MEDIZIN ÜBERSICHTSARBEIT Therapieresistente Hypertonie – Diagnostik und konservative Therapieoptionen Franz Weber, Manfred Anlauf ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Aufgrund der Einführung teils irreversibler invasiver Behandlungsverfahren der therapieresistenten Hypertonie (TRH) ist eine umfassende Darstellung diagnostischer Notwendigkeiten und konservativer Therapieoptionen dieser Hochdruckform sinnvoll. Methode: Selektive Literaturrecherche und langjährige klinische Erfahrung der Autoren. Ergebnisse: Die vorliegende Übersicht legt nahe, dass die in Deutschland mit circa 20 % hohe Prävalenz der TRH durch eine konsequente Diagnostik nahezu halbiert werden kann. Diese umfasst sowohl die Überprüfung der Medikation (Adhärenz, tageszeitliche Verteilung der Medikamente, Komedikation) als auch die Blutdruckmessung beeinflussende Gefäßveränderungen sowie den Ausschluss von Praxishypertonie, Schlafapnoe-Syndrom oder sekundärer Hochdruckformen. Für die therapieresistente Hypertonie liegen keine randomisierten Behandlungsstudien vor. Aus diesem Grund ist man auf Beobachtungsdaten und pathophysiologische Überlegungen (Volumenstatus unter Berücksichtigung des Renins, Sympathikusblockade, Vasodilatation) angewiesen. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl therapieresistenter Hypertonien dadurch weiter reduziert werden kann. Schlussfolgerungen: Vor dem Einsatz invasiver Behandlungsverfahren sollte eine umfassende Diagnostik erfolgen, gleichzeitig sind konservative nichtmedikamentöse und medikamentöse Therapiemöglichkeiten unter Beachtung der Nebenwirkungen wahrzunehmen, um mögliche Schäden von den Patienten abzuwenden. ►Zitierweise Weber F, Anlauf M: Treatment resistant hypertension— investigation and conservative management. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 425–31. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0425 St. Walburga-Krankenhaus, Meschede: Prof. Dr. med. Weber, Privatpraxis im Medizinischen Versorgungszentrum, Dialyse-Zentrum, Cuxhaven: Prof. Dr. med. Anlauf Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 25 | 20. Juni 2014 it Entwicklung der renalen Sympathikusdenervierung (1, 2) und der Barorezeptorstimulation (3, 4) hat die therapieresistente Hypertonie (TRH) verstärkte Aufmerksamkeit erlangt. Diese Eingriffe sind nicht risikofrei und führen bei anhaltend hohem Bedarf an Antihypertensiva nur zu einer Besserung und nicht zu einer Normalisierung des Blutdrucks (1–4). Daher sollen hier wegen fehlender anerkannter Leit-/Richtlinien die notwendigen Diagnostikschritte und konservativen Therapiemöglichkeiten aufgezeigt werden, die den Autoren vor Einsatz interventioneller Behandlungsmethoden geboten erscheinen. Die hohe Erfolgsrate einer konsequenten antihypertensiven Medikation bei refraktärer Hypertonie wurde, allerdings unter anderen Voraussetzungen, schon 1982 gut belegt (e1). M Definition der therapieresistenten Hypertonie Überwiegend wird in der Literatur dann von einer TRH gesprochen, wenn das Therapieziel trotz ausreichend dosierter Medikation mit mindestens drei Antihypertensiva aus unterschiedlichen Gruppen, unter Einschluss eines Diuretikums, nicht erreicht wird (5, e2). Der Zielblutdruck liegt in der Regel bei Gelegenheitswerten unter 140/90 mm Hg, bei rüstigen > 80-jährigen Patienten systolisch bei 140–150 mm Hg, bei Patienten mit diabetischer Nephropathie und Proteinurie mit Vorbehalt unter 130 mm Hg, bei Diabetikern diastolisch bei 80–85 mm Hg (6). Einige Autoren (7) berücksichtigen als zusätzliches Kriterium einer Therapieresistenz das Fehlen des nächtlichen Blutdruckabfalls („Non-Dipper“) bei der Langzeitmessung (ABDM). Prävalenz, Inzidenz und Prognose der therapieresistenten Hypertonie Bei variabler Definition der Resistenz und aufgrund der Verschiedenheit der untersuchten Kollektive liegen die Angaben zur Prävalenz zwischen 5 und 50 % (8), für Deutschland ergab eine Querschnittsuntersuchung 22 % (9). Die Inzidenz wird mit 1,3 % pro Jahr nach Behandlungsbeginn angegeben (10). Risikofaktoren sind höheres Alter, männliches Geschlecht und Diabetes mellitus. Im Vergleich zu einstellbaren Hypertonikern haben therapieresistente Patienten eine um das 3-fache schlechtere Prognose (11, e3). Dies betrifft vor allem 425 MEDIZIN Diagnostik und Therapie bei angenommener beziehungsweise nachgewiesener therapieresistenter Hypertonie. ABDM, ambulante 24h-Blutdruckmessung; RAA, Renin-Angiotensin-Aldosteron; CPAP, Continuous Positive Airway Pressure GRAFIK Zielwerte des Blutdrucks nicht erreicht unter drei Antihypertensiva, darunter ein Diuretikum (ohne Aldosteronantagonist), in adäquat hoher Dosierung Diagnostische Maßnahmen Praxishypertonie? Pseudoresistenz? mangelnde Adhärenz? durch ABDM bestätigt: Weiterbehandlung anhand der häuslichen Selbstmesswerte blutdrucksteigernde Komedikation? nichtadäquate Dosisverteilung? trifft nicht zu beziehungsweise Zielwerte nicht erreicht trotz Korrektur MönckebergSklerose evtl. blutige Druckmessung, Blutdrucksenkung nach Verträglichkeit Resistenz? sekundäre Hypertonie? obstruktive Schlaf-Apnoe? Störung des RAA-Systems hohe Kochsalzsensitivität z. B. bei Nephrosklerose ggf. spezifische Therapie CPAP Beatmung ggf. AldosteronAntagonist Kochsalz Aufnahme verringern Ausscheidung erhöhen Konservative therapeutische Möglichkeiten Zielwerte nicht erreicht, echte Resistenz „Cambridge-Guideline“ Diuretikum + ACE-Hemmer + Kalziumantagonist wenn Plasma-Renin „hoch“: + Betablocker „normal“: + Alphablocker „niedrig“: Diuretikumwechsel oder -dosiserhöhung bestehende Kombination modifizieren: Intensivere Volumendepletion und/oder Sympathikusblockade zum Beispiel Diuretikum + Aldosteronantagonist* und/oder Betablocker + Alphablocker *Cave: Gefahr der Hyperkaliämie zum Beispiel bei Niereninsuffizienz Zielwerte nicht erreicht direkte (eventuell + indirekte) Vasodilatation + Blockade der Gegenregulation zum Beispiel Minoxidil (eventuell + ACE-Hemmer) + Schleifendiuretikum + Betablocker Zielwerte nicht erreicht oder mangelnde Verträglichkeit Interventionelle Möglichkeiten Renale Denervation? Carotis-Sinusnerv-Stimulation? „Non-Dipper“, die häufig bereits Endorganschäden und weitere Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung (12, e4) beziehungsweise eine obstruktive Schlaf-Apnoe (e5) aufweisen. Bereits eingetretene Organschäden begünstigen möglicherweise eine Therapieresistenz (13). Bei Therapieresistenz und chronischer Nierenerkrankung oder 426 primärem Aldosteronismus wurde ebenfalls eine schlechte Prognose (odds ratio: 4,61) belegt (e6). Diagnostik vor weiteren Maßnahmen Bei Patienten mit zu hohen Blutdruckwerten trotz Therapie ist zu entscheiden, ob eine Pseudoresistenz oder echte Resistenz vorliegt (5, e5, e7) (Grafik). Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 25 | 20. Juni 2014 MEDIZIN Pseudoresistenz Praxishypertonie Nahezu 40 % der „therapieresistenten“ Patienten wiesen in verschiedenen Studien eine Praxishypertonie auf und werden ohne Langzeitblutdruckmessung (ABDM) fälschlich als therapieresistent klassifiziert (12, 16). Mangelnde Adhärenz In einer Adhärenzstudie mit therapieresistenten Hypertonikern konnte durch Bestimmung der Medikamentenspiegel im Serum nachgewiesen werden, dass zwei Drittel ihre Medikamente nicht vorschriftsmäßig einnahmen (e8). Die Möglichkeiten (14) und positiven Auswirkungen (15) der Adhärenzverbesserung wurden erst kürzlich dargelegt und sollen hier nicht wiederholt werden. Blutdrucksteigernde Komedikamente Eine Auswahl der blutdrucksteigernden Komedikation findet sich im Kasten. Nicht adäquate Verteilung der Medikamentendosis über den Tag Durch die Einnahme von mindestens einem Antihypertensivum zur Schlafenszeit konnte die Häufigkeit der Therapieresistenz von 54 auf 39 % bei der ambulanten Messung signifikant gesenkt werden (17). Schwerstgradige Gefäßveränderungen (Mönckeberg-Sklerose) Die zirkuläre Arteriosklerose führt über die reduzierte Komprimierbarkeit der Arterien zu falsch hohen Blutdruckwerten. Hinweise darauf ergeben sich aus einem deutlich über 1,3 liegenden Knöchel-ArmIndex (Doppler-Untersuchung), aus Spontanangiogrammen bei Röntgenuntersuchungen sowie aus einer Diskrepanz zwischen Blutdruckhöhe und fehlenden Organschäden (e9). Mögliche Resistenz Bei schwieriger Blutdruckeinstellung lassen sich bei einer Vielzahl der Patienten pathophysiologische Ursachen mit speziellen Therapiemöglichkeiten finden. Weitere Formen der sekundären Hypertonie Eine TRH sollte immer Anlass sein, eine sekundäre Hypertonie (22) sicher auszuschließen, insbesondere eine Nierenarterienstenose (e16), aber auch ein Phäochromozytom (e17). Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom Die CPAP-Therapie der bei Therapieresistenz häufiger anzutreffenden obstruktiven Schlaf-Apnoe führte in einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) nicht nur zu einer signifikanten Blutdrucksenkung um 10/7 mm Hg (21), sondern erlaubte auch eine Reduktion der Medikation bei 71 % der Patienten (e15). Diese Daten belegen die Notwendigkeit einer spezifischen Anamneseerhebung zur Schlaf-Apnoe (Tagesmüdigkeit?), einschließlich Fremdanamnese (Schnarchen, Apnoe-Phasen?). Bei Therapieresistenz sollte immer ein Apnoe-Screening beziehungsweise eine Untersuchung im Schlaflabor erfolgen. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 25 | 20. Juni 2014 KASTEN Substanzen mit blutdrucksteigernder Wirkung* ● Alkohol ● NSAR, Steroide, Östrogene ● Ciclosporin A, Tacrolimus ● Erythropoietin ● Neuroleptika, MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva ● Lakritze ● Kokain, Amphetamine, Methylphenidat ● Sympathomimetika, Nasentropfen ● pflanzliche Stoffe, zum Beispiel Ephedra (Meerträubel-)kraut (enthalten Ephedrin und Norephedrin; „Mormonentee“, „Ma Huang“) oder Pomeranze/Bitterorange (synephrinhaltig) ● VEGF-/VEGFR-Inhibitoren, Tyrosin-Kinase-Hemmer *Zusammengestellt aus Literatur (5, 6, 39, 40, e47) und der Erfahrung der Autoren. Je nach Dringlichkeit der Indikation kann die Medikation unter antihypertensiver Therapie fortgesetzt werden. Störungen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems Bei TRH wird ein „primärer Aldosteronismus“ in 10–20 % der Fälle vermutet (5, 18). Positive therapeutische Erfahrungen mit niedrig dosiertem Spironolacton unterstreichen die besondere Bedeutung des RAA-Systems (19, e11). Für Eplerenon liegen ebenfalls positive Erfahrungen vor (e12). Bei Unverträglichkeit kann auch Amilorid den Blutdruck deutlich weiter senken (e13). Unter den drei genannten Substanzen soll Spironolacton am stärksten wirken (e14). Nicht bei allen erfolgreich mit einem Aldosteronantagonisten behandelten Patienten ist ein Nebennierenrindenadenom, eine Nebennierenrindenhyperplasie oder eine der seltenen genetischen Veränderungen nachweisbar. So konnte an 157 Patienten mit hohem Aldosteron-Renin-Quotienten und erhöhter Plasma-Aldosteron-Konzentration gezeigt werden (20), dass das Aldosteron auch bei Patienten ohne Adenom oder Hyperplasie zur Therapieresistenz beitragen kann. Die Bestimmung der Plasma-Renin-Aktivität (beziehungsweise der Plasma-Renin-Konzentration) und des Plasma-Aldosterons ist als wesentlicher Bestandteil in der Diagnostik der Therapieresistenz zu betrachten. Hohe Kochsalzsensitivität Eine hohe Kochsalzaufnahme kann den Blutdruck steigern, die blutdrucksenkende Wirkung von Antihypertensiva reduzieren beziehungsweise aufheben und so zu einer Therapieresistenz führen (e10). Die wie- 427 MEDIZIN TABELLE Differenzierende Hinweise auf eine Volumenüberladung beziehungsweise eine erhöhte Sympathikusaktivität bei therapieresistenter Hypertonie* Volumenüberladung: erhöhte Sympathikusaktivität (Vasokonstriktion) hoher Kochsalzkonsum Sinustachykardie Ödeme Zustand nach Apoplex niedrige Plasma-Ren-Inaktivität Schlaf-Apnoe fehlender Anstieg harnpflichtiger Substanzen (Kreatinin, Harnsäure) unter Therapie Alkoholismus chronische Niereninsuffizienz paroxysmale oder labile Hypertonie *adaptiert nach (24) derholte Bestimmung der Natriumausscheidung im 24h-Urin hilft, Patienten mit hoher Kochsalzaufnahme (> 5–6 g/Tag entsprechend einer Natriumausscheidung von 80–100 mmol/24 h) zu identifizieren und diese durch intensivierte Beratung und spezielle Medikamentenauswahl gezielt zu behandeln. Medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei therapieresistenter Hypertonie Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Patienten mit echter Therapieresistenz. Die Mehrzahl dieser Patienten steht unter einer Therapie mit einem ● ACE-Hemmer beziehungsweise Angiotensinrezeptor-Blocker (A) ● Betablocker (B) ● Kalziumantagonisten (C) ● und definitionsgemäß einem Diuretikum (D). Die frühere AB/CD-Regel der British Hypertension Society (e18) wurde vom National Institute for Health and Clinical Excellence 2006 nach einer Metaanalyse (e19), bei der die Betablocker im Vergleich zu anderen Antihypertensiva eine um 16 % höhere Schlaganfallrate aufwiesen, in Bezug auf die Betablocker (B), revidiert. Zu den in dieser Arbeit aufgeführten folgenden Konzepten liegen keine RCTs vor, deshalb kann auch kein Evidenzniveau angegeben werden, sie sind jedoch pathophysiologisch gut begründet. Medikamentöse Strategien bei Therapieresistenz Die folgenden Empfehlungen haben das Ziel, bei Therapieresistenz in der antihypertensiven Dreierkombination besondere Schwerpunkte zu setzen beziehungsweise ein viertes Antihypertensivum gezielt auszuwählen. Volumendepletion und Orientierung am Plasma-Renin (Cambridge αβΔ-Guideline) Für schwer einstellbare Hypertoniker schlug die britische Hochdruckgesellschaft (BHS) schon 2003 eine Triple-Therapie mit A+C+D-Medikamenten vor (e18). 428 Dieses Schema wurde zu der „Cambridge αβΔ- Guideline“ für Hypertoniker ohne Begleiterkrankungen weiterentwickelt, die die Ergebnisse einer Plasma-Renin-Bestimmung berücksichtigt (e20, 23). Der pathophysiologische Grundgedanke ist die bekannte Vorstellung, dass die Hypertonie durch Volumenüberladung (= Natriumretention) und/oder Vasokonstriktion aufrecht erhalten wird. Die Bestimmung des PlasmaRenins soll ermitteln, wo sich auf dem Kontinuum zwischen den beiden pathophysiologischen Polen der einzelne Patient befindet. In der Konsequenz erhalten unzureichend eingestellte Patienten mit hohem Renin zusätzlich zur A+C+D-Therapie einen Betablocker (β), bei normalem Renin einen Alphablocker (α) und bei niedrigem Renin wird das Diuretikum gewechselt oder seine Dosis erhöht (Δ). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein normales Renin unter einer A+C+D-Therapie auf Non-Compliance beziehungsweise einen Aldosteronismus hinweisen kann, weil alle drei Antihypertensivaklassen (bei ausreichender Dosierung, Ausnahme Verapamil) das Renin stimulieren. Die Einteilung nach dem Reninstatus, hat sich in mehreren Studien der letzten Jahre bei TRH (e21, e22) bewährt. Die Möglichkeit einer Beurteilung von Sensitivität und Spezifität der Reninbestimmung sowie auch der Erfolgsrate dieses Behandlungskonzeptes wird allerdings erst auf der Grundlage der BHF/BHS PATHWAY-2-Studie 2015 (http://cvrisk.mvm.ed.ac.uk/ research/pathway2.htm) erwartet. Volumendepletion und Sympathikusblockade Basierend auf gleichen pathophysiologischen Überlegungen, aber ohne zwingende Bestimmung des Renins, schlägt Mann (24) eine ähnliche Differenzierung vor. Er stützt sich dabei vorwiegend auf klinische Symptome (Tabelle). Bei vermuteter Volumenretention wird als zusätzliches Diuretikum ein Aldosteronantagonist (Spironolacton, Eplerenon, jeweils 25–50 mg/Tag) und/ oder ein anderer Kaliumsparer (Amilorid 5–10 mg/Tag) empfohlen, bei angenommener erhöhter Sympathikusaktivität eine kombinierte α/β-Blockade vorzugsweise mit Doxazosin und einem Betablocker ohne oder mit geringem hepatischen First-pass-Effekt, wegen konstanterer Bioverfügbarkeit (zum Beispiel Atenolol, Bisoprolol und andere). Mit diesem Vorgehen konnten Mann und Parikh bei 24 von 27 therapieresistenten Patienten (89 %) das Therapieziel erreichen (25). Direkte Vasodilatation und Blockade der Gegenregulation Diese Strategie stellt nach der Erfahrung der Autoren eine bewährte ultima ratio bei Therapieresistenz dar, auch wenn sie in aktuellen Leitlinien wegen Mängel in der Evidenzbasis nicht mehr genannt wird (6). Als direkte Vasodilatatoren stehen Minoxidil und Dihydralazin zur Verfügung. Bereits im Jahr 1976 wurde die starke vasodilatatorische Potenz und herausragende Rolle des Minoxidils bei anderweitig nicht einstellbarer Hypertonie erkannt (e23), unter anderem bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz (e24). 1979 ließ es die FDA für die Behandlung Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 25 | 20. Juni 2014 MEDIZIN der TRH zu (e25). Wegen seiner Nebenwirkungen geriet es teilweise in Vergessenheit, erlebt aber in den letzten Jahren eine Renaissance (26). Den regelmäßig auftretenden Nebenwirkungen Reflextachykardie sowie Salz-Wasser-Retention ist zwingend durch Komedikation mit einem β-Blocker (ersatzweise Clonidin) und einem Diuretikum (in der Regel einem Schleifendiuretikum) (e26) zuvorzukommen. Perikardergüsse treten nach Fachinformation bei jedem 10. bis 100. Patienten auf, nach anderen Literaturangaben seltener (e27), sonografische Kontrollen sind in regelmäßigen Abständen zu empfehlen. Von den übrigen Nebenwirkungen ist der reversible Hirsutismus zu nennen, der besonders bei Frauen limitierend sein kann. Für den schwächer wirkenden direkten Vasodilatator Dihydralazin liegen keine harten Daten vor, die seinen Einsatz bei Therapieresistenz begründen. Als „add on“-Medikament war es jedoch Bestandteil zahlreicher Hochdruck-Interventionsstudien bei Patienten, die auf ältere Studienmedikationen nicht ausreichend ansprachen. So kann bei Kontraindikationen/Unverträglichkeit von Minoxidil ein Therapieversuch bei Patienten mit anzunehmender Vasokonstriktion unternommen werden. Wegen kurzer Wirkdauer muss Dihydralazin in drei bis vier Dosen über den Tag verteilt gegeben werden, während bei Minoxidil eine Einmaldosierung ausreicht. Die frequenzsenkende und diuretische Begleittherapie entspricht dem bei Minoxidil geschilderten Vorgehen. Anmerkungen zu einzelnen Antihypertensivagruppen Diuretika Die besondere Bedeutung einer Volumenretention als Ursache einer Therapieresistenz bestätigte sich unter anderem in einer Studie, in der der Volumenstatus mittels thorakaler Impedanzmessung überprüft, die Diuretikatherapie danach angepasst und dadurch eine höhere Erfolgsrate als durch Spezialistenbetreuung erzielt wurde (e28). Die Einhaltung einer kochsalzarmen Kost ist eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit von Diuretika. Das in Deutschland am häufigsten verschriebene Diuretikum Hydrochlorothiazid (HCT) geriet wegen dem fehlenden Nachweis einer Wirksamkeit, der zu geringen Blutdrucksenkung, sowie der niedrigen Adhärenzrate in die Kritik (e11, 27). Deshalb empfiehlt es sich, therapieresistente Patienten auf das gut untersuchte und bei der Reduktion von Morbidität und Mortalität effektive Chlortalidon (CTD) (e29) umzustellen. Es führt im Vergleich zu HCT zu einer stärkeren Blutdrucksenkung (28), ist diesem in der Vermeidung kardiovaskulärer Komplikationen überlegen (29) und hat sich auch bei TRH bewährt (30). Dennoch wird dieses Medikament nur selten Patienten mit Therapieresistenz verordnet (31). Indapamid wird dem CTD gleichrangig an die Seite gestellt (e30). Sollte darunter das Therapieziel nicht erreichbar sein, kann möglicherweise eine sequenzielle Nephronblockade (e31) (Thiazid- + Schleifendiuretikum) unter Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 25 | 20. Juni 2014 Gewichts- sowie Elektrolytkontrolle die Volumenretention beheben. Bei allen eine Hypokaliämie verursachenden Diuretika sollte die Serum-Kaliumkonzentration im Normbereich gehalten werden. Der positive Effekt einer Blutdrucksenkung wird durch Herzrhythmusstörungen infolge Hypokaliämie teilweise zunichte gemacht (e32). Unter Kaliumsparern und Aldosteronantagonisten treten dagegen Hyperkaliämien auf, insbesondere bei Niereninsuffizienz, bei Kombination mit einem ACEHemmer/AT1-Blocker, einem NSAR oder Betablocker. Vor und unter jeder Diuretikatherapie sind in Abhängigkeit vom klinischen Gesamtzustand Kaliumspiegel und Nierenfunktion zu untersuchen. Bei S-Kreatininwerten über 2 mg/dL ist den Schleifendiuretika der Vorzug zu geben. Aldosteronantagonisten, Amilorid und Triamteren dürfen bei S-Kaliumwerten über 4,5 mmol/L beziehungsweise Niereninsuffizienz nur unter Kaliumkontrolle eingesetzt werden. Reservemedikamente Auch für die folgenden Medikamente (in der Grafik nicht berücksichtigt) liegen keine überzeugenden Daten aus großen Interventionsstudien vor, die ihren Einsatz bei Therapieresistenz gut begründen. Dennoch wurden sie in zahlreichen großen Interventionsstudien als Komedikation beziehungsweise als letzte Therapiestufe genutzt, um den Zielblutdruck zu erreichen. Insgesamt sollten diese Medikamente erst eingesetzt werden, wenn die vorherigen Maßnahmen nicht zum Erfolg führen. Zentral wirkende Substanzen (Antisympathikotonika) Clonidin wurde schon früh wegen seiner starken blutdrucksenkenden Potenz auch bei schwerer/nicht einstellbarer Hypertonie eingesetzt (e33, e34). Besonders Patienten unter Mehrfachtherapie einschließlich Diuretikum sprechen gut auf dieses Medikament an (32). Differenzialtherapeutisch ist Clonidin wegen seiner den Sympathikus unterdrückenden Wirkung (e35) gut geeignet bei Patienten mit hoher Herzfrequenz sowie in der Kombination mit den Sympathikus stimulierendem Minoxidil oder Dihydralazin. Von dem häufig verordneten Moxonidin wird wegen seiner erhöhten Morbidiät und Mortalität bei Herzinsuffizienz abgeraten (32). Für das in der Notfalltherapie bewährte Urapidil liegen Daten einer kleinen Studie vor, die seinen Einsatz bei therapieresistenten Hypertonikern mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz rechtfertigen könnten (e36). Kommentar zu den neueren invasiven Methoden Die renale Sympathikusdenervierung, bei der durch einen über die A. femoralis vorgeschobenen Katheter mittels Radiofrequenzapplikation die sympathischen Nervenfasern in beiden Nierenarterienwänden verödet werden, stellt möglicherweise eine neue Option im Behandlungskonzept der therapieresistenten Hypertonie dar (33). Sie befindet sich allerdings immer 429 MEDIZIN noch im experimentellen Stadium mit zahlreichen offenen Fragen (e37). Nach anfänglicher Euphorie (33) und dem in Deutschland unkritischen Einsatz (34) der Methode wurde die von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA auf den Weg gebrachte Simplicity-3-Studie (e38) Anfang Februar 2014 von der den Katheter herstellenden Firma Medtronic eingestellt (e39), da der primäre Endpunkt, die Senkung des systolischen Gelegenheitsblutdrucks um ≥ 5 mm Hg nach 6 Monaten im Vergleich zu einer nur zum Schein denervierten Gruppe, nicht erreicht wurde. Die Ende März 2014 online publizierte Studie wies nur einen Gruppenunterschied von 2 mm Hg beim systolischen Gelegenheits- und Langzeitblutdruck auf (35). Die European Society of Hypertension und nationale Expertenteams haben sich bisher eher zurückhaltend zur Indikation des Eingriffs geäußert (6, 36, 37, e40). Deren Stellungnahmen sollten abgewartet werden, bevor weitere Patienten dieser Methode zugeführt werden. Bei offensichtlich fehlenden Sicherheitsbedenken (35, e39) könnte sie möglicherweise für einen unter Beachtung aller Kontraindikationen und nach ausführlicher, hier beschriebener Diagnostik und Therapie dem insgesamt kleinen Teil wirklich Therapieresistenter nützen (38). Ein weiteres invasives Verfahren ist die Baroreflexstimulation (elektrische Stimulation des Carotissinusnerven), die durch zwei Studien eine Renaissance erfuhr (3, 4). Trotz sehr effektiver Blutdrucksenkung (e41) konnte kein negativer Effekt auf die Nierenfunktion (e42), jedoch ein positiver Effekt auf strukturelle und funktionelle Herzparameter nachgewiesen werden (e43). Die Baroreflexstimulation ist im Gegensatz zur renalen Denervierung ein prinzipiell reversibles System, sie kann bei Hypotonie beziehungsweise Schock ausgeschaltet und den Erfordernissen eines zirkadianen Blutdruckrhythmus durch externe Programmierung mittels Radiofrequenz-Telemetrie an- KERNAUSSAGEN ● In Deutschland gelten um die 20 % aller Hypertoniker als therapieresistent. ● Kontrollierte medikamentöse Interventionsstudien zu dieser Hochrisikogruppe liegen nicht vor. ● Durch eine sorgfältige Diagnostik kann die Zahl der therapieresistenten Hypertoniker reduziert werden. ● Eine pathophysiologisch begründete medikamentöse Therapie lässt die Zahl der therapieresistenten Hypertoniker weiter schrumpfen. ● Barorezeptorstimulation beziehungsweise renale Denervierung können nach Ausschöpfung aller medikamentösen Möglichkeiten als letzte noch experimentelle Therapieoption im Rahmen von Registern/Therapiestudien erwogen werden. 430 gepasst werden (e44, e45). Die Baroreflexstimulation ist in Europa für die Behandlung therapieresistenter Hypertoniker mit hohem kardiovaskulären Risiko zugelassen (e46), sollte allerdings nur in ausgewählten Zentren mit großer hypertensiologischer Expertise und in enger Zusammenarbeit mit Gefäßchirurgen eingesetzt werden. Gewidmet unserem Lehrer Herrn Prof. Dr. med. Klaus Dietrich Bock Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. Manuskriptdaten eingereicht: 27. 12. 2013, revidierte Fassung angenommen: 7. 4. 2014 LITERATUR 1. Krum H, Schlaich M, Whitbourn R, et al.: Catheter-based renal sympathetic denervation for resistant hypertension: a multicentre safety and proof-of-principle cohort study. Lancet 2009; 373: 1275–81. 2. Esler MD, Krum H, Sobotka PA, Schlaich MP, Schmieder RE, Bohm M: Renal sympathetic denervation in patients with treatment-resistant hypertension (The Symplicity HTN-2 Trial): a randomised controlled trial. Lancet 2010; 376: 1903–9. 3. 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