptionen und Patientenergebnissen
(6)
Die systematische Beeinflussung von Arzt- und Patientenverhalten)
(7)
Neustrukturierung von Praxisabläufen und Organisationskonzepten
In der Literatur existiert keine eindeutige Definition von Disease Management. Es
zeichnet sich allerdings eine Entwicklung des Begriffs ab. Sie geht von bestehenden
Rahmenbedingungen aus, innerhalb derer Instrumente wie Best Practice, Leitlinien
Case Management sowie die Beeinflussung der Patientencompliance und des ärztli-
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 22
chen Verschreibungsverhaltens implementiert und evaluiert werden. In weiter gefassten Definitionen werden unter dem Begriff Disease Management Programme zur
Therapie definierter Erkrankungen zusammengefasst, denen in der Regel eine sektorenübergreifende Betrachtung zugrunde liegt.
Disease Management wird zunehmend als ein systematischer, sektorenübergreifender Ansatz zur Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie in die Regelversorgung
gesehen.
Zu vermeiden ist dabei insbesondere eine Kompensation von Defiziten in der Regelversorgung durch eine Ausweitung von (nicht- evidenzbasierten) Leistungen in
Randbereichen der Versorgung. Dieses Vorgehen würde den Anforderungen an Disease Management nicht gerecht und nicht zu den erwarteten Ergebnissen bezüglich
der Verbesserung der Versorgungsqualität und Kosteneffektivität führen. Vielmehr
würde es durch eine Ausdehnung von Zusatz und Service- Leistungen in Randbereichen bzw. bei einem selektiven Abbau von Unterversorgung zu einer gleichzeitigen
Intensivierung von Über-, und Fehlversorgung kommen.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 23
Tabelle 1: Definitionen des Disease Managements
Quelle
Definition
Neuffer 1996
Disease Management ist ein systematischer Ansatz mit dem Ziel, die Kosten
im Gesundheitswesen zu senken und gleichzeitig qualitativ hochwertigere
Ergebnisse in der Versorgung zu erzielen.
Deuser 1999
Disease Management ist das populationsbezogene, prozessorientierte und
sektorenübergreifende Management von Krankheitsbildern und
Krankheitsverläufen. Die Ergebnisse werden mittels Outcomes Research
gemessen.
Hunter 1997
Disease Management ist ein strukturierter Ansatz, der den Patienten mit seiner
Erkrankung und seinem Krankheitsverlauf als therapeutische Einheit
betrachtet. Die drei Säulen des Disease Management sind eine Datenbasis
(Krankheitskostenstruktur, Leitlinien), ein sektorenübergreifendes
Gesundheitsversorgungssystem und ein kontinuierlicher
Qualitätsverbesserungsprozess.
Disease Management Association of
America
Disease Management ist ein multidisziplinärer, kontinuierlicher Ansatz in der
Gesundheitsversorgung für Populationen mit definierten Erkrankungen oder
mit einem Risiko bestimmte Erkrankungen zu entwickeln. Disease
Management unterstützt die Verbesserung des Arzt/Patienten-Verhältnisses,
verhindert durch Prävention die Exazerbation und die Entwicklung von
Komplikationen durch evidenzbasierte, kosteneffektive Therapiestrategien und
umfasst einen kontinuierlichen Evaluationsprozess medizinischer,
ökonomischer und patientenzentrierter Outcomes.
Luginbill, Eli Lilly,
USA 1995
Disease Management ist das Maß der Ausprägung zu der Patienten,
Leistungserbringer und andere Mitglieder des professionellen Systems einer
rationalen Therapiestrategie folgen.
[Quelle: Eigene Darstellung]
Werden die genannten Definitionen und Prämissen für den Disease Management
Prozess zugrunde gelegt, so lässt sich folgende Arbeitsdefinition für Disease Management in Deutschland formulieren:
Disease Management ist ein systematischer, sektorenübergreifender und populationsbezogener Ansatz zur Förderung einer kontinuierlichen, evidenzbasierten Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen über alle Krankheitsstadien
und Aspekte der Versorgung hinweg. Der Prozess schließt die kontinuierliche Evaluation medizinischer, ökonomischer und psychosozialer Parameter sowie eine darauf
beruhende kontinuierliche Verbesserung des Versorgungsprozesses auf allen Ebenen ein.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 24
1.3 Zielsetzung von Disease Management in der
GKV
Die Einführung von Disease Management in der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) soll der Implementierung einer systematischen, sektorenübergreifenden und
evidenzbasierten Regelversorgung zur Sicherung von Versorgungsqualität und Kosteneffektivität dienen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
•
Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung: Dabei sollte im Rahmen der Einführung von Disease Management in der GKV zunächst die im Gutachten des
Sachverständigenrats beschriebenen Bereiche von Über-, Unter- und Fehlversorgung Berücksichtigung finden. Zu einem späteren Zeitpunkt können auch die
Empfehlungen des Koordinierungsausschusses nach § 137e zugrunde gelegt
werden
•
Flächendeckende Verbesserung der Versorgungsqualität chronisch Kranker
durch die Umsetzung evidenzbasierter Therapiestandards in die Regelversorgung: Dabei sollte insbesondere die Kompensation von Defiziten in der Regelversorgung durch Leistungsausweitung in Randbereichen vermieden werden. Nur
durch die Umsetzung einer evidenzbasierten Regelversorgung kann eine Kostenstabilisierung erwartet werden. Kommt es statt dessen zu Leistungskonzentration
in Randbereichen, so ist mit einem Kostenschub zu rechnen
•
Kostenstabilisierung der Versorgung: Um dies zu gewährleisten sollten alle im
Risikostrukturausgleich berücksichtigten Programme gleichzeitig Über-, Unterund Fehlversorgung abbauen. Die wichtigsten Versorgungsziele zum Abbau von
Über-, Unter- und Fehlversorgung sollten dazu von den Spitzenverbänden einheitlich festgelegt werden. Programme, die sich auf einen selektiven Abbau von
Unterversorgung konzentrieren, sollten durch den Risikostrukturausgleich nicht
gefördert werden
Zum Erreichen dieser Ziele werden folgende Maßnahmen bei der Einführung von
Disease Management Programmen in der GKV vorgeschlagen:
•
Auswahl von Erkrankungen zur Implementierung von Disease Management und
Identifizierung von krankheitsspezifischen Bereichen mit Über-, Unter- und Fehlversorgung sowie Definition von einheitlichen, evidenzbasierten und kassenüber-
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 25
greifenden Versorgungszielen zum Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung.
Zur Identifizierung von qualitätskritischen Bereichen und bei der Festlegung von
Versorgungszielen sollten die Empfehlungen des Gutachtens des Sachverständigenrats [Gutachten 2001 Band III] berücksichtigt werden. Weiterhin können die
Empfehlungen des Koordinierungsausschusses nach § 137e herangezogen werden
•
Definition einheitlicher Versorgungsziele und Standards für die ausgewählten Erkrankungen durch die Spitzenverbände: Die Versorgungsziele und Standards
können auf dem Boden von drei bis vier evidenzbasierten Leitlinien pro Erkrankung von den Spitzenverbänden einheitlich und gemeinsam definiert werden
•
Definition von einheitlichen und gemeinsamen Einschreibekriterien durch die
Spitzenverbände: Sie sollen den größtmöglichen Schutz vor Manipulation gewährleisten und gleichzeitig mit geringstmöglichen Aufwand durch den einschreibenden Arzt zu erheben sein. Die Kriterien können deutschen und internationalen
evidenzbasierten Leitlinien entnommen werden
•
Erhebung, Weiterleitung und Auswertung der Daten im Rahmen datenschutzrechtlicher Möglichkeiten
•
Implementierung eines Qualitätssicherungsverfahrens mit Akkreditierung und
Reakkreditierung durch ein öffentliches Benchmarkingverfahren
•
Definition der Benchmarkingkriterien unter Berücksichtigung der zu erreichenden
Versorgungsziele. Die Benchmarkingkriterien werden im sog. Benchmarkingdatensatz zusammengefasst (Kapitel 12)
•
Kontrolle der Erfüllung der Einschreibekriterien und der Versorgungsziele durch
das Benchmarkingverfahren.
•
Kontinuierliche Evaluation durch die Programmanbieter selbst (siehe Gutachten
Teil II)
1.4 Beispiele im internationalen Bereich
Ursprünglich wurde Disease Management in den USA entwickelt. Heute findet es
u.a. in Australien, Neuseeland und Europa Anwendung. In Australien, Neuseeland
und Europa sind allerdings häufig Disease Management Programme implementiert,
die nicht der umfassenden Definition entsprechen, die diesem Gutachten zugrunde
gelegt wird. Im europäischen Raum sind entsprechende Programme vorwiegend in
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 26
den skandinavischen Ländern entwickelt und implementiert worden. Einen Überblick
über Diabetes Programme sowie ausgewählte Programme anderer Erkrankungen,
die Komponenten von Disease Management anwenden, geben Tabelle 2, Tabelle 3
und Tabelle 4 (zur ausführlichen Beschreibung einzelner Programme siehe Kapitel
Disease Management bei ausgewählten Programmen).
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 27
Tabelle 2: Beispiele für Diabetes-Programme
Autor
(Jahr)
Programmbeschreibung
(Populationsgröße, Intervention, Umfeld)
Teilnehmeranzahl
Dauer der
Intervention
Gemessene Ergebnisse
Adams, Cook
(1994)
Häusliche Pflegedienste mit und ohne Diabetesschulung des
Personals im Vergleich
45
nicht festgelegt
Wissen über Diabetes und Pflegestandard des
geschulten Personals war signifikant höher
Baker et al.
(1993)
Protokollierung der Prävention und Behandlung von DiabetesFolgeerkrankungen sowie Schulungsprogramme
4300
5 Jahre
Vorbeugeuntersuchungen von zahlreichen
Folgeerkrankungen haben sich als kosten effektiv erwiesen
Barth et al.
(1990)
Behandlungs- und Schulungsprogramm: Konventionelle und intensive 62
Betreuung im Vergleich
6 Monate
Patienten im Intensivprogramm haben ein
deutlich höheres Wissen zum diabetischen
Fußsyndrom. Eine Verminderung der zu
behandelnden Fälle wird beobachtet.
Carlson et al.
(1991)
Fortlaufende medizinische Schulungskurse in Gesundheitszentren zur 806
Organisation
18 Wochen
Verbesserung der Behandlungsqualität und des
Self-Monitoring von Diabetes-Patienten
DCCT
(1993)
Intensive Insulintherapie mit drei oder mehr Injektionen pro Tag
(konventionell ein oder zwei pro Tag)
1441
6,5 Jahre
Verminderung von Komplikationen der
Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie
Glasgow et al.
(1996)
Computer gestützter, interaktiver Kontakt zu Diabetespatienten zum
Selbstmanagement, Diätzielen und Problemlösungsstrategien;
anschließend telefonischer Kontakt
206
nicht festgelegt
Größere Erfolge bei der Umsetzung von
Diätplänen, Senkung des Cholesterinspiegels,
größere Patientenzufriedenheit
Habert et al.
(1999)
Mailing – Reminder - System zu Vorsorgeuntersuchungen sowie
Versendung von Schulungsmaterial an Patienten; Information zum
Gesundheitszustand (Retinopathie) an den Patienten sowie dessen
behandelnden Arzt
19523
nicht festgelegt
Untersuchungsrate nach zweitem Kontakt war
höher als bei einmaligem Kontakt
McCabe et al.
(1998)
Diabetisches Fußscreening– Programm
2001
2 Jahre
Vermeidung von Amputationen
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 28
Friedman et al.
(1998)
Lovelace: „Episodes of Care“, Diabetes Disease Management
Programm, Leitlinien-basiert
Bisher 5 Jahre,
Programm dauert an
Verbesserung medizinischer Ergebnisse, wie
bessere HbA1c-Werte, erhöhte Raten an
Fußinspektion und Überweisungen zum
Augenarzt und Screening auf Microalbunimurie
Piette et al.
(2001)
Telefonische Diabetiker-Betreung
272
1 Jahr
Förderung des Blutzucker Selbstkontrolle, höhere
Fußinspektionsraten, häufigere Kontakte zu
Diabetesspezialkliniken
McCulloch et al.
(1998)
Diabetes Disease Management Programm
15000
Programm dauert an
Verbesserung medizinischer Ergebnisse wie
Anzahl der zum Augenarzt überwiesenen
Diabetiker, duchgeführte Fußinspektionen,
Screening auf Microalbuminurie, Kontrolle des
HbA1c .Kosteneinsparungen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 29
Tabelle 3: Beispiele für Behandlungsprogramme bei Patienten mit Herzinsuffizienz
Autor
(Jahr)
Patientenanzahl
Studienstichprobe (Ort)
mittleres
Alter
Beschreibung der Intervention
Dauer der
Intervention
Rich
(1993)
98
Patienten >70 Jahre mit Herzinsuffizienz, klinische
Anzeichen deuten auf mittleres und hohes Risiko der
Wiedereinweisung hin (USA)
79
Pflegepersonal- geleitete Patientenschulung, Ernährungsund Sozialberatung, ausführliche Medikamentenanamnese, intensive Nachbetreuung nach Entlassung
3 Monate
Rich
(1995)
282
Patienten >70 Jahre mit Herzinsuffizienz, klinische
Anzeichen deuten auf hohes Risiko der
Wiedereinweisung hin (USA)
79
Pflegepersonal- geleitete Patientenschulung, Ernährungsund Sozialberatung, ausführliche Medikamentenanamnese, intensive Nachbetreuung nach Entlassung
3 Monate
Cline
(1998)
190
Patienten 65-84 Jahre, Krankenhauseinweisung
aufgrund Herzinsuffizienz (Schweden)
76
Pflegepersonal- geleitete Schulung,
Patientenselbstmanagement-Leitlinien, häusliche
Pflegebetreuung (falls notwendig) nach Entlassung
12 Monate
Stewart
(1998)
97
Patienten mit Herzinsuffizenz nach stationärer
Entlassung (Australien)
75
Pflegepersonal- geleitete Schulung, Hausbesuch durch
Pflege und Pharmazeut zur optimalen Medikamenteneinstellung und zur Früherkennung von Rückfällen,
Compliance-Förderung bei „Risiko“patienten
1 Termin
Ekman
(1998)
158
Patienten mit mittelschwerer Herzinsuffizienz nach
stationärer Entlassung (Schweden)
80
Pflegepersonal- geleitete Schulung, SelbstmanagementLeitlinien für Patienten, mobile Pflegeversorgung falls
benötigt, häufige Telefonkontakte
6 Monate
Serxner
(1999)
109
Patienten nach stationärer Entlassung mit
diagnostizierter Herzinsuffizienz (USA)
71
Versendung von Material zur Förderung des
Patientenselbst-management, ggf. Hausbesuche
3 Monate
Jaarsma
(1999)
179
Patienten >50 Jahre, stationäre Aufnahme aufgrund
von Herzinsuffizienz (Niederlande)
73
Pflegepersonal- geleitete Schulung, Hausbesuche nach
Entlassung, telefonischer Kontakt eine Woche nach
Entlassung
1 Woche
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Stewart
(1999)
200
Patienten >55 Jahre, stationäre Aufnahme aufgrund
von Herzinsuffizienz (Australien)
Naylor
(1999)
363
Patienten >65 Jahre mit entweder koronarer
(davon
Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz (USA)
108 mit
Herzinsuf
fizienz)
[Quelle: Mc Allister et al., 2001]
Seite 30
76
Pflegepersonal-geleitete Schulung, Kur-Beratung,
Hausbesuch 7-14 Tage nach Entlassung und Beurteilung
zu einer evtl. neuen Medikamenteneinstellung laut
Verordnung, telefonischer Kontakt nach 3 und 6 Monaten
6 Monate
75
Pflegepersonal- geleitete Schulung, Koordination der
häuslichen Versorgung, mindestens 2 Hausbesuche,
Verwendung eines standardisierten Protokolls zur
Optimierung der Medikation, wöchentlicher telefonischer
Kontakt für 1 Monat
1 Monat
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 31
Tabelle 4: Multidisziplinäres Management der Herzinsuffizienz - Beispielprogramme
Ergebnisse
Patientenalter
61% weniger Einweisungen, 85% weniger KrankenhausAufenthaltstage, Kostensenkung: $8000/pt/jr1
mittleres
Alter: 65
62% weniger Einweisungen, 72% weniger Einweisungen mit
kardiologischen Ursachen, verbesserte Leistungsfähigkeit in der
Bewältigung alltäglicher Aufgaben
mittleres
Alter: 78
6 Monate
14% weniger Einweisungen, 22% kürzere stationäre
Aufenthaltsdauer, geringere Krankenhauskosten: $ 500/pt
mittleres
Alter: 65
im Mittel 138
Tage
74% weniger Einweisungen, 87% weniger Einweisungen
aufgrund von Herzinsuffizienz, Verbesserung der Lebensqualität,
der körperlichen Fitness, der Compliance
mittleres
Alter: 66
Umfassende Versorgung durch
spezielles Herzinsuffizienz/
Transplantationsteam
6 Monate
44% weniger Einweisungen, verbesserte Einteilung nach NYHAKlassifizierung2, verbesserte körperliche Fitness, geringere
Kosteneinsparungen: $ 9800/pt
mittleres
Alter: 52
134
Umfassende Versorgung durch
spezielles Herzinsuffizienz/
Transplantationsteam
30 Tage bis zu
1 Jahr
53% weniger Einweisungen mit kardiologischen Ursachen, 69%
weniger Einweisungen mit Ursache Herzinsuffizienz
mittleres
Alter: 52
Jahre
Smith
(1998)
21
Spezialambulanz/ -sprechstunde mit
Fachpflegepersonal und Kardiologen
6 Monate
87% weniger Einweisungen mit Herzinsuffizienz als Ursache,
Verbesserung der NYHA-Klasse, der Lebensqualität, der
körperlichen Fitness
mittleres
Alter: 61
Shah
(1998)
27
Brieflicher Kontakt und
Fernüberwachung durch
Pflegepersonal nach ärztlicher
Absprache
im Mittel 8,5
Monate
50% weniger Einweisungen, 67% weniger Einweisungen mit
Herzinsuffizienz als Ursache, 92% weniger
Krankenhausaufenthaltstage
mittleres
Alter: 62
Autor
(Jahr)
PatientenIntervention
anzahl
Cintron
(1983)
15
Kornowski
(1995)
42
Lasater
(1996)
80
West
(1997)
51
Fonarow
(1997)
214
Hanumanthu
(1997)
Dauer
Ambulante Betreuung durch
24 Monate
Krankeitskoordinator mit möglicher
ärztlicher Konsultation
Häusliche Betreuung durch Internisten 12 Monate
und medizinisches Assistenzpersonal
Ambulante Betreuung durch
Krankheitskoordinator mit ärztlicher
Unterstützung
Häusliche Pflege unter ärztlicher
Aufsicht
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 32
Dennis
(1996)
24
Häusliche Betreuung
12 Monate
Häufigkeit und Intensität der Inanspruchnahme von
Betreuungsleistungen ist rückläufig
keine
Altersangaben
Martens
(1997)
924
Häusliche Betreuung
90 Tage
36% weniger Inanspruchnahme von häuslichen
Pflegedienstleistungen
mittleres
Alter: 71
[Quelle: Rich, 1999]
1
2
pt = Patient; jr = Jahr
NYHA – Klassifizierung = Einteilung der klinischen Symptomatik einer Herzinsuffizienz
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 33
1.5 Status Quo und gesetzliche Rahmenbedingungen in Deutschland
Sogenannte klassische Disease Management Programme im Sinne der im Gutachten verwendeten Definition finden sich in Deutschland zur Zeit noch nicht. Die Anbieter implementieren bisher meistens nur ausgewählte Teile eines Disease Management. Informationen zu bereits existierenden Disease Management Programmen
weisen in Deutschland derzeit noch eine geringe Transparenz auf, das Datenaufkommen sowie das Datenmanagement in den Projekten ist im Regelfall gering. Eine
kontinuierliche Evaluation wird nur selten durchgeführt und wissenschaftliche Ergebnisse über bereits verwirklichte Projekte liegen nur vereinzelt vor.
Die künftige Entwicklung des Disease Managements wird unter anderem von den
Entscheidungen des Gesetzgebers zur Qualitätssicherung und Auswahl der Erkrankungen sowie zu den Vorgaben der Ausgestaltung der Programme innerhalb der
Gesetzlichen Krankenversicherung geprägt werden (siehe Kapitel Qualitätssicherung). Insbesondere wird dadurch festgelegt werden, ob es durch das Disease Management zu einer Intensivierung von Über-, Unter- und Fehlversorgung durch Leistungsausweitung in Randbereichen kommt, oder ob es gelingt, durch die Konzentration auf eine evidenzbasierte Regelversorgung Qualität und Kosten- Effektivität der
Versorgung zu erreichen und langfristig zu gewährleisten.
Der Wettbewerb unter den Kassen wird auch außerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine gewisse Eigendynamik entwickeln. Dies bestätigen auch Entwicklungen in den USA. Dort etablieren sich Disease Management Programme weitgehend ohne regulatorische Eingriffe des Gesetzgebers oder anderer Institutionen in
einem zunehmenden Markt des Gesundheitswesens. Allerdings kann dort von den
Versicherern bis zu einem gewissen Ausmaß Risikoselektion betrieben werden.
Bisher sind in Deutschland nur ausgewählte Teile von Disease Management im
Rahmen von Strukturverträgen und Modellprojekten implementiert worden. „Klassische“ Disease Management Programme im Sinne der Definition des Gutachtens finden sich in Deutschland bisher noch nicht.
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über den Status Quo von Disease Management Ansätzen in Deutschland gegeben. Diskutiert werden die gesetzlichen und so-
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 34
zialpolitischen Rahmenbedingungen sowie bereits bestehende Programme, deren
Erfahrungen bei der Einführung von Disease Management in Deutschland berücksichtigt werden können.
1.5.1
Gesetzliche Krankenversicherung
In der Gesetzlichen Krankenversicherung ist die Einführung von Disease Management Programmen im Zusammenhang mit einer Reform des Risikostrukturausgleichs
vom Gesetzgeber vorgesehen. Ordnungspolitisch sollen die zukünftigen Disease
Management Programme mit dem Risikostrukturausgleich verknüpft werden, indem
die durchschnittlichen Kosten der in Disease Management Programme eingeschriebenen chronisch Kranken im Rahmen des Risikostrukturausgleichs gesondert berücksichtig werden. Daher sollten durch den Gesetzgeber hohe Anforderungen bezüglich Qualitätssicherung, Kosten- Effektivität und Akkreditierung an die Programme
gestellt werden. Der Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung soll sich
auf die Implementierung von Disease Management Programmen mit hohen, gesetzlich vorgegebenen Standards konzentrieren und die Versorgungsqualität chronisch
Kranker so verbessert werden. Gleichzeitig soll durch die Erstattung der durchschnittlichen Kosten für chronisch Kranke, die in Disease Management Programme eingeschrieben sind, die Risikoselektion junger und gesunder Versicherte an Attraktivität
verlieren. Die gesetzlichen Krankenkassen befinden sich somit in einer Phase der
strategischen (Neu-) Positionierung im Gesundheitswesen.
Mit dem 1. und 2. GKV–NOG (Neuordnungsgesetz) hat der Gesetzgeber sukzessive
den Gestaltungsspielraum für neue Versorgungsmodelle erweitert (Tabelle 5) und
bereits wichtige vertragliche Voraussetzungen für Disease Management in Deutschland geschaffen.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 35
Tabelle 5: Neue Versorgungsmodelle
Entwicklung der
gesetzlichen Basis
Modellvorhaben
§§ 63 – 65 SGB V
Strukturverträge
§73a SGB V
Vor 1997
Beschränkt auf definierte
Maßnahmen (Erprobung
neuer Verfahren,
Kostenerstattung,
Beitragsrückzahlung u.a.)
1. und 2. NOG ab Juli
1997
Neue Modelle in den
Bereichen Finanzierung,
Organisation und Vergütung
möglich (u.a.)
Evaluationspflicht
Abweichung von SGB V und
KHG in bestimmten
Teilbereichen möglich
Einsparungen können direkt
an die Versicherten
weitergegeben werden
Gesundheitsreformgesetz 2000
Keine Änderung
Direktverträge mit
Vertragsärzten möglich
Einfluss der KV auf
Benehmensregelung reduziert
Integrierte Versorgung
§§140a – h SGB V
Im Rahmen eines
Sektorenübergreifende Versorgungsmodelle
Gesamtvertrags mit der sind in der Regelversorgung möglich
KV (Strukturvertrag)
sind andere
Versorgungs- und
Vergütungsstrukturen
möglich
§§ 137 f-g SGB V, u.a.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 36
Gesetz zur Reform des
Risikostrukturausgleichs
in der Gesetzlichen
Krankenversicherung
[Quelle: Modifiziert nach Einführung eines Disease Management Modells am Beispiel Diabetes AOK-BV]
Definition von für Disease
Management geeigneten
Erkankungen,
Beschreibung der
Anforderungen an die
Programme,
Verpflichtung zur
Qualitätssicherung und
Evaluation
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 37
Die bis 1997 bestehende Regelung für Modellvorhaben erlaubte nur klar definierte
und abgegrenzte Maßnahmen der Umsetzung. Für die Leistungserbringer bestand
im Rahmen des alten § 63 SGB V die Möglichkeit der Erprobung neuer Leistungen,
Maßnahmen und Verfahren. Für die Kostenträger beschränkten sich die Möglichkeiten auf Kostenerstattung und Beitragsrückzahlung. Erst mit dem 2. Neuordnungsgesetz (NOG) ab Juli 1997 wurden die Voraussetzungen für neue Modelle in den Bereichen Organisation, Finanzierung und Vergütung geschaffen. Damit wurde den
Kassen zum ersten Mal die Möglichkeit eingeräumt, mit unterschiedlichen Gruppen
von Leistungserbringern direkte Verträge abzuschließen. Im Bereich der niedergelassenen Ärzte musste weiterhin die Kassenärztliche Vereinigung mit einbezogen
werden.
Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 (GRG 2000) ist die Möglichkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung entfallen,
Modellvorhaben an ihrem Veto scheitern zu lassen. Es ist für die Kassen jetzt möglich, Modellvorhaben (mit dem Benehmen der Kassenärztlichen Vereinigung) direkt
mit den Vertragsärzten abzuschließen. Zusätzlich wurden vom Gesetzgeber durch
die Strukturverträge weitere Möglichkeiten zur Ausgestaltung neuer Versorgungsformen geschaffen. Im Rahmen der Strukturverträge nach § 73a SGB V können im Einvernehmen zwischen Kasse und Kassenärztlicher Vereinigung für Arztgruppen neue
Versorgungs- und Vergütungsstrukturen sowie die Übernahme von Budgetverantwortung vereinbart werden. Sie beschränken sich allerdings auf den vertragsärztlichen Bereich. Eine sektorenübergreifende Regelung ist nicht vorgesehen.
Sektorenübergreifende Verträge zwischen Leistungserbringern unterschiedlicher
Sektoren werden durch § 140a–h SGB V möglich. Sie können aber auch als Grundlage für weitergehende Regelungen wie die Übernahme von Budgetverantwortung
durch die Leistungserbringer herangezogen werden. Damit ist es durch die Regelungen zur Integrierten Versorgung möglich, dass Leistungserbringer eine Steuerungsund Integrationsfunktion in sektorenübergreifenden Versorgungskonzepten übernehmen. In der Folge kommt es zu einer teilweisen Übernahme des Morbiditätsrisikos durch die Leistungserbringer.
In Tabelle 6 sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Versorgungsmodelle gegenübergestellt.
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 38
Tabelle 6: Sozialpolitische Rahmenbedingungen für neue Versorgungsmodelle in der
Gesetzlichen Krankenversicherung
Modellvorhaben
§§ 63 - 65 SGB V
Strukturverträge
§ 73a SGB V
Integrierte Versorgung
§ 140a - h SGB V
Vertragspartner der
Krankenkasse bzw.
Spitzenverbandes
Direkter
Vertragsabschluss mit
einzelnen
Leistungserbringern
oder mit Gruppen von
Leistungserbringern
möglich
KVen
KVen, Gemeinschaften
von Vertragsärzten/
Zahnärzten, sonstige
Leistungserbringer oder
Gemeinschaften dieser
Leistungserbringer,
Träger zugelasssener
Krankenhäuser,
Vorsorge- und
Rehaeinrichtungen
Rolle der KV
Kann als
Vertragspartner
einbezogen werden
Muss Vertragspartner
sein
Kann als
Vertragspartner und/
oder Berater
einbezogen werden
Sektoren
Alle
Hausarzt oder Netze
von Hausärzten und
Spezialisten
Alle
Evaluation
Pflicht
Nein
Kann erfolgen
(Dokumentation ist aber
Pflicht)
Rahmenvereinbarungen Können vereinbart
werden
Können vereinbart
werden
Müssen mit KBV
vereinbart werden;
können mit DKG und
anderen
Spitzenorganisationen
vereinbart werden
Budgetbereinigung
Außerhalb der
Gesamtvergütung:
Bereinigung
entsprechend der Zahl
und Risikostruktur der
am Modell
teilnehmenden
Versicherten
Budgetvereinbarung
möglich, Bereinigung
nicht geregelt
Regelungen zur
Vergütung und
Bereinigung in
Rahmenvereinbarungen
festzulegen. Dabei sind
Zahl und Risikostruktur
der teilnehmenden
Versicherten sowie
ergänzende
Morbiditätskriterien zu
berücksichtigen
Bonus
Ist möglich in Höhe der
erzielten Einsparungen
Ist nicht
ausgeschlossen
Ist möglich, wenn Versicherte die Teilnahmebedingungen mindestens ein Jahr eingehalten haben und die
Versorgungsform Einsparungen erbracht hat
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 39
Mit dem geplanten Gesetz zur Änderung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung ist die gezielte Förderung von Disease Management
Programmen sowie die Berücksichtigung erhöhter standardisierter Leistungsausgaben im Risikostrukturausgleich für Versicherte in akkreditierten Programmen gesetzlich verankert worden. Damit hat der Gesetzgeber einen starken Anreiz zur Ausschöpfung der erweiterten Rahmenbedingungen zur Etablierung einer sektorenübergreifenden, evidenzbasierten Versorgung gesetzt.
Momentan werden auf Basis der derzeitigen Gesetzgebung verschiedene Modellprojekte (§ 63 ff SBG V) und Strukturverträge (§ 73a SGB V) insbesondere für die Erkrankung Diabetes verwirklicht. Eine Auswahl von Projekten und Modellversuchen
auf Grundlage der derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind in Tabelle 7–9
zusammengestellt.
Tabelle 7: Modellvorhaben innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (Stand:
Juli 2001)
Projektbezeichnung
Rechtsgrundlage
Vereinbarung zur Steigerung der § 63 SGB V (alt)
Leistungsfähigkeit der
hausärztlichen Versorgung
(Hausarzt- Modell)
Medizinische
§ 73a SGB V (alt)
Qualitätsgemeinschaft Ried
Praxisnetz Berliner Ärzte und
§ 63 SGB V (neu)
Betriebskrankenkassen/
Techniker Krankenkasse
Modell Qualität und Humanität
§ 63 SGB V (alt)
Medizinische
Qualitätsgemeinschaft Modell
Herdecke
Modellvorhaben über die
Weiterentwicklung der
Verfahrens-, Organisations-,
Finanzierungs- und
Vergütungsformen
stationsersetzender ambulanter
Operationen
Modellvorhaben zur Akupunktur
§ 63 SGB V
[Quelle: Eigene Darstellung]
Vertragspartner
Laufzeit
AOK Hessen, KV Hessen 01.01.97 30.06.98
VdAK / AEV, KV Hessen
BKK LV OST, TK, KV
Berlin
AOK Baden –
Württemberg, KV
Südbaden
VdAK-LV, KV Westfalen
Lippe
§ 63 SGB V
IKK-LV Nord, KV MV
§ 63 SGB V
AOK MV, KV MV
01.01.97 31.03.99
01.01.96 31.12.05,
Änderung vom
31.10.97
Bis 31.12.97,
verlängert bis
31.12.98
Seit 02.02.00
01.01.01 31.12.03
Disease Management in Deutschland – Definition und Zielsetzung
Seite 40
Tabelle 8: Strukturverträge innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (Stand:
Juli 2001)
Projektbezeichnung
Rechtsgrundlage
Vertragspartner
Laufzeit
Medizinische
Qualitätsgemeinschaft Dresden
Nord
§ 73a SGB V
VdAK, KV Sachsen
01.07.98 01.07.01
Strukturvertrag zur Verbesserung § 73 a SGB V
der medizinischen Versorgung
der Versicherten der AOK
Rheinland und zur Förderung der
Struktur der ambulanten
ärztlichen Versorgung
Rahmenvertrag zum Aufbau
§ 73 a SGB V
vernetzter Praxisstrukturen
AOK Rheinland, KV
Nordrhein
Seit 01.07.98,
unbefristet mit
Kündigungsmöglichkeit ab
31.12.1999
§ 73 a SGB V
BKK LV Hessen (BKK
Seit 01.10.98,
Opel in Rüsselsheim), KV unbefristet mit
Hessen
Kündigungsmöglichkeit ab
31.12.1999
BKK LV Bayern, KV
Seit 24.11.98,
Bayern
unbefristet mit
Kündigungs-möglichkeit ab
31.12.01
AOK Schleswig-Holstein,
KV Schleswig-Holstein
BKK LV Bayern, KV
01.10.99,
Bayern
ursprünglich für 8
Jahre festgelegt,
TK, BEK, KV Bayern
gescheitert und
aufgelöst am
30.06.01
BKK-LV Bayern, AOK
15.10.97, seit
Bayern, KV Bayern
03/99 Vertrag mit
BKK
VdAK/AEV, KV Nordrhein
§ 73 a SGB V
BKK-LV Ost, KV Berlin
01.07.98 31.12.98
VdAK, KV Berlin
01.01.98 30.06.98
Rahmenvereinbarung zum
Aufbau vernetzter
Praxisstrukturen
§ 73 a SGB V
Praxisnetze Schleswig Holstein
§ 73 a SGB V
Medizinisches Qualitätsnetz
München (MQM)
§ 73 a SGB V
nach:
§ 63 SGB V
Praxisnetz Nürnberg Nord (PNN) § 73 a SGB V
Förderung ambulanter
Operationen in der
vertragsärztlichen Versorgung
Strukturvertrag zur Förderung
ausgewählter
Krankenhausersetzender
ambulanter Operationen mit
Protokollnotizen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Seite 41
Tabelle 9: Indikationsspezifische Modellversuche innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (Stand: Juli 2001)
Projektbezeichnung
Rechtsgrundlage
Vertragspartner
Förderung der Kooperation
zwischen diabetologischen
Schwerpunktpraxen
§ 63 ff SGB
BE, KV Westfalen Lippe
Focus Diabeticus
Intensivierung der
interdisziplinären Kooperation
von Vertragsärzten in der
ambulanten Versorgung von
Diabetikern
Vereinbarung über eine
abgestufte, flächendeckende
ambulante Versorgung von
Patienten mit Diabetes mellitus
Vereinbarung über eine
strukturierte und
qualitätsgesicherte ambulante
Versorgung von Patienten mit
Diabetes Mellitus
"Oldenburger Herzpass"
Diabetes
Gesundheitsmanagement im
Rahmen eines Modellvorhabens
Modellvorhaben für eine
abgestufte, flächendeckende
Versorgung mit
Kataraktoperationen
[Quelle: eigene Darstellung]
seit 01.10.2000:
§ 73 a SGB V
§§ 63.1, 64.1 SGB
V
§ 73 a SGB V
Laufzeit
01.07.98 31.12.99,
Verlängerung bis
2006 möglich
BKK Bayer, KV Nordrhein 01.01.98 31.12.99
BKK LV NW, KV
01.01.98,
Nordrhein
unbefristet
§ 63.1, § 64 SGB V
AOK BW, KV
Südwürttemberg
01.10.98 –
30.09.2006
§ 63 ff SGB V
AOK Thüringen, KV
Thüringen
01.04.98 31.03.01, mit
Verlängerungsoption
§ 73a SGB V
AOK Niedersachsen, KV
Niedersachsen
AOK MV, KV MV
Seit 02/2002
§ 63 SGB V
§ 63 ff SGB V
Seit 01.04 2000
VdAK/AEV, KV
Nordrhein, VoP
Derzeitige Modellprojekte in der Diabetesversorgung – nur Teile eines qualitätsgesicherten Disease Management verwirklicht
Um die Diabetesversorgung in Deutschland zu verbessern, wurden in den letzten
Jahren zahlreiche regionale Diabetesvereinbarungen zwischen den Krankenkassen
und den Kassenärztlichen Vereinigungen in Form von Strukturverträgen (§ 73a SGB
V) oder Modellvorhaben (§ 63 SGB V) abgeschlossen. Ziel dieser Verträge ist es,
durch eine qualitätsgesicherte, interdisziplinäre und integrative Versorgungsverbesserung von Diabetikern die Ziele der St. Vincent Deklaration zukünftig zu erreichen.
Die derzeitigen Strukturverträge und Modellprojekte zur Diabetikerversorgung werden von den Vertragspartnern bereits als erfolgreiche Disease Management Programme bezeichnet [Gerst, 2001]. Diese Modellprojekte stellen keine solche Programme nach der anfangs festgelegten Definition eines Disease Management dar.
Seite 42
Bisher implementieren diese Modellprojekte nur einzelne Komponenten eines Disease Management Programms.
Anhand der drei Generationen von Diabetesverträgen (Tabelle 10) lassen sich die
kritischen Bereiche der bisher regional begrenzten Modellprojekte darstellen.
Tabelle 10: Drei Generationen von Diabetesverträgen
Versorgungsansatz
Beispiele
1. Generation
Zentralisierte Diabetiker – Versorgung in
diabetologischen Schwerpunktpraxen
AOK Brandenburg und Sachsen 1993
2. Generation
Strukturierte Kooperation in der
vertragsärztlichen Versorgung über
definierte Versorgungsaufträge für den
Hausarzt und der diabetologischen
Schwerpunktpraxis
AOK Thüringen und Südwürtemberg 1998
BEK im Gebiet Westfalen-Lippe 1998
BKK Nordrhein 1998
3. Generation
Verzahnung von ambulanter und
stationärer Versorgung mit Hilfe
sektorenübergreifender Budgets und
Entgeltsystematiken
AOK Sachsen-Anhalt und Thüringen 2000
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an AOK Bundesverband]
Die erste Generation von Diabetesvereinbarungen führte zu einer zentralisierten Diabetikerversorgung in diabetologischen Schwerpunktpraxen. Mit dieser Vorgehensweise konnten die versorgungspolitischen Ziele einer flächendeckenden Qualitätsverbesserung in der Diabetikerversorgung nicht erreicht werden.
Ursachen dafür sind:
•
Fehlende vertragliche Einbindung der Hausärzteschaft
•
Unzureichende Kooperation zwischen Hausärzten und diabetologischen Schwerpunktpraxen
•
Einsatz von Diagnose- und Therapiemaßnahmen losgelöst vom individuellen
Krankheitsbild des einzelnen Patienten
•
Fehlende Qualitätssicherung
•
Rein quantitative und keine qualitätsgekoppelten Vergütungsanreize
•
Die angestrebte Versorgungsverbesserung sollte durch die Definition von Schnittstellen und Überweisungsroutinen erreicht werden ohne gezielte Implementierung
einer evidenzbasierten Therapie in der Regelversorgung
Seite 43
Patienten wurden unter diesen Vereinbarungen von ihren Hausärzten vermehrt unter
Umgehung der Schwerpunktpraxis in Krankenhäuser eingewiesen, um Abwanderungen der Patienten zu den Schwerpunktpraxen zu verhindern. Vorhandene Versorgungsdefizite verfestigten sich dadurch, dass Therapiemaßnahmen nicht systematisch und individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt erfolgten. Die Verträge
der ersten Generationen führten schließlich zu einer dauerhaften Konzentration einer
hochwertig versorgten aber sehr geringen Patientenzahl in der Schwerpunktpraxis
[AOK Bundesverband].
In den Diabetesverträgen der 2. Generation wird über definierte Versorgungsaufträge
für den Hausarzt und die Schwerpunktpraxis eine strukturierte Kooperation in der
vertragsärztlichen Versorgung angestrebt. Für Diabetes bezogene medizinische Parameter werden Behandlungskorridore definiert, die Überweisungen vom Hausarzt
zur Schwerpunktpraxis sowie die Rücküberweisung zum Hausarzt vertraglich festlegen. Eine regelmäßige vollständige standardisierte Dokumentation ist mit der Honorierung des Arztes verbunden. Erste Evaluationen dieser Modellprojekte ergaben
jedoch:
•
Vorgeschriebene Überweisungen an andere Versorgungsebenen wurden ohne
Angabe von Gründen nicht durchgeführt
•
Wichtige medizinische Zielwerte, wie z.B. die Zielblutdruckwerte wurden häufig
nicht erreicht
•
Eine regelmäßige Dokumentation bezüglich des Diabetes fand nur bei einer Minderheit der Patienten statt
Aus diesen Gründen sollten die derzeitigen Modellprojekte bei einer Weiterführung
als Disease Management Programme daher entsprechend den Empfehlungen des
Gutachtens ergänzt bzw. neu strukturiert werden:
1. Standardisierung durch evidenzbasierte Leitlinien
Ziel des Disease Management ist es, evidenzbasierte Therapieinhalte flächendeckend einzuführen und eine systematische Verbreitung und Anwendung evidenzbasierter medizinischer Leitlinien zu erreichen.
In den Modellprojekten zur Diabetesversorgung findet der vertraglich festgelegte Einsatz von evidenzbasierten Leitlinien nicht statt. Leitlinien werden von den Vertrags-
Seite 44
partnern nicht zur Verfügung gestellt. Ebensowenig werden Patientenleitlinien und
individuellen Patiententherapieempfehlungen verwendet. Vielmehr steht das "opinion-based" - Management des einzelnen Patienten durch den Arzt im Vordergrund.
2. Regelmäßige Evaluation
Für die Strukturverträge nach § 73a SGB V ist keine Evaluation vorgeschrieben. Ohne eine Evaluation der Prozess- und Ergebnisqualität kann keine systematische
Qualitätsverbesserung der Versorgung erzielt werden, denn Problembereiche und
Fehlentwicklungen werden nicht frühzeitig erkannt, so dass im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses rechtzeitig steuernd eingegriffen werden könnte.
Für ein Disease Management Programm sollte bereits für eine Akkreditierung ein
Evaluationskonzepte für eine spätere Evaluierung des Programms vorgelegt werden.
3. Transparenz durch Benchmarking
Der größte Anreiz zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung geht von der Veröffentlichung der Programmergebnisse aus [HEDIS; http://www.ncqa.org]. Bei den Strukturverträgen und Modellvorhaben ist ein derartiges Benchmarking nicht vorgesehen.
Der Sachverständigenrat der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen bemängelt,
dass derartige Modellprojekte häufig nur zur Profilierung einzelner Kassen dienen
und aus Wettbewerbsgründen die von den einzelnen regionalen Vertragspartnern
gewonnenen Erkenntnisse zur Versorgungsverbesserung entweder überhaupt nicht
oder nur verzögert bzw. partiell transparent gemacht werden [SachverständigenratGutachten 2000/2001, Band III].
4. Definition von Implementierungsstrategien
Durch gezielte Implementierungsstrategien lässt sich die Anwendung von Leitlinienempfehlungen deutlich verbessern. Dazu gehören beispielsweise der systematische
Einsatz von spezifischen Remindern und gezielten Patienten- und Ärzteinformationen, interaktive Fortbildungen, Entscheidungsunterstützung (siehe auch Kapitel 3 bis
9). In den Strukturverträgen bzw. Modellvorhaben ist eine systematische Anwendung
von Implementierungsstrategien nicht vorgesehen.
Seite 45
5. Dokumentation mit Rückmeldung der Ergebnisse
Grundlage für ein Disease Management ist die Möglichkeit einer unverschlüsselten,
d.h. patienten- und arztbezogenen Dokumentation und Datenweiterleitung von
krankheitsspezifischen Prozess- und Ergebnisindikatoren an eine zentrale Koordinierungsstelle, wie z.B. dem Programmanbieter. Nur wenn patientenspezifische Daten
zur Verfügung stehen, kann systematisch und zielgerichtet individuell unterstützend
und steuernd in den Versorgungsprozess eingegriffen werden und entsprechende
Reminder und gezielte Informationen zur Verfügung gestellt werden. In den Modellprojekten erfolgt die Dokumentation und Datenweitergabe an die Kostenträger weiterhin pseudonymisiert. Damit ist keine strukturierte und patientenindividuelle Unterstützung zur systematischen Qualitätsverbesserung der chronisch Kranken möglich.
In den derzeitigen Modellprojekten fehlen wesentliche Komponenten eines qualitätsgesicherten Disease Management. Daher besteht bei ihnen die Gefahr eines
„Schein“- Disease Management, mit dem die bestehende defizitäre Versorgung bei
chronischen Erkrankungen, die durch ein Nebeneinander von Über-, Unter- und
Fehlversorgung geprägt ist, eher intensiviert und um bislang nicht erstattungsfähige
wirkungslose Leistungen ergänzt wird. Eine systematische flächendeckende Qualitätsverbesserung in den Kernbereichen der Versorgung chronisch Kranker kann von
den derzeitigen regional begrenzten Modellprojekten nicht erwartet werden.
1.5.2
Private Krankenversicherung
In der Privaten Krankenversicherung hat das Thema Disease Management seit kurzer Zeit eine wichtige strategische Dimension. Immer mehr private Krankenversicherungsträger räumen dem Disease Management oberste Priorität ein. Durch die Einführung von Disease Management Programmen für ihre Vollversicherten möchte
man möglichst als "early adopter" Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Konkurrenten
aufbauen. Begünstigt und beschleunigt wird diese Entwicklung auf dem Markt für
Privatversicherte dadurch, dass der Markt im Grunde genommen von der Gesetzgebungsentwicklung zur Einführung von Disease Management Programmen unabhängig ist. Die z.Zt. intensiv in der Gesetzlichen Krankenversicherung geführten aktuellen gesundheitspolitischen Diskussionen und die damit verbundenen Unsicherheiten
berühren die Private Krankenversicherung weit weniger. Auch gibt es nicht das Prob-
Seite 46
lem der negativen Risikoselektion, d.h., dass Private Krankenversicherer mit guten
Programmen für chronisch Kranke kein Wettbewerbsnachteil durch die Attrahierung
weiterer chronisch Kranker haben. Im Gegensatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung kann eine private Krankenversicherung bereits chronisch Erkrankte als Versicherte ablehnen oder risikoäquivalente Prämien verlangen. So kann sich die Private
Krankenversicherung auf die strategische Bedeutung des Disease Management für
die eigene Unternehmensentwicklung konzentrieren.
Eigene Abteilungen für Gesundheitsmanagement haben daher mittlerweile fast alle
privaten Krankenversicherungsunternehmen geschaffen. Trotzdem steht auch in der
Privaten Krankenversicherung die Einführung von Disease Management Programmen noch am Anfang. Von den 52 Privatversicherungsunternehmen in Deutschland
bieten nach den Erkenntnissen der Autoren bisher nur fünf Versicherungen Disease
Management an (Stand Juli 01). Einen Überblick gibt Tabelle 11. An erster Stelle
stehen auch hier Programme für Diabetes und Asthma. Die meisten der Krankenversicherer haben jedoch bereits einzelne Komponenten eines Disease Management
wie z.B. sogenannte Telefonberatungen in Form von Hotlines oder Telemanagement
implementiert,
die
jeweils
in
Kooperation
mit
kommerziellen
Gesundheits-
dienstleistern durchgeführt werden. Da es sich auch in der Privaten Krankenversicherung bei den derzeit angebotenen Disease Management Programmen meist noch
um Pilotversuche handelt, liegen Evaluationsdaten bisher nicht vor.
Tabelle 11: Angebote von Disease Management Programmen in der Privaten Kran
kenversicherung in Deutschland
Krankenversicherer
Disease Management
Programm
Vereinte Krankenversicherung
Diabetes, Asthma,
Innovacare GmbH,
Universität München
Mannheimer Krankenversicherung
Diabetes
n. b.
Hanse Merkur
Diabetes
GesundheitScout24
Winterthur Krankenversicherung
Diabetes, Asthma
Medvantis GmbH
DKV
Diabetes
n. b.
Deutscher Ring Krankenversicherung
Diabetes
n. b.
[Quelle: Eigene Darstellung]
Kooperationspartner
Seite 47
Die Vereinte Krankenversicherung spielte eine Vorreiterrolle in der Privaten Krankenversicherung bei der Einführung von Disease Management Programmen. 1997
legte sie als erste Private Krankenversicherung ein Programm für Asthmakranke auf,
welches anfänglich als regionales Projekt in Bayern startete, aufgrund der Ergebnisse und des Erfolges aber seit 1999 bundesweit angeboten wird. Die Vereinte führte
das Programm in Kooperation mit dem Gesundheitsdienstleister Innovacare (München) durch, die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch die Universität München. 300 Patienten wurden in das Programm aufgenommen. Ziel war es, Asthmaanfälle frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln, die Schwere und
Häufigkeit von Atemnotzuständen und Hustenattacken zu reduzieren, die Hilfsmittel Compliance sowie die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
In den Inhalten des Programms setzte man v.a. auf individuelle persönliche Betreuung der Patienten. Eine gebührenfreie europaweite Hotline mit asthmageschulten
Mitarbeitern wurde eingerichtet. Der behandelnde Arzt wurde im aktiven Dialog mit
einbezogen, die Behandlung mit ihm abgestimmt.
Als Ergebnis konnten Asthmaanfälle mit akuter Atemnot um 58 %, asthmabedingte
Arbeitsunterbrechungen um 30 % reduziert werden. Kurzfristige Krankenhausaufenthalte (unter 20 Tagen) gingen um 80 %, längere und kürzere Krankenhausaufenthalte zusammen um 62 % zurück, während sie in der Vergleichsgruppe sogar angestiegen sind [O.V., Ärzte Zeitung - Online vom 26.02.2001]. Basierend auf einer Patientenbefragung der Programmteilnehmer stieg die Lebensqualität um 10 % an. Ebenfalls konnte die Hilfsmittel - Compliance der Patienten erhöht werden. So besasen
(basierend auf Teilnehmerbefragungen) zu Beginn an die Hälfte der Patienten ein
Peak- Flow- Meter, aber nur jeder zweite von diesen benutzte es auch. Am Ende
maßen ca. 75 % der Teilnehmer regelmäßig ihren Peak– Flow Wert. Genauso wurde
ein Asthmatagebuch anfänglich nur von 8 % der Teilnehmer geführt, am Ende führten es ca. 85 % [Schaumburg et al., 1999].
Im Sommer 2000 startete die Vereinte Krankenversicherung basierend auf dem
PROSIT - Projekt in Bayern ein zunächst für zwei Jahre geplantes Diabetes - Modellprojekt zur integrierten Versorgung [http://www.prosit.de]. Ziel ist es, neben der
Kostenwirksamkeit die Optimierung der Diabetesbehandlung und die Lebensqualität
der Diabetespatienten zu verbessern, aber auch die Eigenverantwortung der Patienten zu stärken. Dabei steht in diesem Modellprojekt die integrierte Versorgung mit
Seite 48
dem Zusammenbringen aller im Behandlungsprozess Beteiligten im Vordergrund.
Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Universität München. Inhalte des
Programms sind ein Qualitätsmanagement, wie regelmäßige Qualitätszirkel, Fallkonferenzen und Quartalsauswertungen für den Arzt, um den Stand der Therapie für ihn
transparent zu machen. Schulungsmaterial und Hilfsmittel, wie Blutdruck- und Blutzuckermessgerät, der Gesundheitspass Diabetes der Deutschen Diabetes Gesellschaft und ein Erinnerungsservice wurden dem Patienten zur Verfügung gestellt sowie eine Hotline eingerichtet. Der Arzt erhält einen finanziellen Ausgleich für den Dokumentationsaufwand.
Die Mannheimer Krankenversicherung bietet ihren, im Durchschnitt jungen, Vollversicherten seit 01.07.99 ein Disease Management Programm für Diabetes an. Ziel
ist auch hier, die Behandlung erkrankter Diabetiker zu optimieren, der Krankheit vorzubeugen und Krankheitszeichen frühzeitig zu erkennen sowie Kosten zu senken.
Die Versicherten der Mannheimer werden durch Anschreiben über das Programm
informiert. Die Einschreibung erfolgt dann anhand verschiedener Parameter (z.B.
Alter, Vorerkrankungen). Inhalte sind einheitliche Behandlungsleitlinien, festgelegte
Zeitintervalle für routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen, Überwachung von wichtigen Laborparametern, regelmäßige Fußinspektionen und Augenhintergrunduntersuchungen. Informationen, Aufklärung, Schulungen, Prävention, Fortbildungen und
Qualitätssicherung sind weitere Komponenten des Programms.
Die HanseMerkur Krankenversicherung bietet seit Juli 2001 ihren Versicherten ein
Disease Management Programm Diabetes an. Das Programm wird in Zusammenarbeit mit dem Dienstleister GesundheitScout24 durchgeführt. Die Ziele des Programms sind eine adäquate medizinische Versorgung der Betroffenen, die Vermeidung von Über- und Unterversorgung sowie die Reduktion von Komplikationen und
Folgeerkrankungen. Damit sollen schließlich Kosteneinsparungen erreicht werden.
Einschreiben können sich vollversicherte Patienten mit Typ 2 Diabetes im Alter von
40 - 75 Jahren. Eingesetzt werden evidenzbasierte Leitlinien, schriftliche und telefonische Kontakte, Informationen und Vorträge. Eine wissenschaftliche Begleitung findet nicht statt. Eine Evaluation wird intern in Qualitätszirkeln durchgeführt.
Seite 49
1.5.3
Kommerzielle Gesundheitsdienstleister:
Kommerzielle Serviceanbieter im deutschen Gesundheitsmarkt erhoffen sich vom
Disease Management große Zukunftspotenziale. In den letzten fünf Jahren ist eine
rasante Entwicklung im Servicebereich auf dem deutschen Gesundheitsmarkt zu beobachten gewesen, in der zahlreiche Neugründungen von Dienstleistern stattfanden.
Dabei bieten momentan Serviceanbieter vor allem mit dem Betreiben von Call- Centern und im sogenannte e-Health Bereich (online Gesundheitsservices) mit webbasierten Gesundheitsportalen ihre Dienste an. Hier konzentriert sich derzeit noch
der Markt. Endkunden sind in der Regel die Kostenträger, d.h. die Krankenversicherungen, in deren Auftrag Serviceanbieter agieren, indem sie ihnen die operative
Durchführung ihrer Gesundheits- Telefonservices oder eService - Portale übertragen.
Aber auch Leistungserbringer und Patienten selbst werden als Kunden angesprochen. Zur Zeit findet in der Branche eine strategische Neupositionierung dieser Unternehmen statt. Man kommt zu der Erkenntnis, dass man allein mit dem Betreiben
von Call- Centern und online - Gesundheitsportalen zukünftig nicht ausreichend positioniert ist. Stärkere inhaltliche Aufrüstungen des Angebotes sind unerlässlich. Nach
Einschätzungen von Branchenteilnehmern wird hier ein Konzentrationsprozess in
dem derzeit unübersichtlichen Markt einsetzen.
Aufgaben, die von einem Gesundheitsdienstleister als Kooperationspartner im Rahmen eines Disease Management übernommen werden können, sind:
•
Aufklärung und Information von Patienten und Ärzten über das Disease Management Programm
•
Bereitstellung von krankheits- wie auch nicht krankheitsspezifischen Informationen für Patienten wie Professionen (z.B. Online- Datenbanken)
•
Die Entwicklung von Prozessabläufen für die am Disease Management Programm Beteiligten
•
Mithilfe bei Aufbereitung und Verteilung von Leitlinien an beteiligte Ärzte und Patienten (auf CD ROM, im Internet etc.)
•
Unterstützung beim Aufbau und der Vernetzung von Datenbanken der am Disease Management Beteiligten
•
Entwicklung und Implementierung von Patienten- und Ärzteinformationssystemen
und Reminder - Systemen
•
Durchführung von Remindern
Seite 50
•
Bereitstellung von Produkten zur Stärkung der Compliance der im Programm eingeschriebenen Patienten (Newsletter, Gesundheits- Tipps, Angebote für telefonische Rückfragemöglichkeiten etc.)
•
Betreuung von Patienten und Ärzten über Call- Center, E- Mail Anfragemöglichkeiten o. ä. bei auftretenden Rückfragen oder Schwierigkeiten
•
Datenmanagement (unter Einhalt des vorgeschriebenen Datenschutzes) von Disease Management Programmen
Im Disease Management können diese Leistungen nur eine Unterstützung der Aufgaben der Ärzte und Krankenkassen sein, diese jedoch nicht im Ansatz ersetzen. Die
Entwicklung der Inhalte des Disease Management ist eine ärztliche Aufgabe. Die
Entwicklung geeigneter Umsetzungsstrategien wie z.B. Patientenschulungen, Fortbildungen und Erinnerungsschreiben setzt hohe medizinische Kompetenzen voraus.
Die Krankenkasse können bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben durch kommerzielle Anbieter nur unterstützt und entlastet werden.
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 51
2 Disease Management Komponenten bei
ausgewählten Erkrankungen im internationalen Bereich
Disease Management Programme in den USA setzen zunehmend auf eine sektorenübergreifende, evidenzbasierte Routineversorgung chronisch Kranker. Um eine
systematische Versorgungsverbeserung zu erreichen, werden die traditionellen Versorgungsabläufe häufig neu strukturiert. Im Folgenden werden ausgewählte Programme beschrieben, denen ein systematischen Ansatz zur Verbesserung der Versorgungsqualität zugrunde liegt. Die Generalisierbarkeit der beschriebenen Ergebnisse wird durch die folgenden Überlegungen eingeschränkt:
•
Der Einfluss einzelner Komponenten auf das medizinische Outcome und die Kosten-Effektivität ist in der Regel nicht evaluierbar, da die Programme Kombinationen von Komponenten einsetzen. Einzelne Interventionen wie Schulungsprogramme für Patienten, ärztliche Fortbildung oder der Einsatz von Patient Care
Pathways (Clinical Pathways) im Krankenhaus sind zwischenzeitlich gut untersucht und es liegt Evidenz für die Effektivität dieser Interventionen vor, sofern sie
definierte Kriterien erfüllen [Dougherty et al., 2000; Lob et al., 2000; Cantillon,
1999]. Andere Interventionen wie beispielsweise die meisten Maßnahmen des
Organisationsmanagements sind fast ausschließlich in Kombination mit anderen
Komponenten evaluiert und es fehlen randomisierte und kontrollierte Studien.
•
Die Programme arbeiten teilweise mit kleinen Patientenpopulationen und kurzen
Beobachtungszeiträumen
•
Die Programme sind in der Mehrzahl in den USA im Managed Care Umfeld implementiert. Zunehmend werden diese allerdings auch in den USA mit Leistungserbringern in Einzelleistungsvergütung umgesetzt. Die ersten Ergebnisse sind
ermutigend. Allerdings fehlen die Evaluationen großer Studien, da sie zur Zeit
noch nicht abgeschlossen sind. Dennoch ergeben sich Anhalte dafür, dass bei
der Umsetzung von Disease Management mit einzelnen Leistungserbringern in
Einzelleistungsvergütung die Vorteile des Disease Management, Verbesserung
der Versorgungsqualität und Kostenstabilisierung der Versorgung, erreicht werden können [McCulloch et al., 2000].
51
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 52
2.1 Beispiel 1: Leitlinienimplementierung und Organisationsmanagement
Ein Beispiel für ein Programm zur Versorgungsverbesserung von Diabetikern, dem
ein systematischer, strukturierter und populationsbezogener Ansatz zugrunde liegt,
ist das Diabetes Roadmap Programm von Group Health Cooperative of Puget Sound
[McCulloch et al., 1998 und 2000]. Es integriert die Implementierung evidenzbasierter
Therapieprinzipien in die Praxis mit strukturellen und organisatorischen Änderungen
im Ablauf der Patientenversorgung. Zur Sicherstellung einer evidenzbasierten Therapie in der Praxis wurden evidenzbasierte Therapieleitlinien sowie sechs verschiedene Implementierungsstrategien zur Unterstützung der behandelnden Ärzte erarbeitet (Tabelle 4). Ein systematischer, patientenindividueller Ansatz wird durch ein elektronisches Diabetesregister und Reminder-System gewährleistet. Das ReminderSystem unterstützt zusätzlich zusammen mit einer ambulanten Diabeteskrankenschwester (Tabelle 2) die Koordination von Therapie und Selbstmanagementmaßnahmen.
Programmübersicht:
Programmname:
Diabetes Roadmap.
Rahmen:
Health Maintenance Organisation.
Zielerkrankung:
Diabetes Mellitus.
Anzahl Patienten:
15 000 Diabetiker.
Patientenidentifikation:
Arzneimittelverordnungen, Laboranforderungen, Krankenhausentlassungsdiagnosen (ICD-9).
Interventionszeitraum:
Bis zum Bericht 5 Jahre. Das Projekt läuft noch.
Ziele des Programms:
Die allgemeine Zielsetzung ist die Verbesserung des Gesundheitszustandes, des klinischen Status, der Patientenzufriedenheit und die Senkung der Kosten für alle Diabetiker der Health Maintenance Organisation. Zu den spezifischen intermediären Zielen gehören: Erhöhung der Rate
von Diabetikern, die ein regelmäßiges Retinopathiescreening, regelmäßige Fußinspektion und spezifisch zugeschnittene Informationen bzw. Schulungen erhalten. Regelmäßige Kontrollen von HbA1c und Mikroalbuminuriesc52
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 53
reening, eine Senkung der HbA1c-Werte in den Normbereich und eine erhöhte Patientenzufriedenheit.
Programmstruktur:
Es handelt sich um einen systematischen, strukturierten
und populationsbezogenen Ansatz in der primärärztlichen
Versorgung, an der über 200 Hausarztpraxen teilnahmen.
Komponenten:
Diabetesregister (Tabelle 1).
Vernetzte Computerarbeitsplätze.
Remindersystem
Reorganisation des Praxisablaufs und Entscheidungsunterstüzung durch:
Chronic Care Clinic (Spezielle Diabetessprechstunde) und
Unterstützung durch ein mobiles Expertenteam bestehend
aus Diabetologen und spezieller Krankenschwester mit diabetologischer
Weiterbildung
(Diabeteskoordinator)
(Tabelle 2).
Evidenzbasierte Leitlinien (Tabelle 3).
Implementierungsstrategien für evidenzbasierte Leitlinien
(Tabelle 4).
Unterstützung des Patientenselbstmanagements durch
Arbeitsmaterialien, Informationsbriefe etc.
Evaluationsstrategie für medizinische, ökonomische und
psychosoziale Variablen.
Ergebnisse:
Zunahme der HbA1c-Kontrolle auf über 90% aller Diabetiker.
Zunahme der Augenhintergrunduntersuchungen von 46%
auf ca. 67%.
Mittlerer HbA1c für alle Diabetiker 7,58%.
Zunahme der Fußinspektionen von < 20% auf >50%
(Abbildung 2).
Zunahme
des
Screenings
auf
Mikroalbuminurie
(Abbildung 3).
Senkung der Raucherrate von 14% auf 10%.
Hohe Patientenzufriedenheit.
Ökonomische Ergebnisse (Tabelle 5):
53
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 54
Sinken der Krankenhauseinweisungen von Diabetikern um
17%.
Verringerung der Gesamtaufenthaltstage im Krankenhaus
von Diabetikern um 25%.
Verringerung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer bei
Krankenhauseinweisung um 10%.
Verringerung der Besuche beim Hausarzt um 6,6%.
Verringerung der Überweisungsraten zu Spezialisten um
23% (Im Durchschnitt wurde jeder Diabetiker einmal weniger pro Jahr zum Spezialisten überwiesen).
Zunahme der Medikamentenkosten um $11,20 aufgrund
des verstärkten Einsatzes von Metformin. Trotz dieser Zunahme der Arzneimittelkosten wurden pro Mitglied pro
Monat Einsparungen von $62 realisiert.
Kritik:
Es handelt sich nicht um eine kontrollierte oder randomisierte Studie. Der Einfluss von Faktoren, wie z.B. die Veröffentlichung von Programmergebnissen im Rahmen des
HEDIS-Benchmarkingprojektes kann nicht abgeschätzt
werden. Ebensowenig kann der Einfluss der einzelnen
Faktoren (Organisationsmanagement, Leitlinienimplementierung, etc.) auf die Ergebnisse abgeschätzt werden. Das
Programm wurde in einer Managed Care Umgebung implementiert, so dass auf Arzneimittelverschreibungsdaten,
Labordaten und Patientendaten einfach zugegriffen werden konnte. Würde das Programm z.B. im Rahmen des
deutschen Systems implementiert, so müssten die Voraussetzungen für eine Vernetzung geschaffen werden oder durch entsprechende per fax / Post zu versendende
Alternativen ersetzt werden. Erste derartige Versuche sind
im Rahmen des Programms bereits in den USA mit Leistungserbringern in Einzelleistungsvergütung erfolgreich
durchgeführt worden. Die Autoren führen den Erfolg des
Programms im Wesentlichen auf drei Faktoren zurück:
54
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 55
(1) Systematische, koordinierte und evidenzbasierte Versorgung durch Implementierung von Maßnahmen zur
Versorgungsverbesserung, Koordination und Management der Versorgung (z.B. Leitlinien, Entscheidungsunterstützung).
(2) Stetige Zunahme der Kompetenz im niedergelassenen
Bereich durch das Programm.
(3) Ein Remindersystem in unterschiedlichen Ausprägungen.
Verbesserungspotenzial sehen die Autoren noch in der
Unterstützung der Patienten im Selbstmanagement zur
noch besseren Blutzuckereinstellung (ein Drittel der Patienten hat noch HbA1c-Werte > 8,0%) sowie im Management des Fußulkus. Hier wurde trotz erhöhter Fußinspektionsrate noch keine signifikante Reduktion in der Prävalenz von Fußulzera oder Amputationen erreicht. Allerdings
ist die Laufzeit des Programms mit 5 Jahren auch noch zu
kurz um Aussagen zur Verringerung von Spätschäden zu
erlauben.
Komponenten:
Diabetesregister (Tabelle 1).
Das Diabetesregister wurde im ersten Jahr als Hardcopy geführt, indem die Daten
per Fax oder Brief übermittelt wurden. Auch das Feedback wurde per Brief oder Fax
quartalsweise übermittelt. Es spezifizierte pro Arzt die Namen der Patienten mit Diabetes Mellitus im Programm, den letzten Arzt / Patienten- Kontakt sowie die Ergebnisse von Untersuchungen wie Spiegelung des Augenhintergrundes, HbA1c-Wert,
etc. nach ca. 1 Jahr Laufzeit des Programms wurden alle Hausarztpraxen mit einem
PC ausgestattet, über den ein Online- Register eingerichtet wurde, das die Einspeisung von Laborwerten und Remindern jederzeit erlaubt und täglich aktualisiert wird.
Mit Hilfe des Programms kann vor jedem Patientenkontakt eine zweiseitige Zusammenfassung der Therapie, Untersuchungsergebnisse und Therapieempfehlungen
ausgedruckt werden, die als Gedächtnisstütze bei der Konsultation verwendet werden kann.
55
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 56
Tabelle 1: Diabetesregister
Kategorie
Datenelement
demographische Daten
Patientenstammdaten
Vitalparameter
Kardiale Daten
Nierenwerte
Augenhintergrundspiegelung
Fußpflege
Quelle
Datenbank zur Verwaltung der
Patientendaten
Größe, Gewicht, Blutdruck,
Oberflächenmaske zur
Raucherstatus
Dateneingabe
Medikamentöse Therapie: Aspirin, Labor und Daten zur
Laborwerte: Cholesterinspiegel,
Pharmakotherapie
LDL Cholesterin, HDL Cholesterin
und Triglyzeride
ACE-Hemmer, Serum Kreatinin,
Labor und Daten zur
Verhältnis von
Pharmakotherapie
Microalbumin/Kreatinin
Ergebnisse und Daten der letzten Datenbank zur Verwaltung der
Augenhintergrundspiegelung
Patientendaten und Maske zum
Eingeben der ophthalmologischen
Daten
Ergebnisse und Daten der letzten Maske zur Dateneingabe der
Fußuntersuchungen
Ergebnisse der Fußinspektion
Blutzuckerkontrolle
Laborwerte: HBA1c (%);
Labor und Daten zur
Medikamentöse Therapie: orale
Pharmakotherapie
Antidiabetika oder Insulintherapie
Patientenschulung
Initiierungsdatum einzelner
Maske der Datenbank der
Elemente des
Patientenschulung
Selbstmanagements wie z.B.
Schulungen
Servicenutzung
ambulante Behandlung,
Datenbank zur Verwaltung der
Krankenhausaufenthalte,
Patientendaten
telefonische Kontakte
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an McCulloch et al., 1998]
56
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 57
Abbildung 1: Remindersystem
Group Health Cooperative of Puget Sound
Datum: 01.10.97
Patientennummer : 00000188
Patientenstammdaten
Name des Patienten: Brown, Betty
Alter: 65
Hausarzt: Payne, Thomas
Klinische Vorgehensweise:
Diabetes, Sekundärprevention kardialer Risikofaktoren
Patientenspezifische Risikofaktoren und Reminder:
Kardiovaskuläre Reminder
Informationspaket erhalten?
Aspirin?
LDL Ausgangswert bei Aufnahme
(Erfassung des LDL Ausgangswertes (nüchtern, ohne Medikation).
Um einen idealen Ausgangswert zu erhalten, wird eine zweimalige Messung empfohlen.
Das Programm wird Werte von (LDL < 100)oder (LDL < 130 und das Verhältnis von TC/HDL <4) als Ziele der
Therapie vorschlagen. Eine Reduktion um 30 % unterhalb des Ausgangswertes wird als Therapieziel ignoriert, solange
kein LDL-Ausgangswert eingetragen ist.)
Der Patient hat bisher nicht die Lipidwerte erreicht, die für die Sekundärpräventions gemäß Leitlinie vorgegeben
werden. Daher wird eine Dosiserhöhung bzw. eine Umstellung der Medikation empfohlen, um niedrigere LDL Werte
zu erreichen.
Ziele der Therapie:
Eine 30% Reduktion des LDL Ausgangswertes oder LDL <130 und TC/HDL Ratio <4
Nephropathierisiko
>50mcg, wird gemäß Microalbuminuria Leitlinie eine ACE- Hemmer-Therapie unter Beachtung von Kontraindikationen vo
Kreatin >1,5
Retinopathiescreening
Überweisung zum Augenarzt sollte bis ........ erfolgen
Netzhautveränderungen vorhanden: Status des rechten Auges:
Status des linken Auges:
Fußstatus
Bei hohem Ulkusrisiko wird die Initiierung eines prophylaktischen Interventionsprogramms gemäß der
diabetischen Fußscreening Leitlinie sowie eine Empfehlung regelmäßig zur Fußpflege zu gehen, vorgeschlagen
Blutzuckerkontrolle
Bei HbA1C C >8.0
1 wird ein Vorgehen gemäß der Leitlinie zur Blutzuckerkontrolle vorgeschlagen
BMI > 27.0?
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an McCulloch et al., 1998]
In der üblichen Praxisroutine, in der der Arzt- Patienten- Kontakt ca. 5 bis 10 Minuten
dauert, kann auf die spezifischen Erfordernisse von chronisch Kranken nicht adäquat
eingegangen werden. Aus diesem Grund werden im Organisationsmanagement
Neustrukturierungen von Praxisabläufen und Versorgungsprozessen vorgenommen.
Im Diabetes Roadmap Programm wurden drei Interventionen implementiert (Tabelle
2), die von Ärzten und Patienten positiv aufgenommen wurden.
57
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 58
Tabelle 2: Praxisreorganisation /Entscheidungsunterstützung
Komponente
Diabetes-Sprechstunde
Beschreibung
Für die Diabetikersprechstunde wird ein halber Tag im Praxisablauf für die
Betreuung von 6 bis 10 Patienten reserviert. Jeder Patient erhält eine
systematische Evaluation (Anamnese, körperliche Untersuchung,
Medikamentenanamnese und ggf. Korrektur), Unterstützung des
Selbstmanagements durch Krankheitskoordinator (Diabetesschwester), ein
ärztliches Gespräch zur Besprechung von Therapieplan und
Untersuchungsergebnissen sowie eine Gruppensitzung mit anderen
Diabetikern, in der definierte Themen und von der Gruppe vorgeschlagene
Probleme diskutiert werden können. Vorbereitung des Praxisteams auf die
Sprechstunde ist essentiell!
EntscheidungsunterEin Team bestehend aus einem Diabetologen und einer Krankenschwester
stützung durch Experten mit Zusatzausbildung besucht die Praxen nach einem vereinbarten Zeitplan
in regelmäßigen Abständen und nimmt mit dem Hausarzt zusammen die
Sprechstunde wahr. Das Team kann ggf. auch von einer Hausarztpraxis
angefordert werden. Für jeden Patienten sind ca. 30 bis 40 Minuten
Sprechzeit vorgesehen.
Ambulante
Unterstützt das ambulante Diabetes Team und die Hausärzte in der
DiabeteskrankenPatientenschulung, Schulung und Nachkontrolle von SelbstmanagementSchwester
Techniken und organisatorischen Fragen.
(Krankheitskoordinator)
[Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an McCulloch et al., 1998]
Evidenzbasierte Leitlinien (Tabelle 3) sind eine Voraussetzung für die Umsetzung
einer evidenzbasierten Therapie. Es besteht jedoch Evidenz dafür, dass die alleinige
Dissemination von Leitlinien z.B. in gedruckter Form nicht ausreicht, um eine Änderung im Therapie- und Verschreibungsverhalten von Ärzten bzw. im Selbstmanagementverhalten von Patienten auszulösen [Cabana et al., 1999; Klazinga et al., 1994].
Das Diabetes Roadmap Programm setzt daher sechs unterschiedliche Implementierungsstrategien ein (Tabelle 4).
Tabelle 3: Evidenzbasierte Leitlinien im Diabetes Roadmap Programm
Leitlinie
Retinopathiescreening
Beschreibung
Jährliche Spiegelung des Augenhintergrundes vom Zeitpunkt der
Diagnosestellung an (Typ 2 Diabetiker), bzw. 5 Jahre nach
Diagnosestellung (Typ 1 Diabetiker)
Fußinspektion
Jährliche Inspektion der Füße ab Diagnosestellung (Typ 2) bzw. ab 5
Jahre nach Diagnosestellung (Typ 1). Schulung von Patienten mit
erhöhtem Risiko für die Entwicklung eines Ulcus.
Mikroalbuminuriescreening Jährliches Screening aller Diabetiker (12 bis 70 Jahre), die nicht bereits
einen ACE-Hemmer erhalten
Aufklärung der Patienten über kardiologische Risikofaktoren und deren
Verringerung, über HbA1c-Messung und Raucherprävention.
Blutzuckermanagement
Die Leitlinie spezifiziert die Therapie (Sport, diätetische Therapie, orale
Antidiabetika, Insulin) und enthält zusätszlich ausführliches Material zur
Unterstüzung des Selbstmanagements wie z.B. Patientenarbeitsblätter.
[Quelle: McCulloch et al., 1998]
58
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 59
Tabelle 4: Implementierungsstrategien für evidenzbasierte Leitlinien
Intervention
Klassische Fortbildung (Continuing Medical
Education)
Beschreibung
Vorträge und Workshops zur Retinopathie,
Fußambulanz, Mikroalbumionuriescreening und
Blutzuckermanagement
Regelmäßige Arbeitsmittagessen für Praxen
Fortbildung in Kleingruppen und individuelle
Fortbildung
Feedback
Der Patientenstatus ist jederzeit online abrufbar,
zusätzlich werden vierteljährliche
patientenindividuelle Berichte an den Hausarzt
verschickt, die ein Benchmarking der einzelnen
Praxis enthalten
Diabetes Expertenteam bietet
Entscheidungsunterstützung in der Praxis an
Evidenzbasierte Leitlinien sind in gedruckter Form
und online abrufbar
Spezifisch auf Stadien und Komplikationen
zugeschnittene Materialien zur Unterstützung des
Selbstmanagements
Coaching durch Experten
Entscheidungsunterstützungssysteme
Patientenunterstützung
[Quelle: McCulloch et al., 1998]
Die Ergebnisse des Diabetes Roadmap Programms zeigen eine deutliche Verbesserung der Prozessqualität. Insbesondere Abbildung 3 veranschaulicht den Zusammenhang mit der Einführung von Leitlinien.
Abbildung 2: Zunahme der regelmäßigen Fußinspektionen nach
Leitlinienimplementierung
60
Population in %
50
40
30
20
10
0
Mai
96
Jun
96
Jul
96
Aug Sep
96
96
Okt
96
Nov Dez Jan
96
96
97
Feb
97
Mrz
97
Apr
97
Mai
97
Jun
97
M onat und Jahr
Durchschnittliche Prozentzahl der Diabetes- Patienten bei denen eine Fußuntersuchung vorgenommen wurde
[Quelle: McCulloch et al., 1998]
59
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 60
Abbildung 3: Zunahme des Mikroalbuminuriescreenings nach Leitlinienimplementierung
1000
800
600
400
200
0
Implementierung der Mikroalbuminuria Leitlinie
Eigenes Labor verfügbar
Ja
n
9
M 4
rz
9
M 4
ai
94
Ju
l9
Se 4
p
9
N 4
ov
9
Ja 4
n
9
M 5
rz
9
M 5
ai
95
Ju
l9
Se 5
p
9
N 5
ov
9
Ja 5
n
9
M 6
rz
9
M 6
ai
96
Ju
l9
Se 6
p
9
N 6
ov
96
Durchgeführte
Tests,n
Monatliche Anzahl der durchgeführten Tests bei DiabetesPatienten seit 1994
Monat und Jahr
[Quelle: McCulloch et al., 1998]
Tabelle 5: Ökonomische Evaluation
stationäre Aufwendungen/1000
stationärer Aufenthalt in Tagen/1000
durchschnittlicher Aufenthalt in Tagen
Primäre Arztbesuche
Spezialistenbesuche
Notfallaufnahmen
Gesamtkosten pro Patient und Monat
davon Arzneimittelkosten
[nach McCulloch et al., 2000]
1995
289,9
1311
4,52
6,40
3,92
0,18
$566
$70,16
1996
259,3
1175
4,53
5,91
3,09
0,20
$541
-
1997
240,6
978
4,07
5,98
3,01
0,17
$504
$81,36
Veränderung
-17%
-25,9%
-10%
-6,6%
-23%
Keine
-11%
+16%
2.2 Beispiel 2: Organisationsentwicklung, Einsatz
von Informationstechnologie
Das Lovelace Health Systems Episodes of Care Programm [Friedman 1996 und
Friedman et al., 1998] ist ein systematisches, populationsbezogenes Programm zur
Verbesserung von Qualität und Effektivität der Versorgung von Typ 2 Diabetikern.
Dazu werden spezifische Interventionen eingesetzt, die auf Leistungserbringer und
Patienten zugeschnitten sind. Arztbezogene Interventionen des Programms umfassen den Einsatz evidenzbasierter Leitlinien, die Bereitstellung eines Informationstechnologie-basierten Entscheidungsunterstützungssystems, in das die Patientendatenverwaltung integriert ist, sowie ein quartalsweise erstellter, individueller Bericht für
den einzelnen Leistungserbringer. Zu den patientenbezogenen Interventionen gehö60
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 61
ren Schulungen, Reminder-Systeme, spezielle Diabetessprechstunden und organisierte Diabetes-Tage. Zur Entwicklung eines populationsbezogenen Ansatzes wurde
folgendes Vorgehen gewählt:
•
Stratifizierung der Patienten in Risikogruppen, um Hochrisiko- Patienten bzw. Patienten mit dem Potenzial zur Entwicklung zu Hochrisiko- Patienten zu identifizieren.
•
Organisation von Maßnahmen der Sekundärprävention auf einem kosteneffektiven Niveau, um die Funktionalität der Patienten zu erhalten und zu verbessern.
•
Organisation der Patientenversorgung auf einem qualitativ hochwertigen und
gleichzeitig kosteneffektiven Niveau.
•
Implementierung eines Versorgungssystems (Netzes), das eine kontinuierliche,
qualitativ hochwertige und kosteneffektive Versorgung auch in ländlichen Gegenden sicherstellt.
Programmübersicht:
Programmname:
Lovelace Health Systems‘ EPISODES OF CARE Program.
Rahmen:
Managed Care Organisation.
Zielerkrankung:
Diabetes Mellitus Typ 2.
Anzahl Patienten:
nicht bekannt (zweitgrößte Managed Care Organisation in
New Mexico).
Interventionszeitraum:
Bis zum Bericht über 3 Jahre; Das Projekt läuft noch.
Ziele des Programms:
Die allgemeine Zielsetzung ist der Anspruch, dass alle
Diabetiker im Lovelace System in die Lage versetzt werden, ihren Diabetes so weit möglich eigenverantwortlich
zu managen. Die Diabetikerversorgung sollte sich von professioneller Seite durch hohe Qualität und KostenEffektivität auszeichnen. Durch eine verbesserte Blutzuckereinstellung sollten akute Komplikationen und Spätkomplikationen vermieden werden.
Programmstruktur:
Es handelt sich um einen systematischen, strukturierten
und populationsbezogenen Ansatz in der primärärztlichen
Versorgung. Dazu wurde unter der Leitung eines Hausarz61
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 62
tes und eines Endokrinologen ein Team aus Diabetes
Schulungspersonal, Diätberaterinnen, einem Apotheker,
einem Qualitätsmanagementbeauftragten, einem Case
Manager, Verwaltungsmitarbeitern und Patienten gebildet.
Das Team trifft sich zweimal monatlich um das Programm
und seine Ergebnisse zu evaluieren, Verbesserungsvorschläge umzusetzen und neue Ideen zu entwickeln.
Komponenten:
Evidenzbasierte Leitlinien (Tabelle 6) und Implementierung durch spezielle Fortbildungsangebote für Ärzte.
Informationstechnologieunterstützungssystem
basiertes
mit
Entscheidungs-
Patientendatenverwaltung
(Tabelle 7).
Quartalsweiser Bericht an Leistungserbringer (Abbildung
4).
Organisationsmanagement (Reorganisation des Praxisablaufs und Entscheidungsunterstützung).
Reminder- System.
Patientenschulung (Tabelle 10).
Evaluation.
Ergebnisse:
Senkung der durchschnittlichen HbA1c-Werte der eingeschriebenen Diabetiker von 12.2% (1994) auf 10.4%
(1996).
Zunahme
der
Augenhintergrunduntersuchungen
von
47,3% (1994) auf ca. 53,2% (1996).
Zunahme der Schulungen pro Patient von 52% auf 78%.
Kritik:
Der Einfluss einzelner Komponenten auf die Ergebnisse
kann nicht evaluiert werden. Ebenso wenig kann der Einfluss von Faktoren, wie z.B. die Veröffentlichung von Programmergebnissen im Rahmen des HEDIS- Benchmarkingprojektes abgeschätzt werden. Das Programm
wurde in einer Managed Care Umgebung implementiert,
so dass auf Arzneimittelverschreibungsdaten, Labordaten
und Patientendaten einfach zugegriffen werden konnte.
62
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 63
Würde das Programm z.B. im Rahmen des deutschen Systems implementiert, so müssten die Voraussetzungen für
eine Vernetzung geschaffen werden oder durch entsprechende per fax / Post zu versendende Alternativen ersetzt
werden.
Komponenten:
Zur Vorbereitung der Leitlinien wurde eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt. Auf dem Boden dieser Recherche wurden evidenzbasierte Leitlinien an die
Gegebenheiten von Lovelace Health Systems angepasst. Die Leitlinien sollten klar,
knapp und praxisrelevant sein. Folgende Themen wurden berücksichtigt:
Tabelle 6: Inhalte der evidenzbasierten Leitlinien
Inhalte der
evidenzbasierten
Leitlinien
Diagnose und Beginn der Therapie bei Diabetes Mellitus Typ 2
Management des Typ 2 Diabetes ohne Insulin
Management des Typ 2 Diabetes mit Insulin
Screening und Therapie der diabetischen Nephropathie
Einsatz von ACE-Hemmern bei Proteinurie
Screening und Weiterbehandlung der diabetischen Retinopathie
Neuropathiescreening
Therapie der diabetesbedingten Impotenz
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Friedman et al. 1998]
Die elektronischen Entscheidungsunterstützungssysteme speichern Informationen zu
den Patientenstammdaten, Anamnese, Radiologischen Untersuchungen, Laborergebnissen und diktierten Arztbriefen bzw. Zusammenfassungen zur Sprechstunde
und zur Therapieplanung. Das System wurde ursprünglich als Entscheidungsunterstützungssystem für Ärzte geplant. Zunehmend wird es jedoch auch zur Strukturierung von Arzt- Patienten- Gesprächen und zur Patienteninformation durch den Arzt
eingesetzt.
63
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 64
Tabelle 7: Entscheidungsunterstützungs- und Patietendatenmanagement-System
(Diabetes Patient Profile Screen)
Komponenten
Therapieplan
(treatment summary)
Inhalte
Übersicht über den Therapieplan (Tabelle 8) mit Laborergebnissen,
Anforderungen und erbrachten Leistungen im Programmablauf
(Untersuchung des Augenhintergrundes, durchgeführte oder noch
durchzuführende Schulungen, Reminder für den Einsatz von ACE-Hemmern
bei diagnostizierter Mikroalbuminurie, etc.)
Leitlinienübersicht
Darstellung der wichtigsten Inhalte von Leitlinien, die in der
Diabetikersprechstunde besprochen werden sollten, Zielbereiche für
Laborwerte wie HbA1c, Screeninghinweise für Retinopathie, Nephropathie,
Hyperlipidämie und Hypertonie.
Fußinspektion
Zusammenfassung der Vorgehensweise, die bei der Fußinspektion
eingehalten werden sollte, mit der Empfehlung alle 3 Monate eine
Fußinspektion durchzuführen und einen jährlichen Gefäß- und Nervenstatus
zu erheben.
[Quelle: Friedman et al. 1998]
Der Patiententherapieplan (Tabelle 8) ist eine Übersicht über die nach Maßgabe der
evidenzbasierten
Leitlinien
durchzuführenden
Therapie-
und
Untersuchungs-
maßnahmen und die Frequenz ihrer Durchführung. Es werden Ergebnisse durchgeführter Untersuchungen und Reminder bei nicht durchgeführten Maßnahmen bzw.
bei Überschreitung von Grenzwerten angezeigt.
Tabelle 8: Therapieplan
Diabetiker-Versorgung:
h dl
b i h MicroHbA1c
albumin
Fällig
13.03.96
9,6 Min.
32 hoch
23.09.95
9,4 Int.
24.08.95
14.09.94
Augenuntersuchung
Schulung
Chol
HDL
LDL
TRG
X
X
X
150
185
X
X
Chol = Cholersterin; HDL = high-density lipoprotein Cholesterin; LDL = low-density lipoprotein
h l= Intensiviertes
i
Int.
Ziel d. Blutzuckerwertes; Min. = Minimalziel d. Blutzuckerwertes; TRG= Triglyceride
[Quelle: Friedman et al., 1998]
Den Leistungserbringern geht vierteljährlich der Quartalsbericht zu. Er fasst die angeordneten Laborleistungen, Untersuchungen und Schulungen einer Periode zusammen und zeigt den Vergleich der Therapieergebnisse, Screenings- und Überweisungsraten mit den Ergebnissen von Peers. Patienten, bei denen Untersuchungen
nicht durchgeführt wurden oder deren Ergebnisse außerhalb des Zielbereichs liegen,
werden am Ende des Berichts namentlich aufgeführt. Die Berichte dienen dem Patientenmanagement und der Qualitätssicherung und sind in keiner Weise mit Vergütungsstrukturen verbunden.
64
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 65
Abbildung 4: Bericht für Leistungserbringer im Diabetes Disease Management
Episodes of Care – Provider-Bericht
Diabetes Mellitus
Name: Susan Cure
Kriterien
Schulung
Augenuntersuchung
Glipizid
Glyburid
HbA1c
HbA1c untersucht
Datum: 09.01.96
Standard
DiabetesPatienten total
Patienten getestet
total
Anzahl innerhalb
des Standards
Alle 2 Jahre
Jedes Jahr
nach Bedarf
nach Bedarf
<10,5 %
1/Jahr
22
22
1
0
22
22
22
15
1
0
20
20
22
15
1
0
9
20
Innerhalb des
Standards
prozentual
100,00
68,18
100,00
0,00
45,00
90,91
1/Jahr
22
10
10
45,45
Zweimal jährlich
22
0
0
0,00
Microalbumin untersucht
Teststreifen
Patienten außerhalb des festgelegten Standards
Name
MRN
Schulung
Augenuntersuchung
John Doe
XXXX
Jane Doe
XXXX
Juan Diaz
XXXX
N
Maria Diaz
XXXX
N
Bill Jones
XXXX
N
Betsy Smith
XXXX
MRN = Registriernummer (medical record number)
N = Normal
Glipizid
Glyburide
HbA1c
Wert Angeordnet
13,2
13,8
10,6
Microalbumin
untersucht
N
N
N
N
Teststreifen
N
N
N
N
N
N
[Quelle: Friedman, et al., 1998]
Im Rahmen von Disease Management Programmen wird häufig eine Reorganisation
des Praxisablaufs durchgeführt, um Organisations- und Ablaufstrukturen auf die Bedürfnisse chronisch Kranker zuzuschneiden. Im Lovelace Programm wurden eine
spezielle Diabetessprechstunde (Focused Diabetes Clinic Visits) und Diabetes Tage
in der Klinik (Diabetes Days) eingerichtet. In der speziellen Diabetessprechstunde
werden nur diabetesrelevante Themen erörtert. Diabetes Tage werden zweimal pro
Quartal angeboten. Dazu werden gezielt Diabetiker eingeladen, die Untersuchungstermine nicht wahrgenommen haben oder deren Werte außerhalb des Zielbereichs
liegen. In einem 2,5 Stunden dauernden Programm werden ein individueller Arztbesuch, Labortests, Augenhintergrundspiegelung, Schulungen und (Selbsthilfe)Gruppensitzungen durchgeführt.
65
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 66
Tabelle 9: Diabetessprechstunde (Focused Diabetes Clinic Visits)
Inhalte der
Diabetessprechstunde
Diätberatung
Insulintherapie
Therapie mit oralen Antidiabetika
Körperliche Bewegung
Schulung
Blutzuckerselbstmessung und Interpretation der Ergebnisse
Screening auf Komplikationen
Insulinnebenwirkungen und Unterzuckerungen
Therapiebarrieren
Therapieplan
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Friedman et al., 1998]
Eine Säule des Selbstmanagements ist die Vermittlung von Informationen und Techniken im Rahmen von Schulungen. Im Lovelace Programm wurden folgende
Schwerpunkte gesetzt:
Tabelle 10: Komponenten der Diabetikerschulung
Komponenten
Diabetes-Verständnis
Inhalte
Beschreibung des normalen Blutzuckerstoffwechsels, die Rolle des Insulins,
Anzeichen und Symptome des Insulinmangels
Psychologische
Erörterung der normalen psychologischen Reaktionen auf die Diagnose
Anpassungsreaktionen „Diabetes Mellitus“
Selbstkontrolle
Blut- und Harnzuckerselbstmessung sowie Messung von Ketonkörpern im
Urin
Ernährung
Individuelle Zusammenstellung eines Ernährungsplans durch eine
Diätberaterin
Insulintherapie und
Insulintypen, Dosierung, Injektionstechniken, Nebenwirkungen
Dosisanpassung
Orale Antidiabetika
Medikamententypen, Dosierung, Nebenwirkungen
Insulinreaktionen
Video
Notfälle
Handlungsempfehlungen bei Insulinüberdosierung oder vergessener
Insulindosis
Körperliche Bewegung Ein individuell angepasstes Übungsprogramm einschließlich der idealen
Frequenz, Intensität und bewegungsinduzierten Hypoglykämien
[Quelle: Friedman et al., 1998]
Die Schulungen wurden von speziellem Schulungspersonal von Lovelace Health Systems in den Arztpraxen durchgeführt. Um die Compliance zu verbessern wurden die
Patienten zusätzlich mittels Brief oder Telefonanruf an noch ausstehende Untersuchungen (z.B. Augenhintergrundspiegelung) erinnert (Remindersystem).
66
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 67
2.3 Beispiel 3: Evaluationsstrategien: Entwicklung
von Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität
Das australische WESTCOP Programm [Scott et al., 2000] beschreibt die Implementierung eines Programms für ein bevölkerungsbezogenes Disease Management Programm in Queensland. Der Kreis hat 180 000 Einwohner, die durch 4 Internisten,
150 Allgemeinärzte und 2 Krankenhäuser versorgt werden. Im Rahmen des Programms wurden Leitlinien für die Versorgung, Rehabilitation und Sekundärprävention
des Herzinfarktes entwickelt und implementiert. Zur Qualitätssicherung wurden Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität für die stationäre und ambulante Betreuung entwickelt sowie eine Datenbasis in der Schlüsselparameter der Prozess- und
Ergebnisqualität gespeichert werden. Der Einfluss von Reminder-Systemen auf die
Versorgungsqualität soll getestet werden.
Programmübersicht:
Programmname:
WESTCOP (West Moreton Coronary Outcomes Program):
A disease management approach to coronary artery disease.
Rahmen:
Kreis in Neuseeland mit 180 000 Einwohnern, die von 4
niedergelassenen Internisten, 150 Allgemeinmedizinern
und 2 Krankenhäusern versorgt werden.
Zielerkrankung:
Koronare Herzerkrankung.
Anzahl Patienten:
nicht bekannt.
Patientenidentifikation:
nicht sicher bekannt, wahrscheinlich über niedergelassene
Ärzte und bei Krankenhauseinweisungsdiagnose Herzinfarkt.
Interventionszeitraum:
Bis zum Bericht 3 Jahre; Projekt wird fortgesetzt.
Ziele des Programms:
Verbesserung der Qualität und der medizinischen Ergeb-
nisse der Gesundheitsversorgung bei einer Erkrankung, die durch hohe Prävalenz,
das Vorhandensein von evidenzbasierten Therapieleitlinien, hohe Variation in der
Therapie und einem Potenzial zur Versorgungsverbesserung durch Verzahnung der
stationären und ambulanten Therapie gekennzeichnet ist .
67
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Programmstruktur:
Seite 68
Es handelt sich um einen systematischen, strukturierten,
populations- und bevölkerungsbezogenen sowie sektorenübergreifenden Ansatz in der Versorgung von Patienten mit Koronarer Herzerkrankung.
Komponenten:
Evidenzbasierte Leitlinien (Tabelle 12).
Feedback-System.
Entwicklung von Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität (Tabelle 13).
Evaluation.
Ergebnisse:
Senkung der Mortalität im Krankenhaus.
Verringerung der stationären Aufenthaltsdauer.
Erhöhung der Verschreibungsrate von Lipidsenkern.
Verkürztes Zeitintervall bis zur Lyse.
Höhere Teilnahmeraten an Koronarsportprogrammen
Höhere Compliance mit Ernährungsempfehlungen.
Komponenten:
Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Krankenhausärzten, Ärzten des öffentlichen
Gesundheitswesens und niedergelassenen Ärzten erarbeitete einen populationsbezogenen Ansatz zur Verbesserung der Versorgungsqualität und der Ergebnisse für
definierte Erkrankungen. Die Ziele des Programms für koronare Herzerkrankung sind
im Folgendem aufgeführt (
Tabelle 11):
Tabelle 11: Programmziele
Ziel
1
Spezifizierung
Entwicklung eines Modells zur sektorenübergreifenden Koordination der
Akutversorgung, Rehabilitation und (Sekundär-)Prävention bei Patienten mit
akutem Koronarsyndrom
2
Planung und Implementierung einer Datenbank zur Erfassung von Indikatoren
der Prozess- und Ergebnisqualität
3
Identifizierung von evidenzbasierten Leitlinien und Anpassung an die lokalen
Verhältnisse
4
Entwicklung von Qualitätsindikatoren für Evaluation und Feedback unter
Berücksichtigung von Über-, Unter- und Fehlversorgung
5
Evaluation des Einflusses von Leitlinien und Feedback auf die
Versorgungsverbesserung
6
Sammeln von Informationen zur Abschätzung der Krankheitslast
7
Entwicklung und Implementierung eines Modells zur Akutversorgung und
Rehabilitation bei Koronarer Herzerkrankung unter Berücksichtigung
unterschiedlicher Aspekte
[Quelle: Scott et al., 2000]
68
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 69
Die Entwicklung und Implementierung evidenzbasierter Leitlinien sollte die Spanne
zwischen evidenzbasierter Therapie und tatsächlich durchgeführter Therapie verringern und so die klinische Versorgung verbessern. Aus diesem Grund wurden spezielle evidenzbasierte Leitlinien für das stationäre und poststationäre Management
von akutem Herzinfarkt und instabiler Angina pectoris entwickelt. Als Grundlage wurden die Leitlinien der American Heart Association und des American College of Cardiology herangezogen, die an regionale Anforderungen angepasst wurden (Tabelle
12).
Tabelle 12: Evidenzbasierte Leitlinien
Leitlinie
Entwicklung von Leitlinien für die stationäre und poststationäre
Versorgung von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und instabiler Angina
Pectoris unter Berücksichtigung der Leitlinien des American College of
Cardiology und der American Heart Association
Implementierung Adaption amerikanischer Leitlinien an lokale Verhältnisse
Evaluation der Leitlinien durch Anwender im stationären und ambulanten
Bereich bezüglich Flexibilität, Anwenderfreundlichkeit, Verständlichkeit.
Dissemination und Implementierung der Leitlinien in gedruckter Form,
durch Workshops und den Einsatz von Meinungsführern
Ziel
Verbesserung der Versorgungsqualität und Definition von
Versorgungszielen
Entwicklung von Qualitätsindikatoren auf dem Boden der evidenzbasierten
Leitlinien zur Überprüfung, ob die Versorgungsziele erreicht wurden
[Quelle: Scott et al., 2000]
Indikatoren zur Qualitätskontrolle wurden auf dem Boden evidenzbasierter Leitlinien
entwickelt. Die evidenzbasierten Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität sollten direkt oder indirekt die Qualität der Versorgung für die Zielpopulation widerspiegeln (Tabelle 13). Solche Indikatoren werden im Krankenhausbereich seit einigen
Jahren erfolgreich angewendet (Tabelle 14). Im ambulanten Bereich werden sie in
der Regel erst jetzt verstärkt gefordert (Tabelle 16).
Tabelle 13: Kriterien für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren
Medizinischer Befund und Patientenfragebögen werden als Ausgangsdokumente genutzt [LambertHuber et al., 1994]
Sensitivität zum Erkennen von suboptimaler Versorgung in Sinne der Leitlinienempfehlung
Gültigkeit, Relevanz und Umsetzungsmöglichkeit aus der Sicht des praktizierenden Arztes
Durchführbarkeit trotz Zusatzkosten für Patienten, Ärzte und Programmanbieter bei der Sammlung der
benötigten Daten
Stabilitiät der Daten innerhalb der Ausgangsdokumente gegenüber Verzerrung und
Verfälschungseffekten
Fähigkeit und Möglichkeit zu Veränderungen in der Praxis, die aus dem Feedback der beteiligten
Gruppen oder Schulungen resultieren
[Quelle: Scott et al., 2000]
69
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 70
Tabelle 14: Indikatoren der Prozessqualität für den stationären Bereich
Indikator
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
1
2
indikativer
1
Grenzwert
Thrombolyse
Einschlusskriterie
: alle vorhandenen AMI-Patienten mit Brustschmerzen >20 Min. und
keine
Veränderungen der STAusschlusskriterie
: späte Aufnahme (>12h nach Auftreten der Symptome), kürzliche
ischämische Attacke/Apoplex, kürzliches Trauma oder Herz-Wiederbelubung,
oder gleichzeitige Antikoagulations-Therapie, aktives peptisches Ulkus,
Bluthochdruck
Beta-Blocker
70 %
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten
Ausschlusskriterie
: kardiogener Schock, vorhandene Herzinsuffizienz, Asthma oder
Bronchitis,
Bradiarrhythmie
mit
Aspirin
94 %
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten
Ausschlusskriterie
: aktive gastrointestestinale Blutung oder gleichzeitige
Therapi
ACE-Hemmer
63 %
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten + früheres oder aktuelles Auftreten einer
oder Anzeichen einer linksseitigen ventrikularen Dysfunktion oder früherer
Ausschlusskriterie
: keine
Lipidsenker
64 %
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten + vorhandene Cholesterinwerte 5,5 mmol oder
Ausschlusskriterie
: keine
Aufnahme in kardiologische Rehabilitationsmaßnahme
keine
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten
Ausschlusskriterie
: hohes Alter (>85 Jahre), Altersschwäche, unkontrollierte
oder instabile Angina – nicht evaluiert aber abgeleitet aus Studien, die annähernd
Patienten
Stress- EKG
keine
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten
Ausschlusskriterie
: fortgeschrittenes Alter, gestörte Kommunikationsfähigkeit,
interpretierbares EKG - nicht evaluiert aber abgeleitet aus Studien, die annähernd
Patienten
Koronare Angiographie
keine
Einschlusskriterie
: AMI-Patienten + früherer Reinfarkt, Postinfarkt Angina oder
BelastungsAusschlusskriterie
: keine
qualitativer
2
Grenzwert
keine
60%
85 %
55 %
55 %
70 %
70 %
40 %
indikativer Grenzwert: Anzahl der Patienten, die für die durchzuführende Messmethode in Frage kommen
qulatitativer Grenzwert: indikativer Grenzwert –10% (aufgerundet)
[Quelle: Scott et al., 2000]
Tabelle 15: Indikatoren der Ergebnisqualität für den stationären Bereich
Indikator
qualitativer Grenzwert
< 10 %
1. stationäre Todesfälle
2. stationäre Komplikationen
• Re-Infarkt
• offenkundige Herzinsuffizienz
• Post-Infarkt Angina
3. Stationäre Aufenthaltsdauer
<4%
nicht def.
nicht def.
< 6 Tage
[Quelle: Scott et al., 2000]
Tabelle 16: Qualitätsindikatoren für den ambulanten Bereich
Indikator
85% der Patienten, die ihren Hausarzt in den vergangenen 3
Monaten aufgesucht haben, sollten Screening und Beratung/
Therapie bezüglich ihrer Risikofaktoren erhalten haben.
Evidenzbasierte Pharmakotherapie wurde analog der
Indikatoren für die stationäre Pharmakotherapie bewertet
[Quelle: Scott et al., 2000]
70
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 71
2.4 Beispiel 4: Patientenschulung, individuelle Therapieleitlinien und Patienten- Selbstmanagementtechniken
Litzelman et al. implementierten ein Programm zur Reduktion von Fußläsionen und
ihren Folgen wie z.B. Ulzera und Amputation bei Diabetikern [Litzelmann et al.,
1993]. Die randomisierte und kontrollierte Studie wurde in einer universitären Einrichtung durchgeführt. Insgesamt nahmen an der zwölf Monate dauernden Intervention
352 Patienten erfolgreich teil. Die Intervention bestand aus der Gabe von speziellem
Informationsmaterial an die Patienten verbunden mit der Schließung eines „Patientenselbstvertrags“: Jeder Patient schloss mit sich selbst einen Vertrag ab, in dem er
die wichtigsten Ziele und Methoden zur Erlangung dieser Ziele spezifizierte. Beispielsweise die tägliche Inspektion der Füße und das Abtrocknen der Zehenzwischenräume nach dem Duschen oder Baden. Das Selbstmanagement- Verhalten der
Patienten wurde durch telefonische und postalische Reminder unterstützt. Die betreuenden Ärzte erhielten aufbereitete Leitlinien, Flussdiagramme mit Darstellung
von Risikofaktoren und Interventionen. In die Patientenakte wurde ein Blatt eingelegt,
dass den Arzt bei jedem Kontakt in der Sprechstunde aufforderte, die Füße des Patienten zu untersuchen. Der Patient wurde von der Sprechstundenhilfe gebeten, im
Sprechzimmer Schuhe und Strümpfe zu entfernen. Durch die Kombination der Interventionen konnte sowohl das Selbstmanagement der Patienten als auch das Fußinspektionsverhalten und die nachfolgende Therapie von bereits bestehenden Läsionen positiv beeinflusst werden. Die Prävalenz an Läsionen und Ulzera der unteren
Extremität bei Diabetikern der Interventionsgruppe ist signifikant gesunken. Der Aufbau des Präventionsprogramms basierte auf den beiden Prämissen, dass erstens
einfache Interventionen von Seiten des Arztes und des Patienten das Risiko einer
Amputation senken können [Litzelman et al., 1993] und zweitens, dass diese einfachen und kosteneffektiven Interventionen von Ärzten und Patienten häufig nicht systematisch angewendet werden [Litzelman et al., 1993]. Zudem werden die Läsionen
an Füßen von Diabetikern häufig nicht adäquat klassifiziert und nachfolgend nicht
systematisch und evidenzbasiert therapiert.
71
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 72
Programmübersicht:
Programmname:
Reduction of Lower Extremity Clinical Abnormalities in
Patients with Non-Insulin-Dependen Diabetes Mellitus.
Rahmen:
Ambulanz eines Universitätsklinikums.
Zielerkrankung:
Diabetes Mellitus (Fußläsionen).
Anzahl Patienten:
352 Diabetiker.
Patientenidentifikation:
Arzneimittelverordnungen, Laboranforderungen, Krankenhausentlassungsdiagnosen (ICD-9).
Interventionszeitraum:
2 Jahre; Randomisierte, kontrollierte Studie.
Ziele des Programms:
Das Programm zielte auf eine Verringerung der Risikofaktoren, die zu Fußulzera und Fußamputationen bei Diabetikern führen. Dazu wurden Interventionen auf der Patientenebene (Stärkung des Selbstmanagements), der Ärzteebene und der organisatorischen Ebene durchgeführt.
Programmstruktur:
Es handelt sich um einen systematischen Ansatz, der unterschiedliche Ansätze integriert. Der Ansatz wurde in der
Ambulanz eines Universitätsklinikums mit 4 unterschiedlichen Ambulanzteams implementiert.
Komponenten:
Patientenuntersuchung und Anamnese (Tabelle 17).
Patientenvertrag (Tabelle 19).
Patientenschulung (Tabelle 18).
Remindersystem für Patienten (Telefonisch und per Postkarte).
Individuelle Therapieleitlinien.
Algorithmus für Ärzte (leitlinienbasiert).
Vordruck- und Reminder (Druckformat) für Ärzte zur Feststellung und Dokumentation von Risikofaktoren und zur
Erinnerung an notwendige Maßnahmen.
Ergebnisse:
Patienten der Interventionsgruppe hatten weniger Fußläsionen oder andere dermatologische Risikofaktoren (z.B.
Fußpilz, trockene und rissige Haut, eingewachsene Zehennägel) für die Entstehung eines Ulkus. Sie führten häufiger Selbstmanagementtechniken (z.B. Fußinspektion,
Vermeidung von Heizkissen) durch, erhielten häufiger In72
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 73
spektionen der Füße mit Überprüfung der Fußpulse und
Klassifizierung der Läsionen.
Bei Patienten der Interventionsgruppe wurde in 68% aller
Arztbesuche eine Fußinspektion durchgeführt (Kontrollgruppe 28%; p<0,001).
Patienten der Interventionsgruppe erhielten häufiger Schulungen über richtige Fußpflege (42% vs. 18%; p< 0,001).
Patienten der Interventionsgruppe wurden häufiger in die
Fußsprechstunde überwiesen (10,6% vs. 5%; p=0.04).
Patienten der Interventionsgruppe hatten eine niedrigere
Prävalenz an Läsionen und Ulzera der Füße (p=0,05).
Kritik:
Durch die Intervention wurden nicht alle Aspekte des Fußpflegeverhaltens angesprochen, da die Formulierungen
zum Teil zu unspezifisch waren. Bei Aspekten des Fußpflegeverhaltens, die detailliert im Patientenvertrag erklärt
wurden, konnte eine Verbesserung nachgewiesen werden. Wurden allgemeine Formulierungen verwendet, wie
beispielsweise „Schutz der Füße vor Verletzungen“, so resultierte daraus keine Veränderung des Selbstmanagements.
Die Überweisungsrate in die Fußambulanz/ Fußsprechstunde blieb unbefriedigend.
Durch die Kürze der Studiendauer und die geringen Patientenzahlen konnte kein Einfluss auf die Amputationsrate
untersucht werden.
Durch die Integration verschiedener Komponenten kann
der Einfluss einzelner Interventionen nicht beurteilt werden.
Komponenten:
Ein hoher Stellenwert im Programm kommt der eingehenden klinischen Untersuchung und Anamnese zu (Tabelle 17). Im Rahmen der Sprechstunde wurden von
einer speziell geschulten Diabetesschwester eine Beurteilung der Risikofaktoren für
Läsionen und nachfolgende Amputation vorgenommen. Dazu gehörte neben der In73
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 74
spektion die Anamnese des Selbstmanagements- Verhaltens des Patienten, die Demonstration der Fußinspektion und des Fußpflegeverhaltens durch den Patienten,
die Klassifizierung vorhandener Läsionen nach Schweregrad sowie die Suche nach
dermatologischen und orthopädischen Erkrankungen (z.B. Fußpilz, Halux valgus)
und die Beurteilung ob eine Neuropathie bzw. eine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorliegt.
Tabelle 17: Patienten Anamnese und Untersuchung
Inhalte der Anamnese
Diabetesdauer, Therapie, Ulzera, etc.
Inhalte der Untersuchung
Laboruntersuchungen (Blutzucker; HbA1c, High
Density Lipoproteine)
Durchgeführtes Fußpflegeverhalten
Demonstration der Fußinspektion durch
Patienten, ggf. Hilfestellung durch Team
Fußinspektion durch Arzt / Schwester inklusive
Fußpulsstatus (periphere arterielle
Verschlusskrankheit), Beurteilung von
neurologischen (Neuropathie?), dermatologischen
(z.B. Klassifikation von Läsionen, Fußpilzbefall?)
und orthopädischen Risikofaktoren (z.B.
Fußdeformitäten?)
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Litzelman et al. 1993]
Die Patientenschulung wird von einer speziell weitergebildeten Diabeteskrankenschwester durchgeführt. In der Regel handelt es sich um Gruppenschulungen mit bis
zu 4 Patienten pro Sitzung. Zwei Wochen nach jeder Schulung wurde ein telefonisches Follow-up durchgeführt. Im Rahmen des Follow-up wurden Fragen beantwortet und der Patient an die selbstgesetzten Ziele und Verhaltensmaßnahmen erinnert.
1 und 3 Monate nach der Schulung wurden Postkarten verschickt, die die Patienten
an die Inhalte des Patientenvertrags erinnerten.
Tabelle 18: Patientenschulung
Schulungsmaterialien
Schulungsinhalte
Kleingruppenunterricht
Fußpflegeverhalten
Einsatz audiovisueller Medien
Schuhwerk
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Litzelman et al. 1993]
Der Patientenvertrag ist ein wichtiger Bestandteil des Programms, da er selbstgesetzte Patientenziele spezifiziert. Zudem dient er als Grundlage für das ReminderSystem (Tabelle 19).
74
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 75
Tabelle 19: Patientenvertrag
Schriftliche Fixierung von SelbstmanagementInhalten, die der Patient durchführt
Regelmäßige Inspektion der Füße
Detaillierte Angaben zur Fußpflege wie z.B.
Vermeidung von Verletzungen,
Vermeiden von Barfußlaufen,
Vermeiden von Heizkisse, Wärmflaschen, etc.
Prüfung der Wassertemperatur beim Baden
Trockene Zehenzwischenräume
...
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Litzelman et al. 1993]
2.5 Beispiel 5: Organisationsmanagement (Algorithmusanwendung im Krankenhaus / Clinical Pathway, Spezialsprechstunde, Ambulante Betreuung), individuelle Therapieempfehlungen und Patientenschulung
Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung mit hoher Morbidität und Mortalität in den fortgeschrittenen Stadien. Insbesondere stationäre Aufenthalte sind für die große ökonomische Bedeutung dieser häufig auf dem Boden einer Koronaren Herzkrankheit sich
entwickelnden Erkrankung verantwortlich. Die Wiederaufnahmeraten innerhalb der
ersten drei Monate nach Krankenhausentlassung sind hoch. Herzinsuffizienz Disease Management Programme versuchen daher die Funktionalität dieser Patienten zu
verbessern und Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Eine große Bedeutung
kommt auch bei dieser chronischen Erkrankung dem Selbstmanagement zu. Viele
Programme investieren daher in eine Steigerung der Compliance des Ernährungsverhaltens und trainieren das Erkennen von Warnsymptomen für eine beginnende
Zustandsverschlechterung („Patientenfrühwarnsystem“) wie beispielsweise die Gewichtszunahme oder beginnende Kurzatmigkeit. Evanston Northwestern Healthcare
entwickelte ein Programm für eine sektorenübergreifende und kontinuierliche, individuelle Betreuung und Unterstützung von Herzinsuffizienzpatienten [Knox et al.,
1999]. Dazu gehören ein Therapie- und Betreuungsalgorithmus im stationären Bereich mit einem Nachbetreuungskonzept für den ambulanten Bereich , ggf die Wie-
75
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 76
dereinbestellung in Spezialsprechstunden, eine ambulante Betreuung durch einen
Herzinsuffizienzkoordinator und ein Compliance-Monitoring mittels Telemangement.
Programmübersicht:
Programmname:
Evanston Northwestern Healthcare (ENH) Congestive
Heart Failure Program.
Rahmen:
Lehrkrankenhaus der Northwestern University, bestehend
aus zwei Standorten mit je 400 bzw 200 Betten und 500
respektive 300 Einweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz pro Jahr.
Zielerkrankung:
Herzinsuffizienz.
Anzahl Patienten:
nicht berichtet.
Patientenidentifikation:
nicht berichtet.
Interventionszeitraum:
nicht berichtet.
Ziele des Programms:
Ziele des Programms sind Verbesserung der stationären
Versorgungsergebnisse, Verringerung der Rate an Krankenhauseinweisungen und akuten Wiederaufnahmen innerhalb von drei Monaten nach Krankenhausentlassung.
Nach einer Analyse des Status Quo sollten folgende Bereich gezielt verbessert werden: Dokumentation der linksventrikulären Funktion bei allen Herzinsuffizienzpatienten
nach vorgegebenem Algorithmus; Sicherstellung der
Nachbetreuung nach Entlassung; Tägliches Wiegen und
Gewichtsdokumentation bei allen Herzinsuffizienzpatienten; Einführung eines „Frühwarnsystems“, um Veränderungen im klinischen Status bei Herzinsuffizienzpatienten
zu dokumentieren und entsprechende Maßnahmen zur
Gegensteuerung möglichst schon ambulant einzuleiten;
Organisation der Sozialen Unterstützung; Verbesserung
von Patientenschulung und Information; Identifikation von
Patienten mit niedriger Compliance und hohem Risiko einer schnellen Wiederdekompensation und Wiederaufnahme.
76
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Programmstruktur:
Seite 77
Es handelt sich um einen systematischen Ansatz, der unterschiedliche Interventionen integriert. Die Programmbestandteile wurden im stationären Ablauf und in der ambulanten Nachbetreuung implementiert.
Komponenten:
Algorithmus / Leitlinie für stationären Aufenthalt (Clinical
Pathway).
Individualisierte Patientenschulung (Tabelle 21).
Spezialsprechstunde (Abbildung 5).
Ambulante Betreuung (Tabelle 22).
Compliance Monitoring / Telemanagement (CHF TelAssuranceTM)(Tabelle 21).
Ergebnisse:
Aufgrund der Implementierung des Patientenalgorithmus
konnten die direkten Kosten um 50% gesenkt werden.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Klinik konnte
um 2.2 Tage von 6.2 auf 4.0 Tage gesenkt werden.
Nach Einführung des Algorithmus verbesserten sich die
Parameter der Prozessqualität wie tägliches Wiegen, Frequenz der Diätberatung, Dokumentation der linksventrikulären Funktion, Verschreibung der indizierten Medikamente, Planung der ambulanten Weiterbetreuung.
Senkung der Gesamtkosten durch die Implementierung
von ambulanter Betreuung zu Hause. Ca. 10% aller Herzinsuffizienzpatienten nahmen eine ambulante Betreuung
zu Hause in Anspruch. Die Kosten für die ambulante
Betreuung sind wesentlich niedriger als die Kosten für eine Krankenhauseinweisung über die Notaufnahme.
Die durchschnittliche Compliance der Patienten mit täglich
telefonisch Gewicht und definierte Symptome zu berichten
betrug 89,5%.
Kritik:
Der Implementierung von Algorithmen in der stationären
Therapie wird oft erheblicher Widerstand mit dem Vorwurf
der Standardisierung der Therapie entgegengesetzt. Insbesondere mangelnde Mitarbeit von Ärzten, ungenügende
Dokumentation, keine zeitnahe Bereitstellung von Daten
77
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 78
und ungenügend ausdifferenzierte Algorithmen, die keine
Anpassung an unterschiedliche Schweregrade der Erkrankung zulassen sind Barrieren bei der Implementierung
von klinischen Algorithmen.
Komponenten:
Ein Algorithmus für die stationäre Versorgung entspricht einer angewandten Leitlinien, welche die effiziente, zeitnahe und qualitativ hochwertige Versorgung von Patienten mit spezifischen Erkrankungen unterstützt. Zur Entwicklung und Implementierung eines klinischen Algorithmus sollte ein interdisziplinäres Team die aktuellen
Therapieregime auf dem Boden evidenzbasierter Daten evaluieren. Zusätzlich müssen klinische Daten wie Aufenthaltsdauer, Wiederaufnahmeraten und direkte Kosten
gesammelt und evaluiert werden. Daraus kann dann ein Algorithmus entwickelt und
an lokale Gegebenheiten in unterschiedlichen Krankenhäusern angepasst werden.
78
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 79
Tabelle 20: Klinischer Patientenalgorithmus (Clinical Pathway)
Ergebnisse: Erläuterungen der VarianzKodierung befinden sich in der evidenzbasierten
Leitlinie. Wichtige Tagesergebnisse sind mit
einem Pfeilsymbol (→) gekennzeichnet.
Veränderungen der mit Pfeil gekennzeichneten
Ergebnisse müssen Dokumentiert werden.
Klinik
Abnahme der Dyspnoe (Kurzatmigkeit) seit
Aufnahme
Vermehrte körperliche Aktivität seit Aufnahme
möglich
→ Ohne positiv inotrope- Substanzen i.v.(ab
Tag 4)
→ keine i.v. Diuretika mehr (ab Tag 4);
Umstellung auf orale Medikation
Stabile Nierenfunktion (Kreatininspiegel nicht
erhöht)
Ohne Sauerstofftherapie
Normalgewicht erreicht
Untersuchung und Dokumentation der
linksventrikulären Funktion
Schulung
→Vorführung des KHK Videos ( am dritten Tag)
Patient kann Risikofaktoren identifizieren und
einen Plan entwickeln, um sie zu kontrollieren
Patient lkann die Diagnose KHK und die
dazugehörigen Anzeichen und Symptome
erläutern
Patient kann kochsalzarme Diät beschreiben
Patient demonstriert Verständnis für Konzepte
bezüglich der: täglichen Routine, Aktivitäten,
Einschränkungen, körperlichen Aktivität und der
Streßreduktion;
Nach Entlassung aus Klinik tägliche
Gewichtsmessung durch Patienten
Patient erläutert Medikation und
Nahrungsmittel/Arzneimittel Interaktionen
Festsetzung der Indikatoren zur Arztkonsultation
Einverständnis des Patienten zur
Zusammenarbeit mit Hausarzt in einer Woche
Medikation
Patient wurde über folgende Arzneimittel
informiert und mit den folgenden Arzneimitteln
entlassen:
Aspirin
Digoxin
Diuretika
ACE- Hemmer
Angiotensin Rezeptor Blocker
Carvedilol
Hydralazin
Orale Antikoagulanzien
Statin
[Quelle: Knox et al., 1999]
Datum:
Patientenbedarf
VarianzKodierung:
Inititale:
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Patientenschulung ist eine wichtige Komponente von Disease Management Programmen. Im Evanston Northwestern Healthcare Herzinsuffizienz Programm wurde
die Patientenschulung während des stationären Aufenthaltes initiiert und nahtlos
79
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 80
während der ambulanten Betreuung weitergeführt. Drei Prioritäten wurden dabei patientenspezifisch berücksichtigt (Tabelle 21):
Tabelle 21: Prinzipien der Individualisierten Patientenschulung
Evaluation der Ursachen für
mangelnde Compliance
In welchen Bereichen ist mangelende Compliance mit einer
direkten Verschlechterung des Krankheitsbilds verbunden? (z.B.
keine Medikamenteneinnahme, Nicht-Einhaltung von
Diätempfehlungen, mangelnde soziale Unterstützung)
Identifikation der Gründe für mangelnde Compliance (Schulbildung,
sozioökonomischer Status, Religion, soziales Umfeld, physische
Einschränkungen wie Blindheit, ungenügendes Wissen über die
Erkrankung)
Unterstützung eines effektiven
Schulungen im stationären und ambulanten Bereich sowie
Selbstmanagements
persönliche Informationsgespräche mit einer Herzinsuffizienz
Schwester (Krankheitskoordinator)
Geheftetes Informationsmaterial
Tabelle zur Eintragung des täglichen Gewichts
Empfehlungen zur körperlichen Bewegung und Ernährung
Ein Programm Handbuch
Videos
Evaluation des häuslichen Umfeldes
Medikamentenzählung und Therapieadjustierung
Gesundheitsförderung
„Empowerment-Seminar“, zu dem auch Familienangehörige
eingeladen werden. Neben den üblichen Schulungsinhalten werden
beispielsweise Restaurantempfehlungen gegeben
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Knox et al. 1999]
Um eine optimale Compliance durch den Lernprozess zu fördern, stehen audiovisuelle Medien, gedruckte Medien und die Schulung zur Verfügung. Während des Klinikaufenthaltes wird das Wissen des individuellen Patienten über seine Erkrankung
und mögliche Therapiemaßnahmen sowie mögliche Barrieren für eine gute Compliance evaluiert. Der Schulungsprozess wird initiiert und Schwerpunkte festgelegt.
Die Spezialsprechstunde für Herzinsuffizienzpatienten wurde aufgrund von Wiederaufnahmeraten von 35% nach Entlassung innerhalb von 6 Monaten im Rahmen einer
Krankenhausambulanz eingerichtet. Patienten wurden ca. 7 bis 10 Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus einbestellt. Ein Schwerpunkt der Spezialsprechstunde waren Medikamentenanamnese und Dosisanpassung. Ca. 41% aller Herzinsuffizienzpatienten verringern selbständig die Dosierung oder setzen Medikament aufgrund von Nebenwirkungen vollständig ab. Für Patienten, die zu Sprechstunden zur
Medikamentenanamnese und Dosisanpassung einbestellt sind, wird daher eine
Stunde eingeplant. In dieser Zeit werden außer einer ausführlichen Anamnese und
Erhebung der Vitalparameter die Informationsvermittlung im Arzt-Patienten-Gespräch
durchgeführt. Das medikamentöse Therapieregime der Patienten wird daher in re80
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 81
gelmäßigen Abständen auf Nebenwirkungen und Interaktionen zwischen den einzelnen Medikamenten überprüft. In der Spezialsprechstunde wird die Patientenstratifizierung durchgeführt und ein langfristiger Therapieplan unter Berücksichtigung der
Ätiologie aufgestellt. Der Therapieplan enthält Empfehlungen zur medikamentösen
Therapie, zur körperlichen Aktivität, zu Ernährung und zur regelmäßigen Überwachung durch den Hausarzt. Diese patientenindividuellen Empfehlungen werden dem
Hausarzt zugeschickt. Die klinische Risikostratifizierung berücksichtigt die linksventrikuläre Funktion, das Vorliegen einer Koronaren Herzerkrankung und / oder
Rhythmusstörungen sowie die soziale Situation.
Abbildung 5: Spezialsprechstunde und ihre Vernetzung
Spezialsprechstunde
Klinik (Ambulanz)
Langfristiges Therapiekonzept nach Risikostratifizierung
Empfehlungen zur
Pharmakotherapie,
körperlicher Bewegung
und Ernährung,
Titrationssprechstunde für
Medikamente
Kritik
Betreuung,
Therapieumsetzung
Hausarzt
Therapieumsetzung
Betreuung
Patient
[Quelle: Eigene Darstellung]
An die Entlassung aus dem Krankenhaus schließt sich die Betreuung durch den
Herzinsuffizienzkoordinator/in an. Sie/Er ist eine speziell weitergebildete Krankenschwester /pfleger, die/der - falls notwendig - den Patienten innerhalb von 24 Stunden nach Entlassung aufsucht. Basisdaten wie Gewicht, Medikation und Laborwerte
werden von dem Herzinsuffizienzkoordinator an die Spezialsprechstunde weiter geleitet. Die in der Klinik begonnene Schulung wird fortgeführt. Falls sich der klinische
Zustand des Patienten verschlechtert, stehen dem Herzinsuffizienzkoordinator folgende Interventionen zur Verfügung, um den Patienten zu stabilisieren und eine
Krankenhauseinweisung zu vermeiden (Tabelle 22):
81
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 82
Tabelle 22: Ambulante Maßnahnmen, die durch den Herzinsuffizienzkoordinator
veranlasst werden können, um eine stationäre Einweisung zu
verhindern
Mögliche Interventionen
24-Stunden Krankenpflege
i.v.-Gabe von Medikamenten
Medikamentenanpassung nach Rücksprache mit dem behandelnden
Arzt
Anordnung von Laboruntersuchungen nach Rücksprache mit dem
behandelnden Arzt
Vorstellung in Spezialsprechstunde
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Knox et al. 1999]
Das Complicance- Monitoring soll die Schulungsinhalte wiederholen, Frühwarnsymptome identifizieren und die Wahrscheinlichkeit einer stationären Einweisung senken.
Die Hauptursache für die häufigen Wiedereinweisungen von Herzinsuffizienzpatienten innerhalb kurzer Zeit nach Entlassung sind die mangelnde Compliance mit der
Einnahme der Medikation, den Ernährungsempfehlungen sowie dem täglichen Wiegen. Unter Umständen wiegt sich der Patient zwar täglich, benachrichtigt bei Gewichtszunahme aber nicht den Arzt.
Das CHF Tel- Assurance TM Programm ist ein telefonbasiertes Monitoring- System,
durch das täglich das Gewicht erfasst wird und kritische Symptome abgefragt werden
(Tabelle 23).
Tabelle 23: Compliancemonitoring durch Telemanagement
Ziele
Inhalte
Steigerung der Compliance
Senkung der Wiederaufnahmerate
Tägliches Gewicht und Symptome*:
Atemnot?
Müdigkeit?
Ödeme?
Schlafstörungen aufgrund von Atemnot?
Appetit?
Körperliche Belastbarkeit?
Brustschmerzen?
Schwindel?
Allgemeinzustand?
Abweichungsanalyse
Patient hat nicht angerufen
Alarmsymptome
Gewichtsveränderung
*Die Fragen sind zur Vereinfachung abgekürzt und nicht patientenadaptiert widergegeben
[Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Knox et al., 1999]
82
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 83
2.6 Beispiel 6: Reminder und Feedback für Ärzte und
Patienten, patientenindividuelle Empfehlungen
für den behandelnden Arzt
John Deere Health Care versichert ca. 20 000 Diabetiker in 5 Staaten. Die direkten
Kosten für Versicherte mit Diabetes Mellitus sind in der Regel dreifach höher als die
Kosten für Versicherte ohne Diabetes Mellitus. Aus diesem Grund hat sich John Deere Healthcare entschlossen, ein Disease Management für Diabetiker einzurichten.
Bestandteile des Programms sind ein Remindersystem per Telefon und Brief für asymptomatische Diabetiker, spezielle Betreuungsstrategien (Case Management) für
Diabetiker mit Komplikationen oder Risikofaktoren sowie quartalsweise patientenindividuelle Berichte für die Leistungserbringer. Die Gesamtkosten für Diabetiker konnten mit diesen Maßnahmen um schätzungsweise 12% pro Diabetiker reduziert werden, obwohl Zusatzkosten für Verträge mit zusätzlichen Leistungserbringern (z.B. für
das Remindersystem und Case Management) geschlossen werden mussten, Zusatzkosten für Ärztefortbildungen und Patientenschulungen anfielen und die Arzneimittelkosten aufgrund des Einsatzes von Metformin geringfügig angestiegen sind
[Steffens, 2000].
Programmübersicht:
Programmname:
Living Healthy with Diabetes.
Rahmen:
John Deere Health Care: Health Maintenance Organisation in 5 Staaten (Iowa, Wisconsin, Tennessee, Illinois,
Virginia).
Zielerkrankung:
Diabetes Mellitus.
Anzahl Patienten:
10 000 Diabetiker in Programm eingeschrieben.
Patientenidentifikation:
nicht spezifiziert.
Interventionszeitraum:
Zum Evaluationszeitpunkt 1 Jahr, Projekt läuft noch.
Ziele des Programms:
Primäres Ziel des Programms ist die Senkung der HbA1cWerte von Diabetikern. Dazu wurden verschiedene Interventionen implementiert und die Messung durch den Arzt
und Patienten (Blutzucker) unterstützt.
83
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Programmstruktur:
Seite 84
Es handelt sich um einen systematischen, strukturierten
und populationsbezogenen Ansatz in der primärärztlichen
Versorgung, an der Hausarztpraxen in 5 Staaten der USA
teilnahmen.
Komponenten:
Vertragsgestaltung mit Kostenübernahme für Materialien
zur Blutzuckerselbstmessung für alle Diabetiker (nicht nur
Typ 1) und erweiterte Abrechenbarkeit von Schulungen.
Remindersystem für Ärzte und Patienten (Tabelle 24).
Newsletter für Ärzte und Patienten (vierteljährlich).
Benchmarking (Tabelle 25).
Patientenindividuelle Empfehlungen für den behandelnden
Arzt (Reminder, Screening-Kalender, spezifische Patientenergebnisse und darauf abgestimmte Informationen).
Ergebnisse:
Deutliche Verbesserung in der Rate der Messung von
HbA1c, Blutfetten und Microalbuminurie-Screening. Die
durchschnittlichen HbA1c-Werte sanken von 8,2% auf
7,7% (alle Diabetiker des Programms). Eine Senkung
konnte in den Krankenhauseinweisungen, in der Krankenhausaufenthaltsdauer und in den monatlichen Kosten pro
Mitglied erreicht werden (Tabelle 26). Die durchschnittlichen Gesamtkosten sanken von $471 pro Mitglied pro
Monat auf durchschnittlich $411 pro Mitglied pro Monat. In
die Kosten wurden nicht nur diabetesbedingte Kosten,
sondern alle Kosten (z.B. auch die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Hüftfraktur mit TEP)
eingerechnet.
Kritik:
Es ist unklar, nach welchen Kriterien die 10 000 Diabetiker
in das Programm eingeschrieben wurden.
Der Einfluss der einzelnen Komponenten kann nicht eruiert werden.
Die Gesamtkosten des Programms werden nicht aufgeführt.
84
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
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Tabelle 24: Reminder-System für Ärzte und Patienten
Ärzte
Patientenindividuelle Reminder, Screening-Kalender und Informationen
werden automatisch zugeschickt
Patienten
Telemanagement und Zusendung von Informationsmaterial per Post nach
Risikostratifizierung: Es wurden 4 Risikogruppen gebildet, denen
entsprechende Interventionsintensitäten zugeordnet wurden. Die
Interventionen orientierten sich zudem an Komplikationen und aktuellem
Gesundheitszustand. Beispielsweise wurde ein Diabetiker, der einen
Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Ketoacidose hatte nach Entlassung bis
zur Stabilisierung engmaschiger durch Telemanagement unterstützt.
Patienten, die zusätzlich eine Koronare Herzkrankheit aufwiesen, bekamen
beispielsweise Informationen und Reminder zum Thema Lipidsenkung,
Ernährung, Bewegung.
[Quelle: Steffens, 2000]
Tabelle 25: Benchmarking
Best Practice
Best Practice Information wird jedem Arzt quartalsweise zur Verfügung
gestellt. Sie enthält die individuellen Werte seiner Patienten, Überweisungsund Screeningraten, sowie aktuelle Informationen über Diabetes Mellitus und
das Programm selbst.
[Quelle: Steffens, 2000]
85
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 86
Abbildung 6: Diabetiker-Patientenakte des John Deere Health Care´s
Versorgungsstandards
Care Manager:
Telefon:
Fax:
Hausarzt:
Telefon:
Fax:
ID – Nummer:
Patientenname:
Geburtsdatum:
Mitgliedsnummer:
HMO Code:
Gewicht:
Vitalwerte
Datum:
Gewicht [kg]:
Blutdruck:
systolisch/diastolisch
Fußuntersuchung: (j oder n)
Viertel-/Halbjährliche Tests
Datum:
HbA1c:
*IR-alle 3 Monate
**NIR-alle 6 Monate
Jährliche Untersuchungen
Serum Kreatinin:
Lipid-Profil:
Gesamt Cholesterin
HDL
LDL
Triglyizeride
Microalbuminurie:
Micral-II
Zufällig
24-Stunden
Andere
Datum
Wert
Datum
Wert
Datum
Wert
Datum
Wert
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Einheit Datum
Einheit Datum
Einheit Datum
Einheit
Datum
Datum
Datum
Datum
Datum
Fußinspektion:
Erweiterte
Augenuntersuchung:
Prävention
Grippeimpfung:(jährlich)
PneumokokkenImpfung
Datum
Datum
Datum
Dokumentation Schulung:
Beratung:
Dokumentation Rauchen:
Aufgehört:
*IR = insulinpflichtig
**NIR = nicht insulinpflichtig
[Quelle: Steffens, 2000]
86
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 87
Tabelle 26: Ökonomische Evaluation
Untersuchungshäufigkeiten
HbA1c-Wert
+19%
Lipid-Wert
+20%
Microalbumin-Wert
+78%
Augenuntersuchung
+ 6%
Medizinische und ökonomische
Entwicklung
HbA1c-Werte
-0,5% (absolut)
von 8,2% zu 7,7%
Stationäre Einweisungsrate
-22%
Stationäre Aufenthaltsdauer
-34%
Gesamte PMPM*-Kosten 9 Monate
-12%
nach Programmeinführung
*PMPM = pro Mitglied pro Monat
Quelle: Steffens, 2000.
2.7 Beispiel 7: Installation eines Elektronischen Monitoring-Systems und Gruppensprechstunden für
Diabetiker
Ziel diese Programms, das in einer Landpraxis implementiert wurde, war es, die Blutzuckereinstellung von Diabetikern zu verbessern. Dazu wurde ein Datenmanagementsystem mit Reminder und Feedback eingesetzt. Patienten mit einem HbA1c
>8% wurden wie folgt identifiziert: Bei jedem Praxisbesuch wurde für den Arzt ein
Patientenbericht ausgedruckt, der einen generellen Überblick über den Patientenstatus gibt. Dazu gehören Anzahl der besuchten Schulungen, Fußinspektionen, Laborwerte (u.a. HbA1c), aktuelle Medikation, wichtige Daten aus der Anamnese. Zusätzlich wurde vom System alle 6 Wochen unabhängig von Praxisbesuchen eine Liste
mit den Namen der Patienten generiert, deren HbA1c > 8% lag. Zusätzlich wurden
Gruppensprechstunden für Patienten mit einem HbA1c > 8% eingerichtet und die
individuelle Beratung während der regulären Sprechstunde verstärkt [Stoner et al.,
2001].
87
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Programmübersicht:
Programmname:
Improve Glycemic Control für Patients with Diabetes in a
Rural Fee-for-Service Practice.
Rahmen:
Arztpraxis.
Zielerkrankung:
Diabetes Mellitus.
Anzahl Patienten:
182 Diabetiker.
Patientenidentifikation:
Patienten mit den ICD-9 Diagnosen 250.0-259.9 aufgrund
von Abrechnungsdaten.
Interventionszeitraum:
2 Jahre.
Ziele des Programms:
Testung der Übertragbarkeit von erfolgreichen Interventionen aus einer Managed Care Umgebung auf eine Praxis
mit Einzelleistungsabrechung. Evaluation aufgrund der
Veränderung der HbA1c-Werte.
Komponenten:
Installation eines Intelligenztechnologie-Systems zum elektronischen Datenmanagement, Datenüberwachung und
Feedback.
Gruppensprechstunden
Ergebnisse:
Der Median der HbA1c-Werte sank von 8,7% (März 1998)
auf 7,5% im März 1999 und konnte auf diesem Niveau
stabilisiert werden (März 2000).
Kritik:
Der Einfluss einzelner Interventionen kann nicht abgeschätzt werden. Zusätzlich zu den beschriebenen Interventionen kann ein positiver Effekt vom direkten Feedback
von Laborergebnisse an Patienten erwartet werden. In der
Praxis wurde dazu ein Latex Immunagglutinations-Test
eingesetzt. So konnten die Patienten noch während der
Sprechstunde die Ergebnisse ihres HbA1c-Wertes mit
dem Arzt bzw. einer diabetologisch weitergebildeten
Sprechstundenhilfe besprechen.
Komponenten:
Zur Implementierung des Datenmanagementsystems wurde ein bereits bestehendes
System einer Managed Care Organisation an die Bedürfnisse einer Landpraxis angepasst. Die wichtigsten Schritte zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle für Pati88
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 89
enten mit Diabetes Mellitus in einer Landpraxis mit Einzelleistungsvergütung zeigt
Tabelle 27.
Tabelle 27: Vorgehen zur Implementierung eines Datenmanagementsystems
1. Erfassung aller Patienten mit der Diagnose Diabetes mellitus
2. Zusammenfassung aller benötigten medizinischen Patienteninformationen zur Bewertung
der medizinischen Versorgung
3. Installation des Diabetes Care Monitoring System (DCMS), (computergestütztes System)
Eingabe der aus den Patientenakten gesammelten Informationen in das DCMS-Programm
Ausdruck einer einseitigen Zusammenfassung des gegenwärtigen Status für jeden Patienten
Diese Zusammenfassung jeder Patientenakte zufügen
4. Gebrauch des DCMS-Behandlungsstands bei jeder Patientenvisite
Identifikation und Zuteilung von anstehenden Tests/Untersuchungen
Aktualisierung des DCMS Datensatzes
Patientenaufklärung über den persönlichen Status
5. Gebrauch der DCMS-Daten zur Festlegung eines Versorgungsmusters für die Gesamtheit
der Patienten
Identifikation von Bereichen, in denen Möglichkeiten zur Verbesserung der
Versorgungsstruktur bestehen
6. Entwicklung und Implementierung von Handlungsstrategien zur Versorgungsverbesserung
Bestimmung von schon erfolgreichen Interventionen
Übernahme der Intervention in die lokale Anwendung (siehe detaillierte Beschreibung)
7. Bewertung der Effektivität dieser Handlungsstrategien
DCMS-Akten erlauben häufige zwischenzeitliche Evaluationen
Modifikation der Verbesserungsstrategie im Sinne des festgesetzten Zieles
8. Mitteilung der Ergebnisse an alle relevanten Gruppen
Den Mitarbeitern den Nutzen für den Patienten durch die eigene Anstrengung aufzeigen
Veröffentlichung der Ergebnisse, damit andere Versorgungseinrichtungen erfolgreiche
Strategien übernehmen können
[Quelle: Stoner et al., 2001]
2.8 Beispiel 8: Schulung und Unterstützung des
Krankheitsselbstmanagements
Jaarsma et al. führten eine randomisierte Studie zur Verbesserung der Versorgungsqualität und des Selbstmanagements von Patienten mit Herzinsuffizienz NYHAKlassifizierung III-IV in Maastricht durch [Jaarsma et al., 1999]. Die Intervention, an
der 179 Patienten teilnahmen, bestand aus intensiver, systematischer und geplanter
Schulung der Patienten durch eine weitergebildete Krankenschwester und die Unterstützung des Patientenselbstmanagements durch die Krankenschwester. Die Intervention wurde im Krankenhaus begonnen und bis eine Woche nach Krankenhausentlassung weitergeführt. Das Selbstmanagement der Patienten mit Herzinsuffizienz
verbesserte sich durch die Intervention signifikant und blieb auch acht Monate nach
Entlassung aus dem Krankenhaus statistisch signifikant.
89
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 90
Programmübersicht:
Programmname:
Effects of education and support of self-care and resource
utilization in patients with heart failure.
Rahmen:
Universitätsklinik Maastricht, Niederlande.
Zielerkrankung:
Herzinsuffizienz.
Anzahl Patienten:
179 Patienten.
Patientenidentifikation:
Bestätigte Einweisungsdiagnose.
Interventionszeitraum:
3 Jahre.
Ziele des Programms:
Verbesserung des Selbstmanagements und Verringerung
der Ressourcen-in-Anspruchnahme von Patienten mit
Herzinsuffizinz durch intensive Schulung und Unterstützung des Selbstmanagements.
Programmstruktur:
Radomisierte klinische Studie, von der Einweisung bis 10
Tage nach Entlassung.
Komponenten:
Schulung.
Unterstützung des Selbstmanagements durch ambulante
Nachbetreuung nach Entlassung (einmalig).
Ergebnisse:
Signifikante Verbesserung des Selbstmanagements in der
Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die
Veränderungen hielten über den Nachuntersuchungszeitraum von 8 Monaten an.
Kritik:
Obwohl die Patienten der Interventionsgruppe gegenüber
einer Verschlechterung ihrer Symptome sensibilisiert wurden und aufgefordert wurden, ihren Hausarzt oder die Notfallambulanz aufzusuchen, wurde kein erhöhter Ressourcenverbrauch beobachtet. Allerdings sind in dieser europäischen Studie die stationären Wiederaufnahmeraten der
Interventionsgruppe nicht signifikant gesunken. Die Autoren erklären dies mit einer per se niedrigeren Wiederaufnahme bei Herzinsuffizienzpatienten im Vergleich zu amerikanischen Studien und durch das Fehlen eines adäquaten Nachbetreuungssystems, beispielsweise durch den
Hausarzt. Patienten dieser Studie konnten zwar die Ver90
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 91
schlechterung ihrer Symptome einschätzen, oft gelang es
aber nicht, rechtzeitig auch einen Termin beim Hausarzt
zu bekommen, so dass eine weitere Verschlechterung des
Zustandes eintrat, die zu einer Krankenhauseinweisung
führte.
2.9 Beispiel 9: Organisationsmanagement
In dieser prospektiven Studie von Hershberger et al. wurden Leitlinien, Telemanagement, gezielte Krankenhauseinweisung von Patienten, die sich kontinuierlich verschlechterten,
sektorenübergreifende
Betreuung
poststationär,
psychosoziale
Betreuung und Schulung eingesetzt [Hershberger et al., 2001]. Speziell weitergebildete Krankenschwestern waren 24 Stunden pro Tag für die Patienten erreichbar, um
die Kontinuität der Betreuung zu sichern. Bei Klinikeinweisung wurde eine intensive
Anamnese und klinische Untersuchung durchgeführt. Die Patientenschulung begann
in der Klinik und wurde im ambulanten Bereich fortgeführt. Ein langfristiger Therapieplan wurde mit dem Patienten besprochen und von einem Herzinsuffizienzkoordinator (Krankenschwester oder Pfleger) vom stationären in den ambulanten Bereich koordiniert. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus wurde der Patient durch den Koordinator je nach Risikostratifizierung und klinischem Zustandsbild wöchentlich,
zweiwöchentlich oder sechswöchentlich kontaktiert. Im Rahmen der Betreuung durch
den Koordinator wurden je nach Risikostratifizierung Symptome und Laborwerte abgefragt und eine Medikamentenanamnese durchgeführt. Wurde ein Patient in der
Notfallambulanz vorgestellt, so wurde die Betreuung intensiviert. Im Rahmen des
Schulungsprogramms wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Rolle der Kochsalzrestriktion, die medikamentöse Therapie, Warnsymptome einer beginnenden Verschlechterung sowie detaillierte Anweisungen, wann der Koordinator bzw. der Arzt
kontaktiert werden sollte, zu klären.
91
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 92
Programmübersicht:
Programmname:
Outpatient Heart Failure Management Program.
Rahmen:
Universitäres Herzinsuffizienzmanagement-Programm zur
ambulanten Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz
in Portland, Oregon, USA.
Zielerkrankung:
Herzinsuffizienz.
Anzahl Patienten:
108 Patienten mit Herzinsuffizienz.
Patientenidentifikation:
Freiwilliges Überweisungsprogramm. Diagnosesicherung
durch klinische Evaluation, Röntgenaufnahme des Thorax,
Angiographie.
Interventionszeitraum:
18 Monate und 6 Monate Nachuntersuchungszeitraum.
Ziele des Programms:
Verbesserung der ambulanten Versorgung mit Verringerung der Wiederaufnahmerate von Patienten mit Herzinsuffizienz durch Telemanagement (Telefonbasierte Reminder, Zustandsabfrage und Initiierung weiterer Interventionen nach Ergebnis), geplante und betreute Krankenhausaufenthalte bei dekompensierten und dekompensierenden Patienten, Betreuung und Planung von Krankenhausentlassung und Aufstellung individueller Therapieempfehlungen auf dem Boden evidenzbasierter Konsensus-Leitlinien, individuelle Schulungen stationär und ambulant, gezielte Gabe von Informationsbroschüren nach
Krankheits- und Wissensstand, 24-Stunden-Erreichbarkeit
eines
Herzinsuffizienzkoordinators
(Telemanagement-
Koordinator).
Programmstruktur:
Prospektive Studie.
Komponenten:
Telemanagement (Abbildung 7).
Herzinsuffizienz-Koordinator-Leitlinien.
Individuelle Therapieempfehlungen.
Schulungen und gezielte Informationsgabe.
24-Stunden-Erreichbarkeit des Koordinators und ggf. eines Arztes.
Geplante und betreute Krankenhausaufenthalte, Entlassung und ambulante Weiterbetreuung.
92
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Ergebnisse:
Seite 93
In den Bereichen Wissen und Selbstmanagement zeigten
sich signifikante Verbesserungen. In den Bereichen Erkennen von Gewichtszunahme als potenzielles Symptom
einer Zustandsverschlechterung, die Notwendigkeit des
täglichen Wiegens, sowie die Kochsalzrestriktion in der
Ernährung wurden auch in der Nachbeobachtungsphase
signifikante Verbesserungen beobachtet. Im medikamentösen Bereich konnte ein signifikanter Anstieg der Verordnung von ACE- Hemmern, sowie eine bessere Versorgung mit beta- Blockern beobachtet werden. Die Untersuchung der Lebensqualität der Patienten ergab signifikante
Verbesserungen in der Interventionsgruppe (Tabelle 29).
Ökonomische Ergebnisse: Die Einsparungen durch das Programm wurden auf
$516890 geschätzt. Das Telemanagement wurde mit 20
bis 30 Minuten pro Patient und Monat in den ersten 3 Monaten angesetzt, für die folgenden Monate wurden 5 bis
10 Minuten pro Patient gerechnet. Die Zahl der ambulanten Besuche durch die Koordinatoren betrug durchschnittlich 3.3 pro Patient während der 6-monatigen Nachbeobachtungszeit. Die Gesamtkosten des Koordinators pro
Patient wurden mit $66,8 angesetzt.
Kritik:
Es handelt sich nicht um eine kontrollierte oder randomisierte Studie, es gab entsprechend keine Kontrollgruppe.
Der Effekt einzelner Interventionen kann nicht eruiert werden. Dies war allerdings auch nicht die Absicht des Programms. Aufgrund der kleinen Zahlen und der kurzen
Nachbeobachtungszeit kann die Studie nicht als repräsentativ gelten.
93
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 94
Komponenten:
Tabelle 28: Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen 6 Monate vor und 6
Monate nach Überweisung der Studien-Patienten (n = 108)
Ressource
Stationäre Einweisung aufgrund kardiovaskulärer
Ursachen
total
Standardabweichung
schon vorherige stationärer Aufenthalt, Anzahl
Hospitalisierungsrate (%)
mittlere Verweildauer
Verweildauer insgesamt
Notaufnahmen aufgrund kardiovaskulärer Ursachen
total
schon vorheriger Notaufnahme, Anzahl
Notfälle (%)
Gesamtkosten stationär
Stationäre Kosten pro Patient
6 Monate vor
Programmstart
6 Monate nach
Programmstart
94
0,85 +/-1,15
64
56,1
4,0 (1-25)
470,6 Tage
39
0,53 +/-0,93
36
27,2
6,0 (1-21)
321
83
59
19
16
53,6
$883.412,00
$7.361,00
14,5
$366.522,00
$3.054,00
[Quelle: Hershberger et al., 2001]
Tabelle 29: Veränderung der Lebensqualität und des funktionellen Status
Variable
Anzahl
%
Abweichung
Lebensqualität
Verbesserung nach 3 Monaten
55
69,6
<0,001
Verbesserung nach 6 Monaten
61
68,6
<0,001
NYHA-Klassifizierung 2
0,002
verbessert
34
31,5
unverändert
55
50,9
verschlechtert
19
17,6
Müdigkeit und Dyspnoe
Verbesserung nach 3 Monaten
43
54,4
0,27
Verbesserung nach 6 Monaten
50
56,2
0,12
Gesamteinschätzung des Patienten
55
69,6
Verbesserung des Ausgangszustandes nach 3 Monaten 3
Verbesserung von 3 bis nach 6 Monaten
45
50,6
1
Analyse basierend auf 89 Patientenbefragungen, welche sowohl an der Baseline, 3-Monatigen und 6Monatigen Befragung teilgenommen haben
2
Basierend auf Befragung von 108 Patienten nach 6 Monaten zu Veränderungen innerhalb der NYHA-Einteilung
(New York Heart Association- classes)
3
Zehn Patienten beantworteten den Fragebogen nach 3 Monaten nicht
[Quelle: Hershberger et al, 2001]
94
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 95
Abbildung 7: Telemanagement
Erstbesuch
Telemanagement
Routinearztbesuche
Krankenhauseinweisung aus versch.
Ursachen
Dekompensation
Pat.-Anruf bei Arzt/Koodinator
Verschlechterung Laborwerte
verstärktes Telemanagement
kürzere Abstände
Routinearztbesuch je nach
klinischem Zustand
Preemptive Hospitilization
Anamese
klinischer Status
Therapieplan mit diagnostischer und therapeutischer
Intervention auf Basis
evidenzbasierter Leitlinien
individualisierte Schulung
durch Koordinator
Schulung
Therapieanpassung
klinische Evaluation
diagn. / therap. Intervention
nach Leitlinien
Zustandsverschlechterung bei Routinearztbesuch
verstärktes Telemanage-ment
+ Leitlinien-Intervention
nach Bedarf
Planung und Betreuung
während des Krankenhausaufenthaltes durch
Programmpersonal
Quelle: Hershberger et al., 2000.
95
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Seite 96
2.10Beispiel 10: Leitlinieneinsatz, Feedback, Ärztefortbildung
In der Primär- und Sekundärprävention der Koronaren Herzerkrankung spielt das
Screening und die Therapie der Hyperlipidämie eine wichtige Rolle. In 27 Health
Maintenance Organisationen der USA wurde daher ein 3-Stufen-Programm zum Management der Hyperlipidämie bei Patienten mit einer Koronaren Herzerkrankung
bzw. den Risikofaktoren zur Entwicklung einer Koronaren Herzerkrankung eingeführt
[Patel et al., 2001]. Auf der ersten Stufe werden die üblichen Therapieschemata und
das übliche klinische Management der Hyperlipidämie sowie die Therapieergebnisse
untersucht. Ziel dieser Stufe ist es, dass jeder Patient die Zielwerte mit dem kosteneffektivsten Statin erreicht. Dazu werden patientenindividuelle Risiken bestimmt und
die Patienten in Risikoklassen eingeteilt. Dies geschieht auf der Grundlage von ca.
300 zufällig ausgewählten Patientenakten, die von Experten beurteilt werden. Zu den
aus der Akte erhobenen Daten gehören soziodemographische Daten, Risikofaktoren
für die Koronare Herzerkrankung, kardiale Ereignisse, Komorbiditäten und Begleitmedikation, die aktuelle Statintherapie mit Nebenwirkungen, Laborwerten und der
Frage ob der Zielbereich erreicht wurde.
Auf der zweiten Stufe werden auf dem Boden der Ergebnisse von Stufe 1 Interventionen entwickelt. Dazu gehören Ärztefortbildungen, Therapiealgorithmen, Feedback
an die Ärzte mittels Rundbriefen und persönliche Beratung von Ärzten auf dem Boden ihrer eigenen Patientendaten.
In Stufe 3 werden nach 6 Monaten die Patientenakten nochmals durchgesehen und
die Ergebnisse evaluiert.
Programmübersicht:
Programmname:
Hyperlipidemia Outcomes Management Program.
Rahmen:
Health Maintenance Organisation.
Zielerkrankung:
Primär- bzw. Sekundärprävention der Koronaren Herzkrankheit (Hyperlipidämie).
Anzahl Patienten:
7 619 Patienten mit Hyperlipidämie, von denen bei 3 018
eine Koronare Herzkrankheit diagnostiziert war.
Patientenidentifikation:
Aktendurchsicht.
96
Disease Management in Deutschland – Komponenten / Erkrankungen
Ziele des Programms:
Seite 97
Sekundärprävention bei Patienten mit Hyperlipidämie
nach eingetretenem Herzinfarkt. Primärprävention bei Patienten mit diagnostizierter Hyperlipidämie und weiteren
Risikofaktoren für eine KHK.
Komponenten:
Identifikation von Diskrepanzen zwischen aktuellen Therapieschemata und Empfehlungen von Leitlinien durch Aktendurchsicht.
Ärztefortbildung: Inhalt der Fortbildungsveranstaltungen
sind Feedback bezüglich der Ergebnisse des eigenen
Programms.
Behandlungsalgorithmen: Spezielle Behandlungsempfehlungen für unterschiedliche Risikoklassen von Patienten.
Briefe: Sie dienen hauptsächlich dem Feedback und der
Fortbildung der Ärzte und haben ähnliche Inhalte wie die
Fortbildungsveranstaltungen.
Individuelle Ärzteberatung: Für Ärzte, die die Programmziele nicht erreichen, stehen individuelle Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung, in denen auch ausführliche Primär- und Sekundärliteratur diskutiert wird.
Evaluation.
Ergebnisse:
87% aller Patienten mit einem Zielwerte von LDL <160
mg/dl erreichten diesen, 65% der Patienten mit einem
Zielwerte von < 130 mg/dl erreichten diesen Wert, 44%
der Patienten mit einem Zielwert < 100 mg/dl erreichten
den Zielwert. Es wurde häufig nicht das kosteneffektivste
Statin eingesetzt. Häufig waren auch Dosisanpassungen
notwendig.
Kritik:
Es handelt sich um eine Intervention zur Primär- und Sekundärprävention der Koronaren Herzkrankheit. Je strenger die Zielwerte gesetzt wurden, um so geringer wurde
die Anzahl der Patienten, die diese erreichten. Es wurde
keine ökonomische Evaluation durchgeführt.
97
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 98
Entwicklung der Komponenten von Disease Management
3 Evidenzbasierte Leitlinien
Evidenzbasierte Leitlinien für Ärzte und Patienten (Experten-, Anwender- und Patientenversion)
3.1 Einleitung
Evidenzbasierte, medizinische Leitlinien gelten heute in den meisten industrialisierten
Ländern als Standard der medizinischen Versorgung. Die historische Entwicklung
nahm im angloamerikanischen Sprachraum ihren Anfang. In Deutschland forderte
der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen schon
1994 den verstärkten Einsatz evidenzbasierter Leitlinien in allen Bereichen der Patientenversorgung. In der Anfangsphase der Leitlinienentwicklung, die durch einen
relativen Aktionismus in der Produktion von Leitlinien geprägt wurde, folgte die Suche
nach einer angemessenen Methodik, um die Entwicklung qualitativ hochwertiger Leitlinien zu fördern. Inzwischen sind in Deutschland erfolgreiche praxiswirksame
Implementierungstrategien umgesetzt worden und es bestehen weitere Bemühungen, diese noch zu komplettieren [Ollenschläger und Thomeczek, 1996; Gerlach et
al., 1999; Ollenschläger et al., 2001].
Ihr hohes medizinisches und ökonomisches Nutzenpotential haben Leitlinien in der
Vergangenheit schon mehrfach bewiesen [Roberts, 1998; Thomas et al., 1998; Durieux et al., 2000]. Jedoch ist das Umfeld, in dem Leitlinien implementiert werden
müssen, sehr komplex. Daher sind neben einem standardisierten Vorgehen Individuallösungen mit lokaler Adaption anzustreben, um die Praktikabilität und Akzeptanz
der Leitlinien zu gewährleisten. Dann können Leitlinien ihrer Bedeutung in der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung in der medizinischen Versorgung gerecht
werden.
Im Rahmen von Disease Management Programmen gehören evidenzbasierte Leitlinien zusammen mit der Unterstützung des Patientenselbstmanagements durch
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 99
Schulungen, Organisationsmanagement (Neustrukturierung von Versorgungsprozessen), Entscheidungsunterstützung und Informations- bzw. Datenbanksystemen zu
den essentiellen Komponenten (Abbildung 1):
Abbildung 1: Leitlinien im Disease Management
Evidenzbasierte Leitlinien
Evidenzbasierte, systematische Versorgung
Organisationsmanagement
Unterstützung des
Selbstmanagements
Neustrukturierung
von Prozessen und
Abläufen
Selbstmanagement
Verhaltensänderung
Patientenverantwortung
Psychosoziale
Unterstützung
Entscheidungsunterstützung
Ärzte-Fortbildung
Coaching
Gemeinsame
Sprechstunden
Leitlinien
Information
Reminder
Ergebnisse
Feedback
Therapieplanung
Benchmarking
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wagner et al., 1996]
So sind evidenzbasierte Leitlinien beispielsweise die Grundlage für Versorgungsalgorithmen (Patient Care Pathways) im Krankenhaus, für Reminder- und Feedbacksysteme, für Entscheidungsunterstützung jeglicher Art und für Schulungsinhalte. Sie
dienen der Umsetzung einer evidenzbasierten und kosteneffektiven Therapie in der
Regelversorgung chronisch kranker Patienten sowie im weitesten Sinne der Qualitätssicherung.
3.2 Definition
Das Institute of Medicine (IOM) in den USA formulierte die international anerkannte
Definition, dass es sich bei Leitlinien in der Medizin um „systematisch entwickelte
Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten“ handelt, die eine individuell angemessene gesundheitliche Versorgung ermöglichen sollen [Field und Lohr, 1990].
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 100
Dieser Definition liegt das Verständnis der Evidence based Medicine (EbM) zugrunde. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist D. L. Sackett. Er definierte EbM folgendermaßen [Sackett, 1992]:
„Evidenzbasierte Medizin ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige
Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der
evidenzbasierten Medizin bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise
mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung.“
Hieraus ergeben sich drei Grundprinzipien der evidenzbasierten Medizin, die auch
die wesentlichen Kennzeichen einer evidenzbasierten Leitlinie darstellen:
•
evidence (wissenschaftliche Beweisführung),
•
clinical judgement (Erfahrung, Intuition, Expertise),
•
Patientenpräferenzen in der konkreten Situation und „informed consent“
Diese Grundprinzipien geben den evidenzbasierten Leitlinien die höchste wissenschaftliche und politische Legitimation. Ein Schwachpunkt ergibt sich jedoch dann,
wenn keine randomisierten, kontrollierten Studien für eine Intervention vorliegen.
Dann muss Evidenz auf einer anderen Ebene, wie z.B. der Expertenkonsens, für die
Evidenz aus randomisierten, kontrollierten Studien substituiert werden. Eine evidenzbasierte Leitlinie ist also nicht mit einer systematischen Übersichtsarbeit (systematic
review) oder einer Metaanalyse vergleichbar.
3.3 Qualitätsmerkmale von Leitlinien
Evidenzbasierte Leitlinien sind systematisch nach einer wissenschaftlichen Methodik
erstellte Entscheidungshilfen für Akteure des Gesundheitswesens, die sich mit der
Versorgung eines definierten Krankheitsbildes beschäftigen. Sie geben Handlungsempfehlungen für Prävention, Diagnostik und Therapie, gelegentlich auch für Prophylaxe oder Rehabilitation einer Erkrankung.
Damit die Qualität der Handlungsempfehlungen auf hohem Niveau und immer
gleichbleibend erhalten werden kann, wurden Qualitätskriterien aufgestellt. Diese
Kriterien wurden erstmals in den USA vom Institute of Medicine (IOM) und der Agen-
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 101
cy for Health Care Policy and Research (AHCPR) formuliert und sind international
weitgehend anerkannt.
Zu den Qualitätskriterien, die evidenzbasierte Leitlinien erfüllen sollten, gehören:
•
Validität
•
Reliabilität/Reproduzierbarkeit
•
Klinische Flexibilität
•
Klarheit
•
Multidisziplinarität
•
Planmäßige Überarbeitung/Aktualisierung
•
Dokumentation
[Field und Lohr, 1992]
Diese Qualitätskriterien werden durch ein repräsentatives Leitliniengremium, eine
evidenzbasierte Medizin-Strategie und einen formalisierten Konsens gewährleistet.
Eine solche evidenzbasierte Konsensus-Leitlinie weist eine hohe wissenschaftliche
und politische Legitimation auf [Ollenschläger et al., 2000]. Die Mehrzahl der in
Deutschland existierenden Leitlinien sind „Experten-Leitlinien“ oder „KonsensusLeitlinien“ [Ollenschläger et al., 2000]. Sie werden häufig wegen ihrer methodischen
Vorgehensweise kritisiert. Sie sind nicht geschützt gegen den Einfluß des Zufalls
wissenschaftlich bzw. fachlich tradierter Vorurteile und anderer systematischer Fehler
(bias) oder Störvariablen (confounding). Daher ist ihre wissenschaftliche und politische Legitimation als gering einzuschätzen. In Tabelle 1 sind Leitlinien-Typen und
ihre Charakteristika sowie ihre wissenschaftliche und politische Legitimation aufgeführt.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 102
Tabelle 1: Charakterisierung von Leitlinientypen
Leitlinien-Typ
Experten-Leitlinie
Evidenzbasierte
Experten-Leitlinie
Konsensus-Leitlinie
Evidenzbasierte
Konsensus-Leitlinie
Charakteristika der
Leitlinienentwicklung
Wissenschaftliche
Legitimation
Politische
Legitimation
LL-Gremium nicht repräsentativ
Formalisierter Konsens nicht
belegt
EbM-Strategie nicht belegt
Gering
Hoch
Hoch
Gering
Gering
Hoch
Hoch
Hoch
LL-Gremium nicht repräsentativ
Formalisierter Konsens nicht
belegt
EbM-Strategie belegt
LL-Gremium repräsentativ
Formalisierter Konsens belegt
EbM-Strategie nicht belegt
LL-Gremium repräsentativ
Formalisierter Konsens belegt
EbM-Strategie belegt
LL = Leitlinien
EbM = Evidenzbasierte Medizin
[Quelle: Ollenschläger et al., 2000]
Die abgegebenen Handlungsempfehlungen sind entsprechend ihrer klinischen Bedeutung nach Härtegraden gewichtet(siehe Kapitel Methodik, Dissemination, Implementierung und Evaluierung von Leitlinien). Dabei ist die klinische Relevanz und/
oder die Evidenzklasse der Literatur entscheidend.
Neben Expertenversionen sollten praktikable Anwenderversionen, die für die Ausarbeitung von individuellen Patientenbehandlungsplänen die Grundlage bilden sowie
Patientenversionen von Leitlinien entwickelt werden.
3.4 Methodik, Dissemination, Implementierung und
Evaluierung von Leitlinien
Über die einzelnen Schritte einer evidenzbasierten Leitlinie soll hier nicht in aller Ausführlichkeit berichtet werden. Es wird auf die entsprechende Literatur verwiesen. Lediglich alle für die Disease Management Programme relevanten Informationen werden an dieser Stelle kurz geschildert und es sei auch auf Teil 2 des Gutachtens verwiesen, in dem einige Aspekte noch einmal ausführlicher dargelegt werden.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 103
3.4.1 Methodik
Die Zieldefinition ist maßgeblich für das Ausmaß und den Umfang einer evidenbasierten Leitlinie. In der Regel ist die Kernaufgabe, die systematische sektorenübergreifende Regelversorgung zu standardisieren. Dazu müssen im Vorfeld der Leitlinienentwicklung Bereiche mit Über-, Unter- und Fehlversorgung einer Erkrankung
definiert werden.
Die identifizierten Versorgungsdefizite sollen durch die evidenzbasierte Leitlinie gezielt und systematisch verbessert werden. Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsreserven
werden mobilisiert und Leitlinien lassen sich als flexible und vielseitige Steuerungsinstrumente des medizinischen Leistungsgeschehens mit teils überlappenden, teils
komplementären Zielen und Funktionen einsetzen [Browman et al., 1995; Yoos et al.,
1997].
Die praktische Entwicklung erfolgt durch ein multidisziplinäres Team aus Experten für
die definierte Erkrankung und aus Experten benachbarter Fachdisziplinen sowie einem Methodiker - Team . Zu dem Methodiker - Team gehören in der Bewertung von
Studien versierte Ärzte, Biometriker, Epidemiologen und (Gesundheits-) Ökonomen.
Nach vorab definierten standardisierten Suchstrategien werden in Datenbanken entsprechende Publikationen mit den relevanten Daten und Informationen zusammengetragen. Diese werden entsprechend ausgewertet und nach einer allgemein anerkannten Evidenz – Klassifikation bewertet (Tabelle 2).
Tabelle 2: Bewertung der publizierten Literatur gemäss ihrer wissenschaftlichen
Aussagekraft nach Evidenzklassen
Evidenzklasse (EK)
Ia
Evidenz aufgrund von Metaanalysen von randomisierten, kontrollierten Studien
Ib
Evidenz aufgrund mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie
Iia
Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne
Randomisation
Iib
Evidenz aufgrund mindestens einer anderen Art von gut angelegter, nicht-randomisierter und
nicht-kontrollierter klinischer Studie z. B. Kohortenstudie
III
Evidenz aufgrund gutangelegter, nicht-experimenteller, deskriptiver Studien, wie z. B.
Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fall-Kontroll-Studien
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
IV
Seite 104
Evidenz aufgrund von Berichten der Experten-Ausschüsse oder Expertenmeinungen
und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten
[Quelle: SIGN, 1996; AHCPR, 1992]
Nach der Evaluierung der Studien entsprechend ihrer Aussagekraft schließt sich die
Gewichtung der Handlungsempfehlungen an. Diese kann beispielsweise entsprechend der vom Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie der
Universität zu Köln entwickelten Einteilung der Härtegrade in Anlehnung an die Veterans Health Administration und der SIGN vorgenommen werden. Die Empfehlung
orientiert sich an der Aussagekraft der Studie und an der klinischen Relevanz. Härtegrad A erhält eine Empfehlung, wenn sie auf der Basis von Studien mit den Evidenzklassen Ia oder Ib ausgesprochen wird und aus klinischer Sicht als erstrangig einzustufen ist. Bei Empfehlungen basierend auf Studien mit den Evidenzklassen IIa, IIb,
III oder aus klinischer Sicht als zweitrangig einzustufenden Studien wird der Härtegrad B ausgesprochen. Härtegrad C erhalten alle Empfehlungen, die aus klinischer
Sicht als drittrangig anzusehen sind bzw. deren Basis Studien mit der Evidenzklasse
IV bilden.
In Tabelle 3 ist die Einteilung der Härtegrade nach den entsprechenden Evidenzklassen bzw. den entsprechenden klinischen Bedeutungen dargestellt.
Tabelle 3: Härtegrad-Empfehlung
Grade
Empfehlung
A
Ergibt sich aus den Evidenzklassen Ia und Ib
Oder
Ist aus klinischer Sicht als erstrangig einzustufen
B
Ergibt sich aus den Evidenzklassen IIa, IIb und III
Oder
Ist aus klinischer Sicht als zweitrangig einzustufen
C
Ergibt sich aus den Evidenzklassen IV
Oder
Ist aus klinischer Sicht als drittrangig einzustufen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Diese Härtegrad - Zuteilung, die in vielen Leitlinien noch fehlt, ist von elementarer
Bedeutung. Sie überbrückt die durch die entsprechenden Studiendesigns bedingten
Defizite mit klaren Handlungsempfehlungen und verhindert so Lücken in der Versorgung.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 105
Alle Handlungsempfehlungen sollen in regelmäßigen Abständen, vorzugsweise spätestens nach zwei Jahren, auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Bei neuen relevanten Ergebnissen sind Änderungen der Empfehlungen auch vor der nächsten Überprüfung zu disseminieren.
Die Entwicklung von Leitlinien sollte zur Vermeidung von sich widersprechenden
Empfehlungen national einheitlich erfolgen. Die Leitlinien können dann mit Hilfe von
Leitlinien - Experten an lokale Gegebenheiten adaptiert werden.
International vorhandene Leitlinien können, sofern sie qualitativ den Prinzipien der
evidenzbasierten Medizin gerecht werden, als Grundlage für nationale Leitlinien dienen. Häufig jedoch müssen sie aufgrund nicht vorhandener GesundheitssystemStrukturen an nationale Verhältnisse angepaßt oder neu konfiguriert werden.
3.4.2 Dissemination
Die Verbreitung von evidenzbasierten Leitlinien folgt in Disease Management Programmen auf zwei Ebenen:
•
Makroebene (Gesundheitspolitik, Sozialsystem): Entwicklung der Disease Management Programme auf Basis evidenzbasierter Leitlinien
•
Mikroebene (Medizinische Professionen, Patienten): Evidenzbasierte Leitlinien als
Anwendungs- und Entscheidungsunterstützung für medizinische Professionen
und Patienten.
Anwenderversionen oder Patientenversionen sind auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten. Wie das Format einer evidenzbasierten Leitlinie gestaltet werden soll, eruierten Wolff und Mitarbeiter [Wolff et al.,1998] auf dem Boden von Erfahrungen von
Hausärzten mit Leitlinien. Die höchste Praktikabilität und Anwenderfreundlichkeit
wurde einer Kombination aus Algorithmen, Zusammenfassungen, Tabellen und Volltext attestiert. Die Beliebtheit der einzelnen Elemente sind Tabelle 4 zu entnehmen.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 106
Tabelle 4: Bausteine des Formats von Leitlinien
Algorhythmen
47%
Zusammenfassungen (Abtract)
38%
Tabellen
26%
Volltext
16%
Kombination
55%
Maximale Anwenderversionslänge
2 Seiten
[Quelle: In Anlehnung an Wolff et al., 1998]:
Die Disseminierung und Implementierung von Leitlinien ist im Disease Management
entscheidend, da hier die größten Barrieren für die mangelnde Anwendung von Leitlinien durch Ärzte liegen können [Klazinga et al., 1994; Cabana et al., 1999].
3.4.3 Implementierung
Evidenzbasierte Leitlinien stellen im Disease Management den Rahmen für die Umsetzung einer evidenzbasierten Regelversorgung dar. Bei der Entwicklung, Dissemination, Implementierung und Evaluation von Leitlinien im Disease Management ist
daher größtmögliche Sorgfalt zu verwenden (siehe auch Teil II des Gutachtens). Ggf.
können internationale evidenzbasierte Leitlinien der Entwicklung zugrunde gelegt
und an die Verhältnisse in Deutschland angepasst werden.
3.4.4 Evaluation
Die Effektivität von Leitlinien wurde hinlänglich bewiesen. Grimshaw und Mitarbeiter
begutachteten 1993 neunundfünfzig Studien aus den Jahren 1976 bis 1992. Diese
Arbeiten hatten durchweg Leitlinienempfehlungen gegen übliche Standards verglichen. Die Ergebnisse wurden unter den Aspekten Prozess- und Ergebnisqualität zusammengefaßt [Grimshaw und Russell, 1993]. Dabei wurden alle Studien auf die
Prozessqualität und nur elf auf die Ergebnisqualität hin überprüft. Ein positiver Effekt
im Hinblick auf den Prozess stellte sich bei 86% aller Studien ein und von den elf auf
das Ergebnis hin betrachteten Arbeiten waren immerhin 82% erfolgreich.(Tabelle 5)
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 107
Tabelle 5: Auswertung von Studien, die die Effektivität von Leitlinien bzw. ihrer
Empfehlungen gemessen haben
59 Studien
Von 1976 – 1992
(24 klinische Empfehlungen, 27 präventive Empfehlungen, 8 Verfahrensauswahlen)
59 (=100 %)
51 (= 86 %)
Messung der Prozessqualität
positiver Effekt
11 (= 19 %)
09 (= 15 %)
Messung der Ergebnisqualität
positiver Effekt
[Quelle: Grimshaw und Russell, 1993]
1995 überprüften Grimshaw und Mitarbeiter erneut Leitlinien auf ihre Effektivität hin
[Grimshaw et al., 1995]. Dieses Mal wurde die Verbesserung der Prozess- bzw. Ergebnisqualität gemessen. Es wurden einundneunzig Studien aus den Jahren 1976
bis 1994 berücksichtigt. Bei 87 Arbeiten wurde die Prozessqualität gemessen. Von
den 87 Studien wiesen 89 % eine Verbesserung auf. In den siebzehn Arbeiten, in
denen die Ergebnisqualität gemessen wurde, waren 64,7 % durch eine Verbesserung des Ergebnisses gekennzeichnet.(Tabelle 6)
Tabelle 6: Auswertung von Studien, die die Effektivität von Leitlinien bzw. ihrer
Empfehlungen gemessen haben
91 Studien
von 1976-1994
(35 Klinische Empfehlungen, 34 Präventive Empfehlungen, 22 Verfahrensauswahl)
87 (= 96%) Messung der Prozessqualität
81 (= 89%) Verbesserung (um 0-9% bei >39% der Studien)
17 (= 19%) Messung der Ergebnisqualität
11 (= 13%) Verbesserung (um 0-9% bei >39% der Studien)
[Quelle: Grimshaw et al., 1995]
Die Ergebnismessungen sind generell in Form von:
•
Gesundheitseffekten (erfolgreiche Behandlungsfälle und gewonnene Lebensjahre)
•
ökonomischem Nutzen (direkte und indirekte Kosten sowie intangibler Nutzen)
•
Nutzwerten (qualitätsadjustierten Lebensjahren)
aufgeführt.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 108
Wie die Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten zeigen, wird die Effektivität von
Leitlinien vor allem durch Messungen im Bereich der Kosten überprüft.(Tabelle 7)
Tabelle 7: Evaluierung von Ergebnismessungen durch Leitlinien - Einsatz
Ergebnisse
In % der Fälle
Kosten – Sicherung bzw. Reduzierung
76%
Patientenergebnisse (Mortalität, Mortalität)
65%
Patientenzufriedenheit
47%
Anderes (zunehmender Nutzen)
6%
[Quelle: modifiziert nach Fang et al., 1996]
Fazit:
Evidenzbasierte Leitlinien im Disease Management dienen der Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie in der Regelversorgung, der Qualitätssicherung und der Sicherung der Kosten-Effektivität der Versorgung. Relativ zeitnah durch Leitlinien zu
realisierende ökonomische Effekte sind durch die Anwendung von Leitlinien in dem
Bereich der Arzneimittelausgaben zu erwarten. Medizinische Erfolge könnten durch
ein zeitliches Auseinanderdriften von Kosten und Nutzen der durchgeführten Interventionen anfangs eingeschränkt sein.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 109
4 Patientenschulung
Die Patientenschulung stellt in Disease Management Programmen eine tragende
Säule in der evidenzbasierten Versorgung dar. Sie soll zur Förderung des Selbstmanagements des Patienten dienen. Jedoch ist nicht jede Form der Schulung effektiv.
So haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass insbesondere Schulungen
im Frontalunterricht zwar das Wissen der Patienten über ihre Erkrankung nachweislich steigern, sie führen aber nicht zu einer Verhaltensänderung oder beispielsweise
zu einer verbesserten Stoffwechseleinstellung [Bloomgarden et al., 1987] Daher wurden in den letzten Jahren vermehrt Schulungsansätze propagiert, die auf unterschiedlichen Interventionen wie z.B. Veränderung von Kognitionen beruhen, um eine
Verhaltensänderung sowie eine langfristige Stabilisierung des veränderten Verhaltens zu erreichen [Petermann et al., 1995; Buhk et al., 2001]. Im Zuge der Neustrukturierung der Schulungen wurde auch die Rolle des Patienten neu definiert. Schulungen sollen das „Empowerment“ des Patienten fördern und in erster Linie zu einem
erfolgreichen Selbstmanagement der Erkrankung beitragen. Aus dieser Entwicklung
resultieren die zur Zeit zu beobachtenden Bestrebungen, für den Laien wertneutrale
Begriffe einzuführen, wie beispielsweise „Edukationsprogramme“ [Berger et al.,
2001].
Mangelnde Erfolge von Schulungsprogrammen liegen u.a. in der großen Varianz der
Persönlichkeitsstrukturen bei Patienten und Schulungsleitern gleichermaßen. In erfolgreichen Schulungsprogrammen kommen daher in der Regel unterschiedliche Interventionen wie Gruppenschulung, Verwendung von speziell auf ältere Patienten
zugeschnittene Informationsmaterialien, individualisierte Informationen, Hausbesuche, Einsatz von telefonischen und postalischen Remindern u.a.m. zum Einsatz [Grol
et al., 1991; Kerse et al., 1999]. Bei der Planung von Schulungsinhalten und Konzepten
sollten
insbesondere
folgende
Faktoren
berücksichtigt
werden:
•
Motivation und Erwartungshaltung der Patienten
•
Bildungsniveau und Lernfähigkeit
•
Alter (z.B. mehr Abbildungen und große Schrift für ältere Patienten)
•
Psychosoziale Faktoren (z.B. Einbindung von Angehörigen)
•
Somatische Faktoren (z.B. Patient versorgt sich selbst oder wird von der Ehefrau/
Krankenschwester versorgt)
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
•
Selbstmanagementfähigkeiten
•
Sozialer Status
Seite 110
Die Komplexität der möglichen Einflussfaktoren zeigt sehr deutlich, dass standardisierte, starre Schulungsmethoden nicht zu langfristigen, erfolgversprechenden Verhaltensveränderungen führen können.
4.1 Formen der Wissensvermittlung
„Wissenstransfer“ sollte bedarfsorientiert erfolgen. Unabhängig von den Inhalten sollten bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein:
•
Schulungsraum (Gruppengröße entsprechend, adäquate Ausstattung)
•
Erfolgversprechend sind sowohl geschlossene, homogene Gruppen (Alter, Bildung, Sozialstatus, Risikostratifizierung) als auch gemischte Gruppen, wenn dies
didaktisch-methodisch berücksichtigt wird
•
Kontinuität (zeitlich und inhaltlich und besonders auch sektorenübergreifend)
•
Struktur
•
Organisation (stationär und ambulant)
•
Schulungen im stationären und ambulanten Bereich sollten sich an diesen
Rahmenbedingungen orientieren.
Einzelschulung
Einzelschulungen sind personal- und zeitintensiv. Sie haben jedoch einen großen
Effekt auf die Betroffenen [Campbell et al., 1996]. Besonders effektiv sind Einzelschulungen vor allem dann, wenn sie durch in Schulungen versierte Ärzte oder anderes medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden und in Kombination mit anderen Schulungsmethoden eingesetzt werden [Campbell et al., 1996; Grol et al., 1991;
Kerse et al., 1999]. Solche Einzelschulungen durch den Arzt können beispielsweise
im Rahmen von speziellen Diabetessprechstunden oder Diabetestagen durchgeführt
werden. Allerdings ist dazu in der Regel eine Umstrukturierung von Praxisroutinen
notwendig (siehe Kapitel Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung).
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 111
Gruppenschulung
Die Problematik in der Gruppenschulung lag bisher in der unreflektierten Zusammensetzung des Lernstoffs und der Patienten. Somit konnte ein effektiver Erfolg der
Schulung nicht gewährleistet werden [Campbell et al., 1996]. Weiterhin bestanden
bisher nur wenige Möglichkeiten, auf die individuellen Probleme der Patienten einzugehen. Dessen ungeachtet haben sich Gruppenschulungen besonders dann als
wertvoll erwiesen, wenn Betroffene von Gleichbetroffenen lernen können [Haisch et
al., 1996]. Dazu muss allerdings von dem traditionellen Konzept der Frontalschulung
abgewichen werden. Dem Schulenden kommt vielmehr die Rolle eines Moderators
der Patientengruppe zu, ohne dass dabei die gezielte Wissensvermittlung vernachlässigt wird.
Die Aufgabe der Wissensvermittlung erfüllt die Gruppenschulung immer dann, wenn
•
spezifische Inhalte der Risikostratifizierung
•
verschiedene Elemente der Vermittlung
•
praktische Umsetzungen
•
nachträgliche Einzelschulungen
kombiniert werden. Zusätzlich sollten die schon erwähnten Aspekte der Didaktik berücksichtigt werden. Zusätzlich zu Gruppenschulungen oder im Anschluss kann die
individuelle Problematik des Patienten in Einzelschulungen, z. B. durch den Arzt oder
den Koordinator, aufgegriffen werden.
Sonderform: Selbsthilfe–Gruppe
Die Selbsthilfe–Gruppen weisen einen großen Effekt auf die Änderung des Verhaltens sowie die Stabilisierung der Verhaltensänderung der Patienten auf [Severson et
al., 2000; Gray et al., 2000; Stotzner, 2001]. Der Austausch von Informationen –
auch über alltägliche Probleme – mit Gleichbetroffenen führt zu einer höheren Akzeptanz von angestrebten Verhaltensweisen. Neben den theoretischen Aspekten werden auch praktische Hilfen angeboten. Selbsthilfe– Gruppen sollten unverzichtbarer
Bestandteil eines jeden Schulungsprogramms sein.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
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4.2 Strukturierte Behandlungs- und Schulungsprogramme
Den Kern von strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogrammen bilden Gruppenschulungen. Sie sind im Allgemeinen strukturell und inhaltlich auf ein bestimmtes
Patientengut abgestimmt. Eine größere Individualität ist in der Regel nicht gegeben,
da keine individuelle Nach- oder Mitbetreuung mit Ausnahme von z.B. Einzeldiätberatungen erfolgt.
Biopsychosoziales Schulungsmodell
Sie betrachtet den Patienten mit seinen psychischen, sozialen und somatischen Faktoren als Einheit. Entsprechend versucht sie Information auf allen drei Ebenen zu
berücksichtigen, indem sie die Inhalte herkömmlicher Schulungen unter Berücksichtigung individueller Attributionsprozesse vermittelt [Haisch et al., 1995; Haisch et al.,
1996 a + b; Stock et al., 1995]. Eine Risikostratifizierung wird in der Regel nicht angestrebt, da die Heterogenität der Gruppe für den Lernerfolg erwünscht ist.
4.3 Materialien der Wissensvermittlung
Wie bereits erwähnt, setzen erfolgreiche Schulungsprogramme unterschiedliche Bestandteile zur Wissensvermittlung und Verhaltensänderung ein. Im Folgenden werden unterschiedliche Bestandteile vorgestellt, die später im Kontext ausführlicher erläutert werden.
Schriftliche Materialien
Schriftliche Informationen sollten speziell auf Risikogruppen, Altersgruppen sowie
soziale Gruppen abgestimmt werden. Studien belegen wiederholt, dass gezielte und
individualisierte Informationen einen weitaus größeren Effekt haben als ungezielte
Informationen [Campbell et al. 1994; Skinner et al. 1994; von Stackelberg und Kraus,
2000].
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
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Audiovisuelle Materialien
Audiovisuelle Materialien können unterstützend insbesondere zur Wiederholung und
Erinnerung des Gelernten eingesetzt werden. Die Wissensvermittlung über verschieden Kanäle unterstützt das Verständnis komplexer Sachverhalte. Die Merkfähigkeit
ist über audiovisuelle Systeme größer als über ein Schriftbild vermittelte Information.
Computergestützte Lernsysteme
Diese Art der Wissensvermittlung kann insbesondere für jüngere Patienten eine spielerische Form des Wissenstransfers sein. Den älteren Generationen ist diese Form
häufig noch nicht geläufig. Jedoch zeigt die stetig wachsende Zahl der Anmeldungen
von Senioren an Computer- bzw. Internetkursen in Volkshochschulen ein steigendes
Interesse am Umgang mit dem Medium. Häufig werden computergestützte Informationssysteme auch von pflegenden Angehörigen zur Informationsbeschaffung benutzt.
Durch Datenträger vermittelte Schulungsformen, wie z.B. Internet oder CD, können
ebenfalls eingesetzt werden, wenn der Zugang zu anderen Informationsquellen erschwert ist (z.B. in ländlicher Umgebung).
4.4 Empfohlenes Gesamtkonzept für die Patientenschulung im Disease Management
Beispielhaft soll im folgenden ein modifiziertes Konzept zur Schulungsthematik und
ihrer Qualitätskriterien anhand der von der „Arbeitsgemeinschaft Strukturierte Diabetestherapie“ für Diabetiker – Schulungen geforderte Qualitätsmaßstäbe geschildert
werden.
4.4.1 Anforderungen an schulende Institutionen
„Train the trainer“– Konzept
In Anlehnung an die von der „Arbeitsgemeinschaft Strukturierte Diabetestherapie“
entworfenen Katalog an Qualitätskriterien für Schulungseinrichtungen ergeben sich
folgende Eckpunkte, die Schulungsleiter in regelmäßigen Abständen in Form einer
Hospitation an einer Diabetes – Einrichtung abfragen sollten:
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 114
Lernzielkatalog und Umsetzung:
•
Curriculum
•
Medien
•
Materialien
•
Strukturierter Unterricht
•
Praktische Übungen (Selbstkontrolle, Büffett, Restaurant, Sport, Fußpflege, Kochen, Dosisanpassung, Hypoversuch)
•
Entscheidungsfreiheit
Teaminteraktion:
•
Teambesprechung
•
Gruppendynamik
•
Informationsaustausch über Patienten
•
Konsens
•
Umgang miteinander
•
Partnerschaftliche Mitentscheidung
•
Kritikfähigkeit (aktiv– passiv; nach innen–nach außen)
•
Arztkontrolle
•
Rolle des Teams im Hause
Hospitationsakzeptanz:
•
Freundliche, offene Aufnahme
•
Information
•
„In die Karten schauen lassen“
•
Begründung für eventuelle Begrenzungen/ Ausschluss an der Teilnahme
4.4.2 Anforderungen an die Schulungsleiter
•
Alle 2 Jahre: Hospitation eines kompletten strukturierten Behandlungsprogrammes für intensivierte Insulintherapie (mindestens fünf Tage) durch kompetente
Mitglieder einer anderen Behandlungseinrichtung
•
Alle 3 Jahre: persönliche Nachuntersuchung einer Stichprobe von mindestens 50
Patienten mit Typ 1 Diabetes 12–15 Monate nach einer Teilnahme am strukturierten Behandlungsprogramm
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
•
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Öffentliche Vorstellung und Diskussion des Hospitationsberichtes und der Evaluationsergebnisse der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft
4.4.3 Anforderungen an das Schulungsprogramm
Entsprechend den Anforderungen an die Lehrenden bestehen auch Anforderungen
an das Schulungsprogramm, die mit der nachfolgenden Checkliste überprüft werden
können:
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 116
Checkliste zur Patientenschulung:
Prozess:
(1) Involvierung von Patienten während des gesamten Entwicklungsprozesses
(2) Involvierung eines multidisziplinären Teams
(3) Konkretisierung des Informationsinhaltes und der Zielgruppe
(4) Berücksichtigung von Informationen auch für Minderheiten
(5) Berücksichtigung von Evidenzen und, wenn vorhanden, von Metaanalysen
(6) Übernahme von Elementen aus Entscheidungsunterstützungen
(7) Kosten-Nutzen-Analysen
(8) Entwicklung einer Implementierungsstrategie
(9) Evaluierungskonzept eingesetzter Elemente
(10)
Periodische Evaluierung und Erneuerung
(11)
Veröffentlichung der Evaluierungsdaten
Inhalt:
(1) Ausrichtung an Patientenfragen
(2) Klärung von gemeinsamen Zielen und Ausräumung von Missverständnissen
(3) Informationen basieren auf evidenzbasierten Leitlinien
(4) Einschließlich eindeutiger Informationen über Verbesserungen und Risiken
(5) Einschließlich individueller Informationen (patientenbezogen)
(6) Einschließlich anderer Quellen für weiterführende Informationen
(7) Einschließlich Fragen und Checklisten zur Arztkonsultation
(8) Inhalt und Form weisen keinen bestrafenden oder autoritären Charakter auf
(9) Strukturierung und Konzipierung mit verständlichen Illustrationen
(10)
Angaben über Autorenschaft und „Interessenskonflikte“ (Sponsoring)
(11)
Einschließlich Quellenangabe und wissenschaftliche Bedeutung
(12)
Einschließlich des Datums der Publikation
Quelle: [modifiziert nach Coulter et al.,1999]
Nachfolgend wird beispielhaft für den Diabetes Mellitus ein Schulungsmodell vorgestellt (siehe Anhang).
Zunächst sollten die Patienten mittels eines standardisierten Fragebogens auf mögliche Einflussfaktoren überprüft werden. Das ermöglicht es, frühzeitig mögliche Barrieren in der Compliance zu identifizieren und legt Schulungsstrategien fest.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 117
Anschließend werden die Patienten in geeignete Kleingruppen eingeteilt. Je nach
Schulungskonzept können dabei heterogene oder homogene Gruppen gebildet werden. In Versorgungsgebieten, in denen das Patientenkollektiv für Gruppenbildungen
nicht ausreicht, ist die Durchführung von Einzelschulungen sinnvoll.
Ein Patientenkollektiv wird in einer gemeinsamen Einführungsveranstaltung in Form
eines maximal 20 Minuten dauernden Frontalvortrages in die Thematik eingeführt.
Anschließend sollten sich die vorab zusammengestellten Kleingruppen nach einer
Pause zur ersten Schulungsrunde mit ihrem Moderator zusammenfinden. Findet diese erste Runde nicht im Anschluss an der Einführungsveranstaltung statt, so ist mit
einer Minderung der Compliance um 50% zu rechnen. Durch den sofortigen Einsatz
der Kleingruppen erscheint aus Sicht der Patienten die Beachtung der Individualität
gegeben.
Die nächsten Treffen sind zeitnah anzusetzen. Die Kleingruppen bleiben erhalten
und werden nun unter Berücksichtigung von nachfolgenden Schulungskriterien mit
ihrer Krankheit im Alltag und dem entsprechenden Verhalten vertraut gemacht:
•
Klare Zielvorgaben
•
Motivationsarbeit vor und während der Schulung
•
Kurze Lernsequenzen mit längeren Pausen
•
Aufwärmphasen / Lockerungsübungen in den Pausen
•
Kontinuierliche Würdigung von Lernbemühungen
•
Einsatz von Arbeitsblättern zur Vor- und Nachbereitung
•
Möglichst Tadel vermeiden, um Angst und Unsicherheit zu reduzieren
•
Soviel Theorie wie nötig, soviel Praxis wie möglich
•
Beschränkung auf alltagsrelevantes Wissen (kein Detailwissen)
•
Eingehen auf die persönlichen Erfahrungen der Patienten
•
Häufiger Medienwechsel (Vortrag, Diskussion, Gruppenspiele, praktisches Üben)
•
Ausreichend Zeit
•
Einfache und verständliche Formulierungen
•
Übersichtliche Gestaltung des Lernmaterials (Visualisierung)
•
Reduzierung der Informationsmenge pro Zeiteinheit
•
Minimierung von Ablenkungen, Konzentration auf eine Lernaufgabe pro Zeiteinheit
•
Häufiges Wiederholen der wesentlichen Inhalte in verschiedenen Kontexten
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
•
Seite 118
Kleine Gruppengrößen.
[in Anlehnung an Buhk und Lotz-Rambaldi, 2001]
Neben diesen Kriterien sollten folgende pädagogische Aspekte berücksichtigt werden:
•
Technische Aspekte (Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Fremdwörter, Erklärungen)
•
Psychologische Aspekte
•
Gespür für Ängste/ Wünsche
•
„Wohlfühlatmosphäre“
•
Zulassen von Problemen
•
Ehrlichkeit/ Transparenz
•
Patientenselbständigkeit/ Entscheidungsfreiheit
Weiterhin sollten inhaltliche Kriterien erfüllt sein, die anhand einer nachfolgenden
Auflistung überprüft werden können:
Patienten benötigen:
•
Informationen über ihre Erkrankung
•
Informationen über ihre Prognose
•
Informationen über Beratungsstellen
•
Aufklärung über Tests, deren Ergebnisse und mögliche Therapieoptionen
•
Hilfestellung bei der Selbstversorgung
•
Informationen über Pflegedienste
•
Informationen über Selbsthilfe – Gruppen
•
Beruhigung
und
Hilfe
für
die
Patienten
und
ihr
soziales
Umfeld
zur
Krankheitsbewältigung
•
Informationen über Komplikations- und Folgekrankheiten
[In Anlehnung an Coulter et al., 1999]
Ergänzt werden diese Kleingruppenunterrichte noch durch Einzelschulungen. Hier ist
die Anzahl und der Umfang der jeweiligen Einheiten individuell verschieden. Patient
und Koordinator, der gegebenenfalls die Einzelunterrichte führt, können gemeinsam
entscheiden.
Disease Management in Deutschland – Leitlinien und Patientenschulung
Seite 119
Der zusätzliche Einsatz von Selbsthilfe- Gruppen ist wünschenswert. Die Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte und Studien belegen dies auch, dass sie den größten Effekt auf Verhaltensänderungen aufweisen [Severson et al., 2000; Gray et al.,
2000; Stotzner, 2001]. Zur Unterstützung von Schulungen sind auch die folgenden
Disease Management Komponenten geeignet:
•
Einsatz von Remindersystemen (telefonisch und postalisch): Sie können beispielsweise gezielt an Schulungsinhalte oder Inhalte von Patientenselbstverträgen erinnern
•
Einsatz von Informationssystemen: Informationssysteme können ergänzende Informationen bereitstellen. Sie sind unabhängig von Schulungszeiten jederzeit verfügbar und nutzbar
•
Einsatz eines Krankheitskoordinators: Der Koordinator kann Schulungen sektorenübergreifend koordinieren, im Rahmen der ambulanten Nachbetreuung nach
Krankenhausaufenthalten Einzel- oder Gruppenschulungen durchführen, zusätzliches, spezifisches Informationsmaterial zur Verfügung stellen sowie das Remindersystem steuern
•
Einsatz von Selbsthilfe - Gruppen
•
Gezielte Fortbildungen für Ärzte und andere Schulende: Verschiedene Studien im
Rahmen von Disease Mangement zeigen verbesserte Patientenergebnisse, wenn
der Arzt und das Schulungsteam durch gezielte Fortbildungen unterstützt werden.
Dies trifft auch zu, wenn der Arzt nicht primär zum Schulungsteam gehört.
Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Schulungen eine gewisse temporäre Kontinuität aufweisen müssen. Daher ist zu empfehlen, unabhängig von der Erstschulung
bzw. den individuellen Einzelschulungen, dass bei der Management– Gruppe 1 eine
Schulungsintensität von einer Schulung pro Jahr, bei der Management– Gruppe 2
von zwei Schulungen pro Jahr und bei der Management– Gruppe 3 vier Schulungen
pro Jahr durchgeführt werden(zur Einteilung der Management - Gruppen siehe Kapitel Vorschlag zum Aufbau eines Disease Management in Deutschland).
Es wird deutlich, dass die Schulung multidisziplinär und vielschichtig entwickelt und
durchgeführt werden muss. Der Erfolg des Disease Management Programms ist
maßgeblich von der Qualität der Schulungen abhängig. Sie beeinflussen die Compliance der Patienten entscheidend mit.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 120
5 Erinnerungssysteme im Disease Management
Erinnerungs- oder Remindersysteme sollen Arzt und Patient in Form eines Feedbacks mit Informationen zu definierten Indikatoren der Prozess - und Ergebnisqualität
im Rahmen medizinischer Behandlungen unterstützen [Murrey et al, 1992]. Sie gehören zu den maßgeblichen Implementierungsinstrumenten eines Disease Management Programms.
Im Gutachten wird mit folgender Definition von Erinnerungssystemen gearbeitet:
Definition: Unter Erinnerungssystemen bzw. Remindern werden alle Arten von
Feedback – Mechanismen verstanden, mit denen Arzt und Patient Informationen zu
Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität vermittelt werden können. Sie umfassen beispielsweise postalische, telefonische und computergestützte Systeme.
Remindersysteme unterstützen in der Gesundheitsversorgung die Qualitätssicherung
bzw. tragen zu dieser bei [Strom, 2001]. Im Einzelnen sollen Erinnerungssysteme
Arzt und Patient an durchzuführende Untersuchungen und/oder Kontrollmessungen
erinnern, über Untersuchungs- bzw. Laborergebnisse oberhalb bestimmter Zielwerte
informieren oder vereinbarte Selbstmanagementverhaltensformen einleiten. Das
Feedback kann zugleich mit Empfehlungen für bestimmte Handlungsmaßnahmen für
Arzt und Patient verknüpft werden, wie z.B. bisher nicht erfolgte Untersuchungen
noch durchzuführen oder Werte durch erneute Kontrollmessungen zu überwachen.
Auch Empfehlungen zu verhaltensändernden Maßnahmen zur Reduzierung von kardiovaskulären Risikofaktoren können gegeben werden. Der Einsatz der Erinnerungssysteme kann durch einen Disease Management Koordinator oder durch die Krankenkasse gesteuert werden. Voraussetzung ist eine vollständige, valide und standardisierte Dokumentation für jeden Patienten sowie eine zentrale Speicherung aller
Daten bei der Kasse bzw. die Speicherung relevanter Daten bei einem Krankheitskoordinator (z.B. Call Center). Dies kann z.B. in Form des Benchmarkingdatensatzes
erfolgen (siehe Kapitel Datenmanagement, Dokumentation und Datenbanken
Disease Management).
im
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 121
Der Einsatz von Reminder ist unabdingbar an die gewonnen Daten gebunden, deren
Erhebung durch entsprechende datenschutzrechtliche Vorgaben geregelt ist.
5.1 Bedeutung und Funktion von Erinnerungssystemen im Disease Management
Insbesondere in drei medizinischen Versorgungsbereichen wurden in der Vergangenheit Reminder erfolgreich eingesetzt: Zur Verbesserung der Inanspruchnahme
und Durchführung kardiovaskulärer ambulanter Präventionsleistungen, Impfungen
und Screeningmaßnahmen im Rahmen der Krebsvorsorge [McPhee et al., 1989;
Ornstein et al., 1991; Shea et al., 1996]. Aber auch im Rahmen von Disease Management Programmen liegt zunehmend Evidenz für einen effektiven Einsatz von Remindersystemen vor [Knox et al., 1999]. Erinnerungssysteme können sowohl für den
Arzt wie auch für den Patienten eingesetzt werden. Für beide Zielgruppen erfüllen sie
unterschiedliche Funktionen.
5.1.1 Funktion von Remindern für den Arzt
Ziel des Disease Management ist es u.a. mit Hilfe evidenzbasierter medizinischer
Leitlinien eine qualitätsgesicherte und eine auf Evidenz basierende Standardisierung
in der Behandlung chronischer Erkrankungen zu erreichen, um die zum Teil große
Varianz in der Behandlung zu verringern. Disease Management soll dazu beitragen,
dass evidenzbasierte Therapieempfehlungen flächendeckend umgesetzt werden.
Nationale wie internationale evidenzbasierte Leitlinien liegen in der Regel zu allen
chronischen Erkrankungen vor. Trotzdem werden sie von Ärzten häufig nicht angewandt [Klazinga et al., 1994; Cabana et al., 1999]. Oft werden einfache evidenzgesicherte Untersuchungen in der Behandlung chronisch Kranker durch den Arzt nicht
durchgeführt, obwohl die Leitlinie diese Untersuchungen klar fordert [Brechner et al.,
1993; Litzelman et al., 1993]. Mit diesen einfachen Untersuchungen, wie z.B. die regelmäßige Fußinspektion bei Diabetikern, könnten Folgekomplikationen frühzeitig
erkannt und Spätkomplikationen verringert werden.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 122
Dass Ärzte vorhandene evidenzbasierte Leitlinien nicht anwenden, kann u.a. an folgenden Punkten liegen [Harris et al, 1990; Jaques et al, 1991; Tunis et al., 1994]:
•
Leitlinien sind den Ärzten nicht bekannt ,
•
Leitlinien sind den Ärzten zwar bekannt, werden aber von ihnen nicht angewendet. Ursache kann sein:
•
Dass Leitlinien von Ärzten als nicht bedeutend empfunden werden oder
•
Dass Leitlinien von Ärzten nicht akzeptiert werden.
Hier setzt eine wesentliche Funktion von Remindern für den Arzt an. Durch die Verwendung von Erinnerungssystemen im Disease Management soll der Arzt Feedback
bezüglich seiner therapeutischen Vorgehensweise und seiner „Erfolgsquote“ bei der
Umsetzung der Leitlinien erhalten. Damit können Arzt – Reminder im Disease Management dazu beitragen, dass evidenzbasierte Leitlinien den Ärzten stärker bewußt
werden, deren Einsatz für eine qualitätsgesicherte Versorgung im verstärkten Maße
gefördert werden und eine verbesserte Leitlinienumsetzung in der Behandlung chronisch Kranker in der Praxis unterstützt wird [Tierney et al., 1986; Chambers et al.,
1989; Weingarten et al., 1994; Lobach et al., 1994; Lobach, 1996; Legorreta et al.,
1997]. Reminder können Ärzten eine Rückmeldung zu den von ihnen durchgeführten
bzw. veranlassten Fremduntersuchungen geben. Der Arzt kann daran erinnert werden, entsprechend der Leitlinien vorgesehene Untersuchungen durchzuführen und
zu dokumentieren [Nilasena et al., 1995]. Er kann sofort informiert werden, wenn bestimmte Untersuchungen nicht erfolgten. Des weiteren können Reminder den Arzt
über spezifische medizinische Werte eines Patienten informieren und ihn erinnern,
dass sie oberhalb des erwünschten Zielwertes liegen (z.B. der Blutdruck oder der
Cholesterinwert). Es können ihm dann Empfehlungen zu weitergehenden Interventionen gegeben werden, beispielsweise eine erneute Kontrolluntersuchung beim
nächsten Patientenbesuch durchzuführen [Barnett et al., 1983; Gorman et al., 2000].
Über den Einsatz von Remindern kann der Arzt durch gezielte und zeitnahe Informationen in seiner Therapie unterstützt werden. So können u. a. akute Notfallsituationen
bei chronischen Erkrankungen, wie z.B. akute Hypo- bzw. Hyperglykämien bei Diabetikern, verringert und sonst notwendige Krankenhauseinweisungen reduziert werden [Gorman et al., 2000; Shah et al., 1998].
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 123
In Tabelle 1 sind die Funktionen von Remindern für Ärzte zusammengefaßt.
Tabelle 1: Arztreminder im Disease Management
Funktion von Arzt-Remindern im Disease Management
Unterstützung bei der Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien in die
Regelversorgung
Feedback zu durchgeführten bzw. Erinnerung an nicht durchgeführte
Untersuchungen entsprechend evidenzbasierter Leitlinien
Feedback zu untersuchten medizinischen Parametern des Patienten, die
oberhalb des Zielwertes liegen
Unterstützung ärztlicher Verhaltensänderungen in der Behandlung
chronischer Erkrankungen
Verbesserung der Dokumentation durchgeführter Maßnahmen und
Untersuchungsergebnisse
Rechtzeitiges Erkennen akuter Notfallsituationen bzw. Komplikationsund / oder Begleiterkrankungen chronischer Erkrankungen und damit
Verringerung nicht notwendiger Krankenhauseinweisungen
Verstärkung ambulanter Präventionsmaßnahmen in der Behandlung von
Risikofaktoren chronischer Erkrankungen
[Quelle: Eigene Darstellung]
5.1.2 Funktion von Remindern für den Patienten
Im Disease Management kommt dem Patienten eine aktive Rolle in der Behandlung
seiner Erkrankung zu (Empowerment - Ansatz). U.a. soll er im Selbstmanagement
seiner Erkrankung unterstützt und gefördert werden. Dazu tragen Patienten – Reminder bei. Zum Beispiel können mit Hilfe von Remindern Patienten systematisch an
ihre regelmäßigen Untersuchungs- bzw. Kontrolltermine beim Arzt erinnert werden
[Ornstein et al., 1991; McDonald J. et al., 2000; Khanna et al., 2001; Mayer et al.,
2000; McBride et al., 1999]. Um den Patienten im Disease Management in die gewünschte aktive Rolle versetzen zu können, werden auch ihm evidenzbasierte Leitlinien in Form laienverständlich aufbereiteter Patientenversionen zur Verfügung gestellt (siehe Kapitel Evidenzbasierte Leitlinien). Die Einhaltung der Patientenleitlinien
kann mit dem systematischen und gezielten Einsatz von Remindern unterstützt werden [Halbert et al., 1999; Wagner 1998]. So kann ihm u.a. Rückmeldung über häuslich durchzuführende Selbstmessungen, wie z.B. entsprechend der Patientenleitlinie
empfohlenen Blutzuckerselbstmessungen oder Blutdruckkontrollen, gegeben werden
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
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[McDowell et al., 1989; Ahring et al., 1992; Piette, 1999]. Durch systematisches
Feedback wird der Patient bei der regelmäßigen Dokumentation seiner Selbstmessungen und bei der Weitergabe seiner Werte an den Disease Management Koordinator unterstützt. Zusätzlich können entsprechende Empfehlungen gegeben werden,
zu welchem Zeitpunkt z.B. der Arzt zu kontaktieren ist, wenn bestimmte Werte nicht
in gewünschten Bereichen liegen, oder ob beim nächsten Arztbesuch der Arzt gezielt
auf diese Werte hinzuweisen ist. Reminder fördern auch Empfehlungen zu verhaltensändernden Maßnahmen. Die Verringerung seiner Risikofaktoren können dem
Patienten beispielsweise als Ratschläge zur Ernährung, zur Gewichtsreduktion oder
zur Raucherentwöhnung mitgeteilt werden. Ebenso dienen sie zur Erinnerung an
selbstgesteckte Therapieziele [Borland et al., 2001; McBride et al., 1999; Revere et
al., 2001]. Schließlich kann Patienten mit systematischer Rückmeldung durch Reminder auch das Gefühl vermittelt werden, dass der Patient sich als chronisch Kranker
mit spezifischen Belangen im Disease Management Programm auf hohem Qualitätsniveau aktiv und kontinuierlich gut versorgt fühlt.
Mit der „Erinnerungsunterstützung“ und dem Feedback zu medizinischen Parametern
über Reminder erfolgt kein Eingriff in die Autonomie des Arztes. Der Patient wird
ausschließlich im Rahmen der Behandlung über seine medizinischen Werte und seine Risiken informiert.
Tabelle 2 fasst die Bedeutung von Remindern für Patienten im Disease Management
noch einmal zusammen.
Tabelle 2: Patienten-Reminder im Disease Management
Funktion von Patienten-Remindern im Disease Management
• Verbesserung der Einhaltung von ärztlichen Untersuchungs- bzw.
Kontrollterminen
• Unterstreichung der Wichtigkeit von einzuhaltenden Selbstkontrollmessungen
• Stärkung des Verantwortungsbewußtseins und des Selbstmanagements des
Patienten für seine Erkrankung und Unterstützung seiner Rolle als
gleichberechtigter aktiver Partner im Disease Management Programm
(Empowerment - Ansatz)
• Verstärkung positiver Verhaltensänderungen hinsichtlich der Vorbeugung
bzw. Ausschaltung von Risikofaktoren
• Verbesserung der Patientendokumentation von häuslich durchzuführenden
Kontrollmessungen
• Steigerung der Aufmerksamkeit der spezifischen Belange chronisch Kranker
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 125
Tabelle 3 gibt einen Überblick über Studien, die den Einsatz von Remindersystemen
bei Arzt und Patient in der Gesundheitsversorgung und die damit erzielten Ergebnisse untersucht haben.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 126
Tabelle 3: Auswahl von Studien zum Einsatz von Erinnerungssystemen
Autor
Methodik
Barnett et al., Computergenerierter Reminder zur Bluthochdruckbehandlung für
1983
Hausärzte. Die Reminder wurden basierend auf einer zenralen
Datenbank mit EDV - Gestützten automatisierten Patientenakten in
einem medizinischen Zentrum automatisch erstellt und dem Hausarzt
zugeschickt. Zu aktuellen erhöhten Blutdruckwerten wurden
Empfehlungen zur Wiedereinbestellung und Kontrolle des Patienten
gegeben
Borland et
Telefonreminder zur Raucherentwöhung : Telefonberatung und –kontakte
al., 2001
für Patienten während der Raucherentwöhnungsperiode
Buntinx et
al., 1993
Eccles et al.,
2001
Halbert,
1999
Ergebnisse
Regelmäßige Blutdruckkontrollen erfolgten bei 85% der Patienten, zu
denen der Arzt den Reminder erhielt im Vergleich zu 25%
Blutdruckkontrollen bei Patienten zu denen der Arzt keinen Reminder
erhielt.
Therapieziel (diastolischer Blutdruck < 100 mmHg) konnte mit
Reminder in 51 % der Fälle erreicht werden, ohne Reminder in 33%.
Aus der Kontrollgruppe (kein Reminder) hörten13 % mit dem Rauchen
auf im Vergleich zu 24 % in der Gruppe, die Reminder und
Telefonberatung erhielten; eine Steigerung der Erfolgsrate um 84%.
Review über 26 Studien zum Einsatz von Remindern und anderen
Insbesonders bei Präventions- bzw. Vorsorgemaßnahmen konnten
Feedbackmethoden.
Reminder erfolgreich eingesetzt werden.
Die Zahl diagnostischer Tests konnte über Feedbackmechanismen
reduziert und die Einhaltung von Leitlinien verbessert werden.
Einsatz von „educational reminders“ für Hausärzte in England zur
Routine – Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule und des Knies
Verringerung nicht indizierter Überweisungen ihrer Patienten zu
durch Hausärzte konnte durch den Remindereinsatz um 20 %
Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule und des Knies. Den Hausärzten verringert werden.
wurde per Post anwenderaufbereitete Leitlinien zur Indikation von
Röntgenuntersuchungen zugeschickt. Bei jedem Röntgenbericht für den
Hausarzt wurden Hinweise bzw. Erinnerungen zur Leitlinie mit beigefügt,
z.B. „Routine-Röntgen ist bei erwachsenen Patienten mit
Kniebeschwerden ohne schwere äußere Knieveränderungen bzw. ohne
Bewegungsenschränkung nicht indiziert“.
Diabetespatienten einer HMO erhielten alle neben Schulungsmaterial
Mit Beginn der Reminderaktion stieg der Prozentsatz der
Reminderbriefe zur regelmäßigen Augenuntersuchung. Die
Augenuntersuchungen in beiden Remindergruppen signifikant an im
behandelnden Ärzte erhielten eine Liste ihrer Patienten mit dem
Vergleich zu vorher (ohne Reminder).
jeweiligen Status zu Augenuntersuchungen, zusätzlich Guidelines zu
Prozentsatz von Augenuntersuchungen bei Diabetikern, die mehrere
Augenuntersuchungen bei Diabetikern. Untersucht wurden der Einsatz
Reminder (vier Briefe) erhielten war (schwach) signifikant höher als
mehrerer Reminderbriefe (vier Briefe) im Vergleich zu nur einem
bei Patienten mit nur einem Reminder. Nach 6 Monaten nahm der
Reminderbrief für Patienten
Effekt wieder ab. Effekte des 3. und 4. zusätzlichen Reminders waren
gering.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 127
Khoury et al., Arztreminder zur Untersuchung und Einstellung von LDL
2001
Cholosteinwerten bei Patienten einer HMO mit koronarer Herzkrankheit.
Verwendet wurden EDV-generierte standardisierte Informationsblätter für
den Arzt zu jedem Patienten mit Informationen zu bisherigen LDL
Messungen und Erinnerung an ausstehende Messungen.
Litzelman et Vergleich von EDV-generierten Routine-Reminder für Ärzte zur
al., 1993
Durchführung von Krebsvorsorgeuntersuchungen, die eine Rückantwort
vom Arzt verlangten in der Art, dass auf dem Reminderzettel angekreuzt
werden musste: Test durchgeführt /Test heute angeordnet /Test kann für
Patienten nicht verwendet werden /Patient verweigerte /Durchführung
beim nächsten Besuch.
Lobach,
E-mail Reminder für Ärzte zur Einhaltung von Leitlinien in der
1996
Diabetesbehandlung: Ärzte an einer Klinik behandelten Patienten mit
Unterstützung eines computerassistierten Management- Protokolls
(CAMP; siehe auch Lobach et al., 1994) und elektronischen
Patientenakten. Zweimal pro Woche erhielten sie via E-mail einen
computergenerierten Bericht über ihre Einhaltung der auf den Leitlinien
basierenden Behandlungsempfehlungen.
Lobach et al., Einsatz eines computer-gestützten Management Protokolls (CAMP) für
1994
Ärzte zur Behandlung von Diabetespatienten in einer Klinik
(Patientendaten wurden in der Klinik alle elektronisch erfasst). Das
CAMP basiert auf Standards der American Diabetes Association.
Untersucht wurde die Einhaltung der Standards in der
Diabetesversorgung durch Ärzte, die über CAMP daran erinnert wurden
im Vergleich zu Ärzten ohne Reminder.
Mayer et al., Patientenreminderbriefe zur Verbesserung der Teilnahme an jährlicher
2000
Vorsorge – Mammographie in der Brustkrebsvorsorge bei Frauen im Alter
von 50-74 Jahren in den USA
McBride et
Literatur- Review über 74 randomisierte Studien zum Einsatz des
al., 1998
Telefons als Reminder bzw. Informationssystem. Untersucht wurden
unterschiedliche Telefoneinsatzmöglichkeiten (reaktiver Einsatz, z.B.
Hotlines oder proaktiver Einsatz, d.h. der Patient wurde angerufen) bzgl.
i) Förderung von Verhaltensänderungen, ii) Verbesserung der Effektivität
von Gesundheitsleistungen und iii) der Erweiterung und Verbesserung
der Reichweite angebotener Gesundheitsleistungen. Das Telefon wurde
für alle Bereiche der Gesundheitsversorgung verwendet (chronische
Erkrankungen, Sucht, Präventionsmaßnahmen, Krebsvorsorge usw.).
Zahl der Patienten, bei denen bisher nicht systematisch die LDL
Werte dokumentiert wurden, reduzierte sich in einem Jahr von 30 %
auf 18%.
Zahl der Patienten, die ihren LDL Zielwert erreichten stieg von 10 %
auf 27%.
Compliance bezüglich der Einhaltung von Leitlinienempfehlungen
wurde bei Ärzten, die einen Reminder erhielten, der eine Rückantwort
vom Arzt verlangte, um 21 % verbessert im Vergleich zu den Ärzten,
die den Reminder erhielten ohne eine Rückantwort geben zu müssen.
Ärzte, die über E-mail eine Erinnerung bzw. eine Zusammenfassung
ihrer bisherigen Befolgung von Leitlinienstandards in ihrer Therapie
erhielten zeigten eine signifikante Verbesserung in der Einhaltung von
Leitlininen im Vergleich zu Ärzten, die keinen E-Mail Reminder
erhielten.
Reminder über das computer-gestützte Management- Protokoll für
Ärzte bewirkten eine signifikante Verbesserung in der Einhaltung von
Standards und Leitlinie durch im Vergleich zu den Ärzten ohne
Reminderunterstützung.
68% mehr Frauen, die Reminderbriefe erhielten, erschienen im
folgenden Jahr zur erneuten Mammographieuntersuchung wieder.
Ein proaktiver Telefoneinsatz zur Beratung und Erinnerung zeigte
bessere Erfolge, gewünschte Zielgruppen und Verhaltensänderungen
zu erreichen als ein reaktiver Einsatz, bei denen der Patient selbst
aktiv das Angebot z.B. einer Hotline bzw. Helpline annehmen muss.
Bessere Erfolge konnten erzielt werden, wenn der Telefoneinsatz mit
anderen Informationssystemen kombiniert wurde als eine alleinige
Telefonanwendung.
Krankheitsspezifische Notfallsituationen und
Krankenhauseinweisungen konnten signifikant durch einen
systematischen Telefoneinsatz in der Betreuung Kranker reduziert
werden.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
McDowell et
al., 1989
Ornstein et
al., 1991
Shea et al.,
1996
Wagner,
1998
Seite 128
Die Compliance der Patienten bezüglich Kontrolle ihrer Risikofaktoren
sowie ihrer Medikamenteneinnahme konnte durch den Telefoneinsatz
signifikant verbessert werden.
Remindereinsatz zur Blutdruckkontrolle in der primärärztlichen
Blutdruckkontrolle (Remindercompliancerate) erfolgte bei EDVVersorgung; verglichen wurde der Effekt von a) EDV- generierter
generierten Arztreminder bei 30,7 % (+ 10%) der Patienten, bei
Erinnerungsnotiz für Arzt (passiver Reminder) zu den Patienten, die
Telefonreminder durch Schwester bei 24 % (+ 5%) und bei
gerade zum Praxisbesuch kamen, b) Telefonreminder für Patienten durch Reminderbrief bei 36% (+ 15%). Remindereffekte waren statistisch
Krankenschwester bzw. c) Reminderbrief für Patienten
siginifikant, aber moderat; empfohlen wurde eine Kombination von
Routine – Arztreminder und ggf anschließend für Patienten mit
Nichtcompliance ein zusätzlicher Reminderbrief.
Einsatz computergenerierter Reminder für Patienten und Ärzte zur
U.a.: Cholesterinwertbestimmungen bei Patienten stiegen um 95 %.
Inanspruchnahme ambulanten Präventionsleistungen. Für jeden
einbestellten Patienten wurde vom Computer eine Nacht zuvor ein
Informationsblatt mit einer Zusammenstellung wichtigster Werte bzw.
noch durchzuführender Untersuchungen für den Arzt ausgedruckt und
von der Sprechstundenhilfe an die Patientenakte vorne angeheftet.
Patienten erhielten einen computergenerierten Erinnerungsbrief mit
Erklärungen zu den für sie anstehenden Untersuchungen
Metaanalyse von 16 randomisiert kontrollierten Studien zum Einsatz
Durch Remindereinsatz wurden insgesamt über alle untersuchten
computergenerierter Remindersysteme für Ärzte und/oder für Patienten
Bereiche i) – iv) 77 % mehr präventive Vorsorgemaßnahmen
in der präventiven Primärversorgung bei: i)Impfungen; ii)Krebsvorsorge:
durchgeführt bzw. in Anspruch genommen.
Brustkrebs (Mammogaphiesrceening), Gebärmutterkrebs (Abstrich),
Darmkrebs (Hämoccult); iii)kardiovaskulärer Risikoreduktion (Blutdruck-,
Cholesterinkontrollen, Raucherentwöhnung, Ernährungsberatung); iv)
andere: Zahnvorsorge, Glaukomscreening, Schulungen in
Selbstuntersuchungstechniken für Haut-, Hoden- und Brustkebs.
Metaanalyse über 16 randomisiert kontrollierte Studien im Zeitraum von
Frauen, die Reminder erhielten, erschienen zu etwa 20 % häufiger zur
1985-1996; untersucht wurden mit der Post verschickte Reminder (Brief, Vorsorgemammographie im Vergleich zu Frauen ohne Reminder.
Postkarte) für Patientinnen zur Erinnerung an anstehende
Frauen mit individuell personenbezogenen Reminderbriefen
Mammographievorsorge;. Verglichen wurden: i)Reminderbrief versus
erschienen zu etwa 50% häufiger zur Vorsorge im Vergleich zu
keinen Reminder und ii) individuell Patientinnen bezogener Reminder
Frauen, die einen standardisierten allgemeinen Reminderbrief
versus standardisierter allgemeiner Reminderbrief
erhielten.
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 129
Es kann durchaus vorkommen, dass Ärzte und / oder Patienten auf Reminder nicht
reagieren und gegebene Empfehlungen nicht beachten. Gründe dafür könnten beim
Arzt z.B. darin liegen, dass [Litzelman et al., 1996]:
•
Der Arzt zu sehr beschäftigt war
•
Die angemahnte Untersuchung von ihm nicht sofort, sondern erst bei einem späteren Besuch des Patienten durchgeführt wird
•
Der Patient z.B. zu krank war, um die empfohlene Untersuchung durchführen zu
können
•
Der Patient die empfohlenen Maßnahmen ablehnte, oder
•
Der Reminder vergessen wurde.
Educational Reminder, d.h. Reminder, die zum Feedback des "Senders" eine Rückmeldung vom "Empfänger" verlangen, können dem Vergessen bzw. der Nichtbeachtung von Remindern entgegenwirken. Dies kann so aussehen, dass der Arzt bzw.
Patient auf den Reminder antworten sollte, ob die empfohlenen Maßnahmen durchgeführt wurden. Wenn dies nicht erfolgte bzw. erfolgen konnte, sollte eine Begründung abgeben werden. Reminder, die eine Rückantwort verlangen, konnten bessere
Ergebnisse bezüglich der Einhaltung von Empfehlungen erzielen als Remindern, die
keine derartige Rückantwort bzw. Begründung vom Empfänger verlangten [Litzelman
et al., 1993]. Der Disease Management Koordinator erhält somit ein Feedback und
kann verstehen, warum seine Reminder nicht beachtet wurden. Dies kann er bei zukünftigen Empfehlungen berücksichtigen.
Erinnerungssysteme im Disease Management haben mit ihrem Feedback- und Informationscharakter durchaus Steuerungswirkungen. Ihr Einsatz sollte systematisch
und gezielt erfolgen. Dies bedingt, dass ihre Verwendung bereits bei der Entwicklung
von Disease Management Programmen berücksichtigt, geplant und definiert werden
sollte. Der systematische und genau definierte Einsatz von Erinnerungssystemen im
Disease Management kann dazu beitragen, Bereiche insbesondere von Unter – und
Fehlversorgung in der Behandlung chronischer Erkrankungen abzubauen und so zu
einer Verbesserung der medizinischen wie auch ökonomischen Ergebnissen des
Programms beitragen. Näheres zur Art und Weise des Einsatzes von Erinnerungssystemen behandelt der nächste Abschnitt.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 130
5.2 Der Einsatz von Erinnerungssystemen im Disease Management Programm
Erinnerungssysteme dienen der Implementierung des Disease Management Programms. Ihr Einsatz sollte
•
Systematisch
•
Zeitnah
•
Krankheits- bzw. problemspezifisch gezielt und
•
Individuell patienten – bzw. arztbezogen erfolgen.
Dafür müssen entsprechende Remindersysteme und ihre Verwendung im Disease
Management Programm geplant, entwickelt, implementiert und kontinuierlich evaluiert werden.
Beim Einsatz der Erinnerungssyteme ergeben sich folgende Fragestellungen:
1. Wann soll der Einsatz von Remindern erfolgen? Dies bedeutet
• in welchen Phasen bzw. auf welchen Ebenen im Disease Management Programm sollten sie eingesetzt werden und
• ab welchen Zielwertüberschreitungen sollten sie eingesetzt werden?
2. Welche Art von Remindern soll verwendet werden, d.h. wie und unter Einsatz
welcher Systeme sollten Patienten und Arzt ein Feedback erhalten?
3. Wer steuert bzw. führt den Einsatz der Reminder durch?
5.2.1 Wann sollen Reminder eingesetzt werden?
In welchen Phasen des Disease Management Programms, d.h. in welchen Modulen
sollten Erinnerungssysteme verwendet werden? Allgemeine Module des in diesem
Gutachten erarbeiteten Disease Managements sind ein Einschreibemodul, ein Basismodul sowie spezifische Ergänzungsmodule (siehe Kapitel Vorschlag zum Aufbau
eines Disease Management in Deutschland).
Im Rahmen des allgemeinen Basismoduls können standardisierte Reminder und entsprechende personenbezogene spezifische Reminder für die individuelle Therapie
nach Risikostratifizierung eingesetzt werden. Dies können Erinnerungen bzw. Feedbacks
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 131
•
Zu durchzuführenden bzw. zu besuchenden Patientenschulungen
•
Zur Einhaltung evidenzbasierter Therapieempfehlungen durch Ärzte
•
Zur Einhaltung der Patientenleitlinien
•
Zur Einhaltung regelmäßiger Kontrolluntersuchungen des Patienten
•
Zur Durchführung entsprechender Kontrolluntersuchungen durch den Arzt
•
Zum Feedback vorliegender Untersuchungsergebnisse wie z.B. Laborwerte sein.
Zu definieren ist auch, wie häufig Reminder in den entsprechenden Modulen verwendet werden sollten. Z.B. kann der Remindereinsatz im Basismodul als standardidisierte Erinnerung an bevorstehende Schulungs-, Screening- und Follow-upTermine für jeden Patienten gleichermaßen erfolgen. Es könnte z.B. festgelegt werden, dass innerhalb des Basismoduls jeder Patient einen Tag vor einer stattfindenden Patientenschulung benachrichtigt wird, entweder über Telefon, Fax oder per
Brief. Im Rahmen der individualisierten Basistherapie wie auch in den spezifischen
Ergänzungsmodulen sollte zum einen die Intensität der Anwendung von Reminder in
Abhängigkeit vom jeweiligen Patientenzustand bzw. von den bisher erzielten Behandlungserfolgen gestaltet werden. Es hat sich gezeigt, das ein mehrfacher, sich
wiederholender Remindereinsatz zu besseren Ergebnissen, auch bezüglich der
Compliance der Empfehlungen führt als eine einmalige Verwendung [Halbert et al.,
1999]. Zum anderen sollte sich der Inhalt des Feedbacks gezielt nach dem Patientenprofil richten. Mit Hilfe einer gezielt abgestimmten systematischen Erinnerung
durch jede Art von Reminder wird das individuelle Patientenmanagement in den Behandlungsmodulen unterstützt.
Eine Rückmeldung zu Patientenlaborwerten, die oberhalb erwünschter Zielwerte liegen, kann in den Basis- und Ergänzungsmodulen durch spezifische Reminder für
Arzt und Patient erfolgen. Die jeweilige Rückmeldung kann sowohl zu Indikatoren der
Prozessqualität erfolgen, (z.B. ob oder wie häufig eine Untersuchung durchgeführt
wurde) sowie zu Indikatoren der Ergebnisqualität in Form des Erreichens von Surrogatparametern gegeben werden (z.B. ob bestimmte Zielwerte, wie Blutdruck, Cholesterinwert überschritten wurden). Dies setzt voraus, dass entsprechende Indikatoren
der Prozess- und Ergebnisqualität sowie entsprechende Zielwerte, bei deren Überschreitung ein Remindereinsatz erfolgen soll, definiert sind. Sie sollten daher für jeden Patienten entsprechend seiner Risikogruppe festgelegt und regelmäßig erhoben
werden. Dies kann in Form des Benchmarkindatensatzes erfolgen. Mit dem Bench-
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 132
markingdatensatz sind in diesem Gutachten evidenzbasierte Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität sowie Zielwerte entsprechend der Risikostratifizierung
erarbeitet worden (siehe Kapitel Datenmanagement, Dokumentation und Datenbanken im Disease Management). Der Benchmarkingdatensatz eines jeden Patienten
kann daher als Datengrundlage für die individuelle Steuerung der Reminder in den
Behandlungsmodulen verwendet werden.
5.2.2 Welche Arten von Reminder können verwendet werden?
Bezüglich des „Hardwaredesign“ und Inhalte können Erinnerungssysteme vielfältig
ausgestaltet werden. Sie können in automatisierte und nicht - automatisierte sowie in
aktive und passive Systeme eingeteilt werden [McDonald, 1989]. Aktive Reminder
sind alle Erinnerungssysteme, die ein aktives Handeln des Disease Management
Koordinators als Sender eines Reminders bedürfen. Passive Reminder sind Erinnerungssysteme, die kein aktives Handeln eines Senders bedürfen. Beispiele unterschiedlicher Arten von Erinnerungssystemen sind in Tabelle 4 aufgeführt.
Tabelle 4: Arten von Erinnerungssystemen
Aktive Reminder
Automatisierte Reminder
E-Mail, web-basierte
Reminder,
Nicht – automatisierte Reminder
Briefe, Postkarten, Fax, Telefon
(Call Center)
Computergestützte Reminder z.B. Post its oder Sticker auf
(pop - up Fenster, "watch
Patientenakten
dogs", web - basierte
Reminder (Internet)
[Quelle: Eigene Darstellung]
Passive Reminder
Aktive Reminder für Patienten können z.B. verwendet werden, um diejenigen Patienten zu erreichen, die nicht regelmäßig ihren Arzt aufsuchen. Im Gegensatz dazu erinnern passive Reminder den Arzt nur an jeweils denjenigen Patienten, der ihn gerade aufsucht bzw. dessen Akte er gerade vor sich hat [McDonald et al., 1989].
Zusätzlich können Reminder bezüglich ihres Inhaltes und der Spezifität des gegebenen Feedbacks in unterschiedlichen Qualitätsausprägungen verwendet werden
(Tabelle 5).
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 133
Tabelle 5: Mögliche Qualitätsausprägungsstufen von Remindern (Niveau I = unterste
Stufe, Niveau III = höchste Stufe)
Qualitätsniveau III
Interaktive individuelle computergestützte
Reminder
Qualitätsniveau II
Spezifische Reminder unter
Berücksichtigung des jeweiligen
Patientenprofils
Qualitätsniveau I
Unspezifische Reminder
[Quelle: Eigene Darstellung]
Unspezifische Reminder sind Reminder der untersten Qualitätsausprägung. Sie geben allgemeine, nicht auf das individuelle Risiko bezogene Informationen und Feedback, z.B. zum allgemeinen Programmablauf im Rahmen der Behandlung. Dies können z.B. standardisierte Erinnerungsanrufe oder -briefe sein, die für alle Patienten
gleich sind, um anstehende Schulungen bzw. Untersuchungen anzukündigen. In der
nächst höheren Qualitätsausprägung geben spezifische Reminder gezielte Rückmeldungen zu gemessenen Werten, wie z.B. Laborwerten und berücksichtigen dabei
das individuelle Patientenprofil. Computergestützte Reminder, die auch interaktive
Möglichkeiten und individuelle auf den jeweiligen Empfänger bezogene spezifische
Informationen übermitteln, stellen die höchste Qualitätsausprägung eines Erinnerungssystems dar. Damit der Einsatz von Remindern zu Ergebnisverbesserungen
führt, sollten Informationen und Feedback systematisch und zeitnah zum Entscheidungsprozess [Tierney et al., 1986] sowie krankheitsspezifisch, individualisiert, patienten- bzw. arztbezogen erfolgen. Diesbezüglich haben sich vor allem automatisierte, interaktive computergestützte Erinnerungssysteme als erfolgreich erwiesen [Nilasena, 1995, McDonald, 1976 und 1984, Ornstein, 1991, Tape, 1993].
Die Qualitätsausprägung der für ein Programm verwendeten Reminder (Tabelle 5)
geht bei der Akkreditierung und der Qualitätssicherung der Programme in die Berechnung des programmspezifischen Qualitätsscores ein (siehe Kapitel Qualitätssicherung). Die Verwendung von Remindern einer hohen Qualitätsausprägung kann
den zu erreichenden Qualitätsscore des Gesamtprogrammes verbessern. Welche
Reminder der Disease Management Anbieter in seinem Programm einsetzt, sollte
ihm überlassen bleiben. Der Erfolg und die Akzeptanz des verwendeten Mediums
sollte kontinuierlich evaluiert werden, um die eingesetzten Erinnerungssysteme
bestmöglich auf spezifische Anforderungen und den Nutzen der Empfänger abzu-
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 134
stimmen und anpassen zu können. Für die Wahl des Systems muss berücksichtigt
werden, ob die technischen Voraussetzungen für den Einsatz eines Reminders gegeben sind bzw. wie sie ausgebaut werden sollten. In der Wahl der Implementierung
von Erinnerungssystemen bietet sich eine Möglichkeit des Wettbewerbs unterschiedlicher Programme.
Beispiel für computergestützte Reminder:
Beispiel für ein computergestütztes Informations- und Remindersystem ist DEMS
(diabetes electronic management system), ein elektronisches Managementsystem
zur Führung und Behandlung von Diabetikern [Gorman et al., 2000]. Dieses elektronische Computersystem steht allen, die in der Versorgung von Diabetikern involviert
sind, wie Ärzten, Krankenschwestern, Diätassistenten, Schulungspersonal etc. zur
Verfügung. DEMS unterstützt die Professionen in einer individuellen Patientenversorgung. Es können unterschiedlichste Arten automatisierter Patientenberichte erstellt werden, es werden Hilfen zur Anwendung medizinischer Leitlinien angeboten,
Warnhinweise, Empfehlungen, Erinnerungen, Prompts zur Behandlung am Bildschirm ausgegeben. Dem Arzt wird u.a. eine Liste mit den wichtigsten Ergebnissen
und patientenspezifischen Problembereichen bzw. Komplikationen als Erinnerungshilfe zur Verfügung gestellt. Durch ein interaktives Arbeiten mit dem System kann der
Anwender gezielt relevante Informationen aufrufen bzw. durch Dateneingaben Problembereiche des Patienten identifizieren.
5.2.3 Wer soll den Remindereinsatz steuern?
Der Einsatz der Erinnerungssysteme sollte vom Programmanbieter koordiniert werden. Das bedeutet, die Krankenkasse kann z.B. von ihren Geschäftsstellen aus den
Remindereinsatz für ihre eingeschriebenen Patienten und beteiligten Ärzte durchführen. Dies bietet sich an, da bei der Kasse der standardisierte Dokumentationsbogen
für das Disease Management, der Benchmarkingdatensatz, zentral erfasst wird (siehe Kapitel Datenmanagement, Dokumantation, und Datenbanken im Disease Managment). Damit besitzt sie die Datenbasis für den Einsatz von Remindern. Dabei
sollte es möglich sein, dass z.B. bei Telefonremindern, immer eine gleiche Kontaktperson für den Patienten zur Verfügung steht.
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 135
Eine andere Möglichkeit bietet sich durch eine Kooperation mit externen Dienstleistern, wie z.B. Call Center Unternehmen, an. Diese können im Auftrag der Kasse die
operationale Durchführung des Remindereinsatzes übernehmen. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass der behandelnde Arzt um den Verlust seiner Autonomie
fürchtet. Rechtliche Grauzonen wurden in jüngster Zeit durch Einbringung von
Gesetzesänderugen ausgeräumt. Mit der Durchführung von Remindern im Disease
Management wird der Disease Management Koordinator bzw. ein externer
Dienstleister nicht therapeutisch tätig, er gibt auch keine Therapieempfehlungen ab.
Über die Reminder werden lediglich Feedback bzw. Informationen dem Patienten
und Arzt übermittelt, die ihn hinweisen bzw. erinnern, dass bestimmte Werte überschritten bzw. bestimmte Untersuchungen nicht durchgeführt wurden.
Gefahren, die generell bei der Durchführung von Remindern zu beachten und wirksam vermieden werden sollten, sind:
•
Die Schnittstellen Hausarzt/Facharzt/Krankenhaus/Patient werden fehlerhaft oder
unkoordiniert mit Remindern unterschiedlicher Informationsinhalte bedient
•
Der Datenschutz wird nicht in allen Bereichen eingehalten
•
Zur Steuerung und Auslösung von Reminder werden keine standardisierten, evidenzbasierten Definitionen von Zielwerten bzw. keine spezifischen Indikatoren
der Prozess - und Ergebnisqualität verwendet
•
Die technische Ausstattung bei Sender und Empfänger erweist sich als störanfällig bzw. ist nicht kompatibel
•
Durch falsche, unvollständige und / oder nicht valide Daten wird über das Reminder - System "falscher Alarm" angezeigt oder ausgelöst und damit Fehlentscheidungen getroffen [Hogan et al., 1995].
Zusammenfassend kann ein systematischer Einsatz von Erinnerungssystemen für
den Arzt dazu beitragen, daß er die Anwendung evidenzbasierter Therapieleitlinien
im Disease Management konsequent und kontinuierlich durchführt. Damit können vor
allem Bereiche von Unter- und Fehlversorgung in der Behandlung und insbesondere
auch in der Prävention von Risikofaktoren chronischer Erkrankungen abgebaut werden.
Für den Patienten kann ein auf das individuelle Patientenmanagement abgestimmter,
gezielter und systematischer Remindereinsatz seine aktive Rolle im verstärkten
Disease Management in Deutschland – Erinnerungssysteme
Seite 136
Selbstmanagement seiner Erkrankung unterstützen. Reminder sind integraler Bestandteil eines jeden Disease Management Programms. Deren Einsatz sollte bei der
Akkreditierung, Reakkreditierung sowie beim Benchmarking der Programme berücksichtigt und ihr Einsatz daher im Benchmarkingdatensatz dokumentiert werden.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
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6 Arzt- und Patienteninformationssysteme
im Disease Management
Information ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg einer Qualitätsverbesserung in der
Gesundheitsversorgung [Strom, 2001]. Daher sollten im Disease Management über
Informationssysteme Patient und Arzt systematisch und gezielt mit relevanten und
spezifischen Informationen versorgt werden. Ein im Disease Management bestens
informierter Arzt und Patient kann aus Sicht der Programmanbieter als „strategisches
Aktivum“ für sein Programm betrachtet werden und wird maßgeblich den medizinischen wie wirtschaftlichen Erfolg des Disease Management Programms bestimmen.
Möglichkeiten der Informationsübermittlung im Disease Management sind in Tabelle
1 aufgeführt. Gleichwohl, ob Informationen für den Arzt oder für den Patienten bereitgestellt werden, wird von Arzt- bzw. Patienteninformationssystemen gesprochen.
Tabelle 1: Mögliche Formen von Informationssystemen für Disease Management
Programme
Unpersönliche
Kommunikationsformen
Persönliche
Kommunikationsformen
Elektronische Systeme
Internet (World Wide Web, E-Mail)
Intranet
CD-ROM
Videobänder
Computer – Programme
Printsysteme
Informationsbroschüren
Journale
Newsletter
Hotlines, Call- Center
Telefonsysteme
Persönliche Kontakte
Gemeinsame Sprechstunden von Hausarzt
und Experte, Coaching, Beratung
Selbsthilfegruppen
Schulungen, Fortbildungen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Informationssysteme können dazu beitragen [AHIMA Position Statement, 1994; Clayton et al., 1995; Bates et al., 1999; Bental et al., 1999; Effective Health Care, 2000]:
•
Die evidenzbasierte Therapieinhalte zu vermitteln und an diese zu erinnern
•
Die Qualität der Versorgung chronisch Kranker durch gezielte Informationsvermittlung zu verbessern und effizienter zu gestalten
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
•
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Das Selbstmanagement des chronisch kranken Patienten mit Hilfe individueller
Informationen zu unterstützen
•
Die Motivation von Patienten und Leistungserbringer zu fördern
•
Die Leistungserbringer und Patienten in der Integration aller wichtigen Informationen in dem Behandlungs- und Entscheidungsprozess zu unterstützen
Die Vorteile elektronischer Informationssysteme für den Einsatz im Disease Management sind zu sehen in der:
•
leichten Zugänglichkeit zu evidenzbasierten Leitlinien für Ärzte und Patienten
•
zeitnahen Bereitstellung therapie- und entscheidungsrelevanter Daten
•
leichten Zugriffsmöglichkeit auf elektronische Datenbanken
•
leichten Aktualisierbarkeit
•
orts- und zeitunabhängigen Verfügbarkeit jeglicher Art von Informationen
•
Möglichkeit der gezielten und schnellen Suchabfrage
•
dem Zugang zu computergestützten Schulungs- und Fortbildungsprogrammen
•
Versendung computergestützter Reminder
•
Möglichkeiten der Vernetzung.
Somit finden Informationssysteme neben der Vermittlung allgemeiner Informationen
zum Programm vor allem Verwendung bei der Unterstützung des Arztes und des Patienten in der Behandlungs- und Therapieplanung, beim Einsatz von Remindern und
zur Unterstützung im Rahmen von Patientenschulungen bzw. Arztfortbildungen
(Tabelle 2). In all diesen Bereichen haben sich besonders computergestützte Systeme als erfolgreich erwiesen [Balas et al., 1996].
Tabelle 2: Einsatzmöglichkeiten für Informationssysteme im Disease Management
•
•
•
•
Allgemeine und krankheitsspezifische
Programminformationen
Ärzte- und Patienten-Reminder
Unterstützung in der individuellen Behandlungs- und
Therapieplanung
Patientenschulungen und Ärztefortbildungen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite139
Generell wird zwischen ungezielten und gezielten Informationen unterschieden
[Campbell et al., 1994, Skinner et al., 1994]. Während ungezielte Informationen allgemeine Inhalte vermitteln (z.B. zu Krankheitsbildern und Behandlungsregimen),
werden mit gezielten Informationen spezifische, individuelle, d.h. patienten- und arztbezogene Informationen zur Verfügung gestellt (Tabelle 3). Mit gezielten Informationen für Ärzte und Patienten können bessere Ergebnisse erreicht werden als mit ungezielter Informationsvermittlung [Anderson et al., 1995; Berger und Mühlhauser,
1999; Strecher et al., 1999; Brug et al., 1999].
Tabelle 3: Ungezielte und gezielte Informationen im Disease Management
Ungezielte Informationen
Krankheitsspezifische allgemeine, nicht
patientenbezogene Informationen
Gezielte Informationen
Krankheitsspezifische individuelle patienten- und
arztbezogene Informationen entsprechend dem
Patientenprofil
[Quelle: Eigene Darstellung]
Diesbezüglich können Patienten- und Arztinformationssysteme im Disease Management z.B. in drei unterschiedlichen Qualitätsstufen eingesetzt werden. Informationssysteme der untersten Qualitätsausprägung stellen nur ungezielte Informationen bereit. In einer nächst höheren Stufe vermitteln sie gezielte krankheitsspezifische anwenderbezogene Informationen entsprechend dem Patientenprofil. In der höchsten
Qualitätsausprägung versorgen sie Arzt und Patient mit krankheitsspezifischen gezielten, individuell auf das Patientenprofil bezogenen Informationen und bieten darüber hinaus Möglichkeiten eines Feedback an. Dies kann z.B. in Form von computergestützten Decision Support Systemen oder in Form von Möglichkeiten einer persönlichen Kontaktaufnahme, z.B. über Telefon (z.B. Hotline, Call- Center) erfolgen.
Aber auch durch direkte persönliche Kontakte mit akzeptierten Experten im Rahmen
von gemeinsamen Sprechstunden von Hausarzt und Experte (siehe hierzu Kapitel
Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung) können Rückmeldungen in Form von unterstützenden Feedback angeboten werden.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
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Tabelle 4: Stufen möglicher Qualitätsausprägungen von Informationssystemen
(Niveau = I niedrigste Stufe, Niveau III = höchste Stufe)
Qualitätsniveau III
Informationssysteme, die gezielte, d.h. arzt– und patientenindividuelle
Informationen anbieten und ein Feedback ermöglichen (z.B. Decision
Support, Rückfragemöglichkeit über Telefonkontakt, Vernetzungen,
persönliches Gespräch o.ä.)
Qualitätsniveau II
Informationssysteme, die gezielte Informationen für Arzt und Patient
bereitstellen, aber keine Feedback Methoden enthalten
Qualitätsniveau I
Informationssysteme, die ungezielte, allgemeine, aber
krankheitsspezifische Informationen für Ärzte und Patienten bereitstellen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Die Implementierung der Informationssysteme sollte dem Programmanbieter überlassen bleiben. Bei der Akkreditierung des Programms und der Berechnung des programmspezifischen Qualitätsscores werden Informationssysteme als Komponenten
eines Disease Management Programms in diesem Gutachten nicht berücksichtigt
(siehe Kapitel Qualitätssicherung). Ihr Einsatz und die Wahl des Qualitätsniveaus der
verwendeten Systeme wird für die zu erreichenden Ergebnisse in den Programmen
aber von Bedeutung sein.
Nicht zu vernachlässigen ist auch ein Marketing- und Imageeffekt für das Disease
Management Programm, der vom Einsatz attraktiver und für die Beteiligten als besonders nützlich erachteter Informationssysteme ausgehen kann. Die Verwendung
attraktiver und auf den spezifischen "Kundennutzen" ausgerichteter Informationssysteme kann mit dazu beitragen, die Compliance und Motivation eingeschriebener Patienten und beteiligter Ärzte an der Programmteilnahme zu stärken. Neben der Verbesserung medizinischer Outcomes können Informationssysteme daher auch als
Instrumente der „Kundenbindung“ im Disease Management ihre Bedeutung gewinnen.
Der medizinische Alltag zeigt, dass ein Bedarf an gezielter Information mit den Möglichkeiten gezielter und spezifischer Rückfragen und dem Angebot von Entscheidungsunterstützungen bei Behandlungsabläufen bei den medizinischen Professionen
vorhanden ist. Auch bei Patienten besteht großer Bedarf an Möglichkeiten, systematisch gezielte Informationen zu bekommen und Fragen zu ihrer Erkrankung, Therapie
und Medikation und zu Problemen, die sie spezifisch betreffen, stellen zu können.
Die bisherigen Möglichkeiten, diesen Informations- und Unterstützungsbedarf zu be-
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite141
friedigen, erfolgen auf eher unsystematische Art und Weise. Unter Ärzten wird dies in
der Regel über kollegiale Gespräche oder Bücher versucht. Patienten stehen z.B.
allgemeine Informationsbroschüren, Bücher, Gespräche und der Austausch mit anderen Betroffenen zur Verfügung. Im Gegensatz dazu verfolgt Disease Management
einen strukturierten und systematischen Ansatz. Durch die systematische Bereitstellung von individuellen und gezielten Informationen für Arzt und Patient können bessere Ergebnisse in der Behandlung chronisch Kranker erzielt werden, als mit einer
unsystematische Informationsversorgung [Brug et al., 1999; Johnston et al., 1994;
Strom, 2001]. Nur mit einem solchen systematischen Ansatz wird eine wesentliche
Qualitätsverbesserung in der Versorgung chronisch Kranker erreicht werden können.
Ein systematischer Ansatz in der Informationsversorgung beinhaltet, dass bei
der Verwendung von Informationssystemen im Programmablauf zuvor definiert werden sollte:
•
wann Informationssysteme für Arzt und Patient eingesetzt werden
•
wann eine Entscheidungsunterstützung für den Arzt vorgesehen ist
•
welche Arten von Informationssysteme für den Arzt und Patienten verwendet
werden
•
durch wen der Einsatz der Informationssysteme erfolgen wird und
•
welche Informationen welcher Patientengruppe bzw. welchem Arzt zur Verfügung
gestellt werden können.
Im Folgenden wird speziell auf Einsatzmöglichkeiten von Informationssystemen bei
Patienten und Ärzten eingegangen.
6.1 Patienteninformationssysteme
Ziel des Disease Management ist es u.a., einen "informierten" mündigen und damit
aktiv im Behandlungsprozess partizipierenden Patienten als Partner des Arztes zu
bekommen. Patienteninformationssysteme können dafür u.a. zur Information, zur
Schulung und für den Einsatz von Patienten- Remindern verwendet werden. Damit
können sie dazu beitragen, den Patienten zu einer aktiven Rolle in Entscheidungsprozessen im Rahmen seiner Behandlung zu befähigen. Ihr Einsatz bzw. ihre Verwendung sollte, wie oben erwähnt, im Programmablauf zuvor bereits festgelegt sein,
um eine systematische Versorgung des Patienten mit Informationen sicherzustellen.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite142
Mit der Einschreibung in das Programm sollten dem Patienten allgemeine Informationen zu seinem Disease Management Programm, zu allgemeinen und patientenspezifischen Versorgungszielen, zur Vorgehensweise und Ablauf der Behandlung im
Rahmen von Disease Management, zu Kontaktpersonen usw. zur Verfügung gestellt
werden. Nach erfolgter Risikostratifizierung und Einteilung des Patienten in die entsprechende Disease Management Gruppe sollten ihm nun in systematischer Form im
Basismodul sowie in den Ergänzungsmodulen entsprechend seinem Risikoprofil gezielte und spezifische auf das individuelle Patientenprofil abgestimmte Informationen
zur Verfügung gestellt werden. Diese können u. a. Folgendes beinhalten:
•
individuelle Patientenleitlinien
•
individuelle Patientenbehandlungspläne
•
krankheitsspezifische Informationen in Abhängigkeit des klinischen Zustands und
Risikoprofils
•
"Erinnerungen" in Form von Patientenreminder
•
Informationen zu Kontaktpersonen, Selbsthilfegruppen etc.
•
spezifisches patientenbezogenes Schulungsmaterial
•
Empfehlungen zu den Lebensstil ändernden Verhaltensmaßnahmen, um Risikofaktoren zu reduzieren.
Beispiele interaktiver Patienteninformationssysteme:
Vor allem für die Versorgung von Diabetikern sind bereits zahlreiche computergestützte und interaktive Methoden entwickelt worden, um Patienten zu informieren, zu
schulen und zur Behandlung zu motivieren [Meneghini et al., 1998; Krishna et al.,
1997; Riva et al., 1997; Vaughan et al., 1996; Hunt et al., 1998; Biermann, 1994;
Lehmann et al., 1998 und 1994; Gorman et al., 2000]. Ein Beispiel hierfür ist AIDA
[Lehmann et al., 1994, 1998 und 1999]. AIDA ist ein interaktives computergestütztes
Diabetesschulungs– Simulationsmodell, welches Glukose– Interaktionen in einem
insulinabhängigen Diabetespatienten (z.B. Typ 1 Diabetiker) simuliert. Seit 1996 wird
es Patienten kostenfrei auch im Internet durch die britische Diabetesgesellschaft zur
Verfügung gestellt (http://www.diabetic.org.uk/aida.htm). Der Anwender kann typische Problemszenarien möglicher Komplikationen in der Diabetes–, Insulin– und Ernährungstherapie am Modell simulieren (z.B. morgendliche Insulingabe aber kein
Frühstück zu sich genommen oder Patient hat gefrühstückt, aber seine Insulingabe
vergessen, usw.). Auch durch Eingabe seiner selbst gemessenen Blutzuckerwerte in
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite143
das Modell kann er mögliche Komplikationsverläufe bei Änderung seiner Insulintherapie oder Umstellung seiner Ernährung simulieren. Somit können dem Patienten
Komplikationen am Modell erklärt werden. AIDA ist nur für Schulungs- und Demonstrationszwecke im Rahmen der Diabetesbehandlung gedacht, nicht zur Therapieplanung oder – einstellung durch den Arzt. Mit derartigen interaktiven Simulationsmodellen kann das Selbstmanagement in der Blutzuckerkontrolle der Patienten verbessert
und unterstützt werden, indem das Verständnis für den Einfluss und das Zusammenspiel von Insulindosierungen, Ernährung und Lebensstiländerungen anschaulich und
spielerisch vermittelt wird.
Ein weiteres Beispiel für ein elektronisches Informationssystem zur Verbesserung
des Selbstmanagement von Diabetespatienten ist der Einsatz eines sogenannten
elektronischen Case Managers (ECM) [Meneghini et al., 1998]. Über ein interaktives
(touch- tone) Telefonsystem kann der Patient sich mit einem Passwort bzw. einer
PIN in einen „Diabetes- Server", der in einem Diabeteszentrum aufgestellt ist und von
dort betreut wird, zu seinen Daten einwählen. Auf dem Server werden alle übermittelten Daten gespeichert. Über ein sprachautomatisiertes Telefonsystem gibt der Patient die Werte seiner täglichen Blutzuckerselbstkontrollen sowie ggf. Zeichen möglicher Hypoglykämiesymptome und seine aktuell eingenommene Medikation ein. Das
System steht dem Patienten 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Aus den eingespielten Patientendaten werden kontinuierlich automatische elektronische Berichte zu ihrem Profil erstellt und den Ärzten im Diabeteszentrum zur Verfügung gestellt. Diese
können sich sofort mit dem Patienten in Verbindung setzen, wenn die Daten entsprechende problematische Entwicklungen aufzeigen. Eine 24 Stunden- Online- Hilfe in
Person eines Arztes zur Einstellung der täglichen Insulin- oder Tablettentherapie
steht dem Patient zusätzlich zur Verfügung. Mit diesem elektronischen Case Manager konnte im Vergleich zu Diabetikern in einer Kontrollgruppe, die eine Standardversorgung ohne den elektronischen Case Manager erhielten, die Rate der Diabetes
bedingten Notfallsituationen wie Hyper- und Hypoglykämien signifikant verringert
werden. Auch der HbA1c Wert der Patienten verringerte sich nach sechs Monaten um
0,8 % im Vergleich zur Kontrollgruppe. Dies zeigt, dass durch den systematischen
Einsatzes interaktiver Patienteninformationssysteme in der Aufklärung, Schulung und
Führung von Patienten das Verständnis und das Wissen um die Erkrankung und um
Therapiemöglichkeiten und damit die medizinischen Ergebnisse verbessert werden
können.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite144
Patienteninformation im Disease Management
Eine systematische Versorgung des Patienten mit gezielten Informationen spielt im
Disease Management eine zentrale Rolle. Die sonst übliche Bestimmung und Bedeutung von Information für den Patienten verändert sich im Disease Management. Bisher wird Patienteninformation vor allem eingesetzt [Coulter, 1998]:
•
Zur Gesundheitsförderung
•
Zur Förderung der Compliance bei Präventionsmaßnahmen, insbesondere bei
Vorsorgeuntersuchungen und Verhaltensänderungen, wie z.B. Lebensstiländerungen zur Modifikation von Risikofaktoren
•
Zur allgemeinen Patientenschulung, wie z.B. für Hinweise zur korrekten Einnahme von Medikamenten oder zur korrekten Handhabung von Messgeräten (Blutzuckermessgeräte etc.)
Die Art bisher üblicher Patienteninformationen zeichnet sich durch einen eher unwissenschaftlichen, stark belehrenden und erzieherischen Charakter aus [Coulter,
1998].
Im Disease Management steht der chronisch Kranke als mündiger Patient im Mittelpunkt. Durch einen systematischen Einsatz von Patienteninformationen werden im
Disease Management neben der allgemeinen Aufklärung des Patienten primär andere Ziele verfolgt [Deyo, 2001; Effective Health Care, 2000; Coulter, 1998]. Im Disease
Management soll Patienteninformation:
• den chronisch Kranken bei der Entscheidung bzw. Wahl von Therapiemöglichkeiten unterstützen und ihn befähigen, selbst Entscheidungen zur Verbesserung
seiner persönlichen Krankheitssituation treffen zu können
•
Dem Patienten in leicht verständlicher Weise eine Teilnahme am aktiven Management seiner Erkrankung sowie an Therapieentscheidungen ermöglichen
Ziel ist der "informierte Patient", der eigenverantwortlich auf Basis systematischer,
gezielter Informationsgabe Entscheidungen im Rahmen seiner Behandlung treffen
kann. Patienteninformation im Disease Management sollte keinen erzieherischen und
lehrhaften Charakter haben, sondern sachlich objektive Entscheidungsunterstützung
für den Patienten liefern.
Um dies zu erreichen, sollten auch Informationen für Patienten evidenzbasiert sein
[Coulter, 1998; Mühlhauser et al., 2000]. Sie sollten wissenschaftlich basierte Daten
zu den Erkrankungen enthalten. Informationen sollten in geeigneter, gut verständlicher und in für den Patienten nützlicher Form dargeboten werden. Informationen
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite145
können auch durch Schulungen vermittelt werden. Dabei sollten Erkenntnisse entsprechender psychologischer und pädagogischer Lernmethoden berücksichtigt werden (siehe Kapitel Patientenschulung im Disease Manangement). Z. B. kann durch
Informationsvermittlung in Form von reinen Frontalvorträgen zwar eine Verbesserung
des Wissens um die Erkrankung erfolgen, aber keine Verbesserung von Therapieergebnissen erzielt werden [Berger et al., 2001; Haisch et al., 2000; Wisniewski, 1994;
Gorman et al., 2000]. Allgemein gehaltenes Informationsmaterial wird vom Patienten
nicht so stark aufgenommen wie speziell auf das Patientenprofil abgestimmtes Informationsmaterial. Auch bei der Art der Präsentation des Materials sollte auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten geachtet werden [Coulter et al., 1999]. So sollte
z.B. für ältere Patienten eine größere Schrift und viele Abbildungen verwendet werden. Für sehschwache Patienten, wie z.B. Patienten mit einer diabetischen Retinopathie, könnten vorzugsweise Audio-Informationssysteme eingesetzt werden. Zu beachten ist besonders, dass Patienteninformationen und der Einsatz von Patienteninformationssystemen keine kommerziellen Interessen verfolgen. Ihr Einsatz sollte interessensneutral und qualitätsgesichert erfolgen. Tabelle 5 fasst die Empfehlungen
noch einmal zusammen. Methoden zur Beurteilung der Qualität dargebotener Informationen sind vorhanden und sollten zur Evaluation verwendeter Materialien genutzt
werden [Coulter et al., 1999; Charnock et al., 1999].
Tabelle 5: Merkmale von Patienteninformation im Disease Management
Patienteninformation im Disease Management sollte:
•
Evidenzbasiert sein
•
Quantitative Aussagen zu Effektivität von Therapien und Risikowahrscheinlichkeiten
enthalten
•
Auf die jeweilige Risikogruppe zugeschnitten sein
•
Leicht verständlich aufbereitet und unter Berücksichtigung psychologischer und
pädagogischer Lernmethoden präsentiert werden
•
Interessensneutral und qualitätsgesichert sein
[Quelle: Eigene Darstellung]
Patienteninformationssysteme können und sollen nicht das persönliche Gespräch
zwischen Arzt und Patient ersetzen. Das persönlichen Gespräch nimmt auch im Disease Management die zentrale Rolle bei der Aufklärung und Information des Patien-
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite146
ten ein. In der Praxis ist die Zeit für persönliche Gespräche zwischen Arzt und Patient
aber oft nur sehr knapp vorhanden und stark begrenzt. Hier können Patienteninformationssysteme zusätzlich unterstützend wirken. Sie sind nicht als „technisches
Substitut“ für das persönliche Gespräch zu sehen, sondern als Ergänzung im Rahmen eines systematischen Ansatzes einer gezielten Informationsgabe.
Dem Inhalt von Patienteninformationen kommt eine große Bedeutung zu. Sie bilden
auch die Grundlage für Patientenschulungen. Für das Disease Management müssen
für den Patienten Informationssysteme entwickelt werden, die evidenzbasierte Inhalte
vermitteln. Dies kann nur durch die Zusammenarbeit mit den entsprechende Fachexperten erfolgen. Auch Patienten selbst sollten mit in die Entwicklung derartiger Informationssysteme eingebunden werden können. Falsch oder fehlerhaft dargestellte
und dem Patienten vermittelte Informationen
•
können beim Patienten eine zu optimistische Vorstellung von der Behandlung
seiner Erkrankung hervorrufen
•
können zu einer unangemessenen Anspruchshaltung des Patienten führen
•
können zu verstärkter Unzufriedenheit des Patienten führen, wenn sich aufgrund
unwissenschaftlicher Information die erhofften Erwartungen an den Arzt und die
Behandlung nicht erfüllen
•
können daher zu zusätzlichen Kosten führen [Coulter, 1998].
Heutiges Patienteninformationsmaterial ignoriert oft relevante und evidenzbasierte
Daten zu Erkrankungen und gibt keine ausgewogenen und objektiven Informationen
über die Effektivität verschiedener Therapiemöglichkeiten. Unsicherheiten bei Behandlungsmethoden werden verharmlost und nicht genügend dargestellt [Coulter et
al., 1999]. Beispiele patientenrelevanter Themen und Fragen, sind in Tabelle 6 zusammengestellt.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite147
Tabelle 6: Patientenrelevante Themen im Disease Management
Im Disease Management sollten chronisch kranke Patienten mit Hilfe von Informationen :
•
ein Verständnis für ihre chronische Erkrankung bekommen
•
eine realistische Vorstellung von der Prognose für ihre Erkrankung bekommen
•
den Erkrankungsprozess verstehen können
•
wahrscheinliche Ergebnisse möglicher Untersuchungstests und Behandlungen verstehen
können
•
die zur Verfügung stehenden und bereits angebotenen Hilfen zu ihrer Erkrankung kennen lernen
•
lernen, wie sie zukünftige Erkrankungen bzw. Komplikationen verhindern können
•
lernen, wie sie an zusätzliche Informationen zu ihrer Erkrankung kommen können und wie sie
ggf. Kontakt zu Selbsthilfegruppen knüpfen können
•
die Möglichkeit bekommen, die „besten“ Experten für ihre Krankheit identifizieren zu können.
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Coulter et al., 1999]
Patienteninformationssysteme sollten somit folgende Inhalte berücksichtigen, die
dem Patienten in einer für ihn angemessenen Sprache vermittelt und präsentiert
werden ohne einen objektiven, neutralen und wissenschaftlichen Charakter zu verlieren:
•
Patientenrelevante Themen zu den programmspezifischen Erkrankungen wie sie
in Tabelle 6 aufgeführt sind
•
Informationen über die Effektivität von Behandlungsmethoden. Es sollten keine
mißverständlichen und den Patienten irreführenden Statements zu möglichen
Therapien gemacht werden. Die bisher am häufigsten auftretenden Fehler sind
eine zu optimistische Darstellung möglicher Behandlungserfolge und das Herunterspielen möglicher Risiken, Komplikationen bzw. Nebenwirkungen. Es sollte eine objektive und auf Basis von Evidenz abgewogene und ehrliche Einschätzung
der Vor- und Nachteile möglicher Behandlungsregime aufgezeigt werden
•
Quantitative Angaben zu Erfolgs- und Risikowahrscheinlichkeiten und Angaben
über Behandlungs- und Rehabilitationszeiten. Quantitative Angaben im Rahmen
evidenzbasierter Patienteninformationen können dem Patienten nicht vorenthalten werden. Sie sollten verständlich und mit der korrekten Aussagekraft für ihn
aufbereitet und vermittelt werden
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
•
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Angaben von Referenzen und Quellen, auf die sich die vermittelten evidenzbasierten Informationen stützen
Entscheidend für das Disease Management ist ein systematischer und strukturierter
Einsatz von Informationssystemen für den Patienten, um somit eine systematische
Qualitätsverbesserung seiner Versorgung erreichen zu können. Auf die Bedeutung
und Möglichkeiten des Internets als ein mögliches Patienteninformationssystem im
Rahmen des Disease Managements wird weiter unten eingegangen.
6.2 Arztinformationssysteme
Arztinformationssysteme sollen den im Disease Management Programm beteiligten
Arzt mit evidenzbasierten programm- und krankheitsspezifischen Informationen versorgen. Besonders hier können die Möglichkeiten der Telemedizin in Zukunft an Bedeutung gewinnen [Mease, A., 2000; Lauterbach, K, 2000, Slater et al, 2001; Shultz
et al.,2001; Wootton, 2001]. Funktionen von Arztinformationssystemen sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt.
Tabelle 7: Funktion von Arztinformationssystemen im Disease Management
Arztinformationssysteme im Rahmen des Disease Management sollten dazu beitragen:
•
Die Akzeptanz und die Anwendung evidenzbasierter Leitlinien im Disease Management Programm
durch den Arzt zu verbessern und zu erleichtern
•
Die Qualität der medizinische Versorgung chronisch Kranker flächendeckend und systematisch zu
verbessern und die Varianz in der Behandlung zu verringern
•
Die Entscheidungsunterstützungen im Rahmen von Feedback– Mechanismen zu ermöglichen
(computergestützte Decision Support Systeme, persönliche Rücksprachemöglichkeiten bei akzeptierten
Personen im Sinne von „Expertenberatungen“, etc.)
•
Die Interventionen, die nicht kosteneffektiv sind zu vermeiden und durch kosteneffektive Interventionen
mit gesichertem Nutzen zu ersetzen
•
Den Zugriff bzw. die Bereitstellung allgemeiner, für den Arzt interessanter und nützlicher medizinischer
Informationen zu ermöglichen
•
Die ärztliche Fort- und Weiterbildung zu unterstützen
•
Die Transparenz in der Fülle täglich neuer Informationen auf dem Gebiet der Medizin für den Arzt zu
schaffen und ihn bei der Informationssuche und bei der Trennung und Auswahl der evidenzbasierten
von nicht evidenzbasierten Informationen zu unterstützen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Die Implementierung von Arztinformationssystemen sollte dem Programmanbieter
überlassen bleiben. Der Erfolg und die Qualität des Programms wird sicherlich we-
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite149
sentlich mit dem Informationsstand der beteiligten Ärzte korrelieren. Für den Arzt in
seinem Praxisalltag wird es entscheidend sein, unkompliziert, schnell und einfach
zielgerichtet wichtige und aktuelle Informationen erhalten zu können. Dafür bieten
sich besonders elektronische Informationssysteme an. Auf die Bedeutung und die
Rolle des Internets als Arztinformationssystem wird später näher eingegangen (s.u.).
Informationssysteme in Form von EDV- gestützten Entscheidungsunterstützungssystemen für den Arzt (Decision Support- Systeme) können die Qualität und Effizienz
der Patientenversorgung verbessern [Johnston et al., 1994; Bates et al., 1999; Elson
et al., 1997; Hunt et al., 1998]. Mit ihrer Hilfe können dem Arzt systematisch in Entscheidungssituationen zeitnah gezielte Informationen mit gezielten Rückmeldungen
zu seiner Behandlungsstrategie gegeben werden und ihn in der Therapie seiner Patienten unterstützen.
Durch systematische Bereitstellung von gezielten Informationen zu Kosten bestimmter Handlungsstrategien, insbesondere Kosten zu verordneten Medikamenten und
diagnostischen Untersuchungsverfahren, kann der Ressourceneinsatz des Arztes
effizienter und effektiver gestaltet werden [Hunt et al., 1998; Beilby et al., 1997]. Besonders bei der Durchführung von diagnostischen Untersuchungen finden sich noch
große Wirtschaftlichkeitsreserven. So waren z.B. nach einer Untersuchung in den
USA bis zu 50 % der in einem Krankenhaus durchgeführten Tests im Rahmen der
Diagnostik nicht indiziert gewesen [Bates et al., 1999].
Ein systematischer Einsatz von Arztinformationssystemen im Disease Management
kann daher mit dazu beitragen, dass [Balas, 2001; Bates et al., 1999 und 2001]
•
nicht indizierte Laboruntersuchungen reduziert werden
•
Doppeluntersuchungen verringert werden
•
das Verschreibungsverhalten des Arztes verändert wird
•
Arzneimittelkosten reduziert und Arzneimittelreaktionen bei Patienten reduziert
werden könnten. Arzneimittelreaktionen verursachen insbesondere im Krankenhausbereich einen Großteil vermeidbarer Kosten [Bates et al., 1997; Classen et
al., 1997]
•
Medizinische Behandlungsfehler reduziert werden
•
Krankenhauswiedereinweisungen reduziert werden
•
die Varianz in der Behandlung chronisch Kranker verringert wird
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite150
Gerade im Arzneimittelbereich könnte durch den systematischen und gezielten Einsatz von Informationssystemen ein effizienteres Verschreibungsverhalten bei Ärzten
bewirkt werden (Tabelle 8).
Tabelle 8: Verwendungsmöglichkeiten von Arztinformationssystemen für die
Arzneimittelversorgung im Disease Manangement
Im Rahmen der Arzneimittelversorgung im Disease Management können mit Hilfe von Arztinformationssystemen
•
dem Arzt EDV- gestützte Dosierungsalgorithmen zur Verfügung gestellt werden und damit das
Verschreibungsverhalten verbessert werden
•
patientenindividuelle Vorschläge zur Dosierung, Häufigkeit der Einnahme sowie Informationen zu
Arzneimittelunverträglichkeiten für den Arzt ermittelt und angeboten werden
•
Vorschläge zu patientenspezifischen Alternativmedikationen angeboten werden
[Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Bates et al., 1999]
Zu betonen ist noch einmal der systematische Ansatz im Disease Management, mit
dem Informationen gezielt und strukturiert dem Arzt zur Verfügung gestellt werden
sollten. Bereits während der Entwicklung und Konzeption der Disease Management
Programme sollte daher ihr Einsatz für den am Programm teilnehmenden Arzt geplant und festgelegt werden.
6.3 Internet und Disease Management
Auch den Gesundheitssektor hat das Internet entscheidend verändert [PriceWaterhouseCooper, 1999]. Es eröffnet neue und effiziente Möglichkeiten der Kommunikation und der Gesundheitsversorgung. Die Rolle des Internets im Disease Management wird unterschiedlich beurteilt [Bulger et al., 2000; Glasgow et al., 2001; Lenz
et al., 2001]. Nach Ansicht der Autoren wird für die Einführung wie für die Durchführung von Disease Management Programmen in Deutschland das Internet zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zentrale Rolle spielen. Die Bedeutung, die dem Internet
im Disease Management in Deutschland zur jetzigen Zeit zufallen kann, ist eine Unterstützungsfunktion in der Informationsversorgung der beteiligten Patienten und Ärzte.
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite151
Erfahrungen in den USA zeigen, dass reine webbasierte Disease Management Programme nicht zu den erhofften Erfolgen führten. Beispielsweise konnten über webbasierte Programme in den USA Patienten der entsprechenden Zielgruppen für eine
Einschreibung nicht gewonnen werden. In den USA findet Disease Management auf
drei Ebenen statt (Tabelle 9). Auf der untersten Ebene finden sich reine Internet–
Disease Management Programme. Auf der nächst höheren Ebene finden sich Programme, die auf Basis von Call- Centern und Telefonkontakten und ggf. anschließend mit Besuchen von Krankenschwestern beim Patienten arbeiten Die dritte Ebene schließlich kennzeichnet den Einsatz und die Versorgung eingeschriebener Patienten mit interaktiven computergestützten Systemen. Die Computersysteme stellt der
Programmanbieter den Patienten zur Verfügung. Über diese Systeme erfolgt die Erfassung, Weiterleitung und Auswertung vom Patienten selbst erhobener Untersuchungsdaten, wie z.B. Blutzuckerselbstmessungen bei Diabetikern. Die Daten können direkt vom Patienten zum Programmanbieter bzw. zu den behandelnden Ärzten
mit Hilfe des Einsatzes interaktiver Informationstechnologien übertragen werden.
Tabelle 9: Ebenen von Disease Management in den US (Level I = unterste Stufe,
Level III = höchste Stufe)
Level III
Disease Management unter Einsatz interaktiver computergestützten
Informationssysteme mit Vernetzungen zu Professionen
Level II
Disease Management unter Verwendung von Telefonkontakten, in der Regel über
Call- Center mit Hausbesuchen von Krankenschwestern abhängig vom
Krankheitszustand
Level I
E-Healthcare: Reine web-basierte Disease Management Programme
[Quelle: eigene Darstellung]
Ein Disease Management Ansatz, der vorrangig auf dem Internet basiert, wird nicht
zu der gewünschten systematischen Qualitätsverbesserung und einer verbesserten
Kosteneffektivität der Versorgung chronisch Kranker führen. Allein durch das Internet
erfolgt keine Implementierung und Umsetzung von evidenzbasierten Leitlinien, das
Arzt– und Patientenverhalten wird nicht wesentlich geändert werden. Nach einer repräsentativen Umfrage zur Internetnutzung unter Ärzten in Deutschland (Leseranalyse medizinischer Fachmedien: http:// www.lamed.de, 2001) geben nur 1,2 % der Befragten an, das Internet täglich für die Suche nach Fachinformationen zu nutzen. 12
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite152
% gehen mindestens einmal die Woche ins "Netz". Durch den Einsatz des Internets
kann sich zwar das Wissen über Erkrankungen und Therapien verbessern, verbesserte Therapieergebnisse werden aber nicht erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass
dem Medium Internet als solches im Disease Management eine Absage erteilt wird.
Z. B. kann für die am Disease Management beteiligten Ärzte das Internet als Informationsmedium vor allem in Form sogenannter Professional-Portale zunehmend an
Bedeutung gewinnen, wie in nachfolgender Tabelle beschrieben.
Tabelle 10: Professional– Portale im Disease Management
Mit Hilfe von Professional-Portalen im Disease Management könnten den Ärzten:
•
evidenzbasierte Leitlinien bereitgestellt werden
•
kostenloser Zugang zu elektronischen medizinische Datenbanken (z.B. Medline) ermöglicht werden
•
aktuelle Informationen aus der Medizin, neueste Studienergebnisse, Kongressberichte etc.
systematisch aufbereitet und bereitgestellt werden
•
Zugriff auf elektronische Versionen medizinischer Fachjournale ermöglicht werden
•
die neuesten Benchmarking- bzw. Qualitätsinformationen zu den einzelnen Programmen
veröffentlicht werden
•
spezifische Informationen zu seinen Patienten (unter Beachtung des Datenschutzes) zur Verfügung
gestellt werden
•
Reminder verschickt werden
•
ein persönliches Benchmarking für den Arzt ermöglicht werden, z.B. in Form einer Abfragemöglickeit
der ausgewerteten Daten seiner Benchmarkingdatensätze und ein auf dieser Grundlage erstellter
Vergleich mit anderen Ärzten (Datenschutzbelange und Vertraulichkeit müssen selbstverständlich
gewährleistet sein)
•
Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zum Programmanbieter über E-Mail zur Verfügung gestellt
werden
•
Schulungs- und Informationsmaterialien für ihre Patienten zum herunterladen bereitgestellt werden
•
interaktive Risikoberechnungsmodule, z.B. zur Errechnung des kardiovaskulären Risikos ihrer
Patienten, zur Verfügung gestellt werden
[Quelle: Eigene Darstellung]
Für den Patienten wird das Internet aufgrund des Alters der Zielgruppe der Disease
Management Programme ebenso wohl keine zentrale Rolle spielen. Nicht
vernachlässigt werden können aber deren Angehörige, wie z.B. ihre Kinder. Diese
können von den Möglichkeiten des Internets sicherlich im verstärkten Maße
Gebrauch machen, um sich über die Programme, in denen ihre Angehörigen
Disease Management in Deutschland – Informationssysteme
Seite153
eingeschrieben sind, zu informieren. Von daher sollte auch auf der Seite der
Patienten das Internet als Kommunikationsmedium nicht vernachlässigt werden.
Das Internet kann damit als ein „Werkzeug“ zur Disseminierung und Implementierung
von Disease Management Programmen gesehen werden. Langfristige technische
und politische Entwicklungen werden zeigen, ob das Internet seinen Stellenwert als
bedeutsames Instrument in der Versorgung chronisch Kranker erlangen wird.
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 154
7 Datenmanagement, Dokumentation und
Datenbanken im Disease Management
7.1 Funktion und Stellenwert von Daten im Disease
Management
Disease Management ist ein informations- und datengetriebener Ansatz zur systematischen Verbesserung der Versorgungsqualität chronisch Kranker. Für den Erfolg
eines Disease Management Programms ist es von entscheidender Bedeutung, dass
relevante Daten zeitnah zur Verfügung gestellt werden, auf deren Basis ein effektiver
und effizienter Ressourceneinsatz in der Behandlung chronisch Kranker erfolgen
kann. Für das Disease Management können Daten daher als “strategisches Gut” betrachtet werden [Espinosa, 1998]. Auf Grundlage einer systematischen und standardisierten Dokumentation ermöglicht ein effektives und effizientes Datenmanagement
Bereiche von Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Versorgung chronisch Kranker, insbesondere auch im Arzneimittelbereich, zu identifizieren und abzubauen. Ein
Disease Management bei hoher Qualität und Kosteneffektivität ist aber nur möglich,
wenn durch eine standardisierte und systematische Dokumentation der entsprechenden Daten i) die Kriterien für die Einschreibung in die Programme nachvollziehbar
und überprüfbar sind, um Manipulationen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern
und ii) Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität erfasst und damit die Qualität
der Programme im Zeitverlauf bewertet und mit Hilfe eines Benchmarkings übergreifend verglichen werden. Eine regelmäßige Veröffentlichung der Qualitätsvergleiche
gewährleistet dabei eine größtmögliche Transparenz und bietet den besten Anreiz
zur systematischen Qualitätsverbesserung [HEDIS, www.ncqa.org]. Funktionen der
Datenerhebung sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 155
Tabelle 1: Funktionen einer standardisierten und kontinuierlichen Datenerhebung
und Dokumentation im Disease Management
• Identifizierung von Bereichen der Über-, Unter- und Fehlversorgung
• Kontrolle der Einschreibekriterien, um Manipulationen möglichst auszuschließen,
• Risikostratifizierung der eingeschriebenen Patienten
• Patientenführung und Optimierung der Therapie auf Basis evidenzbasierter Leitlinien
• Steuerung des Reminder – Einsatzes
• Qualitätssicherung in Form eines Benchmarkings
[Quelle: Eigene Darstellung]
7.2 Dokumentation im Disease Management: der
Benchmarkingdatensatz
Im Disease Management sollten:
-
Personenbezogene Stammdaten
-
Daten zur Kontrolle der Einschreibekriterien
-
Daten zu Kosten medizinischer Leistungsinanspruchnahme
-
Daten für die Qualitätssicherung und das Benchmarking in Form von Indikatoren
der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität systematisch erfasst werden [Armstrong et al., 1996; Alessi et al., 1999].
Dabei sollten gezielt die Parameter erhoben werden, die für die Erreichung der übergeordneten Ziele des Disease Managements aussagekräftig, valide und durch das
Disease Management beeinflussbar sind. Die Parameter sollten Evidenz besitzen
und von hoher Spezifität und Sensitivität sein [Liang et al., 1997].
Eine systematische und standardisierte krankheitsspezifische Dokumentation kann
mit einem einzigen minimalen Datensatz erfolgen. Dieser minimale Datensatz wird im
Folgenden Benchmarkingdatensatz genannt, da er auch zum Benchmarking der
Programme herangezogen werden kann (siehe Kapitel Qualitätssicherung). Der
Benchmarkingdatensatz enthält Daten zu den Einschreibekriterien, zum Patientenmanagement und zur Qualitätssicherung (Tabelle 2).
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 156
Tabelle 2: Inhalte des Benchmarkingdatensatz
Der krankheitsspezifische Benchmarkingdatensatz erfasst für jedes Disease Management
Programm:
Indikatoren der Prozessqualität
Krankheitspezifische Zielwerte
Indikatoren der Ergebnisqualität
[Quelle: Eigene Darstellung]
Der Benchmarkingdatensatz ist für jede Erkrankung unterschiedlich, sollte aber innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung für alle Kassen einheitlich festgelegt
sein. Dazu sollten sich die Spitzenverbände gemeinsam auf der Basis evidenzbasierter Leitlinien auf die jeweils zu erfassenden krankheitsspezifischen Qualitätsindikatoren und Zielwerte einigen. Damit wird verhindert, dass man vom derzeitigen System
ohne jegliche Standards in ein System multipler widersprüchlicher Standards wechselt.
Für den Benchmarkingdatensatz wurden im Gutachten evidenzbasierte, aussagekräftige, valide spezifische und sensitive Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität identifiziert, die auf dem Boden der Identifizierung von Über-, Unter- und Fehlversorgung die Versorgungsziele spezifizieren. Die Daten sollten ohne großen zusätzlichen Aufwand in der Routine erhebbar sein und den Datenschutz berücksichtigen.
Ein Vorschlag für einen krankheitsspezifische Benchmarkingdatensätze für ein Diabetes-Programm zeigt Tabelle 3.
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
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Tabelle 3: Benchmarkingdatensatz für ein Disease Management Programm Diabetes
Indikatoren der Prozessqualität:
• Wurde der HbA1c erhoben: ja / nein
• Wurde der LDL Cholesterinwert erhoben: ja / nein
• Fand in diesem Quartal eine Blutdruckkontrolle statt: ja / nein
• Erfolgte eine Augenuntersuchung in diesem Quartal: ja / nein
• Erfolgte eine Fußinspektion in diesem Quartal: ja / nein
• Ist ein Test auf Mikroalbuminurie in diesem Quartal durchgeführt worden: ja / nein
• Wurde der BMI des Patienten in diesem Quartal bestimmt: ja / nein
• Nahm der Patient an Patientenschulungen entsprechend seiner Risikostratifizierung in diesem
Quartal teil: ja / nein
• Erfüllten die Patientenschulungen die vorgegebenen Anforderungen: ja / nein
• Nahm der Arzt an einer krankheitsspezifische Ärztefortbildung im Rahmen des Programms in
diesem Quartal teil: ja / nein
• Wurden Reminder für Ärzte eingesetzt: ja / nein
• Wurden Reminder für Patienten eingesetzt: ja / nein
• Wurden die definierten Schnittstellen eingehalten (Überweisungen zu Fachärzten): ja / nein
Zielwerte (Bezug zum zuletzt gemessenen Wert):
• Ist der HbA1c Wert im Zielbereich X: ja / nein
• Ist der LDL Cholesterinwert im Zielbereich X: ja / nein
• Liegt der systolische Blutdruckwert im Zielbereich von X: ja / nein
• Liegt der diastolische Blutdruckwert im Zielbereich von X: ja / nein
• Liegt der BMI im Zielbereich X: ja / nein
Indikatoren der Ergebnisqualität:
• Liegt eine diabetische Neuropathie vor: ja / nein
• Mußte eine Amputation des Fußes / der Zehe erfolgen: ja / nein
• Liegt eine diabetische Nephropathie vor: ja / nein
• Wurde der Patient dialysepflichtig: ja / nein
• Liegt eine diabetische Retinopathie vor: ja / nein
• Wurde der Patient in diesem Quartal aufgrund seines Diabetes in ein Krankenhaus eingewiesen:
ja/nein?
[Quelle: Eigene Darstellung]
Mit den Indikatoren der Prozessqualität wird erfasst ob bestimmte krankheitsspezifische, evidenzbasierte und aussagekräftige Laborwerte regelmäßig erhoben wurden.
Außerdem wird nach durchgeführten Schulungen bzw. Fortbildungen sowie zum Einsatz von Remindern gefragt. Die Indikatoren der Ergebnisqualität enthalten Fragen
zu krankheitsspezifischen Folgekomplikationen bzw. Endpunkten, die im Rahmen
einer systematischen Qualitätsverbesserung der Versorgung chronisch Kranker verringert werden sollten. Die Zielwerte werden entsprechend der Risikostratifizierung
des Patienten festgelegt. Die krankheitsspezifischen Zielwerte sollten einheitlich für
alle Programme der gesetzlichen Krankenversicherung gelten. Auf diese sollten sich
die Spitzenverbände auf Basis evidenzbasierter Leitlinien einigen. Damit soll vermieden werden, dass Versicherte unterschiedlicher Kassen auch unterschiedliche Zielwerte erreichen sollen.
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 158
Auch eine effizientere Arzneimitteltherapie kann über den Benchmarkingdatensatz
erreicht werden, indem beispielsweise die Therapie mit sogenannten Reservetherapeutika abgefragt und begründet werden muss. Medikamente, die nicht kosteneffektiv sind, bzw. deren Wirksamkeit nicht gesichert ist, wie z.B. Pseudoinnovationen oder Me-too Präparate, könnten so in der Verordnungshäufigkeit zurückgedrängt werden und der kostenstabilisierende Effekt des Disease Management verstärkt werden.
Die Richtigkeit der gemachten Angaben können die Krankenkassen in ihren Arzneimitteldaten untersuchen, die sie auf der Grundlage der Einwilligung der Patienten
unter Berücksichtigung des Datenschutzes auswerten dürfen.
Bei der Erstellung und Auswertung des Benchmarkingdatensatzes muss berücksichtigt werden, dass Krankenkassen mit vermehrt sozial benachteiligten Versichertengruppen, die möglicherweise mit schlechteren Ausgangswerten in das Programm
einsteigen und eine schlechtere Compliance aufweisen als Versicherte aus höheren
sozialen Schichten, kein Nachteil entsteht. Die Indikatoren der Prozessqualität sollten
daher nicht von der Compliance der Patienten abhängig sein. Daher sollte auch nicht
der absolut erreichte Wert eines Indikators zum Benchmark herangezogen werden,
sondern die erzielte Verbesserung, die ggf. prozentual zum Vorjahresergebnis ausgedrückt werden kann. Für Kassen, die eine große Anzahl schlecht eingestellter Patienten einschreiben, ergibt sich so ein größeres Potenzial zur Verbesserung.
Um eine systematische Dokumentation zu erreichen, sollte der Bechmarkingdatensatz jedes Quartal, also alle 3 Monate, vom Arzt und Patient gemeinsam ausgefüllt, unterschrieben und an die Kasse für eine zentrale Datenerfassung weitergeleitet werden (zum Datenfluss s.u.). Als einheitliches Standardverfahren zur Dokumentation für alle Disease Management Programme in der gesetzlichen Krankenversicherung spielt der Benchmarkingdatensatz daher eine zentrale Rolle, denn er erfüllt
gleich mehrere Funktionen (Abbildung 1):
•
Mit dem Benchmarkingdatensatz wird das Erreichen der Ziele der Programme in
regelmäßigen Abständen einheitlich dokumentiert. Damit können erfolglose Programme frühzeitig erfasst werden. Anhand des Benchmarkingdatensatzes kann
geprüft werden, ob die definierten Ziele zum Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung auch erfasst und mit dem Programm umgesetzt werden
•
Mit dem Benchmarkingdatensatz können eingeschriebene Patienten, die nicht
mehr am Disease Management teilnehmen (sogenannte "Karteileichen") früh-
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 159
zeitig erfasst werden. Jeder Patient, für den kein Dokumentationsbogen ausgefüllt
wird, kann durch die Reakkreditierungsinstitution aus den vom Risikostrukturausgleich finanzierten Programmen herausgenommen werden
•
Mit dem Benchmarkingdatensatz kann die Kasse aktiv am Disease Management
teilnehmen. Sie erhält zeitnah zuverlässige Daten. Da der Benchmarkindatensatz
von Arzt und Patient unterschrieben wird, kann die Kasse sich auf diese Daten
verlassen
•
Mit Hilfe des Benchmarkingdatensatzes kann der Patient systematisch und gezielt
in seinem Programm geführt und der Arzt in der Therapie unterstützt werden.
Weiterhin kann die Kasse gezielt den Reminder-Einsatz steuern
•
Mit Hilfe des Benchmarkingdatensatzes können die Einschreibekriterien überprüft
und Manipulationsmöglichkeiten verringert werden
•
Der Benchmarkingdatensatz ist Grundlage für die Qualitätssicherung und die
Reakkreditierung der Programme durch das Benchmarking.
Abbildung 1: Funktionen des minimalen Benchmarkingdatensatzes im Disease
Management
Qualitätssicherung der
Einschreibung
Minimaler
Benchmarkingdatensatz
Qualitätssicherung des
kontinuierlichen Monitorings
und der Patientenführung
Steuerungsgrundlage der
Krankenkasse am Disease
Management
Grundlage für die
Reakkreditierung bzw. das
Benchmarking
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 160
7.3 Datenbanken der am Disease Management
Beteiligten
Die mit dem Benchmarkingdatensatz erhobenen Daten im Disease Management sollten von der Krankenkassen zentral erfasst werden. Eine dezentrale Datenerfassung
und -sammlung beim Arzt bedingt große Informationsverluste für ein systematisches
Disease Management. Dies würde zu einer Verschwendung von Ressourcen, z.B. in
Form von wiederholten Doppeluntersuchungen, unnötigen Zeitaufwendungen bei der
Suche nach früheren Patientendaten usw., führen. Durch die zentrale Datenerfassung und Datensammlung bei der Krankenkasse als Programmanbieter kann dies
vermieden und das Datenmanagement effizienter und effektiver gestaltet werden
(Tabelle 4).
Tabelle 4: Nachteile einer dezentralen und Vorteile der zentralen Datenerfassung im
Disease Management
nicht auffindbare Dokumente
nicht auffindbare Daten in Dokumenten
zeitaufwendige Suche nach früheren Daten und
Informationen
fehlerhaft eingetragene Daten
nicht lesbare handschriftliche Informationen
keine Zugriffsmöglichkeit von mehreren Stellen
aus
großer Platzbedarf zum Archivieren der Daten
zeit- und ortsunabhängige
Vorteile einer zentralen elektronischen
Zugriffsmöglichkeiten auf Daten
Datensammlung und –archivierung
verbesserter, effizienter Informationsfluss
durch die Krankenkasse
schnelle und zeitnahe Datenweitergabe an
Leistungserbringer möglich
kontinuierlicher und sofortiger Abgleich neuer
mit historischen Untersuchungsdaten des
Patienten ermöglicht Entscheidungsunterstützung (Decision Support) des Arztes
Steuerung von Remindern möglich
Verbesserung der Qualität medizinischer
Entscheidungen und Behandlungen
Platzersparnis bei Archivierung von
Patientendaten
Möglichkeit einer übergreifenden Evaluation
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Selby et al., 1997]
Nachteile einer dezentralen
Datenarchivierung z.B. beim Arzt in
Form von herkömmlichen
Patientenakten
-
Die Dokumentation erfolgt wie zuvor dargestellt auf einfache Weise in Papierformat
mit Hilfe des minimale Benchmarkingdatensatz (s.o.). Die so erfassten Parameter
werden in Disease Management Datenbanken eingegeben, ausgewertet, gespeichert und gepflegt. Dafür sollten Datenbanken bei den Kostenträgern (Programmanbietern), bei eventuell kooperierenden externen Dienstleistern sowie bei der für die
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 161
Reakkreditierung bzw. das Benchmarking zuständigen Institution (z.B. das Bundesvesicherungsamt) eingerichtet werden. Bestehende Strukturen und Techniken sollten
dabei verwendet werden, um schnell und ohne große zusätzliche Kosten die notwendige technische Infrastruktur für den Datentransfer und die Datenarchivierung
bereitstellen zu können. Disease Management Datenbanken können dabei in drei
möglichen Qualitätsausprägungsstufen verwendet werden (Tabelle 5).
Tabelle 5: Mögliche Qualitätsausprägungsstufen für Datenbanken (I: niedrigstes Niveau, III: höchstes Niveau)
Qualitätsniveau III
Qualitätsniveau II
Qualitätsniveau I
Datenbanken, die zeitgrecht spezifische Daten zur Verfügung stellen
und einen Decision Support ermöglichen (Verknüpfung von
Routinedaten des Benchmarkingdatensatzes mit individuellen
Therapieempfehlungen)
Datenbanken, die zeitgerecht spezifische Daten zur Verfügung stellen;
Kompatibilität der Daten; Möglichkeit des Poolens von Daten für
Vergleiche; kein Decision Support möglich
Datenbanken, die unspezifische Dokumentationen ermöglichen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Der Aufbau zentraler Disease Management Datenbanken bei den Krankenkassen
dient daher u.a.:
•
der Steigerung der Effizienz in der Datenverwaltung durch eine Verbesserung und
Erleichterung der Dokumentation sowie einer Reduktion des Dokumentationsaufwandes für den Leistungserbringer
•
der Kostenreduktion in der Datenverwaltung
•
dem Aufbau von effizienten Informationswegen
•
der Verbesserung der Qualitätssicherung in der Datenverwaltung und dokumentation
•
einer systematischen und zeitnahen, spezifischen Informationsbereitstellung relevanter Daten für den Arzt mit der Möglichkeit der Entscheidungsunterstützung
über Decision Support - Systeme
•
der systematisch Steuerung von Reminder
•
der Möglichkeit einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle und Qualitätsvergleiche in
Form des Benchmarkings
•
der Sammlung bisher nicht vorhandener relevanter Daten zur Unterstützung der
Versorgungsforschung (z.B. Daten zu Krankheits - und Kostenstrukturen, zu sektorenübergreifende Ressourcenverbrauch, etc.).
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 162
7.4 Datenfluss im Disease Management Programm
Der Datenfluss beinhaltet die Dokumentation, Weiterleitung und Erfassung des
Benchmarkingdatensatzes. Folgende Abbildung zeigt schematisch eine mögliche
Vorgehensweise für den Datentransfer im Disease Management. Der Arzt erhebt
einmal im Quartal für jeden eingeschriebenen Patienten den entsprechenden
Benchmarkingdatensatz. Diesen bekommt er von der Krankenkasse mit Beginn seiner Teilnahme am Disease Management Programm für alle seine eingeschriebenen
Patienten per Post, Fax oder auch auf elektronischem Weg (e-mail, Bereitstellung im
Internet) zugesandt. Der Benchmarkingdatensatz sollte gemeinsam vom Arzt und
Patient, z.B. bei einem Routinebesuch, ausgefüllt und von beiden unterschrieben
werden. Damit ist er ein rechtsgültiges Dokument und schließt in der Regel bewußte
Manipulationen aus. Die Kasse erhält somit verläßliche Daten. Die ausgefüllten
Benchmarkingdatensätze schickt der Arzt, z.B. jeweils am Quartalsende, an die entsprechende Krankenkasse auf regulärem Postweg, per Fax oder auf elektronischem
Wege wieder zurück. Die Krankenkasse erfasst alle eingehenden Benchmarkingdatensätze in ihrer Disease Management Datenbank. Diese Daten bilden die Grundlage der Krankenkasse für die aktive Teilnahme und der Steuerung am Disease Management.
Für die Reakkreditierung bzw. das Benchmarking schickt die Krankenkasse ausgewählte Indikatoren aus dem Benchmarkingdatensatz an eine zentrale Institution, die
für die Reakkreditierung bzw. das Benchmarking zuständig ist (z.B. das Bundesversicherungsamt). Die Indikatoren, die aus dem Benchmarkingdatensatz für das eigentliche Benchmarking verwendet werden, sollten zuvor einheitlich von den Spitzenverbänden definiert worden sein. Die Reakkreditierungs- bzw. Benchmarkinginstitution
sammelt und speichert die Reakkreditierungsdaten aller Programme zentral in einer
ihrer Disease Management Datenbank. Weitere Einzelheiten der Reakkreditierung
und des Benchmarkings finden sich im Kapitel Qualitätssicherung.
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 163
Abbildung 2: Datentransfer im Disease Management
Zentrale Reakkreditierungs- und
BenchmarkInstitution
3
definierte
Benchmarkingkriterien
1
Arzt
Benchmarkingdatensatz
Krankenkasse
2
1. Die Krankenkasse schickt dem Arzt per Post, Fax oder auf elektronischem Weg das Formular des
Benchmarkingdatensatzes zu.
2. Der Arzt füllt gemeinsam mit den Patienten den Benchmarkingdatensatz einmal im Quartal aus und
schickt ihn an die Krankenkasse per Post, Fax oder auf elektronischem Weg wieder zurück. Die Daten
werden bei der Krankenkasse in ihrer Disease Management Datenbank gesammelt, gespeichert und
zeitnah ausgewertet. Auf Basis dieser Daten erfolgt die aktive Teilnahme und Steuerung des
Programms durch die Kasse.
3. Die für die Reakkreditierung bzw. das Benchmarking der Programme notwendigen Daten werden
von der Krankenkasse an die Reakkreditierungs- und Benchmarkingistitution weitergeleitet und dort
zentral gespeichert und ausgewertet.
[Quelle: Eigene Darstellung]
7.5 Datenschutz im Disease Management
Um im Rahmen des Disease Management den Versorgungsbedarf chronisch Kranker gezielt analysieren und Bereiche von Über-, Unter- und Fehlversorgung identifizieren zu können, muss die bisherige Datentransparenz im Gesundheitswesen verbessert werden. Das vom Gesetzgeber angestrebte Datentransparenzgesetz könnte
hierzu ein erster Schritt sein. Ohne die Weitergabe unverschlüsselter, d.h. Versicherten- und Leistungserbringer bezogener Daten an die Krankenkasse kann ein Disease
Management nicht funktionieren. Daher ist es besonders wichtig, dass die vom Gesetzgeber vorgegebenen Richtlinien des Datenschutzes auf allen Ebenen und in al-
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 164
len Modulen des Disease Managements eingehalten werden. Auch im Disease Management muss die Privatssphäre des Einzelnen und der Schutz der Vertraulichkeit
sensibler medizinischer Daten sichergestellt sein. Für kassenübergreifende Datenauswertungen, wie z.B. für die Reakkreditierung bzw. das Benchmarking, sollten Daten daher nur anonymisiert von den Kassen weitergeleitet und zusammengeführt
werden.
Datentransparenz und Datenschutz sind durchaus miteinander vereinbar [Scholz,
2001]. Die oft vorgebrachten Befürchtungen eines "gläsernen Patienten", dass durch
eine versichertenbezogene Datenweitergabe an die Kassen diese Daten zur Risikoselektion missbraucht werden könnten, scheint eine interessensgesteuerte Interpretation zu sein [Scholz, 2001]. In der stationären Versorgung liegen die Daten den
Kassen schon jetzt versichertenbezogen vor.
Der Gesetzgeber muss über Richtlinien den Datenschutz und die Datensicherheit im
Disease Management gewährleisten und die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Speicherung, Zusammenführung und Auswertung von personenbezogenen sensiblen medizinischen Daten formulieren. Grundsätzlich sind hier datenschutzrechtliche Bestimmung auf europäischer, Bundes-, Landes- und Krankenkassenebene zu beachten. Datenschutzrechtliche Fragestellungen im Disease Management ergeben sich u.a. bei:
•
den Zugriffsrechten auf die einzelnen Disease Management Daten
•
der Sicherheit des Datentransfers und des Datenaustausches
•
der Sicherheit der Datenarchivierung
•
der Verhinderung des Mißbrauchs von Disease Management Daten durch Dritte
•
der Gewährleistung der Sicherheit der Privatssphäre des Patienten und Arztes
trotzt unverschlüsselter Datenweitergabe an die Kasse.
Alle am Disease Management Beteiligten sollten sich schriftlich auf den Datenschutz
verpflichten müssen. Mit der Einschreibung in das Programm muss der Patient zusätzlich schriftlich seine Einwilligung auf den Zugriff und die Weiterleitung seiner persönlichen Daten erteilen. Damit stimmt er zu, dass seine medizinischen Daten im
dafür notwendigen Rahmen des Programms an die Kasse weitergeleitet und dort
ausgewertet werden. Ohne diese Einwilligung des Patienten sollte eine Teilnahme an
einem Disease Management Programm nicht möglich sein. Dies ist notwendig, da
ohne unverschlüsselte Daten die Krankenkasse keine aktive Rolle und Steuerungs-
Disease Management in Deutschland - Datenmanagement
Seite 165
funktion im Disease Management übernehmen kann. Die Erhebung, Auswertung und
Weiterleitung der Daten muss im Rahmen der datenschutzrechtlichen Möglichkeiten
erfolgen.
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 166
8 Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung
Organisationsmanagement soll durch die Neustrukturierung von Organisationsabläufen und Praxisroutinen eine Zuschneidung organisatorischer Abläufe auf die Bedürfnisse chronisch kranker Patienten ermöglichen. Entscheidungsunterstützung soll
dem Arzt therapierelevante Informationen in strukturierter und aufbereiteter Form zur
Verfügung stellen, um eine rasche Integration aller wichtigen Informationen in den
Entscheidungsfindungsprozess zu gewährleisten. Organisationsmanagement und
Entscheidungsunterstützung sind wichtige Werkzeuge für die Implementierung einer
evidenzbasierten Therapie in die Regelversorgung. Durch das Organisationsmanagement werden die Rahmenbedingungen geschaffen, die es dem Arzt ermöglichen,
Entscheidungsunterstützung zu nützen und die Empfehlungen der Leitlinien umzusetzen.
Das Gutachten verwendet folgende Arbeitsdefinition für Organisationsmanagement
und Entscheidungsunterstützung:
Definition: Organisationsmanagement umfasst alle Prozesse zur Neustrukturierung
von Abläufen der Gesundheitsversorgung, wie z.B. die Umgestaltung von Praxisroutinen mit Einführung spezieller Sprechstunden für chronisch Kranke oder den Einsatz
spezieller Krankheitskoordinatoren. Im weiteren Sinne gehört zum Organisationsmanagement auch der Einsatz von Entscheidungsunterstützung soweit sie mit einer Restrukturierung von Versorgungsroutinen verbunden ist. Beispiele sind gemeinsame
Sprechstunden von Spezialisten und Hausärzten oder spezielle Diabetestage in Klinik oder Praxis.
Durch den gezielten Einsatz von Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung kann im Rahmen von Disease Management Programmen die Versorgungsqualität verbessert werden [McCulloch et al., 2000; Friedman et al., 1998;
Wagner et al., 1996; Wagner et al., 1999]. Organisationsmanagement wird im Rahmen von Disease Management Programmen in der Regel zusammen mit anderen
Interventionen implementiert. Häufig werden auch unterschiedliche Interventionen
des Organisationsmanagements zusammen in einem Programm eingesetzt. Eine
Bewertung der einzelnen Intervention hinsichtlich des medizinischen Ergebnisses
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 167
bzw. der ökonomischen Auswirkungen ist daher nicht möglich [Erich, 1999b]. Wie
bereits dargestellt, liegt jedoch Evidenz vor, dass die gleichzeitige Implementierung
von Organisationsmanagement mit anderen Komponenten des Disease Management zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität und zu Kosteneinsparungen
führen kann [McCulloch et al. 2000; Wagner et al., 1999; DeBusk 1999, Rohrbach
1999, Cline 1998].
8.1 Qualitätsstufen von Organisationsmanagement
und Entscheidungsunterstützung
Organisationsmanagement und Interventionen zur Entscheidungsunterstützung können in unterschiedlicher Qualitätsausprägung im Disease Management eingesetzt
werden (Tabelle 1 und Tabelle 2).
Tabelle 1: Mögliche Qualitätsausprägungsstufen von Organisationsmanagement (Niveau I unterste Stufe, Niveau III höchste Stufe)
Qualitätsniveau III
Qualitätsniveau II
Qualitätsniveau I
[Quelle: Eigene Darstellung]
Anpassung von Praxisroutinen, Arbeitsabläufen und
Betreuungskonzepten auf die speziellen Bedürfnisse
chronisch Kranker
Zusätzliche Serviceangebote an chronisch Kranke im
Rahmen der üblichen Praxisroutine, Arbeitsabläufe
und Betreuungskonzepte
Kundenbindung durch gezielte Dienstleistungseffekte
Maßnahmen zur Kundenbindung auf Niveau I umfassen beispielsweise das Wartezeitenmanagement, die Freundlichkeit von Praxismitarbeitern und die Ausstattung
der Praxis. Solche Maßnahmen kommen allen Patienten gleichermaßen zugute ohne
dass ein direkter Einfluss auf die Versorgungsqualität nachweisbar wäre. Zu den
Maßnahmen des Qualitätsniveaus II gehören beispielsweise das Anbieten einer Hotline über ein Call- Center für chronisch kranke Patienten oder das Zuschicken von
Informationsmaterial durch die Krankenkasse. Diese Maßnahmen unterstützen das
Selbstmanagement der chronisch Kranken ohne dass organisatorische Änderungen
im Betreuungskonzept bzw. in Arbeitsabläufen vorgenommen werden müssen. Die
Maßnahmen werden zusätzlich zur üblichen Regelversorgung angeboten. Das Qualitätsniveau III ist durch organisatorische Änderungen im Praxisablauf und in den Be-
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 168
Betreuungskonzepten gekennzeichnet. Ziel ist die organisatorische Neuausrichtung
von Praxisabläufen und Betreuungskonzepten auf die spezifischen Bedürfnisse
chronisch Kranker. Dazu gehören beispielsweise der Einsatz eines Krankheitskoordinators, das Angebot spezieller Sprechstunden mit integrierten, zusätzlichen
Betreuungsangeboten wie Gruppensprechstunden (s.u.). Eng mit dem Organisationsmanagement verbunden sind die Interventionen zur Entscheidungsunterstützung,
die ebenfalls in unterschiedlichen Qualitätsstufen implementiert werden können
(Tabelle 2).
Tabelle 2: Mögliche Qualitätsausprägungsstufen von Organisationsmanagement (Niveau I unterste Stufe, Niveau III höchste Stufe)
Qualitätsniveau III
Qualitätsniveau II
Qualitätsniveau I
Implementierung von Entscheidungsunterstützung in
Praxisroutinen, Arbeitsabläufe und Betreuungskonzepten zur gezielten Information
Zusätzliche Serviceangebote an Ärzte im Rahmen der
üblichen Praxisroutine und Betreuungskonzepte
Zusätzliche Serviceangebote unabhängig von Praxisroutine und Betreuungskonzepten
[Quelle: Eigene Darstellung]
Interventionen zur Entscheidungsunterstützung auf Qualitätsniveau I umfassen beispielsweise Internetportale, Datenbanken oder die Disseminierung von Leitlinien. Sie
sind unspezifisch, für den Arzt jederzeit zugänglich und unabhängig von Praxisabläufen und Betreuungskonzepten. Im Rahmen dieser Qualitätsstufe werden keine Implementierungsstrategien angewendet. Zur Entscheidungsunterstützung auf Qualitätsniveau II gehören z.B. Expertensprechstunden via Telefon oder Internet. Diese
Interventionen können im Rahmen der üblichen Praxisroutine implementiert werden
und erfordern keine Umstellung organisatorischer Abläufe. Auf Stufe III werden zur
Entscheidungsunterstützung organisatorische Änderungen vorgenommen. Beispiele
sind gemeinsame Sprechstunden von Hausarzt und Spezialist (s.u.). Die Interventionen der Stufe III sind sehr effektiv [Wagner et al., 1999], da sie zugleich einen Fortbildungseffekt haben. Durch die Fortbildung des Arztes kann eine tatsächliche und
dauerhafte Qualitätsverbesserung der Regelversorgung erzielt werden.
Im Folgenden werden ausgewählte Interventionen des Organisationsmanagements
und der Entscheidungsunterstützung beschrieben und bezüglich ihrer Implementierbarkeit in Disease Management Programme bewertet.
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 169
8.2 Interventionen zum Organisationsmanagement
und zur Entscheidungsunterstützung
Krankheitsbezogene Spezialsprechstunden in der Praxis:
In Abhängigkeit von der Anzahl eingeschriebener Programme pro Praxis kann beispielsweise einmal pro Woche oder einmal pro Monat ein Vormittag für Patienten mit
Diabetes Mellitus oder einer anderen chronischen Erkrankung in der Hausarztpraxis
reserviert werden. Die Patienten werden entsprechend zu diesen Terminen besonders eingeladen bzw. Routinesprechstundenbesuche werden auf diese Tage gelegt.
Im Rahmen dieser speziellen Sprechstunden können beispielsweise längere Sprechzeiten eingeplant werden. Anstelle der üblichen 5 bis 10minütigen Konsultation können je nach Risikostratifizierung 15 bis 30 Minuten angesetzt werden. Die geplante
Sprechstunde soll es dem Hausarzt ermöglichen, sich auf diabetesbezogene Themen zu konzentrieren [Friedman et al., 1998]. Beispielsweise können die im Disease
Management erforderlichen Untersuchungen, wie z.B. die Fußinspektion oder eine
ausführliche Medikamentenanamnese mit Abfragen von Nebenwirkungen und Dosisanpassung durchgeführt werden [Cintron et al., 1983]. Spezifische Fragen des Patienten können beantwortet und der Benchmarkingdatensatz ausgefüllt und unterschrieben werden. Die Delegation von Aufgaben an speziell geschulte Praxismitarbeiter bzw. die Vorbereitung durch die Praxismitarbeiter gehören ebenfalls zum Organisationsmanagement. Beispielsweise kommt es zu einer höheren Rate an regelmäßigen Fußinspektionen, wenn der Patient von der Sprechstundenhilfe aufgefordert
wird, Schuhe und Strümpfe im Sprechzimmer auszuziehen [Litzelman et al., 1993].
Eine Demonstration der Fußinspektion durch den Patienten mit Korrektur durch einen
Experten kann z.B. zusammen mit einer weitergebildeten Diabeteskoordinatorin
durchgeführt werden [Litzelman et al., 1993].
Krankheitsbezogene Sprechtage in der Praxis:
Die krankheitsbezogenen Spezialsprechstunden können bei einem entsprechen großen Patientenkollektiv auch als krankheitsbezogene Sprechtage ausgestaltet werden. Zu solchen Sprechtagen werden neben den Routineterminen insbesondere Patienten eingeladen, die Zielwerte nicht erreichen bzw. an Komplikationen leiden, also
Patienten der Managementgruppen 2 und 3. Die krankheitsbezogenen Sprechtage
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 170
unterscheiden sich von den krankheitsbezogenen Sprechstunden durch die stärkere
Einbindung nicht-ärztlichen Personals [McCulloch et al., 1998]. Beispielsweise kann
das Praxisteam an solchen Tagen durch eine Diätberaterin, ein externes Schulungsteam (falls in der Praxis nicht selbst geschult wird) oder einen orthopädischen
Schuhmacher ergänzt werden. Möglich sind auch Treffen mit Selbsthilfegruppen oder
Gruppensprechstunden, in denen Patienten Fragen stellen können, die z.B. von Arzt
und Diätberaterin gemeinsam beantwortet werden. Sowohl krankheitsbezogene
Sprechstunden als auch krankheitsbezogene Sprechtage eignen sich sehr gut zur
Implementierung in die Praxisroutine. Für Programme mit speziellen krankheitsbezogenen Sprechstunden wird die Versorgungsqualität positiv beeinflusst [McCulloch et
al., 1998; McCulloch et al., 2000; Friedman et al., 1998].
Krankheitsbezogene Spezialsprechstunden in der Klinik:
Krankheitsbezogene Spezialsprechstunden in der Klinik werden in der Regel zur
Nachbetreuung besonders gefährdeter Patienten, wie z. B.: Patienten mit Herzinsuffizienz eingerichtet [Smith et al., 1998; Ekman et al., 1998; Knox et al., 1999]. Die
Spezialsprechstunden versorgen den Patienten ähnlich einer Spezialambulanz in
sehr enger Kooperation mit dem Hausarzt. In der Klinik werden dabei in der Regel
notwendige Untersuchungen zur Risikostratifizierung wie z.B. ein Herzecho durchgeführt und die langfristigen Therapieziele mit dem Patienten abgestimmt. In die Spezialsprechstunden in der Klinik werden in der Regel nur Patienten nach einem stationären Aufenthalt bzw. Patienten mit einem erhöhten Betreuungsbedarf aufgenommen. Bei den krankheitsbezogenen Spezialsprechstunden in der Klinik handelt es
sich letztlich um die Einbindung von Spezialambulanzen in Disease Management
Programme. Entscheidend für den Erfolg solcher Spezialsprechstunden ist,
•
Die zeitnahe Weiterleitung von Untersuchungsergebnissen und Therapieempfehlungen an den Hausarzt sowie vom Hausarzt an die Spezialsprechstunde. Die
Koordination des Datentransfers kann durch einen Koordinator (z.B. Krankenschwester oder Call- Center) durchgeführt oder überwacht werden.
•
Die Therapieplanung unter Verwendung derselben evidenzbasierten Therapieempfehlungen in Klinik und Praxis
•
Die Vermeidung von Brüchen in der Versorgung. Dazu können die Verwendung
derselben leitliniengestützten Empfehlungen, gemeinsame Fortbildungsveranstal-
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 171
tungen, der Einsatz eines Koordinators sowie beispielsweise eine abgestimmte
medikamentöse Therapie (Verwendung von Generika an Stelle von Originalpräparaten in der Klinik) beitragen
Spezialsprechstunden in der Klinik zur Nachbetreuung besonders gefährdeter Patienten haben sich in verschiedenen Disease Management Programmen bewährt
[Knox et al., 1999; Cline et al., 1998; Ekman et al., 1998; Fonarow et al., 2001;
Cintron et al., 1983; Smith et al., 1998].
Krankheitsbezogene Sprechtage in der Klinik:
Krankheitsbezogene Sprechtage in der Klinik können analog den krankheitsbezogenen Sprechtagen in der Praxis ausgestaltet werden. Sie sind vor allen Dingen dann
sinnvoll, wenn mehrere Praxen solche Sprechtage gemeinsam in der Klinik oder in
Zusammenarbeit mit einer Spezialsprechstunde durchführen.
Gemeinsame Sprechstunden von Hausarzt und Experte:
Die gemeinsame Sprechstunde von Hausarzt und Experte kann sowohl in der Praxis
als auch in der Klinik durchgeführt werden. In der Praxis besteht die Möglichkeit,
dass der Hausarzt je nach Bedarf einen niedergelassenen Experten oder einen Experten aus der Klinik beispielsweise im Rahmen der Spezialsprechstunde hinzuzieht
[McCulloch et al., 1998]. Dies kann als Service für Patienten z.B. in ländlicher Umgebung angeboten werden, wenn der nächste Diabetologe schlecht erreichbar ist. Alternativ können in solchen Sprechstunden einmal pro Monat alle Patienten vorgestellt werden, die aufgrund der Definition von Schnittstellen, zum Experten (z.B. Diabetologen) überwiesen werden sollten. Eine solche gemeinsame Lösung bietet die
Vorteile eines problemlosen Daten- und Wissenstransfers, sowie Service für den Patienten. Im Rahmen von Disease Management Programmen sind solche gemeinsamen Sprechstunden geeignet, zur Qualitätssicherung beizutragen [McCulloch et al.,
1998].
Krankheitskoordinator
Der Krankheitskoordinator hat in erster Linie logistische Funktionen. Er kann allerdings in begrenztem Maße auch für die Unterstützung bei der Erfüllung medizinischer
Leistungen herangezogen werden. Dies hängt von der Ausprägung des Koordinators
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 172
ab. Grundsätzlich kann der Krankheitskoordinator ein Arzt (sinnvoll z.B. für große
universitäre Brustkrebszentren mit hohem Patientenaufkommen), eine speziell weitergebildete Krankenschwester [Hershberger et al., 2001; Albert et al., 2001; Fonarow et al., 2001; Hanumanthu et al., 1997; Ekman et al., 1998] oder ein Call- Center
sein. Call- Center können beispielsweise im Rahmen von Telemanagement eingesetzt werden. Evidenz für solche Interventionen liegt beispielsweise für das Disease
Management der Herzinsuffizienz vor [Knox et al., 1999]. Durch das Call- Center
werden täglich definierte Parameter wie Gewicht oder Atemnot abgefragt und eine
Abweichungsanalyse durchgeführt. Bei entsprechenden vorher definierten Schnittstellen wird der betreuende Arzt kontaktiert [Hershberger et al., 2001; Knox et al.,
1999]. Ebenso besteht Evidenz, dass die ambulante Nachbetreuung von Risikopatienten nach Krankenhausentlassung durch einen Koordinator zu einer Qualitätsverbesserung in der Versorgung führt [Steffens et al., 2000]. Beispielsweise können in
Abhängigkeit von Risikostratifizierung und klinischem Zustand des Patienten Hausbesuche durch einen speziell weitergebildeten Krankheitskoordinator (in der Regel
eine Krankenschwester) oder eine Betreuung durch Telemanagement erfolgen. Das
Telemangement kann durch ein Call- Center oder durch einen Krankheitskoordinator
durchgeführt werden. Beide Interventionsmöglichkeiten sind effektiv. Beispielsweise
könnte ein Patient nach Krankenhausaufenthalt aufgrund einer schweren Hypoglykämie durch ein Call- Center betreut werden, indem regelmäßig der Blutzucker abgefragt wird und bei Abweichungen von den Empfehlungen Entscheidungsunterstützung angeboten bzw. eine Konsultation beim Hausarzt veranlasst wird. Die Entlassung und Weiterbetreuung eines Patienten mit mangelnder sozialer Unterstützung
aus dem Krankenhaus sollte hingegen von einer Krankenschwester durchgeführt
werden, um Wiedereinweisungen aufgrund sozialer Indikationen zu vermeiden. In der
Klinik begonnene Schulungen können durch den Krankheitskoordinator im ambulanten Bereich inhaltlich koordiniert oder weitergeführt werden, falls keine ambulante
Schulung vom Hausarzt angeboten wird [Knox et al., 1999]. Internationale Erfahrungen mit Krankheitskoordinatoren zeigen verbesserte medizinische Outcomes und
können trotz des erhöhten Aufwandes in der Regel Kosteneinsparungen realisieren
[Lasater et al., 1996; Rich et al., 1995]. Allerdings liegen keine Untersuchungen der
Einzelintervention vor, sondern lediglich Evaluationen von Programmen, die gleichzeitig mehrere Interventionen implementieren [McCulloch et al., 1998; Knox und
Disease Management in Deutschland – Organisation und Entscheidung
Seite 173
Mischke, 1999; Steffens 2000, Lasater 1996, West et al., 1997; Dennis et al. 1996,
Martens and Mellor 1997, Stewart et al., 1999; Roglieri et al., 1997].
Patientenalgorithmen im Krankenhaus:
Im Rahmen von Disease Management Programmen werden im stationären Bereich
häufig sogenannte Patient Care Pathways zur Verbesserung der Patientenversorgung eingesetzt [Rohrbach, 1999; Knox et al., 1999; Rich et al., 1995].
Sie sind ein systematischer Ansatz zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen von
Leitlinien in die Routineversorgung. Im Rahmen von Disease Management Programmen gehen Patientenalgorithmen in der Klinik in die systematische ambulante
Weiterbetreuung über. Beispielsweise werden bestimmte Untersuchungen wie ein
Herzecho bei Herzinsuffizienzpatienten in der Klinik zur Risikostratifizierung durchgeführt (falls nicht bereits vorhanden) und das Ergebnis für die Risikostratifizierung und
Therapieplanung im ambulanten Bereich übernommen. Häufig werden auch Schulungen und gezielte, individuell zugeschnittene Informationsprogramme in der Klinik
bei Krankenhausaufnahme begonnen und dann in genau abgestimmten Modulen in
der Praxis weitergeführt [Roglieri et al., 1997; Knox et al., 1999]. Dadurch können
Doppelinterventionen vermieden werden und ein systematischer Versorgungsansatz
sektorenübergreifend gewährleistet werden. Zufällige Schulungsinhalte, die sich überschneiden und wiederholen oder Themen ganz auslassen, werden durch kontinuierliche und systematische Schulungen ersetzt, die durch individuell zugeschnittene
Informationsgaben unterstützt werden.
Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung sind ein wesentlicher
Bestandteil von Disease Management, da sie zur Implementierung evidenzbasierter
Therapieinhalte in der Routineversorgung ansetzen. Werden an Stelle von Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung lediglich Schnittstellen und Überweisungsroutinen definiert, so wird die Implementierung einer evidenzbasierten
Regelversorgung deutlich erschwert [Wagner et al., 1999].
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite174
9 Ärztliche Fortbildung im Disease Management
Ziel der ärztlichen Fortbildung im Rahmen von Disease Management ist die Unterstützung der Ärzte bei der Umsetzung einer evidenzbasierten und kosteneffektiven
Therapie in die Regelversorgung. Da ausreichend Evidenz vorliegt, dass die Dissemination von Leitlinien alleine nicht zu einer Änderung von Therapie- und Verschreibungsverhalten von Ärzten führt (Kapitel 3), werden in Disease Management Programmen verschiedene Implementierungsstrategien gleichzeitig angewendet. Der
Effekt einzelner Maßnahmen, wie z.B. der ärztlichen Fortbildung, auf die Verbesserung der Versorgungsqualität und auf die Kosten – Effektivität der Versorgung ist daher schwierig abzuschätzen. Im Folgenden werden allgemeine Entwicklungen in der
ärztlichen Fortbildung beschrieben und mögliche Interventionen zur Implementierung
im Rahmen von Disease Management Programmen dargestellt.
9.1 Entwicklungstendenzen in der ärztlichen Fortbildung
International kann ein Wandel des Begriffs „Fortbildung“ beobachtet werden. Lange
Zeit wurde unter ärztlicher Fortbildung die Vermittlung medizinischen Wissens durch
Vorträge oder das Selbststudium aus Büchern und Zeitschriften verstanden. Mehr
und mehr treten jedoch Aspekte der Weiterentwicklung der Professionalität als Antwort auf die zunehmende Bewertung der ärztlichen Kompetenz durch die Öffentlichkeit in den Vordergrund. Begünstigt wird dieser Trend durch die zunehmende Globalisierung im Gesundheitsbereich, durch die Anforderungen der evidenzbasierten Medizin und durch die Stärkung der Patientensouveränität.
Ärztliche Fortbildung geht daher über medizinische Wissensvermittlung bzw. Wissensaneignung deutlich hinaus. Sie kann als kontinuierlicher und systematischer
Prozess beschrieben werden, der die Weiterentwicklung der eigenen ärztlichen Professionalität fördert und die Anpassung ärztlichen Therapieverhaltens an den medizinischen Fortschritt unterstützt. Sie ermöglicht Ärzten, Anforderungen an eine evidenzbasierte und kosteneffektive Medizin, an Qualitätssicherungsmaßnahmen in der
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite175
Patientenversorgung sowie den Weiterentwicklungen des Gesundheitssystems gerecht zu werden. Dazu dient der ständige, berufsbegleitende Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. die Vertiefung und Weiterentwicklung vorhandener Fähigkeiten und Kenntnisse unter Berücksichtigung der Entwicklungen des medizinischen
und technologischen Fortschritts. Damit ist die ärztliche Fortbildung eine klassische
Domäne der Qualitätssicherung [Ollenschläger 1995], die vorrangig von der Profession selbst wahrzunehmen ist. Jedoch gibt es vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten
durch Disease Management Anbieter (Krankenkassen), wie z.B.
•
Bereitstellung von Informationssystemen (Online- Datenbanken, Arztportale),
•
Implementierung von Experten-Hotlines (telefonisch oder per E-mail)
•
Implementierung von Entscheidungsunterstützung (z.B. durch Disease Management Zirkel, Experten- Hotlines, gemeinsame Sprechstunden von Hausärzten und
Experten)
•
Unterstützung bei der Identifikation von Fortbildungsbedarf durch zeitnahe Datenauswertung und Bericht an den jeweiligen Leistungserbringer
•
Ggf. Schaffung von finanziellen Anreizen, Fortbildung wahrzunehmen
•
Schaffung einer Infrastruktur zur Unterstützung von Fortbildung im Disease Management
•
Definition von Art und Umfang des Fortbildungsanspruchs im Disease Management zusammen mit Vertretern der ärztlichen Selbstverwaltung.
Fortbildung im Disease Management ist kein Garant, sondern ein Instrument zur Unterstützung einer qualitativ hochwertigen, evidenzbasierten und kosteneffektiven Patientenversorgung.
9.1.1
Internationale Entwicklungen
In internationalen Veröffentlichungen wird ärztliche Fortbildung mit den Begriffen
Continuing Medical Education (CME), Rezertifizierung, Sicherstellung der ärztlichen
Professionalität, Weiterentwicklung der ärztlichen Professionalität und mit „Revalidation“ (Rezertifizierung) beschrieben. Trotz der länderspezifischen Ausprägung der
ärztlichen Fortbildung, die sich nicht nur in der Wahl unterschiedlicher Begriffe er-
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite176
schöpft, besteht in grundsätzlichen Fragen, wie z.B. der Notwendigkeit der Weiterentwicklung der ärztlichen Professionalität, europaweit Konsens (Tabelle 1).
Tabelle 1: Europaweiter Vergleich der Anforderungen an die ärztliche Fortbildung
Anforderungen an die ärztliche Fortbildung (ÄF)
ÄF ist notwendig
ÄF sollte freiwillig sein
Träger der ÄF
Wiederholung der Facharztprüfung
Erneuerung der Zulassung
an ÄF gebunden
Finanzierung
Ergebnisse aus 18 europäischen Ländern*
Ja (17)
Nein (1)
Ja (12)
Nein (6)
Ärztliche Selbstverwaltung (13)
Ärztliche Selbstverwaltung und Staat (4)
Andere (1)
Nein (18)
Ja (1)
Nein (15)
Eigenverantwortung (2)
Arbeitgeber (4)
Pharmaindustrie (4)
Gemischtes Finanzierungssystem (2)
Anreize
Zertifikate (2)
Bessere Verdienstmöglichkeit (1)
Einfluss auf Karriere (2)
Keine (9)
Sanktionen
Möglichkeit zum Entzug der Zulassung (1)
Offizieller Verweis (1)
Veröffentlichung von Listen mit erfolgreichen Teilnehmern (1)
Keine (8)
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Peck et al., 2000]
*Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland,
Island, Irland, Italien, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien,
Schweden, Schweiz.
Unterschiedliche Auffassungen bestehen in Europa über die Trägerschaft der Fortbildungsmaßnahmen, Finanzierung, Anreiz und Sanktionen bei Nichterfüllung der
Anforderungen (Tabelle 1).
Insbesondere in den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien und nachfolgend
jetzt auch in Großbritannien hat man sich bemüht, die ärztliche Fortbildung zu optimieren. Ärztliche Fortbildung wird in diesen Ländern zunehmend als die kontinuierliche Weiterentwicklung der ärztlichen Professionalität definiert. Sie umfasst entsprechende Bereiche, wie patientenbezogene Ergebnisse (Outcomes), medizinisches
Wissen und Urteilsfähigkeit (medical knowledge and judgement) und Professionalität
(professionalism) in den USA [Norcini 1999], bzw. ärztliche Fachkenntnisse und Fähigkeiten sowie persönliche ärztliche Kompetenz in Australien und Neuseeland
[Newble et al., 1996]. Alle Ansätze setzen ein Peer Review Verfahren ein, mit dem in
kanadischen Studien gute Erfahrungen gemacht wurden [Dauphine 1999]. In dem
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite177
von der US-amerikanischen Fachgesellschaft für Innere Medizin entwickelten Modell,
dem kanadischen Modell und dem australischen MOPS Modell werden von dem
Arzt, der sich dem Peer Review unterzieht, Fragebögen an Kollegen und Patienten
ausgeben [Norcini 1999; Dauphinee 1999; Paget 1996]. Die Kollegen beurteilen die
medizinische und persönliche ärztliche Kompetenz des Arztes, die Patienten bewerten Empathie, Integrität und Achtung im persönlichen Umgang (Tabelle 2).
Tabelle 2: Kriterien zur Bewertung von Ärzten durch Peers (Physician Assessment)
des australischen MOPS Programms
Kriterium
Kommunikation
Praktische Fertigkeiten
Diagnosefindung
Patientenführung
Beispiel
Fähigkeit, mit Kollegen, Patienten und Angehörigen zu kommunizieren
Technische Fertigkeiten bei der Durchführung von Prozeduren
Fähigkeit, Information und Evidenz kritisch zu bewerten, wichtige Information herauszufiltern und rechtzeitig Entscheidungen zu treffen
Fähigkeit, die für den jeweiligen Patienten angemessene Therapie auszuwählen und anzupassen
Fähigkeit, psychologische Probleme zu erkennen und damit umzugehen
Psychologische Aspekte der
Patientenführung
Management komFähigkeit, Patienten mit komplexen Krankheitsbildern und unterschiedliplexer Fälle
chen Problemen angemessen zu versorgen
Ambulante VersorFähigkeit, Patienten im niedergelassenen Bereich zu versorgen und Anforgung
derungen zu koordinieren
Stationäre VersorFähigkeit, Patienten im stationären Bereich zu versorgen und die Therapie
gung
zu koordinieren
Empathie
Fähigkeit, auf Patienten und ihre Angehörigen einzugehen
Achtung
Fähigkeit, die Rechte und Entscheidungen anderer zu respektieren
Integrität
Missbraucht Vertrauen nicht
VerantwortungsgeÜbernimmt Verantwortung für die eigenen Entscheidungen
fühl
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Paget 1996]
Die Fragebögen können von dem jeweiligen Arzt selbst an Kollegen verteilt werden.
Nach bisherigen Forschungserfahrungen werden dadurch die Ergebnisse nicht verzerrt [Ramsey 1989]. In Australien wird neben dem Peer Review mittels Fragebögen
ein sog. „Practice Quality Review“ angeboten, das als Kernstück ein Peer Review in
der aktuellen Praxissituation enthält [Newble 1996]. Dazu werden vor dem Praxisbesuch mit Hilfe eines Fragebogens Aktivitäten der Qualitätssicherung, Fortbildungsverhalten und das jeweilige Praxisprofil abgefragt. Auf der Grundlage dieses Fragebogens erfolgt ein Besuch von 2 Kollegen auf ehrenamtlicher Basis, von denen einer
mit dem Prozess des Practice Quality Review vertraut ist und der andere eine Praxis
führt, die dem Praxisprofil des besuchten Arztes in etwa entspricht. Der Besuch an
sich enthält die Durchsicht von Patientenakten sowie die Bewertung der Praxisrouti-
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite178
ne einschließlich praktischer Fertigkeiten und wird mit einer ausführlichen Diskussion
abgeschlossen. Die Ergebnisse der Diskussion enthalten auch Verbesserungsvorschläge des visitierten Arztes und werden an eine mit der Fortbildung betrauten Institution weitergeleitet. Die Ergebnisse der bisher durchgeführten freiwilligen Tests
zeichneten sich durch eine hohe Zufriedenheitsrate bei jedoch großem logistischen
Aufwand und Kosten von ca. Aus $ 1500 pro Arzt aus (trotz ehrenamtlicher Visitoren).
Im Rahmen von Disease Management werden in der Regel eine Mindestanzahl von
Fortbildungen durch den Disease Management Anbieter organisiert. Sie beziehen
sich auf organisatorische und medizinische Inhalte der Programme. Die Pflicht zur
Teilnahme wird in den Programmen unterschiedlich geregelt. Manche Programme
bieten als Ersatz für nicht-wahrgenommene Fortbildungen einen quartalsweisen Informationsbrief für Ärzte an. Die Fortbildungsmethoden im Disease Management umfassen Informationssysteme, Bereitstellung von Leitlinien in gedruckter oder in Online-Version, die Erstellung von Remindersystemen auf der Grundlage von evidenzbasierten Leitlinien, den Einsatz von Meinungsführern, gemeinsame Sprechstunden
von Experten und Allgemeinärzten, persönliche Beratung durch Peers oder Meinungsführer, gemeinsame Arbeitsessen von Praxisteam und Experten, u.a.m.
(Tabelle 7).
9.1.2
Anforderungen an einen systematischen Fortbildungsansatz im Disease Management
Ein systematischer Fortbildungsansatz im Disease Management sollte folgende Bereiche berücksichtigen:
•
Struktur der Fortbildungsveranstaltungen
•
Identifizierung des objektiven Fortbildungsbedarfs
•
Social Marketing
•
Identifizierung von Fortbildungsbarrieren
•
Implementierungsstrategien für das in Fortbildungen vermittelte Wissen
•
Evaluation von Fortbildungskonzepten
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite179
Struktur der Fortbildungsveranstaltungen
Der Einfluss der Fortbildungsstruktur auf die Prozessqualität gilt als gesichert [Davis
1998; Davis 1992; Canillon 1999]. Einen Zusammenhang zwischen Fortbildungsstruktur und Ergebnisqualität stellen bisher nur wenige Studien her, hier besteht noch
Forschungsbedarf. Schwierigkeiten liegen vor allen Dingen in der Definition geeigneter Indikatoren zur Messung des Patientenoutcomes, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Intervention und Outcome erlauben.
Die bei Fortbildungsveranstaltungen eingesetzten Methoden können als unterstützende, befähigende und verstärkende Interventionen klassifiziert werden, wie:
Tabelle 3: Klassifizierung von Interventionen zur Fortbildung
Klassifizierung
Unterstützend
Intervention
Lehr- und Fortbildungsmaterialien in gedruckter Form, audio- visuelle Materialien und computergestützte Lehrmaterialien
Formale Fortbildungsaktivitäten wie Seminare, Besprechungen, Vorträge, Telekonferenzen
Nationale Leitlinien ohne Kombination mit weiterer Intervention
Befähigend
Praxissupervision, Konsile und individuelle Beratungen (z.B. durch Peers)
Einsatz von Meinungsführern auf lokaler Ebene
Berücksichtigung von Patientenbedürfnissen durch z.B. Schulungen und Informationsmaterial
Training praktischer Fähigkeiten
Peer Review Verfahren wie z.B. Aktenbesprechung mit Peers, Praxisbeurteilung
Verstärkend
Erinnerungssysteme
Feedback
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Davis 1992]
Davis (1998) stellte in randomisierten, kontrollierten Studien bei 2/3 der Interventionen zur Fortbildung einen Einfluss auf die Prozessqualität und bei fast der Hälfte der
Studien (48%) einen Einfluss auf die Ergebnisqualität fest. Unterstützende Interventionen haben einen deutlich geringeren Einfluss auf das ärztliche Verhalten als befähigende und verstärkende Interventionen. Verstärkende Interventionen sind erwartungsgemäß in der Kombination mit anderen Interventionen am wirksamsten. Einen
Einfluss auf das patientenbezogene Ergebnis (outcome) haben einige wenige Studien gezeigt, die befähigende Interventionen oder eine Kombination von Interventionen einsetzen [Davis, 1992]. Bei unterstützenden Interventionen lässt sich so gut wie
kein Einfluss auf das patientenbezogene Ergebnis nachweisen. Am wirksamsten sind
demnach Interventionen, die Praxissupervision, Hospitationen, individuelle Beratung,
Erinnerungssysteme, Berücksichtigung von Patientenbedürfnissen, Meinungsführereinsatz sowie eine Kombination dieser Methoden einsetzen. Die alleinige Gabe von
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite180
Informationsmaterialien und Audits zeigen unterschiedliche Ergebnisse. Sie konnten
in der Regel ärztliche Handlungsmuster, nicht jedoch das medizinische Ergebnis beeinflussen. Fortbildungsmaßnahmen im traditionellen Stil (Frontalvortrag, Konferenzen und Maßnahmen ohne Praxisbezug) hatten kaum nachweisbaren Einfluss
(Tabelle 4).
Tabelle 4: Wirksamkeit von Fortbildungen in Abhängigkeit von ihrer Struktur
Interventionsmethode
Vorträge, Konferenzen
Interaktive Fortbildungen
Fortbildung mit Praxisbezug
Remindersysteme
Feedback
Lernen in der Peer Group, Qualitätszirkel
Lehrmaterial
Aktendurchsicht und Besprechung
Lokale Konsensusbildung
Beurteilung der Wirksamkeit
(+)
+++
+++
Unspezifisch (+)
Spezifisch ++
Unspezifisch (+)
Spezifisch ++
+++
Auf Anfrage ++
Zufällig (+)
++
+++
Referenz
Cantillon 1999
Cantillon 1999, Roter 1995
Cantillon 1999
Lobach et al. 1996, Litzelman
1993
O’Conell 1999
Winkens et al. 1992
Moran et al. 1996
Kaltwasser 1998
Davis 1998
Davis 1998
Grimshaw & Russel 1993
Computerunterstützte Fortbil++
Johnstone et al. 1994, Grimshaw
dung
& Russel 1993
Didaktisch aufbereitetes LehrAlleine (+)
Davis 1999 (JAMA)
material
In Kombination ++
Einsatz von Meinungsführern
+
Lomas et al 1991
Kombination mehrerer Methoden
+++
Horder 1986
[Quelle: Eigene Darstellung]
Legende:
(+) gering wirksam, + wirksam, ++ gut wirksam, +++ sehr gut wirksam
Im Disease Management sollten daher die klassischen Fortbildungsmaßnahmen
durch Interventionen ersetzt werden, die einen nachgewiesenen Einfluss auf die
Veränderung des ärztlichen Verhaltens bzw. auf das medizinische Ergebnis haben.
Dazu gehören in erster Linie interaktive Fortbildungen (z.B. Disease Management
Zirkel s.u.), der Einsatz von Remindern, Meinungsführern, Feedback, sowie Maßnahmen des Organisationsmanagements.
Systematische Identifizierung des objektiven Fortbildungsbedarfs
Neben der Fortbildungsstruktur ist die Identifizierung des Fortbildungsbedarfs eine
weitere wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit von Fortbildungen [Davis, 1998].
Hier zeigt sich, dass Fortbildungen, die spezifisch auf die Bedürfnisse definierter
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite181
Arztgruppen zugeschnitten sind, wesentlich effektiver sind, als Fortbildungsveranstaltungen ohne vorherige Analyse des Fortbildungsbedarfs (
Tabelle 5).
Tabelle 5: Effektivität von Fortbildung in Abhängigkeit von der Analyse des Fortbildungsbedarfs
Analyse des Fortbildungsbedarfs
Effektivität der Intervention
Keine Analyse
< 50%
Allgemeine klinische Referenz
≥ 50%
Bezug zu einer klinischen Leitlinie (nationale Ebe- > 60%
ne)
Konsensus lokaler Experten
< 60%
Spezielle Evaluation des Fortbildungsbedarfs
90%
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Davis 1998]
Die externe Analyse ist dabei weit wirksamer als die eigene Einschätzung von Ärzten, die immer wieder zu deutlichen Fehleinschätzungen führt und den Fortbildungsbedarf nur innerhalb eines relativ eng umgrenzten Gebietes wahrnimmt, auf dem der
Arzt schon viel Wissen besitzt [Tracy et al., 1997]. Wurden Ärzte hingegen verpflichtet, an Fortbildungen außerhalb ihres gewohnten Wissensgebietes teilzunehmen, so
verbesserte sich die Qualität der Versorgung signifikant gegenüber der Kontrollgruppe [Violato et al., 1997].
Die systematische Identifizierung des objektiven Fortbildungsbedarfs ist daher schon
im Vorfeld von Fortbildungsveranstaltungen sinnvoll. Sie kann über die Evaluation
schriftlicher Leistungsnachweise von Fortbildungsveranstaltungen, über die Evaluation von zertifizierten Fortbildungseinheiten in medizinischen Fachzeitschriften und
über die Auswertung der Indikatoren zur Prozess- und Ergebnisqualität (Benchmarkingdatensatz) erfolgen. Darauf aufbauend können speziell auf den Fortbildungsbedarf zugeschnittene Fortbildungskonzepte entwickelt werden, die die Inhalte evidenzbasierter Leitlinien sowie die relevanten medizinischen und medizinpädagogischen Forschungsergebnisse berücksichtigen.
Social Marketing
Unter Social Marketing versteht man, das Zuschneiden von Informationen auf ein
definiertes Publikum [Kotler 1984].Um den größtmöglichen Nutzen zu erreichen, sollten Fortbildungsveranstaltungen auf die individuelle Gruppe zugeschnitten sein und
nicht nur die Studienergebnisse medizinischer und medizinpädagogischer Studien
berücksichtigen. Zur Strategie des Social Marketing gehört die Identifizierung von
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite182
Zielgruppen, das genaue Abstimmen des Informationsbedarfs auf die Zielgruppe und
die Identifizierung sowie der Abbau von Barrieren. Im Disease Management besteht
durch das Datenmanagement die Chance, Fortbildungsbedarf und Informationen auf
einzelne Zielgruppen, wie z.B. Hausärzte oder Diabetologen im Disease Management Diabetes Mellitus, spezifisch zuzuschneiden.
Identifizierung von Fortbildungsbarrieren
Um eine erfolgreiche Implementierung des Fortbildungsinhaltes zu fördern, ist es
wichtig, Barrieren zu identifizieren. So belegen Studien immer wieder, dass zwar
durch Fortbildung der nötige Wissenstransfer gelingt, das Verhalten der Ärzte aber
davon nicht beeinflusst wird [Lagerlov 2000]. Barrieren in diesem Bereich sind insbesondere Gewohnheiten, Kompetenzzweifel und widersprüchliche Evidenz, Zeitmangel (Tabelle 6), finanzielle Verluste bei Praxisschließung für die Dauer der Fortbildung oder fehlerhafte Selbsteinschätzung des Fortbildungsbedarfs.
Tabelle 6: Von Ärzten als aufwendbar und als notwendig angesehene Zeitanteile ihrer Arbeitszeit für Fortbildung
Prozentsatz
Aufwendbarer Zeitanteil für
Fortbildungen
1 bis 5%
6 bis 10%
Notwendiger Zeitanteil für
Fortbildungen
50% aller Ärzte
36,5% (27,9% der Ärzte in
Weiterbildung, 43,1% der
Fachärzte mit Stadtpraxis)
35,8%
10%
18%
1 bis 5%
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an die Studie der Ärztekammer Niedersachsen, der Gesellschaft für Herzkreislauferkrankungen, des Instituts für Medizinische Informatik Uni Göttingen und des
Zentrums für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen der Ärztekammer Niedersachsen (1998)]
Evaluation von Fortbildungskonzepten
Die Evaluation von Fortbildungskonzepten zur Weiterentwicklung der ärztlichen Professionalität sollte über die Bewertung des Referenten hinausgehen. Jedes Disease
Management Programm sollte daher ein Fortbildungskonzept im Rahmen der Programmentwicklung aufstellen. Im Rahmen der regelmäßigen Evaluation durch die
Programmanbieter könnten dann Stichprobenartig beispielsweise Parameter der
Prozessqualität in einem Peer Review Verfahren evaluiert werden.
Um einen systematischen Fortbildungsansatz zu gewährleisten, sollten Struktur, Inhalte und Häufigkeit der Fortbildungsveranstaltungen im Disease Management von
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite183
den Spitzenverbänden einheitlich definiert werden. Die Vorgaben sollten sich an den
medizinischen und organisatorischen Inhalten der Disease Management Programme
orientieren. Für die medizinischen Inhalte sollten insbesondere Bereiche mit nachgewiesener Über-, Unter- und Fehlversorgung sowie die Kosteneffektivität von Interventionen, wie z.B. von ausgewählten Arzneimitteln, zugrunde gelegt werden. Bei
der Vorgabe der Strukturen ärztlicher Fortbildungen sind die relevanten Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Fortbildungsstruktur und Prozess- bzw.
Ergebnisqualität zu berücksichtigen. Interaktive Fortbildungen wie Disease Management Zirkel, Experten-Hotlines bzw. das persönliche Coaching durch Experten bei
auffälligen und wiederkehrenden Abweichungen von den Handlungsempfehlungen
der Leitlinien sind hier besonders zu nennen. Dadurch können qualitätskritische
Bereiche gezielt angegangen werden.
9.2 Ärztliche Fortbildung im Disease Management:
Systematische Weiterentwicklung der ärztlichen
Kompetenz
Betrachtet man die häufig übliche Fortbildungspraxis in Deutschland, so zeigen sich
noch viele Defizite insbesondere in der Struktur und Effektivität der durchgeführten
Fortbildungen [Kleine et al. 2000; von Reis et al. 1999; Ollenschläger und Engelbrecht 1993]. Häufig werden Fortbildungen im Vortragsstil noch von Lehrenden und
Lernenden gegenüber interaktiven Lernmethoden bevorzugt, obwohl die Effektivität
dieser traditionellen Fortbildungsmethoden niedrig ist (Abbildung 1).
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite184
Abbildung 1: Evidenz für die Effektivität von Interventionen zur Fortbildung
Evidenz für die Effektivität von Interventionen
zur Fortbildung
Niedrig
Status Quo
Hoch
Erinnerungssysteme
Einsatz von Meinungsführeren
Peer Review Verfahren
Niedrig
Konferenzen
Vorträge
Hoch Lehrmaterialien
Nationale Leitlinien
Idealzustand
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Davis 1998]
Die Fortbildung im Disease Management soll Defizite der traditionellen Fortbildung
gezielt ausgleichen. Sie ist daher im Sinne der beschriebenen Weiterentwicklung der
ärztlichen Professionalität ein übergreifender Ansatz, der oft Interventionen beinhaltet, die nicht nur oder nicht in erster Linie der Fortbildung dienen. Dazu gehören beispielsweise Informationssysteme, Remindersysteme auf der Grundlage von evidenzbasierten Leitlinien oder Datenbanksysteme mit Eingabemasken, die bei bestimmten
Konstellationen Therapieprompts liefern und auf Leitlinieninhalte verweisen.
Tabelle 7 gibt einen Überblick über Interventionen im Disease Management, die zur
ärztlichen Fortbildung beitragen.
Tabelle 7: Interventionen zu ärztlichen Fortbildung
Intervention
Dissemination von Leitlinien
Implementierungsstrategien für
Leitlinien
Fortbildung in Kleingruppen
Feedback
Beschreibung
Evidenzbasierte Leitlinien werden in gedruckter oder in OnlineForm zur Verfügung gestellt
Klassische Vorträge und Workshops, Coaching durch Experten,
Feedback und Benchmarking der Leistungserbringer (individuell)
zur Erreichung der Empfehlungen von Leitlinien
z.B. regelmäßige „Arbeitsessen“ für Praxen mit Experten
Quartalsberichte in denen für den einzelnen Arzt individuell zusammengestellt wird, inwieweit die Empfehlungen der evidenzbasierten Leitlinien erreicht wurden, ggf. mit Informationsmaterial
(z.B. Studien zur Evidenz der Therapie mit ACE- Hemmern bei
diabetischer Nephropathie).
Feedback über Reminder auf der Patientenmaske mit Verweis
auf und ggf. Darstellung von Leitlinienempfehlungen
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Coaching durch Experten
Newsletter
Einsatz von Meinungsführern
Disease Management Zirkel
Experten-Hotlines
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Der einzelne Arzt kann beispielsweise einzelne problematische
Fälle bzw. auffällige Abweichungen von den Empfehlungen der
evidenzbasierten Leitlinien mit Experten durchsprechen bzw. im
Rahmen einer gemeinsamen Sprechstunde besprechen.
Quartalsweise verschickte Briefe, die die Inhalte aller im Quartal
angebotenen Fortbildungen zusammenfassen
Implementierung von Leitlinien über Meinungsführer (von den
Ärzten anerkannte Experten)
In den Disease Management Zirkeln sollten ca. 20 bis 30% der
eingeschriebenen Patienten eines Arztes pro Jahr vorgestellt
und mit Peers bzw. Experten aus dem niedergelassenen Bereich oder der Klinik diskutiert. Die Patienten können z.B. in einer gemeinsamen Sprechstunde von Experte und Hausarzt vorgestellt werden
Experten aus der Klinik oder dem niedergelassenen Bereich
stehen während einer Telefonsprechstunde oder per e-mail zur
Besprechung von Patienten zur Verfügung. Die Patienten können ggf. auch in einer gemeinsamen Sprechstunde von Experte
und Hausarzt vorgestellt werden
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management Zirkel
Der Erfolg interaktiver Fortbildungskonzepte wie z.B. Gruppenarbeit oder Qualitätszirkel ist in Deutschland und international belegt [Kaltwasser, 1998; Davis 1998]. Von
45% der niedergelassenen Ärzte werden sie aufgrund ihrer Praxisnähe, interkollegialem Austausch und kleingruppenorientierter Didaktik positiv bewertet [Gerlach 1999].
Beispielsweise berichtet Kaltwasser (1998) von einer Reduktion der Wissenslücken
um 30% im Vergleich zu Kontrollgruppen durch Qualitätszirkelarbeit im hausärztlichen Bereich.
Als systematischer Ansatz zur Fortbildung im Disease Management wird daher die
Implementierung sogenannter Disease Management Zirkel vorgeschlagen.
Analog den Qualitätszirkeln können sie sich aus niedergelassenen Disease Management Ärzten und einem Experten für das jeweilige Fachgebiet zusammensetzen.
In einem Disease Management Programm zum Diabetes kann beispielsweise ein
niedergelassener Diabetologe oder ein Diabetologe aus der Klinik (ggf. auch abwechselnd) an dem Disease Management Zirkel teilnehmen. Von jedem am Disease
Management teilnehmenden Arzt sollten pro Jahr 20 bis 30% seiner in ein Diabetes
Disease Management Programm eingeschriebenen Patienten im Disease Management Zirkel vorgestellt und mit Peers und Experten besprochen werden. Die Auswahl
der Patienten bleibt dem Arzt überlassen. Dennoch ist in der Regel davon auszugehen, dass es nicht nur zu einem zufälligen Ausschnitt an Patienten sondern zu einem
repräsentativen Querschnitt an Patienten einer Praxis kommen wird. Besonderer
Wert sollte bei der Besprechung der Patienten auf die evidenzbasierten Empfehlun-
Disease Management in Deutschland – Ärztliche Fortbildung
Seite186
gen der Leitlinien gelegt werden. Bei Bedarf können die besprochenen Patienten
auch in gemeinsamen Sprechstunden von Experten und Hausärzten vorgestellt werden.
Experten- Hotlines
Eine weitere Form der interaktiven Fortbildung sind Experten- Hotlines, die als telefonische Beratung durch niedergelassene Experten oder Klinikärzte oder als e-mail
Anfrage ausgestaltet werden können. Für die e-mail Konsultation sollte vom Disease
Management Anbieter eine Maske zur Verfügung gestellt werden, die die wichtigsten
Laborwerte und Untersuchungsergebnisse sowie Daten aus der Anamnese und klinischen Untersuchung abfragt. In der Expertenantwort sollten dann alle von der Maske
abgefragten Bereiche kommentiert werden. Ggf. kann auch Literatur zur Verfügung
gestellt werden.
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 187
10 Vorschlag zum Aufbau eines Disease
Management in Deutschland
Im Folgenden wird ein allgemeines Ablaufschema für ein qualitätsgesichertes Disease Management Programm für Deutschland unter Berücksichtigung der Situation in
der Gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt und vorgestellt. Insbesondere werden Komponenten international erfolgreicher Disease Management Programme beschrieben und ihr möglicher Einsatz in Disease Management Programmen in
Deutschland dargestellt.
10.1Aufbau und Ablauf eines Disease Management
Programms
In Deutschland soll sich die Entwicklung und Implementierung von Disease Management Programmen im Risikostrukturausgleich an den gesetzlichen Vorgaben in
§ 137 ff SGB V orientieren. Die für eine möglichst kostenneutrale Einführung und die
Qualitätssicherung von Disease Management notwendigen Voraussetzungen werden
an anderer Stelle diskutiert (siehe Teil II des Gutachtens sowie Kapitel Qualitätssicherung im Disease Management). In der Beschreibung des allgemeinen Aufbaus
und Ablaufs eines Disease Managements sollen die Anforderungen des Gesetzgebers an Disease Management Programme berücksichtigt werden. Dazu gehören
nach § 137f SGB V:
•
Die Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien
•
Durchzuführende Qualitätssicherungsmaßnahmen
•
Voraussetzungen und Verfahren für die Einschreibung von Versicherten in die
Programme
•
Schulung
•
Dokumentation
•
Evaluation
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 188
Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Komponenten werden im vorgestellten Vorschlag spezifiziert. Die folgenden Disease Management Komponenten dienen der
Ausgestaltung der gesetzlichen Anforderungen:
•
Krankheitskoordinator
•
Benchmarkingdatensatz
•
Entscheidungsunterstützung
•
Remindersysteme
•
Informationssysteme
•
Fortbildung für Ärzte
•
Datenbanken
10.1.1
Disease Management Module
Zum Aufbau eines Disease Management Programms werden drei spezifische Modultypen vorgeschlagen: Das Einschreibemodul, das Basismodul sowie Ergänzungsmodule zur spezifischen Therapie des Risikoprofils und von Komplikationen/ Folgeerkrankungen (Tabelle 1). Das Zusammenspiel der Module wird in Abbildung 1 dargestellt.
Tabelle 1: Modultypen im Disease Management Programm
Modultyp
Beschreibung
Aufgabe
Einschreibemodul
Das Einschreibemodul spezifiziert
die medizinischen Einschreibekriterien auf dem Boden evidenzbasierter
Leitlinien. Das Einschreibemodul
beinhaltet auch das Einschreibeverfahren mit Einteilung der Patienten in
eine von drei Disease Management
– Gruppen (nach Risikostratifizierung)
Das Basismodul umfasst die Komponenten eines Disease Managements für die Basistherapie einer
Erkrankung. Je nach Risikostratifizierung werden diese Komponenten
einzeln oder in unterschiedlichen
Kombinationen eingesetzt.
Qualitätssicherung
Sicherung der Kosten-Effektivität
Risikostratifizierung der Patienten
Basismodul
Sicherung von Qualität, Diagnose und
Kosteneffektivität der Versorgung
durch Umsetzung evidenzbasierter
Leitlinien in die Regelversorgung, Entscheidungsunterstützung, individuelle
Therapieempfehlungen und Reminder.
Schulung des Patienten und Unterstützung des Selbstmanagements;
Datenerhebung
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 189
Ergänzungsmodul
Das Ergänzungsmodul, welches das
Basismodul spezifiziert, unterteilt
sich in "Spezifische Therapie" und
"Komplikationstherapie":
Spezifische Therapie
Zielt auf die Reduktion einzelner
Risikofaktoren (Sekundärprävention)
Komplikationstherapie Dieses Modul ergänzt die komplikationsspezifische Therapie
[Quelle: Eigene Darstellung]
Sicherung von Qualität und Kosteneffektivität der Versorgung durch spezifisch auf Risikofaktoren, Folgeerkrankungen und Komplikationen zugeschnittene Interventionen
Abbildung 1: Allgemeines Ablaufschema eines qualitätsgesicherten Disease Management Programms
Einschreibemodul
Einschreibungskriterium erfüllt
Status Erhebung
Risikostratifizierung und Zuteilung zu der entsprechenden Disease Management – Gruppe
Gruppe 1:
Zielwerte erreicht
Entsprechend der
evidenbasierten Leitlinie
Basismodul
-
Gruppe 2:
Zielwerte nicht erreicht
Entsprechend der
evidenbasierten Leitlinie
Gruppe 3:
Komplikationen / Begleiterkrankungen
Entsprechend der evidenbasierten Leitlinie
Therapie nach evidenzbasierten Leitlinien (Ärzte und Patientenleitlinien, individuelle
Therapieempfehlungen)
Screening
Follow-up
Schulung
Krankheitskoordinator
Entscheidungsunterstützung
Reminder
Informationssysteme
Benchmarkingdatensatz
Selbsthilfegruppen
Individuelle Basistherapie
Individuelle Basistherapie
+
+
Spezifische Therapie
Spezifische Therapie
Ergänzungsmodule
Individuelle Basistherapie
+
Komplikationstherapie
Klinischer Zustand
[Quelle: Eigene Darstellung]
Individuelles
Patientenmanagement nach
Risikostratifizierung
Psychosoziale Faktoren
Disease Management in Deutschland – Aufbau
10.1.2
Seite 190
Einschreibemodul
Das Einschreibemodul dient der Qualitätssicherung, der Diagnosesicherung und der
Statuserhebung sowie der Risikostratifizierung. Dazu werden Einschreibekriterien auf
dem Boden evidenzbasierter Leitlinien definiert, die so weit wie möglich manipulationssicher, einfach prüfbar und durch den Hausarzt leicht zu erheben sind. Im speziellen Teil werden für das Beispiel Diabetes entsprechende Einschreibekriterien vorgeschlagen (Kapitel Disease Management bei ausgewählten Erkrankungen: Diabetes). Die Einschreibung selbst erfolgt in der Regel durch den Hausarzt. Hat dieser bei
einem Patienten eine Diagnose gestellt, die zur Einschreibung berechtigt, füllt er mit
dem Einverständnis des Patienten ein von der Krankenversicherung zur Verfügung
gestelltes Formular aus und sendet den Bogen zur Krankenkasse. Arzt und Patient
erhalten je einen Durchschlag dieses Formulars für ihre Dokumentation.
Der Hausarzt agiert in enger Kooperation mit Spezialisten und der Krankenkasse und
koordiniert die Versorgung nach den Empfehlungen des Disease Management Programms. Bei ausgewählten Erkrankungen wie z.B. Brustkrebs kann eine solche Kooperation beispielsweise aus einem Zusammenschluss (z. B. Netzwerk) niedergelassener Ärzte (z.B. Gynäkologe, Onkologe, Chirurg, Radiologe, Pathologe) oder aus
einem in der Klinik angesiedelten oder in die Klinik integrierten Zentrum bestehen.
Bei Erkrankungen, für die ein Zusammenhang zwischen Qualität und Menge der
durchgeführten Interventionen nachgewiesen ist, sollte das Zentrum in Abhängigkeit
von der Erkrankung eine jährliche Mindestfallzahl an Patienten und eine vorgeschriebene Qualifizierung von Ärzten und unterstützendem Personal nachweisen.
Zur Einschreibung gehören die Erhebung der Anamnese und eine körperliche Untersuchung sowie weitere definierte Untersuchungsergebnisse, die ebenfalls im Einschreibebogen dokumentiert werden (Statuserhebung). Die zu erhebenden Parameter sollten auf dem Boden der Analyse von Bereichen der Über-, Unter- und Fehlversorgung der jeweiligen Erkrankung von den Spitzenverbänden einheitlich und verbindlich für Deutschland festgelegt werden. Sie entsprechen im weiteren Verlauf dem
vierteljährlich zu erhebenden Benchmarkingdatensatz (siehe Kapitel Datenmanagement, Dokumentation und Datenbanken im Disease Management). Die Prüfung der
Einschreibung kann entweder durch das Einholen einer Zweitmeinung (Second Opinion), durch Stichprobenkontrollen durch z.B. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder durch den Benchmarkingdatensatz erfolgen. Der Benchmarkingdatensatz wird quartalsweise erhoben und fragt krankheitsspezifische Indikatoren ab.
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 191
Damit würde bei der Einschreibung eines ungeeigneten Patienten ein Betrug vorliegen.
10.1.3
Disease Management Gruppen
Aufgrund der gewonnen Daten aus der Anamnese, der körperlichen Untersuchung
und laborchemischen Untersuchungen wird der Patient vom Arzt einer von drei Disease Management Gruppen zugeteilt (Abbildung 2 und Tabelle 2).
Abbildung 2: Graphische Darstellung des Einschreibemoduls
Diagnosesicherung
nach Einschreibekriterien
Statuserhebung
Disease Management
Gruppe 1:
Zielwerte erreicht
Disease Management
Gruppe 2: Mind. ein
Zielwert nicht erreicht
- Klinik
- Labor
- Anamnese
- Körperliche Untersuchung
- Laborchemische Untersuchungen
- Ggf. Überweisung zu anderem
Facharzt
Disease Management
Gruppe 3:
Komplikationen
Risikostratifizierung
nach
Untersuchungsergebnissen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Tabelle 2: Einteilung in Disease Management Gruppen
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Zielwerte entsprechend den
Vorgaben evidenzbasierter
Leitlinien erreicht
Mindestens ein Zielwert
entsprechend den Vorgaben
evidenzbasierter Leitlinien nicht
erreicht
Es bestehen Komplikationen
oder Folgeerkrankungen
entsprechend der Definition
evidenzbasierter Leitlinien
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 192
Die den Disease Management Gruppen zugrundeliegende Systematik ist am Patientenmanagement orientiert und für viele chronische Erkrankungen sinnvoll anwendbar. Die Zielwerte können aus den vorab festgelegten deutschen und/ oder internationalen evidenzbasierten Leitlinien entnommen werden und sollten einheitlich für die
Gesetzliche Krankenversicherung definiert werden. Sie dienen sowohl der Risikostratifizierung (z.B. HbA1c oder Blutdruck nicht im Normbereich) als auch als der Therapieplanung (welcher HbA1c oder Blutdruck sollte erreicht werden?).
Durch die Einteilung in die Disease Management Gruppen nach Zielwerten erfolgt
eine Risikostratifizierung, auf deren Boden das therapeutische Vorgehen, Schnittstellen sowie unterstützende Interventionen definiert und patientenindividuell eingesetzt
werden. Wird ein Patient beispielsweise aufgrund des Einschreibemoduls der Gruppe
2 zugeteilt, so findet sich im Basismodul von Gruppe 2 ein Vorschlag für eine evidenzbasierte Therapie (entsprechend den Empfehlungen der von den Spitzenverbänden ausgewählten evidenzbasierten Leitlinien), eine Definition der Schnittstelle
(z. B. ab welchem HbA1c an eine diabetologische Schwerpunktpraxis überwiesen
werden muss bzw. Entscheidungsunterstützung anderer Art eingesetzt wird) sowie
Empfehlungen zu unterstützenden Maßnahmen, wie z.B. Durchführung von Schulungsmaßnahmen oder Einbindung von Selbsthilfegruppen. Die Krankenkasse kann
die Initiierung dieser unterstützenden Maßnahmen dem Arzt überlassen oder selbst
aktiv werden. So kann sie beispielsweise aufgrund der Einordnung des Arztes weitere Interventionen veranlassen. Dazu gehören der Einsatz eines Krankheitskoordinators, der Einsatz gezielter Information (beispielsweise durch Zusendung von Broschüren, Newslettern, Call- Center) sowie der Einsatz von Remindersystemen. Der
Krankheitskoordinator kann ein Arzt, eine weitergebildete Krankenschwester / Krankenpfleger oder ein Call- Center sein.
10.1.4
Basismodul
Die Versorgungsstrukturen für die Disease Management Gruppen sind je nach Gruppenzugehörigkeit gestuft. Das Basismodul enthält die Komponenten Therapie nach
evidenzbasierten Leitlinien, Screening, Schulung und Follow- Up, die durch weitere
Disease Management Komponenten unterstützt und ergänzt werden (Tabelle 3).
Diese Komponenten finden in allen drei Management Gruppen Anwendung. Je nach
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 193
Risikostratifizierung werden sie in unterschiedlicher Ausprägung angewendet. Für die
Gruppe 2 wird das Basismodul in Abhängigkeit von nicht erreichten Zielwerten um
spezifische Therapiemodule ergänzt (Abbildung 1). Dies schließt alle Maßnahmen
zur Reduzierung von Risikofaktoren ein, die zu Komplikationen oder Folgeerkrankungen führen können. Für Gruppe 3 kommen zusätzlich zu den spezifischen Therapiemodulen komplikations- bzw. folgeerkrankungsbezogene Module hinzu. Für einen
Diabetiker wäre dies beispielsweise das Modul „Diabetisches Fußsyndrom“ oder „Diabetische Nephropathie“ (siehe Kapitel Disease Management bei ausgewählten Erkrankungen: Beispiel Diabetes mellitus).
Ein erfolgreiches Management des Patienten sollte neben der klinischen Risikostratifizierung auch den aktuellen klinischen Zustand (beispielsweise: Stabilisierungsphase nach Krankenhausentlassung aufgrund einer schweren Hypoglykämie oder Infektion der Atemwege) und psychosoziale Faktoren berücksichtigen. Zu den psychosozialen Faktoren gehören z.B. das häusliche Umfeld des Patienten und seine Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Aufgrund dieser Faktoren kann z. B. eine sorgfältige
Planung zu einer gestuften Weiterbetreuung und dem Einsatz eines Call Centers,
eines speziellen Krankheitskoordinators oder einer häuslichen Krankenpflege nach
einer Krankenhausentlassung führen. Für Patienten mit Herzinsuffizienz und anderen
chronischen Erkrankungen führen gestufte Weiterbetreuungskonzepte nach Klinikentlassung zu signifikanten Kosteneinsparungen aufgrund niedrigerer Wiedereinweisungsraten und verbesserter Compliance [Rich, 1999a; Rich, 2001; Rich, 1999 b;
Stewart et al., 1999a; Stewart et al., 1999b; Stewart et al., 1998; Roglieri et al., 1997;
Hershberger et al., 2001; Jaarsma et al., 1999; Clark, 2001; Blue et al., 2001]. Im
Basismodul stehen daher Arzt und Krankenkasse zur Verbesserung von Patientenversorgung und Patientencompliance Komponenten wie Krankheitskoordinator,
Schulung, Entscheidungsunterstützung, Remindersysteme, Einbindung von Selbsthilfegruppen oder Erstellung von individuellen Patientenempfehlungen zur Verfügung
(Tabelle 3).
Disease Management in Deutschland – Aufbau
Seite 194
Tabelle 3: Komponenten des Basismoduls
Komponente
Evidenzbasierte Leitlinien für Ärzte
Evidenzbasierte Patientenleitlinien
(Gruppen-)schulung für Patienten
unter Berücksichtigung lerntheoretischer / psychologischer Methoden
und Einbindung von Selbsthilfegruppen
Patienten- und Ärzte- Informationssysteme (Videos, Internet, Datenbanken, Hotlines und Call-Center)
Remindersysteme (per Post, Telefon,
E-mail, Computer-Programme)
Individuelle PatientenBehandlungspläne
Interaktive Fortbildungen für Ärzte
Benchmarkingdatensatz
Datenbanken für alle am Disease
Management Beteiligten
Organisationsmanagement / Entscheidungsunterstützung
Krankheitskoordinator (speziell weitergebildete Krankenschwester,
Sprechstundenhilfe, Arzt, Call- Center)
[Quelle: Eigene Darstellung]
Beschreibung
Sie vermitteln evidenzbasierte Empfehlungen einer definierten
Erkrankung und ihrer Folgeerkrankungen
Sie vermitteln evidenzbasierte Empfehlungen einer definierten
Erkrankung und ihrer Folgeerkrankungen in einer für Patienten
verständlichen Form
Sie vermitteln Informationen und unterstützen das Einüben von
Techniken des Selbstmanagements in Kleingruppen. Besonders
durch die Einbindung von Selbsthilfegruppen können Verhaltensänderungen initiiert und unterstützt werden
Literatur
Wagner et al., 1996
Sie vermitteln evidenzbasierte und verständliche Informationen.
Patienten u/o Ärzte erhalten spezifische Informationen. Wichtige
Studien können online abgerufen werden
Sie sollen Patienten und Ärzte bei der Ausschöpfung von Vorsorgemaßnahmen, Kontrolluntersuchungen und der Initiierung von
Therapieschritten unterstützen
Stellen individuell zugeschnittene Therapieempfehlungen mit Berechnung des persönlichen Risikoprofils bereit
Knox et al., 1999
Sie vermitteln unabhängige, evidenzbasierte medizinische sowie
organisatorische Inhalte von Disease Management Programmen
Er ist Grundlage der Evaluation, der internen und externen Qualitätssicherung sowie eines nationalen Benchmarking der Programme
Sie gewährleisten die zeitnahe Bereitstellung von Informationen
und Daten für alle am Versorgungsprozess Beteiligten. Ggf. stellen
sie Decision Support Systeme zur Verfügung
Unterstützung bei der Neu-Strukturierung von Behandlungsabläufen und bei der Integration evidenzbasierter Empfehlungen in den
Therapieablauf
Der Krankheitskoordinator bietet eine abgestufte persönliche Betreuung des Patienten in definierten Situationen an
Litzelman et al., 1993
Litzelman et al., 1993; Friedman et
al., 1998; Knox et al., 1999
Litzelman et al., 1993; Knox et al.,
1999; Serxner at al., 1998; Shah et
al., 1998
McCulloch et al., 1998 und 2000;
Friedman et al., 1998; Litzelman et
al., 1993; Knox et al, 1999
Cantillon,1999; McCulloch et al.,
1998 und 2000;
The State of Managed Care Quality, 2000
Stoner at al., 2001
McCullcoch et al., 1998 und 2000;
Friedman etal., 1998
Rich et al., 1995; West et al., 1997;
Lasater at al., 1996; Kornowski et
al., 1995
Disease Management in Deutschland
Seite 195
Ausserhalb des Basismoduls dienen Patienten- und Ärzteinformationssysteme, Datenbanken und Fortbildungen für Ärzte der Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie in die Regelversorgung. Diese Komponenten können entweder von der Krankenkasse aufgrund der Auswertung des vierteljährlichen Benchmarkingdatensatzes
eingesetzt werden (z.B. Zuschicken von Informationsbriefen, telefonische oder postalische Reminder für Untersuchungen) oder vom Arzt bei der Krankenkasse angefordert werden. Hier ist die enge Kooperation zwischen Arzt und Krankenkasse für den
Erfolg entscheidend. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Komponenten sowie die Möglichkeiten ihres Einsatzes im Rahmen von Disease Management Programmen wird in den Kapiteln 3 bis 8 ausgeführt und daher in diesem Kapitel nicht
weiter erörtert.
Das Ergänzungsmodul spezifiziert das Basismodul und wird entsprechend ergänzend zu diesem eingesetzt. Es unterteilt sich in die beiden Module "Spezifische Therapie", welches auf die Reduktion einzelner Risikofaktoren (Sekundärprävention) zielt
und "Komplikationstherapie", welches bei der komplikationsspezifischen Therapie
zum Einsatz kommt. Im Rahmen der Beschreibung von Disease Management am
Beispiel Diabetes werden die Ergänzungsmodule näher dargestellt.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 196
11 Disease Management bei ausgewählten
Erkrankungen (Diabetes Mellitus)
11.1Einleitung
Die Versorgung von Betroffenen mit Diabetes Mellitus ist eine vielfältige, mehrstufige
und multidisziplinäre Herausforderung. Die Patienten sind durch ihre chronische Erkrankung und durch die Behandlung stark belastet.
Die zentrale Aufgabe des Disease Management des Diabetes Mellitus ist die Vermeidung von Komplikationen. Dies betrifft sowohl akute Komplikationen in Form von
Stoffwechselentgleisungen (Hyper- und Hypoglykämie) als auch chronische Komplikationen in Form von diabetischen Endpunkten (Angiopathie, Kardiopathie, Makulopathie, Nephropathie, Neuropathie, Osteopathie, Retinopathie). Die Manifestationen
dieser Komplikationen können u. a. diabetisches Koma, Schlaganfall, Herzinfarkt,
Nierenversagen, Erblindung oder Amputation sein. Verbunden sind diese somatischen Beschwerden häufig mit psychosozialen Problemen und Diskriminierungen.
Weiterhin sind Einschränkung der Lebenserwartung und Verminderung der Lebensqualität zu beobachten.
Die meisten dieser Probleme können im Rahmen eines gezielten Disease Management für Diabetiker deutlich verbessert werden. Gleichzeitig kann durch ein qualitätsgesichertes Disease Management die bestehende Unter-, Über- und Fehlversorgung von Diabetikern, wie sie beispielsweise der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten festgestellt hat, abgebaut
werden [SVR Gutachten 2000/ 2001, Band III].
Nicht allein die erfolgreiche Behandlung der Blutzuckereinstellung und die Therapie
von Komplikationen ist relevant, vielmehr müssen Begleiterkrankungen des Diabetes, wie z.B. Adipositas, Fettstoffwechselstörungen oder arterielle Hypertonie gezielt
beeinflusst werden. Darüber hinaus müssen Risikofaktoren minimiert oder wenn
möglich durch (Sekundär-) Prävention beseitigt werden.
Maßgeblich für den Versorgungserfolg ist ein evidenzbasiertes Versorgungskonzept.
Disease Management ermöglicht die Ausrichtung der evidenzbasierten Therapie an
den individuellen Versorgungszielen, die auch die Lebensqualität des Patienten, das
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 197
Alter, den psychosozialen Status, Komorbiditäten, Risikofaktoren und den Schweregrad des Diabetes Mellitus berücksichtigen.
Dazu werden die verschiedenen Disease Management Komponenten in einen gemeinsamen Ansatz integriert. Im Folgenden werden diese Komponenten diabetesspezifisch definiert und ihr Zusammenspiel im Gesamtkonzept diskutiert. Die Komponenten sind der Tabelle 1 zu entnehmen. Entwicklung, Disseminierung, Implementierung und Evaluierung werden im zweiten Teil des Gutachtens allgemeingültig verifiziert.
Tabelle 1: Komponenten des Disease Management
Einteilung
Komponenten
Medizinische Dimension
Evidenzbasierte Leitlinien
Individuelle Patientenbehandlungspläne
Wissenschaftlich begründete Patientenleitlinien
Einschreibekriterien
Patientenschulungen
Ökonomische Dimension
Kosten- Nutzen- Analysen
Infrastruktur
Datenbanken
Patienten-/ Ärzte- Informationssysteme
Fortbildungen der Ärzte
Disease Management Zirkel
Organisationsmanagement
Kunden
Anreizsysteme für Patienten
Anreizsysteme für Ärzte
Evaluierung
Evaluierungskonzept
[Quelle: Eigene Darstellung]
Für die Erkrankung Diabetes Mellitus wird nachfolgend ein Konzept für ein Disease
Management Programm mit Zielwerten auf der Grundlage der folgenden Leitlinien
vorgestellt:
•
Leitlinien der American Diabetes Association (ADA) [ADA, 2001]
•
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), [Haselbeck et al., 2000; Hasslacher et
al., 2000; Standl et al., 2000; Kerner et al., 2000; Hammes et al., 2000; Janka et
al., 2000; Haselbeck et al., 2001 im Druck]
•
International Diabetes Federation (IDF), [European Diabetes Policy Group, 1999
a + b]
•
Scottish Intercollegiate Guidline Network (SIGN), [SIGN 1999, 2000]
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 198
Die Leitlinien wurden in ihrer jeweils neuesten Fassung angewendet. Fehlen für eine
lückenlose Versorgung entsprechende Leitlinien, werden Einzelempfehlungen herangezogen, die aus Metaanalysen bzw. mehreren Randomised Controlled Trials
(RCT´s) stammen. Die Wahl der Leitlinie erfolgte auf der Basis folgender Kriterien:
•
International anerkannte Standards
•
Nationale Adapatationsfähigkeit
Abbildung 1 zeigt eine Übersicht über das Ablaufschema des Disease Management
bei manifestem Diabetes Mellitus von der Einschreibung bis zur spezifischen, individuellen Therapie.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 199
Abbildung 1: Ablaufschema eines Disease Management Programms Diabetes Mellitus
Einschreibemodul
Ablaufschema Disease Management Diabetes
Einschreibekriterium erfüllt:
Diagnosesicherung: Manifester Diabetes mellitus
Status Erhebung
Risikostratifizierung und Zuteilung zu einer entsprechenden Gruppe
Gruppe 1:
Gruppe 2:
Gruppe 3:
Zielwerte erreicht
Mindestens ein Zielwert nicht
erreicht entsprechend der ev.
Leitlinie
Komplikationen / Begleiterkrankungen
entsprechend der
Basismodul
evidenzbasierten Leitlinie
entsprechend der evidenzbasierten
Leitlinie
-
Diabetes – Koordinator
-
Screening
-
Follow-Up
-
Diabetiker – Schulung
-
Benchmarkingdatensatz
-
Entscheidungsunterstützungen (z. B. Disease Management-Zirkel)
-
Reminder
-
Evidenzbasierte Leitlinien
-
Individueller Patientenbehandlungsplan
-
Selbsthilfe – Gruppen
Individuelle
Basistherapie
Individuelle
Basistherapie
Ergänzungsmodule
+
Spezifische Therapie
Individuelle
Basistherapie
+
Spezifische Therapie
+
Komplikationstherapie
Klinischer
Zustand
[Quelle: Eigene Darstellung]
Individuelles
Patientenmanagement nach
Risikostratifizierung
Psychosoziale
Faktoren
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 200
Eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Versorgungsqualität und Kosteneffektivität der Versorgung durch Disease Management ist die Identifizierung von
Über-, Unter- und Fehlversorgung.
11.2Über-, Unter- und Fehlversorgung bei Diabetikern
Einschätzung der Problemhaushalte
In Teilbereichen ist die Einschätzung der Problemhaushalte aufgrund der in Deutschland spärlichen Datenlage nur eingeschränkt möglich. Allerdings lassen sich aufgrund der diabetischen Endpunkte entsprechende Rückschlüsse ziehen. Eine umfassende epidemiologische Datenbasis ist zu fordern.
Im Folgenden bedeutet: in [ ] gesetzte Fachrichtungen führen z. Z. genannte Versorgungsbereiche aus
Screening [Hausarzt]
Screening-Verfahren zur Diabetes-Früherkennung und zur Früherkennung von Begleiterkrankungen sind in Deutschland bisher nicht etabliert, obwohl z.B. seit zwölf
Jahren anerkannt ist, dass beispielsweise Früherkennung einer Mikroalbuminurie
der Vermeidung einer diabetischen Nephropathie dient [Mogensen et al., 1987]. Für
das Jahr 1994 zeigen sich in den Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Westfalen-Lippe ca. 8.000 Mikroalbuminurie - Bestimmungen bei schätzungsweise
400.000 Diabetikern [Hauner, 1997]. Die Zahlen zeigen das mangelhafte Bewusstsein für erforderliche Screeningsmaßnahmen in der Praxis.
Fazit: Unterversorgung
Prävention [Hausarzt]
Die Prävention wird in der Diabetologie in Deutschland wenig praktiziert. Weder Amputationen noch Erblindungen werden ausreichend vermieden. Die Effizienz regelmäßiger Fußinspektion wird nicht erkannt, und die Kostenübernahme durch die Sozialversicherer beispielsweise für spezielles, schonendes Schuhwerk ist die Ausnahme.
Fazit: Unterversorgung
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 201
Risikofaktoren [Hausarzt]
Zu den Risikofaktoren für des Diabetes Mellitus zählen vor allem erhöhte Lipid- und
Blutdruck-Werte. Bei 77,4% der Diabetiker wurden in den Hausarztpraxen lediglich
Gesamtcholesterin- Bestimmungen durchgeführt. Die Differenzierung in LDL- bzw.
HDL- Cholesterin wurde nur bei 14,6% bzw. 15,9% der Diabetiker vorgenommen.
Triglyzeride wurden mit einer Häufigkeit von 71,3% überprüft [Hauner, 1997].
Fazit: Unterversorgung
Bei der Therapie des Bluthochdrucks mit teuren AT1– Rezeptorblocker zeigt sich eine
Überversorgung; denn diese werden häufig auch dann verabreicht, wenn keine Unverträglichkeit von ACE- Hemmern besteht.
Fazit: Überversorgung
Diagnostik und Therapie [Hausarzt]
Die Bestimmung des HbA1c dient zur Feststellung der langfristigen Blutzucker- Einstellung des Diabetikers. Dieser Wert ist unerlässlich um eine optimale Einstellung
des Diabetikers zu prüfen und Folgeerkrankungen hinaus zu zögern. Nach Auswertung der Abrechnungsunterlagen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen- Lippe
kann jedoch lediglich bei 25% der Diabetiker ein HbA1c– Wert bestimmt worden sein
[Hauner, 1997]. Eine andere Studie wies eine Häufigkeit von 51,8% HbA1c– Messungen durch Hausärzte auf [Hauner et al., 1997].
Nüchternglukose wurde in 83,5% der diabetischen Patienten und der postprandiale
Blutglukose- Wert wurde bei 45,7% der Diabetiker getestet [Hauner et al., 1997].
Fazit: Unterversorgung
In einer weiteren Untersuchung zur Behandlung von Typ 2 Diabetikern in allgemeinmedizinischen Praxen wurde ermittelt, dass auf hundert Patienten acht Diabetiker
kommen (= 7,8%). Die Schwankungen lagen zwischen einem Minimalwert von 2,8%
und einem Maximalwert von 13,4%. Wesentlich größere Schwankungen zeigten sich
jedoch in der Durchführung der Therapie. Diätetische Maßnahmen wurden im Mittel
mit 41,3% (16,4% Minimalwert / 72,4% Maximalwert), orale Antidiabetika mit 42%
(17,4% / 75,4%) und Insulin in 16,7% (2,8% / 32,1%) verordnet [Hasselkus et al.,
1996].
Fazit: Fehlversorgung
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 202
Diabetische Begleiterkrankungen
(1) Diabetische Mikro- und Makroangiopathie [Hausarzt, ggf. Kardiologe, ggf.
Angiologe]
Die Versorgungssituation von Diabetikern im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems ist
im Vergleich zu den übrigen Versorgungsbereichen trotz der beschriebenen Mängel
noch als befriedigend zu bewerten. So wurde bei 47,6% der Diabetiker ein RuheEKG durchgeführt und bei 90,1% der Blutdruck gemessen [Hauner et al., 1997]. Allerdings zeigt sich in der Therapie der koronaren Herzkrankheit neben der häufigen
Durchführung nicht begründbarer Angiographien ein zu großer Einsatz von Perkutaner Transluminaler Coronarer Angiographien (PTCA).
Fazit: Unterversorgung bzw. Überversorgung
(2) Diabetische Retinopathie [Überweisung zum Augenarzt]
Durch Überweisungen des Hausarztes zum Ophthalmologen wurde an 45,1% der
diabetischen Patienten eine Augenhintergrunduntersuchung durchgeführt [Hauner et
al., 1997]. Speziell bei Typ 1 Diabetikern erfolgte die Überweisung zum entsprechenden Facharzt in nur 21,3% der Fälle [Hauner et al., 1996].
Fazit: Unterversorgung
(3) Diabetische Neuropathie [Hausarzt, ggf. Neurologe]
Die diabetische Neuropathie ist eine der am wenigsten beachteten Begleit- bzw. Folgeerkrankungen des Diabetes Mellitus. Während der sensomotorische Bereich noch
bei 18,9% der Diabetiker geprüft wurde [Hauner et al., 1997], sind Daten zur Untersuchungshäufigkeit bezüglich der diabetischen autonomen Neuropathien nur aus
großen Zentren zu erhalten. Hausärzte intervenieren weder in diesem Versorgungsbereich, noch überweisen sie zu den entsprechenden Fachärzten wie Kardiologen,
Gastroentologen und Urologen. Gleichzeitig werden aber teure Medikamente eingesetzt, deren Wirkung nicht eindeutig belegt ist.
Fazit: Unterversorgung bzw. Fehlversorgung
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 203
(4) Diabetische Nephropathie [Hausarzt, ggf. Nephrologe - siehe auch Screening]
59% der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, die zur Nierenersatztherapie
vorstellig werden, sind Diabetiker [Ritz et al., 1996]. Durch die verbesserte Therapie
des Herz- Kreislauf- Systems ist in den nächsten Jahren damit zu rechnen, dass
mehr diabetische Patienten eine terminale Niereninsuffizienz erleiden werden. Eine
weitreichende Planung diesbezüglich ist nicht in Sicht.
Fazit: Unterversorgung
(5) Diabetisches Fußsyndrom [Hausarzt, ggf. Chirurg, ggf. Podologe]
Neurologische und/ oder angiologische Untersuchungen, die zur Vermeidung eines
diabetischen Fußsyndroms unerlässlich sind, werden in hausärztlichen Praxen lediglich bei 18,9% bzw. 13,4% der Diabetiker durchgeführt. 17,5% der Fußinspektionen
bei Diabetiker wurden beim Hausarzt vollzogen, obwohl bei 69% dieser Patienten
klinische Hinweise auf eine Neuropathie und bei 21,5% auf eine periphere arterielle
Durchblutungsstörung vorhanden waren [Hauner et al., 1997].
Fazit: Unterversorgung
Versorgungsstrukturen
Ein Ost- West- Vergleich zeigt, dass die Behandlungsqualität von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. In der ehemaligen DDR wurden Diabetiker von spezialisierten Ärzten in landesweit verteilten Diabetikerzentren betreut, so dass eine flächendeckende, gleichbleibende Qualität gewährleistet werden konnte [Müller et al., 1993].
Bereits fünf Jahre nach der Wiedervereinigung zeigte eine Erhebung (ZEUVIN- Studie) die Abnahme der „guten“ Diabetes- Einstellung und damit eine Verringerung der
Versorgungsqualität [Schiel et al., 1998]. Als Ursache wurde die nunmehr alleinige
Versorgung der Diabetiker durch Hausärzte, die wenig Erfahrung mit Diabetikern hatten und die in der Vergangenheit nicht primär am Diabetesmanagement beteiligt waren, diskutiert.
Fazit: Unterversorgung
Die Versorgung von Diabetikern in stationären Pflegeeinrichtungen war Gegenstand
einer Untersuchung im Jahre 1998 im Kreis Heinsberg [Hauner et al., 2000]. Die im
Rahmen dieser Studie aus 99,6% aller Heime erhobenen Daten weisen in den Ergebnissen keine leitliniengerechte Versorgungsformen für Diabetiker auf. Die Vertei-
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 204
lung der Behandlungsart und die Häufigkeit der durchgeführten Messungen, wie in
Tabelle 2 dargestellt, erklärt auch die in Tabelle 3 wiedergegebenen Komplikationshäufigkeiten in den Pflegeheimen.
Fazit: Unterversorgung
Tabelle 2: Verteilung nach Behandlungsart und Messungshäufigkeit
Ohne Behandlung
3,6%
> 1 Messung/ Tag
6,1%
Nur Diabeteskost
13,3%
> 1 Messung/ Woche
62,7%
Orale Antidiabetika
47,0%
< 1 Messung/ Woche
28,6%
Insulintherapie
37,0%
Keine Angaben, unbekannt
0,6%
[Quelle: In Anlehnung an Hauner et al., 2000]
Tabelle 3: Auswahl der Komplikationen und ihre Häufigkeit bei Diabetikern in Pflegeeinrichtungen
Amputation
Erblindung
Dialysepflichtige
Niereninsuffizienz
Offener
Dekubitus
Harninkontinenz
Angina
pectoris
pAVK
3,4%
13,6%
1,0%
4,5%
54,4%
20,5%
27,2%
[Quelle: In Anlehnung an Hauner et al., 2000]
Internationale Studien geben Hinweise darauf, dass die dargestellten Bereiche mit
Über-, Unter- und Fehlversorgung durch ein systematisches, standardisiertes, sektorenübergreifendes und evidenzbasiertes Disease Management verringert werden
können [Litzelman et al., 1993; Steffens, 2000; Stoner et al., 2001; Domurat, 1999;
Demers et al., 1997].
11.3Einschreibungsmodul:
Die Einschreibekriterien sollten einen größtmöglichen Grad an Manipulationssicherheit aufweisen. Daher sind entsprechend den internationalen evidenzbasierten Diabetes- Leitlinien folgende Kriterien zu empfehlen (Manifester Diabetes Mellitus nach
den Empfehlungen der ADA, WHO, IDF, DDG):
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 205
Die Diagnose eines manifesten Diabetes Mellitus ist als alleiniges Einschreibekriterium maßgeblich. Die Formen „Impaired Fasting Glucose“ (Abnorme Nüchternglukose)
und „Impaired Glucose Tolerance“ (Abnorme Glukosetoleranz) werden aufgrund der
unsicheren Diagnosesicherung nicht akzeptiert. Trotzdem sei darauf hingewiesen,
dass Diabetes Mellitus einen progressiven Verlauf aufweist.
In Abbildung 2 sind die Diabetes– Typen und der Verlauf der Hyperglykämiemanifestation dargestellt.
Abbildung 2: Diabetes- Typen mit Spektrum und Verlauf der Hyperglykämiemanifestation
Stadien Normoglykämie
Normale
Typen
Hyperglykämie
Gestörte Glukose-Toleranz
Diabetes mellitus
Blutglukose-
Oder
Nicht
Insulin zur
Insulin zum
Regulation
Gestörte Nüchtern-Glukose
Insulinbedürftig
guten Einstellung
Überleben
Typ 1
Typ 2
Andere
Typen
GestationsDiabetes
[Quelle: In Anlehnung an ADA, 1997 und Kerner, 1998]
Die im folgenden abgegebenen Empfehlungen dienen zur Sicherung der Diagnose
des Diabetes Mellitus. Sie beruhen auf den Vorschlägen der ADA, der WHO sowie
der Internationalen Diabetes Föderation (IDF), [ADA, 2000; Alberti et Zimmet, 1998;
EDPG, 1999] (siehe auch Tabelle 4):
(1) Bei klassischen Symptomen des Diabetes Mellitus (Polyurie, Polydipsie, ungeklärter Gewichtsverlust), bei Glucosurie oder bei Gelegenheitshyperglykämie (zu
irgendeiner Tageszeit, ohne Beziehung zu den Mahlzeiten):
• Kontrolle der venösen Gelegenheits- Plasmaglukose
• ≥ 200 mg/dl (11.0 mmol/l): ein Diabetes ist diagnostiziert
• ≥ 100 mg/dl (5,5 mmol/l): weitere Diagnostik nach Schritt 2
(2) Bei einer venösen Gelegenheits- Plasmaglukose oder einer Nüchternglukose im
venösen Plasma ≥100 mg/dl (5,5 mmol/l):
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 206
• Kontrolle der Nüchternglukose im venösen Plasma (nüchtern ist definiert
durch eine Fastenperiode von mindestens 8 Stunden )
• ≥ 125 mg/dl (7,0 mmol/l): Wiederholung, bei Bestätigung ist Diabetes mellitus
diagnostiziert
• ≥ 110 mg/dl (6,0 mmol/l): Indikation zum oralen Glukosetoleranztest (OGTT)
• ≥ 90 mg/dl (5,0 mmol/l):
Jährliche Kontrolle der Risikofaktoren, inklusive der
Plasmaglukose, sollte erwogen werden.
(3) OGTT (Werte sind für venöse Plasmaglukose angegeben):
• 2-h-Wert ≥ 200mg/dl (11 mmol/l): Diabetes ist diagnostiziert
• 2-h-Wert < 200mg/dl (11 mmol/l) und ≥ 140 mg/dl (7,8 mmol/l): "Gestörte Glukosetoleranz" (Impaired Glucose Tolerance) liegt vor
• Nüchternwert ≥ 110 mg/dl (6 mmol/l) und < 140 mg/dl (7,8 mmol/l): eine "Abnorme Nüchternglukose" (Impaired Fasting Glucose) liegt vor
Tabelle 4: Diagnostische Kriterien des Diabetes Mellitus
Plasmaglukose
Venös
Kapillär
Vollblutglukose
Venös
Kapillär
mg/dl (mmol/l)
mg/dl (mmol/l)
mg/dl (mmol/l)
mg/dl (mmol/l)
Nüchtern
Diabetes
IFG
≥ 126 (≥ 7,0)
> 110 (> 6,0)
≥ 126 (≥ 7,0)
> 110 (> 6,0)
> 110 (> 6,0)
> 100 (> 5,5)
> 110 (> 6,0)
> 100 (> 5,5)
OGTT 2-h
Diabetes
IGT
> 200 (> 11,0)
≥ 140 (≥ 7,8)
≥ 220 (≥ 12,2)
> 160 (> 8,9)
≥ 180 (≥ 10,0)
≥ 120 (≥ 6,7)
> 200 (> 11,0)
≥ 140 (≥ 7,8)
[Quelle: Eigene Darstellung]
Durchführung des Oralen Glukose Toleranz-Testes (nach den WHO-Kriterien [WHO,
1985; Alberti et Zimmet, 1998b]):
•
Durchführung am Morgen (nach 10-16- stündiger Nahrungskarenz) nach einer
mindestens 3- tägigen Ernährung mit mehr als 150g Kohlenhydraten/ Tag. Patient
in sitzender oder liegender Position. Rauchen vor und während des Tests ist nicht
erlaubt.
•
Zum Zeitpunkt 0 trinkt der Patient 75 g Glukose (oder äquivalente Menge hydrolysierter Stärke) in 250 bis 300 ml Wasser innerhalb von 5 Minuten. Kinder erhalten 1,75 g/kg Körpergewicht (bis maximal 75 g). Blutentnahmen zur Glukosebe-
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 207
stimmung zu den Zeitpunkten 0 und 120 Minuten (der 60 Minuten- Wert ist nicht
obligatorisch). Sachgerechte Aufbewahrung der Blutproben bis zur Messung.
Anmerkung: Über die Möglichkeit, dass längeres Fasten oder eine Kohlenhydratmangel- Ernährung auch bei Gesunden zur pathologischen Glukosetoleranz führen
kann, ist bisher nur wenig bekannt, dennoch ist sie von großer praktischer Bedeutung [Björkman und Eriksson, 1985]. Eine Reihe von Medikamenten, wie z. B. Glukokortikoide, Epinephrin, Phenytoin, Diazoxid und Furosemid können die Glukosetoleranz verschlechtern.
Diese Formen der Diagnosesicherung sind für die Versorgung eines neu zu diagnostizierenden Diabetikers vorgesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt können alle bekannten
Diabetiker in die Programme eingeschrieben werden. Die Kontrolle der Diagnose
kann über die oben genannten Mechanismen zur Diagnosesicherung durchgeführt
werden. Gegebenenfalls ist routinemäßig ein oraler Glukose Toleranz Test ohne Gefährdung des Patienten durchzuführen.
Um eine nicht indizierte Ausweitung von oralen Glukose Toleranz Tests zu vermeiden, sei an dieser Stelle auf die Empfehlungen der ADA hingewiesen, denen sich
auch die DDG im Jahre 2000 angeschlossen hat (Tabelle 5):
Tabelle 5: Diabetes- Sreening beim Gesunden
Nüchternblutglukosebestimmungen sollten bei allen Personen, die 45 Jahre oder älter sind, in Betracht gezogen werden. Bei Normalbefunden sollte eine Wiederholung nach drei Jahren erfolgen.
Nüchternblutglukosebestimmungen sollten sowohl bei jüngeren Personen durchgeführt werden als
auch in kürzeren Intervallen bei allen anderen Patienten, wenn:
•
Übergewicht vorliegt (BMI ≥ 27 kg/m²)
•
Ein/e erstgradig Verwandte/r Diabetes Mellitus hat
•
Eine Frau ein Kind > 4000 g geboren hat oder bei ihr Gestationsdiabetes festgestellt wurde
•
Eine arterielle Hypertonie vorliegt (Blutdruck ≥ 140/90 mmHg)
•
Eine Dyslipidämie mit HDL- Cholesterin ≤ 35 mg/dl und/ oder Triglyzeriden ≥ 250 mg/dl vorliegt
•
Eine frühere Untersuchung eine gestörte Glukosetoleranz oder eine abnorme Nüchternblutglukose ergeben hat
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 208
Zum jetzigen Zeitpunkt wird ein Antikörper- Screening zur Frühdiagnose des Typ 1 Diabetes außerhalb kontrollierter Studien nicht empfohlen, da gesicherte therapeutische Maßnahmen fehlen, mit denen der Ausbruch der Erkrankung verhindert werden kann.
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ADA, 2000 und Kerner, 1998]
Im Rahmen der Einschreibung erfolgt die Risikostratifizierung des Patienten. Dazu
sollte ein kompletter Status vom Hausarzt erhoben und weiterführende Untersuchungen konsiliarisch bei den spezifischen Fachärzten durchgeführt werden.
Im Einzelnen erfordert die standardisierte Statuserhebung zur Risikostratifizierung
folgende dokumentationspflichtige Maßnahmen mit entsprechenden Zielwerten [modifiziert nach ADA, 2001; Alberti et al., 1994; European Diabetes Policy Group,
1999]:
(1) Ausführliche Anamnese
• Aktuelle Problematik, frühere Beschwerden (KHK, pAVK, cAVK, Fußsyndrom,
Visusverschlechterung, Nephropathien, Hypertonie?)
• Abfrage von Risikofaktoren (Rauchen, Ernährung, Bewegungsstatus?)
• Vegetative Anamnese (Stuhlgewohnheiten, Urinverhalten)
• Familien- und Sozialanamnese
• Medikamentenanamnese
• Bei vortherapierten Diabetikern: Anamnese über diabetisches Therapieschema
• bei Frauen im gebärfähigen Alter: Erhebung des Menstruationszyklus bzw.
Verlauf vorheriger Schwangerschaften und Entbindungen
(2) Vollständige körperliche Untersuchung (Inspektion, Palpation, Perkussion):
• Hautstatus
• Augen (Xanthelasmen, Xanthome, Arcus lipoides?)
• Fettverteilungsmuster
• Struma
• zyanotische Körperregionen
• maßgebliche Temperaturunterschiede der einzelnen Extremitäten
• Pulsstatus der Extremitäten
• Sensibilitätsüberprüfung
• Überprüfung der Reflexe und der Motorik
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 209
(3) Apparative Untersuchungen (mit Angabe von Zielwerten, sofern sie von Nichtdiabetikern abweichen bzw. von besonderer Bedeutung sind):
• Gewicht: ≤ 25 kg/m2
• Blutdruck (systol. / diastol. mmHg) für Diabetiker ≥ 18 Jahren
• Bei Kindern und Jugendlichen gelten als Referenzwerte die des 95 % Percentilbereichs aus speziellen Blutdrucknormogrammen für Kinder und Jugendliche
[Rosner et al., 1993].
-
Mit essentieller Hypertonie ≤ 140 / ≤ 85 (Bei guter Verträglichkeit eines RR
von 140 / 85 mmHg ist später als Zielwert ≤ 130 / ≤ 80 mmHg anzustreben)
-
Bei bekannter Mikroalbuminerie und / oder manifester Nephropathie ≤ 130
/ ≤ 80 mmHg
(4) Biochemische Tests:
• Blutglukose:
Plasma / Serum (venös)
Vollblut (kapillär)
90-120 mg / dl
90-120 mg / dl
Nüchtern/ präprandial
130-180 mg / dl
1-2h postprandial
Vor dem Schlafengehen
110-140 mg / dl
• HbA1c im Blutplasma bzw. Serum: < 6,5 %
• Bestimmung der Schilddrüsenwerte
• Triglyzeride, HDL- Cholesterin und LDL- Cholesterin:
Diabetiker ohne makrovaskuläre
*Chol ges < 200 mg / dl
Erkrankung
*LDL-C < 130 mg / dl
*HDL-C ≥ 35 mg / dl
*NüTG < 150 mg / dl
Diabetiker mit makrovaskulärer
*Chol ges. < 170 mg / dl
Erkrankung
*LDL-C <1 00 mg / dl
*HDL-C > 40 mg / dl
*NüTG < 150 mg / dl
110-140 mg / dl
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 210
Diabetiker mit Triglyzeridwerten
Durch Akuttherapie: *TG: < 400 mg / dl
> 1000 mg/ dl
Unter Dauertherapie: *NüTG < 150 mg / dl
*Chol ges : Gesamt- Cholesterin; *LDL-C: Low- density- lipoprotein- Cholesterin; *HDL-C:
High- density- lipoprotein- Cholesterin; *NüTG: Nüchtern- Triglyzeride; *TG: Triglyzeride
• Kreatinin und Elektrolyte, Urinuntersuchung auf Glukose, Albumin, Ketone
und mikroskopische Untersuchung
Folgende Methoden werden zum Screening für eine Mikro-/ Makroalbuminiurie empfohlen und nach Tabelle 6 entsprechend interpretiert:
•
Konzentrationsbestimmung von Albumin im Morgen- oder Spontanurin
•
Ausscheidungsrate von Albumin im 24- Stunden- Sammelurin oder in einer befristeten Urinsammlung
•
Albumin- Kreatinin- Quotient im Morgen- oder Spontanurin
Tabelle 6: Definition des Mikroalbuminerie- Bereichs bei verschiedenen Urinsammelmethoden bzw. Bezugsgrößen
a) befristete Urinsammlung:
20 bis 200 µg/min
b) 24- Stunden- Urinsammlung:
30 bis 300 mg/24h
c) Bezug auf Urin- Kreatinin:
für Frauen:
für Männer:
d) Konzentrationsmessung:
Bei Kindern in bezug auf 1,73 m2
Körperoberfläche
30 bis 300 mg/g U- Krea
3,5 bis 35 mg/mmol U- Krea
20 bis 200 mg/g U- Krea
2,5 bis 25 mg/mmol U- Krea
20 bis 200 mg/l
[Quelle: Eigene Darstellung]
Unabhängig von den erhobenen Befunden erfolgt zur Statuserhebung eine Überweisung zum Augenarzt sowie zum Zahnarzt; bei Frauen eine Überweisung zum Gynäkologen. Bei suspekten Befunden können nach Indikationsstellung Überweisungen
zu den jeweiligen Fachdisziplinen erfolgen.
Ziel der Statuserhebung zur Risikostratifizierung ist die Zuordnung des Diabetikers
zu einer von drei Disease Management Gruppen.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 211
Abbildung 3: Ablauf und Ziele des Einschreibemodus
Verdacht auf Diabetes Mellitus
Diagnosesicherung
nach Einschreibekriterien
- Klinik
- Labor
- Anamnese
- Körperliche Untersuchung
- Laborchemische Untersuchungen
- Ggf. Überweisung zu anderem
Facharzt
Statuserhebung
Disease Management
Gruppe 1:
Zielwerte erreicht
Disease Management
Gruppe 2: Mind. ein
Zielwert nicht erreicht
Disease Management
Gruppe 3:
Komplikationen
Risikostratifizierung
nach
Untersuchungsergebnissen
[Quelle: Eigene Darstellung]
Die Zuordnung zu einer spezifischen Disease Management Gruppe wird der Krankenkasse vom einschreibenden Arzt mitgeteilt. Sollte sich die Gruppenzugehörigkeit
im Laufe der Therapie ändern, wird dies der Krankenkasse ebenfalls mitgeteilt. Auf
der Grundlage der Gruppenzugehörigkeit werden dann von Arzt und Krankenkasse
definierte Disease Management Module initiiert:
Gruppe1:
Zielwerte erreicht: Status des manifesten Diabetes Mellitus (Basismodul)
Gruppe 2:
Zielwerte nicht erreicht: Risikofaktoren (Basismodul plus Ergänzungsmodul – Spezifische Therapie)
Gruppe 3:
Komplikationen: Diabetische Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen
(Basismodul plus Ergänzungsmodul – Spezifische Therapie plus Ergänzungsmodul – Komplikationstherapie)
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 212
11.4Basismodul
Generell gehören zum Basismodul die folgenden Komponenten:
•
Therapie nach evidenzbasierter Leitlinie
•
Diabetes- Koordinator nach Bedarf
•
Screening nach Leitlinie
•
Follow- Up nach Leitlinie
•
Schulung nach evidenzbasiertem Schulungskonzept
•
Entscheidungsunterstützung nach Bedarf
•
Reminder nach Bedarf
•
Evidenzbasierte Leitlinien
•
Individueller Behandlungsplan
•
Selbsthilfe- Gruppen
•
Benchmarkingdatensatz
Weitere unterstützende Komponenten sind:
•
Ärztliche Fortbildung
•
Patienten- und Ärzte- Informationssysteme
•
Datenbanken
•
Definition von Schnittstellen zur Überweisung auf eine andere Versorgungsebene
(Spezialist, stationäre Einweisung, Vorstellung in Spezialambulanz, ...)
Das Basismodul ist für alle Gruppen aus den Versorgungskomponenten (Therapie,
Screening, Follow- Up und Schulung), den unterstützenden Komponenten (Evidenzbasierte Leitlinien, Diabetes Koordinator, Entscheidungsunterstützung, Reminder,
Individueller Behandlungsplan, Selbsthilfegruppen) und der Datensatzkomponente
(Benchmarkingdatensatz) aufgebaut. Folgende zeigt das Ineinandergreifen der
Komponenten im Ablauf des Basismoduls.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 213
Abbildung 4: Ablauf und Vernetzung der Basismoduls
Screening
Evidenzbasierte Leitlinien
Entscheidungsunterstützung
Reminder
Schulung
Evidenzbasierte Leitlinien
Reminder
Selbsthilfegruppen
Diabetes Koordinator
Informationssysteme
Follow-up
Evidenzbasierte Leitlinien
Reminder
Diabetes Koordinator
Benchmarking
Datensatz
Basismodul
Therapie
Evidenzbasierte Leitlinien
Entscheidungsunterstützung
Reminder
Individ. Behandlungsplan
Fortbildung
[Quelle: Eigene Darstellung]
Therapie
Grundsätzlich ist die Therapie bei Typ 1 Diabetikern auf die Insulinsubstitution ausgerichtet. Die Therapieschemata sind der Leitlinie der ADA [ADA, 2001] zu entnehmen. Die entsprechende Leitlinie der DDG ist zur Zeit in Vorbereitung.
Bei Typ 2 Diabetikern ist das Therapiemanagement dreistufig ausgerichtet. Zunächst
einmal ist die Reduzierung bzw. Vermeidung von Risikofaktoren anzugehen, welches
im Folgendem beschrieben wird. Weiterhin ist über diätetische Maßnahmen und Bewegungssteigerung der Versuch einer Blutzuckernormalisierung vorzunehmen. Ist
dieses nicht möglich, so sind medikamentöse Interventionen in Form von oralen Antidabetika anzuwenden. Bei weiterhin therapieresistenten Blutzuckerwerten ist letztendlich die Insulintherapie das Mittel der Wahl. Auch hier gilt der Verweis auf die
Leitlinien der ADA und DDG.
Screening
Das Screening als integrativer Bestandteil des Follow- Up soll zur Vermeidung möglicher Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen des Diabetes beitragen. Zur frühzei-
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 214
tigen Erkennung einer drohenden Nephropathie sind beispielsweise Albumin im Urin
oder Serum- Kreatinin regelmäßig zu bestimmen. Zur Vermeidung eines diabetischen Fußsyndroms wird eine regelmäßige Inspektion des Fußes durchgeführt.
Folgende Disease Management Komponenten können zur Unterstützung eines effektiven Screenings eingesetzt werden:
•
Leitlinien zur Spezifierung von Screeninginhalten und Durchführung
•
Reminder zur Erinnerung an Screeninguntersuchungen für Arzt und Patient
•
Diabeteskoordinator (kann durch ein Call- Center übernommen werden). Er kann
das Remindersystem steuern, zusätzliche Informationen zu den Screeningmaßnahmen und ihrer Bedeutung für die Therapie geben. Die Diskussion der Ergebnisse des Screenings sollte mit dem Hausarzt bzw. dem das Screening durchführenden Arzt erfolgen.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 215
• Follow- Up
Tabelle 7: Disease Management Programm– Follow-Up: Diabetes mellitus
Empfehlungen zur Frequenz von Kontrollleistungen, Intervention und Behandlung (modifiziert nach WHO, 1991, VHA, und ADA, 2000)
Frequenz der Konsultationen und ihrer Leistungen im Jahr
Empfohlene Leistungen1
Hausärztliche Leistungen
Ausführliche Erstanamnese und Untersuchung2
Umfassende Anamnese und Untersuchung (inkl. EKG, neurologische Untersuchung)3
Hausarzt - kurze Begegnung5 inkl. RR,
Fuß, Gewicht
(bei Jugendlichen :
Größe & Wachstumsperzentile)
y RR
Neudiagnostizierte
Diabetiker
Typ 1
Typ 2
Bekannte Diabetiker Ziel
Typ 1
Typ 2
1
1
-
-
-
-
14
1
4
4
4
4
Normal
mit essentieller Hypertonie
bei guter Verträglichkeit eines RR von 140/85
mm/Hg
≤140/858 mmHg
≤130/80 mm/Hg
mit Mikroalbuminurie und/oder manifester
Nephropathie
≤130/80 mm/Hg
y BMI
≤25 kg/m2
Leistungen von Fachärzten bzw. von diabetologisch versierten Spezialisten
Augenuntersuchung (Ophthalmologe)
1
1
1
1
Normal
Diätschulung (Diätberater)
2
2
1
1
Schulung zur Selbstkontrolle
3
2
1
1
Gynäkologische Betreuung
1
1
-
-
Beherrschung des
Selbstmanagement
Intervention12
Empfohlene Behandlung
Neuropathie
Beratung zu Lebensgewohnheiten
und Fußpflege, Intensivierung der
Diabetestherapie, evtl. Überweisung
an Neurologen
Patientenschulung, Änderung der
Lebensgewohnheiten, evtl. medikamentös
Netzhautkomplikation
HbA1c≥7
HbA1c≥7
Schwangerschaft
Laserkoagulation, Vitrektomie
Erneute Schulung, evtl. neuer Diätplan
Kontrolle der Selbstkontrolle, evtl.
erneute Schulung
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 216
Laborleistungen
RBZ oder NBZ6
HbA1c
Lipidprofil
yDiabetiker ohne mikro- bzw. makrovaskuläre Erkrankung
6
5
4
4
1
1
Gesamtcholesterin
yDiabetiker mit mikro- bzw. makrovaskulärer Erkrankung
yAlle Diabetiker >1000 mg/dl TG
LDL-C9
HDL-C10
NüTG11
Gesamtcholesterin
LDL-C
HDL-C
NüTG
Triglyzeride
Serum-Kreatinin
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Mikroalbuminurie
T4
/Urineiweiß7
4
4
1
2
4
1
<6,5%
≥7%
Normnahe BZ-Einstellung
>1000mg/dl
>1000mg/dl
30-300 mg/24h
Durch Akuttherapie
Unter Dauertherapie
BZ- und RR-Einstellung Ernährungstherapie
<200 mg/dl
<130 mg/dl
≥35 mg/dl
<150 mg/dl
<170 mg/dl
<100 mg/dl
>40 mg/dl
<150 mg/dl
TG<400 mg/dl
NüTG<150 mg/dl
1. Individuelle Abweichungen möglich, z.B. Anstieg der Frequenz bei Komplikationen, bzw. geänderter Situation, bzw. Schwangerschaft. Zusätzliche Konsultationen bei Komplikationen nach Maßgabe des Hausarztes oder entsprechenden Empfehlungen des Facharztes.
2. Siehe Anlage 15b
3. Siehe Anlage 15b
4. Das Screening sollte nach dem 5. Jahr nach Diagnose bzw. bei Kindern mit Einsetzen der Pubertät (>11. Lebensjahr) begonnen werden.
5. Siehe Anlage 15b
6. RBZ = regulärer Blutzucker, NBZ = nüchterner Blutzucker
7. Überprüfung der Albuminausscheidungsrate bei einer Albuminurie
8. Bei Kindern und Jugendlichen gelten die Referenzwerte die des 95% Percentilbereichs aus speziellen Blutdrucknomogrammen für Kinder und Jugendliche
9. LDL-C : Low-density-lipoprotein-Cholesterin
10. HDL-C : High-density-lipoprotein-Cholesterin
11. NüTG : Nüchtern-Triglyzeride
12. Keine Angabe = Intervention wenn der Wert außerhalb der angegebenen Zielwertsetzung lieg
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 217
13. Das Follow- Up ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Management– Gruppe verschieden gestaltet
und folgt nach entsprechenden Zeitintervallen.
•
Zeitnahe Folgeuntersuchungen:
Schulungsinhalte konsolidieren, Gewicht, Blutdruck und Blutzucker kontrollieren,
Befinden und Therapie (bisheriger Verlauf, Maßnahmen, Ziele) besprechen.
•
Vierteljährlich (Bei schlecht kontrollierten Patienten häufiger):
Gewicht, Blutdruck, Blutzucker, HbA1c, Lipide (nur wenn erhöht), Urin auf Albumin und Serum- Kreatinin (nur wenn pathologisch), Schilddrüsenwerte (nur wenn
pathologisch) kontrollieren, Fußinspektion durchführen, bei Kindern und Jugendlichen Größe und Wachstumsperzentile vergleichen, Schulungsinhalte vermitteln.
•
Jährlich:
Vollständige körperliche und klinisch chemische Laboruntersuchung wie bei der
ersten Statuserhebung beim Hausarzt bzw. Primärarzt, Selbstkontrolltechniken
überprüfen, Schulungen, Besuch beim Ernährungsberater, Konsultation von Augenarzt, Zahnarzt, Frauen zusätzlich von Gynäkologen.
Zusätzlich können die folgenden Disease Management Komponenten das FollowUp unterstützen:
•
Schulungen können das Selbstmanagement effektiv unterstützen.
•
Leitlinien unterstützen eine evidenzbasierte Vorgehensweise. Entsprechend aufbereitete Patientenleitlinien helfen dem Patienten Ursachen und Durchführung
von Maßnahmen des Selbstmanagements zu verstehen und in ihrer Bedeutung
zu erkennen.
•
Reminder können Patienten an Zielvereinbarungen, Schulungsinhalte etc. erinnern.
•
Diabetes- Koordinator. Seine Aufgabe ist vielfältig und hängt u.a. vom klinischen
Zustand des Patienten ab. Er kann das Remindersystem steuern, spezifische Informationen geben, Schulungen koordinieren oder durchführen, Fragen über eine
Hotline beantworten, je nach Ausprägung (z.B. weitergebildete Krankenschwester) auch einfache medizinisch Maßnahmen wie die Fußinspektion mit dem Patienten zusammen durchführen.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
•
Seite 218
Entscheidungsunterstützung im Follow- Up ist in erster Linie für den Arzt interessant und kann auf vielfache Weise eingesetzt werden (siehe Kapitel Organisationsmanagement und Entscheidungsunterstützung).
Schulung
Die Schulung im traditionellen Frontalvortrag hat sich als ineffektiv erwiesen. Einige
Fachrichtungen meiden inzwischen den Begriff der Schulung und sprechen stattdessen z.B. von Edukationsprogrammen [Berger et al. 2001].
Strukturierte Schulung soll das Empowerment des mündigen Patienten fördern und
dem Patienten und seinen Angehörigen Informationen vermitteln (Einweisung in die
Stoffwechselselbstkontrolle:
Harnzuckerselbstkontrolle,
Blutzuckerselbstkontrolle;
Blutdruckselbstkontrolle, Messung des Körpergewichts, Fußinspektion und Dokumentation), die für eine erfolgreiche Therapie und für das Disease Management unerlässlich sind. Hier sollen neue edukative, didaktische aber auch autodidaktischen
Formen der Wissensvermittlung genutzt werden. Zu näheren Einzelheiten sei hier
auf den Abschnitt „Komponenten von Disease Management“ verwiesen.
Eine in den letzten Jahren aufgekommene zusätzliche Begleitung und Wissensvermittlung durch Selbsthilfegruppen für Betroffene scheint sich zusätzlich zu bewähren.
Patienten, vor allem chronisch Kranke wie Diabetiker, scheinen in dieser Umgebung
die Bedeutung ihrer Krankheit stärker wahrzunehmen und übernehmen eher Empfehlungen in ihren Alltag. Selbsthilfegruppen sind aus diesem auch ökonomisch bedeutsamen Grund besonders zu fördern (siehe Kapitel Schulung).
Zur Unterstützung einer effektiven Schulung können die unten aufgeführten Disease
Management Komponenten eingesetzt werden:
•
Leitlinien. Insbesondere Patientenleitlinien in Form von Arbeitsblättern (s.u.), Algorithmen oder Patientenselbstverträgen mit der Erarbeitung von selbstgesteckten Zielen können hier hilfreich sein. Sie können in der Vor- und Nachbereitung
eingesetzt werden und Patienten immer wieder an Ziele und Inhalte von Schulungen erinnern. Eine langfristige Stabilisierung von Schulungseffekten ist dadurch
möglich.
•
Informationssysteme können Schulungen zu jeder Zeit ergänzen (Abbildung 7).
Sie vermitteln Patienten über die Schulungsinhalte hinausgehende Informationen
bzw. können auch von pflegenden Angehörigen genutzt werden. Sie können zur
Auffrischung von Schulungsinhalten dienen oder Aspekte ansprechen, die in
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 219
Schulungen zu kurz kommen, aber für den Alltag und die Lebensqualität wichtig
sind, wie z.B. aktuelle Rezepte.
•
Reminder. Sie können an Schulungsinhalte erinnern und an selbstgesteckte Ziele. Dadurch tragen sie zur Konsolidierung der Schulungsinhalte bei.
•
Diabeteskoordinator. Er kann beispielsweise die Koordination einer sektorenübergreifenden Schulung übernehmen, ggf. Einzelschulungen in häuslicher Umgebung durchführen, Schulungsinhalte wie die Fußinspektion mit dem Patienten
zusammen regelmäßig wiederholen, Ansprechpartner für Fragen sein und spezifische Informationen liefern.
•
Selbsthilfegruppen können Schulungen wirkungsvoll unterstützen, da Patienten
eher von Gleichbetroffenen lernen und sich mit ihnen identifizieren können.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 220
Abbildung 5: Arbeitsblatt zur Diabetesschulung
Name:
Datum:
I.D. Nr.
Grundlagen der Diabetes Behandlung
Überprüfung der vom Patienten gemessenen Blutzuckerwerte (bei jedem Besuch)
Blutdruck (bei jedem Besuch)
Zielwert
Gewicht (bei jedem Besuch)
Zielwert
Fußuntersuchung (bei jedem Besuch)
HbA 1c (alle drei Monate)
Messbereich
Zielwert
Microalbuminuriescreening
(jährlich bei negativem Urineiweiß)
Augenärztliche Kontrolle (jährlich)
Cholesterol (jährlich)/ Triglyceride (jährlich)
Zielwert
HDL (jährlich)/ LDL (jährlich)
Zielwert
Influenza (jährlich)/ Pneumonie-Impfung (wenigstens
einmal, siehe CDC- Empfehlung)
Bewertung der Daten
Selbst-Management Training
Einstellung des Rauchens
Kontrolle der Blutzuckerwerte
Kontrolle der Ernährung und des Gewichts
Körperliche Aktivität
Krankheitstage/ Arbeitsunfähigkeitstage (AU)
Hypo-/ Hyperglykämie
Fußpflege
Allgemeine Versorgung
Periodisch: Anamnese/ körperlicher Befund
Mammographie/ Thoraxröntgenbild
Stuhlprobe für Hämokult
Tuberkulosetest/ Tetanus
EKG
Einhaltung der Medikation
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 221
Abbildung 6: Selbst- Management für Diabetiker
Selbst- Management
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
Blutzuckerspiegel messen
Untersuchung der Füße
Zähne putzen und mit Zahnseide
säubern
5 Mahlzeiten mit Gemüse oder Obst
essen
Medikamente einnehmen
Mindestens 20 Minuten Sport treiben
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Abbildung 7: Dokumentationsbogen für Lerninhalte
Datum
Gezeigte Lehrvideos für
Familie oder Patient
Kommentare
Grundlagen der Krankheit
Kontrolle der Krankheit
Diabetes verstehen lernen
Grundlagen der Ernährung
Vorgeschriebene Medikation bei Diabetes
Wenn die Kontrolle aus dem Gleichgewicht gerät
Bewegungsübungen
Diabetes kennen lernen
Andere Videos
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Diabetes– Koordinator
Aufgrund der sektoralen Gliederung des deutschen Gesundheitssystems kommt es
immer wieder zu Unterbrechungen in der Versorgungskette, zu ineffizientem Ressourceneinsatz und Informationsverlusten. Ein Diabetes- Koordinator kann steuernd
eingreifen, indem er Schulungen sektorenübergreifend koordiniert, Patienten mittels
Telemanagement oder Hausbesuchen betreut und den Daten- und Informationsfluss
sicherstellt. Ein Diabetes- Koordinator wird je nach Risikostratifizierung und klinischem Zustand des Patienten eingesetzt. Er kann von Arzt oder Krankenkasse angefordert werden. Beispielsweise könnten die Aufgaben des Diabetes- Koordinators für
Patienten aus der Management– Gruppe 1 von einem medizinischen Call– Center
wahrgenommen werden. Der Kontakt mit dem Call- Center kann je nach klinischem
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Seite 222
Zustand von mehrmals wöchentlich bis zu einmal innerhalb des Quartals variieren. In
der Regel wird ein Kontakt pro Quartal notwendig sein, falls das Call- Center auch
zur Datenpflege und Erhebung eingesetzt wird. Für die Disease Management Gruppe 2 könnten die Koordinationsaufgaben von einem medizinischem Call– Center und
einer speziell weitergebildeten Krankenschwester wahrgenommen werden. Die
Krankenschwester kann dabei primär einem Krankenhaus, einem Arztnetz, der
Krankenkasse oder dem Call- Center zugeordnet sein. Für die Patienten in der Disease Management Gruppe 3 jedoch sollte neben einem Call- Center bei Bedarf immer eine speziell weitergebildete Krankenschwester/ Pfleger zur Verfügung stehen.
Der Koordinator kann also ein medizinisches Call– Center, ein medizinisch geschulter Ansprechpartner, z. B. aus dem Pflegebereich, oder ein Schulungsteam sein. Es
sind auch Kombinationen denkbar. Der mögliche Aufwand eines Koordinators ist in
Tabelle 8 dargestellt. Managed Care Organisationen gehen häufig von einem durchschnittlichen Aufwand von fünf Telefonaten pro Quartal pro Mitglied aus [Steffens,
2000]. Hierbei sind die „aktiven“ Interventionen in Form von persönlichen vor Ort
Kontakten definiert, während die „passiven“ Kontakte in Form von Telefonaten oder
interaktiv via Internet definiert sind.
Tabelle 8: Beispiele für den Einsatz eines Diabetes-Koordinators in Abhängigkeit von
der Disease Management Gruppe
Management– Gruppen
Interventionshäufigkeit (Anzahl)
Management– Gruppe 1
Aktiv 1x (bei Neudiagnostizierten 2x) und nach
Bedarf / Quartal
Passiv 1 bis 4x pro Quartal
Management– Gruppe 2
Aktiv 1 - 2x und nach Bedarf/ Quartal
Passiv 4x – 6x pro Quartal
Management– Gruppe 3
Aktiv 1 - 4x und nach Bedarf/ Quartal
Passiv 4x – 12x pro Quartal
Diabetiker in besonderen
Versorgungssituationen
Aktiv 4x bzw. nach Bedarf (zusätzlich individuelle
Einheiten)
Passiv (nach ärztlichem Ermessen)
[Quelle: Eigene Darstellung]
Der Diabetes- Koordinator kann weitere Disease Management Komponenten einsetzen, wie z.B.
•
Leitlinien zur Unterstützung der Therapie und des Selbstmanagements
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
•
Seite 223
Remindersysteme zur Erinnerung an Screeninguntersuchungen, Schulungsinhalte u.a.
•
Informationssysteme zur Unterstützung von Compliance und Konsolidierung von
Schulungsinhalten
Individueller Behandlungsplan
Der Individuelle Behandlungsplan fördert das Empowerment des Patienten. Sein Mitspracherecht und das medizinische Fachwissen des Hausarztes und weiterer Fachdisziplinen ermöglichen einen Behandlungsplan, der medizinisch auf die Notwendigkeiten der klinischen Befunde ausgerichtet und auf die psychosozialen Belange des
Patienten abgestimmt ist. Gemeinsam werden die Ziele definiert: Vermeidung von
Hyper- bzw. Hypoglykämien mit ihren spezifischen symptomatischen Erscheinungsbildern (Abbildung 8, mittlere Spalte). Die tatsächlich eingetretenen Ereignisse
(Abbildung 8, rechte Spalte) werden dokumentiert und lassen sich mit den Zielen
vergleichen. Nach geraumer Zeit lassen sich so Verläufe nachweisen.
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
Probleme
Diabetes Mellitus
oder mögliche
Ziele
Behandlung der
Symptome und
Anzeichen von Diabetes
Mellitus
Seite 224
Interventionen
Beurteilung /
Aufzeichnung /
Angaben für den
behandelnden Arzt
Komplikationen
•
Hypoglykämie
•
Hyperglykämie
Hyperglykämie
[ ] Appetitlosigkeit
•
und/oder falsche
[ ] Übelkeit
Hyperglykämie
[ ] Appetitlosigkeit
Ernährung
[ ] errötete, trockene,
[ ] Übelkeit
•
und/oder
spannende
Hautprobleme
Haut
(besonders an Beinen [ ] Polydypsie, Polyurie
[ ] häufiges Erbrechen
und Füßen)
•
und/oder Sehstörung [ ] Gewichtsreduzierung
Hypoglykämie
[ ] Verwirrter
Geisteszustand
[ ] Diaphorese
[ ] errötete, trockene,
spannende
Haut
[ ] Polydypsie, Polyurie
[ ] häufiges Erbrechen
[ ] Gewichtsreduzierung
Hypoglykämie
[ ] Verwirrter
Geisteszustand
[ ] Schwindel
[ ] Diaphorese
[ ] Kopfschmerzen
[ ] Schwindel
[ ] Hunger
[ ] Kopfschmerzen
[ ] Reizbarkeit
[ ] Hunger
[ ] Blässe
[ ] Reizbarkeit
[ ] erhöhter Puls
[ ] Blässe
[ ] flache Atmung
[ ] erhöhter Puls
[ ] innere Unruhe
[ ] flache Atmung
[ ] Apathie
[ ] innere Unruhe
[ ] verschwommenes
[ ] Apathie
Sehvermögen
[ ] körperliche Schwäche
[ ] verschwommenes
Sehvermögen
Abbildung 8: Interdisziplinärer Patiententherapieplan für Diabetes Mellitus
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Die Handlungsschemata (Tabelle 9; Tabelle 10; Tabelle 11) sollen für die individuelle
Patientenbehandlung als Leitpfaden dienen:
•
Absprache von Kurz- und Langzeitzielen
•
Absprache über weitere Hilfen, Verlaufskontrollen und Besprechung des bisherigen Verlaufs
Disease Management in Deutschland - Diabetes Mellitus
•
Seite 225
Individuelle Ernährungsberatung, Anleitung zu einer gesunden Lebensweise
(Sport, Nikotinverzicht, mäßiger Alkoholgenuss und andere) und zum Medikamentenmanagement (Insulin, orale Antidiabetika, Antihypertensiva, Lipidsenker,
Acetylsalicylsäure, Glukagon und weitere Medikamente)
•
Besprechung, wann der Arzt bzw. andere medizinische Berufsgruppen aufgesucht werden sollen, falls der Patient ein Problem nicht selber lösen kann oder
eine Akutproblematik dies erfordert
•
Aufklärung über Kontrazeptiva und die Notwendigkeit der optimalen Stoffwechseleinstellung vor der Konzeption und während der Schwangerschaft, Kriterien
der optimalen Stoffwechseleinstellung in der Schwangerschaft
•
Reminder im Zeitintervall wie aus Behandlungsschemata ersichtlich
Folgende weiteren Disease Management Komponenten können zur Umsetzung eines individuellen Behandlungsplans eingesetzt werden:
•
(Patienten-) Leitlinie zur Unterstützung des Selbstmanagements und zum Verständnis von Therapiemaßnahmen und ihrer Bedeutung im Gesamttherapiekonzept
•
Informationssysteme zur weitergehenden Information über Untersuchungsmaßnahmen und ihre Bedeutung, entsprechend der Patienteninformation (Tabelle 12;
Tabelle 13)
•
Reminder können Arzt und Patient an Untersuchungstermine, Schulungstermine
und Schulungsinhalte erinnern.
•
Diabeteskoordinator: Er kann auf vielfältige Art und Weise eingesetzt werden und
insbesondere die Betreuung des Patienten im Alltag verbessern. Beispielsweise
können Blutzucker- und Blutdruckwerte abgefragt werden und Abweichungsanalysen durchgeführt werden. Werden definierte Schnittstellenwerte erreicht, so wird
die Kontaktierung eines Arztes empfohlen.
•
Schulungen ergänzen den individuellen Behandlungsplan, indem sie Inhalte der
Therapie erläutern und Selbstmanagementtechniken einüben.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 226
Tabelle 9: Diabetes Typ II – Handlungsschema für die stationäre Behandlung
Erste Visite
Erste Woche
Zweite Visite
2. – 3. Woche
Dritte Visite
5. – 6. Woche
Vierte Visite
3 Monate
Vitalwerte, Gewicht, Blutdruck
Hautuntersuchung
Überprüfung der Tagebucheinträge der vergangenen zwei
Wochen
heimisches Glukosemonitoring
überprüfen
Urinprobe (Albumin/ Kreatinin)
Schilddrüsenwerte
Lipidprofil
Weiterführende Diätschulung
und Hilfe in der Nahrungsmittelwahl
Nachbearbeitung der Themen
der ersten Schulung
Vitalwerte, Gewicht, Blutdruck
Hautuntersuchung
Überprüfung der Tagebucheinträge der vergangenen Wochen
Vitalwerte, Gewicht, Blutdruck
Hautuntersuchung
Überprüfung der Tagebucheinträge der vergangenen Wochen
heimisches Glukosemonitoring
überprüfen
Urinprobe (Albumin/ Kreatinin)
Schilddrüsenwerte
Lipidprofil
Dem Patienten die Fuß- und
Hautpflege näherbringen
Mit dem Patienten einen Bewegungsplan erarbeiten
Nachbearbeitung der Themen
der ersten Schulung
HbA 1c
Blutzuckerwerte
Urinprobe (Albumin/ Kreatinin)
Schilddrüsenwerte
Lipidprofil
Dem Patienten die Konsequenzen des Rauchens und Alkoholgenusses darlegen
Den Patienten auf die Notwendigkeit der regelmäßigen augenärztlichen Kontrolle hinweisen
Glykagonspritze – Nebenwirkungen und Medikamentenwechselwirkungen besprechen
nicht diabetes-bezogene Medikamente, die Zucker enthalten
Glykagonspritze – Nebenwirkungen und Medikamentenwechselwirkungen besprechen
nicht diabetes-bezogene Medikamente, die Zucker enthalten
Glykagonspritze – Nebenwirkungen und Medikamentenwechsel-wirkungen besprechen
nicht diabetes-bezogene Medikamente, die Zucker enthalten
Ophthalmologe, Fußspezialist
Endokrinologe, Neurologe
Datum
Anamnese, Vitalwerte, Gewicht
Hautuntersuchung
Diagnostik und AnamDiätplan
nese
Familiäre Unterstützung
Finanzielle Mittel
Heimisches Glukosemonitoring
überprüfen
Labordiagnostik und
Urinprobe (Albumin/ Kreatinin)
Behandlung
Schilddrüsenwerte
Lipidprofil
Patienten helfen, seine Diagnose zu akzeptieren
Patienten die Bedeutung von
Diät, Bewegung, Medikation
und Glukosemonitoring erkläPatientenschulung und ren
Patienten Kenntnisse über die
Behandlung
Warnzeichen einer Hypoglykämie vermitteln
Patienten die Behandlung einer
Hypoglykämie mit zuckerhaltigen Nahrungsmitteln erläutern
Glykagonspritze – Nebenwirkungen und Medikamentenwechselwirkungen besprechen
Medikation
nicht diabetes-bezogene Medikamente, die Zucker enthalten
Konsil
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 227
Blutzuckerwert unauffällig
Blutzuckerwert unauffällig
Minimale Anzeichen und Symptome einer Hypoglykämie
Blutzuckerwert unauffällig
Das Gewicht nähert sich dem
Normwert
HbA 1c unauffällig
Ergebnisse der Patientenschulung
Der Patient kennt die korrekte
Definition der Diagnose sowie
die Anzeichen und Symptome
einer Hypoglykämie
Der Patient kennt die Dosierung der Medikament sowie
deren Nebenwirkungen
Der Patient regelt seinen Diätplan selbständig, beginnt mit
dem Bewegungsprogramm und
kann mit milden Anfällen von
Hypoglykämie umgehen
Der Patient und wichtige Personen aus dem Umfeld zeigen
das notwendige Verständnis für
die Krankheit
Psychosoziale Ergebnisse
Der Patient versteht die Zusammenhänge zwischen Veränderungen im Diätplan, Veränderungen des Bewegungsprogramms sowie dem Gewicht
Physiologische Ergebnisse
Ergebnisse der Medikation
Kommentare
Der Patient und die Familie
haben die nötige Sicherheit in
der Wahl und Zubereitung der
Nahrung
Der Patient geht seinem gewohnten Leben mit geringst
möglichen Veränderungen
nach
Der Patient akzeptiert die DoDer Patient akzeptiert die DoDer Patient akzeptiert die DoPatient erkennt vor dem nächssierung sowie die Nebeneffekte sierung sowie die Nebeneffekte sierung sowie die Nebeneffekte ten Arztbesuch, ob ein neues
der verschriebenen OAD
Medikament notwendig ist
der verschriebenen orale Anti- der verschriebenen OAD
diabetika (OAD)
Patient kennt ggf. die fachgePatient kennt ggf. die fachgerechte Lagerung der Medikarechte Lagerung der Medikamente
mente
Der Patient sollte daran erinnert werden,
sich für den Notfall zu rüsten
vor dem Sport eine erhöhte
Menge an Kalorien zu sich zu
nehmen
Der Patient versteht die Zusammenhänge zwischen Veränderungen im Diätplan, Veränderungen des Bewegungsprogramms und dem Gewicht
Der Patient steigert sein Wissen über die notwendigen Veränderungen der Lebensgewohnheiten mit Hilfe von Literatur, Seminaren und Selbsthilfegruppen
Hat der Patient die notwendigen Kenntnisse zur Fußpflege
(Vermeidung von Hornhaut und
Infektionen)
Initialen/Datum
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 228
Tabelle 10: Diabetes Typ II – Handlungsschema für die ambulante Versorgung
Initialkonsultation
Zweite
Konsultation
Nach 1 Monat
Dritte
Konsultation
nach 3 Monaten
Vierte
Konsultation
nach 6 Monate
Fünfte
Konsultation
Nach 9 Monate
Hautstatus
Herz- und Lungenstatus
Pulskontrolle
Gewicht
Blutdruck
Säure-Basen-Status
Einschätzung einer
möglichen Hypo/Hyperglykämie
Fußstatus
Blutzucker
Hautstatus
Herz- und Lungenstatus
Pulskontrolle
Gewicht
Blutdruck
Säure-Basen-Status
Einschätzung einer
möglichen Hypo/Hyperglykämie
Fußstatus
Blutzucker
HbA 1c
Lipidprofil
MicroalbuminurieScreening
Schilddüsenwerte
Hautstatus
Herz- und Lungenstatus
Pulskontrolle
Gewicht
Blutdruck
Säure-Basen-Status
Einschätzung einer
möglichen Hypo/Hyperglykämie
Fußstatus
Blutzucker
HbA 1c
Lipidprofil
MicroalbuminurieScreening
Schilddüsenwerte
Hautstatus
Herz- und Lungenstatus
Pulskontrolle
Gewicht
Blutdruck
Säure-Basen-Status
Einschätzung einer
möglichen Hypo/Hyperglykämie
Fußstatus
Blutzucker
HbA 1c
Lipidprofil
MicroalbuminurieScreening
Schilddüsenwerte
Entwicklung eines
Behandlungsplans
Anleitung zur eigenständigen Blutzuckerbestimmung
Verhalten bei niedrigem Blutzuckerspiegel
Intensität der Blutzuckerkontrollen
Evtl. Überarbeitung
des Behandlungsplans sowie Besprechung der Therapie
Evtl. Nachbesprechung der Schulungsinhalte
Analyse der vom
Patienten gemessenen Blutzuckerwerte
Evtl. Überarbeitung
des Behandlungsplans sowie Besprechung der Therapie
Evtl. Nachbesprechung der Schulungsinhalte
Evtl. Überarbeitung
des Behandlungsplans sowie Besprechung der Therapie
Evtl. Nachbesprechung der Schulungsinhalte
Jährliche Konsultation
Datum
Anamneseerhebung
Komplette körperliche
Untersuchung/ Statuserhebung:
Gewicht, Körpergröße
Anamnese
Puls, Blutdruck
Säure-Basen-Status
Augenärztliche Untersuchung
Fußstatus
HbA 1c
Blutzucker
Lipidprofil
MicroalbuminurieLabordiagnostik
Screening
und Behandlung
Großes Blutbild
SchilddüsenFunktionstest
EKG
Bedeutung von Diät
und Bewegung
Fußpflege
Pathophysiologie des
Diabetes
PatientenschuMögliche Langzeitlung und Beratung Komplikationen
Häusliche Glukosebestimmung
Ernährungsberatung
Anamneseerhebung
Komplette körperliche
Untersuchung / Statuserhebung:
Gewicht, Körpergröße
Puls, Blutdruck
Säure-Basen-Status
augenärztliche Untersuchung
Fußstatus
HbA 1c
Blutzucker
Lipidprofil
Microalbuminuriescreening
Großes Blutbild
Schilddüsenfunktionstest
EKG
Evtl. Überarbeitung
des Behandlungsplans sowie Besprechung der Therapie
Evtl. Nachbesprechung der Schulungsinhalte
Überprüfung der
Selbstkontrolltechniken
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Evtl. Modifikation der
Therapie an veränderte Blutzuckerwerte
des Patienten, unter
Berücksichtigung des
von ihm geführten
Blutzuckertagebuchs
Evtl. Modifikation der
Therapie an veränderte Blutzuckerwerte
des Patienten, unter
Berücksichtigung des
von ihm geführten
Blutzuckertagebuchs
Evtl. Modifikation der
Therapie an veränderte Blutzuckerwerte
des Patienten, unter
Berücksichtigung des
von ihm geführten
Blutzuckertagebuchs
Diabetologe beim
Diabetologe, wenn
der Blutzuckerspiegel Auftreten von Komplikationen
≥ 400
Verzicht auf Nikotinkonsum
Teilnahme an einer
Selbsthilfegruppe
Diabetologe beim
Auftreten von Komplikationen
Diabetologe beim
Auftreten von Komplikationen
Keine Symptomatik
Keine Symptomatik
Blutzuckerkontrolle
Keine Symptomatik
Blutzuckerkontrolle
Keine Symptomatik
Blutzuckerkontrolle
Diabetologe
Bei Bedarf:
Ophthalmologe
Podologe
Neurologe
Zahnarzt
Bei Frauen: Gynäkologe
Keine Symptomatik
Blutzuckerkontrolle
Patient erweitert sein
Wissen und Verständnis über Krankheit, Kontrolle und
Behandlung
Patient vollzieht notwendige Änderungen
der Lebensgewohnheiten
Akzeptanz stiegt, mit
einer chronischen
Krankheit zu leben
Patient wird in die
Therapie und den
Behandlungsplan der
Krankheit einbezogen
Positive Änderung
der Lebensgewohnheiten
Patient führt die Therapie nahezu eigenständig – zusätzliche
Kontrolle durch den
behandelnden Arzt
Patient führt die Therapie nahezu eigenständig – zusätzliche
Kontrolle durch den
behandelnden Arz
Patient führt die Therapie nahezu eigenständig – zusätzliche
Kontrolle durch den
behandelnden Arz
Initiation einer oralen
Pharmakotherapie,
sofern der Diabetes
durch Diät nicht mehr
adäquat behandelbar
ist
Medikation
Diätkoordinator
Physiologische
Ergebnisse
Psychosoziale
Ergebnisse
Seite 229
Ernährungsberater
Bei Bedarf:
Ophthalmologe
Podologe
Neurologe
Zahnarzt
Bei Frauen: Gynäkologe
Minimale/ Keine
Symptome einer Hypoglykämie
Erhöhter Blutzuckerwert
Basiswissen über die
Krankheit und deren
Behandlung ist vorhanden
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Patient kennt die
Zeichen und Symptome von Hyperund Hypoglykämie
Patient ist in der Lage, eine optimale
Fußpflege durchzuführen
Folgen der Patientenschulung
Ergebnisse der
Medikation
Kommentare
Patient demonstriert
das fachgerechte
Handling des Blutzuckermessgeräts
Patient ist über die
notwendige Intensität
der Blutzuckerkontrollen informiert
Seite 230
Sicherer Umgang mit
Hypoglykämie
Patient ernährt sich
richtig
Patient weiß, wann
medizinische Hilfe
aufzusuchen ist
Patient versteht, dass
Bewegung die Diabeteskontrolle erleichtert
Patient hat grundlegende Kenntnisse
über die Symptomatik
und Anzeichen einer
Hyper- und Hypoglykämie
Patient zeigt sicheren
Umgang mit einer
Hypoglykämie
Patient ist auf der
Basis seines Behandlungsplans in der
Lage, sowohl niedrige Blutzuckerwerte
zu regeln als auch
seinen Diätplan
Patient kann mit Abweichungen vom
Diätplan, z.B. bei
einem Restaurantbesuch, umgehen
Patient ist in der Lage, den Behandlungsplan selbständig
zu modifizieren
Patient zeigt sowohl
für die Krankheit als
auch für die Behandlung Verständnis
Patient ist in der Lage, mit seinem Wissen ein adäquates
Selbstmanagement
der Erkrankung
durchzuführen
Evtl. den Gebrauch
von OAD anregen
Überprüfung der Medikamente
Evtl. Änderung der
Therapie
Überprüfung der Medikamente
Evtl. Änderung der
Therapie
Überprüfung der Medikamente
Evtl. Änderung der
Therapie
Falls sich die orale
Medikation als unzulänglich erweist, sollte eine Insulintherapie in Erwägung gezogen werden
Ein solcher Krankheitsverlauf würde
eine Patientenschulung über eine Insulinbehandlung nach
sich ziehen
Alle 3 – 6 Monate
sind regelmäßige
Nachuntersuchungen
notwendig
Initialen/ Datum
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 231
Tabelle 11: Diabetes Typ II – Handlungsschema an einem konkreten Beispiel
Initialkonsultation
Zweite Konsultation
Nach 3 Tagen
Dritte Konsultation
Nach 1 Woche
Vierte Konsultation
nach 3 Wochen
Monatliche Konsultation
Abhören von Herz und
Lunge
Puls messen
Untersuchung der Füße
Entsprechend der Erstuntersuchung verfahren
Gewicht
Nüchternblutzucker (Glukometer)
großes Blutbild
Blutdruck
Schilddrüsenwerte
HbA 1c (alle 3 Monate)
Nüchternfette
Harnstatus
EKG (danach jährlich)
Kontrolle des Blutzuckertagebuchs bei jedem
Besuch
Besprechung über die
Kontrolle der Krankheitstage
Datum
Anamnese
Labordiagnostik
Patientenschulung
Gewicht und Körpergröße
sowie Puls messen
Untersuchung der Haut,
Füße, Augen
Untersuchung des Herzens
neurologische Untersuchung
Psychosoziale Einschätzung
Abtasten der Schilddrüse
Abhören der Lunge
großes Blutbild
Blutdruck
Nüchternblutzucker
Schilddrüsenwerte
HbA 1c
Nüchternfette
Harnstatus
Mit dem Patienten sollten
Anzeichen und Symptome einer Hypo- und Hyperglykämie
mögliche Langzeitkomplikationen; Diät
Bewegungsplan
Evtl. Gabe von OAD
Inzidenz
Fettleibigkeit
besprochen werden
Gewicht
Blutdruck
Nüchternblutzucker (Glukometer)
EKG
Gewicht
Blutdruck
Nüchternblutzucker (Glukometer)
Gewicht
Blutdruck
Nüchternblutzucker (Glukometer)
Mit dem Patienten sollten
die Resultate der Laboruntersuchung
Normwerte des Blutzuckers
mögliche Nebenwirkungen der OAD
besprochen werden
Auffrischen der Kenntnisse, die der Patient durch
den Ernährungsberater
erhalten hat
Aushändigen des Diabetikerpasses
Mit dem Patienten sollte
Rücksprache bezüglich
Diät
Fußpflege
Blutzucker- Monitoring
Gehalten werden
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Medikation / Behandlung
Abwarten der Testergebnisse
Diätplan und BeweFalls nötig, Korrektur des
gungsprogramm einleiten, Behandlungsplans
falls nötig mit zusätzlicher
Gabe von OAD
Falls nötig, Korrektur des
Behandlungsplans
Ernährungsberater
Ophthalmologen
Fußspezialist
Zahnklinik
Kontakt mit einer Therapiegruppe vermitteln
P. klagt über Beschwerden von Polyurie, Polydypsie, Polyphagie und
Erschöpfung
Nüchternblutzucker = 162
mg/dL (Laborwert des
vorherigen Besuchs =
179 mg/dL)
Harnstatus = 100 mg/dL
Glukose
restlichen Laborwerte
unauffällig
P. klagt über gelegentliche Beschwerden von
Polyurie und Polydypsie
Nüchternblutzucker = 132
mg/dL
Blutdruck unauffällig
P. bestreitet Beschwerden von Polyurie, Polydypsie oder Erschöpfung
Nüchternblutzucker = 109
mg/dL
Blutdruck unauffällig
Gewicht um 2 kg reduziert
P. bestreitet Beschwerden von Polyurie, Polydypsie oder Erschöpfung
Nüchternblutzucker = 129
mg/dL
Blutdruck unauffällig
Patient reduziert sein
Gewicht weiterhin
Der Patient beginnt die
Therapie in seinen Alltag
mit einzubeziehen
Der Patient führt die Therapie nahezu eigenständig durch – zusätzliche
Rücksprachen mit dem
Arzt
Diätkoordinator
Physiologische Ergebnisse
Psychosoziale Ergebnisse
Patient leicht übergewichtig
P. klagt über Beschwerden von Polyurie, Polydypsie, Polyphagie und
Erschöpfung
Unauffällig sind
augenärztlicher Befund
Schilddrüse
Lunge
und 2. Herzton
Füße
Blutdruck
tiefe Sehnenreflexe
Puls ist an allen Extremitäten tastbar
Glukometer: 200 mg/dl
nach 2 Stunden
postprandial
Seite 232
Der Patient zeigt Verständnis für die Krankheit
und das Leben mit der
Krankheit Diabetes
Falls nötig, Korrektur des
Behandlungsplans
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Ergebnisse der Patientenschulung
Ergebnisse der Medikation
Der Patient ist in der Lage
Anzeichen und Symptome von Hypo- und Hyperglykämie
mögliche Langzeitkomplikationen der Krankheit
Bedeutung der Diät
Bedeutung der Gewichtsreduzierung
zu verbalisieren.
Therapie mit Hilfe von
Diät und Bewegung - falls
nötig, durch Gabe von
OAD unterstützen
Seite 233
Der Patient weiß über die
Normwerte des Blutzuckers Bescheid
Der Patient hat die Bedeutung der kontinuierlichen Diät und der Gewichtsreduzierung erkannt
Der Patient hat mit einem
leichten Bewegungsprogramm begonnen
Der Patient äußert den
Wunsch zum Selbstmanagement der Krankheit –
einhergehend mit einem
zunehmendem Wissen
über die Behandlung von
Diabetes
Der Patient gewinnt fortwährend neue Kenntnisse
über die Behandlung
Der Patient misst den
Blutzuckerspiegel sowohl
im Nüchternstatus als
auch zwei Stunden nach
der täglichen Hauptmahlzeit
Therapie mit Hilfe von
Diät und Bewegung - falls
nötig, durch Gabe von
OAD unterstützen
Therapie mit Hilfe von
Diät und Bewegung - falls
nötig, durch Gabe von
OAD unterstützen
Therapie mit Hilfe von
Diät und Bewegung - falls
nötig, durch Gabe von
OAD unterstützen
Therapie mit Hilfe von
Diät und Bewegung - falls
nötig, durch Gabe von
OAD unterstützen
Kommentare
Initialen / Datum
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 234
Tabelle 12: Patienteninformation für Neudiagnostizierte Diabetiker Typ II durch Symptomatik
Initialkonsultation
Zweite Konsultation
Nach 3 Tagen
Dritte Konsultation
Nach 1 Woche
Vierte Konsultation
nach 3 Wochen
Monatliche Konsultation
Ihr Arzt wird Ihre Lunge
und Ihr Herz abhören,
Ihren Puls abtasten und
Ihre Füße untersuchen.
Jeden Monat wird Ihr Arzt
eine vollständige körperliche Untersuchung vornehmen.
Datum
Anamnese
Ihr Arzt wird eine vollständige körperliche Untersuchung machen
Mittels Blut- und Urinprobe wird Ihr Blutzucker
kontrolliert – das muss
nüchtern geschehen
Auch zu diesem Arztbesuch sollten Sie nüchtern
erscheinen
Ihr Blutzuckerspiegel wird
kontrolliert
Mittels eines EKG wird Ihr
Herz überprüft
Sie sollten vor dem Arzt- Der vierte Besuch entspricht dem dritten.
besuch nichts essen, es
sei denn, Sie müssen
Medikamente einnehmen
Eine Blutprobe wird entnommen
Der Arzt wird prüfen, wie
gut Ihr Behandlungsplan
auf Sie abgestimmt ist
und wird eventuell Veränderungen vornehmen
Sie besprechen mit Ihrem
Arzt die Symptome von
Diabetes.
Sie klären, ob es ähnliche
Erkrankungen in Ihrer
Familie gibt und ob Übergewicht beim Ausbruch
der Krankheit mitgewirkt
hat.
Ihr Arzt wird mit Ihnen die
Testergebnisse besprechen
Bei hohen Blutzuckerwerten erhalten Sie einen
Diabetes-Pass, den Sie
immer bei sich tragen
sollten.
Ihr Arzt wird mit Ihnen
über Ihr Gespräch mit
dem Ernährungsberater
reden.
Ihr Arzt wird Sie auch
über die Notwendigkeit
eines Bewegungsprogramms informieren.
Labordiagnostik und
Behandlung
Patientenschulung
Ihr Arzt wird mit Ihnen
über die Bedeutung der
regelmäßigen Blutzuckerkontrollen zu Hause sprechen und Ihnen erklären,
wo Sie ein Blutzuckermessgerät erhalten können
Jeden Monat wird Ihnen
eine Blutprobe entnommen
Denken Sie daran, Ihre
Medikamente einzunehmen
Alle drei Monate wird ein
großes Blutbild erstellt
Einmal jährlich wird eine
Blut- und Urinprobe genommen und ein EKG
gemacht
Ihr Arzt wird mit Ihnen Ihr
Blutzuckertagebuch kontrollieren
Ihr Arzt wird mit Ihnen
besprechen, wie Sie sich
an Krankheitstagen verhalten sollen
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Medikation
Wenn Sie einen hohen
Blutzuckerwert haben,
wird Ihr Arzt Ihnen ein
Rezept für ein Medikament aufschreiben.
Zusätzlich wird er Ihnen
die möglichen Nebenwirkungen dieses Medikaments erklären
Sie werden an einen Ernährungsberater überwiesen – dort besprechen
Sie, welche Nahrungsmittel Sie essen dürfen und
welche Sie vermeiden
sollten
Ihr Arzt wird prüfen, ob
die Dosierung Ihrer Medikament weiterhin wirksam
ist.
In Abhängigkeit Ihrer
Blutzuckerwerte, wird Ihr
Arzt die Dosierung Ihrer
Medikamente anpassen.
Da Diabetes sowohl die
Augen als auch die Füße
angreifen kann, werden
Sie an einen Augenarzt
sowie einen Fußspezialisten überwiesen.
Da Diabetes die Zähne
und das Zahnfleisch angreifen kann, sollten Sie
sich einer zahnärztlichen
Untersuchung unterziehen.
Ihr Arzt nennt Ihnen Adressen und Telefonnummern der Deutschen Diabetes Gesellschaft
Diabetes-Selbsthilfegruppen könnten Ihnen
helfen
1.
1.
1.
1.
1.
2.
2.
2.
2.
2.
3.
3.
3.
3.
3.
4.
4.
4.
4.
4.
Abhängig von der Blutzuckerspiegel heute und
beim nächsten Besuch,
werden Sie mit einer Therapie von oral einzunehmenden Medikamenten
beginnen
Überweisung zu anderen Ärzten
Fragen und Notizen
Seite 235
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
In Abhängigkeit Ihrer
Blutzuckerwerte, wird Ihr
Arzt die Dosierung Ihrer
Medikamente anpassen.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 236
Tabelle 13: Patienteninformation für Neudiagnostizierte Diabetiker Typ II im Routine- Screening
Initialkonsultation
Zweite
Konsultation
Nach 1 Monat
Dritte
Konsultation
nach 3 Monaten
Vierte
Konsultation
nach 6 Monaten
Fünfte
Konsultation
nach 9 Monaten
Sechste
Konsultation
nach 1 Jahr
Es wird eine körperliche Untersuchung
durchgeführt
Ihr Blutzuckertagebuch wird kontrolliert
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Zeichen und Symptome einer Unterbzw. Überzuckerung
werden bewertet
Es wird eine körperliche Untersuchung
durchgeführt
Ihr Blutzuckertagebuch wird kontrolliert
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Zeichen und Symptome einer Unterbzw. Überzuckerung
werden bewertet
Es wird eine körperliche Untersuchung
durchgeführt
Ihr Blutzuckertagebuch wird kontrolliert
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Zeichen und Symptome einer Unterbzw. Überzuckerung
werden bewertet
Einmal pro Jahr wird
eine vollständige
körperliche Untersuchung durchgeführt
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Ein großes Blutbild
wird erstellt
Sie müssen Ihren
Urin abgeben
Ihre Schilddrüsenwerte werden getestet
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Ein großes Blutbild
wird erstellt
Sie müssen Ihren
Urin abgeben
Ihre Schilddrüsenwerte werden getestet
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Ein großes Blutbild
wird erstellt
Sie müssen Ihren
Urin abgeben
Ihre Schilddrüsenwerte werden getestet
Einmal im Jahr werden alle Ihre anfänglichen Untersuchungen wiederholt
Datum
Anamnese
Labordiagnostik und
Behandlung
Es wird eine vollständige körperliche
Untersuchung
durchgeführt und
dabei besonders auf
Haut, Augen, Schilddrüse, Herz, Lunge,
Puls und Füße geachtet
Gewicht, Größe,
Blutdruck, Puls und
Atemfrequenz werden gemessen
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Es wird in einer Untersuchung besonders auf Haut, Augen, Schilddrüse,
Herz, Lunge, Puls
und Füße geachtet
Ihr Blutzuckerwert
wird bestimmt
Ihr Blutzuckerwert
Ein paar Blut- und
Urintests sollen hel- wird bestimmt
fen, die Grundlage
für einen Behandlungsplan zu erstellen
Ihre Schilddrüsenwerte werden getestet
Sie erhalten ein EKG
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Patientenschulung
Medikation
Ein Ernährungsberater wird Ihnen einen
Diätplan erstellen
Sie bekommen erklärt, wie Sie mittels
der Medikamente
und Diät/Bewegung
Ihren Diabetes kontrollieren können
Sie werden lernen,
einen niedrigen Blutzuckerwert zu erkennen und zu behandeln
Sie werden die Symptome und Anzeichen einer Überzuckerung kennenlernen
Sie bekommen die
Krankheit samt möglichen Komplikationen nähergebracht
Es wird Ihnen Ihr
Blutzuckermessgerät
und die Führung
eines Blutzuckertagebuchs erklärt
Nachdem Ihr Behandlungsplan erstellt wurde, erhalten
Sie Ihre Medikamente und die notwendige Dosierung
Es werden Ihnen
Möglichkeiten zur
Blutzuckerkontrolle
aufgezeigt
Seite 237
Auf der Basis der
körperlichen Untersuchung, Ihrer Blutzuckerwerte sowie
Ihres Tagebuchs,
wird Ihr Behandlungsplan durchgeschaut und eventuell
verändert.
Sie besprechen mit
Ihrem Arzt den Therapieverlauf
Sie werden lernen,
wann Sie medizinische Hilfe aufsuchen
müssen
Sie werden bei Bedarf die Schulungsinhalte der vergangenen Arztbesuche
nacharbeiten
Auf der Basis der
körperlichen Untersuchung und Ihres
Tagebuchs, wird Ihr
Behandlungsplan
durchgeschaut und
eventuell verändert
Sie besprechen mit
Ihrem Arzt den Therapieverlauf
Sie werden bei Bedarf die Schulungsinhalte der vergangenen Arztbesuche
nacharbeiten
Auf der Basis der
körperlichen Untersuchung und Ihres
Tagebuchs, wird Ihr
Behandlungsplan
durchgeschaut und
eventuell verändert
Sie besprechen mit
Ihrem Arzt den Therapieverlauf
Sie werden bei Bedarf die Schulungsinhalte der vergangenen Arztbesuche
nacharbeiten
Auf der Basis der
körperlichen Untersuchung und Ihres
Tagebuchs, wird Ihr
Behandlungsplan
durchgeschaut und
eventuell verändert
Sie besprechen mit
Ihrem Arzt den Therapieverlauf
Sie werden bei Bedarf die Schulungsinhalte der vergangenen Arztbesuche
nacharbeiten
Ihr Arzt wird Ihre
Selbstkontrolltechniken überprüfen
Eine Patienten mit
Diabetes mellitus
produzieren körpereigenes Insulin – die
orale Medikation
arbeitet mit dem
körpereigenen Insulin oder mit der Produktion und Verwertung des Zuckers
Sie erhalten Ihre
Medikation in Abhängigkeit von Ihrem
Behandlungsplan
Sie erhalten Ihre
Medikation in Abhängigkeit von Ihrem
Behandlungsplan
Sie erhalten Ihre
Medikation in Abhängigkeit von Ihrem
Behandlungsplan
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Überweisungen zu
weiteren Ärzten
Mit einem Ernährungsberater stellen
Sie Ihren Diätplan
auf
Bei Bedarf werden
an folgende Spezialisten überwiesen:
Augenarzt, Fußspezialist, Neurologe,
Zahnarzt, bei Frauen: Gynäkologe
Treiben Sie drei mal
die Woche für 30 min
Sport und es wird
Ihnen bei der Blutzuckerregulation helfen
Falls Sie Raucher
sind, wird Ihnen geholfen, das Rauchen
zu beenden
Falls diabetesbedingte Komplikationen
auftreten, werden Sie
an einen Spezialisten
überwiesen
Seite 238
Vielleicht haben Sie
das Bedürfnis, mit
anderen Betroffenen
zu sprechen und
wollen eine Selbsthilfegruppe aufsuchen
Sie sollten mit Ihrem
Falls Sie Schmerzen Sie sollten nun fünf
Sport- und Ernähmal die Wochen für
in den Extremitäten
30 min Sport treiben rungsplan fortfahren
haben, sollten Sie
Ihre Aktivitäten redu- Sie sollten auf gutes
Schuhwerk und
zieren
Aktivitäten
Socken achten
Falls nötig, sollten
Sie Ihren Diätplan
auf Ihre Aktivitäten
abstimmen
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen, 1999]
Bei Fragen an den
Ernährungsberater
wird ein weiterer
Beratungstermin
arrangiert
Sie sollten mit Ihrem
Sport- und Ernährungsplan fortfahren
Einmal jährlich sollten Sie sich einer
augenärztlichen Untersuchung unterziehen
Zusätzlich ist ein
Besuch beim Fußspezialist, Neurologe, Zahnarzt, bei
Frauen: Gynäkologe
erforderlich
Sie sollten mit Ihrem
Sport- und Ernährungsplan fortfahren
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 239
Evidenzbasierte Leitlinien
Von den evidenzbasierten Leitlinien existieren idealerweise drei Versionen: Expertenversion, Anwenderversion und Patientenversion.
Die Expertenversion dient dem Aufbau eines Disease Management Programms als
Rahmenstruktur und unterstützt in spezifischen Fragestellungen gegebenenfalls Disease Management Zirkel. Die Anwenderversion ist eine abgespeckte, für den medizinischen Alltag leicht implementierbare Version, die überwiegend Algorithmen enthält. Die Patientenversion ist inhaltlich eine aus der Experten- und Anwenderversion
zusammengeführte Darstellung in einer leicht verständlichen Sprache.
Folgende weiteren Disease Management Komponenten können zur Implementierung
unterstützend eingesetzt werden:
•
Informationssysteme, wie z.B. regelmäßige Rundbriefe, die bekannte Inhalte auffrischen oder an Hand von Beispielen erklären; Online- Informationssysteme und
bei Veränderungen des klinischen Zustandes gezieltes Informationsmaterial nach
Risikostratifizierung; Beispielhaft sind in Tabelle 14 und Tabelle 15 dargestellt,
welche Vorsichtsmaßnahmen der Patient gegen Komplikationen ergreifen kann.
•
Reminder können z.B. an die Inhalte des Selbstvertrags erinnern oder
selbstgesteckte Ziele nach Zeitplan abfragen.
•
Diabeteskoordinator. Er kann zur Implementierung von Leitlinien beitragen indem
er Informationsmaterial und Reminder gezielt einsetzt.
•
Schulung können durch die Verwendung von Arbeitsblättern für Patienten, einen
Patientenselbstvertrag und die Einbindung von Familienangehörigen zur Implementierung von Leitlinienempfehlungen beitragen.
Tabelle 14: Mögliche Komplikationen von Diabetes
Ein hoher Blutzuckerspiegel kann nicht nur die Augen schädigen, sondern auch das Herz, die Gefäße,
die Nerven, Füße und Nieren angreifen. Um das Risiko dieser Schädigungen zu minimieren, ist es
besonders wichtig, den Blutzuckerspiegel im Normbereich zu halten. Zusätzlich sollten folgende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden:
Komplikationen
Vorsichtsmaßnahmen
1. Augen (Retinopathie)
•
•
2. Nieren (Nepropathie)
Jährliche Augenkontrolle durch einen Spezialisten (Ophthalmologe)
Blutspiegel im Normbereich halten
Proteinspiegel im Urin regelmäßig kontrollieren
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 240
3. Nerven (Neuropathie)
Bei Schmerzen oder Taubheit in den Beiden,
Füßen oder Händen sofort der Arzt konsultieren
4. Fußprobleme
Tägliche Fußpflege nicht vergessen
5. Herz und Blutgefäße (Kardiopathie und Angiopathie)
•
•
•
•
•
6. Sexualprobleme
Gewicht im Normbereich halten
Weniger Fett essen, besonders fettiges
Fleisch
Auf Nikotinkonsum verzichten
Blutdruck im Normbereich halten
Bei Atembeschwerden sowie bei Schmerzen
im Nacken, in der Brust oder in den Armen
sofort den Arzt konsultieren
Männer
Bei Männern mit Diabetes können Erektionsprobleme aufgrund einer durch hohe Blutzuckerwerte
bedingte Angio- und/ oder Neuropathie auftreten.
Der Verlauf ist schleichend.
Frauen
Frauen sind weniger von sexuellen Problemen
betroffen. Ein hoher Blutzuckerwert kann vaginale
Infektionen hervorrufen. Außerdem kann es zu
einem verminderten Vaginalsekret kommen. Abhilfe schaffen hier Vaginalcremes.
Halten Sie Ihren Blutzuckerwert in dem für Sie bestimmten Zielwert !
[Quelle: Haselbeck et al., 2001]
Tabelle 15: Diabetische Neuropathie kann praktisch jeden Bereich des Körpers
betreffen
Diffuse (periphere) Neuropathie
•
•
•
•
Beine
Füße
Arme
Hände
Diffuse (autonome) Neuropathie
•
•
•
•
•
Herz
Verdauungssystem
Sexualorgane
Urogenitaltrakt
Schweißdrüsen
Fokale Neuropathie
•
•
•
•
•
•
Augen
Gesichtsmuskulatur
Gehör
Becken und Lendenbereich
Oberschenkel
Abdomen
[Quelle: Haselbeck et al., 2001]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 241
Entscheidungsunterstützung
Entscheidungsunterstützung kann im Disease Management auf vielfältige Art angeboten werden. Beispiele sind: Evidenzbasierte Leitlinien in gedruckter oder online
Version, Fortbildungen, Coaching durch Experten, Computersysteme, usw. Sogenannte Disease Management Zirkel dienen der Entscheidungsunterstützung, Qualitätssicherung und der Implementierung von Leitlinien. Die Leitung sollte einem anerkannten Meinungsführer oder Peer obliegen. Es sollten sowohl Standard- wie auch
Problemfälle besprochen werden. Pro Arzt sollten ca. 20– 30% der in Disease Management eingeschriebenen Patienten pro Quartal besprochen werden. Darüber
hinaus hat jeder Hausarzt die Gelegenheit über Entscheidungsunterstützungssysteme wie Experten- Hotlines oder Internet Anfragen an Experten zu stellen. Weitere
Möglichkeiten der Entscheidungsunterstützung wurden im Allgemeinen Teil bereits
erwähnt. Folgende weiteren Disease Management Komponenten können zusätzlich
eingesetzt werden:
•
Leitlinien in gedruckter oder Online- Version können zur Entscheidungsunterstützung für Arzt und Patient beitragen.
•
Fortbildungen für Ärzte sind ein effektives Mittel zur Entscheidungsunterstützung,
wenn dabei einige Grundregeln beachtet werden (siehe Kapitel Ärztliche Fortbildung). Sie können sich auf medizinische und organisatorische Inhalte des Disease Management Programms beziehen.
•
Informationssysteme können jederzeit und unabhängig von Dritten zur Entscheidungsunterstützung herangezogen werden. Sie erfordern keine Umstellung von
Organisations- und Betreuungskonzepten.
•
Reminder können an Leitlinienempfehlungen erinnern.
•
Protokolle zur Ergebnisauswertung können regelmäßig (Abbildung 9) bzw. jährlich (Abbildung 11) geführt werden. Beispielhaft ist diese Dokumentationsform in
Abbildung 10 und Abbildung 12 dargestellt. Als weiteres kann ein Protokoll z.B.
bei Erkrankung gesondert geführt werden (Abbildung 13).
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 242
Abbildung 9: Musterprotokoll für den Arztbesuch zu jeder Untersuchung
Hat Ihr behandelnder Arzt folgende Tests gemacht und mit Ihnen zusammen die jeweilig zu erreichenden Ziele gesetzt?
(Datum und Ergebnisse jeder Untersuchung in den unten stehenden Feldern notieren)
Untersuchungen und Ziele
Resultate
Datum
Blutzucker (mg/dL)
(nüchtern/ postprandial)
Hämoglobin A 1c:
Untersuchungsergebnis
Ziel (%)
Hämoglobin A 1:
Untersuchungsergebnis
Ziel (%)
Körpergewicht
Ziel (Kg)
Blutdruck
Ziel: ___ / ___ mm HG
Mikro-/ Makroalbuminurie
Untersuchung der Beine (Inspektion/
Puls)
Untersuchung der Füße
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Abbildung 10: Protokoll für den Arztbesuch zu jeder Untersuchung
Hat Ihr behandelnder Arzt folgende Tests gemacht und mit Ihnen zusammen die jeweilig zu erreichenden Ziele gesetzt?
(Datum und Ergebnisse jeder Untersuchung in den unten stehenden Feldern notieren)
Untersuchungen und Ziele
Resultate
Datum
1.2.00
11.6.00
28.9.00 5.1.01 3.4.01
Blutzucker (mg/dL)
(nüchtern/ postprandial)
145
118
180
105
110
9,0
8,0
8,9
8,0
8,4
7,5
---
8,2
7,5
Hämoglobin A 1c:
Untersuchungsergebnis
Ziel (%)
Hämoglobin A 1:
Untersuchungsergebnis
Ziel (%)
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Körpergewicht
Ziel (Kg)
90
85
87,5
82,5
Seite 243
86
82,5
85
82,5
82,5
80
Blutdruck
Ziel: ___ / ___ mm HG
140/90 140/86
138/84
136/82 124/80
Mikro-/ Makroalbuminurie
√
√
√
√
√
Untersuchung der Beine (Inspektion/
Puls)
√
√
√
√
√
Untersuchung der Füße
√
√
√
√
√
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Abbildung 11: Musterprotokoll für die jährlichen Untersuchungen (mind. einmal pro
Jahr durchzuführen)
Hat Ihr behandelnder Arzt folgende Tests gemacht und evtl. mit Ihnen zus. einige Ziele gesetzt?
(Datum und Ergebnisse jeder Untersuchung in den unten stehenden Feldern notieren)
Untersuchungen und Ziele
Datum und Resultate
Körperliche Untersuchung
(einschließlich Körpergröße)
Technische Untersuchungen
(z.B. Sono o.B., EKG pathol.)
Blutkreatinin (mg/dL)
Cholesterol (mg/dL)
HDL Cholesterol (mg/dL)
LDL Cholesterol (mg/dL)
Triglyceride (mg/dL)
Nikotinkonsum
Augenärztliche Untersuchung
Periphere/ Autonome Neuropathie
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 244
Abbildung 12: Protokoll für die jährlichen Untersuchungen (mind. einmal pro Jahr
durchzuführen)
Hat Ihr behandelnder Arzt folgende Tests gemacht und evtl. mit Ihnen zus. einige Ziele gesetzt?
(Datum und Ergebnisse jeder Untersuchung in den unten stehenden Feldern notieren)
Untersuchungen und Ziele
Datum und Resultate
Körperliche Untersuchung
(einschließlich Körpergröße)
2.10.98
20.10.99 1.11.00
Technische Untersuchungen
(z.B. Sono o.B., EKG pathol.)
2.10.98
Sono
o.B.
20.10.99 1.11.00
Sono
EKG
o.B..
pathol
Blutkreatinin (mg/dL)
1,0
1,2
1,1
Cholesterol (mg/dL)
190
180
175
HDL Cholesterol (mg/dL)
30
35
40
LDL Cholesterol (mg/dL)
150
140
135
Triglyceride (mg/dL)
338
300
250
Nikotinkonsum
5 Ziga2 Zigaretretten am
ten
Tag
0
Augenärztliche Untersuchung
8.11.98
1.10.99
20.10.00
Periphere/ Autonome Neuropathie
2.10.98
20.10.99 1.11.00
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Abbildung 13: Protokoll für Krankheitstage
Zeitpunkt
Fragestellung
Antwort
Jeden Tag
Gewicht ?
___________ kg
Jeden Abend
Trinkmenge ?
___________ ml
Jeden Morgen und
Jeden Abend
Temperatur ?
Morgens __________ °C
Abends __________ °C
Alle vier Stunden oder
Vor jeder Mahlzeit
Medikamentendosis ?
Zeitpunkt
____________
____________
____________
____________
____________
Dosis
___________
___________
___________
___________
___________
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 245
Alle vier Stunden oder
Vor jeder Mahlzeit
Blutzuckerwert ?
Zeitpunkt
____________
____________
____________
____________
____________
Wert
___________
___________
___________
___________
___________
Alle vier Stunden oder
Vor jedem Urinieren
Ketonwert im Urin ?
Zeitpunkt
____________
____________
____________
____________
____________
Wert
___________
___________
___________
___________
___________
Alle vier bis sechs Stunden
Atmung ?
Zeitpunkt
____________
____________
____________
____________
____________
____________
Kondition
___________
___________
___________
___________
___________
___________
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Selbsthilfe- Gruppen
Eine vermehrte Einbindung von Selbsthilfegruppen kann hinsichtlich Schulungen und
Informationsvermittlung sinnvoll sein, da Patienten von Gleichbetroffenen Informationen eher annehmen und umsetzen. Eine flächendeckende Versorgung besonders in
ländlichen Gebieten ist anzuraten. Im übrigen sind diese funktionellen Gruppen ein
wichtiger Beitrag für das öffentliche Gesundheitswesen und könnten einen bedeutenden Beitrag im System für Prävention und Rehabilitation darstellen.
Folgende weiteren Disease Management Komponenten können zusätzlich eingesetzt werden, um die Effekte der Selbsthilfegruppe zu unterstützen:
•
Schulung. Die Einbindung von Selbsthilfegruppen in Schulungskonzepte hat sich
als sehr effektiv erwiesen (siehe Kapitel Schulung).
Reminder
Die Reminder– Systeme werden in einem eigenen Kapitel abgehandelt. Sie sollten
im Disease Management Diabetes als spezifische Reminder für Ärzte und Patienten
zum Einsatz. Patienten können beispielsweise mittels telefonischen oder postalischen Remindern an Untersuchungstermine, Selbstmanagementverhalten wie Fußinspektion u. ä. erinnert werden. Für Ärzte können Reminder Therapieabweichungen,
Abweichungen des Therapieergebnisses vom Zielwert (z.B. HbA1c) oder Erinnerun-
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 246
gen an noch durchzuführende Interventionen sein. Zielwertabweichungen können
beispielsweise im patientenindividuellen Quartalsbericht aufgeführt werden. Gute
Erfahrungen bestehen auch mit dem Ausdruck einer Liste in sechs- wöchigen Intervallen, die alle Patienten, deren HbA1c nicht im Zielbereich liegt, namentlich aufführen. Am wirkungsvollsten sind Reminder, die eine aktive Reaktion des Arztes erfordern. z.B. das Wegklicken eines computergestützten Reminders oder eine schriftliche kurze Stellungnahme bei Anwendung von Second- line Medikamenten.
Folgende weitere Disease Management Komponenten können zusätzlich eingesetzt
werden, um die Effekte von Remindern zu unterstützen:
•
Diabetes- Koordinator. Er kann zur Steuerung des Remindersystems eingesetzt
werden und zusätzlich spezifische Informationen postalisch oder telefonisch anbieten (Abbildung 14).
•
Informationssysteme können zur Erklärung von Untersuchungen und ihrer Bedeutung im Therapiekonzept die Compliance mit den Remindern unterstützen.
•
Fragebögen des Patienten an den Arzt, können die evidenzbasierten Therapieinhalte unterstützen (Abbildung 15).
Abbildung 14: Untersuchungen, die mindestens einmal pro Jahr wahrgenommen
werden sollten
Grippeimpfung (Oktober bis Mitte November)
Pneumokokken-Impfung (falls noch keine Impfung vorliegt)
Komplette körperliche Untersuchung
Technische Untersuchung (z.B. Sono, EKG)
augenärztliche Untersuchung
Untersuchung bei einem Fußspezialisten (inklusive Kontrolle der Zirkulation und Nerven)
Untersuchung der Nieren
Albumintest (Urintest)
Messung des Blutkreatinin
24h-Urintest (bei Anordnung durch den behandelnden Arzt)
Untersuchung der Blutfette
Cholesterin
HDL = High-density Lipoprotein
LDL = Low-density Lipoprotein
Triglyceride
zahnärztliche Untersuchung (mindestens zwei mal pro Jahr)
Besprechung mit dem behandelnden Arzt über
den Zustand bei niedrigen Blutzuckerspiegel
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 247
die Behandlung von hohen Blutzuckerwerten
den Gebrauch von Tabak (Zigaretten, Zigarren, Pfeifen, Schnupftabak)
den emotionalen Umgang mit der Krankheit Diabetes
Bei Frauen im gebärfähigen Alter: Schwangerschaftsplanung
Sonstiges
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Abbildung 15: Fragebogen
Fragen, die Sie Ihrem Arzt über die Blutzuckerkontrolle stellen sollten
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Diabetes-Patienten, die ihren Blutzuckerspiegel so nahe wie
möglich am Normwert aufrechterhalten, die Risiken für Schäden an Augen, Nieren und Nerven reduzieren können.
Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt, wie Sie Ihre Blutzuckerkontrolle verbessern können. Die Fragen
sollten folgende Punkte enthalten:
Wie oft und unter welchen Bedingungen sollte ich meinen Blutzuckerspiegel kontrollieren?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Was sollte ich mit den Resultaten machen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Welche Ergebnisse sollte ich erreichen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Wo lag mein Durchschnittswert in den vergangenen 2 bis 3 Monaten (HbA 1c)?
_________________________________________________________________________________
Wo hoch ist der Normwert von HbA 1c?
_________________________________________________________________________________
Wie bringe ich meinen HbA 1c in den Normbereich?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Sollten Veränderungen in meinem Behandlungsplan vorgenommen werden?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Welche Auswirkungen kann Diabetes auf meine Augen haben?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Wie häufig sollte ich zur augenärztlichen Kontrolle gehen?
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 248
_________________________________________________________________________________
Welche Schäden kann Diabetes bei den Nieren hervorrufen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Habe ich Albumin im Urin, Zeichen einer beginnenden diabetischen Nephropathie (Mikroalbuminurie)?
_________________________________________________________________________________
Wie sollte meine Fußpflege aussehen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Wann sollte ich einen Ernährungsberater aufsuchen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Welche Form der körperlichen Betätigung ist für mich persönlich am besten?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Welche Veränderungen in der Ernährung und der Insulingabe sollte ich notwendiger Weise vor dem
Sport vornehmen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Was sollte meine Familie / Freunde im Falle einer Unterzuckerung machen?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Gibt es in meiner Umgebung Selbsthilfegruppen zum Thema Diabetes?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Für Frauen im gebärfähigen Alter: Welche Veränderungen in meinem Behandlungsplan müssen im
Falle einer Schwangerschaft vorgenommen werden?
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Health & Administration Development Group, Aspen,
1999]
Benchmarkingdatensatz
Der Benchmarkingdatensatz wird im Kapitel Qualitätssicherung beschrieben. Er dient
in erster Linie der Koordination, Steuerung des Disease Management sowie der Qualitätssicherung.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 249
Folgende weitere Disease Management Komponente könnte in enger Verzahnung
zusätzlich eingesetzt werden:
•
Datenbanken zur Speicherung und Evaluation der Inhalte des Benchmarkingdatensatzes im Rahmen des Datenschutzes.
Die Komponenten des Basismoduls erhält jeder Diabetiker, unabhängig von der Management– Gruppe, nach Bedarf. Die Einordnung in die Management– Gruppe richtet sich nach den klinisch- biochemisch erhobenen Daten.
Jeder bekannte Diabetiker, der neu eingeschrieben wird, kann bei Erreichen aller
Zielwerte in die Management– Gruppe 1 aufgenommen werden. Das bedeutet, dass
seine Blutglukosewerte und sein HbA1c- Wert, seine Lipidwerte sowie seine Retentionswerte im Normbereich liegen und bei der körperlichen Untersuchung kein Hinweis
auf diabetische Komplikationen oder Begleiterkrankungen, kein Hinweis auf Hypertonie, kein Hinweis auf Raucherstatus oder ein BMI über ≥ 25 kg / m2 gefunden wurde.
Ist nur einer dieser Befunde nicht im Normbereich, so wird der Diabetiker in die Management– Gruppe 2 eingeordnet und erhält entsprechend seinem spezifischen Risiko in Ergänzung zu dem Basismodul das Ergänzungsmodul - Spezifische Therapie.
11.5Ergänzungsmodule
Ergänzungsmodul Spezifische Therapie
Zu den Ergänzungsmodulen Spezifische Therapie – Risikofaktoren gehören die Module Rauchen, Adipositas/ Lipidstörung und Hypertonie. Den möglichen Einsatz von
Komponenten des Disease Management zur Unterstützung einer evidenzbasierten
Therapie zeigt Abbildung 16.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 250
Abbildung 16: Unterstützung der Module Spezifische Therapie durch Komponenten
des Disease Managements
Ergänzungsmodule Spezifische Therapie: Risikofaktoren
Risiko
Lipidstörung/
Adipositas
Risiko
Rauchen
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Informationssysteme
- Selbsthilfegruppen
- Krankheitskoordinator
- Remindersysteme
- Schulung
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Schulung
- Informationssysteme
- Evidenzbasierte Leitlinie
- Remindersysteme
- Krankheitskoordinator
Risiko
Hypertonie
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Schulung
- Evidenzbasierte Leitlinie
- Informationssysteme
- Remindersysteme
- Krankheitskoordinator
Legende: *DMP: Disease Management Programm
[Quelle: Eigene Darstellung]
(1) Risiko: Rauchen
Eine wichtige Komponente einer gesunden Lebensweise ist der absolute Nikotinverzicht. Im Disease Management können unterschiedliche Komponenten zur Unterstützung von Patient und Arzt eingesetzt werden (Tabelle 16).
Tabelle 16: Komponenten zur Unterstützung von Patient und Arzt im Disease Management
Komponente
Beispiel
Schulung
Schulungen vermitteln evidenzbasierte Inhalte, können Leitlinien in Form
von Arbeitsblättern und Algorithmen implementieren und einen Patientenselbstvertrag mit selbstgesteckten Zielen benutzen.
Informationssysteme
Informationssysteme können zur Information des Patienten als audiovisuelle Materialien eingesetzt werden
Selbsthilfegruppen
Da Patienten von Gleichbetroffenen eher Informationen annehmen und
akzeptieren, ist die Anbindung an Selbsthilfegruppen zur Stabilisierung
wünschenswert
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinator könnte in diesem Fall ein CallCenter wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung nach Bedarf und telefonische Reminder
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Remindersysteme
Seite 251
Postalische oder telefonische Reminder können Patienten an Schulungsinhalte, selbstgesteckte Ziele oder Inhalte des Patientenselbstvertrags erinnern
[Quelle: Eigene Darstellung]
(2) Risiko: Lipidstörungen (Adipositas)
Diagnose der Hyperlipidämien
Die nachfolgend genannten, bei der Diagnostik von Fettstoffwechselstörungen zu
berücksichtigenden Kriterien, lehnen sich an die Empfehlungen der Amerikanischen
Diabetes Gesellschaft [ADA, 2001], European Atherosclerosis Society [Pyöräla et
al.,1994; Wood et al., 1998], Nationale Cholesterin- Initiative [Assmann und Cullen,
1995], Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und
ihren Folgeerkrankungen [1996] und des National Cholesterol Education Program
[NCEP, 1993] an:
Bei Patienten mit Glukoseintoleranz / Diabetes sollte in 3- bis 6-monatigen Abständen ein Lipidprofil im Nüchternserum erstellt werden, mit den Konzentrationsbestimmungen in mg/dl von:
•
Gesamtcholesterin (Chol.ges)
•
HDL-Cholesterin (HDL-C)
•
Triglyzeriden
•
LDL-Cholesterin (LDL-C) errechnet sich aus der Formel nach Friedewald:
LDL-C (mg/dl) = Chol ges (mg/dl) minus HDL-C (mg/dl) minus TG/5 (mg/dl)
Die so errechneten LDL- Werte sind bei TG- Werten bis zu 400 mg/dl zuverlässig.
Bei Diagnosestellung einer Hyperlipidämie sind die in Tabelle 17 aufgeführten Zielwerte schnellstmöglich anzustreben.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 252
Tabelle 17: Therapieziele* für Diabetiker mit Fettstoffwechselstörungen unter Berücksichtigung des Globalrisikos für Makroangiopathie
Risiko
Zielwerte*
Diabetiker ohne manifeste makrovaskuläre Erkrankung
Chol ges < 200 mg/dl, LDL-C < 130 mg/dl,
HDL-C ≥ 35 mg/dl
NüTG < 150 mg/dl
Diabetiker mit makrovaskulärer Erkrankung
Chol ges. < 170 mg/dl, LDL- C < 100 mg/dl,
HDL- C > 40 mg/dl, NüTG < 150 mg/dl
Diabetiker mit Triglyzeridwerten > 1000 mg/dl
Durch Akuttherapie: TG: bis 400 mg/dl
Unter Dauertherapie: NüTG < 150 mg/dl
Chol ges :
LDL-C:
HDL-C:
NüTG:
TG:
Gesamt-Cholesterin
Low-density-lipoprotein-Cholesterin
High-density-lipoprotein-Cholesterin
Nüchtern-Triglyzeride
Triglyzeride
Umrechnungsfaktoren von mmol/l in mg/dl:
Cholesterin: mmol/l x 38,67 = mg/dl
Triglyzeride: mmol/l x 87,5 = mg/dl
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an ADA, 2001; NCEP Adult Treatment Panel II, 1993; Nationale Cardiovaskuläre Initiative [Assmann und Cullen, 1995]]
Beispiele zum unterstützenden Einsatz von Disease Management Komponenten sind
in Tabelle 18 ausgeführt.
Tabelle 18: Unterstützender Einsatz von Disease Management Komponenten
Komponente
Beispiel
Therapie und
Leitlinien (evidenzbasiert)
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen Leitlinien an Hand von strukturierten Algorithmen dargestellt werden und
durch Fortbildungen und Reminder unterstützt werden, um erfolgreich zu
sein [Patel et al. 2001, Casebeer et al. 1999, Keyserling et al. 1997]. Für
den Patienten sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten einfach und verständlich beschrieben werden (siehe
Abbildung 17).
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren, regelmäßige Rundbriefe für
die Patienten mit neuesten Forschungsergebnissen, Rezepten und Restaurantvorschlägen in der näheren Umgebung oder Online- Informationssysteme
Schulung
Sie kann eine Ernährungsberatung, einen Patientenselbstvertrag
[Schlenk et al., 1998] und Arbeitsmaterialien zur Vertiefung des Gelernten umfassen. Die Schulung sollte für ältere Patienten speziell zugeschnitten werden [Brown 1990 und 1992; Buhk et al., 2001; Hirsch et al.,
1992]. Schulungen können beispielsweise auch mit einem telefonischem
Follow- up sowie Hausbesuchen kombiniert werden [Estey et al. 1990].
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 253
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators könnte in diesem Fall ein CallCenter wahrnehmen. Beispielsweise berichtet Piette über eine Zunahme
der Cholesterinuntersuchungen durch die Betreuung mittels Call- Center
[Piette et al., 2001; Estey et al. 1990]. Neben telefonischen Remindern
kann beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung nach Risikostratifizierung vom Call- Center angeboten werden. Beispielsweise können Patienten an Termine zur Untersuchung der Blutfette erinnert werden, spezielle Informationsmaterialien zugeschickt werden, Kontakte zu
geeigneten Sportgruppen können vermittelt werden. Insbesondere eine
Kombination von Schulung und individualisiertem Follow- up durch einen
Koordinator zeigt gute Erfolge [D’Eramo-Melkus et al. 1992]
Remindersysteme
Postalische oder telefonische individuell zugeschnittene Reminder können Patienten an Untersuchungstermine, Schulungsinhalte,
selbstgesteckte Ziele oder Inhalte des Patientenselbstvertrags erinnern.
Beispielsweise werden individuell nach Risikostratifizierung auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Reminder doppelt so häufig ins Bewusstsein aufgenommen und führen häufiger zu einer signifikanten Reduktion des Fettkonsums [Campbell et al. 1994]
Selbsthilfegruppen
Die Unterstützung durch Gleichbetroffene kann insbesondere zur Gewichtsreduktion beitragen [Wilson et al. 1987]
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 254
Abbildung 17: Flussdiagramm „Adipositasprävention und –therapie“
Folgende Zielbereiche sind anzustreben (WHO): BMI 18.5 – 24.9 kg/m², für Männer: Taillenumfang ≤ 94 cm, für Frauen:
Taillenumfang ≤ 80 cm.
Grad der
Gesundheitsgefährdung
Normalgewicht
(BMI 18.5-24.9)
Normalgewicht (BMI 18.524.9) plus Risikofaktor
und/oder Komorbidität
Präadipositas
(BMI 25-29.9)
Präadipositas (BMI 25-29.9)
plus Risikofaktor und/oder
Komorbidität
Adipositas Grad I
(BMI 30-34.9)
Adipositas Grad I (BMI 3034.9) plus Risikofaktor
und/oder Komorbidität
Ziel
Maßnahmen
(unter Berücksichtigung von Kontraindikationen
und Einbindung des Patienten in die
Therapiewahl)
Gewichtsstabilisierung
Ggf. Gewichtsmonitoring
Gewichtsstabilisierung, bei familiärer
Prädisposition Gewichtszunahme
>3kg verhindern. RisikofaktorenManagement, z.B. Aufgabe des
Rauchens; gesunder Lebensstil
Gewichtsmonitoring, RisikofaktorenManagement, Therapie der Komorbidität,
Beratung zu gesundem Lebensstil1
Verhinderung einer weiteren
Gewichtszunahme, besser noch
Gewichtsreduzierung
Basisprogramm2
Dauerhafte Gewichtsreduzierung
(v.a. bei mäßigem Erfolg des
Risikofaktoren-Managements nach 3
Monaten): 5-10% Gewichtsabnahme
in 3-6 Mo und nachfolgende
Gewichtsstabilisierung
Basisprogramm2, RisikofaktorenManagement2, Therapie der Komorbidität2,3
Dauerhafte Gewichtsreduzierung um
5-10%
Basisprogramm2,
Dauerhafte Gewichtsreduzierung um
5-10%
1) Basisprogramm2, RisikofaktorenManagement2, Therapie d. Komorbidität2,3
2) Wenn kein Erfolg, frühestens nach 12
Wochen zusätzliche medikamenöse
Therapie erwägen
Adipositas Grad II
(BMI 35-39.9)
Dauerhafte Gewichtsreduzierung um
≥10% und -stabilisierung
Basisprogramm2
Adipositas Grad II (BMI 3539.9) plus Risikofaktor
und/oder Komorbidität
Dauerhafte Gewichtsreduzierung um
10-20% und -stabilisierung
1) Basisprogramm2, RisikofaktorenManagement2, Therapie der Komorbidität2,3
2) Wenn kein Erfolg, frühestens nach 12
Wochen zusätzliche medikamentöse
Therapie erwägen
3) Bei erfolgloser konservativer Therapie
chirurgische Maßnahmen erwägen
Adipositas Grad III
(BMI>40)
Dauerhafte Gewichtsreduzierung um
10–30%
1) Basisprogramm2, RisikofaktorenManagement2, Therapie der Komorbidität2,3
2) chirurgische Therapie bei erfolgloser
konservativer Therapie erwägen2,3
Wie unter „Methodik“ beschrieben wurden Interventionsstudien evaluiert und mit Evidenzklassen (I bis IV) gemäß ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft belegt. Die ausgesprochenen Handlungsemfehlungen der Grade A bis C wurden anhand der Evidenzklassen gewichtet. Für das stufenweise
Vorgehen beim Übergewicht und einzelner Grade der Adipositas sowie beim Management von Risikofaktoren dienten Empfehlungen der SIGN (1996),
des Royal College of Physicians (1997) und der WHO (1998).
1
) Gesunder Lebensstil entspricht im wesentlichen dem Basisprogramm
2
) Detaillierte Erläuterungen siehe nächste Seite
3
) Ggf. Überweisung an einen Spezialisten (z.B. auf Adipositas spezialisierter Diabetologe oder Chirurg)
[Quelle: Hauner et al., 1998: Adipositas- Leitlinie, Version für den behandelnden Arzt]
Bewegungsprogramm
Das Bewegungsprogramm sollte in das Gewichtsmanagement integriert sein. In Abstimmung mit dem Gesundheitszustand und den Präferenzen des Patienten sollte
ein angemessenes Bewegungsprogramm ausgearbeitet werden (z.B. gemäß den
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 255
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie [1997], der European Society of Cardiology [1994] und der American Heart Association [1996]). Dieses sollte
auch nach Erreichen des Zielgewichts zur Erhaltung der Gewichtskonstanz beibehalten werden. Zielwert sollte 5- 6 Stunden Bewegung pro Woche sein. Mögliche Komponenten:
•
Ein Minimum von 30 min mäßig intensiver Bewegung 3- 4 mal wöchentlich (z.B.
Gehen, Radfahren)
•
Aktivere Lebensweise (z.B. Spazierengehen in Arbeitspausen, Treppensteigen
statt Aufzug, Gehen statt Auto-/ Bus-/ Bahnfahren, Gartenarbeit)
•
Ggf. Teilnahme an ärztlich überwachten Übungsgruppen
•
Diabetes gerechte lipidsenkende Kost
[ADA,1998; Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, 1996; Nationale
Cardiovaskuäre Initiative,1995, Lipid-Liga, 1996]
Die Ernährungstherapie des Diabetes Mellitus sollte individuell an die Bedürfnisse
des Patienten, seine Stoffwechsellage und die diabetesspezifischen Organveränderungen angepasst werden. Empfehlungen zur Nährstoffrelation sollten sich nach den
Prinzipien einer gesunden Ernährung orientieren. Diese soll kaloriengerecht sein und
individuell zu vereinbarende Therapieziele für Blutzucker, Serumlipide, Blutdruck und
Körpergewicht berücksichtigen. Es empfiehlt sich eine Analyse der Ernährungsgewohnheiten des Patienten.
Generelle Eckpunkte einer lipidsenkenden Ernährungstherapie sind:
•
Beschränkung der Gesamtfettmenge
•
Verringerung des Verzehrs von Fetten mit gesättigten Fettsäuren
•
Beschränkung des täglich aufgenommenen Nahrungscholesterin
•
Bei Übergewicht empfiehlt sich eine Reduktion der Gesamtkalorienzahl.
Sowohl Übergewicht als auch Hypertriglyzeridämie sprechen gut auf diese Maßnahme an. Unter Umständen ist der Konsum von Alkohol mit seiner unerwünschten
VLDL- Synthese bei gleichzeitiger Hemmung der Lipoproteinlipase einzuschränken.
Es empfiehlt sich die Berücksichtigung folgender Gesichtspunkte:
•
Abschätzen der erforderlichen täglichen Gesamtenergiemenge
•
Verteilung der abgeschätzten Gesamtenergiemenge auf ca. 6 Mahlzeiten/ d
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
•
Seite 256
Ballaststoffreiche Nahrung mit möglichst geringem Verarbeitungsgrad und geringem Anteil rasch resorbierbarer Kohlenhydrate
•
Anteilige Zusammensetzung der Gesamtenergiemenge:
- 25 - 35% als Fett, dabei gesättigte Fette < 10%; bei Patienten mit Übergewicht
sollte eine diabetesgerechte Reduktionskost mit vorwiegender Minderung des
Gesamtfettgehaltes < 25-35% der Nahrung angeraten werden.
- Gesamtcholesteringehalt < 300mg/die, weitere Reduktion auf < 200mg/die
könnte eine weitere Absenkung von Cholges und LDL- C ermöglichen
- 50 - 60% vorwiegend komplexe Kohlenhydrate mit hohem Anteil löslicher
Ballaststoffe
- <15% Eiweiß (1,0g/kg KG*) *KG = Körpergewicht
- Beschränkung von bzw. Verzicht auf Alkohol und freien Zucker
Die Anwendung von Fischöl hat keinen störenden Einfluss auf den Glukosestoffwechsel. Es senkt den Triglyzeridspiegel bis zu 30%. Allerdings geht dieser Effekt mit
einem leichten Anstieg des LDL einher [Friedberg et al., 1998].
Gewichtsreduzierung
Die Gewichtsreduzierung ist von großer Bedeutung, da nicht zuletzt durch die Nurses‘ Health Study ein Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Entwicklung eines Typ 2- Diabetes eindrucksvoll dokumentiert wurde [Colditz et al., 1990a, 1995].
Die Entwicklung des Typ 2- Diabetes wird vor allem von der stammbetonten Adipositasform gefördert. Speziell die abdominelle Adipositasform wird bei entsprechender
genetischer Disposition als pathogenetischer Promotor für die Manifestation des Metabolischen Syndroms angesehen [Ohlson et al., 1985]. Das klinische Vollbild des
Metabolischen Syndroms ist durch ein Bündel gemeinsam auftretender Gefäßrisikofaktoren charakterisiert. Diese sind neben Übergewicht mit abdomineller Fettverteilung und pathologischer Glukosetoleranz, Insulinresistenz, Hypertonie und Dyslipoproteinämie mit erniedrigtem HDL- Cholesterin und Hypertriglyzeridämie. Bei vermehrter intraabdomineller Fettmasse ist die Beziehung zwischen Triglyceriderhöhung
und HDL- Cholesterinerniedrigung ausgeprägter [Despres, 1991]. Je stammbetonter
die Fettverteilung ist, desto niedriger ist das HDL2- Cholesterin, eine HDL- Fraktion
mit besonders antiatherogener Wirkung [Ostlund et al., 1990].
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 257
Der günstige Einfluss von Gewichtsmanagementprogrammen auf Fettstoffwechselstörungen ist hinreichend bekannt [Andersen et al., 1999; Lean et al., 1997]. Die
Grundlage des Gewichtsmanagements bei Diabetikern entspricht dem Basisprogramm für nichtdiabetische Übergewichtige, dessen Hauptkomponente eine Verhaltensmodifikation mit den Schwerpunkten Ernährungs- und Bewegungstherapie ist.
Abbildung 18: Stufenplan lipidsenkender Maßnahmen beim Diabetes Mellitus
Kombinationsbehandlung
Pharmakologische Monotherapie
Optimierung des Glukosestoffwechsels, Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, Steigerung der körperlichen
Aktivität
[Quelle: In Anlehnung an Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, 1996]
Ein entsprechendes Therapieschema hierzu ist im Anhang aufgeführt.
(3) Risiko: Hypertonie
Definition und Klassifikation
Von der WHO/ ISH und der JNC wurde folgende Definition für das Vorliegen eines
Bluthochdrucks gegeben: Ein Bluthochdruck besteht bei Erwachsenen (≥18 Jahre),
die nicht antihypertensiv vorbehandelt sind, wenn folgende Blutdruckwerte bei mehrfacher Messung an mindestens zwei verschiedenen Tagen vorliegen [Chalmers,
1999; JNC VI, 1997]:
Systolischer Blutdruck: ≥ 140 mmHg und / oder
diastolischer Blutdruck: ≥ 90 mmHg
Die World Health Organisation, die International Society of Hypertension sowie das
Joint National Committee on Detection, Evaluation and Treatment of High Blood
Pressure haben in ihren Definitionen der Hypertonie und ihrer Einteilung in Kategorien den Begriff "hochnormaler Blutdruckbereich" neu eingeführt. Danach gelten Per-
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 258
sonen mit Blutdruckwerten von systolisch 130 ≤ 140 mmHg und diastolisch 85 ≤ 90
mmHg nicht als Hypertoniker, sondern sie haben ein erhöhtes Risiko, eine definitive
arterielle Hypertonie mit entsprechenden kardiovaskulären Folgeschäden zu entwickeln und sollten daher fortlaufend kontrolliert werden [Chalmers, 1999; JNC VI,
1997].
Bei Stellung der Diagnose Hypertonie sind schnellstmöglich ohne Beeinträchtigung
der Lebensqualität nachfolgende Blutdruckwerte zu erreichen.
Tabelle 19: Therapiezielbereiche für den Blutdruck bei Diabetikern
Problematik
Blutdruck- Zielbereiche
Systolisch (mmHg)
Diastolisch (mmHg)
Diabetiker mit essentieller Hypertonie
unter 140
unter 85
Bei guter Verträglichkeit eines RR von 140/85 mmHg
unter 130
unter 80
Diabetiker mit Mikroalbuminurie
unter 130
unter 80
Und/ oder
Manifester Nephropathie
besser noch 120
[Quelle: DDG, 2000]
Die Vorgehensweise in der Wahl der Therapieoptionen und die Dosierungshöhe
hängt maßgeblich von Begleiterkrankungen bzw . Kontraindikationen ab.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 259
Antihypertensive Therapiemöglichkeiten
Tabelle 20: Antihypertensive Therapiemöglichkeiten
Nichtmedikamentöse Therapie
Strukturierte Schulung
Änderung der Lebensgewohnheiten
Bevorzugte, wissenschaftlich evaluierte Therapiemöglichkeiten:
• Diuretika
• Beta- Rezeptorenblocker
• ACE- Hemmer
• Kalziumantagonisten
Medikamentöse Therapie
Weitere medikamentöse Therapiemöglichkeiten:
• Alpha- Rezeptorenblocker
• AT1– Rezeptorantagonisten
Weitere Substanzen, z. B. Alpha-2- Rezeptoragonisten
[Quelle: Eigene Darstellung]
In Abhängigkeit von der Risikostratifizierung können zur Unterstützung des Moduls
Risiko Hypertonie unterschiedliche Disease Management Komponenten zum Einsatz
kommen (Tabelle 21).
Tabelle 21: Disease Management Komponenten zur Unterstützung des Moduls Hypertonie
Komponente
Beispiel
Therapie und
Leitlinien (evidenzbasiert)
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen Leitlinien an Hand von Algorithmen dargestellt werden. Für den Patienten
sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten einfach
und verständlich beschrieben werden.
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren und regelmäßige Rundbriefe
für die Patienten
Schulung
Sie kann eine Ernährungsberatung, einen Patientenselbstvertrag und
Arbeitsmaterialien zur Vertiefung des Gelernten umfassen
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 260
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators könnte in diesem Fall ein CallCenter wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung nach Risikostratifizierung sowie telefonische Reminder. Beispielsweise könnten Patienten in Abhängigkeit von der Blutdruckeinstellung täglich, wöchentlich oder monatlich nach ihren Blutdruckwerten befragt werden. Aufgrund von Abweichungsanalysen kann
dann eine Beratung durch einen Arzt des Call- Centers, die Zusendung
von spezifischen Informationsmaterialien oder eine Terminvereinbarung
beim Hausarzt vorgenommen werden
Remindersysteme
Postalische oder telefonische Reminder können Patienten an Untersuchungstermine, Schulungsinhalte, selbstgesteckte Ziele oder Inhalte des
Patientenselbstvertrags erinnern [Glanz et al., 1982; Macharia et al.,
1992; Stason et al., 1994; Johnston et al., 1994]. Computergestützte
Reminder zur Identifizierung von schlecht eingestellten Hypertonikern
können Ärzte in der Therapie unterstützen und zu einer besseren Blutdruckeinstellung beitragen [Dickinson et al., 1981]
[Quelle: Eigene Darstellung]
Patienten, die zum Zeitpunkt der Einschreibung eine diabetische Komplikation und/
oder Begleiterkrankung aufweisen, werden der Management– Gruppe 3 zugewiesen.
Im Gegensatz zu den Gruppen 1 und 2 ist eine horizontale Mobilität nicht möglich.
Patienten, die einmal in Gruppe 3 zugeordnet wurden, verbleiben in dieser Gruppe.
Das Gleiche gilt für Diabetiker, die aus den Gruppen 1 oder 2 in diese Gruppe gewechselt haben.
11.6Ergänzungsmodul - Komplikationstherapie
Zu den Ergänzungsmodulen Spezifische Therapie– Komplikationstherapie gehören
die diabetische Retinopathie, die diabetische Nephropathie, die diabetische Neuropathie und das diabetische Fußsyndrom. Zur Unterstützung und Umsetzung der evidenzbasierten Therapiemodule werden Disease Management Komponenten eingesetzt. Mögliche Kombinationen zeigt folgende Abbildung:
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 261
Ergänzungsmodule Spezifische Therapie:
Komplikationstherapie
Diabetische
Retinopathie
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Informationssysteme
- Remindersysteme
- Evidenzbasierte Leitlinien
- Ggf. Diabeteskoordinator
- Selbsthilfegruppen bei
Erblindung
Diabetische
Nephropathie
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Informationssysteme
- Remindersysteme
- Evidenzbasierte Leitlinien
- Ggf. Diabeteskoordinator
- Selbsthilfegruppen bei
Erblindung
Diabetische
Neuropathie
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Informationssysteme
- Remindersysteme
- Evidenzbasierte Leitlinien
- Ggf. Diabeteskoordinator
- Selbsthilfegruppen bei
Erblindung
Diabetisches
Fußsyndrom
DMP-Komponenten*:
- evidenzbasierte Therapie
- Informationssysteme
- Remindersysteme
- Evidenzbasierte Leitlinien
- Ggf. Diabeteskoordinator
- Selbsthilfegruppen bei
Erblindung
Abbildung 19: Einsatz von Disease Management Komponenten im Rahmen der Ergänzungsmodule Spezifische Therapie – Komplikationstherapie
*DMP: Disease Management Programm
[Quelle: Eigene Darstellung]
(1) Diabetische Retinopathie/ Makulopathie
Die diabetische Retinopathie ist unterteilt in eine nichtproliferative und proliferative
Form. In den nachfolgenden Übersichten sind diese Formen dargestellt.
Nichtproliferativ
Stadium
Klinisches Bild
Mild
Mikroaneurysmen
Mäßig
Mikroaneurysmen, einzelne intraretinale Blutungen, perlschnurartige Venen
Schwer
(früher:
„präproliferativ“)
„4-2-1“- Regel:
Zahlreiche Mikroaneurysmen und intraretinale Blutungen in 4 Quadranten
Oder
perlschnurartige Venen in 2 Quadranten
oder
intraretinale mikrovaskuläre Anomalien (IRMA) in 1 Quadrant
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 262
Proliferativ
Papillenproliferation
Papillenferne Proliferation
Präretinale Blutung
Traktionsbedingte Netzhautablösung
[Quelle: Eigene Darstellung]
Die Diagnostik ist nur durch den Ophthalmologen möglich, da das Makulaödem nur
stereoskopisch erkennbar ist [Moss et al., 1985; Klein et al., 1985].
Fokales Makulaödem
Umschriebene Ödemzonen, kombiniert mit intraretinalen Blutungen und harten Exsudaten sind „klinisch signifikant“ (= visusbedrohend), wenn die Veränderungen ganz
oder teilweise innerhalb eines Papillendurchmessers von der Foveola entfernt liegen.
Ohne adäquate Therapie kann die Prognose trotz guten Ausgangsvisus schlecht
sein.
Diffuses Makulaödem
Ödem und harte Exsudate am gesamten hinteren Augenpol mit massiver Leckage.
Der Visus ist meist stark herabgesetzt.
Ischämische Makulopathie
Ausgedehnter Perfusionsausfall des Kapillarnetzes um die Fovea mit schlechter Visusprognose. Die Diagnose ist nur fluoreszenzangiographisch zu stellen.
Mischformen der diabetischen Makulopathie sind möglich. Liegen solche vor oder
bestehen Zweifel, kann zur Differenzierung der Makulopathie eine Fluoreszenzangiographie notwendig sein.
Folgende Therapien werden empfohlen:
Indikationen zur Lasertherapie bei nichtproliferativer diabetischer Retinopathie
(NPDR) [ETDRS, 1991].
•
NPDR- Stadium Laser- Indikation
•
Mild: keine Laserkoagulation
•
Mäßig: keine Laserkoagulation
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
•
Seite 263
Schwer: Laserkoagulation zu erwägen, insbesondere bei Risikopatienten mit
-
mangelnder Compliance
-
Typ 1- Diabetes
-
beginnender Katarakt mit erschwertem Funduseinblick
-
Risiko- Allgemeinerkrankungen, speziell: arterielle Hypertonie
-
Schwangerschaft
Indikationen zur Lasertherapie bei proliferativer diabetischer Retinopathie (PDR) [Diabetic Retinopathy Study Research Group, 1987]
•
Neovaskularisation an der Papille
•
Periphere Neovaskularisation > 1/2 Papillendurchmesser
•
Präretinale Blutung
•
Rubeosis iridis
Tabelle 22: Indikationen zur Lasertherapie bei diabetischer Makulopathie (DMP)
Fokale DMP
(ETDRS 1991)
Gezielte Laserkoagulation bei Vorliegen eines visusbedrohenden klinisch signifikanten Makulaödems:
umschriebene Ödemzone(n), kombiniert mit Mikroaneurysmen, intraretinalen Blutungen und harten Exsudaten, die ganz
oder teilweise innerhalb eines Papillendurchmessers von der
Foveola entfernt liegen;
unabhängig vom Visus
Diffuse DMP
(Vergleiche Lee et Olk 1991 mit
Ladas et Theodossiadis 1993)
Gitterförmige („grid“-) Laserkoagulation optional, da Studienergebnisse nicht eindeutig sind.
Ischämische DMP
Keine Laserkoagulation sinnvoll
[Quelle: Eigene Darstellung ]
Indikationen zur Vitrektomie bei proliferativer diabetischer Retinopathie
•
Schwere nicht resorbierende Glaskörperblutung (keine Aufhellung innerhalb von
drei Monaten bei Patienten mit Typ 1- Diabetes Mellitus, innerhalb von 3- 6 Monaten bei Patienten mit Typ 2- Diabetes Mellitus!). In Einzelfällen bereits früher.
•
Traktionsbedingte oder kombiniert traktiv/ rhegmatogene Netzhautablösung mit
relativ frischer Beteiligung der Makula.
Die Unterstützung der Therapie durch Disease Management Komponenten zeigt
Tabelle 23.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 264
Tabelle 23: Unterstützung der Therapie durch Disease Management Komponenten
Komponente
Beispiel
Therapie und
Leitlinien (evidenzbasiert)
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen Leitlinien an Hand von Algorithmen dargestellt werden. Für den Patienten
sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten einfach
und verständlich beschrieben werden [Friedman et al., 1998].
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren, die in Schrift und Layout an
sehbehinderte Patienten angepasst sind
Selbsthilfegruppen
Sie können einen wichtigen Beitrag zum Coping des Patienten mit seiner Erkrankung leisten
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators könnte in diesem Fall ein CallCenter wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung nach Risikostratifizierung sowie telefonische Reminder. Beispielsweise können Fragen zur Therapie und Therapiezentren
beantwortet und „Warnsymptome“ besprochen werden. Ggf. kann der
Kontakt zu Selbsthilfegruppen hergestellt werden oder über die Verwendung von Sehhilfen beraten werden.
Remindersysteme
Postalische oder telefonische Reminder können Patienten beispielsweise an Untersuchungstermine erinnern [Friedmann et al., 1998]. Insbesondere für multiple Reminder konnte die Effektivität in einer randomisierten Studie nachgewiesen werden [Halbert et al., 1999]
[Quelle: Eigene Darstellung]
Ein Flussschema zur Diagnostik der diabetischen Retinopathie/ Makulopathie kann
dem Anhang entnommen werden.
(2) Diabetische Nephropathie
Die diabetische Nephropathie läßt sich entsprechend persistierender Mikroalbuminerie festmachen. Siehe Einteilung nach Mogensen (Tabelle 24):
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 265
Tabelle 24: Nepropathie- Stadien nach Mogensen
Nephropathie- Stadium
Albuminausscheidung
Serum- Kreatinin
GFR/ RPF
I Stadium der Hyperfunktion
Erhöht
Normal
II Stadium der klinischen Latenz
Normal
Normal
III Beginnende Nephropathie
Persistierende Mikroalbuminurie
Normal
Erhöht
Normal bis
erhöht
Normal bis
erhöht
IV Klinisch- manifeste NephroPathie
Makroalbuminurie
Im Normbereich
ansteigend
Abnehmend
V Niereninsuffizienz
Makroalbuminurie
Erhöht
Erniedrigt
[Quelle: Mogensen, 1983]
Folgende Aspekte sind über das Screening zu erwähnen:
•
Wenn keine Makroproteinurie nachweisbar ist, sollte auf Vorliegen einer Mikroalbuminurie untersucht werden [Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Niere, 2000;
ADA, 2000].
•
Bei Patienten mit Typ 1- Diabetes sollte das Sreening nach dem 5. Jahr nach Diagnosestellung bzw. bei Kindern mit Einsetzen der Pubertät (> 11. Lebensjahr)
begonnen werden [Arbeitsgemeinschaft Diabetische Nephropathie, 1997; ADA,
2000].
•
Bei Patienten mit Typ 2- Diabetes sollte das Screening mit der Diagnosestellung
begonnen werden [ADA, 2000].
•
Zum Screening können Schnelltests eingesetzt werden (Micral-II®; RapitexAlbumin®, Mikrobumin- Test®; [Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Niere, 2000]).
•
Die Albuminausscheidung kann kurzfristig durch schlecht eingestellte Blutzucker,
körperliche Anstrengung, Harnwegsinfekte, unkontrollierte Blutdruckerhöhung,
Herzinsuffizienz, eine akute fieberhafte Erkrankung oder operative Eingriffe erhöht sein [Mogensen et al., 1995].
Zur Diagnose einer diabetischen Nephropathie wird der Nachweis von mindestens 2
Albuminausscheidungsraten im Mikroalbuminuriebereich gefordert, die im Abstand
von zwei bis vier Wochen gemessen werden sollten (= persistierende Mikroalbuminurie) [Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Niere, 2000].
Bei Vorliegen einer Makroalbuminurie sollten nichtdiabetische Nierenerkrankungen
ausgeschlossen werden.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 266
Hinweise auf eine nicht- diabetische Nierenerkrankung sind neben entsprechenden
anamnestischen Angaben, ein pathologisches Harnsediment (insbesondere dysmorphe Erythrozyten, Erythrozytenzylinder oder Leukozyten), das Fehlen einer diabetischen Retinopathie, die rasche Zunahme einer Proteinurie, ein rascher Kreatininanstieg, atypische sonographische Veränderungen der Nieren und eine Diabetesdauer von weniger als fünf Jahren bei Typ 1- Diabetes, ggf. ist der Patient einem
Nephrologen zur weiteren Diagnostik vorzustellen.
Verlaufskontrolle
Bei einer Albuminurie sollten je nach Nephropathie- Stadium 2 bis 4mal jährlich folgende Parameter überprüft werden [SIGN, 1997]:
•
Plasmakonzentrationen für Kreatinin, Harnstoff und Kalium; bei reduzierter Muskelmasse Bestimmung der Kreatinin- Clearance
•
Albuminausscheidungsrate
Bei Patienten mit Nephropathie sollte jährlich der Gesamtcholesterin-, HDL- und
LDL- Cholesterinspiegel bestimmt, ein EKG in Ruhe und bei Belastung durchgeführt
sowie regelmäßig der Augenhintergrund und der angiologische Status überprüft werden [Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Niere, 2000]. Ebenfalls sollten Blutdruckkontrollen (auch Blutdruckselbstkontrolle, Messung im Sitzen und Stehen) inklusive einer
24- Stunden Blutdruckmessung durchgeführt werden, da ab diesem Stadium der diabetischen Nephropathie der nächtliche Abfall des Blutdruckes abgeschwächt oder
aufgehoben ist [Voros et al., 1998]. Ob ein fehlender nächtlicher Blutdruckabfall das
Fortschreiten der diabetischen Nephropathie bewirkt, ist nicht belegt.
Zur Unterstützung der Therapie können im Modul diabetische Nephropathie folgende
Disease Mangement Komponenten eingesetzt werden (Tabelle 25).
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 267
Tabelle 25: Disease Management Komponenten zur Unterstützung des Moduls diabetische Nephropathie
Komponente
Beispiel
Therapie und
Leitlinien (evidenzbasiert)
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen Leitlinien an Hand von Algorithmen dargestellt werden. Für den Patienten
sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten und die
Bedeutung von Screeningmaßnahmen einfach und verständlich beschrieben werden. Screeningmaßnahmen wie z.B. das Microalbuminuriescreening können durch die Implementierung solcher Leitlinien deutlich verbessert werden [Friedman et al., 1998]
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren, Online- Systeme, für Ärzte
und Laien aufbereitete Studienergebnisse
Selbsthilfegruppen
Sie können einen wichtigen Beitrag zum Coping des Patienten mit seiner Erkrankung leisten. Insbesondere im Fall der Dialysepflichtigkeit.
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators könnte in diesem Fall ein CallCenter wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung nach Risikostratifizierung sowie telefonische Reminder. Beispielsweise können Fragen zu Untersuchungsergebnissen,
Risiken für das Fortschreiten der Erkrankung und im Stadium der Dialyse Fragen zur Ernährung usw. beantwortet werden.
Remindersysteme
Postalische oder telefonische Reminder können Patienten beispielsweise an Untersuchungstermine erinnern
[Quelle: Eigene Darstellung]
(3) Diabetische Neuropathie
Die Klassifikation der diabetischen Neuropathie teilt sich wie folgt ein [nach Thomas
und Tomlinson, 1993]:
•
Symmetrische Polyneuropathien
Sensible oder sensomotorische Polyneuropathie
Autonome Neuropathie
Symmetrische proximale Neuropathie der unteren Extremitäten
•
Fokale und multifokale Neuropathien
Kraniale Neuropathie
Mononeuropathie des Stammes und der Extremitäten
Asymmetrische proximale Neuropathie der unteren Extremitäten
•
Mischformen
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 268
Sensomotorische Neuropathie:
Die Diagnose der sensomotorischen diabetischen Neuropathien ist durch den Hausarzt sehr einfach zu erstellen. Sie folgt folgenden neurologischen Untersuchungsmethoden [nach Boulton et al., 1998; Young et al., 1993]:
•
Schmerzempfindung, z. B. mit Zahnstocher, Einmalnadel oder Neurotip. Es sollte
gefragt werden „Ist es schmerzhaft?“ (nicht „Können Sie die Nadel fühlen?“)
•
Berührungsempfindung (Oberflächensensibilität), z. B. mit Wattebausch
•
Vibrationsempfindung mit 128- Hz- Stimmgabel (nach Rydel-Seiffer) zunächst am
Großzehengrundgelenk medial; falls kein Empfinden besteht, Untersuchung einer
proximalen Stelle (Malleolus medialis)
Untere Normgrenze am Großzehengrundgelenk für Alter < 30 Jahre 6/8, für ≥ 30
-
Jahre 5/8 [Hilz et al., 1998]
Untere Normgrenze am Malleolus medialis für Alter ≤ 40 Jahre 6/8, für > 40 Jahre
-
5/8 [Claus et al., 1988]
•
Muskeleigenreflexe (Achilles- und Patellarsehnenreflex)
•
Temperaturempfindung mit kalter Stimmgabel, eiswassergekühltem Reagenzglas,
Tip Therm
•
Druckempfindung
•
10g Monofilament auf der Plantarseite des Metatarsale II im Bereich des Zehenballens
Entsprechend der Symptomatik sind eine Reihe von diagnostischen Kriterien aufzustellen. Sie orientieren sich am Verlauf der sensomotorischen Neuropathie. In der
nachfolgenden Tabelle sind diese Kriterien zusammengefasst.
Tabelle 26: Diagnostische Kriterien verschiedener Verlaufsformen der sensomotorischen diabetischen Neuropathie
Verlaufsformen der
Neuropathie
Subklinische Neuropathie
Diagnosekriterien
Pathologische quantitative neurophysiologische Tests (Vibratometrie, quantitative Thermästhesie, Elektroneurographie),
weder Beschwerden noch klinische Befunde
Chronisch-schmerzhafte Neu- Schmerzhafte Symptomatik in Ruhe (symmetrisch und nachts
ropathie (häufig)
zunehmend): Brennen, einschießende oder stechende Schmerzen, unangenehmes Kribbeln
Sensibilitätsverlust unterschiedlicher Qualität und/ oder beidseits reduzierte Muskeleigenreflexe
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
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Akut-schmerzhafte Neuropathie (eher selten)
Symmetrische Schmerzen an den unteren Extremitäten und
eventuell auch im Stammbereich stehen im Vordergrund.
Eventuell zusätzlich Hyperästhesie
Kann mit Beginn bzw. Intensivierung einer Insulintherapie assoziiert sein ("Insulinneuritis")
Geringe Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten
oder normaler neurologischer Untersuchungsbefund
Schmerzlose Neuropathie
Fehlende Symptome bzw. Taubheitsgefühl und/oder Parästhesein
Reduzierte oder fehlende Sensibilität bei fehlenden Muskeleigenreflexen (insbesondere ASR)
Diabetische Amyotrophie
Progredienter, zumeist asymmetrischer Befall der proximalen
Oberschenkel- und Beckenmuskulatur mit Schmerzen und Paresen
Langzeitkomplikationen der
distal- symmetrischen Polyneuropathie
Neuropathische Fußläsionen, z. B. Fußulzera mit unterschiedlichem Penetrationsgrad
Diabetische Osteoarthropathie (Charcot- Fuß)
Nicht-traumatische Amputation
[Quelle: In Anlehnung an Boulton et al., 1998]
Der Score für die Ermittlung des Grads der Neuropathie, der bedeutsam für die Therapieoptionen ist, befindet sich im Anhang. Die Therapieoptionen bei sensomotorischer Neuropathie listet folgende Tabelle auf:
Tabelle 27: Differenzierte Therapie der sensomotorischen diabetischen Neuropathien
Verlaufsformen der
Neuropathie
Therapie
Für alle Formen und Stadien
gilt:
Optimierung der Diabeteseinstellung
Blutdrucknormalisierung
Patientenschulung
Änderung der Lebensgewohnheiten
Subklinische Neuropathie
Prophylaxe von Fußschäden (Fußpflege, Orthopädie- technische Versorgung, insbesondere bei knöchernen Fußdeformitäten mit und ohne
periphere Neuropathie)
Chronisch-schmerzhafte Neuropathie (Angabe der Medikamente in alphabetischer Reihenfolge)
Alpha- Liponsäure2
Antikonvulsiva (Carbamazepin3, Gabapentin1,3)
Capsaicin1
Mexiletin1
Selektive Serotonin- Wiederaufnahme- Hemmer1,3 (Citalopram,
Paroxetin)
Tramadol
Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Clomipramin, Desipramin1,
Imipramin)
Physikalische Therapie
Akut- schmerzhafte Neuropathie
Versuch mit einfachen Analgetika
Weitere Therapie wie bei der chronisch- schmerzhaften Neuropathie
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
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Schmerzlose Neuropathie
(hypästethische bzw. anästhetische Form)
Fußpflege (Diabetesschulung)
Prophylaxe von Fußläsionen (orthopädietechnische Maßnahmen)
Krankengymnastik
Diabetische Amyotrophie
Überweisung zum Neurologen zur diagnostischen Abklärung
Physikalische Therapie
Weitere Therapie wie bei der schmerzhaften Neuropathie
Langzeitkomplikationen der
distal- symmetrischen Polyneuropathie
Sofortige Überweisung nach individuellem Befund und eigenen ärztlichen Möglichkeiten zu Diabetologen, Neurologen, Chirurgen, spezialisierte Fußambulanz oder Fußklinik, Orthopädietechniker, orthopädischen Schuhmacher
1
nicht zugelassen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen
pathogenetisch begründbare Therapie
3
einschleichende Dosierung beachten, ggf. Spiegelbestimmung
2
[Quelle: Boulton et al., 1998; Haslbeck, 1996; 1997]
Autonome Neuropathie
Im Rahmen der autonomen Neuropathie lassen sich eine Reihe wichtiger Befunde
nachweisen, die gegebenenfalls mit entsprechenden Diagnostika eruiert werden
müssen (Tabelle 28).
Tabelle 28: Klinisch wichtige Manifestationen und zugeordnete Diagnostik der autonomen diabetischen Neuropathie
Organe und Funktionen
Kardiovaskuläres System
• Ruhetachykardie
• Herzfrequenzstarre
• Belastungsintoleranz
• Verminderte bzw. fehlende Wahrnehmung
von Myokardischämien
• Perioperative Instabilität
• Posturale Hypotonie
• Präkapilläre arteriovenöse Shunts
Gastrointestinales System
• Dysfunktion: Ösophagus, Magen, Darm, Gallenblase (postprandiale Hypoglykämie, Diarrhoen, Obstipation)
• Anorektale Dysfunktion (Stuhlinkontinenz)
Urogenitales System
• Blasenatonie (Miktionsschwäche, Überlaufblase, Restharn)
• Erektile Dysfunktion
• Ejakulationsstörungen
Untersuchungsmethoden
Tests der Herzfrequenzvarianten
Orthosthasetest, Kipptischtest
Magenentleerung (nuklearmedizinisch, sonographisch)
Gastro- colische Transitzeit (röntgenologisch, H2Exhalationstest, nuklearmedizinisch)
Gallenblasenkontraktion (sonographisch)
Ösophago- gastro- intestinale Manometrie
Maxim. Nacht- Morgen- Urinvolumen
Sonographie
Urologische Funktionstests
Standardisierter Fragebogen (Penisplethysmographie)
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
•
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Sexuelle Funktionsstörungen der Frau
Reaktion auf Hypoglykämien
• Gestörte Hypoglykämiewahrnehmung und
(oder) Fehlen einer hormonellen Gegenregulation
Engmaschige Blutglukosekontrollen (insbesondere Selbstkontrollen) besonders auch nachts
Visuelles System
Miosis
• Gestörte Pupillenreflexe
• Verminderte Dunkeladaptation
Infrarotpupillometrie (Myadriasegeschwindigkeit,
Latenzzeit des Pupillenreflexes)
Sudomotorik
• Dyshidrose (gustatorisches Schwitzen, „trockene Füße“)
Schweißtest
Trophik
• Hyperkeratosen, Rhagaden
• Neurotrophisches Ulkus
• Osteopathie
• Osteoarthropathie (Charcot- Fuß)
• Ödem
Respiratorisches System
• Zentrale Fehlregulation der Atmung mit herabgesetzten Atemantrieb gegenüber Hyperkapnie bzw. Hypoxämie
• Schlafapnoe
• Atemstillstand
Fußinspektion
klinisch- neurologische und –angiologische Untersuchung
Röntgen, ggf. CT bzw. NMR
Pedographie (zur Druckbelastung der Fußsohlen
und Qualitätskontrolle orthopädie- schuhtechnischer Maßnahmen
ggf. Schlaflabor
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiefels et Gries, 1988; Haslbeck, 1993; Ziegler, 1997]
Die speziellen Therapiemöglichkeiten der diabetischen autonomen Neuropathie wurden in der Vergangenheit in keiner Form ausgearbeitet. So stellt die hier vorliegende
Ausrichtung (Tabelle 29) die international erste Leitlinie dar, die sich mit dieser Thematik beschäftigt.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 272
Tabelle 29: Spezielle Therapiemöglichkeiten autonomer Diabetesneuropathien
Herz-Kreislauf-System
• Kardiovaskuläre Neuropathie:
Im allgemeinen keine spezielle Behandlung notwendig (wichtig: Diagnose und Therapie von koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz)
• Orthostasesyndrom:
Allgemeine Maßnahmen: liberalisierte Kochsalzzufuhr, körperliches Training, Schlafen mit erhöhtem Kopfteil (Verminderung der Diurese), Kompressionsstrümpfe, Beachtung hypoton wirkender
Pharmaka
Fludrocortison (beginnend mit niedriger Dosierung bei Beachtung von NW)
Blutdrucksteigernd wirksame Medikamente mit kurzer Halbwertszeit (z. B. Midodrin)
Gastrointestinales System
• Gastroparese:
Pharmakotherapie: Metoclopramid, Domperidon, Erythromycin
Jejunostomie / Ernährungssonde (nur in Ausnahmefällen)
• Diarrhoe:
Synthetische Opioide (Loperamid)
Clonidin (Alpha- 2- Rezeptor-Agonist)
Antibiotika: Doxycyclin, Ampicillin
Andere Substanzen (nach spezieller Ätiologie der Diarrhoe): Pankreasenzyme, Colestyramin,
Psyllium-Samen, Kaolin und Pektin, Octreotid (Somatostatinanalogon)
• Obstipation:
Volumenfördernde Maßnahmen: reichlich Flüssigkeit, Ballaststoffe (Psylliumsamen)
Bewegung
Osmotisch wirksame Laxanzien: Laktulose, Magnesiumsulfat, Natriumsulfat
Motilitäts- und sekretionswirksame Laxantien: Bisacodyl, Antrachinone
Versuch mit Prokinetika: Metoclopramid, Domperidon
• Stuhlinkontinenz:
Antidiarrhoika
Biofeedback-Techniken
Pupillomotorisches System
Hinweis für den Patienten auf verminderte Dunkeladaption und Gefährdung bei Nachtblindheit
Glaukomgefährung (Kontrolle des Augendrucks)
Urogenitales System
• Diabetische Zystopathie:
Selbstkatheterisation
Parasympathikomimetika (zum Beispiel Carbachol, Distigmin)
Diagnose und Therapie einer Prostatahyperplasie („bladder- outlet- obstruction“): konservative
(zum Beispiel Hyperthermie, Ballondilatation, Alpharezeptorenblocker) oder operative urologische
Maßnahmen (Prostataresektion)
Gegebenenfalls antbiotische Therapie
• Erektile Dysfunktion
Vermeidung medikamentöser Nebenwirkungen (bedingt durch Antihypertonika, Tranquilizer, Antidepressiva)
Sildenafil (Viagra)
Erektionshilfesysteme (Vakuumpumpe)
Intraurethrale Applikation von Alprostadil (MUSE)
Schwellkörper- Autoinjektionstherapie (SKAT)
Schwellkörperimplantat
Trophik
• Neuropathischer Fuß (neuropathisches Ulkus, Neuroarthropathie und –osteopathie):
Fußpflege (Schulung)
Druckentlastung (Vorfußentlastungsschuh, orthopädische Einlage und Schuhversorgung)
Infektionsbekämpfung (Antibiotika, Desinfektion)
Lokale chirurgische Maßnahmen (Abtragen von Nekrosen, Kallus und Granulationsgewebe;
Strahlresektion, Endgliedamputation), konservative oder operative Therapie einer AVK.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
•
•
Seite 273
Neuropathisches Ödem:
Saluretika
Sudomotorische Dysfunktion (diabetische Anhidrose, gustatorisches Schwitzen):
Fetthaltige Externa, Fußpflege
Vermeidung starker Hitzeexposition
Prophylaxe bei identifizierter Ursache des Schwitzens (Nahrungsbestandteile), Anticholinergika,
Clonidin (niedrige Dosis)
Endokrines System
• Neuroendokrine Dysfunktion:
Häufige Blutzuckerkontrollen und ärztliche Kontrollen, Vermeidung von symptomatischen und asymptomatischen (oftmals nächtlichen) Hypoglykämien
Therapie mit kurz wirksamen Normalinsulinen oder Insulinanaloga
[Quelle: Haslbeck, 1993; Haslbeck et al., 1999]
Je nach Ausprägungsart der diabetischen Neuropathie können unterschiedliche
Komponenten des Disease Management eingesetzt werden (Tabelle 30).
Tabelle 30: Komponenten des Disease Managements
Komponente
Beispiel
Ev. Therapie und
Ev. Leitlinien
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen Leitlinien an Hand von Algorithmen dargestellt werden. Für den Patienten
sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten einfach
und verständlich beschrieben werden [Friedman et al., 1998].
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren, Online- Systeme, für Ärzte
und Laien aufbereitete Studienergebnisse. Da die Neuropathie in der
klinischen Praxis oft vernachlässigt wird, ist hier durch die Informationssysteme ein Defizit aufzuholen
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators kann je nach Ausprägung
durch ein Call-Center oder eine speziell weitergebildete Krankenschwester / Pfleger wahrgenommen werden. Dazu gehören beispielsweise telefonische Beratung und Betreuung, die Schulung im Fußpflegeverhalten,
in der Selbstkatheterisierung u.a.
[Quelle: Eigene Darstellung]
(4) Diabetisches Fußsyndrom
Zur Ermittlung des diabetischen Fußes sind eine Reihe gezielter Fragen und eine
sorgfältige Inspektion und Palpation sehr erfolgreich in der Identifizierung dieser diabetischen Komplikation. Dabei ist vor allem die Differenzierung zwischen einer neuropathischen und/ oder angiopathischen Pathogenese für die weitere Therapie von
großer Bedeutung.
Erschwerend für die Therapie ist eine Infektion oder ein möglicher Charcot- Fuß im
Rahmen von diabetischen Osteopathien.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 274
Die Differenzierung der beiden Typen ist in Tabelle 31 aufgelistet.
Tabelle 31: Differentialdiagnose bei diabetischem Fuß
Neuropathischer Fuß
Angiopathischer Fuß
Anamnese
Langjähriger Diabetes mellitus
Schlechter Stoffwechsel (HbA1c >
7,5%)
Alkoholkonsum
Zusätzliche Risikofaktoren
- Fettstoffwechselstörung
- KHK, Hypertonie
- Nikotinabusus
- Claudicatio intermittens
Schmerzen
Unsicher (wenig bis keine)
Missempfindungen (kribbeln)
Ruhe- oder Belastungsschmerz
(veränderte Fontaine- Stadien beachten)
Lokalisierung der
Veränderung
plantar, selten dorsal
Druckstellen und Schwielen
Akral
Scheuerstellen an Zehen, Ferse
Inspektion
Fuß warm, rosig, trocken
Verstrichene Konturen
„Krallenfuß“
voluminöser Fuß
Fuß kalt
blass livide atrophische Haut
Infektzeichen
Feuchte, rasche, massive Ausbreitung trockene Gangrän
Stanzdefekt ohne Randwall;
oder torpides chronisches Ulkus;
Wundrand: rund
Wundrand: unregelmäßig
Fußpulse
(ggf. Handy-Doppler)
Vorhanden
(bei Fußödem schwer zu tasten)
nicht vorhanden bzw. abgeschwächt
(Cave: Mönckeberg- Sklerose)
Sensibilität/
Thermosensibilität
Reduziert (oft aufgehoben)
Unauffällig
Vibrationsempfinden
(Stimmgabeltest)
Vermindert
Altersabhängig < 6/8
Normal
altersentsprechend > 6/8
Reflexstatus
Reflexe reduziert
Reflexe unauffällig
Neurologischer Status:
Frühzeitige Osteolysen
unauffällige Knochenstruktur,
Charcot- Fuß (generalisierte Osteooft auch im Nekrosegebiet
arthropathie)
[Eigene Darstellung in Anlehnung an Fachkommission Diabetes Sachsen, 1998; Enderle et al., 1996])
Röntgen
Im Anhang befindet sich die orientierende Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten. Vor einer möglichen Therapie ist jedoch bei vorhandener Läsion eine Bewertung
vorzunehmen.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 275
Tabelle 32: Bewertung der Läsion vor Therapiebeginn
Klassifikation
Grad nach Wagner, Tiefe, Lokalisation
Ätiologie
Mechanische, thermische oder chemische Art
Neuropathie
Vibrationsempfinden, Gefühlsbestimmung
Angiopathie
Pulse, ABI, Zehendruck, tcPO2
Infektion
Kulturen, Röntgen, CT, MRT
Deformitäten
Hammerzeh, entzündeter Fußballen, Charcot
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Frykberg, 1997]
Für eine komplette und schlüssige Therapieoption liegt bis heute keine evidenzbasierte Leitlinie vor. Daher sind an dieser Stelle die Optionen lediglich aufgezählt. Einzig über die Antibiotische Therapie der infizierten Ulzera besteht Einigkeit.
Therapieoptionen:
•
Lokale Wundbehandlung
•
Debridement
•
Topische Agentien
•
Therapie der Infektionen (nachfolgend differenziert aufgeführt):
Tabelle 33: Therapiemöglichkeiten bei Infektionen
Grad der Gefährdung
Oral
Parenteral
Oberflächliche bzw. nicht
Cephalosporine (2. GeFuß- oder Bein- gefährdende neration)
Infektionen
Clindamycin
Amoxicillin plus Clavulansäure
Dicloxacillin
Gyrasehemmer
Fluorochinolone
Tiefe bzw. Fuß- oder Beingefährdende Infektionen
Fluorochinolone plus
Clindamycin
Cephalosporine (3. Generation) plus
Clindamycin
Ticarcillin+ Clavulansäure
Ampillicillin+ Sulbactam
Cephalosporine
Fluorochinolone+ Clindamycin
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Schwere lebensbedrohende
Infektionen
Seite 276
Imipenem- Cilastin
Vancomycin, Metronidazol, und Aztreonam
Ampicillin- Sulbactam und Aminoglykosid
Piperacillin+ Tazobactam
Ciprofloxacin+ Clindamycin
Piperacillin+ Clindamycin
Ticarcillin+ Clavulansäure+ Vancomycin+
Fluorochinolone
[Quelle: In Anlehnung an Caputo et al., 1994; Caballero et Frykberg, 1998; Seewald, 1999]
Ein maßgeblicher Anteil in der Therapie der Füße ist die Prophylaxe. Sie stützt sich
dabei auf folgende Maßnahmen:
•
Regelmäßige Inspektion und Untersuchung der Füße und der Bekleidung und
des Schuhwerks
•
Identifizierung der Hochrisikopatienten
•
Schulung von Patienten, Angehörigen und Heilberufen
•
Adäquates Schuhwerk
•
Behandlung von nicht- ulzerativen Befunden
•
Was an präventiven Maßnahmen zu leisten ist, kann man aus der im Anhang zu
findenden Präventionsliste entnehmen
Der zweite Aspekt ist die frühzeitige Erkennung von Hochrisiko-Patienten und damit
die Ausschaltung möglicher Risikofaktoren (Risikofaktoren durch Anamnese und klinische Untersuchung eruiert):
•
Frühere Ulzera/ Amputationen
•
Fehlen von sozialen Kontakten
•
Niedriges Bildungsniveau
•
Verschlechterte Sensibilität
•
Verschlechtertes Vibrationsempfinden
•
Fehlender Achillessehnenreflex
•
Kallusbildung
•
Fußdeformitäten
•
Inadäquates Schuhwerk bzw. Kleidung
•
Fehlender Puls der A. dorsalis pedis bzw. A. tibialis posterior
Die Therapie des diabetischen Fußes beschränkt sich nicht auf die Ulzera allein,
sondern berücksichtigt auch progressive Faktoren im Verlauf.
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 277
Als Therapieoptionen stehen zur Verfügung:
•
Fußchirurgische Maßnahmen
•
Zirkulatorische Maßnahmen
•
Medikamentöse Maßnahmen
•
PTCA
•
Gefäßchirurgische Maßnahmen
•
Fußentlastung
Tabelle 34: Disease Management Komponenten
Komponente
Beispiel
Die evidenzbasierte Therapie sollte für Arzt und Patient in eigenen LeitTherapie und
Leitlinien (evidenzbasiert) linien an Hand von Algorithmen dargestellt werden. Für den Patienten
sollten Ursachen, Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten und die
Bedeutung der regelmäßigen Selbstinspektion und des richtigen Fußpflegeverhaltens einfach, verständlich und detailliert beschrieben werden [Litzelman et al., 1993].
Informationssysteme
Dazu gehören u.a. spezifische Broschüren, Online- Systeme, für Ärzte
und Laien aufbereitete Studienergebnisse, Adressenlisten von orthopädischen Schuhmachern, Fußpflegezentren u.a.
Schulung
Sie kann einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Patienten leisten,
wie die Fußinspektion und die Fußpflege durchgeführt wird. Sie sollte
unterstützende Arbeitsblätter, evtl. einen Patientenselbstvertrag und das
Einüben der Selbstinspektion der Füße beinhalten [Litzelman et al.,
1993].
Krankheitskoordinator
Die Aufgaben des Krankheitskoordinators könnte in diesem Fall ein CallCenter [Piette, 2001]zusammen mit einer speziell weitergebildeten Krankenschwester 7 Pfleger im Rahmen beispielsweise von speziellen Fußsprechstunden wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise telefonische
Beratung und Betreuung sowie die regelmäßige Kontrolle, ob der Patient
die Fußinspektion und die Fußpflege selbst beherrscht (durch die Krankenschwester). Amputationsraten können dadurch deutlich gesenkt
werden [Staer-Johansen, 1996]
Remindersysteme
Postalische oder telefonische Reminder für Patienten, sowie Chart Reminder für Ärzte können beispielsweise an Untersuchungstermine, die
Selbstinspektion, Inhalte des Selbstvertrags u.a. erinnern [Litzelman et
al., 1993]
[Quelle: Eigene Darstellung]
All diese Maßnahmen des Basismoduls kombiniert mit den Ergänzungsmodulen
(Spezifische Therapie allein oder kombiniert mit Komplikationstherapie) stellen das
Individuelle Patientenmanagement nach Risikostratifizierung dar. Dieses Manage-
Disease Management in Deutschland – Diabetes Mellitus
Seite 278
ment berücksichtigt gleichzeitig den klinischen Zustand des Patienten, ebenso wie
die entsprechenden psychosozialen Faktoren.
Das Disease Management Programm Diabetes ist durch seine Einzelkomponenten
sehr flexibel und immer individuell anzupassen.
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 279
12 Kosten- Effektivität als Voraussetzung
für den Einsatz von Disease Management Programmen
12.1 Einführung
Der medizinische Nutzen von Disease Management Programmen ist unbestritten.
Der in ein solches Programm eingebundene Patient kann im Durchschnitt eine bessere medizinische Behandlung erwarten als ein Patient, der nicht in ein solches Programm eingebunden ist.
Der medizinische Nutzen allein erlaubt jedoch noch keine Aussage darüber, ob es
aus gesellschaftlicher und aus Sicht der Krankenkassen auch ökonomisch sinnvoll
ist, solche Programme einzuführen. Um diese Aussage treffen zu können, ist es notwendig, die Kosten und den (monetären) Nutzen der Programme zu messen. Das
Problem besteht darin, dass je nach eingenommener Sichtweise (beispielsweise
Krankenkassen, Patient oder Gesellschaft) die Kosten unterschiedliche Teilbereiche
umfassen und generell methodisch unterschiedlich bemessen werden können.
Würde der (monetäre) Nutzen der Programme höher liegen als die verursachten
Kosten, so läge eine positive Kosten- Effizienz vor und die Einführung der Programme könnte auch unter ökonomischen Gesichtspunkten empfohlen werden. Im umgekehrten Fall lägen die Kosten höher als der Nutzen, was nicht zwangsläufig eine Ablehnung der Disease Management Programme bedeuten muss. Denn beispielsweise
könnte aus Sicht der Krankenkassen bei den Disease Management Programmen
eine negative Kosten- Effizienz vorliegen, aus Sicht der Patienten jedoch ein klarer
Vorteil durch verbesserte medizinische Versorgung. Die Wertschätzung der Beitragszahler könnte so hoch ausfallen, dass diese bereit wären, die Mehrkosten zu tragen,
oder durch den Abbau von anderen Leistungen, bevorzugt Über- und Fehlversorgungsleistungen, zu finanzieren.
Die Analyse der Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen kann somit, unabhängig vom Ergebnis, nicht unmittelbar zu einer Ablehnung der Programme
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 280
führen, sondern entweder zu einer Verstärkung der medizinischen Vorteile (bei positiver Kosten- Effizienz) oder einer vertieften Diskussion der Präferenzen der Beitragszahler (bei negativer oder unbestimmter Kosten- Effizienz).
Es ist erstaunlich, dass Disease Management Programme bisher in Deutschland ungeachtet der intensiven weltweiten Diskussion nur geringe Beachtung gefunden haben. Die Ursache liegt nicht in der zu geringen Wettbewerbsintensität zwischen den
Krankenkassen, wie teilweise vermutet, sondern umgekehrt in der verzerrten Wettbewerbssituation. Patienten mit chronischen Erkrankungen, wie sie für Disease Management Programme geeignet sind, haben bisher immer einen erheblichen finanziellen Nachteil für die Krankenkassen dargestellt, denn im Rahmen des Risikostrukturausgleich wurde im wesentlichen nach demografischen Angaben ausgeglichen,
nicht jedoch nach der Morbidität. Mit anderen Worten hat ein 40-jähriger ohne chronische Erkrankung die gleichen Ausgleichsbeträge erzielt wie ein 40-jähriger mit Diabetes mellitus oder einer anderen kostenintensiven Erkrankung. Es könnte argumentiert werden, dass es für eine Krankenkasse dennoch attraktiv gewesen wäre, Disease Management Programme einzuführen, wenn diese kosteneffektiv seien. Nicht übersehen werden darf jedoch, dass diese Disease Management Programme eine
hohe Wirksamkeit in der medizinischen Versorgung aufweisen. Der medizinische
Nutzen allein würde die Krankenkasse bereits attraktiv für andere Patienten mit derselben Erkrankung machen. Paradoxerweise herrscht somit die Situation, dass je
besser ein Disease Management Programm eingerichtet wäre, desto mehr teure
Versicherte würden zu dieser Krankenkasse wechseln. Die für den Versicherten unerfreuliche Lehre aus diesem Dilemma lautet, dass eine Krankenkasse betriebswirtschaftlich um so rationaler handelte, je schlechter sie chronisch erkrankte Versicherte betreut, und diese somit zu einem Wechsel in andere Krankenkassen animierte.
Der bisherige Risikostrukturausgleich hat sich damit nicht neutral (oder gar befürwortend) gegenüber der Versorgungsqualität verhalten, sondern sogar mindernd.
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 281
12.2 Aspekte der Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen
Die Kosten von Disease Management Programmen setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen [Doxtator, 2000]. Unterschieden werden einmalige und laufende Kosten.
Einmalige Kosten:
• Einführungskosten
• Werbekosten (insbesondere Anschubwerbung zur Bekanntmachung der DiseaseManagement- Programme)
• Akkreditierungskosten (wobei diese in regelmäßigen Abständen bei der Reakkreditierung wieder als „regelmäßige Fixkosten“ auftreten)
Laufende Kosten:
• Verwaltungskosten (inklusive Kosten für erweitertes Datenmanagement)
• Schulungskosten für Patienten
• Kosten für zusätzliche Behandlungen der Patienten, die über die bisherigen Untersuchungen hinausgehen. (Kosten durch Arzneimittel, Screening, Einsatz von
Call- Centern oder Krankenschwestern als Krankheitskoordinatoren)
• Kosten der Mehrbehandlung aufgrund der Lebensverlängerung der Patienten in
Disease Management Programmen.
Dem stehen die durch die evidenzbasierte Medizin vermiedene Kosten gegenüber:
•
Abbau nicht indizierter Leistungen
•
Abbau von Überversorgung und Fehlversorgung mit Arzneimitteln
•
Vermiedene Krankenhauseinweisungen
Der Nutzen der Programme sollte bevorzugt in monetären Größen bewertet werden,
um eine Vergleichbarkeit und klarere Entscheidungshilfe zu erreichen. Einige Nutzenkomponenten sind jedoch nur schwer in monetäre Größen zu fassen, wie beispielsweise die Lebensqualität oder gewonnene Lebensjahre. Hier wird in der Regel
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 282
der Quotient aus Kosten pro gewonnenem Lebensjahr oder anderen nicht- monetären Größen gebildet.
Nutzenkomponenten lassen sich in harte und weiche Faktoren untergliedern:
• Vermeidung von Krankenkassenausgaben durch Vermeidung oder Hinauszögern
akuter Komplikationen und Folgeerkrankungen bei chronischen Erkrankungen
• Vermeidung von Beeinträchtigungen und Lebensqualitätseinbußen bei Patienten
durch chronischen Erkrankungen. So ist beispielsweise unbestritten, dass die
Reduzierung zu hohen Blutdrucks die Wahrscheinlichkeit von kardiovaskulären
Erkrankungen verringert [Joint National Commitee, 1999]
• Werbeeffekte für einzelne Krankenkassen durch gute Disease Management Programme
• Ansehensgewinne für das Gesundheitssystem durch patientenzentrierte und qualitätsgesicherte Behandlungsmethoden (Durchbrechung der Broken- WindowSpirale)
• Abbau der Über-, Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitssystem
• Senkung des Verlustes an Arbeitsausfall in Betrieben. So berechnete GuicoPabia, dass ein Arbeitnehmer mit ischämischer Herzerkrankung dem Arbeitgeber
Kosten von 4.298 US$ pro Jahr verursacht, im wesentlichen aufgrund des Arbeitsausfalls und erforderlicher Mehrarbeit von Kollegen [Guico- Pabia, 2001].
In allen Studien zur Evaluation der Disease Management Programme besteht das
Problem in der nur ungenügenden Datenhaltung bei Krankenkassen. Zudem ist unmittelbar ersichtlich, dass der Nutzen, ebenso wie ein Teil der Kosten, auch außerhalb der Krankenkassen anfällt. Eine Evaluation aus Sicht der Krankenkassen wird
daher nicht alle Kostenaspekte berücksichtigen müssen, beziehungsweise diese
nachrichtlich ausweisen [Langley, 1996].
12.3 Evidenz für Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen
Die Literatur bietet eine große Auswahl von wissenschaftlichen Studien, welche die
Kosten- Effizienz der Disease Management Programme untersuchen. Generell müs-
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 283
sen Studien zur Evaluation der Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen mehrere methodische Hürden bewältigen:
• So ist es wichtig, dass das Studiendesign eine möglichst repräsentative Auswahl
an Krankheiten, Erhebungsorten (wie Krankenkassenzugehörigkeit, Krankenhäuser, Regionen) und Patienten berücksichtigt
• Die Studiendauer sollte so lang gewählt werden, dass sich Effekte ausreichend
genau beobachten lassen, also sowohl Kosten als auch Nutzen der Programme
stabil abgelesen werden können
• Das Studiendesign sollte geeignet sein, Verzerrungen aus der Person der Versicherten gering zu halten, also im optimalen Fall eine randomisierte Zuordnung
der Patienten aufweisen
• Es sollte sichergestellt sein, dass die Änderung im Gesundheitszustand der Patienten durch das Disease Management Programme verursacht wurde und nicht
durch andere Variablen, die in der Studie eventuell gar nicht berücksichtigt wurden, wie beispielsweise einer Änderung der Finanzierungsmodalitäten bei den
behandelnden Ärzten [Armour et al., 2001]. Notwendig ist daher zum einen die
Erhebung eines Gesundheitszustandes zu Beginn der Studie (Baseline) und eine
Kontrollgruppe, die keine Intervention durch das Disease- Management- Programm erfährt.
12.3.1
Mehrkosten von Krankheiten
Disease Management Programme sind um so eher kostenneutral einzuführen, wenn
sich überhaupt große Kostenvarianzen bei der Behandlung von identischen Erkrankungen über Patienten hinweg ergeben. Treten bei einer Krankheit sowohl bei optimierter, evidenzbasierter als auch bei mangelhafter Therapie keinerlei Kostendifferenzen auf, kann auch ein Disease Management Programm nur schwer ökonomische Vorteile erbringen. Dass hohe Kostendifferenzen resultierend aus unterschiedlichen Behandlungsansätzen in der Praxis tatsächlich vorliegen, zeigen eine Vielzahl
von Studien, von denen einige ausgewählte Beispiele in folgender Tabelle gezeigt
werden.
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 284
Tabelle 1: Mehrkosten für ausgewählte Erkrankungen
Literatur und
Krankheitsart
Mehrkosten
Berry et al, 2001
Review: Prävalenz der CHF von 1 bis 2% in den USA mit steigender
Chronische
Tendenz, Ausgaben für CHF machen 1 bis 2% der gesamten
Herzerkrankung (CHF) Gesundheitsausgaben aus. Schwere Fälle verursachen 8 bis 30 mal höhere
Ausgaben als leichte Fälle. Ausgaben für Krankenhausaufenthalte machen
den größten Anteil aus. Die Optimierung der medikamentösen Therapie
(ACE-Hemmer) verspricht die größte Senkung der Ausgaben und wird als
hoch kosteneffektiv eingeschätzt. Für die USA werden 36 Mio. US$ genannt.
Selby et al, 1997
Diabetes mellitus
Evaluation der Ausgaben von 85.209 Mitgliedern einer Managed Care
Organisation in den USA; gematchte Kontrollstudie: Mehrkosten bei
Vorliegen eines Diabetes mellitus von 3.494 US$ pro Patient. 2,4-fach höhere
Ausgaben für Patienten mit Diabetes, davon 38,5% für
Krankenhausaufenthalte und 38% für langfristige Komplikationen des
Diabetes mellitus.
Giles, 1996
Herzinsuffizienz
Review: Prävalenz von 1,9 Mio. Personen in Deutschland, mit einer Mortalität
von 7,5% bis 40% pro Jahr je nach Schweregrad. Zwischen 1977 und 1986
stieg die Krankenhaushäufigkeit für die Erkrankung um mehr als das 2-fache.
Schädlich & Brecht,
1997
Myokardinfarkt
Modellrechnung: Bei den in Studien ermittelten Wirksamkeiten von Aspirin
zur Prophylaxe nach erlittenem Myokardinfarkt ergibt sich in einem ZweiJahres-Zeitraum ein Einsparpotential von 5.535 DM pro Patient.
Hochgerechnet auf die Bundesrepublik werden für die Krankenkassen
Einsparungen bei stationären und ambulanten Behandlungen von rund 100
Mio. DM ermittelt.
[Quelle: Eigene Darstellung]
Die Auswirkung einer evidenzbasierten Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz untersuchte Giles in einem Review [Giles, 1996]. Anhand großer Studien wie
der CONSENSUS, SOLVD, SAVE und dem deutschen Munich Heart Failure Trial
wird gezeigt, dass immer eine signifikante Reduzierung der Krankenhaushäufigkeit
durch den richtigen Einsatz von ACE- Hemmern erreicht werden kann. Die SOLVD
Studie zeigte eine Vermeidung von 50 Todesfällen und 350 Krankenhauseinweisungen bei der Behandlung von 1.000 Patienten mit Herzinsuffizienz. Für die USA wurden hieraus Einsparungen von 2,4 Mrd. US$ pro Jahr berechnet. Zusätzlich werden
verringerte Progressionen der Krankheit erreicht. In der SAVE Studie sanken die
Krankenhauseinweisungen von 4,9 auf 3,9 pro 100 Patienten und Jahr. Myokardinfarkte reduzierten sich von 170 auf 133, PTCA‘s von 77 auf 56 und Bypassoperationen von 128 auf 103.
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 285
Erstaunlich ist dabei, dass bei weitem nicht alle Ärzte ACE- Hemmer bei den in Frage
kommenden Patienten einsetzen. So berichtet Mark, dass nur 53% der Allgemeinmediziner und 75% der Kardiologen ACE- Hemmer bei Patientengruppen mit einer
milden Form der Herzinsuffizienz einsetzen, obwohl klare medizinische und ökonomische Gründe dafür sprechen [Mark, 1997].
Die Behandlung mit ACE- Hemmern bei Herzinsuffizienz ist damit ein sehr exponiertes Beispiel dafür, wie optimale Betreuung im Rahmen von Disease- ManagementProgrammen Folgekosten vermeiden hilft.
Die Untersuchung von Cleland & Walker macht zudem deutlich, dass es vielfach keine Therapie gibt, die auf alle Patientenpopulationen angewandt werden kann [Cleland et al.,1997]. So stellen sie fest, dass die Kosten- Effektivität der chirurgischen
Behandlung von Angina Pectoris gegenüber der konservativen Behandlung bei einigen Patientensubgruppen gegeben ist, bei anderen jedoch nicht.
12.3.2
Beispiele für Evaluationen von Disease Management Programmen
Die Studien zur Evaluation von Disease Management Programmen evaluieren teilweise gesamte Programme, teilweise jedoch auch nur Teilbereiche oder Komponenten. Keine Studie versuchte eine Abschätzung, welche Kosteneffekte sich aus Disease- Management- Programmen für eine Volkswirtschaft ergeben.
Im folgenden werden Studien aufgeführt, die gesamte Programme unterschiedlicher
Krankheitsbilder einbeziehen.
• In einer Simulation mit Morbiditätsdaten aus der Schweiz haben Gozzoli et al. die
zusätzliche Lebenserwartung und die vermiedenen Kosten aus der Teilnahme an
einem Disease- Management- Programm im Bereich Diabetes mellitus berechnet
[Gozzoli et al., 2001]. Einbezogen wurden die Folgekosten aus Komplikationen.
Die Simulation zeigt, dass Patienten mit einer höheren Lebenserwartung von 0,56
Jahren (nicht diskontiert) rechnen können und gleichzeitig 7.313 SF ( jährlich diskontiert mit 3%) eingespart werden. Die Kosten entsprechen 10,7% der gesamten
Behandlungskosten in der Schweiz für die Patientengruppe ohne Teilnahme an
einem Disease Management Programm. Indirekte Kosten wurden in der Analyse
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 286
nicht berücksichtigt. Die Studie zeigt, dass trotz der Ausgaben für das eigentliche
Disease- Management- Programme Kosten- Effizienz erreicht werden kann.
• In einer Studie über 190 Patienten in Schweden wurden in einem 1-JahresZeitraum die Auswirkungen eines Disease- Management- Programms in Form
von Patientenschulungen, Beeinflussung von Verhaltenshinweisen und einer
Betreuung in einer speziellen niedergelassenen Poliklinik bei Patienten mit Herzinsuffizienz beobachtet [Cline et al., 1998]. Bereits dieses rudimentäre Disease
Management Programm konnte in dem kurzen Beobachtungszeitraum die Zeit bis
zu einer Wiederaufnahme in ein Krankenhaus von 106 auf 141 Tage verlängern
und die jährlichen Kosten der Gesundheitsversorgung von 3.594 US$ auf 1.300
US$ senken. Die Überlebensrate zeigte zwischen den Gruppen, wohl auch aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraumes, keine signifikanten Ergebnisse.
• In einem Review über Möglichkeiten zur Verbesserung der Behandlung der Herzinsuffizienz erkannte Giles, dass ein Disease Management Programm in Form einer zusätzlichen Krankenschwester (Krankheitskoordinator), welche die Patienten
unterweist, bereits 8.000 US$ pro Jahr einspart und die Krankenhaustage pro Patient und Jahr von 1,8 auf 0,7 senkt [Giles, 1996]. Als Grund wird genannt, dass
die intensive Betreuung die Patienten bereits zu einer besseren Compliance (wie
Befolgung von Anweisungen) animiert.
• Bei 162 Patienten, bei denen Asthma neu diagnostiziert wurde, untersuchten
Kauppinnen et al. in einem 3- Jahres Zeitraum die Kosten- Effizienz von intensiver Unterweisung und der Anleitung zum Selbstmanagement der Krankheit
[Kauppinnen et al., 1999]. Gegenüber der randomisiert ausgewählten Kontrollgruppe hatte die Interventionsgruppe signifikante Verbesserung der Lungenfunktion. Die Summe aus direkten und indirekten Kosten in beiden Gruppen wies keine signifikanten Unterschiede auf.
• Rich et al. untersuchten explizit die ökonomischen Auswirkungen der Behandlung
in Disease Management Programmen bei Herzinsuffizienz [Rich et al., 1995].
Über 282 Patienten wurden in einer randomisierten Zuweisung zur „Normalthera
pie“ und der „Disease Management Programm- Therapie“ einbezogen. Die Disease Management Programm- Therapie umfasste Beratung durch eine Krankenschwester, Ernähungsinformation durch eine Fachkraft, Arzneimittelüberprüfungen sowie Hausbesuche und Telefonberatungen (Telemanagement) durch
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
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einen Krankheitskoordinator. 90 Tage nach dem stationären Aufenthalt, der den
Studieneintritt begründete, hatten Disease Management Programm- Teilnehmer
um 44% geringere Wiedereinweisungen. Die Lebensqualität zeigte ebenfalls
Verbesserungen um 80 bis 90% auf den verwendeten Skalen. Die ökonomische
Rechnung wies Einsparungen von 1.000 US$ bei der stationären Behandlung
auf, denen Mehrkosten für das Disease Management Programm von 216 US$
sowie Mehrkosten der Familie des Patienten in Höhe von 336 US$ entgegengestellt werden müssen. In der Bilanz ergaben sich damit Einsparungen von rund
500 US$ pro Patient bereits nach 90 Tagen.
• Abweichende Ergebnisse fand die Gruppe um Weinberger in einer Studie an 9
Krankenhäusern und randomisiert zugeordneten 1.396 Patienten mit Diabetes,
chronischer Lungenerkrankung oder Herzinsuffizienz [Weinberger et al., 1996].
Die Intervention umfasste die Betreuung der Patienten durch eine Krankenschwester und einen Arzt von der Entlassung bis zu einem Zeitpunkt von 6 Monaten. Zwar waren die Patienten signifikant zufriedener mit der Betreuung als die
Patienten ohne Disease Management Programm, jedoch zeigte sich kein Effekt
bei der Länge und Anzahl der stationären Wiederaufnahmen. Als Ursache wurde
vermutet, dass die Behandlung in der Kontrollgruppe bereits in sehr guten Zentren stattfand, und daher kaum noch Qualitätsverbesserungen möglich waren.
Dies wurde durch die Analyse der Medikamentenverordnungen in der Gruppen
bestätigt.
• In Schweden wurde in einem schlanken Disease- Management- Programm zur
Behandlung des Bluthochdrucks über 508 Patienten ein 3 Jahres Follow- Up über
Kosten und Nutzen durchgeführt [Johannesson et al., 1995] Die Intervention umfasste Unterrichtungen der Patienten durch Krankenschwestern, ärztliche Hinweise zum Raucherverhalten, Gruppendiskussionen zur Ernährung und spezielles
Übungsmaterial. Die Gesamtkosten für das Disease Management Programm
wurden mit 4.903 SK für 3 Jahre pro Patient geschätzt. Das Programm wurde im
Vergleich zu anderen medizinischen Interventionen als kosteneffektiv eingeschätzt.
• In einer Studie mit insgesamt 60 niederländische Krankenhäuser untersuchten
van Bergen et al. [1995] Kosten und Nutzen von langfristiger Behandlung mit Anti- Koagulanzien nach erlittenem akutem Myokardinfarkt [van Bergen et al., 1995]
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 288
Bei 3.404 nicht im Krankenhaus verstorbenen Patienten wurde die Medikation im
Vergleich zur Placebogabe über maximal 37 Monate Follow- Up untersucht. Es
handelt sich um eine randomisierte doppelblinde Studie. Als Kosten wurden Wiederaufnahmen ins Krankenhaus, die zusätzliche medikamentöse Behandlung über Anti- Koagulanzien und die Kosten der wichtigsten kardiologischen Interventionen berücksichtigt. Ergebnis der Studie ist, dass die Anzahl der Krankenhaustage von 18.830 auf 15.083 verringert werden konnte. Die Kosten für die medizinische Versorgung reduzierten sich von 10.784 FL auf 9.878 FL pro Patient. Indirekte Kosten und Behandlungskosten durch niedergelassenen Ärzte wurden nicht
berücksichtigt.
• Dass die Schulungen von Ärzten zu geringeren Kosten führen kann, konnten
Manheim et al. in einer randomisierten Studie über insgesamt 105 Ärzte nachweisen [Manheim et al., 1995]. In mehrjährigen Schulungen mit jeweils zwei Terminen pro Jahr (mit 6 zweistündigen Sitzungen) wurden Themen wie Diagnoseverkürzung, Verschreibungsverhalten, Verweildauersenkung und Leitliniennutzung
besprochen. Hinzu kamen Fallbesprechungen. Die Intervention verringerte die
Verweildauer fallschwereadjustiert um 1,05 Tage oder 1.070 US$ pro Patient.
• Lediglich die Arzneimittelkosten in Disease Management Programmen untersuchten Munroe et al. Sie stellten fest, dass die Arzneimittelkosten zwischen 144 und
193 US$ pro Patient und Monat sanken. Die Studie fand mit 589 Patienten mit
den Diagnosen Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten, Diabetes und Asthma
statt [Munroe et al., 1997].
• In einem Disease Management Programme für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz wurden 1.541 Patienten behandelt [Nissenson et al., 2001] Gegenüber
Patienten ohne Teilnahme an dem Programm waren die Überlebenswahrscheinlichkeiten um 19% bis 35% verbessert und die Raten der Krankenhauseinweisungen um 45% bis 54% vermindert.
12.3.3
Vergleich mit betrieblichen Gesundheitsprogrammen
Eine ähnliche Diskussion wie bei Disease Management Programmen wurde auch bei
betrieblichen Programmen der Gesundheitsförderung geführt. Diese Programme umfassen beispielsweise die Anleitung zur Gewichtsreduktion, Diskussion der Raucher-
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 289
gewohnheiten und die generelle Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen.
Auch hier wurden Klagen laut, dass die Investitionen der Arbeitgeber in diese Programme ungewissen ökonomischen Nutzen haben würden. Die Ansatzpunkte beider
Programmtypen weisen sogar Überschneidungen auf, indem beide ein kontinuierliche Betreuung, Qualitätssicherung und Evaluation benötigen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Arbeitgeber die Kosten- Effizienz von
Maßnahmen für ihre Beschäftigten genau evaluieren. Im Jahr 1997 hatten von 1.050
befragten Betrieben 89% bereits ein Gesundheitsförderprogramm eingeführt, wovon
78% auch eine Schulung der Beschäftigten umfasste. Die Arbeitgeber haben die
Programme als starkes Argument der Mitarbeitermotivation gesehen [Pelletier, 1999].
Pelletier gibt für einige betriebliche Maßnahmen an, dass diese nach rund 1 Jahr
spürbare Verhaltensänderungen bei den Betroffenen bewirken und nach rund 3 bis 5
Jahren eine positive Kosten-Effizienz aufweisen. Hierbei muss beachtet werden,
dass die Programme keine strengen Selektionskriterien und Evidenzbasierung aufweisen, wie sie im Rahmen der Einführung von Disease Management Programmen
im Risikostrukturausgleich gefordert werden. Vielmehr decken sie eine breite Streuung an Methoden und Mitarbeitern ab. Die Kosten- Effizienz von geprüften Disease
Management Programmen, welche sich an Versicherte mit erhöhtem Morbiditätsrisiko wenden, dürfte daher früher erreicht werden.
Heany & Goetzel haben im Jahr 1997 einen Review über 47 Studien angefertigt, die
insgesamt 35 Gesundheitsprogramme in Betrieben umfassen. Das Ergebnis des Reviews ist, dass insgesamt ein positiver Outcome der Programme als „indiziert bis akzeptabel“ gelten kann [Heaney et al., 1997]. Zu dem gleichen Ergebnis kam
O’Donnell, der die finanzielle Seite von betrieblichen Gesundheitsprogrammen untersuchte [O‘ Donnell, 1997]. Einbezogen wurden 36 Studien, von denen zwei Drittel als
Methodik einen Gruppenvergleich einsetzen, teilweise mit einer Randomisierung, das
heißt der zufallsgesteuerten Zuweisung von Studienteilnehmern in die Interventionsgruppe, die an dem Disease Management Programm teilnimmt und der Kontrollgruppe, die nicht an dem Disease Management Programm teilnimmt.
Aldana untersuchte explizit die Kosten für die Arbeitgeber und stellte in einem Review über 72 Studien fest, dass eine Senkung der krankheitsbedingten Abwesenheiten und der Ausgaben für Krankheitsbehandlung nachgewiesen werden konnte [Aldana, 2001].
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 290
Die amerikanische Citibank konnte 25.931 Mitarbeiter in ein Programm einschließen
(54 % aller Mitarbeiter) [Ozminkowski et al., 1999]. Das betriebliche Disease Management Programm umfasste Beratung, Umgang mit chronischen Erkrankungen und
Hinweise zur Vermeidung unnötiger oder nicht angemessener Behandlungen. Im
Durchschnitt wurden die eingeschlossenen Mitarbeiter über 38 Monate evaluiert. Als
Ergebnis wurde festgestellt, dass auch nach einer Fallschwereadjustierung jeder investierte Dollar zwischen 4,56 US$ und 4,73US$ als Return on Investment (ROI) erbrachte.
12.4 Zusammenfassung und Diskussion
Aufgrund der bisher unterentwickelten Beachtung von chronischen Erkrankungen im
Risikostrukturausgleich war es für Krankenkassen eher von ökonomischem Nachteil,
Disease Management Programme aufzulegen und damit weitere chronisch erkrankte
Versicherte anzuwerben. Bestehende Programme wurden kaum beworben. Deutsche Erfahrungen mit Disease Management Programme sind daher auch nur vereinzelt zu finden.
Exemplarisch kann der Bericht eines privatwirtschaftlichen Unternehmens sein, das
200 Patienten mit Asthma und Diabetes in Disease Management Programmen betreut [Ärzte- Zeitung Online, 26.02.2001]. Das Programm erstreckte sich über ein
Jahr und beinhaltete regelmäßige Informationsgespräche. Asthma- Patienten verursachten innerhalb des Programms 30% weniger Kosten bei stark gestiegener Lebensqualität. Die Kosten für kurzzeitige Krankenhausaufenthalte gingen sogar um
80% zurück. Auch bei Diabetes- Patienten ergab sich eine deutlich verbesserte
Compliance.
Insgesamt ist die Studienlage der ausländischen Evaluationen zur Bewertung der
Kosten- Effizienz von Disease Management Programmen gemischt. Aus gesellschaftlicher Sicht ist anscheinend eine ausreichend hohe Evidenz für vorhandene
Kosten- Effizienz ablesbar. Werden hingegen nur die Ausgaben und Einsparungen
der Krankenkassen betrachtet, scheint insbesondere die Qualität der Programme
entscheidenden Einfluss zu haben. Die enge Orientierung an evidenzbasierter Medi-
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 291
zin, der Einsatz von geschulten Fachkräften und die kontinuierliche Evaluierung der
Wirksamkeit sind entscheidende Komponenten.
Die Analyse leidet unter der in den Studien oftmals nicht genau spezifizierten Art der
Komponenten der Disease- Management- Programme sowie der betrachteten Kostenblöcke [Stone et al., 1999]. Hier sollte weitere Forschung betrieben werden, um
die Ursachen für unterschiedliche Wirksamkeit festzustellen. Hinzu kommt, dass die
weitaus meisten Studien in den USA durchgeführt wurden, dort jedoch im Rahmen
der Managed Care Modelle andere Rahmenbedingungen herrschen. Bei Übertragung auf deutsche Verhältnisse müssen einige Besonderheiten werden:
• Die Einschreibung in die Disease- Management- Programme im Risikostrukturausgleich wird wesentlich strengeren Kriterien unterliegen als in den USA, wo im
Prinzip keinerlei einheitliche Kontrolle vorlag. Daher wird in Deutschland der
durchschnittliche Patient in den Programmen morbider sein, was zu größeren
Einsparpotentialen führt.
• Die höchsten Kosten fallen durch akutstationäre Einweisungen an. In einer kontrollierten randomisierten Studie untersuchten Linne et al. [2000] in Schweden die
direkten Kosten für die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz nach der
ersten Hospitalisierung [Linne et al., 2000]. Die Kosten betrugen 2.564 US$ im 6Monats- Follow up, davon ein knappes Drittel Kosten der akutstationären Behandlung. Medikamente machten beispielsweise nur rund 3% der Kosten aus.
Dies macht deutlich, dass die Verringerung der Krankenhauseinweisungen der
zentrale Hebel ist, um die Kosten zu senken. In den USA liegen die Einweisungsquoten im internationalen Vergleich bereits sehr niedrig. Deutsche Programme
stoßen hier auf weitaus größere Möglichkeiten der Reduktion. Zu fragen ist allerdings, ob die Verminderung der Einweisungen auch durch andere Finanzierungsmechanismen erreicht werden kann, so dass dieser Effekt in Deutschland
nicht nur Disease Management Programmen zugeschrieben würde.
• Auch die Qualität der Programme selbst unterliegt im Ausland lediglich der freiwilligen Kontrolle. In der Regel werden die Programme in einem nicht akkreditierten
Verfahren von Managed Care Organisationen oder Pharmafirmen entwickelt und
nicht zwingend an neue Entwicklungen angepasst. Die angestrebte hohe Qualität
der deutschen Programme garantiert, dass sowohl der Nutzen als auch die Effektivität der Programme maximiert werden. Dies bedeutet jedoch auch, dass die
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 292
Akkreditierungsstandards auf einem hohen Niveau etabliert werden müssen, und
somit im Zweifel weniger, dafür jedoch optimierte Programme eingeführt werden.
• In Deutschland sind durch die ungenügenden Anreize zur Nutzung preiswerter
Arzneimittel (Generika) noch große Kostensenkungspotentiale vorhanden. Diese
können im Rahmen von Disease- Management- Programmen systematisch genutzt werden. Auch hier ist der Unterschied zu den USA zu sehen, wo diese Potentiale im Rahmen von Managed Care Ansätzen bereits vorab ausgeschöpft
wurden. Wie bei der Verminderung der Krankenhauseinweisungen kann jedoch
argumentiert werden, dass die Einsparpotentiale theoretisch auch durch andere
gesetzgeberische Aktivitäten gehoben werden könnten.
Insgesamt lassen sich gewichtige Argumente finden, die die Kosten- Effizienz der
Disease Management Programme belegen. Die wichtigsten Argumente, wie Vermeidung von Krankenhauseinweisungen, Nutzung von Generika, systematische Umsetzung von Empfehlungen evidenzbasierter Leitlinien in die Routineversorgung, die zur
Vermeidung akuter Komplikationen und zur Hinauszögerung von Folgeerkrankungen
führen und so kurz- und langfristige Einsparpotenziale mobilisieren können.
Dennoch kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass jedes Disease
Management Programm in Deutschland nach angemessener Zeit einen direkten ökonomischen Nutzen für die Krankenkasse abwirft. Wie bereits oben dargestellt,
müssen zum einen auch die nicht monetären Größen, wie Werbeeffekte und Kundenbindung an die Krankenkasse, berücksichtigt werden.
Zum anderen muss beachtet werden, dass das Ziel der gesundheitlichen Versorgung
die Erbringung höchster Qualität ist, also eine Verminderung von Über-, Unter- und
Fehlversorgung. Im Gutachten des Sachverständigenrates wurde in Band III/ 2001
explizit auf die derzeitig mangelhafte Situation in Deutschland eingegangen. Wenn
qualitätsgesicherte Disease- Management- Programme es schaffen, hier eine bessere Situation in Deutschland herzustellen, ist bereits ein großer Schritt nach vorn geschafft.
Das Prinzip der Unter- und Überversorgung zum gleichen Zeitpunkt macht deutlich,
dass sich sehr wahrscheinlich kostendeckende und nicht kostendeckende Disease
Management Programme ergänzen werden. Da einerseits der Abbau von Überversorgung erreicht werden kann, andererseits jedoch Unterversorgung vorherrscht,
Disease Management in Deutschland – Kosten- Effektivität
Seite 293
wird neben dem Qualitätseffekt der besseren Lebensqualität auch ein Mengeneffekt
eintreten, indem die Patienten angemessene Leistungsmengen erhalten.
Zwei Schlüsse sollten für die weitere Diskussion festgehalten werden:
• Notwendig wäre es aus gesellschaftlicher Sicht, Ziele für die Beseitigung der
Über-, Unter- und Fehlversorgung zu setzen, um so den Nutzen der DiseaseManagement- Programme evaluieren und dokumentieren zu können. Ohne eine
breit angelegte quantifizierende Messung bleibt die Diskussion immer abhängig
von wenig aussagekräftigen Einzelberichten.
• Ein entscheidender Faktor für die Entscheidungsfindung auf Ebene der Krankenkassen ist es, ob das eigene Disease Management Programme über alle
Kosten- und Nutzeneffekte (also sowohl direkte als auch indirekte Kosten und
Nutzen) günstiger abschneidet als die Programme der Konkurrenz. Denn im
Rahmen des Risikostrukturausgleich werden Durchschnittbeträge verrechnet,
nicht tatsächliche Kosten und auch nicht Einsparungen. Es besteht somit der Anreiz, das eigene Programm neben der in der Literatur als unstrittig angesehenen
Qualitätsverbesserung auch noch kostengünstiger als der Durchschnitt der Konkurrenz zu gestalten. Dass hier ein Wettbewerb entsteht, ist unter dem Gesichtspunkt des kompetitiven Gesundheitssystems nur wünschenswert. Die Sieger
werden dabei erst nach einigen Jahren der Erfahrungssuche feststehen.
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 294
13 Qualitätssicherung
Die übergeordneten Ziele des Disease Managements sind die Sicherung der medizinischen (Ergebnis-) Qualität sowie der Kosteneffektivität der Versorgung. Da aufgrund des Gesetzesentwurfs zur Reform des Risikostrukturausgleichs die Leistungsausgaben von Versicherten, die in Disease Management Programme eingeschrieben
sind, im Risikostrukturausgleich besonders berücksichtigt werden sollen, besteht für
die Krankenkassen ein starker Anreiz, die größtmögliche Anzahl von Versicherten in
Disease Management Programme einzuschreiben. Eine weitgehend unkontrollierte
Einschreibung in nicht qualitätsgesicherte Disease Management Programme kann
jedoch u.a. zu folgenden Problemen führen:
1. Defizite in der Regelversorgung werden durch die Erbringung zusätzlicher Leistungen in Randbereichen kompensiert. Ein solches Vorgehen würde den Anforderungen am Disease Management nicht gerecht und würde folglich nicht zu den
erwarteten Ergebnissen bezüglich der Verbesserung der Versorgungsqualität und
der Stabilisierung der Kosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung führen,
sondern einen Kostenschub in der Versorgung auslösen
2. Es ist zu befürchten, dass es zu einer Ausdehnung von Zusatz- und „Service“–
Leistungen in Randbereichen kommt und einer Intensivierung von Über-, Unterund Fehlversorgung in Randbereichen Vorschub geleistet wird, um Ärzte und Patienten zu möglichst hohen Einschreibequoten zu veranlassen. Damit wird eine
Leistungsausweitung in Randbereichen an Stelle einer Qualitätsverbesserung im
Zentrum der Versorgung unterstützt und es kommt zu einer Förderung von Leistungen, die nicht evidenzbasiert und nicht kosteneffektiv sind.
3. Eine Verbesserung von Qualität und Kosten- Effektivität der Versorgung durch
Disease Management Programme in der Gesetzlichen Krankenversicherung kann
daher nur durch die Definition von einheitlichen Anforderungen an die Qualitätssicherung und Struktur von Disease Management Programmen durch die Spitzenverbände sowie deren Überprüfung im Rahmen einer Akkreditierung und jährlichen Reakkreditierung gesichert werden.
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 295
13.1 Anforderungen an die Qualitätssicherung von
Disease Management Programmen im Risikostrukturausgleich
Die Anforderungen an die Qualitätssicherung von Disease Management Programmen im Risikostrukturausgleich sollten dazu beitragen, einheitliche, evidenzbasierte
Standards in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu implementieren. Die Qualitätssicherung sollte daher mit der Festlegung geeigneter Erkrankungen und evidenzbasierter Leitlinien beginnen und bis zur Definition eines öffentlichen Benchmarkingverfahrens gehen. Tabelle 1 zeigt dazu ein mögliches Vorgehen.
Tabelle 1: Anforderungen an die Qualitätssicherung bei Disease Management Programmen
Wahl der Erkrankungen und Leitlinien, Definition von evidenzbasierten
Versorgungszielen auf dem Boden von Über-, Unter- und Fehlversorgung
Definition von Komponenten und Modulen der Disease Management Programme
für chronisch Kranke zur Umsetzung der Versorgungsziele
Definition von Indikatoren zur Evaluation der Programme auf dem Boden
evidenzbasierter Leitlinien (Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität sowie
Zielwerte)
Programmentwicklung durch Krankenkassen auf dem Boden der gesetzlichen
Vorgaben
Monitoring der Programme und Evaluation medizinischer, ökonomischer und
psychosozialer Kriterien
Akkreditierung und Reakkreditierung durch Benchmarking
[Quelle: Eigene Darstellung]
13.1.1
Wahl der Erkrankungen und Leitlinien, Definition von Versorgungszielen und Einschreibungskriterien durch die
Spitzenverbände
Die Wahl der Erkrankungen, die für die Disease Management Programme in der Gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen des Risikostrukturausgleichs eingerichtet werden sollen, ist die Grundlage für eine Versorgungsverbesserung chronisch Kranker.
Die Auswahl der Erkrankungen kann sich am Gutachten des Sachverständigenrats
zur Über-, Unter- und Fehlversorgung orientieren [SVR Gutachten 2000/2001, Band
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 296
III]. Folgende Kriterien sollten bei der Auswahl der Erkrankungen berücksichtigt werden [Lauterbach et al., 2001]:
(1) Hohe Prävalenz der Erkrankung
(2) Hohe Morbidität / Mortalität
(3) Chronischer Verlauf und definierte Krankheitsstadien
(4) Hohe Krankheitskosten
(5) Messbarkeit klinischer und ökonomischer Ergebnisse
(6) Varianz in der Versorgung
(7) Vorhandensein evidenzbasierter Standards für Screening, Therapie und
Weiterbetreuung
Zur Definition der Versorgungsziele und der zu erreichenden Standards können, beispielsweise in Anlehnung an das Gutachten des Sachverständigenrats [SVR Gutachten 2000 / 2001, Band III] Bereiche mit Über-, Unter- und Fehlversorgung für ausgewählte Erkrankungen identifiziert werden. Später können auch die Empfehlungen des
Koordinierungsausschusses nach § 137e zugrunde gelegt werden. Dann sollten für
jede der ausgewählten Erkrankungen drei bis vier evidenzbasierte Leitlinien von den
Spitzenverbänden festgelegt werden. Auf dem Boden dieser deutschen und internationalen evidenzbasierten Leitlinien können dann kassenübergreifende, einheitliche
und verbindliche Versorgungsziele sowie entsprechende Standards definiert werden.
Die Definition kassenindividueller Versorgungsziele und Standards sollte unbedingt
vermieden werden, da sonst die Gefahr besteht, dass sich das Problem von derzeit
nicht vorhandenen Versorgungszielen und Standards zum Vorhandensein multipler,
sich gegenseitig widersprechender Versorgungsziele und Standards verschiebt.
Zum größtmöglichen Schutz vor Manipulation sollten von den Spitzenverbänden einheitlich und gemeinsam evidenzbasierte Kriterien definiert werden, anhand derer das
Vorliegen der Erkrankung durch den Hausarzt bzw. den einschreibenden Arzt diagnostiziert werden kann. Diese Kriterien können deutschen bzw. internationalen, evidenzbasierten Leitlinien entnommen werden.
Zusätzlich kann eine Prüfung der Einschreibung
•
durch einen zweiten Arzt oder
•
durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder
•
anhand des Benchmarkingdatensatzes erfolgen.
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 297
Durch die vierteljährliche Erhebung des Benchmarkingdatensatzes würde eine fortlaufende bewusste Manipulation des Datensatzes erforderlich sein, sollten nicht geeignete Patienten eingeschrieben werden. Davon ist nur in seltenen Fällen auszugehen, die zudem durch Stichprobenkontrollen aufgedeckt werden könnten (siehe zur
Funktion des Benchmarkingdatensatzes Kapitel Datenmanagement, Dokumentation
und Datenbanken im Disease Management, Abbildung 9).
Der Patient erklärt bei der Einschreibung, dass er mit einer den Rahmen des Notwendigen nicht übersteigenden Zusammenführung und Auswertung seiner persönlichen Daten durch die Krankenkasse einverstanden ist.
13.1.2
Definition der Module und Komponenten für Disease Management Programme sowie der Anforderungen an die Module und Komponenten
Die zur Erfüllung der Versorgungsziele einzusetzenden Komponenten und Module
der Programme sollten von den Spitzenverbänden einheitlich und verbindlich definiert werden. Für die einzusetzenden Komponenten und Module sollte Evidenz vorliegen, dass sie zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen. Die Implementierung der Module und Komponenten sollte dagegen den Kassen überlassen bleiben. Dieses Vorgehen vermeidet die Finanzierung von Schein- Disease Management Programmen und erlaubt aber gleichzeitig eine Adaption der Programme an
kassenindividuelle und lokale Gegebenheiten. Zu den von den Spitzenverbänden zu
definierenden Komponenten gehören insbesondere die Auswahl evidenzbasierter
Leitlinien sowie die Definition der Anforderungen an evidenzbasierte Patientenleitlinien, Patientenschulungen, Erinnerungssysteme, Informationssysteme, ärztliche
Fortbildung sowie ein Evaluationskonzept (s.u.). Zu den Modulen gehört die Definition der Mindestbestandteile und Standards eines Basismoduls sowie die Definition
von Mindestanforderungen und Standards ergänzender Module, deren Einsatz entsprechend Risikostratifizierung erfolgt (siehe Kapitel Vorschlag zum Aufbau eines
Disease Management in Deutschland). Durch die Festlegung einheitlicher Module
und Komponenten soll verhindert werden, dass Schein- Disease Management Programme nur ein oder zwei Komponenten, wie z.B. die Betreuung durch ein CallCenter, implementieren. Ebenso soll verhindert werden, dass Programme nur ein
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 298
Modul definieren, wie z. B. in einem Diabetes- Programm das Ergänzungsmodul
Komplikationstherapie Retinopathie und das gesamte Spektrum an Basistherapie
und spezifischer Therapie von Komplikationen nicht implementiert wird.
13.1.3
Definition von Kriterien zur Evaluation der Programme
Die Kriterien zur Überwachung der Erfüllung der Versorgungsziele sind für jede einzelne Erkrankung verbindlich festzulegen. Dazu werden ausgewählte Indikatoren der
Prozess- und Ergebnisqualität (s.u.) definiert. Sie werden zu einem Datensatz zusammengefasst, der die wichtigsten Parameter zur Steuerung der Patientenversorgung als auch für ein periodisches Benchmarking enthält. Die Kriterien können nationalen und internationalen evidenzbasierten Leitlinien entnommen werden. Anhand
der Kriterien sollte überprüft werden können,
•
ob es sich um Schein- Disease Management Programme ohne die notwendigen
Komponenten und Module handelt und
•
ob die Programme die Versorgungsziele erreichen.
Die Kriterien sollen dem Arzt einen raschen Überblick über erreichte Therapieziele,
Defizite in der Therapie, noch durchzuführende Untersuchungen und ggf. über die
medikamentöse Therapie geben und so die Steuerung einer evidenzbasierten Therapie durch den Arzt erleichtern. Eine Auswahl dieser Kriterien kann für die Reakkreditierung und das Benchmarking herangezogen werden (s.u. Reakkreditierung von
Disease Management Programmen). Der überwiegende Teil der Kriterien sollte im
Rahmen der Routine erhoben werden können und keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedingen.
13.1.4
Programmentwicklung durch geeignete Institutionen, wie
z.B. die Krankenkassen, auf dem Boden der gesetzlichen
Vorgaben
Folgende Punkte sollten von den Krankenkassen bei der Programmentwicklung berücksichtigt werden:
(1) Einschreibekriterien der Versicherten auf dem Boden evidenzbasierter
Leitlinien zum größtmöglichen Schutz vor Manipulation
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 299
(2) Therapie nach evidenzbasierten Leitlinien zum Abbau von Über-, Unterund Fehlversorgung
(3) Qualitätssicherungsmaßnahmen
zur
Sicherstellung
einer
qualitativ
hochwertigen und kosteneffektiven Versorgung
(4) Schulungen zur Unterstützung des Patientenselbstmanagements
(5) Evaluation der Programme mit Dokumentation der erreichten Ziele der
Programme und
(6) Anforderungen an die Akkreditierung und Reakkreditierung der
Programme.
Schon in der Entwicklungsphase sollte ein ständiger Abgleich zwischen Programmentwurf und den Vorgaben erfolgen. Die Festlegung der Rahmenbedingungen soll
gewährleisten, dass ein Qualitätswettbewerb um die Erfüllung der Versorgungsziele
und nicht um die Definition der Versorgungsziele einsetzt. Empfehlenswert ist es daher, schon in der frühen Planungsphase ein interdisziplinäres Team unter Einbeziehung von Experten aller Bereiche zu bilden. Nur so kann sichergestellt werden, dass
die angestrebten Qualitätsverbesserungen auch tatsächlich erreicht werden.
13.1.5
Monitoring durch eine unabhängige Institution:
Das Monitoring der Programme erfolgt auf unterschiedlichen Stufen:
(1)
Einschreibung:
Das Einschreibeverfahren sichert den Zugang zum Disease Management Programm für alle Erkrankten, welche die definierten Einschreibekriterien erfüllen.
Gleichzeitig schützt es vor einem Missbrauch des Verfahrens infolge einer Einschreibung ungeeigneter Versicherter. Mögliche Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen des Einschreibeverfahrens umfassen folgende Punkte:
• Definition der Einschreibekriterien auf einer evidenzbasierten Grundlage
• Überprüfung der Einschreibung durch die Einholung einer zweiten Meinung
• Stichprobenprüfung der Einschreibung beispielsweise durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen
• Prüfung auf „Karteileichen“ durch den Benchmarkingdatensatz (s.u.).
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
(2)
Seite 300
Dokumentation:
Die Dokumentation dient der Datensammlung in den Programmen und dem Patientenmanagement. Sie sollte daher die einheitlichen Zielwerte und Behandlungsziele sowie die Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität erfassen.
Dokumentiert werden sollten krankheitsspezifische wichtige Untersuchungsergebnisse sowie Fragen zu den durchgeführten Untersuchungen und Schulungen. Da das Monitoring auf Arzt- und Krankenkassenebene erfolgt, sollten auf
beiden Ebenen das Datenmaterial zeitnah und in entsprechender Form aufbereitet zur Verfügung stehen. Die Daten sollten (falls keine Vernetzung besteht)
quartalsweise von der Arztpraxis an die Krankenkasse übermittelt werden, um
so die Steuerung des Remindersystems und eine zentrale Erfassung des
Benchmarkingdatensatzes zu gewährleisten. Die Übermittlung könnte beispielsweise anhand von Vordrucken erfolgen, die die Krankenkassen dem Arzt
zur Verfügung stellen. Arzt und Patient füllen diese im Rahmen eines Routinepraxisbesuchs gemeinsam aus und unterschreiben gemeinsam. Zugrunde gelegt werden jeweils die zuletzt erhobenen Werte. Da viele Werte in der Regel
nur einmal pro Quartal untersucht werden (z.B. der HbA1c), erscheint dies ausreichend. Für die für die Reakkreditierung notwendigen Daten aus dem Benchmarkingdatensatz könnte dann der Wert des letzten Quartals herangezogen
werden. Das genaue Vorgehen ist von den Spitzenverbänden zu definieren. Die
Übermittlung der Datensätze an die Krankenkasse dient aber nicht nur der Zusammenfassung der für die Reakkreditierung notwendigen Daten. Die Krankenkasse sollte dem Arzt auch über die von ihm erreichten Therapieergebnisse im
Vergleich zu Peers Rückkoppelung geben. Die Dokumentation sollte ferner den
Anforderungen des Datenschutzes genügen.
(3)
Benchmarking:
Das Benchmarking ist für das Monitoring ein aussagekräftiges und wirkungsvolles Instrument, das international erfolgreich zur Qualitätsverbesserung eingesetzt wird (s.u.).
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 301
13.2 Akkreditierung von Disease Management Programmen
Die Akkreditierung eines Disease Management Programms bedeutet:
1. Prüfung der Konformität des Disease Management Programms mit den durch die
Spitzenverbände definierten Anforderungen auf dem Boden der gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen
2. Bewertung des Konzeptes des Programms, ob die krankheitsspezifischen Indikatoren erhoben werden und ob aus dem Ergebnis Qualitätssicherungsmaßnahmen
abgeleitet werden
In der Ausgestaltung von Disease Management Programmen im Risikostrukturausgleich kommt der Akkreditierung und der Reakkreditierung (s.u.) eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Qualitätssicherung zu. Durch den Ausgleich der durchschnittlichen Leistungsausgaben für in Disease Management eingeschriebene chronisch Kranke im Risikostrukturausgleich entsteht für die Krankenkassen ein starker
Anreiz, möglichst viele ggf. auch ungeeignete Versicherte in die Programme einzuschreiben und dabei die Qualität der Programme zu vernachlässigen. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da amerikanische Erfahrungen gezeigt haben,
dass Qualitätsunterschiede in der Prozess- und Ergebnisqualität von Disease Management Programmen in erster Linie mit der Qualität des Programms korrelieren [The
State of Managed Care Quality Report, 2000]. Beispielsweise variieren in verschiedenen Programmen, die von denselben Leistungserbringern durchgeführt werden,
aber von unterschiedlichen Programmanbietern angeboten werden, jährliche Überweisungsraten von Diabetikern zum Augenarzt von < 10% bis zu > 80%. Die Behandlung mit Beta- Blockern bei koronarer Herzkrankheit variiert bei Programmen
unterschiedlicher Anbieter, die von denselben Leistungserbringern durchgeführt werden, von 40% bis ca. 100%.
Das Akkreditierungsverfahren im Disease Management sollte daher folgende Funktionen erfüllen:
•
Prüfung, ob der Aufbau einer Dokumentation der Prozess- und Ergebnisqualität
anhand definierter Qualitätskriterien erfolgt
•
Feststellung, ob eine Überprüfung der Prozess- und Ergebnisqualität aufgrund
der Programmstruktur erfolgen kann
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
•
Seite 302
Überprüfung, ob durch das Programm eine Bewertungsgrundlage für die Prozess- und Ergebnisqualität mit Identifizierung von Verbesserungspotenzialen und
Initiierung eines kontinuierlichen Qualitätsverbesserungsverfahrens gegeben ist.
Um die genannten Funktionen erfüllen zu können, muss das Akkreditierungsverfahren definierte Anforderungen erfüllen:
Anforderungen an die Dokumentation der Qualität:
•
Die zu erhebenden Indikatoren sollten mit vertretbarem Aufwand in der Regelversorgung zu erheben sein
•
Die Indikatoren sollten messbar, valide und evidenzbasiert sein
•
Die Indikatoren sollten Prozess- und Ergebnisqualität (ggf. auch Surrogatparameter wie Zielwerte) umfassen
•
Die Dokumentation muss datenschutzrechtlichen Belangen entsprechen
•
Die zu dokumentierenden Daten sollen zeitnah aufbereitet und die Ergebnisse
ggf. nach Zielgruppen getrennt zur Verfügung gestellt werden können
Anforderungen an die Prüfung der Qualität:
•
Die Prüfung der Qualität sollte durch eine unabhängige Institution (z.B. durch das
Bundesversicherungsamt) vorgenommen werden
•
Die Prüfung sollte nach einem veröffentlichten Prüfmanual erfolgen, dessen Kriterien von den Organen der Selbstverwaltung oder ersatzweise durch den Gesetzgeber festgelegt werden
•
Die Ergebnisse der Prüfung sollten exemplarisch anhand definierter Indikatoren
(Benchmarking) veröffentlicht werden
Anforderungen an die Bewertung der Qualität:
•
Grundlage der Bewertung sind die Standards der evidenzbasierten Medizin
•
Die Bewertung erfolgt an Hand eines verbindlich vorgegebenen Benchmarkingdatensatzes, der von den Programmanbietern (Krankenkassen) erhoben wird
•
Das Konzept zur Erhebung des Benchmarkingdatensatzes (Evaluation) muss von
den Programmanbietern bereits zur (Erst-) Akkreditierung vorgelegt werden
•
Das Konzept zur Erhebung des Benchmarkingdatensatzes muss bereits Vorschläge zur Initiierung von Qualitätsverbesserungsprozessen beinhalten
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 303
Von dem Aufbau einer programmübergreifenden Dokumentation der Prozess- und
Ergebnisqualität konnten international positive Auswirkungen auf die Qualität von
Disease Management Programmen nachgewiesen werden [The State of Managed
Care Quality, 2000]. Allerdings ist die Dokumentation der Prozess- und der Ergebnisqualität alleine für eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung nicht ausreichend.
Um diesen Prozess wirkungsvoll in Gang zu bringen, sollte die Bewertung sowie die
Veröffentlichung der Qualitätsergebnisse hinzukommen. Die Dokumentation ermöglicht zwar die Identifizierung von Schwachstellen, nachgewiesene Verbesserungen in
den Qualitätsergebnissen können aber erst durch die Veröffentlichung der dokumentierten Ergebnisse erwartet werden. So weisen akkreditierte Programme, deren Ergebnisse veröffentlicht werden, konstant bessere Ergebnisse auf als nichtakkreditierte Programme, die ihre Ergebnisse nicht veröffentlichen. Weiterhin kann
durch die kontinuierliche Dokumentation und Veröffentlichung bei den einzelnen Programmen eine ständige Qualitätsverbesserung im Vergleich zu den Ergebnissen des
letzten Jahres festgestellt werden. Beispielsweise besteht zwischen Programmen,
die seit Jahren ihre Ergebnisse im HEDIS- Projekt veröffentlichen und Programmen,
die zum ersten Mal an HEDIS teilnehmen ein Unterschied im Erfüllungsgrad der Indikatoren von durchschnittlich 25% (www.ncqa.org/pages/communications). Diese Unterschiede werden auch in Bereichen, die nicht durch die veröffentlichten Indikatoren
abgedeckt werden, wie z.B. der Prozentsatz der Programmteilnehmer, bei denen ein
Cholesterinscreening durchgeführt wurde, nachgewiesen. Das bedeutet, dass für das
eigentliche Benchmarking ein Datensatz ausreicht, der nicht alle sondern nur eine
definierte Auswahl von im Benchmarkingdatensatz erfassten Indikatoren enthält.
Aufgrund des durch den Vergleich einiger weniger Indikatoren initiierten Qualitätsverbesserungsprozesses können auch in den nicht im Benchmarking veröffentlichten
Bereichen deutliche Qualitätsverbesserungen verzeichnet werden. So waren Patienten, die in Programme eingeschrieben waren, die unter den Top 25% der HEDIS Ergebnisse lagen, mit ihren Programmen deutlich zufriedener als Patienten in Programmen, deren HEDIS Ergebnisse niedriger lagen (62,6% vs. 55,3%).
13.2.1
Kriterien der Akkreditierung
Die Kriterien für die Akkreditierung sollten von den Spitzenverbänden einheitlich und
verbindlich festgelegt werden. Sie können beispielsweise zu gleichen Anteilen aus
krankheitsspezifischen und aus programmspezifischen Akkreditierungskriterien be-
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
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stehen. Mit Hilfe der programmspezifischen Akkreditierungskriterien kann zusätzlich
ein programmindividueller Qualitätsscore (s.u.) ermittelt werden. Die Akkreditierung
kann dann durch eine geeignete Institution anhand eines Leitfadens vorgenommen
werden.
Dieser Leitfaden beinhaltet zwei Merkmale des Prüfverfahrens:
1. Krankheitsspezifische Akkreditierungskriterien
2. Programmspezifische Akkreditierungskriterien mit Bestimmung eines programmindividuellen Qualitätsscores
Krankheitsspezifische Akkreditierungskriterien:
Für die krankheitsspezifischen Akkreditierungskriterien werden die ausgewählten
Indikatoren des Benchmarkingdatensatzes zugrunde gelegt und mit Hilfe eines Leitfadens bewertet (s.u.). Da die Erstakkreditierung vor der Implementierung der Programme erfolgt, können noch keine Ergebnisse als Bewertungsgrundlage der krankheitsspezifischen Kriterien herangezogen werden, wie z.B. der Prozentsatz der eingeschriebenen Diabetiker, die jährlich zum Augenarzt überwiesen werden. Dies ist
erst im Rahmen der Reakkreditierung möglich. Daher sollte für die Erstakkreditierung
lediglich die Struktur der Programme sowie das Konzept zur Dokumentation, Auswertung und Entscheidungsunterstützung der krankheitsspezifischen Indikatoren bewertet werden. Tabelle 2 zeigt exemplarisch den Teil des Leitfadens, der die krankheitsspezifischen Akkreditierungskriterien für ein Diabetes- Programm erfasst.
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 305
Tabelle 2: Leitfaden zur Prüfung der krankheitsspezifischen Akkreditierungskriterien
am Beispiel eines Diabetes Programms
Parameter
Ausprägung
Indikatoren der
Prozessqualität
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Zielwerte
•
•
•
Indikatoren der
Ergebnisqualität
•
•
•
•
Wird der HbA1c nach Risikostratifizierung dokumentiert und ausgewertet?
Wird der LDL- Cholesterinwert nach Risikostratifizierung dokumentiert und
ausgewertet?
Wird die Fußinspektion vierteljährlich dokumentiert und ausgewertet?
Wird die jährliche Überweisung zum Augenarzt dokumentiert und
ausgewertet?
Wird das Screening auf Mikroalbuminurie nach Risikostratifizierung
dokumentiert und ausgewertet?
Wird die Schulungsteilnahme des Patienten dokumentiert und
ausgewertet?
Wird die Teilnahme der Ärzte an Fortbildungen dokumentiert und
ausgewertet?
Werden Reminder eingesetzt und ausgewertet?
Werden Schnittstellen definiert und ausgewertet?
Werden Zielwerte für HbA1c in Übereinstimmung mit den von den
Spitzenverbänden definierten Standards vorgeschlagen und
Entscheidungsunterstützung angeboten?
Werden Zielwerte für den LDL- Cholesterinwert in Übereinstimmung mit
den von den Spitzenverbänden definierten Standards vorgeschlagen und
Entscheidungsunterstützung angeboten?
Werden Zielwerte für den systolischen/ diastolischen Blutdruck in
Übereinstimmung mit den von den Spitzenverbänden definierten
Standards vorgeschlagen und Entscheidungsunterstützung angeboten?
Wird das Vorliegen einer diabetischen Nephropathie dokumentiert und
Entscheidungsunterstützung gewährt?
Wird das Vorliegen einer diabetischen Neuropathie dokumentiert und
Entscheidungsunterstützung gewährt?
Wird das Vorliegen von Fußulzera/ Amputationen dokumentiert und
Entscheidungsunterstützung gewährt?
Wird das Vorliegen einer diabetischen Retinopathie dokumentiert und
Entscheidungsunterstützung gewährt?
[Quelle: Eigene Darstellung]
Kriterien zur Akkreditierung der Programmstruktur :
Für die Akkreditierung der Struktur der Programme werden allgemeine Qualitätsmerkmale herangezogen, mit deren Hilfe die Konformität des Programms mit den
durch die Spitzenverbänden definierten Anforderungen überprüft werden kann. Ein
möglicher Vorschlag ist in folgender Tabelle zu sehen. In diesem Vorschlag wird für
jedes Kriterium eine Minimalanforderung des Ausprägungsgrades definiert, die unbedingt erfüllt werden sollte. Sie ist in der Tabelle grau unterlegt. Um eine tatsächliche Verbesserung der Versorgungsqualität und eine Kostenstabilisierung zu erreichen, sollte allerdings der jeweils höchste Ausprägungsgrad angestrebt werden. Zusätzlich sollten die Kriterien der Einschreibung sowie die Datenbanken der am Di-
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 306
sease Management Programm Beteiligten bei der Akkreditierung berücksichtigt werden. Da diese beiden Kriterien aber nicht bei der Ermittlung des Qualitätsscores
(Tabelle 4) berücksichtigt werden, sind sie in der Tabelle nicht weiter aufgeführt.
Tabelle 3: Mögliche Qualitätskriterien zur Struktur von Disease Management Programmen im Rahmen der Akkreditierung (I niedrigster Ausprägungsgrad,
III höchster Ausprägungsgrad)
Medizinische Dimension
III
evidenzbasierte
Leitlinien für
Ärzte
Individuelle
Therapieempfehlungen nach
Risikoprofil u.
Laborergebnissen
+ Kriterien II
Evidenzbasierte
Leitlinen für
Patienten
Individuelle
PatientenTherapieempfehlungen (z.B.
auch Internetbasiert)
+ Kriterien II
Evaluation
ReminderSysteme
Patientenschulungen
Fortbildungen
für Ärzte
Evaluationskonzept
Interaktive,
individuelle
computergestützte
Reminder
Schulung nach
Risikostratifizierung,
Einsatz
evaluierter
didaktischer
Methoden,
Patientenberatungen,
Einbindung
von Selbsthilfegruppen,
sektorenübergreifende
Koordination
Interaktive
Fortbildung
(Disease
Management
Zirkel) mit
Einsatz von
Meinungsführern oder
Peer Group
Review
+ Kriterien II
Randomisierte oder
kontrollierte
Studien und
Rückmeldung der
Ergebnisse
II
gute Verständlichkeit,
Evidenzbasierung
und Implementierungsstrategien
Gute Laienverständlichkeit,
Evidenzbasierung und
ImplementieRungsstrategien
Spezifische
Reminder
(Laborparameter etc)
unter
Berücksichtigung des
jeweiligen
Patientenprofils
Spezifische
Informationen
nach
Risikostratifizierung durch
Einsatz
didaktischer
Methoden und
Hilfsmittel
I
Evidenzbasierung
Evidenzbasierung
Unspezifische
Reminder
unspezifische
Informationen
durch
Broschüren,
Frontalvorträge o.ä..
[Quelle: Eigene Darstellung]
Infrastruktur
Ziel ist es,
langfristige
Verhaltensänderungen zu
bewirken
Fortbildung mit
evidenzbasierten
Inhalten und
Evaluation
„Klassische
Fortbildung“ mit
Frontalvorträgen und
evidenzbasierten
Inhalten
Messung von
Ergebnisund
Prozessindikatoren
auf
Grundlage
historischer
Kontrollen
oder
im Vgl. zum
Gesamtkollektiv und
Rückmeldung der
Ergebnisse
Messung
von
Prozessindikatoren
auf
Grundlage
historischer
Kontrollen
und Rückmeldung der
Ergebnisse
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 307
Um eine einfache Beurteilung durch das Bundesversicherungsamt zu ermöglichen,
kann ein Leitfaden zur Bewertung der Programmstruktur entwickelt werden. Ein möglicher Vorschlag ist Tabelle 4 zu entnehmen.
Disease Management in Deutschland - Qualitätssicherung
Seite 308
Tabelle 4: Leitfaden zur Beurteilung der Struktur von Disease Management Programmen
Komponente
Ausprägung
Punktzahl / Gesamt
Evidenzbasierte
Leitlinien für
Ärzte
Sind individuelle Therapieempfehlungen nach Risikostratifizierung enthalten?
Sind die Leitlinien klar und verständlich formuliert?
Sind Implementierungsstrategien vorhanden?
Sind die Leitlinien evidenzbasiert?
100
100
100
800
1100
Sind individuelle Therapieempfehlungen nach Risikostratifizierung enthalten?
Sind die Leitlinien klar und verständlich formuliert?
Sind Implementierungsstrategien vorhanden?
Sind die Leitlinien evidenzbasiert?
100
100
100
600
900
Sind die Schulungen nach Risikostratifizierung zugeschnitten?
Werden evaluierte didaktische Methoden eingesetzt?
Sind Selbsthilfegruppen eingebunden?
Werden die Schulungen sektorenübergreifend koordiniert?
Sind die Schulungsinhalte evidenzbasiert?
100
100
100
100
400
800
100
100
400
600
Werden Disease Management Zirkel eingerichtet?
Sind die Fortbildungskonzepte interaktiv?
Werden die Fortbildungen evaluiert?
Sind die Inhalte der Fortbildungen evidenzbasiert?
Werden Mindestanzahl und Inhalte von Ärztefortbildungen spezifiziert?
100
100
200
200
100
700
Werden randomisierte und kontrollierte Studien durchgeführt?
Werden die Evaluationsergebnisse an die am Disease Management Beteiligten zurückgemeldet?
Werden evidenzbasierte Indikatoren der Prozess- und Ergebnisqualität gemessen?
200
300
400
900
Evidenzbasierte
Leitlinien für
Patienten
Patientenschulungen
Remindersysteme Werden interaktive Reminder eingesetzt?
Werden spezifische Reminder eingesetzt?
Werden unspezifische Reminder eingesetzt?
Fortbildungen für
Ärzte
Evaluationskonzept
[Quelle: Eigene Darstellung]
Seite 309
Dieser Leitfaden (Tabelle 4) kann mit einem Qualitätsscore versehen werden, der
sich an den jeweiligen Komponenten orientiert. Zum Zwecke der Illustration könnten
z.B. insgesamt 5.000 Punkte erzielt werden. Gefordert wird aus jeder Komponente
eine Mindestpunktzahl von 400. Die geforderte Gesamtmindestpunktzahl zur Akkreditierung würde 3.200 betragen. Somit wird ein gesicherter Mindeststandard in der
Versorgung garantiert (Dieser Beispielsscore beruht nicht auf einer validierten Gewichtung, da er nur zur Illustration dient).
Für die Komponente „Evidenzbasierte Leitlinien für Ärzte“ kann eine Gesamtpunktzahl von 1.100 Punkten erreicht werden, wenn alle Ausprägungen erfüllt sind. Für die
jeweiligen Fragen innerhalb der Komponente sind individuelle Punktwertungen zu
vergeben. Die jeweilige Höchstzahl ist für den Mindeststandard angegeben. Die Addition aller Werte ergibt die Gesamtpunktzahl der jeweiligen Komponente.
Das Programm erhält letztendlich dann die Zulassung, wenn es die definierten Anforderungen an die krankheitsspezifischen und programmspezifischen Akkreditierungskriterien erfüllt.
13.3 Reakkreditierung von Disease Management
Programmen
Das Reakkreditierungsverfahren im Disease Management sollte folgende Funktionen
erfüllen:
•
Aufbau einer Dokumentation der Prozess- und Ergebnisqualität anhand definierter Qualitätskriterien
•
Überprüfung der Prozess- und Ergebnisqualität
•
Schaffung einer Bewertungsgrundlage der Prozess- und Ergebnisqualität mit
Identifizierung von Verbesserungspotenzialen und Initiierung eines kontinuierlichen Qualitätsverbesserungsverfahrens
Die Qualitätssicherung der Programme sollte neben der Akkreditierung eine jährliche
Reakkreditierung durch ein Benchmarkingverfahren umfassen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass ein Benchmarkingverfahren mit Veröffentlichung der Ergebnisse
ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Qualitätssicherung von Disease Management
Seite 310
Programmen darstellt. Dem Benchmarkingverfahren liegt der Benchmarkingdatensatz zugrunde, der gleichzeitig mehrere Anforderungen erfüllt :
•
Er liefert die Daten, die es der Krankenkasse erlauben, aktiv am Disease Management teilzunehmen und Arzt und Patienten mit spezifischen Angeboten (Schulungen, patientenindividuelle Therapieempfehlungen, Reminder etc) zu unterstützen.
•
Da die Daten von dem Arzt mitgeteilt werden, der das Formular unterschrieben
hat, kann die Krankenkasse sich auf die Richtigkeit der Daten in der Regel verlassen. Daten vom Patienten selbst oder auf der Grundlage von Auswertungen
elektronischer Datensätze wären zur Zeit noch nicht ausreichend zuverlässig.
•
Da auch der Patient die Daten unterschreibt, ist die Wahrscheinlichkeit der Mitteilung „zu guter“ Werte reduziert. Der Patient trägt zum Monitoring der Daten bei.
Durch die quartalsweise Erhebung des Benchmarkingdatensatzes stehen Arzt,
Patient und Kasse die Daten zeitnah zur Verfügung. Damit ist ein rasches Eingreifen und die frühzeitige Korrektur von Abweichungen möglich.
•
Die Bögen stellen eine ausgezeichnete Grundlage zum Benchmarking der Programme dar. Durch diese Daten kann ermittelt werden, welchen Programmen es
gelingt, die wichtigsten Laborwerte, Untersuchungen und Behandlungen als Parameter der Prozessqualität günstig zu beeinflussen. In den Vereinigten Staaten
hat die Dokumentation eines solchen minimalen Benchmarkingdatensatzes im
HEDIS Programm wesentlich zur Verbesserung der Qualität der Versorgung beigetragen.
•
Die Bögen sind ebenfalls eine gute Grundlage für die Prüfung der Programme
zum Zwecke der Akkreditierung und Reakkreditierung durch das BVA (s.u.). Auf
der Grundlage der Bögen kann das BVA erkennen, ob die Patienten an dem Disease Management überhaupt teilgenommen haben und ob die wichtigsten zum
Disease Management gehörenden Leistungen erbracht wurden. Dazu gehören
z.B. die vereinbarten Schulungen, Laboruntersuchungen und Behandlungen.
Versicherte, für die keine Bögen vorliegen, sollten nach Ablauf einer definierten
Frist keine Berücksichtigung im RSA- Ausgleichsverfahren finden. Nur so kann
das Mitführen von „Karteileichen“ zur Abrechnungsmanipulation im RSA verhindert werden.
Seite 311
•
Durch den Datensatz wird vermieden, dass sich das Disease Management, wie
oben beschrieben, auf nicht evidenzbasierte Randbereiche konzentriert und zu
einer Intensivierung von Über-, Unter- und Fehlversorgung führt.
•
Auch eine effizientere Arzneimitteltherapie kann über den Benchmarkingdatensatz erreicht werden, indem beispielsweise die Therapie mit Second- line Drugs
abgefragt und begründet werden muss. Medikamente, die nicht kosteneffektiv
sind bzw. deren Wirksamkeit nicht gesichert ist, wie z.B. Pseudoinnovationen
oder Me- too Präparate, könnten so in der Verordnungshäufigkeit zurückgedrängt
werden. Der kostenstabilisierende Effekt des Disease Managements würde verstärkt. Die Richtigkeit der gemachten Angaben können die Krankenkassen in ihren Arzneimitteldaten untersuchen, die sie auf der Grundlage der Einwilligung
der Patienten unter Berücksichtigung des Datenschutzes auswerten dürfen.
Die entscheidende Größe beim Benchmarking ist die erreichte Verbesserung eines
Programms, die ggf. prozentual zum Vorjahresergebnis ausgedrückt werden kann.
Damit wird verhindert, dass Programme, die eine hohe Anzahl von Patienten mit
schlechten Ausgangswerten einschreiben, benachteiligt werden oder von Kassen
überwiegend Patienten mit guten Ausgangswerten eingeschrieben werden. Kassen,
die eine große Anzahl schlecht eingestellter Patienten einschreiben, haben so ein
großes Potenzial zur Verbesserung.
Internationale Erfahrungen, wie z.B. das HEDIS- Projekt in den USA, zeigen, dass
ein Datensatz von z.B. 10 bis 15 Qualitätsindikatoren pro Erkrankung ausreichend ist
(Tabelle 5), um ein aussagekräftiges Benchmarking durchführen zu können.
Tabelle 5: Beispiel eines minimalen Datensatzes für Zuckerkranke des USamerikanischen HEDIS- Projektes
Disease Management
Programm
Krankheitsspezifische Daten
Zuckerkrankheit
Kontrolle des LDL-Cholesterins
LDL-Cholesterin im Normbereich
Kontrolle von HbA1c
HbA1c außerhalb eines definierten Zielbereichs
Screening auf Nierenschäden
Jährliche Überweisung zum Augenarzt
[Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an HEDIS]
Seite 312
Zwar weist der HEDIS- Benchmarkingdatensatz für Diabetes (Tabelle 5) bisher nur
sechs Kriterien auf. Es wird aber diskutiert, auch ihn um weitere Indikatoren der Ergebnisqualität und der Patientenzufriedenheit zu erweitern.
Für die Reakkreditierung und das Benchmarking der Programme können daher ca.
10-15 Indikatoren des krankheitsspezifischen Benchmarkingdatensatzes ausgewählt,
durch die Kasse in einem neuen Datensatz zusammengefasst und an die Institution,
die die Reakkreditierung bzw. das Benchmarking durchführt (z.B. das Bundesversicherungsamt), weitergeleitet werden. Die ausgewählten Indikatoren sollten durch die
Spitzenverbände einheitlich bestimmt und festgelegt werden. Als Bewertungsgrundlage der krankheitsspezifischen Kriterien könnte dann der Prozentsatz der Erfüllung
spezifischer Kriterien herangezogen werden, wie z.B. der Prozentsatz der eingeschriebenen Diabetiker, die jährlich zum Augenarzt überwiesen werden. Tabelle 6
zeigt ein Beispiel für einen derartigen "verkürzten" Benchmarkingdatensatz zur
Reakkreditierung für ein Diabetesprogramm. Ein solcher Datensatz kann für alle Disease Management Programme in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf dem
Boden des zentralen Benchmarkingdatensatzes erstellt werden.
Tabelle 6: "Verkürzter" Benchmarkingdatensatz für die Reakkreditierung am Beispiel
eines Disease Management Programms für Diabetes Mellitus.
Benchmarkingdatensatz Diabetes für die Reakkreditierung
- Wurde der HbA1c erhoben: ja / nein
- Ist der HbA1c– Zielwert erreicht: ja / nein
- Wurde der LDL- Cholesterinwert erhoben: ja / nein
- Ist der LDL- Cholesterinzielwert erreicht: ja / nein
- Wurde der Blutdruck gemessen: ja / nein
- Erfolgte eine Augenuntersuchung in diesem Jahr: ja / nein
- Erfolgte eine Fußinspektion in diesem Jahr: ja / nein
- Erfolgte ein Test auf Mikroalbuminurie: ja / nein
- Nahm der Patient an Patientenschulungen teil : ja / nein
- Fand eine Disease Management Programm- Ärztefortbildung statt: ja / nein
- Wurden Reminder für Ärzte eingesetzt: ja / nein
- Wurden Reminder für Patienten eingesetzt: ja / nein
- Wurden die definierten Schnittstellen eingehalten (Überweisungen zu Fachärzten): ja / nein
[Quelle: Eigene Darstellung]
Disease Management in Deutschland - Literatur
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