Strahlentherapie und Onkologie Literatur kommentiert Risiko von Prostatakarzinompatienten für kardiovaskuläre Erkankungen unter primärer Hormontherapie Ziel der Arbeit: Mit der hier vorgestellten Publikation aus Schweden [4] wurde über das absolute und relative Risiko be­ züglich kardiovaskulärer Erkrankungen bei Prostatakarzinom­ patienten unter primärer Hormontherapie, kurativer Therapie ohne Hormontherapie oder Surveillance berichtet. Methodik: Das Nationale Prostatakarzinomregister (PCBaSe) enthält mehr als 96 % der Prostatakarzinompatienten in Schwe­ den. Die standardisierten Inzidenz- und Letalitätsraten für ischämische Herzerkrankungen, akute Myokardinfarkte, Ar­ rhythmien, Herzinsuffizienzen und Schlaganfälle in dieser Pati­ entenkohorte wurden errechnet und mit dem kardiovaskulären Erkrankungsrisiko der männlichen Gesamtbevölkerung Schwe­ dens verglichen. Ergebnisse: Zwischen 1997 und 2007 erhielten 30642 Prostata­ karzinompatienten in Schweden eine primäre Hormontherapie (Antiandrogentherapie 3391, Orchiektomie 5340, GnRH-Ago­ nisten 9066, GnRH-Agonisten plus kurzzeitig Antiandrogene 11646, andere Hormontherapeutika oder Kombinationen 1199), 26432 weitere Patienten erhielten eine kurative Therapie und 19527 Patienten wurden mittels Surveillance kontrolliert. Das Ri­ siko für kardiovaskuläre Erkrankungen war interessanterweise in allen drei Patientengruppen erhöht, am stärksten jedoch bei Pati­ enten unter Hormontherapie. Dieser Risikounterschied bedeutet in absoluten Zahlen, dass zusätzlich weniger als zehn kardiovas­ kuläre Todesfälle pro 1000 Mann-Jahre unter Hormontherapie auftraten. Schlussfolgerung der Autoren: Ein erhöhtes Risiko für kardio­ vaskuläre Erkrankungen besteht bei allen Prostatakarzinompa­ tienten. Da die Hormontherapie momentan die einzige effektive Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms darstellt, sollten kardiovaskuläre Erkrankungen bei der Indikationsstellung be­ achtet werden, stellen allerdings keine Kontraindikation dar, wenn ein Therapieerfolg zu erwarten ist. Kommentar Bei der vorgestellten Studie handelt es sich um eine retro­ spektive Datenanalyse zum Risiko kardiovaskulärer Er­ krankungen über einen Zeitraum von 10 Jahren (1997–2007) aus einem großen schwedischen Prostatakarzinomregister mit insgesamt 76600 Patienten. Die Ergebnisse werden mit dem kardiovaskulären Erkrankungsrisiko der männlichen Gesamtpopulation Schwedens verglichen. Damit handelt es sich um die größte Studie ihrer Art für diese Patientengrup­ pe. Van Hemelrijck et al. [4] zeigen interessanterweise, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Prostata­ karzinompatienten generell erhöht ist. Diese Erhöhung ist jedoch deutlich stärker bei Patienten unter Hormontherapie als bei solchen, die kurativ ohne Hormone behandelt oder nur beobachtet wurden. Wir wissen, dass für die antiandro­ gene Monotherapie ein etwas niedrigeres Risiko besteht als für androgenoprive Therapieformen [2]. Die hier vorgestellte Publikation beleuchtet somit ein zentrales Gebiet der Prosta­ takarzinomtherapie. Eine wichtige Patientengruppe im Kontext dieser Stu­ die sind sicherlich die zahlenmäßig zunehmenden jüngeren Prostatakarzinompatienten, die eine Ersttherapie mit kura­ tiver Zielsetzung erhalten. Ein biochemisches PSA-Rezidiv in der Nachsorge bleibt zunächst ohne Symptome, erhöht jedoch die Wachsamkeit, was oft zu einer frühzeitigen und dauerhaften Gabe von Hormonen führt, trotz der bekannten Nebenwirkungen wie reduzierter Lebensqualität. Die vor­ 144 liegende Publikation macht darauf aufmerksam, dass in die therapeutischen Überlegungen auch das Risiko für kardio­ vaskuläre Erkrankungen einbezogen werden muss. Limitiert wird die Aussagekraft dieser Studie durch die retrospektive Analyse der verschiedenen Patientengrup­ pen, die unterschiedlichen Therapiemodalitäten unterzogen wurden. Eine kurativ intendierte Therapie wird natürlicher­ weise eher bei gesünderen und vor allem auch jüngeren Pa­ tienten durchgeführt als eine palliative Hormontherapie. Die Surveillancestrategie im Sinne eines watchful waiting er­ folgte laut Autorenangabe bei solchen Patienten, die aus ge­ sundheitlichen Gründen nicht operiert werden konnten. So leidet die Studie unter einem Selektionsbias. Zudem liefert die Publikation leider keine Daten bezüglich des allgemei­ nen Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen aufgrund von definierten Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie und Diabetes. Sie könnten theoretisch in der Gruppe der Pro­ statakarzinompatienten im Vergleich mit der Allgemeinbe­ völkerung oder in den verschiedenen Behandlungsgruppen anders sein. Außerdem beschreiben die Autoren zwar einleitend die präventive kardioprotektive Wirkung des Testosterons und belegen dies mit einigen Literaturzitaten. Doch bei der Auswertung geben sie keine Testosteronwerte an. Die im Al­ ter fallenden Testosteronwerte bedingen nämlich ebenfalls ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen [3]. Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 © Urban & Vogel Literatur kommentiert Ebenfalls kann der Publikation nicht entnommen werden, zu welchem Zeitpunkt die Hormontherapie begonnen und wie lange sie durchgeführt wurde. Wir vermuten, dass eine inter­ mittierende Hormontherapie wegen erhöhter PSA-Werte eine bessere Lebensqualität und möglicherweise auch gerin­ gere kardiovaskuläre Nebenwirkungen bedingen kann trotz unveränderter Letalität. Allerdings konnte das Cochrane Re­ view von De Conti et al. [1] diese Vermutung nicht bestätigen. Sie verglichen die intermittierende mit der kontinuierlichen Hormontherapie auf der Grundlage von fünf randomisierten Studien mit insgesamt 1382 Patienten mit einem fortgeschrit­ tenen Prostatakarzinom. Keine der beiden Therapieformen war bezüglich des allgemeinen Überlebens, des prostatakar­ zinomspezifischen Überlebens sowie der Erkrankungspro­ gression der anderen überlegen. Als Grund dafür wurden hier zu kurze Nachsorgezeiten und zu kleine Kollektivgrößen genannt. Fazit: Die hier diskutierte Studie [4] zeigt, dass man einer Hormontherapie durchaus auch kritisch gegenüberstehen kann. Sie sollte immer im Kontext von Patientenalter, Komor­ bidität und momentaner Lebensqualität diskutiert werden. Allerdings gibt es momentan beim fortgeschrittenen Prosta­ takarzinom keine sinnvolle Alternative. Aufgrund der vor­ liegenden Studie muss die intermittierende Hormontherapie stärker in den Fokus rücken. Auch sollten die kardiovaskuläre Toxizität besser beobachtet und die Patienten kardiologisch betreut werden. Literatur 1. Conti PD, Atallah AN, Arruda H, et al. Intermittent versus continuous androgen suppression for prostatic cancer. Cochrane Database Syst Rev: CD005009, 2007. 2. Keating NL, O’Malley AJ, Smith MR: Diabetes and cardiovascular disease during androgen deprivation therapy for prostate cancer. J Clin Oncol 2006;24:4448–56. 3. Khaw KT, Dowsett M, Folkerd E, et al. Endogenous testosterone and mortality due to all causes, cardiovascular disease, and cancer in men: European prospective investigation into cancer in Norfolk (EPIC-Norfolk) Prospective Population Study. Circulation 2007;116:2694–701. 4. Van Hemelrijck M, Garmo H, Holmberg L, et al. Absolute and relative risk of cardiovascular disease in men with prostate cancer: results from the population-based PCBaSe Sweden. J Clin Oncol 2010; 28:3448–56. Frank Kunath, Bernd Wullich; Erlangen Bei welchen Patienten mit Plattenepithelkarzinom der Kopf-Hals-Region verbessert die Positronen-Emissions-Tomographie mit 18F-Fluordesoxyglucose die Diagnostik und Therapie? Ziel der Arbeit: Definition der Wertigkeit der 18F-Fluordes­ oxyglucose-PET in der primären Diagnose und Behandlung von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region (HNSCC) [2]. Patienten und Methodik: Die Studie schloss 233 Patienten mit einem erstmals diagnostizierten und unbehandelten HNSCC ein. Die TNM-Klassifikation und die Therapieempfehlung wur­ den zunächst mit konventionellen diagnostischen Methoden (klinische Untersuchung, CT/MRT von Hals, ggf. auch Thorax) entschieden. Danach wurde eine Ganzkörper-FDG-PET durch­ geführt. Veränderungen in der TNM-Klassifikation und den The­ rapieempfehlungen wurden dokumentiert. Klinische Ergebnisse und Histopathologie wurden als Goldstandard verwendet, um die Tumorausdehnung zu validieren. Die Ergebnisse wurden mit dem McNemar-Test verglichen. Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 Ergebnisse: Eine Diskrepanz zwischen konventionellem Staging und dem Staging mithilfe von PET fand sich in 100/233 Patienten (43 %). Bei diesen erwies sich die PET in 47 Fällen als zutreffend und in 13 als unzutreffend. In 40 Fällen blieb die TNM-Klassifi­ kation wegen fehlender therapeutischer Konsequenz letztendlich ungeklärt. Die Kombination aus konventioneller und PET-Dia­ gnostik war bei der Stadienzuordnung der Patienten signifikant genauer als die konventionelle Diagnostik ohne PET (p<0,001). Insgesamt änderte sich das Therapieregime durch die zusätzliche PET-Untersuchung bei 32 (13,7 %) Patienten. Schlussfolgerung der Autoren: Die Ganzkörper-FDG-PET zu­ sätzlich zur herkömmlichen Diagnostik von HNSCC trägt dazu bei, die Tumorausdehnung akkurater festzustellen, und verändert die Therapie, die ohne PET-Untersuchung eingeleitet worden wäre, in 13,7 % der Patienten. Die PET sollte in der klinischen Routine regelmäßig eingesetzt werden. 145 Literatur kommentiert Kommentar Es handelt sich um die bisher größte multizentrische, pro­ spektive PET-Studie zur prätherapeutischen Diagnostik der HNSCC. Die Ergebnisse sind sowohl für die klinische Praxis als auch für mögliche therapeutische Konsequenzen interes­ sant. Allerdings müssen die Ergebnisse auch kritisch hinter­ fragt werden. 1. Die Autoren verzichten bei der prätherapeutischen Diagnostik sowohl auf die Panendoskopie als auch auf die Halslymphknotensonographie. Beide Methoden sind aber unverzichtbarer Bestandteil der HNO-ärztlichen klinischen Staging-Untersuchungen. Hierdurch wird die tatsächliche Tumorausdehnung besser erkennbar, und kleine synchrone Zweitmalignomen, die der PET-Diag­ nostik auch entgehen können, werden beizeiten erkannt. Zusätzlich ist die Panendoskopie für den Kopf-Hals-Chir­ urgen eine wesentliche Hilfe bei der Planung des therapeu­ tischen Eingriffs. Die Halssonographie ihrerseits stellt eine kostengünstige, schnelle und sehr genaue Methode zur Be­ urteilung des Halslymphknotenstatus dar [5]. 2. Die Therapieempfehlung wurde in der hier kommentierten Studie bei 13,7 % der Patienten aufgrund der PET geän­ dert: bei 8,6 % aufgrund der M-Kategorie und bei 5,2 % aufgrund des Lymphknotenstatus. Betrachtet man dies näher, muss man sich die Frage stellen, ob sich nicht nach Halssonographie und Panendoskopie diese Zahl von geän­ derten Therapiekonzepten auf die Detektion von Fernme­ tastasen reduziert hätte. Sie kann mit der genannten Unter­ suchungsstrategie nicht beantwortet werden. 3. Das Ergebnis zeigt, dass sieben Patienten mit der FDGPET untersucht werden müssten, um den Therapieplan für einen Patienten zu optimieren. Die damit verbundenen Mehrkosten, die Strahlenbelastung und die zeitliche Ver­ zögerung des Therapiebeginns stimmen uns kritisch. 4. Hinsichtlich der Beurteilung der Tumorausdehnung und der N-Kategorie gibt es auch zahlreiche Studien, welche keinen Vorteil der PET/CT gegenüber der von uns emp­ fohlenen Standard-Diagnostik finden konnten [1, 3]. Beim derzeitigen Stand der klinischen Forschung erscheint die Anwendung der PET bzw. PET/CT vor allem bei Pati­ enten mit einem hohen Fernmetastasierungsrisiko sinnvoll (UICC-Stadium III–IV) [4]. Literatur 1. Kyzas, PA, Evangelou, E, Denaxa-Kyza, et al. 18F-fluorodeoxyglucose positron emission tomography to evaluate cervical node metastases in patients with head and neck squamous cell carcinoma: a metaanalysis. J Natl Cancer Inst 2008;100:5712–20. 2. Lonneux M, Hamoir M, Reychler H, et al. Positron emission tomography with [18F]fluorodeoxyglucose improves staging and patient management in patients with head and neck squamous cell carcinoma: a multicenter prospective study. J Clin Oncol 2010;28:1190–5. 3. Rodrigues RS, Bozza FA, Christian PE, et al. Comparison of whole-body PET/CT, dedicated high-resolution head and neck PET/CT, and contrastenhanced CT in preoperative staging of clinically M0 squamous cell carcinoma of the head and neck. J Nucl Med 2009;50:1205–13. 4. Senft A, de Bree R, Hoekstra OS, et al. Screening for distant metastases in head and neck cancer patients by chest CT or whole body FDG-PET: a prospective multicenter trial. Radiother Oncol 2008;87:221–9. 5. Yoon DY, Hwang HS, Chang SK, et al. CT, MR, US,18F-FDG PET/CT, and their combined use for the assessment of cervical lymph node metastases in squamous cell carcinoma of the head and neck. Eur Radiol 2009;19:634–42. Johannes Zenk, Georgios Psychogios; Erlangen Bessere lokale Kontrolle des nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms durch stereotaktische Strahlentherapie als durch Keilexzision Hintergrund: Die operative Resektion ist derzeit die Standard­ therapie für Patienten mit operablem nicht kleinzelligem Bron­ chialkarzinom (NSCLC) im Stadium I. Bisher war die definitive Strahlentherapie in diesem Stadium für Patienten reserviert, die aus medizinischen Gründen inoperabel waren. Die guten Ergeb­ nisse der stereotaktischen Strahlentherapie mit lokalen Kontroll­ raten zwischen 85 und 95 % [1, 2] haben dazu geführt, die Resek­ tion als alleinigen Standard für operable Patienten im Stadium I in Frage zu stellen. Untersuchungen zum direkten Vergleich von stereotaktischer Strahlentherapie und Operation beim NSCLC 146 lagen bisher nicht vor. Randomisierte Studien sind in Planung bzw. auf dem Weg. Die Autoren der vorliegenden Arbeit unter­ suchen die Hypothese, dass die Ergebnisse von stereotaktischer Strahlentherapie und Keilexzision bei medizinisch nicht operab­ len Patienten vergleichbar sind, d. h. für ein Patientenkollektiv, das aufgrund von Begleiterkrankungen oder einer schlechten Lungenfunktion keiner Lobektomie unterzogen werden kann [3]. Patienten und Methodik: 124 Patienten mit NSCLC im Stadium I wurden retrospektiv untersucht. 69 waren zwischen 2003 und Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 Literatur kommentiert 2009 einer Keilexzision unterzogen worden, und 58 hatten eine stereotaktische Strahlentherapie am William Beaumont Hospital erhalten. 95 % der Patienten mit stereotaktischer Strahlenthe­ rapie waren medizinisch inoperabel, 5 % lehnten eine Opera­ tion ab. Alle Studienpatienten hatten zum initialen Staging eine FDG-PET-CT erhalten, Patienten mit stereotaktischer Strahlen­ therapie erhielten außerdem eine Skelettszintigraphie und eine Kernspinuntersuchung des Schädels. 20 % der Patienten mit ste­ reotaktischer Bestrahlung und 30 % der Patienten mit Keilexzi­ sion wurden einer Mediastinoskopie unterzogen. Patienten mit stereotaktischer Strahlentherapie waren signifikant älter, hatten mehr Komorbiditäten und einen höheren Anteil an Afroameri­ kanern. Vor der stereotaktischen Strahlentherapie wurde bei den Patienten unter Röntgendurchleuchtung die Atemexkursion beurteilt. Eine 4D-CT wurde anfangs nur bei einigen Patienten, später bei allen vorgenommen. Eine Abdominalkompression erfolgte bei fünf Patienten mit einer atemabhängigen Lagevari­ abilität von mehr als 1 cm. Als GTV wurde der Tumor im Lun­ genfenster konturiert. Als Internal Target Volume (ITV) wurde die Summe der einzelnen GTV in zehn Atemphasen definiert. Das CTV setzte sich aus dem ITV plus 4 mm zusammen. Für das PTV erfolgte eine weitere Expansion um 5 mm. Geplant wurde mit Pinnacle Version 7.4. Es wurden sechs bis neun koplanare bzw. nonkoplanare Einstrahlwinkel gewählt, eine IMRT wurde nur vereinzelt angewandt. Für T1- bzw. T2-Tumoren wurden 4 × 12 Gy bzw. 5 × 12 Gy auf der 60–90 %-Isodose, die das PTV umschloss, verschrieben. Die V20 sollte <10 %, die V10 bzw. V12,5 < 15 % und die mittlere Lungendosis unter 10 Gy sein. Täg­ lich wurde online eine Cone-Beam-CT durchgeführt, und nach der Positionskorrektur erfolgte eine erneute Cone-Beam-CT, ebenso direkt im Anschluss an die Bestrahlung. Die chirurgische Resektion erfolgte thorakoskopisch video­ assistiert in 52 %, durch offene Thorakotomie in 20 % der Fälle. In 28 % der Fälle wurde eine Thorakoskopie begonnen und in­ traoperativ entschieden, den Tumor doch besser über eine offene Thorakotomie zu entfernen. 43 der 69 operierten Patienten er­ hielten eine mediastinale Lymphknotendissektion. Im Follow-up erfolgten Röntgenuntersuchungen mit oder ohne CT bzw. FDG-PET-CT, bei Patienten mit stereotaktischer Bestrahlung PET-CTs schon nach 6 Wochen, dann 16 Wochen und 12 Monate nach Therapie. Als Lokalrezidive wurden Pro­ gressionen in der CT bzw. der PET-Aktivität definiert. Ergebnisse: Das mediane Follow-up betrug für alle Patienten 2,5 Jahre. Nach 30 Monaten zeigten sich keine signifikanten Unter­ schiede bei den regionalen Rezidiven (stereotaktische Strahlen­ therapie vs. Keilexzision: 4 % bzw. 18 %), den lokoregionären Rezidiven (9 % vs. 27 %), den Fernmetastasen (19 % vs. 21 %) und im „freedom from any failure“ (77 % vs. 65 %). Es fand sich ein Trend zu weniger Lokalrezidiven nach stereotaktischer Strah­ lentherapie (4 % vs. 20 %, p = 0,07). Das Gesamtüberleben nach stereotaktischer Strahlentherapie lag unter dem nach Keilexzi­ sion (72 % vs. 87 %, p = 0,01). Das krankheitsspezifische Über­ leben war vergleichbar (93 % vs. 94 %). Wurden nur Patienten analysiert, die weder eine T4-Erkrankung noch einen synchronen Zweittumor hatten, zeigte sich mit stereotaktischer Strahlenthe­ rapie sowohl eine signifikant bessere lokale (p = 0,05) als auch eine bessere lokoregionäre Kontrolle (p = 0,03). Nach der stereotaktischen Strahlentherapie traten 9 % GradII- und 2 % Grad-III- Pneumonitiden auf (CTCAE Version 3). Die Inzidenz an Rippenfrakturen betrug 11 %, davon waren 7 % symptomatisch. 4 % bzw. 10 % akute und chronische behandlung­ sassoziierte Myositiden traten auf. Zur Keilexzision wurden die Patienten im Median 5 Tage stationär aufgenommen, 10 % muss­ ten innerhalb von 30 Tagen wieder stationär aufgenommen wer­ den. Die 30-Tage-Letalität betrug 0 %. 3 % der Patienten hatten bei der Entlassung eine Thoraxdrainage, 3 %, 2 % und 2 % ent­ wickelten postoperativ eine Pneumonie, ein Empyem oder einen Chylothorax. Wundinfektionen traten bei 3 % und Arrhythmien bei 6 % auf. Schlussfolgerungen der Autoren: Sowohl die stereotaktische Strahlentherapie als auch die Keilexzision sind Behandlungs­ optionen für Patienten mit NSCLC im Stadium I, die keiner Lobektomie zugeführt werden können. Die stereotaktische Strahlentherapie kontroliert den Tumor lokal und lokoregional besser als die Keilexzision. Aufgrund von negativen Selektions­ kriterien war jedoch das Gesamtüberleben in der konservativ behandelten Gruppe schlechter. Die Rate an ernsthaften Be­ handlungskomplikationen ist nach stereotaktischer Strahlenthe­ rapie niedriger. Kommentar In dieser Analyse [3] wurde erstmals, wenn auch nur retro­ spektiv, die Effektivität und Verträglichkeit der stereotak­ tischen Strahlentherapie mit der Operation bei Patienten mit NSCLC im Stadium I verglichen. Obwohl die Patienten hinsichtlich der Begleiterkrankungen, des Alters und einiger tumorassoziierter Parameter (mehr Plattenepithelkarzi­ nome in der Gruppe mit stereotaktischer Strahlentherapie, bronchoalveoläre Karzinome in der Gruppe mit Keilexzisi­ Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 on) nur bedingt vergleichbar waren, waren die Ergebnisse der stereotaktischen Strahlentherapie hinsichtlich der lo­ kalen und regionären Kontrolle sowie des krankheitsspezi­ fischen Überlebens zumindest nicht schlechter als nach der Keilexzision. Ob die lokale Kontrolle bei den stereotaktisch behandelten Patienten tatsächlich besser war, darf bezwei­ felt werden angesichts der Tatsache, dass das Follow-up in der Stereotaxiegruppe kürzer war und ein Lokalrezidiv nach 147 Literatur kommentiert stereotaktischer Strahlentherapie u.U. erst nach einem län­ geren Verlauf diagnostiziert werden kann, mehr Patienten interkurrent verstarben und das Staging in beiden Gruppen unterschiedlich war. Für die stereotaktische Strahlenthera­ pie sprechen allerdings auch die geringere Toxizität und die ambulante Durchführbarkeit der Therapie. Selbst wenn der Krankenhausaufenthalt bei der videoassistierten thorakosko­ pischen Keilexzisionen im Median nur bei 5 Tagen liegt [4], sollte dessen Belastung bei den älteren und komorbiden Pati­ enten nicht unterschätzt werden. Die Arbeit zeigt wieder einmal, dass die stereotaktische Strahlentherapie bei NSCLC im Stadium I zu exzellenten lokalen Kontrollraten führt. Die Studie ist auch insofern in­ teressant, als T2-Tumoren mit einer höheren Dosis behan­ delt wurden als T1-Tumoren (4 × 12 Gy vs. 5 × 12 Gy). Sie trägt damit der Tatsache Rechnung, dass größeren Tumoren eine höhere biologisch effektive Dosis (BED) für die lokale Kontrolle benötigen als kleinere (T1) [5]. Aktuell wird eine BED im Isozentrum von >/ = 100 Gy10 und von 80–100 Gy10 in der Peripherie des PTV/CTV für eine adäquate lokale Kontrolle der NSCLC im Stadium I gefordert [5]. In der hier besprochenen Studie betrug sie im Isozentrum deutlich über 100 Gy10, selbst wenn man die niedrigste mögliche Kombina­ tion der Dosisverschreibung betrachtet (4 × 12 Gy, bezogen auf die 90 %-Isodose, entsprechend einer BED von 124 Gy10). Die BED an der PTV Peripherie lag im Minimum bei 106 Gy10 (für die oben angegebene Dosisverschreibung), im Tumor an­ gesichts der relativ großzügigen Sicherheitssäume deutlich da­ rüber. Insgesamt kann man die verschriebene Dosis nach den derzeitigen Kriterien als ausreichend bezeichnen, zumindest für die Behandlung von T1-Karzinomen. Während die Autoren angeben, dass die Patienten mit stereotaktischer Bestrahlung im Rahmen einer prospektiven Phase-II-Studie behandelt wurden, sind die Selektionskrite­ rien für die Patienten mit Keilresektion weniger offensichtlich. Es wird lediglich berichtet, dass diese für eine anatomische Lo­ bektomie nicht in Frage kamen. Man muss davon ausgehen, dass hier die Therapieentscheidungen aufgrund der individu­ ellen Erfahrung der jeweils Beteiligten getroffen wurden und nicht standardisiert waren. Auffällig ist auch die hohe Umstei­ gerate von 28 % von einer videoassistierten Thorakoskopie auf eine offene Thorakotomie. Zudem werden keine Daten zur histologischen Aufarbeitung (Resektionsstatus, Anzahl der resezierten Lymphknoten) gegeben. Fazit: Angesichts der relativ kleinen Patientenzahlen, des retrospektiven Charakters der Studie und der noch kurzen Nachbeobachtungszeit sollten die Daten nicht überinterpre­ tiert werden. Sie ermutigen zwar, sind trotzdem aber erst ein Hinweis auf eine mögliche Äquivalenz der stereotaktischen Bestrahlung und der Keilexzision bei aus medizinischen Grün­ den inoperablen Patienten mit einem NSCLC im Stadium I. Eine prospektive, randomisierte Studie, die die hier aufgeworfene Frage untersucht, ist sicherlich sinnvoll. Al­ lerdings bleiben bei der konservativen Therapie weiterhin Fragen offen: Welche ist die optimale Dosis und Fraktionie­ rung für T1- bzw. T2-Tumoren? Welche Sicherheitssäume sind erforderlich? Wie ist es mit den zentral lokalisierten Tumoren? Welche Rolle kann eine adjuvante oder gar si­ multane Chemotherapie spielen angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Rezidive nach stereotaktischer Strah­ lentherapie als Fernmetastasen in Erscheinung treten? Literatur 1. Baumann P, Nyman J, Hoyer M, et al. Outcome in a prospective Phase II trial of medically inoperable stage I non-small-cell lung cancer patients treated with stereotactic body radiotherapy. J Clin Oncol 2009;27:3290–6. 2. Chi A, Liao Z, Nguyen NP, et al. Systemic review of patterns of failure following stereotactic body radiation therapy in early-stage non-smallcell lung cancer: clinical implications. Radiother Oncol 2010;94:1–11. 3. Grills SI, Mangona VS, Welsh R, et al. Outcomes after stereotactic lung radiotherapy or wedge resection for stage I non-small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2010;28:905–7. 4. Scott WJ, Allen MS, Darlin G, et al. Video-assisted thoracic surgery versus open lobectomy for lung cancer: a secondary analysis of data from the American College of Surgeons Oncology Group Z0030 randomized clinical trial. J Thorac Cardiovasc Surg 2010;139:976–81. 5. Zimmermann FB, Geinitz H, Schill S, et al. Stereotactic hypofractionated radiotherapy in stage I (T1–2 N0 M0) non-small-cell lung cancer (NSCLC). Acta Oncol 2006;45:796–801. Hans Geinitz, Nicolaus Andratschke, Jörg Theisen; München Bisphosphonate senken das Risiko für Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen Fragestellung: Bisphosphonate werden bisher erfolgreich für die Behandlung der Osteoporose und die Prävention und Behand­ lung skelettaler Manifestationen von Tumorerkrankungen einge­ setzt. In dieser Studie wurde die Frage untersucht, ob sich durch 148 Bisphosphonate auch das Risiko an Brustkrebs zu erkranken, beeinflussen lässt [6]. Patienten und Methodik: Die Untersuchung wurde im Rahmen der Nord-Israel-Studie, einer populationsbasierten Fall-Kontroll- Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 Literatur kommentiert Studie von Patienten mit Brustkrebs und einer alters- und ethnisch gematchten Kontrollgruppe durchgeführt. Die Verwendung von Bisphosphonaten wurde dabei bei 4039 postmenopausalen Pa­ tientinnen und Kontrollen erhoben, indem Aufzeichnungen der Apotheken eingesehen wurden. Ergebnisse: Die Verwendung von Bisphosphonaten für min­ destens 1 Jahr vor der Diagnosestellung, aber nicht für einen kürzeren Zeitraum war mit einer signifikanten Reduktion des relativen Risikos für Brustkrebs (Odds Ratio 0,61) assoziiert. Dieser Effekt blieb auch dann signifikant, wenn für Alter, Er­ nährungsgewohnheiten (Früchte und Gemüse), sportliche Akti­ vität, familiäre Belastung durch Brustkrebs, ethnische Gruppe, Body-Mass-Index, Verwendung von Calcium oder Hormonen die Anzahl der Schwanger­schaften, die Anzahl der Monate des Stillens und das Alter bei der ersten Geburt adjustiert wurde (Odds Ratio 0,72). Das Brustkrebsrisiko ließ sich nicht weiter senken, wenn die Bisphosphonate länger als 1 Jahr gegeben wurden. Die Tumoren bei Patientinnen waren außerdem unter Bisphosphonaten öfters östrogenrezeptorpositiv und seltener schlecht differenziert. Schlussfolgerung der Autoren: Bisphosphonate für mehr als 1 Jahr reduzieren das Brustkrebsrisiko bei postmenopausalen Frauen um relativ 28 %. Die entstehenden Karzinome haben ten­ denziell ein günstigeres prognostisches Risikoprofil. Kommentar Der Wirkungsmechanismus der neueren Amino-Bisphospho­ nate (BSP) wie zum Beispiel Pamidronat, Zoledronat und Alendronat beruht auf der Hemmung des Enzyms Farnesylpyrophosphat-Synthase im Mevalonat-Stoffwechsel­ weg [5]. Obwohl es sich dabei um einen für die meisten Zellen essentiellen Stoffwechselweg handelt, können die BSP mit re­ lativ wenigen Nebenwirkungen gegeben werden, da sie nach der Applikation in kürzester Zeit aufgrund ihrer hohen Affini­ tät für Kalzium im Knochen binden. Dort werden die Substan­ zen dann aktiv von den Osteoklasten phagozytiert und hem­ men diese dann über den oben genannten Mechanismus und damit auch den Knochenabbau. Daher werden die BSP heute in erster Linie für die Behandlung und Prävention der Osteo­ porose sowie die Verhinderung von Knochenkomplikationen bei unterschiedlichen in den Knochen metastasierenden Tu­ morerkrankungen eingesetzt. Die Studie von Rennert et al. [6] zeigte jetzt auch eine Risi­ koreduktion für die Entwicklung von Brustkrebs. Diese Ergeb­ nisse bestätigen indirekt die nachgewiesene Verlängerung der erkrankungsfreien Zeit unter Zoledronat und Letrozol im Ver­ gleich zu Letrozol allein in der ZO-FAST-Studie [2] und auch die Verbesserung des ereignisfreien Überlebens in der ABCSG12-Studie, wenn Zoledronat in der adjuvanten Situation mit ei­ ner endokrinen Therapie kombiniert wird [3]. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob dieser Effekt nur durch die Hemmung der Osteoklasten bedingt ist oder ob auch eine direkte Anti­ tumorwirkung des BSP besteht [4]. Dies ist zwar prinzipiell möglich, da zahlreiche In-vitro-Experimente einen Antitumor­ effekt der Bisphosphonate über eine Hemmung des MevalonatStoffwechselweges nachweisen konnten [1]. Allerdings ist bei genauer Betrachtung der Daten mehr als fraglich, ob dies auch in vivo eine Rolle spielt, da die für diese Experimente verwende­ te Konzentration der BSP weit über der maximal erreichbaren Konzentration nach einer intravenösen Gabe beim Menschen liegt [1]. Mit den in der Studie von Renner et al. [6] vor allem oral verabreichten Medikamenten wird eine solche, für ein pas­ Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 sives Eindringen der Substanzen in die Tumorzelle notwendige systemische Konzentration sicher nicht erreicht. Was bedeuten diese Überlegungen für die vorliegende Studie? Ein direkter Effekt auf die Tumorzelle mit der dar­ aus resultierenden Risikoreduktion für die Entwicklung von Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen ist sehr unwahr­ scheinlich. Auch die relativ kurze Zeit von 1 Jahr, die als An­ wendung für die Erzielung des Effektes ausreichen soll, spricht dagegen, vor allem wenn man bedenkt, wie lang die Zeitdauer für die Entstehung einer metastasierten Erkrankung ist. Ei­ ne mögliche Erklärung für den nachgewiesenen Effekt wäre aber die Veränderung des die Tumorzelle umgebenden Mi­ lieus. Da neben Osteoklasten auch andere phagozytierende Zellen (Makrophagen, dendritische Zellen) Bisphosphonate aufnehmen können, werden auch diese potentiell in ihrer Funktion gehemmt. Auch der immunmodulierende Effekt der Bisphosphonate durch Stimulation von γδ-Lymphozyten mit Sekretion von γ-Interferon kann zu einer Veränderung des Tumorstromas beitragen [7]. Fazit: Die in dieser Studie nachgewiesene Risikoreduktion für das Auftreten von Brustkrebs bei postmenopausalen Frauen durch eine 1-jährige Gabe von Bisphosphonaten ist ein hoch­ interessantes Ergebnis. Da es sich aber um eine retrospektive Analyse handelt, müssen diese Beobachtungen durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Zudem wurde hier nur der Einfluss auf die Brustkrebs-Entstehung untersucht. Aufgrund des unklaren Wirkungsmechanismus, der durchaus ein unspe­ zifischer Effekt auf das Tumorstroma sein kann, sind die Aus­ wirkungen auf andere Gewebe bzw. andere Tumorentitäten erst noch zu klären. Daher erlauben es die hier kommentierten Ergebnisse nicht, Bisphosphonate bei gesunden Frauen mit dem Ziel einer Risikoreduktion für Brustkrebs einzusetzen. Literatur 1. Clyburn RD, Reid P, Evans CA, et al. Increased anti-tumour effects of doxorubicin and zoledronic acid in prostate cancer cells in vitro: suppor- 149 Literatur kommentiert ting the benefits of combination therapy. Cancer Chemother Pharmacol 2010;65:969–78. 2. Eidtmann H, de Boer R, Bundred N, et al. Efficacy of zoledronic acid in postmenopausal women with early breast cancer receiving adjuvant letrozole: 36-month results of the ZO-FAST Study. Ann Oncol 2010;21:2188–94. 3. Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W, et al. Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. N Engl J Med 2009;360:679–91. 4. Rack B, Jückstock J, Genss EM, et al. Effect of zoledronate on persisting isolated tumour cells in patients with early breast cancer. Anticancer Res 2010;30:1807–13. 5. Räikkönen J, Mönkkönen H, Auriola S, Mönkkönen J. Mevalonate pathway intermediates downregulate zoledronic acid-induced isopentenyl pyrophosphate and ATP analog formation in human breast cancer cells. Biochem Pharmacol 2010;79:777–83. 6. Rennert G, Pinchev M, Rennert HS. Use of bisphosphonates and risk of postmenopausal breast cancer. J Clin Oncol 2010;28:3577–81. 7. Wilhelm M, Kunzmann V, Eckstein S, et al. γd-T cells for immune therapy of patients with lymphoid malignancies. Blood 2003;102:200–6. Martin Wilhelm, Nürnberg Kernspintomographie beim Brustkrebsscreening: Müssen die Leitlinien neu definiert werden? Fragestellung und Hintergrund: Christiane Kuhl und Kollegen [1] gingen in der EVA-Studie der Frage nach, wie die Zuverläs­ sigkeit des Brustkrebsscreenings bei Frauen mit nachgewiesen erhöhtem Brustkrebsrisiko im Hinblick auf die Erkrankungshäu­ figkeit und das Stadium der Erkrankung bei Diagnosestellung zu bewerten sei. Betrachtet wurde dabei die Wertigkeit von kli­ nischer Untersuchung (CBE), Mammographie, Ultraschall und qualitätsgesicherter Kernspintomographie (MRT) der Brust, al­ lein oder in Kombination. Material und Methodik: Für die prospektive multizentrische Kohortenstudie wurden 687 Frauen mit einemfamiliären Brust­ krebsrisiko von ≥ 20 % rekrutiert. Sie unterzogen sich insgesamt 1.679 jährlichen Screeningeinheiten mit CBE, Mammographie, Ultraschall und MRT in unterschiedlichen Kombinationen und unabhängig voneinander ausgewertet. In einer Subgruppe von 371 Frauen wurde zudem halbjährlich eine CBE und ein Ultra­ schal durchgeführt (insgesamt 869 Schreeningeinheiten). Der durchschnittliche bzw. mediane Beobachtungszeitraum betrug 29,18 bzw. 29,09 Monate. Ergebnisse: Bei 27 Frauen wurde ein Mammakarzinom dia­ gnostiziert: In elf Fällen war es ein duktales Carcinoma in situ (41 %) und in 16 ein invasives Karzinom (59 %). Drei (11 %) der 27 Patientinnen wiesen positive Lymphknoten auf. Alle Karzinome wurden im Rahmen des jährlichen Screenings ent­ deckt; es wurden keine Erkrankungen zwischen den jährlichen Untersuchungen diagnostiziert, auch nicht in der Gruppe, die sich im Halbjahresabstand der CBE und dem Brustultraschall unterzog. Die Diagnosezuverlässigkeit von Ultraschall und Mammo­ graphie waren vergleichbar (6,0/1000 bzw. 5,4/1000). Die Kombi­ nation beider Verfahren führte zu einer leichten aber nicht signi­ fikanten Steigerung auf (7,7/1000). Durch die qualitätsgesicherte MRT allein wurden 14,9 pro 1.000 Fälle identifiziert. Auch hier führte die Kombination mit einer Mammographie zu einer leich­ ten aber nicht signifikanten Steigerung (16,0/1.000). Die Kombi­ nation von MRT und Ultraschall führte nicht zu einer Diagno­ severbesserung (14,9/1.000). Der positive Vorhersagewert betrug für die Mammographie 39 %, für den Ultraschall 36 % und für die qualitätsgesicherte MRT 48 %. Schlussfolgerung der Autoren: Durch den jährlichen Einsatz der qualitätsgesicherten Kernspintomographie der Brust kommt es bei Frauen mit familiär erhöhtem Brustkrebsrisiko zu einer Verschiebung des Diagnosezeitpunkts der Erkrankung hin zu früheren, nicht invasiven Stadien. Bei Frauen mit diesem Risiko führt weder die jährliche Mammographie noch ein halbjährlich durchgeführter Brustultraschall zu einer weiteren Verbesserung des Screenings. Kommentar Der Titel der Studie suggeriert, die Zeit sei reif für eine Neu­ bestimmung der Leitlinienstandards zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen mit erhöhtem („elevated risk“) Brust­ krebsrisiko, das heißt, nicht nur Mutationsträgerinnen, son­ dern auch Frauen mit einem kumulativen lebenslangen Brust­ 150 krebsrisiko von mehr als 20 bis 50 %, sollten vorrangig mittels MRT untersucht werden. Zweifelsfrei bestätigt die vorliegende Studie entspre­ chend den internationalen Studienergebnissen zur intensi­ vierten Früherkennung bei Hochrisikofrauen die exzellente Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 Literatur kommentiert Sensitivität der Kernspintomographie im Vergleich zur Mam­ mographie. Die vorliegende Studie unterscheidet sich jedoch von den anderen internationalen Studien dahingehend, dass erstens hier die höchste Sensitivität überhaupt für invasive Karzinome und DCIS erzielt wurde, zweitens keine Intervall­ karzinome auftraten und drittens die höchste Rate an DCIS (41 %) detektiert wurde. Die EVA-Studiengruppe unterschei­ det sich deutlich gegenüber den anderen internationalen Studi­ engruppen dahingehend, dass weniger Mutationsträgerinnen eingeschlossen waren, das heißt, hier liegt eine Risikogruppe mit überwiegend moderatem Risiko vor. Das mag das Fehlen jeglicher Intervallkarzinome in der EVA-Studie erklären ge­ genüber einer etwa 4,9 %igen publizierten Intervallkarzinom­ rate der italienischen, kanadischen, United Kingdom und der niederländischen Studiengruppen. Die Sensitivität für DCIS gepoolt erreicht in internationalen Studiengruppen etwa 50 % gegenüber 91 % in der vorliegenden Studie. In einer aktuellen retrospektiven Analyse wurde der größte Anteil falsch-nega­ tiver MRT-Befunde durch nicht KM-aufnehmende duktale In-situ-Karzinome erklärt, so dass im Gegensatz zu Kuhl die internationalen Arbeitsgruppen nicht auf die Mammographie verzichten wollen und sie nach wie vor zur MRT komplemen­ tär erachten in mindestens 25 % der DCIS-Fälle. Auch bezüg­ lich des positiven Vorhersagewertes ist die EVA-Studie nicht mit den anderen internationalen Studien zu vergleichen, da unterschiedliche Abklärungslevel bestimmt wurden: Natür­ lich kommt man zu niedrigeren positiven Vorhersagewerten beim Einschluss von BI-RADS 0, 3, 4 und 5 gegenüber nur BI-RADS 4 und 5. Fazit: Eine Strategie-Änderung beim Einsatz bildgebender Verfahren bei der Brustkrebs-Früherkennung auf Grund der vorliegenden Studie ist verfrüht, dies vor allem im Ange­ sicht der insgesamt kleinen Tumorstadien, kleiner GesamtTumorzahl, der Problematik von uni-institutioneller und multi-institutioneller Datenerhebung und -analyse sowie der vom EVA-Trial abweichenden internationalen Datenlage. Letztlich müssen die Mortalitätsdaten des Konsortiums Fa­ miliärer Brust- und Eierstockskrebs sowie die der internati­ onalen Studiengruppen abgewartet werden, um wirklich zu sehen, ob der Stadienshift hin zu kleineren Tumorstadien und Vorstadien mit einem Mortalitätsbenefit bzw. einer RezidivRisikoreduktion verbunden ist. Literatur 1. Kuhl C, Weigel S, Schrading S, et al. Prospective multicenter cohort study to refine management recommendations for women at elevated familial risk of breast cancer: the EVA trial. J Clin Oncol 2010; 28:1450–7. Ingrid Schreer, Kiel Erstmals publiziert in: InFoOnkologie 2010;13(6):18–9. Mammakarzinom: Aspirin hemmt die Metastasierung Fragestellung und Hintergrund: Präklinische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Aspirin die Metastasierung von Mamma­ karzinomen hemmen kann. In der hier vorgestellten Arbeit [11] wurde untersucht, ob Aspirin bei Mammakarzinom-Patientinnen das Risiko senkt, Metastasen zu entwickeln und an dieser Erkran­ kung zu sterben. Methodik: In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurden die Antworten von 4.160 Krankenschwestern der Nurses Health Study ausgewertet, bei denen zwischen 1976 und 2002 ein Mam­ makarzinom der Stadien I–III diagnostiziert worden war und die zu Beginn der Studie 30–55 Jahre alt waren; nachbeobachtet wur­ de bis zum Juni 2006 bzw. bis zum Tod der Patientin. Primärer Endpunkt war die Mammakarzinom-Sterblichkeit in Abhängig­ keit von den Tagen pro Woche, an denen Aspirin genommen wur­ de; unterschieden wurde zwischen 0, 1, 2–5 und 6–7 Tagen. Eine Unschärfe ergibt sich dadurch, dass nur die Zahl, aber nicht die Dosis der Aspirintabletten ermittelt wurde. So wurde z. B. nicht zwischen Tabletten à 100 mg und 325 mg unterschieden. Gründe für die Aspirin-Einnahme waren im Wesentlichen die Prävention Strahlenther Onkol 2011 · No. 2 von Herzer­krankungen (35 %), sowie verschiedene Schmerzzu­ stände. Da wegen der Blutungsgefahr häufig von einem Aspirin­ gebrauch während der Chemotherapie abgeraten wird, erfolgte die erste Abfrage des Aspirinkonsums frühestens 12 Monate nach Diagnose des Mammakarzinoms, die weiteren Abfragen erfolgten in zweijährigen Intervallen. Der Verbrauch an nichtste­ roidalen Antiphlogistika wurde nur im zweiten Teil der Studie dokumentiert. Ergebnisse: 341 Patientinnen starben am Mammakarzinom, die Sterblichkeit sank mit der Einnahme von Aspirin unabhängig von Stadium, Menopausenstatus, Body Mass Index und Östrogenre­ zeptorstatus. Das adjustierte relative Risiko für 1, 2–5 und 6–7 Ta­ ge Aspirin-Einnahme pro Woche lag im Vergleich zur fehlenden Einnahme dieses Medikaments bei 1,07 (95 %-KI 0,7–1,63), 0,29 (95 %-KI 0,16–0,52) und 0,36 (95 %-KI 0,24–0,54); p für den Trend <0,001. Eine ähnliche Relation ergab sich für das Auftreten von Fernmetastasen. Hier lag das entsprechende adjustierte relative Risiko bei 0,91 (95 %-KI 0,62–1,33), 0,40 (95 %-KI 0,24–0,65) und 151 Literatur kommentiert 0,57 (95 %-KI 0,39–0,82); p für den Trend = 0,03. Auch die Ge­ samtsterblichkeit reduzierte sich unter Aspirin signifikant (p für den Trend = 0,004). Ein nach der Mammakarzinom-Diagnose nur vorübergehender, in der Arbeit nicht weiter spezifizierter Aspi­ rinkonsum (past use) hatte keine Wirkung. Nichtsteroidale Anti­ phlogistika reduzierten das relative Risko, an einem Mammakar­ zinom zu sterben, nur bei Gebrauch an 6–7 Tagen pro Woche auf 0,52 (95 %-KI 0,3–0,88). Schlussfolgerung der Autoren: Der Gebrauch von Aspirin redu­ ziert das Risiko für eine Fernmetastasierung und für den Tod am Mammakarzinom. Kommentar Epidemiologische und klinische Daten zeigen, dass eine Beein­ flussung der Prostaglandin-Synthese ein vielversprechender An­ satz zur Prävention und Behandlung von Krebserkrankungen ist [9, 10, 12]. Eine zentrale Funktion in der Prostaglandinsyn­ these haben die Cyclooxygenase 1 und 2 (COX-1 und COX-2). Die COX-1 wird konstitutionell exprimiert, während die COX2 durch Entzündungen und nicht zuletzt durch verschiedene krebserzeugende Substanzen induzierbar ist; COX-2-Expressi­ on ist eine typische Eigenschaft prämaligner Läsionen und ma­ ligner Tumoren [10]. Aspirin ist ein ­irreversibler COX-1- und COX-2-Hemmer. Dass die COX-2 selbst das Tumorwachstum moduliert, wurde u. a. am Lewis Lung-Karzinom der C57BL/6Maus gezeigt: Dieses Karzinom wächst in unbehandelten Tie­ ren rasch, zeigt aber bei COX-2(+/-)-Mäusen eine deutliche und bei COX-2(-/-)-knockout-Mäusen eine nahezu definitive Wachstumshemmung. Ein COX-1-knockout führte dagegen zu einer leichten Stimulation des Tumorwachstums [14]. Schrittmacher für die Untersuchung der Aspirinwirkung in der klinischen Onkologie ist das Kolonkarzinom, für das eine reduzierte Inzidenz unter Aspirin-Einnahme spätestens seit 1991 gesichert ist [13]. Bezüglich der adjuvanten Situation wurde gezeigt, dass die 70 % der Patienten, deren kolorekta­ les Karzinom COX-2 überexprimiert, unter Behandlung mit ca. einem Gramm Aspirin pro Woche eine deutlich geringe­ re karzinomspezifische Sterblichkeit aufweisen (multivariate HR 0,39; 95 %-KI 0,2–0,76) [7, 8]. Beim Mammakarzinom sprechen präklinische Daten schon lange für eine Wirkung von Aspirin. So ist seit 1975 be­ kannt, dass in den Tumorzellen mehr Prostaglandin-ähnliches Material vorhanden ist als im umgebenden normalen Mam­ magewebe [4]. Zwei Jahre später wurde auf Grund weiterer in vitro-Untersuchungen angenommen, dass Medikamente, welche die Prostaglandinsynthese hemmen, beim Mammakar­ zinom therapeutisch wertvoll sein könnten [5]. In diesem Jahr wurden noch weitere Arbeiten zur Wir­ kung von Aspirin und NSAIDs (nichtsteroidale Antiphlogi­ stika) auf Mammakarzinome publiziert. Nach Veröffentli­ chung ähnlicher Befunde über die allgemeine Krebsinzidenz [3] fanden Bardia A et al. [2] bei postmenopausalen Frauen heraus: Frauen, die regelmäßig Aspirin einnahmen, hatten im Vergleich zu Patientinnen ohne Aspirin-Konsum ein re­ latives Mammakarzinom-Risiko von 0,8 (95 %-KI 0,71–0,99), welches bei sechsmaliger Einnahme von Aspirin pro Wo­ che weiter auf 0,71 absank (p für den Trend = 0,0001). Die 152 Wirkung von Aspirin war auch hier unabhängig vom Hor­ monrezeptorstatus. Brasky et al. kamen unter Einbeziehung prämenopausaler Mammakarzinome zum praktisch gleichen Ergebnis [6]. Während beide Gruppen dabei keine Wirkung von nichtsteroidalen Antiphlogistika fanden, beschrieben Ashok et al. [1] eine solche Wirkung vorwiegend nach über zweijähriger Einnahme des COX-2-Hemmers Rofecoxib (OR 0,54, 95 %-KI 0,37–0,8). Fazit: COX-2 ist ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und dem Wachstum verschiedener Tumoren. Bisher war dies am besten für kolorektale Karzinome gesichert; inzwischen besteht auch eine gute Datenlage für das Mammakarzinom. Wahrscheinlich kann ein großer Teil dieser Daten auch auf andere Karzinome übertragen werden. Offizielle Empfeh­ lungen für die Anwendung von Aspirin in der Onkologie existieren noch nicht, beim Kolonkarzinom wird jedoch eine mögliche Anwendung bei Hochrisiko-Gruppen diskutiert [9]. Es ist beruhigend, dass eine große, placebokontrollierte Studie mit 200 mg Aspirin/Tag bei kolorektalen Karzinomen des Stadiums III in Südostasien und Indien begonnen wurde [9]. In Europa und den USA, wo kolorektale Tumoren und Mammakarzinome wesentlich häufiger sind, wird Aspirin of­ fensichtlich als zu billig eingestuft und ignoriert. Literatur 1. Ashok V, Dash C, Rohan TE, et al. Selective cyclooxygenase-2 (COX-2) inhibitors and breast cancer risk. Breast 2010 Aug 17. [Epub ahead of print] 2. Bardia A, Olson JE, Vachon CM, et al. Effect of aspirin and other NSAIDs on postmenopausal breast cancer incidence by hormone receptor status: results from a prospective cohort study. Breast Cancer Res Treat 2010 Jul 29. [Epub ahead of print] 3. Bardia A, Ebbert JO, Vierkant RA, et al. Association of aspirin and nonaspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs with cancer incidence and mortality. J Natl Cancer Inst 2007;99:881–9. 4. Bennett A, McDonald AM, Simpson JS, et al. 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