Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Musik und Astronomie
Sternenglanz und Sternenmeere (4)
Von Sabine Weber
Sendung:
Redaktion:
Donnerstag, 12. November 2015
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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SWR2-Musikstunde mit Sabine Weber 12.11.2015
Musik und Astronomie 4. Sternenglanz und Sternenmeere
Signet: SWR2 Musikstunde
MODERATION
Am Mikrofon begrüßt Sie Sabine Weber. Herzlich Willkommen.
Titelmusik kurz (10.sec)
MODERATION
Wenn die Sterne im Dunkel der Nacht funkeln, schlägt auf der Erde die Stunde
der Poeten. Sternphänomene und Sternbilder inspirieren natürlich auch
Komponisten. Und das in dieser Folge!
Weniger nach ihrer Inspirationskraft, sondern nach ihrer Helligkeit werden die
Sterne von Astrophysikern geordnet. Bei unserer Sonne handelt es sich
beispielsweise um einen ganz normalen Stern vom Spektraltyp G2V. Vor 5
Milliarden Jahren ist er „leuchtend“ ins Leben getreten. Auch wenn es sich bei
der Sonne um einen galaktisch gesprochen kleinen Stern handelt, seine
Zentralmasse beeinflusst die Umlaufbahnen von Planeten, Asteroiden und
Kometen. Grund genug für irdische Herrscher, sich mit dem Zentralgestirn unseres
Sonnensystems zu vergleichen. Und die Idee einer „Harmonie im Kosmos“ mit der
Sonne im Mittelpunkt der kreisenden Planeten eignet sich hervorragend für die
höfische Repräsentation. Denn die dem absolutistischen Fürsten untergebenen
Adligen umkreisen jenen wie die Planeten die Sonne. Im Februar 1653 tanzt der
erst zwanzigjährige Ludwig der Vierzehnte als Sonne verkleidet vor seinem
Hofstaat. Der Hof sollte verstehen und hat es verstanden: der „Roy du soleil“
beansprucht die absolute Macht und weist den ihn umgebenden Adel in seine
Bahnen.
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1
LC0173 DG 471142 2-18 Länge: 1'57
Jean-Baptiste Lully, Le roi représant le solei levant, Musica antiqua Köln
MODERATION
Le roi représant le solei levant – Der König als aufgehende Sonne aus dem Ballet
de la nuit komponiert von Jean-Baptiste Lully 1653. Hier mit Musica antiqua Köln,
aufgenommen 1999 als Musik zum Film Der König tanzt von Regisseur Gérard
Corbiau.
Wichtig sein wie die Sonne! Am Pariser Hof entfaltet der „Sonnenkönig“ Ludwig
der Vierzehnte ein luxuriöses Leben. Die Ausgaben für Beamte, Personal, Bauten,
Parkanlagen, Kleidung, Schmuck, die Tafelgelage und nicht zuletzt das
Mätressenwesen verschlingen astronomische Summen.
Geld hat der Komponist der folgenden Musik nie genug besessen. Aber er war
ein ähnlicher Exzentriker wie der Sonnenkönig. Das hat sich bei Alexander Skrjabin
auch physisch ausgedrückt. „Er hatte die Angewohnheit, Anlauf zu nehmen und
gleichsam hüpfend weiterzulaufen, wie ein Stein, den man auf dem Wasser
springen lässt“, erinnert sich der Schriftsteller Boris Pasternak. „Er hatte mancherlei
Arten erleuchteten Schwebens und schwereloser Bewegung an der Grenze zum
Fliegen.“ Mit seinen Theorien schien er tatsächlich „abzuheben“. Unter dem
Einfluss theosophischer Ideen, von „All-Einheitsideen“ oder einem okkultischen
Welterlösungsdenken, entwickelt er einen mystischen Akkord aus sechs
kreisenden Tönen oder eine Farbklanglehre und träumt von Klangextasen. Mit
seiner vierten Klaviersonate – er war selbst ein hervorragender Pianist - bricht er
dann in interstellare Regionen auf – in ein mystisches Universum. Das legt das
Gedicht nahe, dass er als Programm in französischer Sprache dazu verfasst hat.
Sein Beginn ins Deutsche übersetzt lautet:
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
In leichtem Schleier, durchsichtigem Nebel
Strahlt weich ein Stern, weit weg und einsam.
(…)
Das Gedicht endet mit:

Flammende Sonne! Sonne des Triumphs!
Ich komme dir näher in meiner Sehnsucht,
Bade mich in deiner Wellenbewegung – du Freude-Gott!
Ich sauge dich ein, Lichtmeer, du Licht meiner selbst,
Ich verschlinge dich!
Der erste Satz beginnt mit einem zweimaligen Quartsprung. Quarten bestimmen
auch den weiteren Verlauf – dem Gedicht kontemplativ folgend breitet sich
sehnsuchtsvolle Stimmung aus. Der zweite Teil schließt nahtlos an. Es ist der in dem
Gedicht beschriebene kosmische Flug zu der Sonne des Triumphs. Die
Tempobezeichnung „volando“ bedeutet auch „fliegend“.
Und für die SWR2 Musikstunde fliegt jetzt Laurence Oldak in einer faszinierenden
brandneuen Einspielung
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LC14899 LIBERA FUGA 724 Länge: 5'15
Alexander Skrjabin, Sonate Nr. 4 op 30, Laurence Oldak, Klavier
MODERATION
Ein Ausschnitt aus der 4. Sonate Opus 30 von Alexander Skrjabin – gerade
aufgenommen von Laurence Oldak.
Sie hören die SWR2 Musikstunde, die diese Woche in den Sternen stehen.
Ungewöhnliche Leuchtkräfte, rote Riesen, weiße Zwerge, Supernovas bevölkern
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den Kosmos. Manche Feuerbälle verhalten sich wie Diven. Mal hell, mal weniger.
Oder erregen Aufmerksamkeit durch kuriose Signale, wie zuletzt vom NASA
Weltraumteleskop Kepler gemeldet. Das Teleskop ist zwar defekt, fängt aber
noch sensible Lichtschwankungen auf. Und dann wird gemutmaßt, ob das
eventuell eine Folge von Planetenschatten sein könnte, die um ferne Sonnen
kreisen. Oder etwa Riesenbauten Außerirdischer im Weltall, die je nach
Konstellation den Stern verschwinden lassen. Oder verdunkeln etwa Brocken von
kollidierten Asteroiden den Blick... Oder sind es wabernde Staubwolken
verdampfter Kometen, die ihrem Stern zu nahe gekommen sind …? Fragen über
Fragen im unendlichen Weltraum …
In der folgenden Konzertarie von Wolfgang Amadeus Mozart wird der Weltraum
nicht nur beschworen, das Entschwinden eines geliebten Herzensstern ins Dunkel
zu verhindern. Es glitzert auch in den Koloraturen. Die Konzertarie „Ah se in ciel,
benigne stelle“ KV 538 hat Wolfgang Amadeus seiner heißen Flamme Aloysia
Weber in die Kehle komponiert.
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LC690 GLOSSA CABINET CDG 8424562 81104 1 Länge: 7'19
Wolfgang Amadeus Mozart, Ah se in ciel, benigne stelle KV 538,
Cyndia Sieden, Orchestra of the Eighteenth Century, Franz Brüggen (LTG)
MODERATION
Wo da die Sterne funkeln ist nicht zu überhören. In den Koloraturen der
Konzertarie KV 538 von Wolfgang Amadeus Mozart. Hier mit Cyndia Sieden und
dem Orchestra of the Eighteenth Century unter Franz Brüggen.
Während der Beschäftigung mit dem Thema Astronomie ist mir aufgefallen, wie
präsent astronomische Fragen in den Medien sind. Asteroiden, Meteoriten,
Planetoiden, kosmische Strahlung, Neues über die Urknalltheorie wird in den
Tageszeitungen wie auch Wochenmagazinen immer wieder aufgegriffen. Nicht
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zu vergessen die Mondfinsternis dieses Jahr in der Nacht vom 27. zum 28.
September. Anfang Oktober dann in der SZ ein Auszug aus einem Interview mit
einem vatikanischen Astronomen! Ja, auch Papst Franziskus schaut ins All! Und
hat gerade einen neuen Chefastronomen ernannt: Guy Consolmagno!
„Den Himmel mit einem Teleskop beobachten zu können macht uns zum
Menschen“ erklärt Consolmagno. Der Jesuit ist seit September Direktor des
Vatikanischen Observatoriums. Die päpstliche Sternwarte befindet sich im
Palazzo Quirinale, einer Sommerresidenz des Papstes südlich von Rom. Außerdem
betreibt die Kurie ein 1,8 Meter Teleskop in Arizona. Dort soll der Nachthimmel
besonders schön sein. Und das ist praktisch vor der Haustür für den Amerikaner
Consolmagno.
Warum die päpstliche Kurie in den Weltraum blickt? Das habe sich Consolmagno
auch gefragt. „Warum promoviere ich über Astronomie, wenn Menschen auf der
Welt Hunger leiden?“ Er hat Konsequenzen gezogen und ist mit einem USFriedenskorp nach Afrika aufgebrochen. Sobald jemand dort erfuhr, dass er
Astronom sei, wollten die Menschen sofort mehr wissen. „Menschen, die kein
Wasser hatten, wollten durch mein Teleskop schauen. Nicht nur die Mägen, auch
die Seelen müssen gefüttert werden. Astronomie ist ein wichtiger Teil unseres
Menschseins.“
Für die Sternbegeisterten Jesuiten – auch der Papst ist ein Jesuit - gibt es jetzt die
passende Musik. Die habe ich bei Marc-Antoine Charpentier gefunden. Nach
intensiven Studien bei Giacomo Carissimi in Rom wird Charpentier in Paris zum
Maître de Musiqe der Jesuitenkirche Saint-Louis ernannt. In einer von ihm
vertonten Jesuitenvesper findet sich ein wunderbar Sternerfüllter Hymnus. Ave
Maris Stella. Gerichtet an die Himmelsherrscherin. Er beginnt mit den Worten „Sei
gegrüßt, Stern des Meeres, erhabene Mutter Gottes“. Mit dem Meer ist natürlich
der Himmel gemeint. Der Hymnus verleiht Sehnsucht und Hoffnung auf eine
bessere Zeit Ausdruck. Er ist Seelennahrung. Und richtet unseren Blick jetzt in den
Himmel!
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LC80381 CASCAVELLE B0000007N2B Länge: 4'38
Marc-Antoine Charpentier, Ave Maris Stella H.67 aus Vêpres aux Jesuites,
Ensemble Vocal de Lausanne, L’Arpa Festante München, Michel Corboz (LTG)
MODERATION
„Meerstern, sei gegrüßt“ – und bitte für uns! Ave Maris Stella von Marc-Antoine
Charpentier mit dem Ensemble Vocal de Lausanne, begleitet von L’Arpa
Festante München unter der Leitung von Michel Corboz.
Maria als Himmelskönigin gilt dieses Gebet. Sie ist die Herrscherin über das Meer
der Sterne, weswegen in Darstellungen ihr Mantel innen oft mit Sternen verziert ist.
Sie hören die SWR2 Musikstunde, die heute sagenhaften Sternen folgt. Übrigens
sind in unserem Sonnensystem noch andere Flugkörper als Planeten unterwegs.
Freimut Börngen, bis 1995 Astronom an der Landessternwarte in Thüringen, in
Tautenburg bei Jena, hat über 500 sogenannter Planetoiden zwischen Mars und
Jupiter gesichtet. Planetoiden-Entdecker ist er mit einer Schmidt-Kamera
geworden. Auf einer belichteten Platte werden die Aufnahmen dieser Kamera
dann begutachtet. Wenn ein Strich zu erkennen ist, könnte es sich um einen
Planetoiden handeln. Dann muss aber erst noch die Flugbahn berechnet
werden. Die Ergebnisse werden dann an das Minor Planet Center Cambridge
Massachusetts USA geschickt. Dort wird alles über die Planetoiden gesammelt
und der Entdecker bestätigt. Der darf dem Planetoiden dann einen Namen
geben. Börngen hat sich einige Male für Musiker entschieden. Bis 1975 hätte es
unter den bekannten 1000 Planetoiden nur drei Komponisten gegeben. Zu
wenig! Bis 1987 immerhin schon 14 Komponisten. Darunter Bach, Beethoven und
Brahms. 1988 wird Börngen in Tautenburg aktiv und setzt bis 1990 30 weitere
Komponisten in den Himmel. Die Namensgebung ist natürlich reglementiert.
Vornamen dürfen nicht sein. Und die ersten Planetoiden-Entdeckungen im 19.
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Jahrhundert durften nur weibliche Namen oder Endungen tragen. Einer der
ersten Komponisten, der in unseren Himmel gesetzt wurde, kreist noch heute als
Mozartia. Und Modest kreist als Mussorgskia. In den 1950ern ist diese Regel
abgeschafft worden. Politiker und Militärs sind bis heute von der PlanetoidenApotheose ausgeschlossen. Es sei denn, sie sind 100 Jahre tot und hätten es
verdient!
Und inzwischen dürfen auch Sie für planetarische Namensvorschläge aktiv
werden. Allerdings nur für Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. 1.946
solcher Exoplaneten stehen inzwischen auf der Entdeckerliste. Im August dieses
Jahr ist die Aktion „auch Sie dürfen Exoplaneten Namen geben“ im Internet
gestartet worden.
Unter http://nameexoworlds.iau.org/exoworldsvote können Sie wie beim
songcontest mitvoten!
Ich bleibe lieber in unserem Sonnensystem. Dass dem Violinisten Vladimir
Spivakov 1994 planetoide Ehren zuteil geworden sind, verdankt er natürlich einer
russischen Sternwarte und einem russischen Astronomen als Patenonkel.
Zusammen mit dem Kölner Gürzenich-Orchester hat er vor zwei Jahren ganz
irdisch in Köln das Violinkonzert e-moll von Dimitri Schostakovitsch eingespielt.
Daraus jetzt der letzte Satz. Allegro con „Sternen-“ Brio. Die Leitung hat James
Conlon
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LC08748 CAPRICCIO 10892 Länge: 5'01
Dmitri Schostakowitsch, Violinkonzert Nr.1, Vladimir Spivakov, Violine, GürzenichOrchester, James Conlon (LTG)
MODERATION
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Der Schlusssatz aus dem Violinkonzert Nummer 1 von Dmitri Schostakowitsch.
Gespielt hat das Gürzenich-Orchester Köln unter James Conlon. Der Solist heißt
Vladimir Spivakov.
Nach ihm ist der Planetoid Spivakov benannt.
Die meisten Kleinplaneten kreisen in der interplanetaren Lücke zwischen Mars
und Jupiter, wo sich wegen der mächtigen Gravitation des Götter-VaterPlaneten, kein anderer großer Himmelskörper behaupten konnte. Vielleicht sind
die Planetoiden im Asteroidengürtel ja der Schutthaufen eines durch göttlichen
Zorn, sprich Gravitation zerstörten Planeten? Stark mitgenommen sehen sie
jedenfalls aus, die zwischen 5 und 20 Kilometer großen Gesteinsbrocken, bar
jeder Atmosphäre, die Deformationen von Meteoriteneinschlägen und sonstigen
Kollisionen aufweisen. Ihr Erscheinungsbild gleicht verblüffend dem von Kartoffeln.
Himmelskartoffeln!
Wenn man dieser Tage in den Himmel schaut und er ist klar, beeindruckt vor
allem ein Sternbild. Der Orion mit seinen drei Gürtelsternen, der Beteigeuze als
Schulterstern und dem Fußstern Rigel. Der Orion ist eines der ältesten Sternbilder.
Für die Griechen ist er das Urbild des Jägers gewesen. Rastlos durchstreift er mit
seinen beiden Jagdgefährten, den ebenfalls verstirnten Hunden die Länder der
Erde. Die Sternbilder vom Großer Hund mit Sirius und Kleinem Hund mit Stern
Prokyon grenzen direkt an. Orions Verhältnis zur Jagdgöttin Artemis soll minder
prächtig gewesen sein. Sie soll ihn dann auch mit ihren Jagdpfeilen getötet
haben. Übrigens gelten die besonders hellen Sterne in diesen Sternbildern als
Sternenbabys. Das heißt, sie sind erst vor wenigen Millionen Jahren entstanden.
Diese Sterne übertreffen unsere Sonne um das zehn- bis fünfzigtausendfache an
Leuchtkraft. Musikalisch darf jetzt mit einer Komponistin das komplette Sternbild
leuchten. Now Great Orion Journeys to the West so lautet das Gedicht eines
unbekannten kanadischen Dichters aus dem 19. Jahrhundert. Vertont hat es die
kanadische Komponistin Jean Coulthard 1959. Als erstes von insgesamt vier
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Klavierliedern, die sie der kanadischen Altistin Maureen Forrester gewidmet hat.
Und in dieser Aufnahme ist sie auch zu hören. Am Klavier John Newmark.
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LC keine Angabe CBC RECORDS PSCD 2026-5 Länge: 3'27
Jean Coulthard, Now Great Orion Journeys to the West aus Spring Rhapsody
Maureen Forrester, Alt, John Newmark, Klavier
MODERATION
Mit impressionistischen Klängen hat die kanadische Komponistin Jean Coulthard
den Orion am Himmel bedacht. Das Klavierlied Now Great Orion Journeys to the
West hat sie komponiert für Maureen Forrester, die hier auch gesungen hat,
begleitet von John Newmark.
Seit alten Zeiten stehen die Gestirne für die Ewigkeit, für das Unveränderliche und
Unvergängliche. Inzwischen wissen wir, dass sich auch Sterne verändern. Sterne
entstehen laufend neu. Alte Sterne verblassen. Die Zeiträume sind für uns
allerdings unermesslich.
Mit einer Lebenserwartung von 50 bis 100 Millionen Jahren werden Sterne an
einer galaktischen Stelle geboren, wo viel interstellare Materie, eine Masse aus
Gas und Staub konzentriert ist. Interstellare Materie wird zu einem Nebel. Der
„Pferdekopfnebel“ südlich des Sterns Zeta Orion, dem linken Gürtelstern des
Orions, ist so eine eindrucksvoll leuchtende Gaswolke. Durch sie schiebt sich eine
Dunkelwolke, deren Kontur dem ganzen Nebelkomplex den Namen gegeben
hat. Wenn sich die Gaswolke verdichtet und rotiert dann beginnt die SternenGeburt mit Kontraktionen. Dieser Vorgang ist äußerst kompliziert. Die
Zusammenballung hängt nicht nur von den großen Massen der Materie ab,
sondern auch von der Temperatur, den Gasen und der Dichte im Mittelpunkt der
Wolke. In diesem Prozess entsteht Ultraviolettstrahlung, die die Wolkenumgebung
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ionisiert. Ionisiertes Wasserstoffgas sammelt sich im H 2 Gasbereich, breitet sich
explosiv aus, bildet eine Front gegen die nicht ionisierten Gase im übrigen H 1
Gas-Gebiet. Rüsselartige Ausbuchtungen entstehen, dann reißt ein
Elefantenrüssel ab. Er verliert seine Verbindung zum neutralen Gasgebiet. Der
Druck auf diese Sternen-Urmasse steigt enorm an. Der ganze Prozess kann
Jahrmillionen dauern. Er bringt die Rechenzentren der Astrophysiker, die die
Sternengeburt simulieren, an den Rand des Absturzes. Und immer werden ganze
Sternhaufen geboren. Auch ganze Planetensysteme. Man weiß, dass die
Verdichtung unserer Planeten gleichzeitig mit der Sonne erfolgt ist, wobei
Planeten sich auf kaltem Wege verdichten ... Von diesen Prozessen ahnen wir ja
gar nichts, wenn wir abends in den Sternenhimmel schauen.
Musik kurz aufblenden. Auf Zeichen unter Text
Und dorthin hat auch der japanische Komponist Toru Takemitsu geschaut, um
sich von den drei Gürtel-Sternen des Wintersternbildes Orion inspirieren zu lassen.
Die Zahl drei legte der 1996 verstorbene Komponist seinem Werk Orion für Cello
und Klavier zugrunde. Nichts von den Kontraktionen, Eruptionen im
Pferdekopfnebel ganz in der Nähe eines der Gürtelsterne. Das ins Unendliche
ausgedehnte Zeitmaß in dieser Komposition lässt hier allenfalls eine meditative
Musikwolke entstehen. In dieser Ruhe kann umso mehr über die Unvereinbarkeit
kosmischer Wirklichkeit mit menschlich beschränkter Wahrnehmung
nachgedacht werden. Eigentlich ist die beschränkte Perspektive ja die viel
beruhigendere, poetischere, eine inspirierende ... Wenn es nicht auch die ewig
menschliche Neugier nach dem gäbe, was sich hinter dem ruhigen Schein
verbirgt.
Aber werden wir wirklich einmal wissen können, „wie viel Sternlein am Himmel
stehen....?“
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LC 03240 BIS 876 Länge: 5'04
Toru Takemitsu, Orion and Pleiades (1984), Torleif Thedéen, Violoncello, Noriko
Ogawa, Klavier
MODERATION
Ein Ausschnitt aus Orion und Plejaden komponiert im Auftrag des
Österreichischen Rundfunks 1984 von Toru Takemitsu und für die SWR2
Musikstunde interpretiert von Torleif Thedéen, Violoncello, Noriko Ogawa, Klavier.
Nach kontemplativen Sternklängen eines japanischen Komponisten das richtige
stellare Schlussstück mit finalem Charakter zu finden, ist gar nicht so leicht.
Morgen reist die SWR2 Musikstunden zu den Planeten, aber erwarten Sie nicht die
altbekannten Planetenklassiker von Gustav Holst.
Zwei Stücke haben wir noch im Angebot.
Wer zu den folgend beschriebenen Sternen als Interpret hingelangen will, dem
treibt es Schweißperlen auf die Stirn. „Per aspera ad astra“, das wussten schon
die Alten Römer. Nur durch Mühen gelangen wir zu den Sternen hin.
Und um noch einmal Bewegung in die Betrachtung zu bringen, muss der Pianist
jetzt schuften. Das hat der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkende
Pianist und Komponist Moritz Moszokowski in seiner Etüde „Per aspera ad astra“ so
gewollt.
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LC00316 RCAGD87755 Länge: 1'16
Moritz Moszokowski, Etüde op. 72 Nr. 6 “Per aspera ad astra”
Vladimir Horowitz, Klavier
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MODERATION
„Wenn Sie mehr sein wollen als ein Virtuose, dann seien sie zuerst einmal virtuos!“
Das ist einer der Leitsprüche von Vladimir Horowitz gewesen. Hier war zu hören,
was er mit virtuos gemeint hat. Mit der Etüde Opus 72 Nummer 6 von Moritz
Moszokowski, die nicht umsonst den Beinamen „Per aspera ad astra“ – durch
bittere Arbeit zu den Sternen – trägt. Vladimir Horowitz hat dieses Stück 1951 in
der Carnegie Hall aufgenommen, als ein lässiges „Encore“, ein Zugabenstück!
In unser letzten Folge morgen stehen die Planeten auf dem Programm!
Das Planetarium öffnet zur SWR2 Musikstunden-üblichen Zeit um 9 Uhr. Ich hoffe,
Sie sind bei unserer Reise durch unser Sonnensystem mit dabei. Jetzt das
versprochene Schlussbild für heute, bevor Sie in den Morgen aufbrechen,
leuchten die Wunder des Nachthimmels noch einmal auf. Auch wenn der Mond
weder Stern, noch Planet ist, sondern ein Trabant – eben ein Mond – in diesem
Bild ist er das Lichtjuwel. Komponiert hat es Johannes Brahms als erstes
Chorquartett von insgesamt vieren und es zu seinem Opus 92 gerechnet. Auf ein
Gedicht von Georg Friedrich Daumer. Es singt der Rias Kammerchor unter Marcus
Creed. Der Pianist ist Alain Planès
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LC 07045 HARMONIA MUNDI FRANCE 901593 Länge: 3'40
Johannes Brahms, O schöne Nacht, Nr 1 aus Vier Quartette op 92
Rias Kammerchor, Alain Planès, Klavier, Marcus Creed (LTG)
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