Beispiele Preispsychologie / Wirkung im Unterbewussten Die Preispsychologie ist bei Banken und Sparkassen quasi noch in den „Kinderschuhen“. Durch die neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung in den letzten 10 Jahren und damit verbundene Konsumententests eröffnet sich ein riesengroßes Feld von Anwendungen bei Geldinstituten. Die 14 Gebote der Preisgestaltung sind: 1. Schwelleneffekt und Primacyeffekt Für das Unterbewusste ist ein Preis von 99 Cent billig, 1 Euro teuer. Wenn der Preis über 1 Euro ist, dann ist es für das Unterbewusste gleichgültig, ob 1,29 Euro oder 1,09 Euro. Zu beachten sind bei der Preisbildung stets die Produktionskosten, Wettbewerbspreise und die verfolgte Marktstrategie (z. B. Einführungspreis, Verdrängungspreis, Abschöpfungspreis). Die ersten Ziffern werden stärker beachtet als die folgenden Ziffern – 9,90 besser als 10,00. Welche Darstellung ist besser: 10 Euro, 10,00 Euro oder 1000 Euro? Bei 10,00 wird das wahrgenommen als 1000. Das Hochstellen der letzten Ziffern z. B. hinter dem Komma wirkt dieser Einschätzung entgegen (z. B. bei Tankstellen). 2. Figureneffekt Absteigende (z. B. 4,987 %) oder aufsteigende (z. B. 2,123 %) oder konstante Ziffernfolgen (z. B. 2,22 %) erzeugen zusätzliche Aufmerksamkeit. Die erste Ziffer wird vom Unterbewussten gemerkt / gespeichert. 3. Eckartikeleffekt / Kernprodukteffekt Wenn Kernprodukte, d. h. worauf besonders Wert gelegt wird oder ein ständiger Bedarf besteht, im Sortiment preisgünstig sind, dann lässt das ganze Unternehmen oder auch andere Sortimente / Produkte als preisgünstig erscheinen. 4. Farbeffekt und Schlagworteffekt Wenn ein rotes Preisschild oder ein roter Störer in der Werbung signalisiert, dass es sich um ein „Sonderangebot“ handelt, sollte das durchgängig verwendet werden. Das Unterbewusste erfasst das zuerst – und als Sonderangebot bzw. preiswert. Auch eine gesonderte Präsentation vermittelt den Eindruck, dass es preisgünstig ist (z. B. Aktion Sonderangebot, TOP-Angebot, Angebot des Monats, Angebot der Woche). 5. Ankereffekt Beim Preisvergleich sucht das Gehirn einen Referenzpreis. Praktisch ist es für das Gehirn, wenn der sofort mitgeliefert wird, zum Beispiel ein durchgestrichener Preis, eine „unverbindliche Preisempfehlung (UVP)“ oder die prozentuale Ersparnis (z. B. 21 % Ersparnis). 6. Platzierungseffekt oder Kompromisseffekt Wenn 2 Produkte zur Auswahl stehen wird das preiswertere gewählt. Wird ein 3. Produkt hinzugefügt, dann wird das mit dem mittleren Preis gewählt. Das hinzugefügte 3. Produkt sollte daher einen sehr hohen Preis haben. Beispiel 1: Ein Händler bietet 2 Weinflaschen an: 5 Euro und 10 Euro. Der 5-EuroWein wird gewählt. Der Händler fügt einen 15-Euro-Wein hinzu. Die 10-EuroFlasche wird gewählt. Der Konsument will nicht den billigsten, aber auch nicht den teuersten Wein. Beispiel 2: Kontomodell Classic für 5,99 Euro und Komfort für 7,99 Euro (z. B. mit Kreditkarte). Dann wird das 5,99 Euro Modell häufiger genommen. Fügt man ein weiteres Modell für 9,99 Euro hinzu (z. B. mit Goldkarte), dann wird das 7,99 Euro Modell häufiger genommen. Bei Hinzufügen weiterer Modelle (z. B. 4 und 5) ist die optimale Anzahl der Modelle entscheidend. 5 ist schon eine komplexe Struktur für das Gehirn, so dass hier Hilfen angeboten werden müssen zur Entscheidungsfindung, z. B. einen „Modellfinder“. Diese Besonderheit wird als „paradoxer Auswahleffekt“ bezeichnet. 7. Komplettpreiseffekt / Mengenpreiseffekt Ein Komplettpreis- oder Mengenpreiseffekt wirkt günstiger als die Summe der Einzelpreise und wird eher genommen. Ein paar Socken kosten 1,67 Euro. 3 Paar kosten 4,95 Euro. Beispiel 1: Ein Girokonto (all inklusiv) kostet 5,99 Euro. Ein Girokonto (Einzelpreise Buchungen, Belege, Telefonate, Lastschrift, etc.) hat einen Grundpreis von 2,90 Euro plus Einzelpreise. Wer nicht weiß, wie viel Einzelposten er hat, wählt lieber das „bequeme Konto“. Er braucht nicht alles einzeln zu bezahlen. 8. Splittingeffekt Verschiedene kleine Rabatte wirken mehr als ein großer Rabatt. Beispiel: 5 % Grundrabatt plus 2 % Aktionsrabatt plus 3 % Treuerabatt wirken besser als 10 % Rabatt. 9. Besänftigungseffekt Kleine Geschenke können selbst hohe Preise erträglicher machen. 10. Gratiseffekt Etwas „gratis“ zu bekommen verpflichtet das Unterbewusste dort etwas zu kaufen. Beispiel 1: Geschenk beim Kauf eines bestimmten Produktes Beispiel 2: 3 Produkte nehmen, nur 2 bezahlen (1 gratis) Beispiel 3: Bisher waren in einer Packung 10 Plätzchen, jetzt gibt es 1 gratis – zum gleichen Preis oder x Gramm mehr als x Gramm gratis definiert. 11. Dealeffekt Wenn das Zusatzprodukt bei einem Kombinationsangebot als extra Produkt mit höherem Preis gleichzeitig ausgewiesen wird, wird das Kombinationsangebot gewählt. Beispiel 1: Girokonto 5,99 Euro Girokonto plus Kreditkarte 7,99 Euro Zu 40 % wird das Girokonto zu 5,99 Euro gewählt, und 60 % zu 7,99 Euro. Beispiel 2: Besser wäre: - Girokonto 5,99 Euro - Kreditkarte 3,50 Euro - Girokonto + Kreditkarte 7,99 Euro Jetzt wird das Girokonto zu 7,99 Euro zu 80 % gewählt und das zu 5,99 % zu 20 %. 12. Separationseffekt Der Preis wird aufgeteilt in eine Grundgebühr und einen Nutzungspreis. Die Grundgebühr wird beim Vergleich nicht mehr bei der Berechnung (Preisvergleich) mit einbezogen. Somit ist der Transaktionspreis oder Nutzungspreis im Vergleich zum Wettbewerb günstiger oder der Preis wirkt insgesamt günstiger. Beispiel 1: Für Bahncard 25 %, 50 %, 100 % wird Grundpreis 1x im Jahr abgebucht. Beim Fahrpreiskauf wird nur der angezeigte Preis mit Flugzeug oder Autokosten verglichen. Beispiel 2: Depotkonten 25 %, 50 %, 100 % Rabatt. Es wird 1x im Jahr ein Grundpreis abgebucht. Bei der Transaktion gibt es gegenüber dem Normalpreis den jeweiligen Rabatt. Mit dem Wettbewerb, z. B. Direktbankkonten, wird nur der Transaktionspreis verglichen. Bei 3 Depotmodellen wirkt zudem der Kompromisseffekt (Nr. 6). Es wird in der Mehrzahl das 50 % Rabatt-Modell gewählt. Separations- und Kompromisseffekt sind sehr oft gut zu kombinieren. 13. Endownmenteffekt Die Aufwertung eines Kunden bei Preissteigerungen. Beispiel: Nach der Ausbildung muss der Kunde für ein kostenloses Girokonto Gebühren bezahlen. Folge: Abwanderungen und Marktanteilsverluste. Wird dem Kunden als Zwischenschritt bis zum endgültigen Vollzahler-Zeitpunkt etwas „Aufgewertetes“ oder „Wertvolles“ angeboten, so entfällt die Abwanderung. Junge Kunden erhalten nach der Ausbildung 1. Jahr: Flatrate für alle Buchungen plus Goldene Kreditkarte plus günstigeren Dispositionskredit 2. Jahr: 75 % Rabatt 3. Jahr: 50 % Rabatt 4. Jahr: 25 % Rabatt 5. Jahr: Normalpreis Hinzu kommt der „Gratiseffekt“ (Nr. 10), der das Unterbewusste verpflichtet, etwas anderes zu kaufen (z. B. Versicherungen, Sparplan, Ratenkredit). 14. Preissplitting Der Gesamtpreis wird in Einzelpreise zerlegt und wirkt daher günstiger. Literaturhinweise: 1. Hermann Diller, Handbuch Preispolitik, Kohlhammer-Verlag 2. Detlef Effert, Qualitäts- und Preisimage bei Banken, Gabler Verlag 3. Georg Wübker, Jan Engelke: in Detlef Effert, Qualitäts- und Preisimage bei Banken, Gabler Verlag 4. Wübker, G. / Engelke, J. / Grotwohl, K.: Kunden mit intelligenten Preisen locken, Bankmagazin Heft 10, Oktober 2007 5. Simon H. / Fassnacht, M., Preismanagement, Gabler Verlag 2009 Vor Einführung bestimmter Preisänderungen/Effekte sind Expertentests, Kunden- und Bevölkerungstests in kleinen Gruppen sinnvoll. Details dazu im Buch von Detlef Effert „Qualitäts- und Preisstrategie bei Banken“.